BELGISCHE ARDENNEN REGIOPANORAMA - WANDERMAGAZIN
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REGION SPA die Mutter aller Kurorte Die Furt durch die Hoëgne und die Fuß- Seine weit über 300 Quellen liefern gängerbrücke über den Fluss aus dem seit Jahrhunderten den Stoff, aus dem Hohen Venn führen zum Startpunkt ei- Wohlbefinden, Heilung und Erfrischung nes von vielen Wanderträumen der Re- bestehen – reinstes Wasser. Regen- und gion Spa. Das bernsteinfarbene Wasser Schmelzwasser aus Mooren des Hohen spielt dabei die erste Geige. Port Bel- Venn gelangt nach Jahrzehnten allmäh- heid an der Hoëgne liegt vor den Toren licher Versickerung auf wasserundurch- von Spa, der Mutter aller Kurorte. Der lässige Schichten, reichert sich mit Kurort mit mondäner Geschichte ist wertvollen Mineralien, Spurenelemen- zum Synonym für weltweite Wellness- ten und Kohlensäure an und tritt in klei- wonnen geworden. Mit Fug und Recht. nen Quellen zutage. Foto: © FTPL, P. Fagnoul www.wandermagazin.de 3
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Die Burg Bouillon, was für eine Anla- Ausblicke auf die waldreiche buck- ge. Strategisch exzellent auf einem lige Welt der Ardennen. Schmucke Felshocker im Halbrund der Semois Dörfer, ausgesucht schöne Wander- gelegen, thronen die wehrhaften wege und überall versteckte Kost- Mauern und Türme schon ein Jahrtau- barkeiten. Vom Zweisternekoch in send über der sehenswerten Stadt. einem 200 Seelendorf, vom Schoko- Die Semois ist einer der typischen ladenkünstler, von einem Fluss, der Ardennenflüsse. Tief eingeschnitten im Berg verschwindet, von Bauern, in das Gestein, voller Schlingen und Handwerkern, Brauern und Men- Schleifen, liefern sie felsige Hoch- schen, die fest in der Region verwur- ufer und immer wieder sensationelle zelt sind und es verstehen zu leben. Foto: © WBT, Daniel Elke 4 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN REGION HOHES VENN Der Schwamm in der Höhe Eigentlich fließt das Wasser ja talwärts. führen durch die Hochmoorlandschaft und Das tut es auch im Hohen Venn, einer der dort wo die Vennflüsse aus rund 650 Me- letzten intakten Urlandschaften Europas tern über zwei- oder dreihundert Meter an der Grenze zu Deutschland. Doch dort ins Tal stürzen, gibt es sagenhaft wilde oben gibt es mehr Wasser, als Rur, Weser, Bachtäler. Das üppig strömende Wasser Warche, Hill und all die anderen zu Tale be- füllt Talsperren und bildet wie schon vor fördern können. Die rund zehntausend Jah- vielen Jahrhunderten die Lebensadern des re Torfschichten des Hohen Venn sind me- Hohen Venn und seiner Menschen. terdick und wachsen weiter. Bohlenstege Foto: © WBT, Dominik Ketz 6 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN ZU DEN QUELLEN GUTEN LEBENS VON DER URLANDSCHAFT DES HOHEN zur Halbzeit meiner Tour am Prachtausguck auf die Semoisschleife in Botassart. VENNS ZUR SEMOIS, DER MÄANDERKÖNIGIN IN DEN SÜDLICHEN ARDENNEN. VON DEN Abends dann die Geschmacksexplosionen bei Maxime SPRUDELNDEN QUELLEN IN UND UM SPA ZU Collard im Restaurant „La Table de Maxime“ im Arden- DEN GESCHMACKSEXPLOSIONEN IN DEN nendorf Our. Was der 37-Jährige mit seinem Team in ARDENNENDÖRFERN. WER WANDERN WILL fünf Gängen auf Tisch und Teller zauberte, kann ich leider nicht in Worte fassen. Ich schloss einfach die UND SICH GERNE VERFÜHREN LÄSST, DEM Augen und befahl meinen Geschmacksknospen, jedes SEIEN VIELE WEGE ZU DEN WURZELN GUTEN Aromamolekül, jedes verarbeitete Produkt zu schme- LEBENS VERSPROCHEN. cken. Maxime ist einer von 24 Spitzenköchen der „Ge- neration W“ (W steht für Wallonie), die sich verpflichtet haben, überwiegend mit heimischen Produkten zu ko- In Spa, umgeben von sprudelnden Bergen, wo aus Hunder- chen. Für mich ist seine virtuose Zauberei eine Quelle ten Quellen reinstes Wasser strömt, schlenderte ich auf den des guten Lebens. Spuren einer mondänen Kurstadt von europäischem Rang. Ich trank aus der Quelle, die 1717 bereits Zar Peter der Große Mit größter Begeisterung wanderte ich tags drauf von nutzte. Wanderte wie einst der hünenhafte russische Kaiser Rochehaut hinunter zur Semois und stieg über Stufen von der Quelle „Geronstière“ zurück nach Spa. Durchstieg und Leitern wieder hinauf. Ich war wie beseelt und be- Bachtäler von faszinierender Wildheit und genoss die Me- geistert. Nur einen Tag später stand ich an der pracht- lancholie der Hochmoore. Ich ließ mich durch die Grotten vollen, restaurierten Mühle von Resteigne am Ufer der von Remouchamps in die Unterwelt führen. Weiter ging die Lesse, im Herzen des UNESCO-Geoparks Famenne-Ar- Entdeckungsreise nach Bouillon. Unvergessen, wie mich Ma- denne. Lesse, Moment mal! Es ist jene Lesse, die bei rie-Laure in der Burg Bouillon zu 13 Fresken aus ihrer Hand in Han-sur-Lesse einfach in einem unscheinbaren Loch einem Seitengang der Burg führte. Sie zeichnen die Geschich- verschwindet und nach 10 km Irrfahrt wieder aus dem te Gottfrieds von Bouillon von der Geburt bis zum Einzug in Berg austritt. Abends lag ich dann in einem Liegestuhl Jerusalem am Ende des Ersten Kreuzzugs im Jahr 1100 nach. an der alten Wassermühle in Éprave, nur einen Stein- Es ist jener Gottfried, der in Bouillon und Umgebung als Held wurf von der Lesse entfernt, trank ein Glas Chinette verehrt wird. Beeindruckt von dem majestätischen Flug des (ein helles Bier) von der gerade einmal acht Jahre Weißkopfadlers eines holländischen Falkners im großen Bur- alten „Brasserie de la Lesse“ im Dorf. Ich ließ meine ghof, stieg ich in die Altstadt ab. Bei Monsieur Legrand in der Erlebnisse zu den Wurzeln des Geschmacks und Quel- Grand Rue kaufte ich mir für 15 Euro einen leckeren Apfel- len der Echtheit in der Wallonie Revue passieren. Wa- kuchen aus Mürbeteig (Tarte aux pommes). Wieder so eine ren das nicht allesamt Quellen puren Wohlbefindens? Quelle besonderen Genusses. Das letzte Stück vertilgte ich Stimmt genau! Panorama auf die Semois- Schleife bei Frahan von Rochehaut aus © WBT, JP Remy 8 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
WANDERN IN DER DAS WASSER DER DAS SAVOIR-VIVRE WALLONIE ARDENNEN DER ARDENNEN © Andreas Pacek Im Hoëgne-Tal © Andreas Pacek Spitzenkoch Maxime Collard in seiner Küche © Michael Sänger Die Wallonen sind große Naturliebhaber Klar, da sind die sprudelnden Quellen Die Menschen in den Ardennen sind sehr und schätzen das Wandern. Daher gibt in und um Spa. Kaum vorstellbar, dass heimatverbunden. Sie schätzen das gute es eine Reihe von Fernwanderwegen (so- sie eine von Hydrologen und Geologen Leben. Einer ihrer Wahlsprüche lautet: genannte GR-Wege – Sentiers de Grande nachgewiesene Verbindung zwischen den Essen und Trinken hält Leib und Seele Randonnée), darunter mit dem E 2 und Hochmooren des Venns und den mehr als zusammen. Die Bedeutung regionaler dem E 3 auch zwei Europäische Fern- 300 natürlichen Quellen herstellen. Vor landwirtschaftlicher Produkte und einer wanderwege. Darüber hinaus gibt es ein Jahrzehnten als Niederschlag im Hohen handwerklichen Herstellung oder Ver- dichtes Wegenetz an lokalen Rundwan- Venn gefallen, gelangt das Regen- und arbeitung ist groß. Man schaue nur in derwegen. In der Nähe der meisten Städ- Schmelzwasser in einer der vielen Quel- die Auslagen der Bäckereien und Metz- te der Wallonie werden sie noch durch len wieder ans Licht. Da wären jene Wild- gereien oder besuche einen der zahlrei- örtliche Rundwanderwege ergänzt. Eine bäche der Wallonie, die ihren tosenden, chen Wochenmärkte. Ich fand in einem Auswahl der schönsten Rundwanderun- schäumenden Ritt aus der Höhe der Moo- 400 Seelendorf eine Metzgerei und im gen hält das Fremdenverkehrsamt des re ins Tal mit bizarren und unglaublich wil- kleinen Our in den Ardennen hat sich Belgien-Tourismus Wallonie in Deutsch- den Bachtälern verschönt haben. Von be- Maxime Collard sogar zwei Michelinster- land (s. unten) kostenlos zum Download sonderer Anmut und gestalterischer Kraft ne erkocht und kann sich vor Reservie- bereit. Darunter eine Broschüre mit den seien die Ardennenflüsse erwähnt. Sie rungsanfragen kaum retten. Vom Müller 20 bezauberndsten Wanderungen in sind Landschaftskünstler und -gestalter. zur Ziegenkäserei, vom Kartoffelbauern den Ardennen oder ein handlicher Po- Es sind Lebensadern und sie bilden den zum Chocolatier heißt es immer: Regi- cketguide mit 26 ausgewählten Wander- roten Faden für lohnenswerte Wander-, onal kommt zuerst. Man trinkt das Bier touren. Ergänzt wird das Angebot durch Kajak- und Radtouren. An ihnen liegen aus einem der Trappistenklöster oder die acht Geowanderungen des UNESCO- wunderschöne Dörfer wie Chassepierre einer Brauerei der Umgebung, genießt Geoparks Famenne-Ardenne. Alle Infos oder La Fôret und einladende Städte. Se- den Schinken nach Ardenner Art und ver- dazu kann man sich auf der Websei- mois, Amblève, Ourthe oder Lesse – diese wöhnt sich mit Wild, Pilzen und Beeren te in deutscher Sprache downloaden. quicklebendigen Flussdamen sollte man aus heimischen Wäldern. Hier lässt es www.geoparcfamenneardenne.be/de besuchen. sich leben. (ms) Zu den Quellen des guten Lebens benss In diesen gekenzeichneten Regionen wurden die Wanderungen und Touren vorgenommen. AKTUELLE BROSCHÜRE ZUM Bouillon HERUNTERLADEN UNTER: UNESCO-Geopark Famenne-Ardenne Florenville www.belgien-tourismus- Spa wallonie.de/broschueren Hohes Venn www.wandermagazin.de 9
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Der Wildbach Hoëgne QUELLEN WIE mit der Brücke Pont du Centenaire © FTPL, P. Fagnoul PERLENDER SEKT Mein Spaziergang durch die Altstadt von Spa gleicht einer ÜBER 300 QUELLEN Zeitreise ins 18. oder 19. Jh. Ich stehe an einem kleinen Platz Der russische Zar Peter der Große kurte 1717 fünf Wochen in mit Brunnen, wo sich die Rue Delhasse und die Rue Dagly tref- Spa und die nach ihm benannte Quelle ist die bekannteste aller fen. Ich schlendere durch die schmalen Gassen, die gesäumt Quellen in und um Spa. In der Mitte des sechseckigen Pavillons sind von dreistöckigen Backsteinbauten mit hölzernen Kas- im Zentrum von Spa ragen fünf rostrote Eisenstelen, kunstvoll setten-Fenstern und schmiedeeisernen Balkonen. Die schmu- ineinander verwoben, in die Höhe und aus einem Wasserhahn cken Bauten aus dem späten 18. und frühen 19. Jh., einst sprudelt das eisenhaltige und stets zehn Grad kühle Quellwas- Hotels, Logierhäuser und Pensionen für die in der Liste der ser. Wer in Spa und Umgebung unterwegs ist, sollte übrigens „Lords and Ladies“ aufgeführten betuchten Kurgäste, laden immer einen Trinkbecher parat haben. Denn Spa ist reich an zum Träumen ein. Am Eingang vieler Häuser erzählen Pla- sprudelnden Quellen. In der Stadt fußläufig erreichbar sind min- ketten davon, welche prominenten Persönlichkeiten aus Adel, destens sieben Brunnen. Weitere gut 300 Quellen liegen in der Klerus und Bourgeoisie wann hier logierten. In der Rue Del- näheren und weiteren Umgebung. Von Peter dem Großen weiß hasse wohnte z. B. der amerikanische Erfolgsautor Fenimore man, dass er sich frühmorgens mit dem Zweispänner zur Quel- Cooper (Der letzte Mohikaner). Unweit von ihm der berühmte le Géronstère (422 m) in der Nähe der Domaine de Berinzenne Galan Giacomo Casanova. BETUCHTE KURGÄSTE Es heißt, schon Plinius dem Älteren, einem römischen Gelehr- ten zurzeit von Jesus Christus, sei der Sauerbrunnen in den Ardennen bekannt gewesen. Der Legende nach soll der Hei- lige Remaclus, Missionsbischof der Ardennen im 7. Jh., mit seinem Bischofsstab auf die heilenden Quellen gestoßen sein. Gesichert ist das nicht. Völlig sicher und sogar zu besichtigen ist die gemalte Gästeliste bedeutender Kurgäste der Arden- nenstadt im Brunnengebäude Pierre-le-Grand im Herzen der Stadt. 95 Persönlichkeiten aus drei Jahrhunderten porträ- tierte der Maler Antoine Fontaine auf einem monumentalen Fresko. Es hängt im Foyer zur Quelle „Peter der Große“. In- teressant finde ich allerdings auch, welche Berühmtheiten er nicht würdig genug befand, obwohl ihr Aufenthalt verbrieft ist. So fehlen auf dem knapp neun Meter langen „Livre d‘Or“ etwa der Komponist Franz Liszt, Casanova, der Maler William Auf dem Weg vom Stadtzentrum zur Therme liegt der Turner, die Geliebte des bayerischen Königs Ludwig I. Lola Brunnen „Fontaine des Yeux“ © Michael Sänger Montez oder Zar Alexander I. 10 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
DIE HOCHARDENNEN – © Christian Deblanc NATUR PUR Ganz oben in den Ardennen sind die Täler besonders tief, die Wälder größer und die Flüsse wilder. Hier, in Höhenlagen von 400 bis 650 m, kann man durchatmen, neue Energie tanken, wandern, radeln und sich nach allen Regeln der Kunst ver- wöhnen lassen. Orte wie Gouvy, Lierneux, Trois-Ponts und Vielsalm laden zum Spaziergang oder einer anspruchsvollen Entdeckerwanderung mit Freunden ein. Es gibt Aktivitätsan- gebote für alle Natur- und Sportbegeisterte. Ob klassisch mit dem Drahtesel, dynamisch per Moutainbike oder e-Bike – das Streckennetz ist riesig. Es gibt Fahrrad-Verleihstationen, dazu beschilderte Wege oder RAVeL-Wege auf ehemaligen Bahn- strecken und Treidelpfaden. Das Wanderwegenetz ist umfas- send und spezielle Bike-Parks erfreuen besonders Bike-Enthu- siasten. Wer will, kann sich sogar e-Roller leihen, so genannte „Trottinettes électriques“. Es stehen auch Tandems und Bug- gys zur Verfügung, damit sich jeder in der Familie bewegen kann. Sehenswerte kleine Museen, traditionsreiche Feste, Märkte mit regionalen Produkten und gute Restaurants sind weitere Trümpfe für einen unvergesslichen Aufenthalt. Ach ja, abends macht man es sich am Kamin gemütlich, genießt die Erlebnisse des Tages und den Augenblick. Alles gute Gründe es bald auszuprobieren – oder? (ms) © Christian Deblanc www.haute-ardenne.be (von dem Haus des Waldes dort starten viele Wandertou- ren ins Venn und durch eines der atemberaubend schönen Tälchen zurück nach Spa) kutschieren ließ, um dann wie- der zu Fuß in die Stadt zurückzulaufen. Das Geheimnis des Quellenreichtums von Spa ruht tief in und auf den Bergen um Spa. Es sind wasserundurchlässige Gesteinsschichten, die das in vielen Jahrzehnten aus den Hochmooren des Venn in das Erdreich sickernde Regen- und Schmelzwas- ser zu ihren Quellhorizonten leiten. Mehrere hundert Me- ter tiefer stößt das inzwischen jahrzehntealte Regen- und Schmelzwasser auf das wasserundurchlässige Gestein, schwemmt Spuren von Mineralien heraus und reichert sich gelegentlich mit Kohlendioxid an. Die Quellgalerie der Marie-Henriette-Quelle schüttet pro Stunde sechs Kubik- meter, also 15.000 Liter, reinsten, eisen- und kohlensäure- haltigen Wassers. Einen Großteil des Wassers nutzt das 1921 gegründete, städtische Mineralwasserunternehmen „Spa Monopole“. Die Badekuren von einst werden heute auf einer Anhöhe in der Thermenlandschaft von Spa an- geboten. In Sichtweite der alten Wandelhallen Leopold II. und dem „Parc de Sept Heures“ im Stadtzentrum beför- dern zwei Glaskabinen den Badegast nach oben. SPA UND DIE BOBELINS Hier ist man stolz auf die mondäne Kurklientel, die man liebevoll „Bobelins“ nannte. Der Begriff hat lateinische Wurzeln. Bibulus, Bibula oder Bibulum steht für Trinkfreu- digkeit. Daraus wurde im Volksmund der Bobelin. Er, der Bobelin, mit einem Messstab aus Elfenbein in der Tasche, Blick von der Brasserie des Bobelines am Parc de 7 um die verordnete Menge des Heilwassers messen zu kön- Heures auf die Kirche St. Remaclus © Adobe Stock nen. Sie, die Bobeline, mit Anis und Cardamon im Gepäck, um dem leicht fad und säuerlich schmeckenden Mineral- www.wandermagazin.de 11
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Beste Aussicht ins Tal des Ninglinspo hat man vom Pavillon „Point de vue Druet“ © Michael Sänger wasser eine angenehmere Note zu ver- leihen. Die Bobelins dinierten anschlie- ßend in Restaurants, spekulierten in einem der beiden Kasinos (Redoute und Waux-Hall), vergnügten sich bei Spie- len, Pferderennen und Gesprächen und lustwandelten allabendlich ab 19.00 Uhr durch den „Parc de Sept Heures“ von Pavillon zu Pavillon, um gesehen zu werden und die eigene Neugier zu be- friedigen. Ich entdecke immerhin zwei in den nackten Fels gehauene Eiskeller, das Denkmal des Komponisten Meyer- beer sowie die abseits gelegene Quelle „Fontaine des Yeux“ und das sehens- werte Wäschemuseum. Bei 600 bis 1.200 Bobelins pro Sommersaison samt der vielköpfigen Entourage aus Dienern, Kut- schern, Zofen und Sekretären kam eine Menge schmutziger Wäsche zusammen. Die Idee, aus diesem Anlass dem „Wa- schen der schmutzigen Wäsche“ ein Mu- Wanderweg am Wildbach Ninglinspo seum zu widmen, ist großartig. Das gilt © FTPL, P. Fagnoul auch für das Museum des Waldes und des Wassers im Haus des Waldes oben parkplatz im Tal der Hoëgne, ist der Startpunkt einer unglaublich schönen Wild- auf knapp 480 m Höhe an der Domaine bachtour. Das Bachbett der ca. 30 km langen Hoëgne, einem Zufluss der Weser, ist de Berinzenne. steineübersät. Der Fluss entspringt im Polleur-Venn in rund 660 m Höhe. Zwischen dem Pont de Belheid und dem Pont du Centenaire (Jahrhundertbrücke) begibt sich RAUSCHENDE WILDBÄCHE das bernsteinfarbene, klare und reine Wasser auf eine atemberaubende Sturzfahrt. Wasser bestimmt auch die Region Spa Gewaltige, rundgeschliffene Gesteinsbrocken liegen im Bachbett, über Kaskaden- insgesamt. Stadtnah laden rund 21 mar- stufen gischtet das Wasser bergab. Links und rechts säumen mal monumental kierte Rundwanderwege zwischen 5 und große Buchen, mal mächtige Rotfichten das Ufer. Mal links, mal rechts schwingt 15 km Länge zum genussvollen Wan- sich das Flüsschen durch Schiefergestein und schäumt bei jedem Hindernis, denn dern ein. Ob von dem Doppelbrunnen der das aus den Torfmooren stammende, saure und vollkommen reine Wasser enthält „Sauvenière“ und „Groesbeek“ durch das pflanzliche Saponine und ungesättigte Fettsäuren, die in Strudeln weißen Schaum wildromantische Tal der Ruisseau de la ausbilden. Immer höher steigt der Pfad, mal links, mal rechts der Hoëgne, turnt über Sauvenière, die Promenade des Artistes Holzstege und kleine Brücken bis zur Jahrhundertbrücke am Fuße des Venns. Diese durch das Tal des Ruisseau du Pendu Brücke wurde 1930, also 100 Jahre nach der Gründung des Königreichs Belgien, oder oben auf dem Dach von Spa durch erbaut und führt zur ehemaligen Bahnstation Jalhay Wald, wo die Bahntrasse heute die melancholische Landschaft des Fag- von dem Radweg (Ravel 44) genutzt wird. ne de Malchamps, einem von Moorseen, meterdicken Torfschichten mit Wollgras- WILDER, QUICKLEBENDIGER NINGLINSPO büschen und Torfmoospulten übersäten In 308 m Höhe, im Fagne Porallée, entsteht der Ninglinspo aus dem Zusammenfluss Hochmoor, Wasser spielt immer eine von zwei Vennbächen, der Hornay und der Pierre blanche. Was dieser Wildbach auf Rolle. Nicht weit von Spa entfernt, an 130 Höhenmetern durch das Schiefergestein vollführt, durchsetzt mit rötlich schim- der Pont de Belheid mit großem Wander- merndem Limonit, ist sensationell. Schon der Einstieg in Sedoz an der schlingen- 12 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
reichen Amblève in der Nähe der weltbekannten Grotten von Remouchamps ist ein Wandergedicht mit seinen Tropfsteinsälen und der sagenhaften BURG REINHARDSTEIN Bootsfahrt auf einem Höhlenfluss. Unter dichtem Blätterbach kann man das noch breite und mit Im Hohen Venn trafen einst die Herrschaftsgebiete der flachen Steinen übersäte Bachbett nach links und Herzöge von Luxemburg und des Bischofs von Lüttich rechts queren. Dann wird das Tal rasch enger und zusammen. Zur strategischen Sicherung baute Reinhardt der mit blauem Rechteck markierte Wanderweg aus Weismes im Auftrag seines luxemburgischen Her- steigt steil an. Unten gurgelt das Wasser. Dieser zogs die Höhenburg im 14. Jh. auf einem Felssporn über Wildbach bietet Einzigartiges für die Ohren, mal gur- der Warche. Die 40 km lange Warche entspringt im Ho- gelt, mal säuselt und raunt er, um dann wieder zu hen Venn und beginnt, nachdem sie die Bütgenbacher plätschern, zu wimmern und zu brausen. Für die Au- und Robertviller Talsperre speist, ihren rasanten Ritt hi- gen und Füße bietet der schmale, oft mit Fixiersei- nunter nach Malmedy. Gleich unterhalb der stolzen Feste len gesicherte Traumpfad faszinierende Momente. stürzt sie sich spektakulär 60 m in die Tiefe. Kein Wunder, Mal wähne ich mich in einer Schlangengrube, der- art winden sich fingerdünne und armdicke Wurzeln dass sich um die Dreiecksburg mit drei Türmen zwischen über den Weg, mal steige ich über Steine so groß Warche, Talsperren und Hohem Venn interessante Wan- wie Kleinfahrzeuge. Es wirkt zuweilen, als hätten derwege, ob Fernwanderwege (GR 14 oder GR 56V) oder sich zwei Riesen im Wettstreit befunden und einan- Rundwanderwege, ein Stelldichein geben. Die Burg gehör- der mit schiefergrauen Steinen beworfen. Ich quere te u. a. nahezu 300 Jahre den Fürsten von Metternich und den Bach über schmale Stege und Brücken, steige wurde ab 1969 wieder nach alten Vorlagen originalgetreu über Holzstufen, um sogleich faszinierende Kaska- von Prof. Jean Overloop aufgebaut. Die knapp 75-minüti- den oder kleine Wasserfälle zu bestaunen. Was für ge Führung durch die Anlage und ihre Räumlichkeiten ist ein grandioser Weg. Für eine kurze Variante kann spannend und empfehlenswert. (ms) man sich der Markierung mit dem gelben Rechteck anvertrauen. Die blaue Markierung führt von dem Info zu Öffnungszeiten, Führungen, Eintrittspreise und Punkt „La Porallée“ rechts ab über den traumhaft besonderen Veranstaltungen etc. www.reinhardstein.net schönen Aussichtspunkt „Point de vue Druet“ in drei bis vier Stunden zurück nach Sedoz. Es ist ein Land wie geschaffen fürs Wandern … (ms) Burg Reinhardstein © ostbelgien.eu, Dominik Ketz Burg Peter der Große war vielleicht der berühmteste Reinhardstein Kurgast von Spa. Die Statue steht vor dem © WBT, Denis gleichnamigen Brunnen im Zentrum der Stadt. Erroyaux © Michael Sänger www.wandermagazin.de 13
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN ZU DEN QUELLEN DES GESCHMACKS Vencimont ist ein hübsches Dorf an den Ufern der Houille, ei- nem munteren Ardennenflüsschen. Dort bestaune ich an einem Spätsommerabend drei gut zwei Meter große unterschächtige Mühlräder in der Moulin de Vencimont. Originellerweise sind die Wasserräder kaskadenförmig angelegt und treiben Mühl- steine aus Lavagestein an. Die Wassermühle aus dem 18. Jh. ist weit über die Region hinaus als eine Quelle des besonderen Ge- schmacks bekannt, denn das Mehl wird nur aus heimischem Ge- treide gemahlen. Besonderer Beliebtheit erfreut sich das weiße Dinkelmehl aus nachhaltigem Anbau. Feine Aromen von Nüssen und gerösteten Mandeln bestimmen den Geschmack des Mehls, das zudem wertvolle Mineralien und Nährstoffe enthält. In der und Waffen zu finanzieren. Heute ist die Burg, die Vauban angeschlossenen kleinen Bäckerei kaufe ich eines der kross ge- im 17. Jh. zur Festungsanlage umbaute, der Hingucker. Drei backenen, duftenden Weißbrote und beiße hinein. Was für eine Vorburgen, ein fensterloser Gang mit Knick, aberwitzig viele Geschmacksexplosion! Treppen, Türmchen, Tore, Säle und Plattformen gibt es zu besichtigen. Den schönsten Blick auf die Burg, die Stadt, die GOTTFRIED VON BOUILLON waldreichen Ardennen und die Semois habe ich dann vom Sein Konterfei schmückt Biermarken, Fahnen, Plakate, Bücher, Kanonenturm aus dem 16. Jh. von der obersten Plattform. Restaurants und Hotels in Bouillon und Umgebung. Die gewal- Links überspannt an der Stelle einer alten Furt eine Stein- tige Burganlage auf dem Felssporn in der wundervollen Fluss- brücke die Semois. Unter mir zeigt ein holländischer Falkner schleife der Semois in Bouillon gehörte im 11 Jh. den Grafen vor Publikum mit seinen Greifvögeln einstudierte Kunststü- Ardenne. Von den drei Burgherren des Geschlechts erlangte cke, rechts unten der alte Stadtkern von Bouillon beidseits Gottfried von Bouillon (alias Gottfried V.) als Heerführer im der Semois, auf der an diesem sonnig-warmen Tag sicher Ersten Kreuzzug und als erster Regent nach der Eroberung um die 40 bunte Tretboote schippern. 340 m lang ist das Fes- Jerusalems im Jahre 1100 Berühmtheit. 1096 verpfändete er tungswerk in der Höhe und misst an seiner breitesten Stelle die Burg an den Lütticher Bischof, um die Teilnahme an dem 40 Meter. Kein Wunder, dass die Anlage nur durch Aushun- Kreuzzug ins gelobte Land mit bewaffneten Männern, Pferden gern oder Seuchen zu bezwingen war. Bild oben: Die Burg von Bouillon © WBT, Holger Bernert Bild links: Im Sommer präsentieren Falkner in der Burg regelmäßig eine Greifvogel- Schau. Auch ein Weißkopfadler ist dabei. © Michael Sänger 14 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
SPUREN DER VERFÜHRUNG Nur neun große Mäander weiter flussaufwärts stehe ich stau- nend in Chassepierre. Es ist ein bezauberndes Dorf, wie es mehrere in den Ardennen gibt. Etwa Laforêt oder Torgny. Keck reckt die weiß getünchte Kirche St. Martin ihren Turm über das Hochufer der Semois in die Höhe. Von der Mauer des Kirch- hofs fällt der Blick hinunter auf Obst- und Gemüsegärten, auf ein altes Mühlengebäude und Reste von unterirdischen Ge- wölben. Hinter mir steigt der ovale Dorfplatz bergan und um- schließt in der Mitte ein Restaurant. Das Dorf verströmt Ruhe. Weiter geht es auf dem Fernwanderweg GR 16 (Sentier de la Semois) mit einer Abkürzung nach Florenville. Die Kleinstadt hoch über dem Prallufer der Semois sprudelt vor Lebensfreu- de. Der GR 16 führt mich direkt zur Aussichtsplattform vor der Kirche Notre Dame und weiter zum quirligen zentralen Place Albert Ier und zu einer außergewöhnlichen Quelle des Geschmacks, zu Monsieur Edouard. Seit 2004 kreiert der 47 Jahre alte Chocolatier die köstlichsten Schleckereien aus den Kakaobohnen dieser Welt. Er empfängt mich strahlend mit großen dunklen Augen, erzählt, welche Unterschiede es zwi- schen Kakaobohnen aus Vietnam oder Madagaskar gibt und warum Schokolade bei falscher Lagerung Fett ausschwitzt und weiß wird. Als ich ihn nach einem coolen Wandertipp fra- ge, schlägt er seine Lieblingstour auf dem GR 129 von Flo- renville zum Kloster Orval vor. Dass Monsieur Edouard eine IM BANN DER CALESTIENNE ganz besondere Beziehung zu dem weltberühmten Trappis- tenkloster hat, demonstriert er wenig später. Auf der weißen Im Mittelpunkt des UNESCO-Geoparks Famenne-Ardenne Serviette eines Silbertabletts liegen drei Pralinen. Die habe steht ein 140 km langer und bis 4 km breiter Kalkrücken, er speziell für das Kloster Orval kreiert. „Orval“ heißt die zylinderförmige Praline mit einem Überzug, der goldfarben der vom Nordosten der Wallonie bis in den Südwesten glänzt. Der bittere Schokoladengeschmack rühre von Kakao- reicht. Die Verbindung von Karsthöhlen, Grotten, unterirdi- bohnen aus Uganda und Ecuador her und so könne die Pra- schen Flüssen mit den in Jahrhunderten entwickelten Tra- line auch zum herben Bier aus der Klosterbrauerei gereicht ditionen, Bräuchen, der Landnutzung, der Architektur und werden. Die auf „Mathilde“ getaufte quaderförmige und mit der Lebensweisen ist eine Kernaufgabe des Geoparks. Ein- einer goldfarbenen Ganache und filigraner Ornamentik über- drucksvolle Karstphänomene wie das Verschwinden eines zogene Praline erinnere an die Zeit der Klostergründung im Flusses bei Han-sur-Lesse, die Grotten von Rochefort oder 12. Jh. und die Legende mit dem verlorenen golden Ring der Hotton stehen im engen Kontext zu alten Wassermühlen, Gräfin Mathilde. Der Chocolatier präsentiert mir den schmel- Steinbrüchen, Brauereien, landwirtschaftlichen und hand- werklichen Produkten der Region. Empfehlenswert sind die acht Geowanderungen mit zwischen 2,5 und 12,7 km Stolz posiert Länge. Sie garantieren Spannung pur. (ms) Metzgermeister Martin vor www.geoparkfamenneardenne.be seinem Ladengeschäft in Naomé © Michael Sänger Die Grotte von Hotton © Gaetan Rochez www.wandermagazin.de 15
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Monsieur Edouard präsentiert seine Pralinen- serie für das Kloster Orval © Michael Sänger zenden Schokoladen- und Grüntee-Rosen-Überzug mit einem Hauch Passionsfrucht wie ein Gemälde von Picasso. Die dritte Praline, im Format eines Würfels, tiefbraun mit glänzendem Überzug, ent- halte Rosmarin und einer silbrigen Geschmacksno- te, habe er auf den Namen „Toscana“ getauft. Zum Abschluss gibt mir der Chocolatier einen letzten Tipp: Auch kalte Schokolade laufe weiß an, wenn sie zu rasch erwärmt wird. Kondenswasser löse den Zucker aus der Schokomasse und der setze sich dann als weißer Belag ab. Gut zu wissen! DER VIRTUOSE UND SEINE PRODUZENTEN Ortswechsel! Ich stehe in Our, noch so eines der pittoresken Ardennendörfer. Idyllisch an der knapp 14 km langen Our, einem der linken Zuflüsse der Lesse, gelegen, ist Our Schnittpunkt von zwei gro- Während der 36-jährige Meisterkoch in der Küche seines Restaurants „La ßen Fernwanderwegen, der Transardennaise und Table de Maxime“ eine Sauce cremig rührt, erzählt er von der Fülle regi- dem GR 14. Heute will ich Maxime Collard, einen onaler Produkte aus der näheren Umgebung. Zum Beispiel die Kartoffeln der Mitbegründer der „Generation W“, besuchen. der Sorte „Plate de Florenville“, festkochend mit rötlicher Schale und gold- Das W steht für Wallonie und verpflichte aktuell gelbem Fruchtfleisch. Oder der würzige Ziegenfrischkäse von Madame Ann 24 Spitzenköche aus der Wallonie, ihre virtuosen Loicq aus dem Nachbardorf Maissin. Die freundliche Dame in der Ziegen- Kochkünste vorzugsweise mit regionalen Produk- käserei wird mir anderntags erzählen, dass sie für 250 Gramm Weichkäse ten zu realisieren. Wer dem Kollektiv angehören 2,5 Liter Ziegenmilch benötige und seit 22 Jahren Ziegen züchte. Maxime möchte, muss mit mindestens fünf verschiedenen Collard kocht seit Kindheitstagen, anfangs mit Mama und Großmutter. Er regionalen Produzenten kooperieren. Dabei, so er- entdeckt alte, regionale Rezepte immer wieder neu und verfeinert sie. Für klärt mir der Sternekoch aus dem 200-Seelendorf, die Tarte sorgt Pierre Legrand aus Bouillon. Die besten Würste, schlachtfri- soll der Gast die Produkte, die er in einem der Re- sches Fleisch vom Rind, Schwein oder Lamm liefert Metzgermeister Martin staurants des Kollektivs entdeckt, möglichst auch aus dem kleinen Naomé, nur einige Minuten von Our entfernt. Für die edlen selbst beim Erzeuger kaufen können. So etwa das Pralinen ist, natürlich, Monsieur Edouard aus Florenville zuständig. Ob er Brot der Moulin de Vencimont von Ambroise De schon wisse, was im Dezember in den Topf und auf den Teller kommen Greift, dessen Brote wie vor 400 Jahren noch von werde, will ich wissen. Maxime schließt kurz die Augen und murmelt dann Hand hergestellt werden. etwas vom Filet vom Hirschkalb, vielleicht Hase und bestimmt auch etwas Antiklinale in Durbuy – ein geologisches Highlight © WBT, Bruno d‘Alimonte 16 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
vom Fasan. Selbstredend stehen Trappistenbiere aus Orval ganz oben auf der eigenen Bierkarte und auch einige Weine auf der imposanten Weinkar- te stammen aus der Nachbarschaft. Nach einem für mich unübertroffenen Augen- und Gaumen- schmaus mit fünf Gängen und erlesenen Weinen am Vorabend fahre ich heute zu Monsieur Martin und seiner „Boucherie de la Ferme Martin“. Wieder so ein kleines Ardennennest. Ich frage mich, wie sich in einem Dorf mit 400 Einwohnern eine Metz- gerei halten kann. Monsieur Martin lacht und meint, die Wallonen seien große Fleischliebhaber. Er halte eigene Rinder, Schafe und Schweine. Er verarbei- te das Fleisch, die Würste und Schinken nach al- ten Rezepten und die Menschen mögen es. Kurze Wege, ökologische Landwirtschaft, beste Qualität. TREPPEN, LEITERN UND DAS VERSCHWUNDENE WASSER Die Sonne dieses Augustmorgens verheißt größtes Wandervergnügen. Rochehaut liegt hoch über ei- ner der graziösen 180 Grad-Schleifen der Semois mit sagenhaften Ausblicken. Im Ort tummeln sich die Touristen, einige Rucksackwanderer folgen wie Die Semois bei Botassart © Andreas Pacek ich der Markierung mit dem roten Rechteck. Schon bald windet sich der Weg steil hinunter zur Semois, die hier behäbig und breit über Schieferbänke fluss- FREŸR - EIN GARTEN EDEN abwärts strömt. Für die nur 11,2 km lange, aber dank einiger Steilanstiege mit Treppen und Leitern ambitionierte Wanderrunde sollte man sich gute Es ist ein Paradiesgarten an den Ufern der Maas, überragt vier Stunden Gehzeit gönnen. Ein Wandertraum. von 120 m hohen Felsen. 20 Generationen der Herzöge Be- „Geht‘s denn noch besser?“, frage ich mich. Und ob! Gelegenheit zur Nagelprobe bietet der UNESCO- aufort-Spontin haben in der Sommerresidenz (dem Versail- Geopark Famenne-Ardenne. Und wieder liegen die les an der Maas) gelebt und das Anwesen liebevoll gestal- Wurzeln für diese wanderbaren Geheimnisse in der tet. Der Besucher ist eingeladen, nicht nur die Geschichte besonderen geologischen Geschichte. Genauer ge- des Schlosses, sondern auch die grandiose Umgebung vor sagt in einem 140 km langen und zwischen einem den Toren von Dinant zu erleben. Gekrönte Häupter waren und vier Kilometer breiten Kalkgebirge, das sich in Freÿr zu Besuch. Die Gärten und Terrassen im Stile der vom Nordosten der Wallonie um das wunderschö- Renaissance zeigen sich in einer ausnehmend prachtvollen ne Durbuy über Marche-en-Famenne und Rochefort und doch intimen Gestaltung. Das Plätschern der Spring- in den Südwesten bei Wellin und Tellin erstreckt. brunnen, der Duft der 300 Jahre alten Orangenbäume in Die Besonderheiten des Karst sind die Dolinen, Belgiens ältester Orangerie und die 6 km langen kleinen Erdfälle, Tropfsteinhöhlen, Kalkriffe, Grotten und Labyrinthe begeistern Jung und Alt. (ms) das Phänomen des verschwindenden Wassers. Bei Han-sur-Lesse verschwindet sogar ein ganzer freyr.be Fluss in einem Loch und gelangt erst nach etwa 10 km unterirdischer Odyssee wieder ans Tageslicht. Auch die Grotten von Lorette oberhalb von Roche- Typisch: Der Rennsteig als knorriger Pfad fort, deren Höhlengewirr sich auf rund 7 km Länge erstreckt, gehen auf durchströmendes Wasser zu- rück. Über mehrere hundert Stufen steigt man bis zu 60 m tief in die Unterwelt ein. Eine Wunderwelt, die im Lichte der Scheinwerfer glitzert und strahlt. Beeindruckt wandere ich über die Höhen zu einem Aussichtspunkt des als „Calestienne“ bezeichneten Kalkgebirges. Steil fallen die Kalkrippen in das Tal unter mir ab. Auf dem sonnenwarmen Kalkmager- rasen betört der Geruch nach Salbei, Bohnenkraut und Oregano, bezirzt das Gezirpe der Grillen und Grashüpfer die Ohren und der rauschhafte Flug der © Axel Bonaert Schmetterlinge begeistert das Auge. Wundervoll! (ms) www.wandermagazin.de 17
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Das Hohe Venn ist ein Hochplateau, das sich von Nordost Wandern auf Bohlenwegen im Hohen Venn nach Südwest erstreckt und dann in die Ardennen übergeht. © Wandermagazin, Natalie Glatter Obwohl das Vennmassiv, das sich im geologischen Altertum des Kambrium herausbildete, keine wirkliche Berggipfel hat, gibt es neben Belgiens höchstem Punkt, dem 694 m hohen Signal de Botrange, noch weitere im Relief des Plateaus er- kennbare Kuppen. Nach der tektonischen Auffaltung des Mas- sivs verwitterte der graue Tonschiefer aus dem Erdaltertum durch starke Erosion und bildete eine wasserundurchlässige Schicht. Mit bis zu 1.500 mm Jahresniederschlag, der an bis zu 220 Tagen des Jahres als Regen und an weiteren 70 bis 80 Tagen als Schnee niedergeht, entwickelten sich auf dem Plateau in den zahlreichen Mulden und Vertiefungen ideale Voraussetzungen zur Bildung von Hochmooren. So wächst das Moor mit jährlich etwa einem bis zwei Millimetern seit Jahrtausenden in die Höhe. Moore bestehen aus weichen, verdächtig nachgebenden Moospolstern und ebenso ver- dächtigen Tümpeln braunen Moorwassers. Nicht von unge- fähr bezeichnet man das Hohe Venn auch als vollgesogenen Schwamm. Damit nicht genug: Im Venn entspringen dank des Wasserreichtums viele Bäche und Flüsse, wie Rur, Hill, We- ser, Gileppe, Trôs-Marets, Warche oder Hoëgne. Einige, wie die Trôs Marets, sind lediglich 6 km lang. So stürzen die Was- DAS HOHE VENN sermassen teils in beeindruckenden Rinnen, über lotrecht abfallende Wände in die Tiefe und bilden wildromantische Bachtäler. Das Hohe Venn bietet die einzigartige Gelegenheit, EINE URLANDSCHAFT in eine noch intakte Urlandschaft zu blicken und sie auf ei- gens angelegten Bohlenstegen oder durch wilde Bachtäler zu durchwandern. (ms) © www.ostbelgien.eu, Dominik Ketz BELGIENS der stillen Moorseen im Hohen Venn. Und waldreich ist der wilde Osten! Das größte zusammenhängende Waldstück Belgiens befin- det sich hier. Auf der einen Seite geht der Hertogenwald über in WILDER OSTEN eine wiesenreiche Tal- und Hügellandschaft. Auf der anderen Seite schraubt er sich bis zum höchsten Punkt des Landes empor. Der sieht allerdings so gar nicht wie ein Gipfel aus, wundert sich der Wanderer, wenn er das 692 m hohe Signal de Botrange im Hohen Schmale, naturbelassene Pfade, Wiesenwege fürs „Querfeldein“- Venn erreicht. Statt Gebirge gibt‘s Weitblick über eine urwüchsige Feeling und Holzbohlenstege, die bis zum Horizont reichen. Will- Moorlandschaft, die sich gerne mal in Nebel hüllt. „Genusstouren – kommen in Ostbelgien. Mal ist es ein See, der die Weite des Him- Am Wasser entlang, im Wald und Panoramen“ heißt die Broschüre, mels, vor allem Ruhe und Gelassenheit spiegelt. Mal ist es ein in der Entdecker und Genießer die schönsten Wanderungen Ost- Fluss mit zwei Gesichtern, eines sanft, das andere verspielt und belgiens finden. Enthalten sind auch Wanderungen, die nach dem wild. Wasser begleitet den Wanderer in Ostbelgien überall. Meist neuen Knotenpunktsystem funktionieren. (ms) ist es ein Plätschern im Dickicht, ein schmales Rinnsal zwischen Wiesen und durch Wälder oder der Blick in die dunklen Augen INFO: OSTBELGIEN.EU 18 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
GEWINNSPIEL © Christian Charlier MITMACHEN UND EINEN GENUSSAUFENTHALT IN OSTBELGIEN GEWINNEN! Gewinnen Sie einen Preis im Wert von 744 Euro. Den/die Ge- winner*in entführen wir in Begleitung einer zweiten Person in das familiengeführte Hotel Bütgenbacher Hof **** am Rande des vor allem bei Wanderern beliebten Hohen Venns. Dort haben Sie sogar Anschluss an den Vennbahn-Radweg und können sich auf die Kulisse am Bütgenbacher Stausee freuen. Das liebens- werte Hotel ist für seine Gastlichkeit und seine exzellente Küche © Christian Charlier (sechs Köche sorgen für Ihr leibliches Wohl) weit über die Gren- zen Ostbelgiens hinaus bekannt. DER PREIS FÜR ZWEI PERSONEN BEINHALTET: Zwei Übernachtungen im Doppelzimmer der Kategorie „Heimatgefühl“ inkl. Frühstück sowie pro Person • 1 Vier-Gang-Menü inkl. Getränkepauschale • 1 Sieben-Gang-Gourmetmenü inkl. Getränkepauschale • 1 Sektfrühstück • Zugang zum Wellness- und Fitnessbereich mit Saunen und Schwimmbad Um am Gewinnspiel teilzunehmen, beantworten Sie einfach die folgende Frage: WELCHER ORT IN BELGIEN IST AUCH ALS „MUTTER ALLER KURORTE“ BEKANNT? EIN ORT DES A: NAMUR B: CHARLEROI C: SPA WOHLBEFINDENS Bütgenbach ist ein Dorf südlich des Hohen Venn und liegt an Senden Sie Ihre Antwort mit Angabe Ihres vollständigen Namens und Ihrer der 125 ha großen Talsperre Bütgenbach im deutschsprachi- Adresse einfach per E-Mail an info@belgien-tourismus-wallonie.de. Teilnahme- gen Teil Ostbelgiens. Mittendrin liegt das Viersternehotel der schluss ist der 31.3.2021 um 24:00 Uhr. Danach werden wir den/die Gewin- Familie Maraite, das seit 2011 in zweiter Generation geleitet ner*in per einfachem Losverfahren ermitteln und benachrichtigen. wird. Das Hotel Bütgenbacher Hof begeistert schon, wenn WIR WÜNSCHEN VIEL GLÜCK! man sich von dem kleinen Park im Herzen des Dorfes kom- mend über die Straße „Marktplatz“ dem Haus nähert. Bei der aufwendigen Gestaltung der Innenausstattung des Hauses und seiner Zimmer spielt Holz eine zentrale Rolle. Kein Wun- der, die filigranen Umrisse von fünf Blättern der Kastanie sind sichtbares Symbol des Hauses. Sechs Köche sorgen im Hau- benrestaurant für exquisites Essvergnügen. Dabei werden vorzugsweise regionale Produkte verwendet. Der Weinkeller ist bestens sortiert. Die Terrasse, der Wintergarten, die lie- bevoll gestalteten Zimmer und Suiten, der Wellnessbereich mit Schwimmbad, Saunen, Whirlpool und Fitnessangeboten bieten viel Platz und eine gemütliche Atmosphäre zum Ent- spannen. Denn dank der einzigartigen Lage an der Warche, einem Vennfluss, an der Bütgenbacher Talsperre und einem der größten erhaltenen Hochmoore Europas, dem Hohen Venn, gibt es fantastische Möglichkeiten, sich zu Fuß oder zu Rad in der Natur zu betätigen. (ms) © Christian Charlier INFO: WWW.HBH.BE www.wandermagazin.de 19
REGIOPANORAMA I BELGISCHE ARDENNEN Charmante UNTERKÜNFTE IN DEN BELGISCHEN ARDENNEN Ob individuelles Landhotel, gemütliches Ferienhaus mit Kamin und Sauna, Bed & Breakfast mit persönlichem Empfang oder Campingplatz direkt am Fluss – die belgischen Ardennen bieten vielfältige Übernachtungsmöglichkeiten. Ein besonderes Bonbon bildet in vielen Hotels und Restaurants die gute belgische Küche, die jeden Aufenthalt in der Baumhäuser Wallonie zu einem besonderen Genuss-Erlebnis LP:DOGƓQGHW man beim macht. Hier ein paar Impressionen … Anbieter Cabanes de Rensiwez in Houffalize. © WBT, Olivier oder Gemütliche, elegante Bourgi öhn lich e Fer ienhäuser außergew n Ard enn en viele. gibt es in de © Ardennes-Etape Diese Zeichen stehen für ländliche Bauernhof- Unterkünfte © WBT, Olivier Legardien © WBT, Oliv ier Bourgi Auch gibt es viele Ferienhäuser mit besonderer Ausstattung, etwa Kamin, Schwimmbad oder Sauna. © Ardennes-Etape 20 WANDERMAGAZIN Winter 2020/2021
© WBT, Denis Erroyaux Die Aqualodge in Erm eton-sur-Biert bietet nat Entspannung am Wasse urnahe r … © Aqualodge … und ist ein außergewöhnliches Hideaway © Aqualodge Das Hotel Floréal in La Roche- en-Ardenne © WBT, Denis Erroyaux Ein weiterer Ort Noblesse oblige: Das Manoir mit Wellness-Charme: de Lébioles bei Spa Das Château © Eliophot - Aix-en-Provence des Thermes in Idylle pur und Spitzenküche – Chaudfontaine © WBT, JP Remy das Hotel-Restaurant Moulin Hide ux bei Bouillon © Philippe Saenen, Auberge du Moulin Hideux INFO: Inspirationen und Buchungsmöglichkeiten für Unterkünfte in den belgischen Ardennen gibt es hier HOTELS/ FERIENHÄUSER/B&BS: visitwallonia.be/buchen FERIENHÄUSER: ardennes-etape.de ss – g am Flu gitesdewallonie.be Campin r Amblève e hier an d lot Oder man campt auß accueilchampetre.be e bei Stav ripleties wie hier in „Sphair“ ge ergewöhnlich, Pe © WBT, auf dem Campingpla nannten Kugeln tz Val de l‘Aisne. CAMPINGPLÄTZE: © Camping le Val de l‘Aisne campingbelgique.be www.wandermagazin.de 21
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