BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG

 
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BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
MÄRZ 2020

                                                                                                                                                             M A G A Z I N F Ü R M I TG L I E D E R U N D PA RT N E R

                                                                                                                                                             BERGRETTUNG
                                                                                                                                                             STEIERMARK
HEFT 44
Österreichische Post AG, MZ 09Z038154M, Österreichischer Bergrettungsdienst Steiermark, Radetzkystraße 16, 8010 Graz

                                                                                                                                                                                                 Bilanz: Blick auf die
                                                                                                                                                                                               Einsatzstatistik 2019

                                                                                                                                                                                             Übungen: Vorbereitung
                                                                                                                                                                                                auf die Wintersaison

                                                                                                                                                                                             RECCO: Effiziente Suche
                                                                                                                                                                                                         aus der Luft
                                                                                                                       Retouren an Postfach 555, 1008 Wien
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Michael Miggitsch
    Landesleiter

    Liebe Bergretterinnen und Bergretter,

    vor Weihnachten erreichte uns eine wei-                        grenzen bekannt und beliebt.                                   Markus Raich übergeben. Roland Janko
    tere traurige Nachricht: Unser ehemali-                        Am 25. Dezember 2019 gab es einen                              hat von Peter Leitgeb die Funktion des
    ger Landesbergrettungsarzt Dr. Hansjörg                        besonderen Lawineneinsatz für die                              Ortsstellenleiters in Köflach übernom-
    Kühbacher ist am 1. Dezember 2019                              Ortsstelle Gröbming. Ein Skitourengeher                        men. Klaus Jäger hat seine Funktion
    verstorben. Hansjörg Kühbacher hat die                         hatte nach einem Lawinenabgang am                              als Ortsstellenleiter zurückgelegt. Als
    medizinische Ausbildung in der steiri-                         Pleschnitzzinken fünf Stunden unter den                        neuer Ortsstellenleiter in Tauplitz wurde
    schen Bergrettung wesentlich verändert                         Schneemassen überlebt und konnte le-                           Christoph Gössler gewählt. Ich darf mich
    und geprägt. Durch seinen Einsatz und                          bend geborgen werden. Aufgrund dieser                          an dieser Stelle bei Christian Hütter,
    seine praktische Erfahrung als Mediziner                       langen Verschüttungsdauer kann man                             Peter Leitgeb und Klaus Jäger für ihr
    und Bergsteiger war es möglich, den                            von einem „Weihnachtswunder“ spre-                             Engagement und die Unterstützung sehr
    Grundstein für unsere heutige San-Aus-                         chen. Ein Dank geht in diesem Zusam-                           herzlich bedanken und wünsche den
    bildung zu legen. In der Zeit von 1990 bis                     menhang an die Ortsstelle Gröbming für                         neuen Ortsstellenleitern Markus Raich,
    1993 war er unser Landesbergrettungs-                          ihren vorbildlichen Einsatz.                                   Roland Janko und Christoph Gössler alles
    arzt und danach bis 1997 Bundesarzt des                        In den Ortsstellen Ausseerland, Köflach                        Gute in dieser neuen Funktion.
    Österreichischen Bergrettungsdienstes.                         und Tauplitz hat es einen Wechsel an der                       Ich wünsche euch allen noch einen
    Durch sein Wirken war er nicht nur in der                      Spitze der Ortsstellenführung gegeben.                         erlebnisreichen Winter mit spannenden
    Steiermark, sondern über die Landes-                           Christian Hütter hat die Leitung an                            Bergtouren.

                                                           6                                                            17                                                     20

    3    BILANZ                                                    12 PORTRÄT                                                     18 AUS DEN ORTSSTELLEN
         Ein Blick auf das vergangene                                 Walter Spitzenstätter:                                         Aktiv bei Übungen
         Einsatzjahr                                                  Bergretter und Gipfelsammler                                   und Einsätzen

    6    EINSATZ                                                   14 MOTIVATION                                                  20 TECHNIK
         Lebendbergung aus Lawine                                     Zwischen Heldentum und                                         Effiziente Suche
         nach fünf Stunden                                            Helfersyndrom                                                  aus der Luft

    9    VERSICHERUNG                                              17 AUS- UND FORTBILDUNG                                        21 REISE
         Infos zum neuen Anbieter                                     Winterkurse auf Planneralm                                     Skitourengehen in Argentinien
         und Vertrag                                                  und Tauplitz                                                   und Chile

    Titelseite Bergretterinnen und Bergretter bei einer Übung. Durch ständiges Training bereiten sie sich auf die Einsätze vor.
    Foto ORTOVOX by Hansi Heckmair                                                                                                             www.bergrettung-stmk.at

    IMPRESSUM MAGAZI N DER B ERGR ETTU NG STEI ERMAR K, MÄRZ 2020
    Herausgeber und Medieninhaber Bergrettung Steiermark, Radetzkystraße 16, 8010 Graz, Tel. 0316/830102, E-Mail: landesleitung@bergrettung-stmk.at Produktion Mag. Christa
    Hofer Medienraum e.U., 6410 Telfs Redaktionelle Koordination Christa Hofer, Michael Miggitsch Redaktion Christa Hofer, Michael Miggitsch, Daniela Pfennig, Norbert Pichler,
    Christian Pieberl, Thomas Podlipny, Ulley Rolles, Stefan Schröck, Andreas Steininger, Andreas Trügler, Markus Wolf Foto Titelseite ORTOVOX by Hansi Heckmair Fotos Seite 2 Erich
    Bretterbauer, Christian Pieberl, Andreas Steininger, Martin Gurdet Lektorat Elke Meisinger-Schier Grafik frischgrafik.at Druck Athesia Druck GmbH, Exlgasse 20, 6020 Innsbruck
    Anschrift für alle Bergrettung Steiermark, Radetzkystraße 16, 8010 Graz, Tel. 0316/830102, E-Mail: landesleitung@bergrettung-stmk.at

    OFFENLEGUNG GEM. § 25 MEDG
    „Bergrettung Steiermark“ ist das Magazin für Mitglieder und Partner der Bergrettung Steiermark. Medieninhaber und Herausgeber ist die Landesleitung der Bergrettung Steier-
    mark, Radetzkystraße 16, 8010 Graz, Tel. +43 316 830102, E-Mail: landesleitung@bergrettung-stmk.at. Grundlegende Richtung: Information über Vereinsaktivitäten, -ziele und
    -arbeit sowie der Kooperationspartner.

2   EDITORIAL/INHALT
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
1800 Ausrückungen,
        4200 Einsatzstunden
Das Jahr 2019 war wieder ein arbeitsreiches für die Bergrettung Steiermark.
               Das zeigt der Blick auf die Einsatzstatistik.
            TEXT UND GRAFIKEN ANDREAS TRÜGLER FOTO ORTOVOX BY HANSI HECKMAIR

                                                                               EINSATZSTATISTIK   3
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Der alljährliche Rückblick auf unsere Einsatzstatistik zeigt       men besonders die einsatzreichen Skiregionen zum Tragen,
    einerseits jedes Mal eindrücklich die gewaltige Leistung all       die meisten Einsätze (509) wurden im oberen Ennstal abge-
    unserer Ortsstellen in der Steiermark (jedes Jahr werden im        handelt, gefolgt von 437 in Murau, 175 im Salzkammergut,
    Schnitt knapp 2000 Personen in unseren Bergen geborgen und         101 in der Weststeiermark und 86 im Gebiet Hochschwab.
    versorgt) und andererseits erlaubt uns die Analyse auch, wert-     Bei den 31 Todesfällen im letzten Jahr zeigt sich, dass auch
    volle Rückschlüsse auf Einsatztaktik, Schwerpunkte oder auch       hier wieder wegloses Gelände und Wanderwege mit jeweils
    demographische Gegebenheiten zu ziehen. So ist der Tod am          zehn Personen dominieren, die meisten Todesfälle geschahen
    Berg zum Beispiel ein männliches Phänomen, die Zahlen der          beim Wandern und Bergsteigen.
    langjährigen Alpinstatistik des Österreichischen Kuratoriums
    für Alpine Sicherheit/BM.I Alpinpolizei (siehe auch: https://      Einsätze auf Pisten und im leichten Gelände
    www.alpinesicherheit.at/de/Alpinunfaelle-2019/) weisen bei         Neben der Auswertung des letzten Jahres ist aber vor allem der
    den im Schnitt etwa 300 Todesfällen in ganz Österreich eine        Trend der vergangenen Jahre interessant, so weist unsere Sta-
    deutliche Mehrheit von 85 Prozent männlicher Verunglückter         tistik in Summe z. B. einen Rückgang der Pisteneinsätze auf: Der
    aus.                                                               Grund dafür ist ohne eine genauere Auswertung der einzelnen
                                                                       Skigebiete nicht feststellbar, es könnte sich hier vielleicht der
    20.000 Personalstunden                                             manchmal in den Medien kolportierte Trend widerspiegeln,
    Im Jahr 2019 wurden in der Steiermark 525 Alpin- und 1241          dass der Skisport zunehmend unpopulärer wird, oder es wirken
    Pisteneinsätze in syBOS statistisch erfasst. In Summe haben        sich hier Änderungen in der statistischen Erfassung innerhalb
    diese knapp 1800 Einsätze ca. 4200 Stunden gedauert, das ist       der Bergrettung aus. Anders verhält es sich bei den Unfällen im
    etwa ein halbes Jahr, wenn 24 Stunden durchgearbeitet wird.        leichten Gelände, hier lässt sich mit Ausnahme eines Ausreißers
    Insgesamt wurden rein bei den Einsätzen knapp 20.000 Perso-        im Jahr 2016 eine leichte Zunahme verzeichnen.
    nalstunden geleistet, dazu kommen dann auch noch Bereit-           Durch den Umstieg auf syBOS im Jahr 2017 werden Skitou-
    schaftsdienste, Veranstaltungen, Ausbildungen, Übungen und         rengeher und Variantenfahrer anders erfasst als im EIS, daher
    Kurse. Von den 1756 verunfallten Personen im letzten Jahr          sind diese Werte in den Jahren davor nicht wirklich präsent.
    waren 330 unverletzt (19 Prozent), 1395 waren verletzt (79         Bei den verunfallten Personen in Summe lässt sich auch ein
    Prozent ) und für 31 Personen kam unsere Hilfe zu spät.            leichter Abwärtstrend erkennen, der jedoch vermutlich auch
    Die mit Abstand meisten Alpineinsätze (71 Prozent) betreffen       mit der rückläufigen Pistenstatistik zusammenhängt. Bei den
    wegloses Gelände, Wanderwege oder sonstiges Gelände, wo-           Todesfällen lässt sich kein statistischer Trend feststellen, im
    bei die Einsatzdauer im weglosen Gelände mehr als doppelt          Schnitt haben wir es in der Steiermark mit 28 Todesfällen pro
    so hoch war wie bei Unfällen auf Wanderwegen oder Stei-            Jahr zu tun.
    gen. Daraus kann man natürlich schließen, dass Verunfallte
    auf Wanderwegen schneller gefunden und abtransportiert             Umstieg auf syBOS
    werden können als im weglosen Gelände. Die Unfallursachen          Wie der Blick auf die Zahlen zeigt, ist unsere eigene Statistik
    werden vor allem von Stürzen dominiert, wobei die Pistenun-        einer gewissen Schwankung unterworfen, da nicht immer al-
    fälle wieder mitgerechnet wurden und sich dementsprechend          les mit derselben Konsequenz statistisch erfasst wurde und es
    niederschlagen.                                                    speziell z. B. bei der Erfassung der Pisteneinsätze auch manch-
                                                                       mal Änderungen gegeben hat. Auch der bereits erwähnte Um-
    Schwere und Aufwand                                                stieg von EIS auf syBOS hat ein paar Änderungen mit sich ge-
    Die reine Anzahl der Ereignisse liefert natürlich keine Informa-   bracht. Aus diesem Grund habe ich für die diesjährige Analyse
    tion über Schwere oder Aufwändigkeit der gezählten Einsätze.       auch die Zahlen des Österreichischen Kuratoriums für Alpine
    Bei den fünf Gebieten mit den meisten Ausrückungen kom-            Sicherheit (KURASI), die mir mit freundlicher Genehmigung

4   EINSATZSTATISTIK
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
zur Verfügung gestellt wurden, als Referenz und Vergleich für    angestiegen. Dieser Trend ist in unseren eigenen Daten auch
langjährige Trends herangezogen. Die Zahlen des Kuratoriums      enthalten, wird jedoch durch die rückläufigen (oder nicht
stützen sich auf die Erhebungen der Alpinpolizei – im alpinen    mehr eingetragenen) Pistenunfälle verdeckt.
Gelände werden dabei sämtliche gemeldete Ereignisse              Zum Schluss möchten wir uns im Namen der Landesleitung
unabhängig vom Verletzungsgrad erhoben, im organisierten         nochmals für die hervorragende Arbeit in all unseren Ortsstel-
Skiraum jedoch nur dann, wenn Verdacht auf Fremdverschul-        len bedanken. Wir hoffen natürlich, dass möglichst wenig Men-
den besteht oder der Unfall für einen der Beteiligten tödlich    schen im heurigen Jahr in den steirischen Bergen unsere Hilfe
endet. Die Daten des Kuratoriums zeigen für die Steiermark       benötigen werden, aber dank des intensiven Einsatzes in den
z. B. bei den Wanderunfällen einen konstanten Anstieg über       Ortsstellen wissen wir auch, dass wir bestens gerüstet sind,
die letzten Jahre, auch die Anzahl der Alpinunfälle ist leicht   wenn die steirische Bergrettung doch zu Hilfe gerufen wird.

              Stefan und
           Lawinenhund Josy
                 vom
         Bergsport Vasold Team                                                   Wir müssen nicht glauben,
                                                                                        was andere sagen,
                                                                                         wir testen selbst.
                                                                                   BERGSPORT VASOLD –
                                                                                         DEIN PARTNER

    NEUER STANDORT: Bahnhofstraße 17 | 8940 LIEZEN | TEL. 03612 22401 | www.sport-vasold.at

                                                                                                            EINSATZSTATISTIK      5
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Lebendbergung nach fünf Stunden
    Der Verschüttete hatte eine Atemhöhle. Über eine Hand, die aus dem
    Schnee ragte, dürfte er zusätzlich Frischluft bekommen haben.
    TEXT UND FOTOS CHRISTIAN PIEBERL

     1                                                                                     2

    Am Christtag 2019 stieg ein junger Skitourengeher gegen Mittag über den Nord­
    ostgrat vorbei an der Pleschnitzzinkenhütte auf den Gipfel des Pleschnitzzinken,
    den er um ca. 14:00 Uhr erreicht haben dürfte. Zum Zeitpunkt der Abfahrt gab
    es starken Schneefall und Wind, die Sicht war eingeschränkt. Der Skitourengeher
    fuhr deswegen entlang der Aufstiegsroute ab. Bei der Abfahrt dürfte er dann vom
    Rücken abgekommen und direkt in den Osthang geraten sein, wo er ein Schnee-
    brett auslöste. Dabei wurde der Skitourengeher fast bis zum Hangfuß mitgerissen
    und dort verschüttet. Der Kopf war ca. 50 Zentimeter unter dem Schnee vollständig
    verschüttet, der Körper ca. einen Meter tief. Eine Hand jedoch lag an der Oberfläche
    frei.

    Einsatzleitung am Galsterberg
    Nachdem der Skitourengeher am Nachmittag nicht nach Hause kam, alarmierten
    Angehörige die Polizei. Eine Streife fand das Fahrzeug des Abgängigen am Park-
    platz des Skigebiets. Daraufhin wurden gegen 17:30 Uhr die Bergrettung Gröb-
    ming, die Alpinpolizei sowie Bergrettungshundeführer mit ihren Lawinenhunden
    alarmiert. Nachalarmiert wurden auch das Liftpersonal und die Hüttenwirte des
    Skigebiets Galsterbergalm, welches sich neben dem beliebten Skitourenberg
    ­Pleschnitzzinken befindet. Nach Auffahrt mit dem Quad der Bergrettung und
     Skidoos der Hüttenwirte und später auch mit der extra in Betrieb genommenen
     Gondel wurde in der Bergrettungshütte Galsterberg die Einsatzleitung errichtet.
     Von dort wurden mehrere Suchgruppen ins Gelände geschickt, um die gängigen
     Aufstiegs- und Abfahrtsrouten am Pleschnitzzinken abzusuchen.

6   EINSATZ
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
„
                                                     Es hat sich gezeigt, wie wichtig es ist,
                                                    jemandem Bescheid zu geben, welches
                                                    Tourenziel man gewählt hat und wann

                                                                                  „
                                                         man wieder zurück sein will.

                                                                                 3                                           4

Gegen 19:15 Uhr meldete eine Suchgruppe, dass sich im Auslaufbereich des              1 Erstversorgung durch den
                                                                                        Bergrettungsarzt. Um vor dem
Pleschnitzzinken-Osthangs im freien, alpinen Gelände ein teilweise einge­
                                                                                        Schneesturm geschützt zu sein,
schneiter Lawinenkegel befinde und ein Erstempfang mit einem Lawinen­                   wurde ein Notzelt verwendet.
verschüttetensuchgerät gelang. Daraufhin wurden die weiteren Suchgruppen              2 Am Lawinenkegel mit dabei
                                                                                        waren auch die Bergrettungs-
zu dieser Stelle beordert. Von der Bergrettungshütte startete eine Gruppe               hunde.
mit einem Pistengerät, um medizinisches Material zur Erstversorgung vor Ort           3 Abtransport des Geborgenen
                                                                                        mit dem Pistengerät.
bringen zu können. Der Verschüttete konnte ausgegraben werden, wurde vom              4 Blick auf das Verschüttungs-
Bergrettungsarzt und drei Notfallsanitätern der Bergrettung mit Wärmepackun-            loch, welches durch den Sturm
gen erstversorgt und in einen Bergesack gelagert. Daraufhin wurde er mit einem          am nächsten Tag bereits eben
                                                                                        zugeweht war.
Pistengerät ins Tal gebracht und dort dem Roten Kreuz übergeben.
Der Verschüttete überlebte ca. fünf Stunden unter der Lawine, er hatte eine
Atemhöhle und über die Hand, die aus dem Schnee ragte, dürfte er Frischluft
bekommen haben. Bereits am nächsten Tag nach dem Unfall konnte er das
­Krankenhaus Schladming wieder verlassen.

Über Tourenziel informieren
Der Skitourengeher hatte riesiges Glück: Die Angehörigen hatten sofort den
Alarm abgesetzt, nachdem der Abgängige nicht pünktlich nach Hause gekom-
men war. Es zeigt sich damit ganz klar, wie wichtig es ist, Bescheid zu geben, wel-
ches Tourenziel gewählt wird und wann man beabsichtigt, nach Hause zu kom-
men. Die Alpine Parkuhr, hinterlegt unter der Windschutzscheibe des Fahrzeugs
mit einer Notiz des Ziels und der Startzeit der Tour, oder ein Eintrag in einer App
wie SummitLynx können bei einem Unfall ebenfalls wertvolle Hilfe leisten.

                                                                                                          EINSATZ        7
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Hansi Heckmair
PHOTO

                     PEAK LIGHT 32 ÖBRD            MERINO SUPERSOFT LONG        145 MERINO ULTRA
                                                   SLEEVE ZIP NECK ÖBRD         SHORT SLEEVE ÖBRD

                               KONTAKT:
                               ORTOVOX Vertriebs GmbH
                               Salzburger Siedlung 258, AT-8970 Schladming
                               TELEFON: 03687 22 551, MAIL: office@ortovox.at
                 8       AUS- UND FORTBILDUNG
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Seit heuer besteht ein neuer Versicherungs-
                                                                                                               vertrag für Bergrettungsmitglieder.

                           Bergrettung wechselt
                               Versicherung
                                             BERGRETTUNG KÄRNTEN, STEIERMARK, TIROL

           Neuerungen gibt es bei der Versicherung für die Bergretterinnen und Bergretter.
                Mit heurigem Jahr wechselte der ÖBRD von der Generali zur UNIQA.
                                        TEXT MARKUS WOLF FOTOS NILS HACKL, ISTOCK/FILMFOTO

Im Folgenden einige erste Informatio-        versicherten Mitglieder anlässlich ihrer   chung durch ein Gebot der Mensch-
nen zum neuen Versicherungsvertrag.          statutengemäßen Betätigung als An-         lichkeit veranlasst wurde. Unfälle der
Alle Details sind direkt über die Landes-    gehörige des Bergrettungsdienstes bei      Versicherten im Zuge ihrer Tätigkeit
leitungen/Geschäftsstelle erhältlich, da     Einsätzen und Übungen betroffen sind.      als Flugretter gelten als mitversichert,
sie den Rahmen hier sprengen würden.         Der Versicherungsschutz erstreckt sich     ebenso Unfälle beim Klettern (unab-
                                             auch auf statutengemäße Betätigung         hängig vom Schwierigkeitsgrad) im
Unfallversicherung des ÖBRD                  außerhalb des Einsatzes oder der Aus-      Zuge eines Einsatzes oder einer Übung.
Die Kollektivunfallversicherung besteht      bildung (z. B. Teilnahme an Sitzungen,
über den Bundesverband des Österrei-         Vereinsversammlungen, Festlichkeiten)      Bergungskostenversicherung
chischen Bergrettungsdienstes (ÖBRD)         und auch auf Unfälle, die dem Versi-       Die Bergungskostenversicherung der
für alle ÖBRD-Angehörigen. Es gelten         cherten auf dem direkten Weg zu und        Bergrettungsmitglieder ist in der obigen
folgende Versicherungssummen: Dau-           von der Einsatz- bzw. Ausbildungsstelle    Kollektivunfallversicherung inkludiert
ernde Invalidität: € 120.000,– (Maximal-     zustoßen. Der Versicherungsschutz          und es sind alle gemeldeten Bergret-
leistung: € 720.000,–); Tod: € 50.000,–;     entfällt jedoch, wenn der Weg ohne         tungsmitglieder automatisch mitver-
Unfallkosten: € 3.000,–; Bergungskos-        Zusammenhang mit der versicherten          sichert. Für den Versicherungsschutz
ten: € 25.000,–. Die versicherte Tätig-      Tätigkeit unterbrochen oder verlängert     „Bergungskosten“ gilt der Versiche-
keit umfasst Unfälle, von denen die          wird, es sei denn, dass die Unterbre-      rungsschutz weltweit rund um die Uhr.

                                                                                                                 VERSICHERUNG                 9
BERGRETTUNG STEIERMARK - STEIERMARK BERGRETTUNG
Zu den Bergrettungsmitgliedern gelten           einen Hilfseinsatz, eine Dienstreise oder   ziehen, bitte daher keine Fahrten im al-
     zusätzlich die mit dem Versicherten im          einen Ausflug ins Ausland machen,           koholisierten Zustand zu Einsätzen etc.
     gemeinsamen Haushalt lebenden Ehe-              besteht hier Versicherungsschutz bis        unternehmen bzw. keine Teilnahme an
     partner/Lebensgefährten und die Kinder          zu € 250.000,– Behandlungskosten für        Einsätzen im alkoholisierten Zustand.
     bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres         unaufschiebbare, medizinisch notwen-        Bitte beachten: Jeder Bergretter geht
     als mitversichert. Die Bergungskosten-          dige Heilbehandlungen, die außerhalb        auch privat bergsteigen, klettern, macht
     versicherung gilt subsidiär. Dies bedeu-        Österreichs entstehen. Weltweiter Ver-      Skitouren etc. Zeitweise führen uns die-
     tet, dass Leistungen nur dann und in je-        sicherungsschutz. All diese Leistungen      se Unternehmungen auch ins Ausland.
     nem Ausmaß erbracht werden, als dafür           müssen über den UNIQA-SOS-Service in        Daher sollte im Sinne des Eigenschutzes
     nicht eine andere Versicherung (Sozial-         die Wege geleitet werden. Der UNIQA-­       jedes Bergrettungsmitglied dafür Sorge
                                                     Notruf ist rund um die Uhr weltweit         tragen, dass auch für diese Aktivitä-
                                                     unter +43 50677 670 zu erreichen. Zu        ten ausreichend Versicherungsschutz
                                                     beachten ist: UNIQA muss im Notfall         vorhanden ist. Hier speziell: Unfallver-
                                                     die Personendaten wissen, um helfen         sicherung mit Sonderrisiken – Klettern
                                                     zu können! Daher ist es erforderlich,       alpines Gelände ab Schwierigkeitsgrad
                                                     VOR Auslandsaufenthalten eine ent-          V, Klettern Klettersteig ab Schwierig-
                                                     sprechende Liste auszufüllen und an         keitsgrad D, Skitouren (mit Kletter- und
                                                     die Landesleitung/Geschäftsstelle der       Gletschertouren) usw.
                                                     Bergrettung und von dieser weiter an
                                                     die UNIQA zu leiten.                        Wichtig
                                                                                                 Bei Neuzugängen in den Ortsstellen
                                                     Haftpflicht und Kasko für                   sofort – d. h. vor der ersten Mitarbeit –
                                                     Einsatzfahrzeuge                            Aufnahmeantrag unterschreiben lassen
                                                     Es ist hier noch die Übergangsphase von     und diesen umgehend an die Landes-
                                                     der Generali zur UNIQA-Versicherung         leitung/Geschäftsstelle senden, mailen
     Die Versicherung gilt nicht nur für Einsätze,   zu beachten, da jedes Einsatzfahrzeug       oder faxen. Nur so besteht ein Versiche-
     sondern natürlich auch für Übungen.             per eigenen Termin bis 2021 umgestellt      rungsschutz.
                                                     werden muss. Somit ist im Schadensfall      Sämtliche dienstliche Tätigkeiten
     versicherer, Privatversicherer) Leistun-        zu prüfen, ob diese Einsatzfahrzeuge        (Schulungen) vorher der Landesleitung/
     gen zu erbringen hat oder tatsächlich           noch bei der Generali oder schon bei der    Geschäftsstelle nachweislich schrift-
     Leistungen erbringt. Der Versicherer            UNIQA versichert sind.                      lich per E-Mail, im Intranet oder per
     bietet Versicherungsschutz, wenn dem                                                        Fax lückenlos melden. Bei Einsätzen
     Versicherten ein Unfall zustößt oder            Haftpflichtversicherung des ÖBRD            gilt das Einsatzprotokoll als Nachweis.
     der Versicherte in Berg- oder Wassernot         Über den Bundesverband für alle             Ansonsten ist kein Versicherungsschutz
     geraten ist und verletzt oder unverletzt        ÖBRD-Angehörigen. Versicherungs­            gegeben. Zusätzliche Dokumentation in
     oder tot geborgen werden muss. Die              summe: € 10.000.000,– für Personen-         den Ortsstellen ist im eigenen Interesse
     Versicherungssumme beträgt € 25.000,–           und Sachschäden. Geltungsbereich:           empfehlenswert.
     pro Person für Bergungskosten.                  weltweit (ausgenommen USA, Kanada           Im Schadensfall sofort mit der Landes-
                                                     und Australien).                            leitung/Geschäftsstelle Kontakt bezüg-
     Insassenunfallversicherung                                                                  lich Schadensmeldung aufnehmen.
     Die Insassenunfallversicherung gilt für         Allgemeines                                 Bei Unfällen mit dem Kraftfahrzeug
     alle Einsatzfahrzeuge und wird auto-            Sämtliche Schadenseintritte sind            (auch ohne Personenschaden) unbe-
     matisch pro Einsatzfahrzeug in den              unverzüglich an die Landesleitung/­         dingt die Polizei wegen der Schadens-
     Einzelvertrag inkludiert. Es handelt sich       Geschäftsstelle zu melden, und zwar         aufnahme verständigen (Obliegenheit).
     hier um eine Unfallversicherung für die         ­unter genauer Angabe der Schadens­         Hierbei fällt auch bei bloßem Sach-
     Insassen des Einsatzfahrzeuges.                  daten und Schilderung des Sachverhal-      schaden für BR-Einsatzfahrzeuge keine
     Wichtig: Diese Insassenunfallversiche-           tes. Allfällige eigene Versicherungen      Gebühr (Blaulichtsteuer) an.
     rung gilt für alle Einsatzfahrzeuge, die         (Unfall, Rechtsschutz, Kasko usw.) sind    Keine dienstliche Tätigkeit unter
     bereits auf die UNIQA-Versicherung               wegen eventueller Kostenteilungen          Alkohol­einfluss (Versicherungsregress!)
     umgestellt wurden!                               mitzuteilen. Aufgrund der mangelnden       Besondere Vorsicht ist beim Benutzen
                                                      Rechtspersönlichkeit der Ortsstellen       von fremden und geliehenen Fahrzeu-
     Kurzfristige Auslandreise-Kranken­               können diese keine Versicherungen im       gen gegeben! Hier sollte unbedingt vor
     versicherung                                     eigenen Namen abschließen. Scha-           der Nutzung der Versicherungsschutz
     Sollten die Bergrettungsmitglieder im            denszufügungen unter Alkoholeinfluss       abgeklärt werden. Denn: Es haftet hier
     Auftrag und im Sinne der Bergrettung             können Regressforderungen nach sich        immer der Lenker!

10   VERSICHERUNG
MY HELMET
                                                                         MY CHOICE
                                                                 SEAN VILLANUEVA O’DRISCOLL // Der wichtigste
                                                                 Muskel beim Klettern befindet sich nicht zwischen
                                                                den Ohren, sondern im Brustkorb. Trotzdem ist es
                                                              wirklich wichtig, dass Du das, was zwischen deinen
                                                                     beiden Ohren liegt, gut schützt! // #helmetup

                                                                                                                        © Frank Kretschmann / Marc Daviet

SIROCCO®
Ultraleichter Helm mit erweitertem Kopfschutz zum Klettern,
Bergsteigen und Skitourengehen. www.petzl.com

                                                                                                             EINSATZ   11
1

                                                       Ausnahmebergsteiger
                                                          mit Hang zum
                                                         Gipfel-Sammeln
                                                                                       BERGRETTUNG TIROL

                                                                        Walter Spitzenstätter, seit mehr als
                                                                        60 Jahren Bergretter der Ortsstelle
                                                                    ­Innsbruck, kann auf eine außergewöhnli-
                                                                         che Alpin-Karriere zurückblicken.
                                                                                        TEXT CHRISTA HOFER
                                                                            FOTOS CHRISTA HOFER, WALTER SPITZENSTÄTTER

     Betritt man Walter Spitzenstätters         zende Stecknadeln – in verschiedenen          dem es auf jeder Seite mindestens zehn
     Büro, dann beeindruckt nicht nur der       Farben, je nach Art der Tour – fixieren       Meter runter geht“, erzählt Spitzen-
     Blick auf Innsbruck und die Berge im       jeden bestiegenen Gipfel. Wie dieses          stätter. „Und dann habe ich begonnen,
     Süden der Stadt: Was einem beinahe         Meisterwerk entstanden ist? „Ich hab’         diese Punkte zu zählen, und bin – für
     den Atem verschlägt, ist eine riesige      von Anfang an Tourenbuch geschrie-            Tirol – auf 3.550 Gipfel gekommen.
     Österreichische Karte von Tirol im         ben. Da sind dann schon einige Gipfel         Irgendwann habe ich begonnen, diese
     Maßstab 1:25.000, die sich über eine       zusammengekommen. Irgendwann hat              einzuteilen – den höchsten Gipfel,

                                                                  „
     gesamte Zimmerwand erstreckt. „Die                                                       den östlichsten und westlichsten, alle
     Karte mit all ihren Teilen aufzuziehen,                                                  entlang der Staats- und Landesgrenzen.
     war wirklich eine enorme Arbeit“,                                                        Es sind 489 Gipfel, die unsere Heimat
     schmunzelt Walter Spitzenstätter. Der                                                    mit ihren Spitzen begrenzen. Mit Hilfe
     Bergretter – er gehört seit 1957 der         Meine Triebfeder war,                       der Stecknadeln war dann leicht zu
     Ortsstelle Innsbruck und der Alpinen           immer woanders                            sehen, auf welchen ich schon oben
     Gesellschaft Gipfelstürmer an – kann                                                     war“, schildert Walter Spitzenstätter.
                                                 hinzugehen, was Neues

                                                                  „
     auf eine außergewöhnliche Alpin-Kar-                                                     „Man hat mir immer wieder unterstellt,
     riere zurückblicken. „Spitz“, wie er von          zu sehen.                              dass ich alle Gipfel besteigen will, aber
     Freunden genannt wird, gehört zu den                                                     das stimmt so nicht. Das ginge auch
     beständigsten Spitzenkletterern seiner                                                   nicht, dafür würde ein ganzes Leben
     Generation. Insgesamt 28 Tourenbücher                 Walter Spitzenstätter              nicht ausreichen. Was mir interessant
     hat Walter Spitzenstätter, der heuer im                                                  und auch machbar schien, waren die
     Dezember seinen 80. Geburtstag feiert,                                                   Gipfel entlang der Tiroler Grenze, die ich
     in mehr als 60 Jahren gefüllt. Mehr als    mich einmal jemand gefragt, wie viele         ,Krone meiner Heimat‘ genannt habe.
     7.200 Mal ist er insgesamt auf einem       Gipfel es überhaupt in Tirol gibt – und       Diese alle zu ersteigen, ist tatsächlich
     Gipfel gestanden, in Tirol auf ca. 2.800   ich hatte keine Ahnung. Also hab’ ich         gelungen. Ansonsten ist meine Trieb-
     verschiedenen. Dazu kommen 1.000           versucht, mich schlauzumachen, und            feder, immer woanders hinzugehen,
     schwierige Klettertouren und 15 for-       vom Geographie-Institut an der Uni            was Neues zu sehen“, schildert er.
     dernde Erstbegehungen.                     über das Vermessungsamt bis hin zum           Dank dieser Triebfeder hat er die meis-
                                                Alpenverein alle gelöchert. Eine kon-         ten der großen Alpenwände gemacht.
     Bergsteigerisches Ausnahmeleben            krete Zahl hab ich dabei nicht erfahren,      Eiger-Nordwand (1962), Matterhorn,
     Blickt man nochmals auf die beein-         was ja auch logisch ist, denn was ist ein     Grandes-Jorasses-Nordpfeiler und
     druckende Zimmerwand, hat man den          ,Gipfel‘ überhaupt? Ich habe dann für         Mont-Blanc-Freneypfeiler sind in seinen
     Beweis eines bergsteigerischen Ausnah-     mich eine Gipfel-Definition entwickelt:       Tourenbüchern aufgelistet. Außerdem
     melebens auch direkt vor sich. Dut-        jeder vermessene Punkt mit Namen, bei         die Laliderer Nordverschneidung, die er

12   PORTRÄT
2                                                                                             3

4                                              5

6
                                                                                                  1 Walter Spitzenstätter vor der riesigen
                                                                                                    Tirol-­Karte, auf der Dutzende Steck-
                                                                                                    nadeln die bestiegenen Gipfel zeigen.
                                                                                                  2 Walter Spitzenstätter (rechts) 1967
                                                                                                    mit Otti Wiedmann nach der ersten
                                                                                                    Winterbegehung der Marmolada-
                                                                                                    di-Rocca-Südwand.
                                                                                                  3 In der Eiger-Nordwand 1962.
                                                                                                  4 1959 in der Direkten Martinswand.
                                                                                                  5 In der Matterhorn-Nordwand 1991.
                                                                                                  6 Besteigung des Grandes-­Jorasses-
                                                                                                    Nordpfeilers.

    1958 gemacht hat, die Große Verschnei-     nicht nur das Material, das wir hatten             hen, waren die Beweggründe. Also hat
    dung an der Cima Su Alto (1969), die       und das überhaupt nicht mit dem heu-               er sich auch bei der Bergrettung intensiv
    Pumprisse an der Fleischbank (1981),       tigen vergleichbar ist“, betont Spitzen-           eingebracht. War in Innsbruck Bezirkslei-
    um nur einige zu nennen. Dass das          stätter. „Wir hatten nicht so viel Zeit. Ich       ter, Ortsstellenleiter-Stellvertreter und
    Bedürfnis, Neues zu entdecken, auch        habe eine Optiker-Lehre gemacht. Ge-               ab 1974 für zwei Jahre Landesleiter der
    Erstbegehungen bedingte, ist da schon      arbeitet wurde bis Samstag um 18 Uhr.              Bergrettung Tirol. Außerdem war Walter
    logisch. Die Direkte Martinswand 1959      Danach ging es los Richtung Kalkkögel,             Spitzenstätter maßgeblich am Aufbau
    zählt hier dazu, zwei Jahre später deren   Karwendel oder Wettersteingebirge.                 der Flugrettung beteiligt. Und nicht
    erste Winterbegehung und 1967 die          Auch die Vorbereitung auf unsere Tou-              zuletzt kann er auf einige der spekta-
    erste Winterbegehung der Marmolada-        ren war anders: Ausdauertraining gab               kulärsten Bergeaktionen zurückblicken:
    di-Rocca-Südwand.                          es nicht, man ist halt abends klettern             Er war 1970 an der Rettungsaktion von
                                               gegangen“, denkt Walter Spitzenstätter             Gert Judmaier und Oswald Oelz am
    Prägendes Umfeld                           zurück. „Wir sind auch immer zuerst                Mount Kenya beteiligt und 1979 an ei-
    Dass aus dem Innsbrucker einmal ein        die schwierigsten Routen gegangen,                 nem Laliderereinsatz, der sich mit mehr
    Spitzenkletterer werden würde, war         die leichteren kann man dann ja auch               als 200 beteiligten Rettern zur größten
    ihm nicht in die Wiege gelegt. „Meine      ab 50 machen“, lacht er über die frühen            Felsbergungsaktion in der Geschichte
    Eltern waren keine Bergsteiger, eher       Gedankengänge.                                     des Bergrettungsdienstes entwickelte.
    Wanderer. Geprägt hat mich diesbezüg-      Die Touren, mitunter hart an der Grenze,           Heute denkt Walter Spitzenstätter lang-
    lich mehr mein Umfeld. Da waren viele      hatten auch in dieser Zeit ihre Opfer              sam ans Leisertreten, auch wenn seine
    Berggeher darunter. Außerdem war es        gefordert. Damit umzugehen, war für                Energie unerschöpflich scheint. „Mit
    ein verhältnismäßig günstiger Sport,       alle nicht einfach, dies führte Walter             fast 80 Jahren muss man nicht mehr
    viel Geld hatten wir damals ja nicht“,     Spitzenstätter aber zur Bergrettung. An-           vorausrennen. Da genießt man es, wenn
    schildert er die Anfänge. Wie die Zeiten   deren in alpinen Notlagen zu helfen, aus           man sieht, wie die Jungen immer noch
    überhaupt anders waren: „Das betrifft      Unfällen zu lernen, Lehren daraus zu zie-          perfekter unsere Einsätze abwickeln.“

                                                                                                                                             PORTRÄT   13
1 Lawineneinsatz am Ankogel.
2 Blick auf den Lawinenkegel am Ankogel.
3 Sepp Kröll, das älteste Mitglied, und Magdalena Steiner, Anwärterin in der Ortsstelle Mallnitz.

                                                                                                    1

                                                                                                    2

14       ENGAGEMENT
Zwischen Heldentum und Helfersyndrom:
Warum Bergretter ihr Leben riskieren
                                                     BERGRETTUNG KÄRNTEN

An die 5.000 Einsatzstunden sind 2019 von den derzeit rund 870 aktiven Männern
und Frauen in der Kärntner Bergrettung absolviert worden. Hinzu kommen unzäh-
lige Stunden für Übungen, Weiterbildung und Präsentationen, die die Freiwilligen
jedes Jahr leisten. Warum tun sie sich das an?
TEXT ULLEY ROLLES FOTOS PETER ANGERMANN, LOIS LACKNER, ULLEY ROLLES, ANDREAS UNTERGANTSCHNIG

26. Dezember 2019 Mallnitz/Skigebiet        deren Leben zu retten? Die Leitmotive,        3
Ankogel: Nachdem mehrere Freerider          die für Menschen in Ehrenamt und
insgesamt drei Lawinen ausgelöst            Freiwilligenarbeit von wesentlicher
hatten, konnte nicht ausgeschlossen         Bedeutung sind, wurden von mir für
werden, dass sich auf der darunter          die Bergrettung adaptiert und in einer
verlaufenden Piste auch Skifahrer           anonymen Umfrage in der Ortsstelle
befunden hatten. Für die Bergrettung        Mallnitz den Mitgliedern zur Gewich-
Mallnitz wurde es zu einem der auf-         tung vorgelegt. Dabei zeigt sich ganz
wändigsten Einsätze des vergangenen         klar: Spitzenreiter unter den Motiven
Jahres. Kärntenweit wurden weitere          sind die Kameradschaft in der Ortsstel-
Ortsstellen, die Freiwillige Feuerwehr      le, etwas Sinnvolles machen, etwas (zur
Mallnitz sowie der Lawineneinsatzzug        Gesellschaft) beitragen wollen, helfen
des Bundesheeres alarmiert. Insgesamt       wollen und das Motiv „Gerne in den
220 Einsatzkräfte wurden teils via Hub-     Bergen sein“. Auch die eigene Wissens-
schraubershuttle zum Lawinenkegel           erweiterung und das Wissen als Retter/
gebracht. Die Suche dauerte bis in die      Bergprofi weitergeben zu können, sind        tungsdienst vor Ort. Ich selbst bin
späten Abendstunden, bis gewiss war,        wesentlich. Eher gering beeinflusst füh-     schon mit neun Jahren in den Bergen
dass niemand zu Schaden gekommen            len sich die Befragten durch die Motive      marschiert. Ein Hauptmotiv war die
war.                                        Anerkennung, Abwechslung/­Risiko/            Liebe zu den Bergen“, so der 92-Jährige,
Dies sollte für die Ortsstelle Mallnitz     Action oder durch das Ansehen der            der seit 77 Jahren dabei ist. Er würde es
jedoch nicht der letzte Einsatz des         Bergrettung in der Gesellschaft.             heute wieder so machen. „Helfen ist das
Jahres sein. Es folgten die Bergung         „Ich wollte schon als kleines Kind dabei     Schönste für mich. Da kriegst du so viel
eines Snowboarders aus der vereisten        sein, mir taugt die Gemeinschaft“,           zurück“ sagt er mit einem Lächeln.
Steilrinne des Luggegrabens sowie ein       meint auch Magdalena Steiner. Mit ge-
Assistenzeinsatz in Heiligenblut, wo am     rade 17 Jahren ist sie die derzeit jüngste   Was steckt hinter den Motiven?
30. Dezember ebenfalls im Skigebiet ein     Anwärterin in der Ortsstelle. Vater und      Helfen als menschliches Grundbedürf-
Schneebrett abgegangen war.                 Mutter sind beide in der Bergrettung,        nis: Abraham Maslow, amerikanischer
                                            ebenso Onkel und Cousin. Sie sind            Motivationspsychologe, postulierte,
Umfrage zur Motivation                      wichtige Vorbilder. Magdalena möchte         dass die wesentlichen menschlichen Be-
Keine ruhigen Weihnachtstage für die        helfen, aber auch selbst etwas dazuler-      dürfnisse in einer Hierarchie angeord-
freiwilligen Einsatzkräfte! Anstatt mit     nen, nennt sie weitere Gründe.               net sind. Dabei müssen erst die Bedürf-
ihren Familien die Feiertage zu genie-      Sepp Kröll, Kamerad der ersten Stunde        nisse auf der unteren Ebene erfüllt sein,
ßen, rücken Bergrettungskräfte zu jeder     in der Ortsstelle Mallnitz, kam 1943 zur     bevor die nächste Ebene als Motivation
Tages- und Nachtzeit und bei jedem          Bergrettung. Was waren damals seine          wirksam werden kann. An der Basis
Wetter aus. Was treibt sie an, ihre         Beweggründe? „Weil viele im Krieg            stehen physiologische Bedürfnisse.
Freizeit zu opfern, ja mitunter ihr Leben   eingezogen waren, gab es nur wenige          Hier geht es ums reine Überleben. Auf
zu riskieren, um anderen zu helfen und      geeignete Männer für den Bergret-            der nächsten Stufe stehen Sicherheits-

                                                                                                                  ENGAGEMENT         15
Helfen wollen

                                               Sinnvolle Tätigkeit, etwas beitragen wollen                                         4 Die Motive der Bergrette-
                                                                                                                                     rinnen und Bergretter.
                                                    Gerne in den Bergen sein                                                       5 Die Bedürfnispyramide
                                                                                                                                     nach Abraham Maslow.
                                                                                                         Selbst-                   6 Einsatz Hochalmspitze
                                                           Kameradschaft                           verwirklichung                    2018: Bergretter gehen
                                                                                                                                     an ihre Grenzen.
 4                                                                                                                                 7 Schwierig gestaltete sich
                                                                                                   Anerkennung,
                                                     Organisieren, Einfluss nehmen                                                   der Einsatz auf der Hoch-
                                                                                                   Wertschätzung                     almspitze im Jahr 2018.
                                                                                                                                   8 Kameradschaft ist das
                                             Eigenes Wissen erweitern                            Soziale Bedürfnisse                 Wichtigste.
                                                                                         Gesellschaft, Kontakt, Freundschaft
                                        Ausgleich zu anderen Tätigkeiten
                                                                                                        Sicherheit
                                                                                             Schutz, Besitz, Gesundheit,
                               Wissen weitergeben
                                                                                                   sichere Zukunft

                      Abwechslung, Action, Risiko                                            Physiologische Bedürfnisse
                                                                                         Nahrung, Trinken, Schlaf, Bewegung,
             Anerkennung, Ansehen
                                                                                               Unterkunft, Bekleidung
                                                                                                                                                  5

     bedürfnisse. Sind auch diese gegeben,              Die Kehrseite:                                       Helfen macht glücklich
     geht es in der dritten Ebene um soziale            Helfersyndrom und Burnout                            Die meisten Bergretterinnen und Berg­
     Aspekte, Kontakte und Gemeinschaft.                Helfen kann allerdings auch zum Selbst-              retter sind jedoch Profis und können
     Danach kommt das Bedürfnis nach                    zweck werden. Wolfgang Schmidbauer,                  derlei Einzelfälle ausblenden. Glückli-
     Wertschätzung und Anerkennung. Die                 deutscher Psychoanalytiker, prägte den               cherweise gibt es die vielen Einsätze, bei
     letzte Stufe ist dann die Selbstverwirkli-         Begriff „Helfersyndrom“ und meint                    denen Erleichterung und Dankbarkeit
     chung, der Wunsch, das eigene Poten-               damit die Tendenz manch professionel-                der Geretteten alle Mühen und Risiken
     zial auszuschöpfen. Demnach ist es ein             ler Helfer, die eigene Hilfsbedürftigkeit            aufwiegen. Und da gibt es noch etwas:
     wesentliches Grundbedürfnis, sich in               dadurch abzuwehren, dass Beziehun-                   Glückshormone (Serotonin und Endor-
     eine Gemeinschaft zu integrieren und               gen mit besonders hilfsbedürftigen                   phine), die im Gehirn ausgeschüttet
     füreinander da zu sein.                            Menschen gesucht werden. Dies birgt                  werden – sowohl bei körperlicher An-
                                                        Risiken. Eine Folge des Helfersyndroms               strengung als auch, wenn wir eine He-
     Helfen ist Erziehungssache                         kann Burnout sein, das Gebrauchtwer-                 rausforderung gemeistert haben. Dies
     In der Jugend brauchen wir Vorbilder,              den kann zur Sucht entarten. Es gibt                 besonders in der Gemeinschaft, in der
     auch wenn es um das „Sich-Kümmern-                 Menschen, die ihren Lebenssinn verlie-               sich jeder auf jeden verlassen kann. Aus
     um-andere“ geht. Altruistisches Ver-               ren, wenn sie nicht „für andere“ da sein             der Glücksforschung wissen wir, dass
     halten wird gelernt. Einander helfen               können, sie leben vom Dank und von der               Glück und Lebenszufriedenheit ganz
     bringt aber auch biologische Vorteile              Abhängigkeit anderer.                                wesentlich abhängen von Verbunden-
     und scheint uns in den Genen zu liegen.            Bergrettungskräfte scheinen da eher                  heit und Zusammengehörigkeit. Dinge
     Denn wenn ich jemandem helfe, sind                 weniger gefährdet zu sein und der Dank               gemeinsam zu erleben, das Gefühl, da
     die Chancen hoch, dass auch mir gehol-             bleibt auch manchmal aus. Wie etwa                   bin ich ein Teil davon, das sind „wir“, das
     fen wird, wenn ich in Not bin. Kein Zufall         in Tirol, als nach einem winterlichen                macht glücklich. All diese Gründe sind
     ist, dass die Hilfsbereitschaft beson-             Großeinsatz die verirrten Bergsteiger im             es, die uns in der Bergrettung auch beim
     ders in kleineren Dörfern in ländlichen            Nachhinein den Aufwand kritisierten.                 nächsten Alarm sofort wieder losstarten
     Gebieten größer ist. Hier sicherte sie             Oder wenn nach einer Suchaktion die                  lassen.
     oftmals das Überleben, während in den              Gefundenen jegliche Hilfe verweigern.                Info zur Person: DDr. Ulley Rolles ist
     Großstädten heute eher das Gefühl zu               Da fragen sich manche, ob das nicht die              Ärztin für Allgemeinmedizin und Psycho-
     überwiegen scheint, Hilfe kommt von                Motivation der Retterinnen und Retter                therapie und Bergrettungsärztin in der
     außen, egal wie man sich selbst verhält.           gefährden könnte.                                    Ortsstelle Mallnitz.

                                         6                                                          7       8

16   ENGAGEMENT
1                                                  2

                            Winterkurse auf
                        Planneralm und Tauplitz
    Insgesamt 54 angehende Bergrettungskräfte absolvierten ihre Grundausbildung in Schnee und
               Eis. Für die Hundestaffel standen Überprüfungen auf dem Programm.
                                            TEXT UND FOTOS NORBERT PICHLER, ANDREAS STEININGER

    Sie zählen sicher zu den eindrucksvolls-     eisigem Gelände bis zum organisierten       3
    ten alpinen Erlebnissen – winterliche        Lawinengroßeinsatz wurde am Tag und
    Touren in unseren steirischen Bergen.        einmal auch in der Nacht geübt.
    Und so bedeutet speziell die Winteraus-
    bildung im Bergrettungsdienst Training       Fünf-Phasen-System für Vierbeiner
    unter ganz besonderen Bedingungen.           Bei strahlendem Sonnenschein trainier-
    Denn die Beachtung der Lawinengefahr,        ten vom 12. bis 17. Jänner 30 Hunde­
    die Auswirkungen der Kälte, gepaart          führer sowie drei Anwärter auf der
    mit Wind und Schneefall, sorgen bei          Tauplitzalm. Nach einer gemeinsamen
    Einsätzen in der kalten Jahreszeit für       Skitour am ersten Tag, damit sich die
    ein nicht zu unterschätzendes Umfeld.        Vierbeiner aneinander gewöhnen kön-
    Daher ist die Winterausbildung vermut-       nen, folgte die Aufbauarbeit: In einem     führerteams zeigten dabei hervorra-
    lich auch der anspruchsvollste Kurs in       Fünf-Phasen-System bringen wir die         gende Leistungen. Wir gratulieren zur
    der Grundausbildung unserer Bergret-         Hunde auf spielerische Weise dahin,        A-Prüfung: Patrick Stockreiter, Markus
    terinnen und Bergretter. 54 waren es         wo wir sie bei der Überprüfung haben       Feichter, Manfred Pfandl und Wolfgang
    vom 25. bis 30. Jänner, die sich für diese   wollen. Auf dem Kursprogramm stan-         Günther. Als neuen Einsatzhundefüh-
    sechs Tage auf der Planneralm in den         den auch einige theoretische Vorträge      rern dürfen wir Sebastian Schmidt,
    Niederen Tauern einfanden. Die ersten        für die Hundeführer über Einsatztaktik,    Heribert Oswald und Stefan Bruckgrab-
    eineinhalb Tage waren der Medizin ge-        Vergrabe-Richtlinien, Alarmierungs-        ner herzlich gratulieren.
    widmet. Unter der Kursleitung von Lan-       system und die Nachbesprechung der         Die neuen Einsatzhundeführer durften
    desarzt Stefan Heschl und seinem San-        gesamten Lawineneinsätze im Win-           am letzten Kurstag noch ihren Pflicht-
    Team wurde eine umfangreiche und             ter 2018/2019. Bis Dienstag wurden         tauflug am C14-Stützpunkt in Nieder-
    professionelle Erste-Hilfe-Ausbildung        die Junghunde auf die Überprüfung,         öblarn genießen.
    absolviert. Anschließend daran ging es       welche am Mittwoch stattfinden sollte,
    zum technischen Teil, organisiert von        intensiv vorbereitet. Die Einsatzhunde
    Landesausbildungsleiter Andi Steinin-        übten in den Tagen viele schwierige
    ger und seinem Ausbildungsteam. Vom          Szenarien, die im Ernstfall auftreten
    Erkennen von lawinengefährlichen Ge-         können. Am Mittwoch stand dann die
                                                                                            1 Der Winterkurs startete mit dem Medizin-Teil.
    ländeabschnitten über den Abtransport        Einsatzüberprüfung der Junghunde           2 Training der Hundestaffel auf der Tauplitz.
    von Verunfallten aus unwegsamem und          auf dem Programm. Die neuen Hunde-         3 Auch Skidoo-Fahren wird trainiert.

                                                                                                         AUS- UND FORTBILDUNG                 17
Aktiv bei Übungen und Einsätzen
         Die Bergretterinnen und Bergretter trainierten am Lawinenkegel,
         über Bundesländergrenzen hinweg und mit Kollegen von Bergbahnen.
         TEXT THOMAS PODLIPNY, ANDREAS STEININGER FOTOS BERGRETTUNG EISENERZ, MICHAEL MIGGITSCH, BERGRETTUNG GEBIET MÜRZTAL

         Neben den zahlreichen Übungen –
         im Folgenden ein Blick in einige
         der steirischen Bergrettungsorts-                             Gebiet Eisenerz
                                                                       Insgesamt 31 Bergrettungskräfte aus vier Ortsstellen (Radmer,
         stellen – mussten auch Einsätze                               Landl, Wildalpen und Eisenerz) trafen sich zur alljährlichen
         übernommen werden.                                            Wintergebietsübung in der Eisenerzer Ramsau. Um die Übung
                                                                       so realistisch wie möglich zu gestalten, erfolgte die Alarmie-
                                                                       rung um 8:30 Uhr mittels SMS über die Landeswarnzentrale.
                                                                       Übungs­annahme waren vier verschüttete Personen im Bereich
                                                                       Hochalm. Wie im Ernstfall trafen die Kameradinnen und Kame-
                                                                       raden nach und nach je nach Ortsstelle beim Gasthof Pichlerhof
                                                                       ein, wo die Einsatzleitung untergebracht war. Aus der Gruppe
                                                                       der ersteintreffenden Kameraden wurde eine Schnelleinsatz-
                                                                       gruppe zusammengestellt, die unmittelbar zur Lawine ent­
                                                                       sandt wurde. Um schneller vor Ort zu sein, wurden die Quads
                                                                       der Ortsstellen Radmer und Eisenerz eingesetzt. Der letzte
                                                                       Abschnitt bis zur Lawine wurde mit den Tourenskiern zurückge-
                                                                       legt. Der genaue Unfallort musste dann mittels GPS-Koordina-
                                                                       ten gefunden werden. Auf der Lawine angekommen, konnten
                                                                       die ersten zwei Verschütteten schnell mit dem LVS geortet,
                                                                       ausgegraben und sanitätstechnisch erstversorgt werden. Neben
                                                                       einer starken Unterkühlung waren auch Knochenbrüche zu
                                                                       versorgen, bevor der Abtransport erfolgen konnte. Die beiden
                                                                       anderen Verschütteten hatten laut Übungsannahme kein LVS.
                                                                       Daher wurde ein RECCO-Suchgerät eingesetzt, mit dessen Hilfe
                                                                       die dritte Person rasch gefunden werden konnte. Die vierte
                                                                       Person musste klassisch sondiert werden. Schließlich wurde
                                                                       auch diese gefunden und aus der Lawine befreit. Zur selben
                                                                       Zeit wurden die ersten beiden Geborgenen mit dem Ackja zur
                                                                       nächsten Straße gebracht. Dafür musste sehr steiles Gelände
                                                                       mittels Seilbergetechniken überwunden werden. Auch diese
                                                                       Herausforderung wurde perfekt gemeistert und die Verletzten
                                                                       konnten über die Forststraße rasch ins Tal gebracht werden, wo
                                                                       laut Übungsannahme das Rote Kreuz schon auf die Übergabe
                                                                       wartete.

                                                                       1 Vorbereitungen für den Abtransport des
                                                                         „Verletzten“ in der Eisenerzer Ramsau.
                                                                       2 Die Einsatzleitung der grenzüberschreiten-
1                                                                        den Übung war im neuen Dienstraum der
                                                                         Ortsstelle Krakauebene untergebracht.
                                                                       3 Heftiger Sturm sorgte für realistische Bedin-
                                                                         gungen bei der Übung am Stuhleck.
                                                                       4 Die Vermisste wurde von den Einsatzkräf-
                                                                         ten geborgen, erstversorgt und dann ins
                                                                         ­Krankenhaus Mürzzuschlag geflogen.

    18   AUS DEN ORTSSTELLEN
3

                                                                      2

Übung im Prebergebiet                                           Erfolgreicher Sucheinsatz
Eine grenzüberschreitende Winterübung fand Mitte Jänner im      Im Raum Neuberg mussten die Bergretterinnen und Bergret-
Prebergebiet (Gemeinde Tamsweg) statt. Die Einsatzorganisa-     ter Anfang Februar zu einer Suchaktion ausrücken. Vermisst
tionen aus dem Lungau und dem Bezirk Murau mussten – so         wurde eine 89-jährige Spaziergängerin. Diese überlebte nach
das Übungsszenario – nach zwei Lawinenabgängen mehrere          einem Sturz insgesamt 18 Stunden in einem Waldstück. Nach-
Schneeschuhwanderer, Langläufer und zwei Autoinsassen           dem eine zuständige Mitarbeiterin der Volkshilfe die durchaus
suchen und bergen. Als weiteres Szenario wurde eine teilver-    rüstige ältere Dame bei der Essenszustellung am Abend nicht
schüttete Almhütte angenommen. Insgesamt 260 Einsatz-           wie gewohnt in ihrer Wohnung angetroffen hatte, verstän-
kräfte von Bergrettung, Polizei, Feuerwehr, Rotem Kreuz,        digte sie die Polizei. Diese leitete sofort eine umfangreiche
Bundesheer, Lawinenwarnkommission, Gemeinden und                Suchaktion ein, an der sich neben den Bergrettungsortsstellen
Bezirkshauptmannschaften waren an der Übung beteiligt,          Neuberg und Mürzzuschlag auch die Freiwillige Feuerwehr be-
außerdem noch mehrere Lawinensuchhunde. Den Schwer-             teiligte. Doch um 23:00 Uhr musste diese Suchaktion wegen
punkt der Übung bildeten die Koordination eines grenz­          Schlechtwetter abgebrochen werden. Am folgenden Tag wur-
überschreitenden Einsatzes und die Anwendung des neuen          de das gesamte Gebiet Mürztal (ÖBRD-Ortsstellen Neuberg,
digitalen Funksystems BOS.                                      Mürzzuschlag, Veitsch und Kindberg) inklusive Suchhunde­
                                                                staffel alarmiert. Gegen 10:30 Uhr konnte ein Bergretter die
Einsatzübung am Stuhleck                                        Pensionistin dann endlich in einem unwegsamen Waldstück
Schon seit einigen Jahren arbeiten die Stuhleck-Bergbahnen      auffinden. Nachdem die Feuerwehr den Weg für den Abtrans-
und die Pistenrettung mit der Bergrettung Mürzzuschlag im       port der Verunfallten sogar freischneiden musste, erfolgte
Bereich der Gästesicherheit zusammen. Der gesicherte Pisten-    nach einer Erstversorgung durch zwei Bergrettungsärzte die
bereich wird von der bergbahneigenen Pistenrettung professi-    Überstellung der stark unterkühlten, doch sonst unverletzten
onell versorgt, der Bereich im alpinen Gelände und Bergungen    Frau mit dem Rettungshubschrauber C3 des ÖAMTC in das
von den Sesselliftanlagen gehören mit zum Einsatzbereich        LKH Mürzzuschlag.
der Mürzzuschlager Bergrettung. Um hier allfällige Einsätze
entsprechend perfekt abwickeln zu können, fand im Jänner
die schon traditionelle Bergeübung auf den Sesselliftanlagen              4
der Stuhleckbahnen statt. Dieses Jahr suchten sich die Mürzer
Bergretter allerdings zusätzlich noch erschwerte Bedingungen
für ihre Einsatzübung aus. Denn nicht nur der vorherrschende
Föhnsturm, sondern auch die einbrechende Dunkelheit gehör-
ten zur Übungsannahme. Trotz dieser widrigen Bedingungen
konnten alle „Opfer“ sicher geborgen und versorgt werden.
Unterstützt wurde die Bergrettung vom Pistenpersonal der
Bergbahnen. Dies ist umso wichtiger, da bei einem Ernstfall
die Zusammenarbeit perfekt funktionieren muss.

                                                                                                      AUS DEN ORTSSTELLEN           19
Effiziente Suche
         aus der Luft
                                                                                                          1
         Der Umgang mit dem neuen RECCO-Detektor
                                                                                                          1 Im Helikopter werden alle Bewegun-
         wurde im Rahmen einer Schulung geübt, der                                                          gen mit GPS-Tracks und Wegpunkten
         Detektor aber auch schon bei Einsätzen genutzt.                                                    festgehalten.
                                                                                                          2 Gemeinsame Schulung von Polizei
                                                                                                            und Bergrettung in Turnau.
         TEXT STEFAN SCHRÖCK FOTOS MARTIN GURDET

         Die Technologie der Firma RECCO ist        Stationiert in Graz                       und rasch gefunden werden. Diese
         schon seit vielen Jahren bekannt.          Dieser RECCO-SAR-Detektor ist an der      Technologie ersetzt aber trotzdem kei-
         RECCO-Reflektoren werden in Beklei-        Flugeinsatzstelle Graz des BMI statio-    nesfalls die Strategien und Einsatztak-
         dung, Schuhen, Helmen und Rucksä-          niert und kann bei Bedarf als Außenlast   tiken bei Suchaktionen. Sie ist nur ein
         cken verarbeitet. Mit einem speziellen     (Tau) in Betrieb genommen werden. Die     weiteres Werkzeug in einem Werkzeug-
         RECCO-Detektor (R9-Detektor) besteht       Bedienung der Technik im Hubschrau-       kasten.
         die Möglichkeit, vermisste oder ver-       ber übernimmt ein Bergrettungsmann.       Die Anforderung für das RECCO-SAR
         schüttete Personen zu suchen. Zahl-        Das ausgegebene akustische Signal         erfolgt im Einsatzfall über die LWZ.
         reiche Skigebiete und Ortsstellen der      wird auch an den Piloten und den          Die Einsatzleitung sollte aber mit
         Bergrettung setzen diese Suchmetho-        Flight Operator übertragen. Die Suche     einer gewissen Vorlaufzeit rechnen,
         den bereits seit Jahren ein.               aus der Luft erfordert ein eingespiel-    da der RECCO-SAR-Detektor erst in
                                                                                              den Hubschrauber verladen werden
2
                                                                                              muss. Gleichzeitig erfordert die Suche
                                                                                              mit dem RECCO-SAR-Detektor eine
                                                                                              gut durchdachte und gut vorbereitete
                                                                                              Einsatztaktik. Die LWZ alarmiert im
                                                                                              Einsatzfall die RECCO-SAR-Gruppe
                                                                                              der Bergrettung Steiermark und ein
                                                                                              RECCO-SAR-Experte stimmt gemein-
                                                                                              sam mit dem Einsatzleiter und der
                                                                                              Crew des Hubschraubers des BMI die
                                                                                              Einsatztaktik ab. Je nach Gelände und
                                                                                              Entfernungen werden die Flugroute
                                                                                              und die Geschwindigkeit definiert. Im
                                                                                              Hubschrauber werden alle Bewegun-
                                                                                              gen mit GPS-Tracks und Wegpunkten
                                                                                              festgehalten, dies dient der genauen
                                                                                              Dokumentation.
                                                                                              Die RECCO-SAR-Gruppe übt diese
                                                                                              Verfahren in regelmäßigen Abständen
                                                                                              gemeinsam mit der Polizei und Kame-
                                                                                              raden der Bergrettung Niederösterreich
         Seit vergangenem Jahr wurde in Öster-      tes Team im Hubschrauber und muss         und der Bergrettung Kärnten. Im Okto-
         reich diese Technologie nun erweitert.     natürlich entsprechend geübt werden.      ber 2019 konnte eine groß angelegte
         In einem gemeinsamen Projekt der Fir-      Die Bergrettung Steiermark hat pro        Übung in Turnau erfolgreich gemeistert
         ma RECCO, des Bundesministeriums für       Gebiet eine Person nominiert und          werden und alle Kameraden konnten
         Inneres, der Polizei und der Bergrettung   geschult und somit stehen in jeder Re-    sich auf gemeinsame Vorgehensweisen
         wurde die Möglichkeit geschaffen,          gion ausgebildete RECCO-SAR-Experten      koordinieren. Bei zwei Einsätzen (Hoch-
         RECCO-Reflektoren aus der Luft zu          zur Verfügung.                            golling und Loser) wurde RECCO-SAR
         suchen. Mit einem speziellen, hoch leis­                                             auch bereits im Ernstfall eingesetzt.
         tungsfähigen Detektor am Hubschrau-        Suche in weitläufigen Gebieten            Sollte eine Ortsstelle mehr Informati-
         ber des BMI können Personen bis zu         Besonders in weitläufigen Gebieten        onen wünschen, kann sie mich gerne
         500 m Reichweite gefunden werden.          können vermisste Personen effizient       kontaktieren.

    20   TECHNIK
Skitouren im Vulkangebiet
                                                                          BERGRETTUNG TIROL

         Ein großes Abenteuer, zwei beeindruckende Länder, fünf intensive Wochen. Lukas Ruetz und
        Florian Plank gingen Skitouren auf bis zu 5.000 Metern Seehöhe in Chile und Argentinien und
                  bestiegen ganz nebenbei den höchsten Berg Amerikas – und das im Winter.
                                                             TEXT DANIELA PFENNIG FOTOS LUKAS RUETZ

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2                                                                                             3

    1 Lukas Ruetz und Florian Plank.
    2 Die Schneedecke schmilzt in Teilen der Anden im Frühjahr nicht ab, sondern
      verdampft fast zur Gänze. Dadurch entstehen solche Schneeformen.
    3 Typisches Bild der Schneeoberfläche im Aconcagua-Gebiet: Wind, Sonne und
      extrem trockene Luft hinterlassen ihre Spuren.
                                                                                                      REISE   21
4

                                              5                                                      6
                                                                                                             4 Am rauchenden Krater des
                                                                                                               Villarrica angekommen. Ein
                                                                                                               toller Skitourenvulkan!
                                                                                                             5 Die winzige Refugio Frey ist
                                                                                                               eine der ganz wenigen im
                                                                                                               Winter bewirtschafteten
                                                                                                               Hütten in Südamerika.
                                                                                                             6 Gipfelsieg am 6.962 Meter
                                                                                                               hohen Aconcagua.
                                                                                                             7 Anstieg zum Cerro Tronador
                                                                                                               im Hintergrund, der gerade
                                                                                                               von einem Sturm umtost
                                                                                                               wird.
                                                                                                             8 Parkplatzbiwak in einem
                                                                                                               Araukarienwald.
                                                                                                             9 Durch die extrem vom Wind
                                                                                                               beeinflusste Schneedecke
                                                                                                               an den Vulkanen ist es oft
                                                                                                               besser, die Ski hinaufzu-
                                                                                                               tragen.

     Stundenlang könnte Lukas Ruetz, Bergretter bei der Ortsstelle      Daneben ist uns die Erstbefahrung der 5.220 Meter hohen
     Sellraintal, von seiner fünfwöchigen Reise nach Chile und          Tres Gemelos gelungen“, berichtet der Sellraintaler stolz.
     Argentinien erzählen. Damals, im August und September              Besonders fasziniert hat ihn das Skifahren am Vulkan: „Es
     2016, machte er sich gemeinsam mit seinem Freund Florian           ist gigantisch, wenn man da oben steht. Die Lava spritzt im
     Plank, Bergretter bei der Ortsstelle Matrei am Brenner, auf        Krater, man spürt die Hitze. Es war, als würden wir in die Hölle
     nach Südamerika. Gereizt hat die beiden das Skitourengehen         schauen. So ein Berg ist zum Skifahren perfekt: Die Abfahrt
     im Sommer der Nordhalbkugel. „Dafür eignen sich im Grunde          beginnt am Krater ganz steil und wird dann immer flacher“,
     nur Argentinien, Chile oder Neuseeland. Es gibt zwar auch          schwärmt der 27-Jährige.
     einige andere Gebiete auf der Südhalbkugel, in denen es so
     etwas wie Winter mit Schnee und Bergen gibt, aber dort kann        Herausforderung Logistik
     man nicht wirklich sinnvoll Skitouren unternehmen“, weiß           Die Herausforderungen waren vor allem logistischer Natur,
     ­Lukas Ruetz. „In Argentinien und Chile gibt es ein bisschen       wie Lukas Ruetz beschreibt: „Unsere größten Fragen waren:
      von der nötigen Infrastruktur, wie beispielsweise Straßen in      Wo geht überhaupt eine Straße zu den Bergen hin, damit man
      ein paar gebirgige Regionen, und das Klima passt – es fällt       nicht Dutzende bis Hunderte Kilometer zu Fuß marschieren
      genug Schnee, der auch längere Zeit liegen bleibt.“ In den An-    muss? Wo kann man noch etwas zu essen kaufen? Gibt es zu
      den, die allein in Argentinien und Chile über 2.000 Kilometer     dem Gebiet überhaupt eine Karte oder irgendwelche Infor-
      lang sind, ist das Skitourengehen extrem vielfältig: einerseits   mationen zu den Bergen? – Oft gab es keine guten Antwor-
      sehr trockene Bergregionen und 6.000 Meter hohe Berge ganz        ten darauf.“ Und noch ein Beispiel: Florian Plank brach eine
      im Norden; andererseits das windige und kalte Patagonien          Bindung: „Hat man Probleme mit der Ausrüstung, kann das
      mit teilweise nur 2.000 Meter hohen Bergen im Süden.              enorm fordern, denn dort kann das niemand reparieren und
                                                                        Ersatzteile bekommt man normalerweise auch nicht“, ergänzt
     Über Firn am Vulkan                                                Lukas Ruetz.
     Zunächst bestiegen die beiden im nördlichsten Teil Patago-
     niens einige klassische, aber sehr beeindruckende Skitouren-       Von Wildnis beeindruckt
     berge. „Hier waren wir rund um die Stadt Bariloche – etwa so       Die andere Seite dieser Medaille hat aber gerade auch ihren
     groß wie Innsbruck – unterwegs“, erzählt Lukas Ruetz.              Reiz. „Von Anfang an hat mich die echte Wildnis in diesen zwei
     Danach waren sie im Aconcagua-Gebiet 1.000 Kilometer               Ländern beeindruckt. Es gibt dort noch unendlich viel Raum,
     weiter nördlich rund um den höchsten Berg Amerikas, den            wo noch nie ein Mensch war, wo es weder Almwirtschaft
     Aconcagua mit 6.962 Metern. „Dort ist das Klima vollkommen         noch Besiedelung gibt. Das findet man in Europa nirgends
     anders und es gibt oft Jahre ohne Schnee. Wir hatten Glück         mehr: weder auf einem Berg in den Alpen noch irgendwo im
     und es lag genügend Schnee. Wir konnten dort einige 4.000er        Flachland. Jeder Quadratmeter wurde hierzulande schon ein-
     besteigen und viel Büßerschnee, also Zackenfirn, fahren.           mal von einem Menschen beeinflusst und man ist überall mit

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