Wohnungspolitik in Berlin - IHK Berlin
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Wohnungspolitik in Berlin
inhalt anforderungen an eine marktwirtschaftliche Wohnungspolitik in Berlin 5 Die staatliche Wohnungsbauförderung der Vergangenheit 7 Der Wohnungsmarkt heute und aktuelle trends 11 Die wichtigsten akteure auf dem Wohnungsmarkt und ihre aktivitäten 19 Ziele einer Wohnungspolitik für Berlin 23 Mehr Wohnraum für die stadt 25 neun hanDlungseMpFehlungen FÜr eine Berliner Wohnungspolitik Flächenpolitik 1 | standorte für Wohnungsbau identifizieren und zügig in den Markt geben 26 2 | nachbestückung und schnelle grundstücksvergaben des liegenschaftsfonds 27 3 | einrichtung einer „task Force“ für Wohnungsbau 27 MoDerne VerWaltung unD Baurecht 4 | Baurecht modernisieren 28 5 | stärkung der planenden Verwaltung 29 6 | keine eingriffe in den Wohnungsmarkt 29 geMischtes Wohnen in Der staDt 7 | schnellere anpassung der subjektförderung-Wohnungsbindung und Wohnaufwendungenverordnung 30 8 | Bestandsaktivierung muss warmmietenneutral sein 30 9 | Mietwohnungsanteil für „breite schichten der Bevölkerung“ bei neubau festlegen 31 literaturverzeichnis 32 impressum 34 |3
kapitel 1 Anforderungen an eine marktwirt- schaftliche Wohnungspolitik in Berlin Vier große Trends prägen auf absehbare Zeit die Berliner Wohnungswirtschaft: • die zunehmende soziale Spreizung der Gesellschaft, • die gestiegenen Anforderungen an Klimaschutz- und Energieeffizienz, • die wachsende Vielfalt der persönlichen Lebensstile, • die Renaissance der Innenstädte. Zwei weitere Faktoren bestimmen zusätzlich den Wohnungsmarkt in Berlin: • die zunehmende Bedeutung des Berliner Immobilienmarktes innerhalb Europas, • der steigende Bedarf im Wohnungsneubau. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage durch private und institutionelle Investoren ist Berlin zum wichtigsten lokalen Transaktionsmarkt für Wohnimmobilien in Europa geworden und wird es auch kurz und mittelfristig bleiben. Die Ausstrahlung Berlins als kreativer Wissenschafts- standort, bei gleichzeitig aufholender Wirtschaft und – nach wie vor – moderaten Miet- und Kaufpreisen, unterscheidet Berlin deutlich von anderen Metropolen. Für Investoren aus Skandinavien sind bisher die im internationalen Vergleich niedrigen Preise Berlins ausschlaggebend, während Investoren aus dem südeuropäischen Raum vor allem eine Wertsicherung ihrer liquiden Mittel anstreben. Der weiterhin steigende Bedarf an Wohnungen, insbesondere durch Zuwanderung, verstärkten den quantitativen Druck auf dem Wohnungsmarkt. Für Investitionen in Bestand oder Neubau erhöhen sich die Kosten durch die wachsenden Anforderungen an Energieeffizienz und an ein barrierefreies, altersgerechtes Wohnen. Ins- gesamt ist derzeit eine Aufwertung städtischer Immobilien festzustellen, die sich in Berlin besonders stark bemerkbar macht. Steigende Präferenzen für das Wohnen in der Stadt führen zu einem qualitativen „Upgrading“ der Wohnquartiere, das durch die Aufgaben der energeti- schen Sanierung und des altersgerechten Umbaus noch unterstützt wird. Gleichzeitig wird das Angebot an einfachen und günstigen Wohnungen verkleinert. Eine transparente und verlässliche Wohnungspolitik, die ein gutes Investitionsklima für Investoren im Wohnungsbau auf der einen und die Sicherung von preisgünstigem, modernem Wohnraum in der Stadt und damit den Erhalt der Durchmischung der Quartiere auf der ande- ren Seite gewährleistet, wird zum harten Standortfaktor für Berlin. Nur eine marktwirtschaftliche Ausrichtung der Berliner Wohnungspolitik wird in der Lage sein, schnell und flexibel auf starke Veränderungen der Parameter des Wohnungsmarktes zu reagie- ren. Dies zeigt auch der Blick in die Vergangenheit. |5
kapitel 2 Die staatliche Wohnungsbau- förderung der Vergangenheit Die klassische Wohnungsbauförderung hat grundsätzlich dazu geführt, dass der Mietwoh- nungsbestand in Deutschland qualitativ hochwertig und attraktiv ist. Der gut ausbalancierte deutsche Wohnungsmarkt mit seiner Mischung von Eigentum, Miete und genossenschaftli- chem Wohnen war auch eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Deutschland gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist. In anderen Ländern war der Immobilienmarkt Auslöser der Krise, bei uns dagegen wirkt er bis heute stabilisierend. Die Wohnungsbauförderung hat in Deutschland in der Nachkriegszeit das Wohnungsangebot maßgeblich geprägt. Mit dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz (beide aus den 1950er Jahren) wurde der kriegsbedingten Wohnungsnot entgegengewirkt. Ziel dieser Förderung war es, breite Schichten der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Beide Ge- setze sahen bei der Neubauförderung noch Objektförderung vor, d. h. die Förderung mit in der Regel niedrigverzinslichen oder unverzinslichen Darlehen und Aufwendungszuschüssen. Mit dem Inkrafttreten des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) zum 1. Januar 2002 erfolgte in der vom Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg geprägten wohnungspolitischen Ge- setzgebung eine erste politische Zäsur. Das Gesetz folgte nicht länger dem Ziel der Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung. Als Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung wurden Haushalte definiert, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind (WoFG § 1 Abs. 2). Mit der Förderalismusreform fiel das Recht der sozialen Wohnraumförderung ab dem 1. Januar 2007 in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Begründet wurde dieser Systemwechsel mit der Not- wendigkeit einer stärkeren Marktorientierung und der Notwendigkeit, die Förderinstrumente sozial treffsicherer und zugleich volkswirtschaftlich effizienter zu gestalten. Der Bund leistet bis 2013 einen finanziellen Beitrag an die Länder von 518,2 Millionen Euro jährlich (Berlin ca. 30 Millionen Euro/p.a.). Laut Koalitionsvertrag wird bis zur Mitte der Legislaturperiode entschieden, ob nach dem Jahr 2013 der Bund den Ländern weiterhin zweckgebundene Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen zur Wohnraumförderung gewähren wird. Bund und Länder verhandeln aktuell über das Fortbestehen der Kompensationsmittel. Wohnungs- und Städtebau im geteilten Berlin Im Westen entstanden, wie auch in anderen Ländern West- und Osteuropas, Großsiedlungen, bestehend ausschließlich aus Mietwohnungen des sozialen Wohnungsbaus. Es entstanden monostrukturierte neue Stadtteile, die den sozialen Wohnungsbau in seinen strukturellen Auswirkungen eher negativ erscheinen ließen. Großsiedlungen dieser Art wurden im Westen seit Mitte der 70er Jahre nicht mehr gebaut. Für Großprojekte wurden danach differenziertere Städtebaukonzepte mit einem vielfältigen Wohnungsangebot entwickelt. In den 60er Jahren wurde das Planungs-, Miet- und Wohnungsrecht der Bundesrepublik er- neuert und 1971 durch das Städtebauförderungsgesetz komplettiert: Mit diesem „Besonderen Städtebaurecht“ erhielten die Gemeinden das rechtliche Instrumentarium und die finanziellen Mittel, die Erneuerung der historischen Stadtzentren, der Stadtteile des 19. Jahrhunderts und auch Sanierungsaufgaben in Nachkriegssiedlungen anzugehen. Das Recht auf umfassende und |7
Wohnungspolitik in Berlin frühzeitige Bürgerbeteiligung bewährte sich als unverzichtbares Element für die Konsensfin- außen nach innen. In den letzten Jahren verstärkt sich der Trend zu einer in europäischen Städ- dung, sodass es in das Allgemeine Planungsrecht übernommen wurde. ten üblichen Verteilungskurve mit hohen Preisen im Zentrum. In Berlin besteht die Aufgabe auch darin, diesen Trend so zu begleiten, dass sich Berlin weiterhin durch eine gesunde soziale Das Land Berlin konnte den gesetzlich geforderten Wohnraum für Sozialschwache nicht aus Mischung auch in der Innenstadt auszeichnet. eigenen Haushaltsmitteln bereitstellen. Deshalb ist der soziale Wohnungsbau in Berlin seit 1972 nicht unmittelbar und ausschließlich durch die öffentliche Hand finanziert worden, son- Zu den qualitativen Umschichtungen kam auf der Grundlage des zu erwartenden Wirtschafts- dern in einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Berlin mobilisierte im Rahmen des sogenann- und Bevölkerungswachstums ein prognostizierter Mehrbedarf von bis zu 400.000 Wohneinhei- ten Ersten Förderwegs mit steuerlichen Vergünstigungen, besonderen Krediten und Bürg- ten. Eine weitere Herausforderung war die Sicherung großer Teile des Wohnungsbestandes. In schaften Anleger aus dem gesamten Bundesgebiet, in den sozialen Wohnungsbau in Berlin zu den östlichen Bezirken bedurften sowohl der Altbau- als auch der Neubaubestand einer umfas- investieren. Private Kapitalanleger führten die Bauvorhaben als Bauherren durch und nahmen senden Sanierung. Die Berliner Wohnungspolitik reagierte auf die neue Situation mit umfang- für die Finanzierung Bankkredite auf. Von 1972 bis 1976 gab es eine stattliche Grundförderung reichen Wohnungsbauprogrammen. Spezielle Bedeutung hatte die Sonderabschreibung für Ab- über 15 Jahre und eine Anschlussförderung über weitere 15 Jahre. Der Eigentümer, oft eine nutzung. Sie ermöglichte es bis Ende 1996 die Herstellungs- und Anschaffungskosten für nicht Fondsgesellschaft, erhielt von der Investitionsbank Berlin (vormals Wohnungsbaukreditgesell- selbst genutzte Neubauwohnungen zu 50 Prozent sofort oder innerhalb der kommenden fünf schaft) jährliche Aufwendungshilfen in Höhe der Einnahmedefizite zwischen der Kosten- und Jahre abzuschreiben. Viele besserverdienende Privatinvestoren aus den alten Bundesländern der Sozialmiete. Die Kostenmiete errechnete sich aus den Kosten des Eigentümers für Fremd- nutzten die staatlichen Steuervergünstigungen für Investitionen auf dem Wohnungsmarkt. Das kapitalverzinsung, Eigenkapitalverzinsung, Bewirtschaftungskosten und Abschreibung. Seit Resultat war ein Bauboom im Sektor des frei finanzierten Mietwohnungsbaus. Den Höhepunkt dem Jahre 1976 wurden die Aufwendungshilfen zu zwei Dritteln als Zuschuss und zu einem der Neubautätigkeit mit nahezu 33.000 neu erstellten Wohneinheiten stellte das Jahr 1997 Drittel als Darlehen gewährt. Auch diese Aufwendungshilfen wurden für 15 Jahre Grundför- dar. Die neu entstandenen Geschosswohnungen waren stark quantitativ ausgerichtet. Kenn- derung und nach Überprüfung für weitere 15 Jahre eine Anschlussförderung bewilligt. Gründe zeichnend für die wenig am Nachfrager orientierte Bauweise waren die hohe Bebauungsdichte waren zum einen die hohen Bodenpreise und Baukosten in Berlin. Dies führte zu Kostenmie- und Baumängel sowie eine mancherorts mangelhafte Infrastruktur. ten von umgerechnet 12–18 EUR/m², die auf Sozialmieten von umgerechnet 4,50 EUR/m² heruntersubventioniert wurden. Ab 1991 wurde der soziale Wohnungsbau in Berlin in erster Linie über den Zweiten Förderweg unterstützt. Zielgruppe des Zweiten Förderweges waren Personen, die eine Sozialwohnung Im Osten setzte Berlin andere Akzente. Auch dort wurden bis Ende der 60er Jahre die zerstör- bewohnten, aufgrund eines gestiegenen Einkommens jedoch im Laufe der Zeit die Bemessungs- ten Stadtteile wiederaufgebaut. Die Wohnungsproduktion wurde hier seit den 70er Jahren grenze überschritten hatten. Um diese zu einem Umzug zu bewegen, vereinbarten Senat und noch stärker als im Westen von der industriellen Tafelbauweise mit vorgefertigten geschossho- Bauherren Förderungen, deren Höhe sich an objektbezogenen Kosten und einer Kostenmiete hen Bauteilen, dem „Plattenbau“, geprägt. Mit ihm wurden die verbliebenen innerstädtischen orientierte. Als in 2003 in Berlin ein Wohnungsüberschuss von 100.000 Wohnungen vorlag, Baulücken geschlossen, wie der Bereich zwischen dem Alexanderplatz und dem Strausber- beschloss der Senat den Totalausstieg aus der sogenannten Anschlussförderung für den sozia- ger Platz am Anfang der früheren Stalinallee. Seit den 70er Jahren wurden die Randbezirke len Wohnungsbau und damit das Ende der Belegungsbindungen. Er tat dies vor allem auch vor Ostberlins in großem Stil für den Wohnungsbau entwickelt. Die Bedingungen der industriellen dem Hintergrund der schlechten Haushaltslage. Vorfertigung erzwangen starke Einschränkungen in Bezug auf Planung und Gestaltung. Ganze Stadtteile wurden unter Verwendung nur weniger Bautypen errichtet. Gigantische Großsied- Für die zwischen 1972 und 1986 fertiggestellten Wohneinheiten gab es also eine Anschlussför- lungen entstanden in Hohenschönhausen, in Marzahn und Hellersdorf. Trotz des Vorrangs der derung, für die zwischen 1987 und 1997 errichteten nicht. Bis zum Jahr 2003 wurde dies da- Neubauproduktion legte auch die DDR Programme zur Aufwertung und Modernisierung alter durch ausgeglichen, dass Berlin im Anschluss an die 15-jährige Grundförderung eine 15-jährige Wohnquartiere auf. Aber das starre System der Planwirtschaft wurde den kleinteiligen Aufga- Anschlussförderung zahlte. Diese Subvention hätte rund drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 ben der Stadterneuerung nicht gerecht, überall fehlte es an Kapazität und Material. Es gab nur für den Senat gekostet. Mit Wirkung vom 1. Januar 2003 wurde diese Förderung außer Kraft wenige Demonstrationsvorhaben der Ostberliner Stadterneuerung wie z. B. das Nikolaiviertel gesetzt. Von der Entscheidung waren rund 26.000 Wohnungen betroffen. oder am Kollwitzplatz im Bezirk Prenzlauer Berg. Diese Besonderheiten des Berliner Fördersystems haben dazu geführt, dass sowohl die Mieten Das wiedervereinigte Berlin der Sozialwohnungen des 1. Förderungsweges, als auch die des 2. Förderungsweges aktuell zum Teil über den Mietspiegelpreisen liegen. Zudem wurde der Bestand an Sozialwohnungen, Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung hatten sich die Rahmenbedingungen komplett auch durch den Verkauf von rund der Hälfte der landeseigenen Wohnungen, auf aktuell rund geändert. Bezirke wie Wedding, Kreuzberg oder Neukölln lagen nicht mehr am östlichen Rand 150.0000 reduziert. Durch den Verkauf der „Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbauge- Westberlins, sondern in der Mitte der Stadt. Dies galt auch für die westlichen Randbezirke sellschaft mbH (GSW) im Jahr 2004 gingen allein 65.000 Wohnungen in Privatbesitz über. Seit Ostberlins wie Mitte und Friedrichshain. Die niedrigen Immobilienpreise der Rand- und Prob- 1990 wurden in Berlin rund 21 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau gesteckt. Die für lembezirke befanden sich jetzt in attraktiven Innenstadtlagen. Eine Aufwertungsdynamik setzte Berlin zur Verfügung stehenden Bundesmittel für Wohnungsbau von 30 Millionen Euro pro Jahr, für die neue Mitte der Stadt ein. Aber auch nach dieser ersten Aufwertungswelle für die neuen müssen bislang immer noch komplett für die Bedienung der Altlasten aufgewendet werden. Innenstadtbezirke blieb es bei einem für derartige Metropolen unüblichen Preisgefälle von 8| |9
kapitel 3 Der Wohnungsmarkt heute und aktuelle Trends Bevölkerungsentwicklung Nachdem der Wohnungsmarkt in Berlin von 2007 bis zum Jahr 2010 vor allem von hohen Leer- ständen und geringer Nachfrage geprägt war, steigt die Nachfrage nach Wohnraum seit 2010 wieder an. Im Jahr 2012 steht Berlin ständig höher ausfallenden Prognosen für den Bevölke- rungszuwachs gegenüber. In 2011 erreichte Berlin mit über 3,5 Millionen Einwohnern seinen höchsten Stand seit 1990. Allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres nahm die Einwohnerzahl Berlins um 0,9 Prozent zu. Baugenehmigungen und Fertigstellungszahlen Durch die gestiegene Nachfrage bei gleichzeitig nahezu gleichbleibendem Angebot steigen vor allem seit 2010 die Angebotsmieten. Die Fertigstellungszahlen im Neubau steigen seit 2010 ebenfalls, liegen jedoch mit mehr als 4.300 neuen Wohneinheiten in 2010 und fast 4.500 in 2011 immer noch unter dem, was vor allem aufgrund der aktuellen Prognosen erforderlich sein wird. Allerdings ist der starke Anstieg der Baugenehmigungen von 2010 auf 2011 von 5.470 auf fast 7.400 ein positives Indiz für die weiter wachsende Neubautätigkeit. Ein weiterer Anstieg zeichnet sich für 2012 ab. Setzt sich der Trend aus den ersten drei Quartalen von 2012 fort, ist mit rund 9.000 Baugenehmigungen für das Jahr 2012 zu rechnen. Projektentwicklungen und Preise Weiterhin weist das steigende Volumen der Projektentwicklungen in Berlin, innerhalb dessen insbesondere das Wohnsegment maßgeblicher Wachstumsmotor ist, auf eine ebenfalls seit 2011 zunehmend wachsende Neubautätigkeit hin. Das Jahr 2011 war das zweite Jahr in Folge, seit 2011 übersteigt die reale Bevölkerungsentwicklung bereits die obere Variante der bisherigen prognose 3.550 3.500 3.450 3.400 3.350 Quelle : Amt für Statistik 3.300 Berlin-Brandenburg / Senatsverwaltung für 3.250 Stadtentwicklung und Umwelt 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Schrumpfung Basis oberer Verlauf reale Entwicklung | 11
Wohnungspolitik in Berlin Seit 2008 steigen die Baugenehmigungen erstmalig in 2011 wieder an in dem das Wohnsegment das größte mit 650.000 Quadratmeter war. Von Wohnportfolios mit 26-prozentige Steigerung von 2010–2011 mindestens 50 Einheiten in Europa entfielen 2011 auf Berlin 37 Prozent. Die Preise von Eigen- tumswohnungen erhöhten sich von 2009 bis 2012 um 16,5 Prozent, die der Mieten im gleichen 10.000 Zeitraum um 7,3 Prozent. Die steigenden Preise für Mieten und Eigentum sind Ausdruck einer 9.000 großen Nachfrage und damit ein Zeichen der Attraktivität Berlins. Bedenken, es könnte sich 8.000 wie in den USA, Irland oder Spanien eine Preisblase bilden, werden in einer Studie des Institut 7.358 der deutschen Wirtschaft Köln nicht bestätigt. So ist trotz extrem niedriger Zinsen weder eine 6.700 expansive Kreditvergabe noch eine sehr hohe Kauf- und Wiederverkaufsrate zu beobachten. 6.000 6.297 Trotz dieser positiven Entwicklung hinken die Fertigstellungszahlen der Nachfrage hinterher. 5.603 5.470 5.019 4.889 4.000 Leerstand/Bestandsaktivierung 3.686 3.134 3.224 Berlins Wohnungsmarkt ist nicht nur von einer starken Nachfrage nach neuem Wohnraum, 2.000 sondern auch in hohem Maße von den Anforderungen an die energetische Sanierung der Quelle: Jahresbericht BfW 2012 Altbaubestände geprägt. Zwei Drittel der Wohnungen in Berlin stammen aus der Zeit vor 1970, Seite 14 und Amt für Statistik viele davon aus den Nachkriegsjahren. Rund 42 Prozent der Berliner Wohnungen wurden bis Berlin Brandenburg, 7.11.2012 0 1948 gebaut, weitere 22 Prozent in der Folge bis 1968, ein knappes Viertel von 1969 bis 1988. 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1-3. Prognose Nur 12 Prozent wurden seit 1989 errichtet. Quartal gesamt 2012 2012 In welchem Umfang die Aktivierung leerstehender Altbauwohnungen zurzeit noch Potenzial bietet, lässt sich schwer feststellen. Tatsächlich liegt der Anteil leerstehender Wohnungen trotz rückläufiger Tendenzen aktuell sicherlich noch zwischen drei und fünf Prozent für die Gesamtstadt, während in einzelnen Bezirken der anteilige Leerstand bereits zwischen ein bis zwei Prozent liegt. Die verschiedenen Akteure der Wohnungspolitik schätzen die Höhe des Leerstandes jeweils recht unterschiedlich ein. Die weiter sinkenden Leerstandsquoten weisen allerdings daraufhin, dass das Potenzial immer kleiner wird. Eine konkrete Zahl meldet der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen Mehr als ein Drittel der Wohn-Projektentwicklungen innerhalb Europas entfallen auf Berlin (BBU) für seine Mitglieder mit einem Leerstand von 17.000 Wohnungen Ende 2011. Dies Betrachtet wurden alle Projektentwicklungen mit mehr als 50 Einheiten, in Prozent entspricht einer Leerstandsquote von 2,6 Prozent, dem niedrigsten Stand seit 1996. Es ist al- lerdings davon auszugehen, dass die Leerstandsquote bei den Privaten, vor allem bei kleineren Berlin privaten Eigentümern, größer ist. Dies vor allem, da die städtischen Unternehmen eine höhere Instandsetzungs- und Modernisierungsquote und damit eine höhere Bestandsaktivierungsquote Europa zu verzeichnen haben. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat bislang keine neueren Zahlen 37% als die aus dem Mikrozensus 2010 veröffentlicht, aus denen ein marktgängiger Leerstand von 75.000 Wohnungen hervorgeht. Die tatsächliche Zahl liegt sicher oberhalb von 30.000, aber 63% wesentlich unter 75.000 Wohnungen. Eine seriöse Analyse ist vor Veröffentlichung des Zensus 2011 nicht vorhanden. Wie hoch auch immer der Leerstand tatsächlich sein mag, eine schnelle Marktgängigkeit jeder leerstehenden Wohnung würde relativ kurzfristig zu einer Erhöhung des Angebotes führen. Die Bestandsaktivierung im Rahmen einer energetischen Sanierung wird aktuell als weiterer Quelle: Mietpreistreiber diskutiert. Vielfach wird nach der Durchführung einer energetischen Sanie- F+B Forschung Wohnindex 2012 rung eine Neuvermietung durchgeführt, bei der die Miete aufgrund der Neuvermietung – nicht aufgrund der Sanierung – überproportional stark steigt. Bislang ist dies allerdings die einzige Möglichkeit des Vermieters, die Kosten einer Sanierung, die mit Hilfe der 11-prozentigen Mo- 12 | | 13
Wohnungspolitik in Berlin dernisierungsumlage nur sehr langfristig zurückfließen, kurzfristig hereinzuholen. Obwohl der Differenzierte Marktsituation in den Bezirken und Preissegmenten aktuelle Referentenentwurf für die Energiesparverordnung (ENEV) keine weitere Verschärfung Die Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum entwickelt sich sehr differenziert nach Lage und der Auflagen für die Bestandsanierungen vorsieht, ist das Gemisch aus gestiegenen energe- Preissegment. Während für das obere Preissegment nur ein leichter Nachfrageanstieg prognos- tischen, wirtschaftlichen und juristischen Anforderungen an die privaten Vermieter hoch. Im tiziert wird, wird ein stärkerer Nachfrageanstieg sowohl für Wohnungen des unteren als auch Umfeld einer insbesondere im innerstädtischen Bereich geführten Diskussion über „Verdrän- des mittleren Preissegmentes erwartet. gungssanierung“, führt dies aus unserer Sicht mindestens zu einer starken Verzögerung für den Prozess der „Marktgängigmachung“ von Mietwohnungen. Es ist davon auszugehen, dass ein Im unteren Preissegment (unter 5,00 EUR/m²) wird für die gesamte Stadt mit einem starken nicht unerheblicher Teil der Leerstände aufgrund der steigenden Anforderungen an Instandset- Anstieg der Nachfrage gerechnet, außer für den Bezirk Reinickendorf. In Neukölln, Steglitz- zung und Modernisierung zustandekommt. Dies führt vor allem bei Eigentümern mit mangeln- Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg wird ein eher moderater Anstieg der Nachfrage dem Eigenkapital dazu, dass Maßnahmen hinausgezögert werden. prognostiziert, während in den übrigen Bezirken mit einem weiterhin stärkeren Anstieg der Nachfrage gerechnet wird. Neuvermietung In der Stadt kommt es derzeit zu überdurchschnittlichen Steigerungen bei den Neuvermie- Im mittleren Preissegment (5,00 bis 7,00 EUR/m²) wird eine weiterhin stärkere Nachfrage tungsmieten. Berlin verzeichnet die zweitstärksten Zuwachsraten Deutschlands gleich hinter in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Steglitz-Zehlendorf, Hamburg. Allerdings auf weiterhin niedrigem Niveau. In Anbetracht der hohen Quote von Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Treptow-Köpenick und Spandau erwartet. Bedarfshaushalten in Berlin wird allerdings klar, dass eine relative Betrachtung allein der Miet- höhen nicht aussagekräftig ist. Im Vergleich zu München und Hamburg hat Berlin die höchste Im oberen Preissegment (über 7,00 EUR/m²) wird ein weiterer Nachfrageanstieg für Quote der Sozialwohnungsberechtigten und dies relativ gleichmäßig auf die Bezirke verteilt. Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln erwartet. In Steglitz-Zehlendorf wird mit gleich bleibender Nachfrage gerechnet. Für die übrigen Bezirke wird ein moderater Anstieg der Daher sind die Steigerungen im Jahr 2012 von durchschnittlich acht Prozent für die gesamte Nachfrage erwartet. Stadt und die teilweise 20–40-prozentigen Steigerungen in den Szenebezirken, Friedrichshain- Kreuzberg, im Norden Neuköllns und im Altbezirk Mitte für fast die Hälfte der Bestandsmieter in Berlin nur schwer zu kompensieren. Allerdings stellt sich insgesamt die Angebots- und Nachfragesituation in den Bezirken nach wie vor in einer sehr großen Breite dar. Weiterhin niedriges Neuvermietungsniveau in Berlin in Euro In fast allen Berliner Bezirken waren 2010 die Hälfte der Bewohner sozialwohnungsberechtigt Drittes Quartal 2012 in Prozent 15 80 70 12 68 12,20 66 60 64 64 61 62 60 56 55 50 52 53 9 9,10 40 44 6 6,50 30 20 3 Quelle: 10 Quelle: Senatsverwaltung für F+B Forschung Wohnindex 2012 Stadtentwicklung und Umwelt 0 0 München Hamburg Berlin Spandau Reinicken- Pankow Friedrh.- Mitte Charlbg.- Stegl.- Tempelh.- Neukölln Trept.- Marz.- Lichtg.- dorf Kreuzb. Wilmersd. Zehlend. Schöneb. Köpenick Hellersd. Hohenh. 14 | | 15
Wohnungspolitik in Berlin Die Nachfrage wird von folgenden Trends bestimmt: ist ein hoher Rückgang von Haushalten mit Transferleistungen zu verzeichnen, aber auch ein breiter Teil der Bevölkerung, die sogenannte Mittelschicht, findet dort immer weniger adäquate • starke Nachfrage nach kleinen, möglichst barrierearmen, Wohnungen (45–70 Quadratmeter) Wohnungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Mittelschicht in der Innenstadt bis zu für Singles oder alleinlebende Ältere 10,00 EUR/m² Miete zahlen könnte. • Nachfrageverschiebung hin zu Eigentum, Im Hinblick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung, die den Erhalt der sozialen Durchmischung • weitere Konzentration auf die „Szenebezirke“ im Osten wie Mitte, Prenzlauer Berg, und eine angemessene Wohnraumversorgung aller Bevölkerungsgruppen zum Ziel hat, schauen Friedrichshain-Kreuzberg und die etablierten Bezirke im Westen wie Charlottenburg und wir uns im Folgenden die „Player“ auf dem Wohnungsmarkt an. Wilmersdorf, • Erweiterung der „Szenebezirke“ um Neukölln und Wedding. Das Angebot in den Bezirken ist ebenfalls sehr unterschiedlich. In sechs von zwölf Berliner Bezirken werden in Standardlagen noch Wohnungen für unter 5,00 EUR/m² angeboten. In fünf weiteren Bezirken liegen die Einstiegsmieten zwischen 5,00 und 6,00 EUR/m², lediglich in Charlottenburg-Wilmersdorf muss man mindestens 6,00 EUR/m² in die Nettokaltmiete investieren. In den stark nachgefragten Bezirken wie Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Steglitz-Zehlendorf wurden bereits Mitte dieses Jahres ein Drittel der Wohnungen für über 8 EUR/m² angeboten. Mittlerweile betrifft dies auch Teile von Neukölln und Kreuzberg. In Mitte lag der Angebotspreis für einen Neubau durchschnittlich bei 11,30 EUR/m² nettokalt. Jede zehnte Neubauwohnung in Charlottenburg-Wilmersdorf und in Mitte wird mit 14 EUR/m² und mehr angeboten. Überproportionaler anstieg der angebotsmieten in der innenstadt 2007–2011 in Prozent Die Mietpreise in der Stadt sind wie folgt zu charakterisieren: • Die höchsten Angebotsmieten finden sich innerhalb des S-Bahn-Rings und fallen dann zu den Stadtrandlagen hin ab. • Innerhalb des S-Bahn-Rings finden sich jedoch auch noch einzelne Bereiche mit unter- durchschnittlichen Mietpreisen. Dies betrifft z. B. Abschnitte von Kreuzberg mit den Berei- chen Kottbusser Tor und Prinzenstraße, Moabit im Tiergarten oder den Wedding. Stadtweit werden rund 38 Prozent aller Wohnungen unter 6 EUR/m² Wohnfläche angeboten. • Insgesamt kann festgehalten werden, dass insbesondere in innerstädtischen Bereichen ein starkes Angebotsdefizit im unteren Preissegment herrscht. Besondere Dynamik der Innenstadtlage Die Nachfragesteigerung in den innerstädtischen Bereichen konzentriert sich vor allem auf bestimmte Innenstadtlagen. Diese Nachfragesteigerung ist wiederum maßgeblich durch eine hohe Zuwanderung von außerhalb geprägt, die mit einer hohen Kaufkraft versehen ist. Durch Quelle: Amt für Statistik Berlin- die Zuwächse mit hoher Kaufkraft steigen hier die Neuvertragsmieten besonders schnell. In der Brandenburg, F+B Forschung und folgenden Karte sind die violetten Bereiche, diejenigen mit einem Anstieg der Neuvertragsmie- Beratung für Wohnen; Berech- ten von mehr als 25 Prozent zwischen 2007 und 2011. Hier handelt es sich auch um die stark nungen und kartographische nachgefragten Gebiete Friedrichshain-Kreuzberg, Nord-Neukölln und Prenzlauer Berg. Die Darstellung der RegioKontext Spitzenmieten lagen 2012 in Neukölln bei 12,50 EUR/², in Friedrichshain-Kreuzberg bei 13,50 GmbH, in Anlehnung an den BBU EUR/m², in Pankow bei 15,00 EUR/m² und in Mitte bei 18,50 EUR/m². In diesen Bereichen Anstieg der Neuvertragsmieten zwischen 2007 und 2011 von mehr als 25 Prozent Marktmonitor 2012 16 | | 17
kapitel 4 Die wichtigsten Akteure auf dem Wohnungsmarkt und ihre Aktivitäten Die privaten Unternehmen Wohnungsunternehmen und Projektentwickler Von den entstandenen rund 4.500 Wohnungen in 2011 haben die Privaten rund 96 Prozent errichtet, also rund 4.300 Wohnungen. Für 2012 kann mit einer weiteren Steigerung bei den Privaten gerechnet werden. Allein bei den Projektentwicklern hat das Volumen im Wohnsegment in der Region Berlin- Potsdam erneut zugelegt. Mit einem Zuwachs von mehr als einer Million Quadratmeter auf 3,5 Millionen Quadratmeter, ist das Wachstum noch höher als im Vorjahr mit 500.000 Quadratme- ter für die Gesamtregion. Der überwiegende Teil wird in Berlin realisiert, nämlich 88 Prozent. Der Anteil der im Bau befindlichen Wohnungen, die von Privaten errichtet werden, ist in Berlin derzeit mit 70 Prozent an allen im Bau befindlichen Flächen enorm groß. Selbst klassische Gewerbeentwickler, wie Hoch Tief, etablieren sich im vorderen Bereich der Wohnentwickler. Im Bau befinden sich derzeit ca. eine Million Quadratmeter bei den Projektentwicklern in Berlin. 2013 wird mit der Fertigstellung von weiteren 750.000 Quadratmetern Wohnfläche gerechnet, die ebenfalls von privater Hand errichtet werden. Unterstellt man einen Durch- schnitt von 100 Quadratmeter pro Wohnung, dann werden in 2013 von den Privaten mindes- tens 7.500 Wohnungen fertiggestellt werden. rund eine Million Quadratmeter Wohnfläche sind dezeit in Bau, eine weitere Million in planung 2.000.000 1.988.737 1.500.000 1.508.764 1.000.000 1.053.117 1.036.130 (69,8 %) (52,1 %) 500.000 Quelle: Die Immobilienmärkte in der Metropolregion Berlin- Potsdam, TLG Immobilien, Bulwien 0 Gesa AG, Hochtief Solutions AG In Bau In Planung (bis 2016) Gesamt Anteil Wohnungsbau | 19
Wohnungspolitik in Berlin Genossenschaften, Wohnprojekte und Baugruppen Bedeutung. Die Mieten dürfen maximal um 15 Prozent in vier Jahren statt der sonst erlaubten Wohnungsgenossenschaften sind in Deutschland eine wichtige Komponente der Wohnraum- 20 Prozent in drei Jahren angehoben werden. Von den Modernisierungskosten dürfen nur noch versorgung. Sie sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die nutzer- und nicht gewinnorien- neun, nicht elf Prozent umgelegt werden. Die Durchschnittsmiete der städtischen Gesellschaf- tiert sind. „Bezahlbare“ Mieten und die dauerhafte Wohnsicherheit sind die Hauptargumente, ten liegt laut BBU zurzeit bei 5,04 EUR/m². wegen denen Mieter Mitglieder einer Genossenschaft, und damit auch Eigentümer, werden. Die Genossenschaften spielen für die Versorgung unterer und mittlerer Einkommensgruppen mit Für alle, die bereits Mieter der landeseigenen Gesellschaften sind, gilt eine Sozialklausel. Bei bezahlbarem Wohnraum eine besondere Rolle. Mietern mit niedrigen Einkommen, gemessen an den Bundeseinkommensgrenzen für Wohn- berechtigungsscheine, werden die Gesellschaften die Mieterhöhungen auf 30 Prozent des Wohnungsgenossenschaften haben aufgrund ihrer genossenschaftlichen Strukturen eine Haushaltsnettoeinkommens begrenzen, sofern der Wohnraum „angemessen“ ist. In besonderen besonders mietdämpfende Funktion in Bezug auf die Mietenentwicklung in Berlin. Die Grund- Härtefällen sollen individuelle Lösungen möglich sein. Für Empfänger von ALG II steigt die prinzipien einer Genossenschaft sind Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Miete höchstens bis zu dem Satz, den das Jobcenter übernimmt. Über die Angemessenheit Die Mieten bei den ca. 85 Wohnungsbaugenossenschaften betragen im Durchschnitt 4,74 der Wohnungsgröße (abhängig von der Anzahl der Familienmitglieder) sowie das tatsächliche EUR/m². Die Fluktuation in den 185.000 genossenschaftlichen Wohnungen ist mit 5,9 Prozent Einkommen aller Haushaltsmitglieder sind dann gegenüber der städtischen Gesellschaft Nach- vergleichsweise gering. Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) weise zu erbringen. liegt der Durchschnitt bei acht Prozent. Die Leerstandszahlen der Genossenschaften sind mit 1,5 Prozent ebenfalls niedriger, BBU-weit sind es 2,6 Prozent. Insgesamt investierten die Im Neubau Genossen in 2011 31 Millionen Euro in den Neubau. Alle BBU-Mitglieder zusammen kamen nur Die gebauten Wohnungen der letzten elf Jahre und die geplanten Neubauvorhaben der städti- auf 36 Millionen Euro. schen Wohnungsunternehmen stellen sich wie folgt dar: Weiter an Bedeutung gewinnen kleinere, aus Nachbarschaften entstehende Genossenschaften, Neubauaktivitäten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften von 2000–2011 Baugruppen und Wohnprojekte, die sich in bestimmten Quartieren, insbesondere für nachhal- tiges, ökologisches Bauen auch für die Erreichung besonderer sozialer Ziele einsetzen. gebaut davon verwertet als Eigentum entstandene Mietwohnungen Insgesamt kann von Genossenschaften oder vergleichbaren „Non-profit“-Unternehmen ein Degewo 313 228 85 wertvoller qualitativer Beitrag für das Wohnen in der Stadt geleistet werden, deren Größen- Gesobau 138 129 9 ordnungen für den sich abzeichnenden Neubedarf allerdings nicht zu erwarten sind. Gewobag 398 328 70 Howoge 211 211 Stadt und Land kein Neubau Die landeseigenen Wohnungsunternehmen WBM 293 74 219 Etwa 269.000 Wohnungen zählt der Bestand der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaf- Gesamt 1149 970 179 ten Degewo, Gewobag, Howoge, Stadt und Land, Gesobau und WBM. Alleiniger Eigentümer der Gesellschaften ist das Land Berlin. Über die Vermietungs- und Investitionstätigkeit der Woh- nungswirtschaft versucht Berlin einen gewissen Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen. Die Der geplante Neubau teilt sich wie folgt auf die Gesellschaften auf: Gesellschaften sollen Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung bereitstellen. Beson- Degewo 8 Bauvorhaben mit rund 700 Wohneinheiten ders auch für die Gruppen, die aus sozialen oder anderen Gründen keinen gleichberechtigten Gesobau 3 Neubauvorhaben mit rund 480 Wohneinheiten Zugang zum Wohnungsmarkt haben. Stadt u. Land 130 Neubauwohnungen Howoge 320 Neubauwohnungen Um Unterschiede in der Wohnraumversorgung im Berliner Osten und dem Westen auszuglei- WBM 2 Neubauvorhaben mit 117 Wohnungen chen, haben die städtischen Gesellschaften in den 1990er Jahren massiv in die Instandset- zung und auch teilweise in Neubauten investiert. Dafür mussten sie hohe Kredite aufnehmen. Insgesamt sind damit derzeit 1.747 Wohnungen bei den Städtischen in der Planung. Davon sind Seither verfolgen sie einen Kurs der wirtschaftlichen Konsolidierung und kundenorientierten für 2012 409 und für 2013 553 Wohnungen zur Fertigstellung geplant. Das sind jeweils ca. Modernisierung der Unternehmensstrukturen. fünf Prozent der mittlerweile notwendigen 10.000 Neubauwohnungen pro Jahr! Im Bestand: das „Bündnis für Mieten“ Der Senat und seine Wohnungspolitik Das Bündnis soll Mieter der sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften besser vor Verdrän- Federführend für das Thema Wohnungspolitik ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gung vornehmlich aus den begehrten Innenstadtlagen schützen, indem es unter anderem für und Umwelt, obgleich vor allem die Senatsverwaltung für Finanzen und die Bezirke mit Ihrer Haushalte mit niedrigen Einkommen eine Begrenzung der Kaltmiete auf 30 Prozent des Net- Planungshoheit die Liegenschafts- und Grundstückspolitik stark beeinflussen. Die bisherigen tohaushaltseinkommens garantiert. Auch bei Neuvertragsmieten gelten verlässliche Grenzen Initiativen der Senatsverwaltung im Rahmen einer Wohnungs- oder Wohnungsbaupolitik, für die Mietentwicklung – hier ist insbesondere der Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings von 20 | | 21
Kapitel 5 führten bislang noch zu keinem Mehrangebot von Wohnungen in der Stadt. Mit dem Beginn der Erarbeitung eines Stadtentwicklungsplanes Wohnen wurde jedoch ein erstes Signal ge- Ziele einer setzt. Erste Ergebnisse sollen allerdings erst Ende 2013 entwickelt sein. Wohnungspolitik für Berlin Als weitere Maßnahme zur Erhöhung der Neubauquote, soll der bestehende Baulückenkatalog Vor dem Hintergrund der weiterhin bestehenden Lücke zwischen Baufertigstellungen von ca. bis 2014 aktualisiert werden und im Internet neu abrufbar sein. Die Senatsverwaltung sieht im 4.500 Wohnungen in 2011 und den mittlerweile erforderlichen 10.000 Fertigstellungen pro Baulückenmanagement Potenzial für ca. 12.000 Wohnungen. Das Wohnbauflächenpotenzial Jahr – trotz gestiegener Preise – braucht es offenbar zusätzliche Anreize um Neubau und könnte in Projekten mit je 100 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und 25 Wohnungen in Bestandsaktivierungen zu erhöhen. Einfamilienhäusern genutzt werden, insgesamt könnten 70.000 Wohnungen errichtet werden. Eine Flächenaktivierung für den Wohnungsneubau wäre mit Hilfe von Baurechtschaffung im Um für die heutigen und die zukünftigen Berliner eine qualitativ und quantitativ angemessene Umfang von insgesamt 220.000 Wohnungen möglich. Als Ziel werden Neubauprojekte mit Wohnraumversorgung zu gewährleisten, muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen sozialer Mischung angegeben. schaffen. Um die Schaffung preiswerten Wohnraums in Berlin zu sichern, werden geeignete Grundstücke Es gilt: des Liegenschaftsfonds an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften direkt vergeben •• Neubau auf breiter Front, d. h. sowohl von Miet- als auch von Eigentumswohnungen zu werden. 70 Prozent der Grundstücke des Liegenschaftsfonds wurden bereits für den Woh- fördern. Jedes zusätzliche Angebot, auch im oberen Preissegment, entlastet den gesamten nungsneubau verkauft: In 2012 sind weitere 50 Grundstücke mit 183.000 Quadratmeter Ge- Wohnungsmarkt. schossfläche zum Verkauf vorgesehen, d. h. es könnten daraus ca. 1.900 Wohnungen zusätzlich entstehen. Allerdings liegen nur 23 Grundstücke in Mitte, die meisten liegen in Randbezirken •• Instrumente zur Steigerung des Wohnungsangebotes für Nachfrager des unteren wie Marzahn-Hellersdorf oder Treptow-Köpenick. Bis Ende 2013 sollen weitere Flächen für Preissegmentes zu entwickeln. nochmals 1.200 Wohneinheiten verkauft werden. Nur der kleinere Teil der Grundstücke liegt •• Anreize zur Verbesserung der Marktgängigkeit im Bestand zu ergreifen. allerdings im Innenstadtbereich. Im Zusammenhang mit dem vom Senat am 4. September 2012 verabschiedeten Bündnis für so- ziale Wohnungspolitik wurden bereits Grundstücke identifiziert, von denen nach erster Prüfung 18 als Sachwerteinlage an die Wohnungsbaugesellschaften vergeben werden sollen. Weitere Grundstücke werden von der Stadtentwicklungsverwaltung im Rahmen einer Bedarfsermitt- lung identifiziert. Die Direktvergabe an Genossenschaften ist angekündigt. Bisher ist allerdings keine Grundstücksüberschreibung erfolgt. Die Liste mit den potentiellen Grundstücken wird von den städtischen Wohnungsunternehmen derzeit analysiert. Weiterhin werden Eingriffe in den Wohnungsmarkt wie Zweckentfremdungs-Verbotsverord- nung und Milieuschutzsatzungen diskutiert. 22 | | 23
neun hanDlungseMpFehlungen FÜr eine Berliner Wohnungspolitik Mehr Wohnraum für die Stadt Die öffentliche Debatte über die Wohnungspolitik der Stadt wird bisher zu stark von der Sozialpolitik dominiert und zu wenig von den Wachstumschancen des Standortes. Die steigende Nachfrage und die dadurch steigenden Preise, werden bislang überwiegend im Sinne einer Verdrängung von Personen mit niedrigem Einkommen und Transferleistungsemp- fängern diskutiert. Es ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, dass es sich für Investoren wieder lohnt, Wohnungen zu bauen. Allerdings gelingt dies in Berlin vornehmlich an Stand- orten, an denen eine eindeutig zu beziffernde Nachfrage nach Quantität und Qualität und gleichzeitig auch ein überschaubarer Planungshorizont gegeben sind. Diese Projekte decken zunächst den Nachholbedarf der Stadt an mittlerem bis hochqualitativem Neubau ab und führen mit steigender Tendenz zur Eigentumsbildung, auch in der Hand von Berlinern. Wohnungsneubau für das untere Preissegment ist unter den derzeitigen wohnungsmarktwirt- schaftlichen Rahmenbedingungen und den gebotenen sozialen und ökologischen Standards nicht anzubieten. Die Preisuntergrenze für Neubau liegt derzeit bei 10 EUR/m², so dass es wei- terer marktwirtschaftlich orientierter Anreize bedarf, will man Wohnraum auch für das untere Preissegment, anbieten. Gemischtes Wohnen in der Stadt Ein gutes Investitionsklima für Investoren im Wohnungsbau auf der einen, und die Sicherung von preisgünstigem, modernem Wohnen in der Stadt und damit eine gesunde Durchmischung der Quartiere auf der anderen Seite zu schaffen, ist die Herausforderung für Berlin. Die privaten Investoren, die mit einem Anteil von 95 Prozent die maßgeblichen Akteure sind, benötigen marktwirtschaftliche Bedingungen, damit die Bauleistungen anhalten und die Fertigstellungen von Wohnungen kontinuierlich gehalten, bzw. noch gesteigert werden können. Die steigenden Mietpreise, die Wohnungsbauinvestitionen erst rentabel machen, sind für die unteren und mittleren Einkommensbezieher schwer zu kompensieren. Insbesondere die Mischung aus vielen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere in der Innenstadt, ist es aber, die Berlin deutlich von anderen Metropolen der Welt unterscheidet. Wichtige Branchen wie der Tourismus oder die IT- und Kreativwirtschaft, drängen gerade auch deshalb nach Berlin, weil es bislang gelingt, eine inspirierende Mischung auch in der Innenstadt zu halten. Berlin ist des- halb Anziehungspunkt von Zuzüglern aus dem Ausland, weil sie genau diese Mischung suchen und die Stadt damit wirtschaftlich voranbringen. Nicht nur aus sozialpolitischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen ist es daher notwendig, diesen Anpassungsprozess wohnungspo- litisch derart zu begleiten, dass es gelingt, die „Berliner Mischung“ zu erhalten. Dabei können die wohnungspolitisch relevanten Einkommensschichten im Wesentlichen drei Gruppen zugeordnet werden: a) die unteren Einkommensschichten, die sich nicht aus eigener Kraft mit Wohnraum versorgen können, b) die breiten Schichten der Bevölkerung, c) die einkommensstarken Bevölkerungsschichten. | 25
Wohnungspolitik in Berlin Die IHK Berlin geht von folgenden wohnungspolitischen Einordnungen aus: 2 | Nachbestückung und schnelle Grundstücksvergaben des Liegenschaftsfonds Zu a) Die Einkommensschichten, die von Transferleistungen abhängig sind und starken Zu- Die Vergabe aus dem Liegenschaftsfonds erfolgt bislang mit erheblicher Zeitverzögerung. Stadtpolitischen Mehrwert gangsbeschränkungen für Wohnraum unterliegen – also bedürftig sind – sollten auch weiterhin Von der Einreichung der Bewerbung um ein Grundstück bis zum Baubeginn dauert es unter klar definieren staatlich unterstützt und mit einer Wohnungsförderung versorgt werden. Leistungen aus der Umständen ein bis zwei Jahre. Der Prozess wird bis zur endgültigen Vergabe mit Vorbehal- Wohnaufwendungenverordnung (WAV), also ein direkter Zuschuss zur Miete oder die Zuweisung ten einer anderweitigen Vergabe gefahren, so dass der Investor bis zuletzt keine Planungs- Standortgenaue Priorisierung der einer günstigen Wohnung sind für diese Gruppe notwendig. Allerdings gilt hier der Grund- sicherheit hat und damit meist keinen Finanzierungsplan erarbeiten, bzw. einhalten kann. konkurrierenden Nutzungen satz einer Unterstützung für das Wohnen überhaupt und sie begründet kein Anrecht auf eine Wenn Berlin für Investoren attraktiv sein soll, muss es künftig deutlich schneller als bisher bestimmte Lage. möglich sein, die dafür notwendigen Grundstücke zu erwerben. Deshalb sollten die Verfah- ren gestrafft und mit Fristen belegt werden. Zu b) Die breiten Schichten der Bevölkerung mit durchschnittlichen Einkommen sollten auch zukünftig in Innenstadtlagen Wohnungen finden. Hier bedarf es zusätzlicher Wege, damit Durch eine detailliertere und schnellere Strukturierung der nicht benötigten Flächen der Be- bezahlbarer Wohnraum zwischen 8 und 10 EUR/m² für die Mittelschicht erhalten und auch zirke sollten die Grundstücksvergaben durch den Liegenschaftsfonds zu erhöhen sein. Das neu geschaffen wird. Verfahren der Entlassung aus dem Fachvermögen der Bezirke muss hierfür schnellstmöglich formuliert werden. Zu c) Die einkommensstarken Bevölkerungsschichten finden aufgrund der positiven Ent- wicklung beim Neubau in attraktiven Lagen sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen. Der Liegenschaftsfonds sollte die Vergabe stärker an eine vorher festgelegte Nutzung kop- Diese positive Entwicklung führt dazu, dass auch Berliner vermehrt Eigentum bilden. Die peln. Das heißt, „der stadtpolitische Mehrwert“ sollte konkret gefasst werden, z. B.: Eigentumsquote in Berlin liegt in Berlin derzeit noch bei 14 Prozent, während der Bundes- durchschnitt bei 43 Prozent liegt. Hier bedarf es keines Eingriffes in den Markt, wobei auch •• einen festgelegten Anteil an Wohnungsneubau zu vertraglich vereinbarten weiterhin gute Investitionsbedingungen gewährleistet sein müssen. Mieten beinhalten oder/und •• einen festgelegten Anteil an Wohnungsneubau für die Obergrenzen der Flächenpolitik Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV) festlegten oder/und •• eine geeignete Nutzungsmischung zwischen Gewerbe und Wohnen vorgegeben. 1 | Standorte für den Wohnungsbau identifizieren und zügig in den Markt geben Das heißt auch, dass die öffentliche Hand mögliche Anteile von Wohnen, Gewerbe oder auch Kultur für ein Bieterverfahren mit Bedingungen, vorher verlässlich festlegen muss. Flächenmanagement ist das Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat mit der Erarbeitung eines neu- Dann sollte eine für alle Eigentümergruppen offene, projektorientierte Grundstücksvergabe Eigenkapital für neuen Wohnraum en Stadtentwicklungsplanes Wohnen (STEP Wohnen) begonnen. Hier werden wohnungspoli- des Liegenschaftsfonds, ggf. über Konzeptwettbewerbe, durchgeführt werden. tische Leitlinien für einen Zeithorizont von 10–15 Jahren erarbeitet, die eine entsprechende Standortbenennung mit Nut- Orientierung für die Programmplanung geben. Durch die Einbeziehung der wichtigsten zungsarten und Zeitachsen Akteure auf dem Wohnungsmarkt wird sichergestellt, dass die Darstellung der Problemlage mit der Erarbeitung von Lösungen aus der Sicht aller Marktteilnehmer kombiniert wird. 3 | Einrichtung einer „Task Force“ für Wohnungsbau Ein „Monitoring“ von sinnvollen Standorten für den Wohnungsbau aus diesem Kreis, wird weiterhin dazu beitragen, dass eine erhöhte Transparenz der politischen Ziele für die Inves- Im Fokus der Wohnungsbaupolitik des Senates muss eine systematische Identifikation und Oberste Senatsebene toren zu verkürzten Planungszeiten führen wird. Wir empfehlen vor Veröffentlichung der Inventarisierung der möglichen Wohnbauareale stehen. Die Verfügbarkeit von Wohnbau- als „Kümmerer“ Ergebnisse des STEP Wohnen Ende 2013 bereits eine Potenzialkarte für Wohnungsstandorte grundstücken, auch der landeseigenen Gesellschaften, ist noch zu intransparent. in den Markt zu geben, um ein klares politisches Signal zu senden. Empfehlenswert wäre eine gleichzeitige Veröffentlichung von neuen Standorten mit der neuesten Bevölkerungs- Ein entscheidendes Instrument für mehr Transparenz und damit für schnellere Entschei- prognose des Landes Berlin. dungen über Grundstücksvergaben, sollte eine „Task Force Wohnungsneubau“ sein, die wie folgt auszustatten und durchzuführen wäre: Regelmäßige Gespräche einer künftigen „Task Beispiel: Auf dem Tempelhofer Feld, bereits als potentiell auszuweitender Wohnungss- Force“ sollten auf der obersten Senatsebene geführt werden. An diesen sollten Vertreter der tandort im Begleitkreis STEP Wohnen identifiziert, könnten landeseigene Flächen für den Finanzbehörde, des Liegenschaftsfonds, Bezirksvertreter und Vertreter der Wohnungswirt- Neubau von bereits eine Fläche für ca. 500 Wohnungen ausgewiesen werden. Im Bereich schaft und Maklerverbände teilnehmen. Im späteren Verlauf könnte die „Task Force“ auch der Oderstraße könnte für diese Wohnungen ausgewiesen werden und mit der existierenden Ansprechpartner für Investoren sein und bei verwaltungsinternen Problemen lenken. Es landeseigenen Entwicklungsgesellschaft ein Konzeptwettbewerb auf der Grundlage eines sollte in diesem Kreis eine Prüfung der kurz- und mittelfristig für Wohnungsbau geeigneten B-Planes ausgeschrieben werden. Grundstücke und Baulücken insbesondere auch der städtischen Wohnungsbaugesellschaf- 26 | | 27
Wohnungspolitik in Berlin ten durchgeführt und eindeutige Absprachen zur Bebauung, auch Bedarfe im Detail wie 5 | Stärkung der planenden Verwaltung z. B. Anteile an barrierearmen Mietwohnungen, getroffen werden. Eine gezielte Wohnungspolitik bedingt handlungsfähige Bezirke, die Planungsrecht schaffen Gewährleistung einer können. Der geplante weitere Abbau von insgesamt 1.400 Stellen in den Bezirken bringt quantitativ und qualitativ Die Eigentümer sollten aufgefordert werden, potentielle Wohnungsbaugrundstücke auf- einen weiteren Stellenabbau auch bei den planenden- und den Bauaufsichtsbehörden mit arbeitsfähigen Verwaltung zulisten und die Verwertungsabsichten mit Termin zu versehen. An die „Task Force“ könnte sich. In einigen Bezirken führt dies zum Abbau von rund einem Drittel des Personals in den sich jeder (potentielle) Bauherr auch von sich aus wenden. Ein aktualisierter und konti- bauenden Bereichen. Vor dem Hintergrund einer bereits jetzt quantitativ und qualitativ nuierlich wachsender „Baulückenkatalog“ mit den jeweiligen Verantwortlichkeiten, dem stark eingeschränkten Personaldecke ist unter diesen Bedingungen eine aktive Grund- Planungsstand und einer eindeutigen Zeitvorgabe für den Eigentümer/Bauherr sollte das stückspolitik nur begrenzt möglich. Ergebnis sein. Wir empfehlen die Wiedereinführung einer Fachaufsicht, die mit der Übernahme von Es ist nicht notwendig, eine neue Behörde oder Institution für die „Task Force“ zu schaf- Widerspruchsverfahren nicht nur die Bezirke entlastet, sondern der Tatsache Rechnung fen, vielmehr geht es darum, dass die oberste Senatsebene aktiv steuert. Daher ist für den trägt, dass die Bauplanung der Bezirke Auswirkungen auf die gesamte Stadtentwicklung Erfolg der „Task Force“ und damit für die Beschleunigung von Wohnungsbaumaßnahmen hat. Allein der quantitative Ansatz beim Thema Personal in der Verwaltung reicht nicht aus. das persönliche Engagement des Senators und die Übernahme von Verantwortung durch die Es sollten strukturelle Fragen beantwortet werden, wie z. B. welche Qualität und Ausstat- teilnehmenden Entscheidungsträger der Verwaltung entscheident. tung muss mindestens in der bauenden Verwaltung vorhanden sein, damit Teilaufgaben an Externe sinnvoll vergeben werden können. Eine Priorisierung der staatlich notwendigen Infrastruktur sollte generellen Personalabbau ersetzen. Moderne Verwaltung und Baurecht 4 | Baurecht modernisieren 6 | Keine Eingriffe in den Wohnungsmarkt Schnelles Baurecht Die Verfahrenserleichterungen der neuen Bauordnung wirken nur, wenn ein Bauvorhaben Trotz der stark erhöhten Nachfrage und den damit gestiegenen Miet- und Kaufpreisen hinkt 95 Prozent des Neubaus beschleunigt Wohnungsbau den Vorgaben des verbindlichen Baurechts entspricht. Während das Bauordnungsrecht mit die Neubautätigkeit weiterhin hinter den notwendigen Fertigstellungszahlen hinterher. Eine werden auch in Zukunft der letzten Novelle einen modernen Stand erreicht hat, ist das Bauplanungsrecht in Berlin weitere Einschränkung der potentiellen Erträge bei gleichzeitiger Übernahme der gestiege- von den Privaten gestemmt teilweise immer noch auf einem veralteten Stand. So gilt im größten Teil des westlichen nen Risiken bei der Finanzierung, den Anforderungen an die energetische Sanierung und der Berlins noch immer der Baunutzungsplan von 1958/61 als verbindliches Baurecht. Weil zögerlichen Vergabe von Grundstücken der öffentlichen Hand führt in keinem Fall zu einer Keine Fehlallokation durch darin die Geschossflächenzahl selbst für das dichteste Kerngebiet auf höchstens 1,5 fest- Steigerung der privaten Investitionen im Wohnungsbau insgesamt. Wird die Renditeerwar- Objektförderung gesetzt wurde, muss quasi jeder Bauherr für höhere Bauten eine Befreiung beantragen und tung, bzw. die Kostendeckung des Wohnungsneubaus nicht eingeschränkt, wird die bereits dafür hohe Gebühren entrichten. Die Pflicht, eine Befreiung von den veralteten Vorgaben zunehmende Neubautätigkeit weiterhin das Angebot erhöhen und damit mittel-bis langfris- des Baunutzungsplans zu beantragen, kann überdies von den Ämtern genutzt werden, um tig zu einer Preisberuhigung beitragen. Voraussetzung für das Erreichen des notwendigen unerwünschte Bauvorhaben zu blockieren. Neubauvolumens ist, neben der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse, der Verzicht auf die Einführung von investitionshemmenden Reglementierungen. Das be- Deshalb gilt es, den Baunutzungsplan von 1958/61 für den Berliner Westteil durch aktuelles trifft z. B. Mietvorgaben im sozialen Wohnungsbau, Mietbegrenzungen bei Neuvermietun- verbindliches Baurecht zu ersetzen. Außerdem ist die sukzessive Aufstellung neuer Bebau- gen, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Umwandlungsverbote bei Mietwohnungen ungspläne mit realistischen Festsetzungen zu beschleunigen, sowohl für bebaute, als auch sowie die extensive Ausweitung von Milieuschutzsatzungen. Nicht zu vergessen, dass neue für brachliegende Flächen. Reglementierungen, die ohnehin angespannte Personalsituation weiter verschlechtern. So müssten allein für die Durchführung einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung Zusätzlich weist auch das Baunebenrecht ein großes Modernisierungspotenzial auf. 3,5 Mitarbeiter pro Bezirk eingeplant werden. Beispiel: In § 19 des Berliner Landeswaldgesetzes von 2004 ist geregelt, dass die Errichtung von Ebenso falsch wäre es, insbesondere nach dem kostspieligen Ein- und Ausstieg in die Gebäuden und Anlagen in einem Abstand von weniger als 100 Metern vom Wald, die mit der Objektförderung mit den entsprechenden Fehlallokationen, erneut in die Richtung eines Errichtung einer Feuerstätte verbunden sind, der vorherigen Genehmigung der Behörde Berli- sozialen Wohnungsbaus zu gehen. ner Forsten bedarf. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Bayern, existiert eine solche Regelung nicht. In manchen Fällen muss eine Entlassungsgebühr aus dem Forststatus entrichtet werden, weil in der Nähe des Grundstückes einige Bäume vorhanden sind. 28 | | 29
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