Berliner Journal N 3 Die Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund im Jahre 2015 - Staatsministerium Baden ...
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2 Rück- und Ausblick Bereits im dritten Jahr legt die Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund nunmehr ihr „Berliner Journal“ vor. Der lebhafte Zuspruch auf die ersten beiden Ausgaben war Ansporn, auch für 2015 einer breiteren Leserschaft im Lande und der Bundeshauptstadt das vor Augen zu führen, was sich in diesem Jahr in dem weißen Haus am Tiergarten abgespielt hat. RICHTUNG LANDESVERTRETUNG 4.0 Inzwischen haben wir über die E-Book-Ausgabe des Berliner Journals hinaus bereits weitere Informationskanäle in die digitale Welt erschlossen. In der Woche nach jeder Bundesratssitzung informieren wir außerdem mit einem Newsletter über aktuelle Entwicklungen. Nachdem auch die Nutzung unserer Angebote bei Facebook immer Peter Friedrich Minister für Bundesrat, Europa und mehr zugenommen hat, können sich jetzt Interessenten zusätzlich mit einer App über internationale Angelegenheiten Landesvertretung und Land informieren und mit uns in Kontakt bleiben. Angeboten werden den über 40.000 Besuchern des Hauses unmittelbar über das Smartphone zugängliche – visuelle und akustische – Informationen zu Aufgaben, Gebäude und Peter Friedrich Ausstattung der Landesvertretung. Berlinbesuchern steht nunmehr auch ein digitaler Minister für Bundesrat, Europa und Stadtplan mit Orten, die sich mit Persönlichkeiten aus dem Lande - Politikern, internationale Angelegenheiten Schriftstellern, Künstlern - verbinden, zur Verfügung. NICHT NUR EIN JAHR DES KRISENMANAGEMENTS Über die laufende Gesetzgebungsarbeit hinaus war das Jahr politisch durch fortwäh- rende Krisenbewältigung gekennzeichnet. Auf die griechische Schuldenkrise folgten die gewaltigen Herausforderungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, die uns noch lange beschäftigen werden. Zwei Jahrestage markierten 2015 bedeutsame historische Ereignisse: Vor 70 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende und vor 25 Jahren kam es zum Beitritt der Neuen Länder. Aus diesem Anlass hat mit Joachim Gauck zum ersten Mal ein Bundes- präsident im Bundesrat gesprochen und dabei die Leistungen des deutschen Föderal- ismus gewürdigt. Angesichts der Maßnahmen im Hinblick auf die griechische Schuldenkrise, die in- ternationalen Migrationsbewegungen und den internationalen Terrorismus dürfen zahlreiche andere bedeutsame Vorhaben nicht übersehen werden. Von nicht zu unter- schätzender Bedeutung war die Einigung der Regierungschefinnen und Regierungs- chefs der Länder Anfang Dezember über eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen.
3 Aber auch in anderen Politikbereichen kam es zu wichtigen Festlegungen. Schwierige ethische Fragen zu diskutieren waren im Zusammenhang mit der künftigen Regelung der Sterbehilfe. Zahlreiche Vorhaben der Energiepolitik konnten zum Abschluss gebracht werden. Für die Verkehrspolitik der Länder wichtig war die Klärung der Zukunft der Regionalisierungsmittel. In Konsequenz von Erkenntnissen der NSU -Untersuchungsausschüsse wurde die Zusammenarbeit der Verfassungsschutz- behörden verbessert. Ein wichtiger Schritt zur Sicherung zentraler Infrastrukturen war das IT-Sicherheitsgesetz. Sozialpolitisch hervorzuheben sind Reformen der Pflege- versicherung und der Krankenhausversorgung. Für den Sport wurde mit der Doping- bekämpfung endlich ein wichtiges Thema angegangen. Das Jahr 2015 hat erneut gezeigt, dass wir insbesondere auf europäischer Ebene vor großen Herausforderungen stehen. Seien es die noch nicht endgültig überstandene Schuldenkrise, die Notwendigkeit einer europäischen Migrations- und Flüchtlingspoli- tik oder hinsichtlich der britischen Forderungen einer EU -Reform. Zu einer Vielzahl dieser Themen weiter ausgebaut wurden 2015 die politischen Fach- veranstaltungen. Einen Schwerpunkt bildete dabei die Diskussion über das transatlan- tische Handelsabkommen T T IP. Fortgeführt wurden auch Veranstaltungen zu Fragen des Föderalismus sowie zu aktuellen Initiativen der Ressorts. „WIR TREFFEN UNS IN DER LANDESVERTRETUNG“ Höhepunkt der politischen Sommerfeste in Berlin ist weiterhin die „Stallwächterparty“, die dieses Jahr unter dem Motto „GlobalDigital“ Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelt in leichter Weise zum Gegenstand hatte. Es wurden Roboter eingesetzt und es wurde in den sozialen Netzwerken kommentiert, es wurde Molekularküche gereicht und mit 3-D-Druckern gedruckt. Fortgesetzt wurden die Veranstaltungen zu Persönlichkeiten aus Baden-Württemberg mit Abenden über den Hitler-Attentäter Georg Elser aus Königsbronn, den Vater der „Kritischen Theorie“ Max Horkheimer aus Stuttgart sowie den Hollywood-Pionier Carl Laemmle aus Laupheim. Immer wieder besondere Botschaften verbunden waren mit den Konzerten der Landesvertretung, so die Vorstellung des Internationalen Harfenwettbewerbs anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. Viel Beifall bekam auch die für Berlin „maßgeschneiderte“ Friedrich-Hollaender-Revue einer Gesangsklasse der Musikhochschule Karlsruhe sowie der Jazz-Pionier Wolfgang Dauner.
4 Die Präsentation des Werks einer bedeutenden Baden-Württembergerin, der Fotografin Barbara Klemm, wurde verbunden mit Erinnerungen an den legendären Fotojour- nalisten der Weimarer Republik Erich Salomon, dessen Elternhaus auf dem Areal der Landesvertretung stand. Bereits eine feste Einrichtung geworden ist der „Donausalon“, bei dem aktuelle politi- sche Themen der regionalen Zusammenarbeit behandelt sowie den Botschaften der Anrainerstaaten Möglichkeiten der kulturellen und kulinarischen Präsentation gege- ben werden. Partnerland des diesjährigen Donausalons war Rumänien, 2016 soll die Republik Serbien folgen. Ebenfalls schon eine Tradition ist die Veranstaltung zur 48er Revolution in Südwest- deutschland am Vorabend des 18. März, an dem in Berlin an die revolutionären Ereignisse in Preußen erinnert wird. 2015 ging es um den Balinger Revolutionär und Fabrikanten Gottlieb Rau, dieses Jahr folgt Maximilian Dortu, der als preußischer Hilfswilliger der badischen Revolutionsstreitmacht in Freiburg erschossen wurde. Auf Anregung des verstorbenen Tübinger Regierungspräsidenten Hermann Strampfer verfügt die Landesvertretung nunmehr über einen Raum „Schwäbische Alb“, der an- lässlich des diesjährigen Landsleutetreffens, bei dem das Biosphärenreservat Schwäbische Alb im Mittelpunkt stand, eingeweiht wurde. Weiter ausgebaut wurden die Beziehungen zu den diplomatischen Vertretungen in Berlin. Besondere Aufmerksamkeit gefunden hat die Rückgabe einer antiken Statue der Hindu-Göttin „Durga“, die vor Jahren in Indien geraubt und über den New Yorker Kunsthandel in das Stuttgarter Linden-Museum gekommen war, an den indischen Botschafter, der ein „Nachbar“ der Landesvertretung ist. Mit dieser Statue wurde ein besonderer Akzent auch beim folgenden offiziellen Besuch der Bundeskanzlerin in Indien gesetzt. Das Jahr 2015 war von ganz besonderen Herausforderungen an die Bundespolitik gekennzeichnet. Die Landesvertretung mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat sich dabei engagiert für die Interessen des Landes eingesetzt. Ihr architektonisch bedeutsames Gebäude am Berliner Tiergarten war wieder ein besonderer Anziehungs- punkt für Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, aus Kunst, Kultur und Wissenschaft. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Gestatten, Ihr Peter Friedrich.
5 2 Rück- und Ausblick Richtung Landesvertretung 4.0 Nicht nur ein Jahr des Krisenmanagements „Wir treffen uns in der Landesvertretung“ 10 Die bundespolitische Bilanz 10 Baden-Württemberg und der Bundesrat Der deutsche Föderalismus Aufgaben des Bundesrats, Aufgaben der Länder Für Baden-Württemberg im Bundesrat Aktuelle Mehrheitsverhältnisse 2015 im Bundesrat E-Government Impulse aus Baden-Württemberg Schwerpunkt Asyl- und Flüchtlingspolitik Nicht nur ein Jubiläum, aber eine Premiere 16 Bundespolitische Schwerpunkte 16 Asyl- und Flüchtlingspolitik 18 Finanzen Nationale Steuerpolitik Internationale Regelungen gegen Steuerflucht Bankenunion 20 Wirtschaft Industrie 4.0 Existenzgründer und Wagniskapital 21 Kultus, Jugend und Sport Mittel des Bundes-Betreuungsgelds für die Länder Bessere Förderung von beruflichen Aufstiegsfortbildungen Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport 22 Wissenschaft, Forschung und Kunst Nach den Weichenstellungen Wissenschaftlicher Nachwuchs und Kulturgutschutz im Zentrum Europäische Gesetzgebung im Bundesrat – Bundesrat kritisiert Forschungskürzungen Gesundheitsgesetzgebung und andere Gesetzgebungsverfahren berühren den Wissenschaftsbereich 24 Inneres IT-Sicherheitsgesetz Verbesserung der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes Verlängerung der Regelungen zur Terrorbekämpfung 25 Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Fracking-Gesetzespaket liegt auf Eis Energiepaket: Vom Strommarkt bis zum Netzausbau 27 Arbeit und Soziales, Familie und Gesundheit Tarifeinheitsgesetz Mehr Frauen in Führungspositionen Besserer Schutz für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Verbesserung der stationären und ambulanten medizinischen Versorgung Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff Ausbau des Hospiz- und Palliativangebots in Deutschland
6 30 Ländlicher Raum, Verbraucherschutz Breitband-Offensive 4.0 Jagd- und Wildtiermanagementgesetz Natur Natur sein lassen 32 Justiz Sterbehilfe Vorratsdatenspeicherung Abwicklung der staatlichen Notariate in Baden-Württemberg 34 Verkehr und Infrastruktur Erhöhung der Regionalisierungsmittel Förderung von Elektromobilität Schutz vor Fluglärm verbessern 35 Integration Öffnung der Integrationskurse Verbesserungen für langjährig Geduldete Anerkennung von Berufsqualifikationen Europäische Verantwortungsteilung 37 Europäische Angelegenheiten 38 Ständige Vertragskommission 39 Das „Haus Baden-Württemberg“ im Jahr 2015 39 „Gestatten, Baden-Württemberg. Landesvertretung in Berlin.“ „Kurs Südwest“ – Der Baden-Württemberger-Kompass für Berlin Besucherfilm „So funktioniert Landespolitik“ „Gestatten, sie ist da.“ Kontakt zur Landesvertretung über die App Beteiligung an „Berlin leuchtet“ 42 Informationsarbeit – analog und digital Neuer Newsletter Informationsreisen für Journalistinnen und Journalisten Pressearbeit rund um den Bundesrat 44 Treffpunkt Landesvertretung Unser Konzept 45 Höhepunkte des Veranstaltungsjahres „GlobalDigital – Stallwächterparty 4.0“ Nacht der „Süddeutschen Zeitung“ Jahresempfang der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen 300 Jahre Karlsruhe in Berlin 50 Politische Fachveranstaltungen Breitband-Offensive 4.0 „Nationalpark Schwarzwald – eine Spur wilder“ Justizministerkonferenz Wärmewende in Baden-Württemberg – ein Vorbild für den Bund? Entscheidende Impulse für das Wertstoffgesetz des Bundes Modernes E-Government – Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten Arbeitswelt 4.0 – Leben und „Schaffen“ im digitalen Zeitalter „Gestatten, Gründerland.“ Wagniskapital im Land der Tüftler Medienlandschaft im Umbruch: Hetze, Hass und mediale Parallelgesellschaften – Schattenseiten der Digitalisierung „3. Sommerakademie“ Plattform für die Digitalisierung der Energiewende Vernetzte Mobilität – Autonomes Fahren Flüchtlinge in Arbeit Internationale Fachkonferenz zu Verschleppung und Zwangsverheiratung
7 63 Besondere Formate Wirtschaftsgespräche am Tiergarten „Machen Sie doch Ihre Mittagspause in Baden-Württemberg“ ZEIT MUSIK BW „Gestatten, lächle Berliner!“ Eine Friedrich Hollaender-Revue Internationaler Harfenwettbewerb – Der „Harfenolymp“ „Gestatten, Jazz talks.“ Konzert mit DAU NER //DAU NER und Alexandra Lehmler PROFILE SÜDW E ST Georg Elser – Allein gegen Hitler „Gestatten, kritischer Theoretiker.“ Max Horkheimer – Kritische Theorie zu Fragen der Zeit 68 Veranstaltungen – so vielfältig wie das Land „Darüber lacht die Republik – Friedrich-Ebert und ‚seine‘ Reichskanzler in der Karikatur“ Berlinale – Die Filmwelt zu Gast in der Landesvertretung „Gestatten, für das Volk.“ Gottlieb Rau – Revolutionär der Freiheit „Gestatten, von d’r Alb ra!“ Landsleutetreffen 2015 Fraktionsübergreifendes Spargelessen Know-How-Transfer: Wirtschaftsjunioren treffen Abgeordnete Hauptstadtjournalisten zu Gast Weltliga für Freiheit und Demokratie Bundestagsverwaltung besucht Landesvertretung Traditionelles Künstlertreffen Weltmusik trifft Weltstadt „Alle Kinder dieser Welt“ Baden-Württemberg goes Hollywood – Effektvolle Filme aus dem Südwesten Ausstellung „ZEITSPRU NG – Erich Salomon. Barbara Klemm.“ „Gestatten, kultig-schwäbisch.“ Bühne frei für große Kleinkunst aus Baden-Württemberg Autorenlesung „Die Berlinreise“ mit Hanns-Josef Ortheil „Gestatten, best aus Südwest.“ – Spitzenweine aus Baden und Württemberg Die Stadt Lahr stiftet unseren Weihnachtsbaum „Gestatten, Göttlich.“ Eine fotografische Gegenüberstellung 80 Auf diplomatischem Parkett Botschafter-Gespräche Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Internationale Veranstaltungen und Besuche „3. Donausalon“ Duale Bildung im Donauraum Übergabe der Statue der Hindu-Göttin „Durga“ an Indien 85 Ein offenes Haus für Alle 86 Zimmer mit Aussicht am Tiergarten 88 Innenleben Raum „Schwäbische Alb“ im Gästehaus Soziales Engagement „Lebendiges Leitbild“ Ausbildungsbetrieb Landesvertretung Begehrte Praktika Gesund am Arbeitsplatz Umweltfreundliche Dienstfahrzeuge Aus dem Gästebuch
10 Die bundespolitische Bilanz Baden-Württemberg und der Bundesrat Der deutsche Föderalismus Deutschland blickt auf eine lange Geschichte föderaler Traditionen und Strukturen zurück. Unser Land wurde dadurch sehr bereichert und nachdrücklich geprägt. Die in Deutschland vorhandene Vielfalt zum Beispiel auf den Gebieten der Wirtschaft und Kultur sucht ihresgleichen. Zeiten des Zentralismus sind den Deutschen in der Vergan genheit dagegen nicht gut bekommen. 2015 war das Jahr der Jubiläen: 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, 25. Jahrestag der Wiedervereinigung und 25 Jahre – 16 Länder. Nach dem Mauerfall herrschte sehr schnell Einigkeit, dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in An- knüpfung an das föderale Erbe fünf Länder entstehen sollten. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, in dem die 16 Länder Staatsqualität besitzen. Die Kompetenz zur Gesetzgebung steht den Ländern zu, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zu- weist. Die wichtigsten Politikfelder, die der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder unterliegen, sind das Kommunalrecht, das Bauordnungsrecht, das Polizeirecht sowie die Kulturhoheit. Letztere umfasst das Schul- und Hochschulwesen, die Förderung von Kunst und Wissenschaft sowie die gesetzlichen Regelungen für Presse, Radio und Fernsehen. Die Länder gestalten im Bundesrat die Politik auf Bundesebene mit. Das regelt Artikel 50 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.“ Sie tragen also auch Verantwortung für den Gesamtstaat im nationalen wie im europäischen Rahmen. Der Auftrag des Grundgesetzes ist Grund- lage der baden-württembergischen Aktivitäten im Bundesrat. Die Landesregierung bedient sich dazu der Vertretung des Landes Baden-Württemberg als „Außenposten“ in der Bundeshauptstadt. Aufgaben des Bundesrats, Aufgaben der Länder Von besonderem Gewicht ist die Mitwirkung des Bundesrates im Gesetzgebungsver- fahren. Alle Bundesgesetze müssen dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt werden, aber nicht alle Bundesgesetze bedürfen seiner Zustimmung. Gesetze, die etwa die Finanzen, die Verwaltungshoheit der Länder oder das Grundgesetz betreffen, können nur mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten. Gesetze, die nicht der Zustim- mung bedürfen (Einspruchsgesetze), können auch gegen den Willen des Bundesrates zustande kommen, wenn der Deutsche Bundestag mit der vom Grundgesetz vorgese- henen Mehrheit einen Einspruch des Bundesrates überstimmt. Der Bundesrat kann auch selbst die Gesetzesinitiative ergreifen und eigene Gesetzent- würfe auf den Weg bringen, wovon er regelmäßig Gebrauch macht.
Die bundespolitische Bilanz 11 Baden-Württemberg und der Bundesrat Von großer Bedeutung ist auch die Mitwirkung des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union. Seine Rechte reichen von einem umfassenden Informati- onsanspruch über die Möglichkeit, Stellungnahmen zu allen EU -Vorlagen abzugeben, die Länderinteressen berühren, bis zur Entsendung von Vertretern in den Rat. Weiter wählt der Bundesrat die Hälfte der Verfassungsrichter in Karlsruhe. Ziel der Arbeit der Landesvertretung ist es, die baden-württembergischen Interessen bei der Gestaltung der Bundespolitik und der Gesetzgebung einzubringen und der bundespolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Für Baden-Württemberg im Bundesrat Der Bundesrat ist ein „Parlament der Länderregierungen“. Nur wer in einer Landesre- gierung Sitz und Stimme hat, kann Mitglied des Bundesrates sein. Im Bundesrat ha- ben die Länder ein abgestuftes Stimmengewicht. Von den insgesamt 69 Stimmen ent- fallen entsprechend den im Grundgesetz geregelten Einwohnergrenzen auf Baden-Württemberg sechs Stimmen. Baden-Württemberg hat damit gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen die höchstmögliche Stimmenzahl. Da die einzelnen Länder im Bundesrat ihre Stimmen nur einheitlich abgeben können, müssen sich die Landesregierungen zuvor über ihr Stimmverhalten einigen. Für die Abgabe der Stimmen im Plenum genügt dann die Anwesenheit eines Bundesrats mitglieds aus jedem Land. Als Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund vertritt Minister Peter Friedrich die Belange des Südwestens in der Bundeshauptstadt. Er stimmt für das Land im Bundesrat ab. Der Bevollmächtigte ist Mitglied im Ständigen Beirat des Bundesrates. Ähnlich wie der Ältestenrat anderer Parlamente ist dieses Gremium beratend für den Präsidenten und das Präsidium des Bundesrates tätig. Darüber hin- aus trägt der Ständige Beirat dazu bei, die Verbindung zwischen Bundesrat und Bundesregierung aufrecht zu erhalten. Zudem ist Minister Peter Friedrich Vorsitzender des EU -Ausschusses des Bundesrates. Die große Bedeutung bundespolitischer Themen für Baden-Württemberg wird auch durch eine hohe Präsenz der Angehörigen der Landesregierung in den Sitzungen des Bundesrates deutlich. Ministerpräsident Winfried Kretschmann nimmt regelmäßig an den Bundesratssitzungen teil und auch die Ministerinnen und Minister sind häufig in Berlin präsent, wenn Themen aus ihren Fachbereichen anstehen. Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrates am 17. Dezember © Bundesrat, Frank Bräuer
12 Die bundespolitische Bilanz Baden-Württemberg und der Bundesrat Aktuelle Mehrheitsverhältnisse Für Beschlüsse des Bundesrates ist immer mindestens die absolute Mehrheit von 35 Stimmen erforderlich. Die große Koalition auf Bundesebene hat keine eigene Mehr- heit im Bundesrat. Ihr entsprechen derzeit 24 Stimmen. Für das Zustandekommen insbesondere von Zustimmungsgesetzen werden daher auch Stimmen von Ländern benötigt, an deren Regierungen Parteien beteiligt sind, die im Deutschen Bundestag zur Opposition gehören. In den letzten Jahren ist festzustellen, dass die Zusammenset- zung der sich im Bundesrat abbildenden Landesregierungen vielfältiger geworden ist. Alleinregierungen sind die absolute Ausnahme. Die SPD ist in 14 Landesregierungen vertreten und stellt neun Regierungschefinnen und -chefs. Die GRÜ NEN sind an neun Landesregierungen beteiligt und stellen einen Regierungschef. CDU und CSU regieren in sieben Ländern und stellen fünf Regierungschefinnen und -chefs und schließlich ist die LINK E an zwei Landesregierungen beteiligt und stellt einen Regie- rungschef. Im Jahr 2016 stehen in fünf Ländern Landtagswahlen an. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden dann auch über 21 Stimmen im Bundesrat. Trotz der sich unterscheidenden Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat wurden wie schon im Jahr 2014 auch im Jahr 2015 alle Gesetzesbeschlüsse des Bundes- tages vom Bundesrat gebilligt, in einem Fall nach einem Verfahren im Vermittlungs- ausschuss, dass mit einem Kompromiss beendet werden konnte (Regionalisierungs gesetz). Dies zeigt, dass die Länder erneut verantwortungsvoll und im Bewusstsein der Bedürfnisse des Gesamtstaates im Bundesrat agiert haben.
Die bundespolitische Bilanz 13 Baden-Württemberg und der Bundesrat 2015 im Bundesrat Energiewende, Mietenpolitik oder Krankenhausstrukturreform – der Bundesrat hat auch 2015 viele wichtige Themen beraten. Dabei haben die Länder ihre Akzente im Rahmen der Gesetzgebung gesetzt und durch eigene Initiativen wichtige Impulse gegeben. Im Rahmen der elf Bundesratssitzungen sowie der vorbereitenden Ausschusssitzungen wurde wie in den vorangegangenen Jahren ein großes Arbeitspensum absolviert. Zu insgesamt 534 Vorlagen hat der Bundesrat Beschlüsse gefasst. Zu diesen Vorlagen zähl- ten 131 Gesetzesbeschlüsse des Deutschen Bundestages, die vom Bundesrat gebilligt worden sind. Von den Ländern wurden im Jahr 2015 insgesamt 96 Initiativen einge- bracht – sowohl Gesetzentwürfe und Entschließungen als auch Verordnungsentwürfe. E-Government Der Bundesrat in der Landesvertretung wird elektronisch. Im Mai gab es den Start- schuss für ein ganz besonderes Projekt. Die Arbeit mit den sehr umfangreichen Schriftstücken des Bundesrates wurde mit der Software V IS -Bundesrat in eine neue Ära gebracht. Nun können alle Beauftragten der Ministerien und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundesratsreferat die Schriftstücke elektronisch verwalten und prozessgesteuert verarbeiten.
14 Die bundespolitische Bilanz Baden-Württemberg und der Bundesrat Impulse aus Baden-Württemberg Baden-Württemberg hat in den zurückliegenden zwölf Monaten 14 Initiativen allein oder gemeinsam mit anderen Ländern in den Bundesrat eingebracht. Große Auf- merksamkeit erhielt ein gemeinsam mit anderen rot-grünen Ländern eingebrachter Gesetzentwurf zur „Ehe für alle“. Darin wird eine völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe gefordert. Eine Mehrheit der Länder rief den Bundestag auf, noch bestehende Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden. Befeuert wurde die deutsche Debatte vom klaren Votum der Iren für die Gleichstellung Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von Ehe und homosexuellen Lebenspartnerschaften. Bundesregierung und Bundestag hat sich ohne Wenn und Aber für die gleich sind dieser Forderung bislang nicht gefolgt. Es wurden lediglich die gesetzlichen Ände- geschlechtliche Eheschließung ausgesprochen. © Bundesrat, Frank Bräuer rungen verabschiedet, die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben wurden, unter anderem im Adoptionsrecht. Weitere Initiativen hat Baden-Württemberg zum Beispiel zur Förderung von Wind- kraftanlagen, zur Bekämpfung von Fluglärm sowie zur Gentechnik in den Bundesrat eingebracht. Schwerpunkt Asyl- und Flüchtlingspolitik Kein Thema hat uns in den letzten Monaten mehr bewegt als die Flüchtlings- und Asylpolitik. Das trifft natürlich auch für die Beratungen der Länderkammer zu. Seit dem Frühjahr gab es keine Sitzung, in der nicht auch dieses Thema auf der Tages- ordnung stand bzw. das dominierende Thema war. Regierungsentwürfe, in Gesetze gegossene Beschlüsse der Regierungschefinnen und -chefs der Länder und der Bundes- kanzlerin, Entschließungen der Länder, Verordnungen und auch mehrere Mitteilungen der EU -Kommission waren Anlass für umfangreiche Beratungen in den Ausschüssen und ausführliche, teils kontroverse, Debatten im Plenum. In vielerlei Hinsicht bedurfte und bedarf es weiterhin einer zügigen Gesetzgebung – sei es um die Voraussetzung zu schaffen, möglichst rasch neue Unterkünfte zu bauen, sei es um die Asylbewerber schneller erfassen zu können. Insofern stellt die Krise auch die parlamentarische Arbeit immer wieder vor besondere Herausforderungen. Nicht nur ein Jubiläum, aber eine Premiere 70 Jahre Kriegsende: Mahnung für alle Zeit Am 8. Mai haben Bundestag und Bundesrat in einer gemeinsamen Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Gedenkrede zum 70. Jahrestag hielt der Historiker Heinrich August Winkler. Er erinnerte an den Philosophen Ernst Cassirer. Gerade angesichts „beklemmender Aktualität“ mahnten die Worte Cassirers „die eigentliche Lehre der deutschen Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 zu beherzigen: die Verpflichtung, unter allen Umständen die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen zu achten.“ Zum Abschluss der Gedenkstunde betonte Bundes- ratspräsident Volker Bouffier, der 8. Mai 1945 verpflichte dazu, sich immer wieder deutlich zu machen, „dass in Deutschland kein Platz für diejenigen ist, die die Demo- kratie bekämpfen oder die Menschenrechte missachten.“
Die bundespolitische Bilanz 15 Baden-Württemberg und der Bundesrat 25 Jahre Deutsche Einheit Wie jedes Jahr werden die Feiern zum Jahrestag in dem Land ausgetragen, das den Vorsitz im Bundesrat innehat. Im Jahr 2015 war es das Land Hessen. 25 Jahre nach der Deutschen Einheit hatte der Bundesrat besonderen Besuch. Mit Joachim Gauck sprach erstmals ein Bundespräsident in der Länderkammer. Anlass war die 25. Wiederkehr der ersten Sitzung des Bundesrates mit 16 Ländern. In seiner Rede bekräftigte er den deutschen Föderalismus, der sich trotz mancher Kritik bewährt „großes, hoch offizielles Dankeschön… habe. Föderalismus sei ein großes Laboratorium, also eine Versuchsanstalt, in der in an die Gemeinschaft der Sechzehn“ produktiver Konkurrenz die beste Lösung für ein Problem gesucht werden kann. Der © Bundesrat, Henning Schacht Bundesrat habe viele Vorurteile in Bezug auf seine Arbeit widerlegt. So zum Beispiel in der Finanzkrise, als die Länderkammer sich als handlungsfähig erwiesen habe. Von Blockadehaltung oder Trägheit sei damals keine Spur gewesen. „Trotz ständig anste- hender Wahlen zeigten sich die Vertreter der Länder konstruktiv und es herrschte eine sachbezogene Atmosphäre“, so der Bundespräsident. Am 9. November 1990 hatten die Vertreter der fünf neuen Länder erstmals an einer Bundesratssitzung – der aus diesem Anlass auch in Berlin tagte, allerdings in der Kongresshalle – teilgenommen. Bundesratspräsident war damals Hamburgs Erster Bürgermeister Henning Voscherau. Der Bundesrat seit 1990: Aus 45 wurden 69 Stimmen Ebenfalls vor 25 Jahren – genauer gesagt mit dem Einigungsvertrag, der am 3. Okto- ber 1990 in Kraft trat, änderte sich auch die Stimmenverteilung im Bundesrat. Zuvor zählte die Ländervertretung insgesamt 45 Mitglieder bzw. Stimmen. Entsprechend der Einwohnerzahlen waren die alten Länder mit mindestens drei und maximal fünf Stimmen vertreten. Die vier großen Länder hatten von nun an jeweils sechs Stimmen, damit eine Verfassungsänderung gegen ihren Willen nicht möglich ist. Die Abstufung beim Stimmengewicht – maximal sechs, mindestens drei – ist eine Besonderheit, eine Mischung aus bundesstaatlichem Gleichheitsprinzip und demokratischem Repräsen- tationserfordernis. Sie ist übrigens, noch ein Jubiläum, 200 Jahre alt. Der Bundestag im Deutschen Bund, 1815 gegründet und Vorgänger des Bundesrats, hatte in seinem Plenum eine solche Abstufung nach Größe. Es waren damals, kleiner Zufall, ebenfalls 69 Stimmen.
16 Bundespolitische Schwerpunkte Asyl- und Flüchtlingspolitik Der stark ansteigende Zuzug von Asylsuchenden und die damit verbundenen Heraus forderungen für Länder und Kommunen setzten das Thema Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 an die Spitze der bundespolitischen Agenda. Baden-Württemberg spielte in den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über tragfähige Lösungen eine konstruktive und gestaltende Rolle. Die Landesvertretung war stets eng miteinbezogen, wenn die Flüchtlingsgipfel zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vorbereitet und wenn deren Ergebnisse anschließend in Form von Gesetzen in Bundesrat und Bundestag beraten wurden. In den Verhandlungen der Ministerpräsidentenkonferenz wurde erreicht, dass sich der Bund an Kosten der Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden beteiligt. Die Länder erhalten zu diesem Zweck Mittel aus der Umsatzsteuer – und zwar schnel- ler und in höherem Umfang, als zunächst vereinbart. Ab dem Jahr 2016 erfolgt die finanzielle Unterstützung des Bundes nicht mehr als einmalige Pauschalsumme, son- dern dauerhaft und abhängig von den tatsächlichen Asylbewerberzahlen. Der Bund stellt zudem für die Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern Immo- bilien zur Verfügung und kommt für deren Herrichtung auf. Neben dem Ausgleich finanzieller Interessen galt es, unterschiedliche politische Positi- onen zu überbrücken und Blockaden zu vermeiden. Bei Kompromisspaketen wie dem „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“ hat sich Baden-Württemberg dafür einge- setzt, dass aufenthaltsrechtliche Veränderungen gegenüber Asylbewerberinnen und Asylbewerbern aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote mit Integrationsmaß- nahmen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter Bleiberechtsperspektive verbunden wurden. Die Ausweitung der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ ging einher mit einer Regelung, die Personen aus den Westbalkanstaaten neue Möglichkeiten für legale Arbeitsmigration eröffnet. Leistungsbeschränkungen zur Vermeidung von Fehlanreizen hat Baden-Württemberg mitgetragen und zugleich darauf geachtet, dass sich diese in einem verfassungsrechtlich vertretbaren Rahmen bewegen. Zudem wurde erreicht, dass der Vorrang von Sachleistungen in der Erstaufnahme nicht zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen darf. Mitgetragen hat Baden- Württemberg zudem Neuregelungen zur schnellen Schaffung von Flüchtlingsunter- künften. Von bestimmten umwelt- und bauplanungsrechtlichen Standards darf dabei abgewichen werden.
Bundespolitische Schwerpunkte 17 Asyl- und Flüchtlingspolitik Ein mehrfach vorgetragenes Anliegen von Baden-Württemberg ist ein sicherer Aufent- halt für die Ausbildung. Hier ließ sich im Jahr 2015 ein Teilerfolg erzielen. Im Rahmen des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung erfolgte eine Klarstellung, dass Duldungen zur Aufnahme einer Ausbildung erteilt werden können und bis zum Abschluss verlängert werden sollen. Nicht durchsetzen konnte sich das Land mit seiner Forderung einer gesetzlichen Frist von drei Monaten für die Bearbeitung von Asylanträgen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BA MF ). Das Drängen der Länder auf schnellere Verfah- ren hat jedoch dazu beigetragen, dass die Personalstellen des BA MF deutlich erhöht wurden. Die gemeinsame Suche nach praktischen Lösungen prägt inzwischen die flüchtlings- politischen Gespräche zwischen Bund und Ländern. Wie können Verfahren, an denen unterschiedliche Stellen beteiligt sind, besser aufeinander abgestimmt werden? Zu diesen Diskussionen gibt die Landesvertretung auch durch Veranstaltungen und Fachrunden Impulse. So wurden am Beispiel Mannheims neue Wege der Registrie- rung von Asylbewerbern vorgestellt und am Beispiel des Landesprogramms „Chancen gestalten“ Maßnahmen zur Integration in Arbeit diskutiert.
18 Bundespolitische Schwerpunkte Finanzen Im Bereich Finanzen begleitet und koordiniert die Landesvertretung alle steuer- und finanzmarktpolitischen Gesetzgebungsverfahren, die Haushaltsaufstellung des Bundes sowie die Rettungsmaßnahmen im Rahmen der Finanzmarktkrise. Besonderes Au- genmerk gilt dabei der haushalterischen Betroffenheit des Landes. Dieses Arbeitsfeld nimmt damit weit verzweigte Aufgaben wahr. Nationale Steuerpolitik Die Steuergesetzgebung des Bundes war im Jahr 2015 insbesondere durch die Beratun- gen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 geprägt. Das Gericht hat Änderungen an den bisher geltenden Regeln unter anderem zur Verschonungskonzeption für Unternehmensvermögen und zu einigen verfassungswidrigen Detailregelungen angemahnt. Eine Neuregelung soll bis zum 30. Juni 2016 verabschiedet werden. Für unser Land ist das Gesetz aufgrund der erheblichen Auswirkungen für den besonders ausgeprägten Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen von großer Bedeutung und wird auch von den hiesigen Unternehmen und ihren Verbänden aufmerksam begleitet. In den Beratungen zum Gesetzentwurf konnte das Land Forderungen nach einer mitarbeiterbezogenen Lohnsummenregelung für kleine Unternehmen, eine Erhöhung der Schwellenwerte bei der Bedürfnisprüfung und die Einführung eines Abschmelzmodells durchsetzen. Da der Gesetzentwurf sowohl auf Bundesebene als auch zwischen den Ländern stark um- stritten ist, ist nicht absehbar, wann das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wird. Baden-Württemberg hat sich ebenfalls für die weitere Umsetzung der Forderungen des Bundesrates aus dem Zollkodex-Anpassungsgesetz im Rahmen des Steueränderungs gesetzes 2015 eingesetzt, so für die Schließung von Lücken im Umwandlungssteuerge- setz. Wirtschaftspolitisch wurden durch Änderungen des Investitionsabzugsbetrages Investitionsanreize sowie Bürokratieentlastungen für die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen im Land geschaffen. Zudem hat der Bund eine von Baden- Württemberg im Bundesrat geforderte Anhebung des Entlastungsbetrags für Allein- erziehende im Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags aufgegriffen.
Bundespolitische Schwerpunkte 19 Finanzen Internationale Regelungen gegen Steuerflucht Auch in diesem Jahr begleitete die Landesvertretung die internationalen Vorhaben zur Schließung von Steuerschlupflöchern weiter. So wurde die nationale Umsetzung der Verpflichtungen aus der letztjährigen Vereinbarung verschiedener Staaten zum Austausch von Konto- und Steuerdaten durch die Gesetzentwürfe zur mehrseitigen Vereinbarung über den automatischen Austausch von Informationen über Finanz- konten sowie zum Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen begrüßt. Dementsprechend hat das Land über eine Bundesratsstellungnahme ebenfalls die Vorschläge der EU -Kommission zu einer fairen und effizienten Unternehmens besteuerung in der Europäischen Union (Fünf Aktionsschwerpunkte) befürwortet. Bankenunion Darüber hinaus hat das Land auch im Jahr 2015 weiterhin an der Umsetzungsgesetz gebung zur Bankenunion mitgewirkt. Beim Abwicklungsmechanismusgesetz hat es sich gegen eine Regelung ausgesprochen, die im Falle einer Insolvenz von Kreditinsti- tuten bestimmte unbesicherte Schuldtitel nachrangig gegenüber anderen Verbindlich- keiten erklärt hätte, um negative Folgen für die mittelständisch geprägte Wirtschaft des Landes zu vermeiden. Bei der Umsetzung der Restrukturierungsfonds-Verordnung hat sich das Land dafür stark gemacht, kleine und mittlere Banken nicht höher zu be- lasten als nach der bislang geltenden deutschen Bankenabgabe. Somit konnte erreicht werden, dass Institute mit einer geringen Bilanzsumme, wie die im Land in großer Zahl bestehenden Genossenschaftsbanken und Sparkassen, nur einen kleinen pauscha- len Beitrag zur Bankenabgabe leisten müssen.
20 Bundespolitische Schwerpunkte Wirtschaft Industrie 4.0 Die Wirtschaft steht an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution. Durch das Internet getrieben, wachsen reale und virtuelle Welt zu einem Internet der Dinge zu- sammen. Baden-Württemberg ist dabei Vorreiter. Rund ein Drittel aller 200 bundes weit erfassten Anwendungsbeispiele kommen aus Baden-Württemberg. Im Auftrag der Wirtschaftsministerkonferenz ist das Land im Strategiekreis der im April auf der Hannover Messe durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mitbegründeten bundesweiten Plattform Industrie 4.0 vertreten. Da sich das Thema aber (noch) nicht in konkreten Gesetzgebungsverfahren niederschlägt, bringt Baden-Württemberg sein Know-how und seine Interessen beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftsminister- konferenz, in einzelnen Beschlüssen des Bundesrates und durch zahlreiche Hinter- grundgespräche mit Bundesministerien und im Deutschen Bundestag ein. Wichtiger Schwerpunkt dabei ist die Berücksichtigung der Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer digital-vernetzten Zukunft. Existenzgründer und Wagniskapital „Schaffe, schaffe, Start-Up baue.“ Baden-Württemberg, das Land der Tüftler und Erfinder, ist Spitzenreiter bei Patentanmeldungen und damit die innovativste Region Europas. Die Existenzgründer von heute sind der Mittelstand von morgen. Baden- Württemberg hat daher Maßnahmen wie die Steuerbefreiung des IN V EST-Zuschusses für Wagniskapital und die Steuerbegünstigung des „Carried Interest“, der besonderen Tätigkeitsvergütung für Initiatoren eines Wagniskapitalfonds unterstützt, und damit zu Rahmenbedingungen beigetragen, die den Wagniskapitalstandort Deutschland attraktiver machen. Dabei gilt es, diese Förderinstrumente so auszugestalten, dass kei- ne kreativen Steuergestaltungsmöglichkeiten entstehen. Als einziges Land mit einem gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftsministerium kommt Baden-Württemberg dabei eine besondere und ausgleichende Rolle zu. Darüber hinaus haben gerade junge, inno- vative Unternehmen einen erheblichen Finanzierungsbedarf im Bereich von Forschung und Entwicklung, der vor allem durch Wagniskapital abgedeckt werden muss. Baden- Württemberg hat sich dabei wiederholt für eine steuerliche Förderung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung stark gemacht. Darüber hinaus pflegt die Landesvertretung auch unmittelbare Kontakte mit Grün- derinnen und Gründern. Im September mit der Gruppe „#bawuekommt2015“ und im November mit einer Delegation von Start-Ups – vom biomolekularen Kopierer bis zu innovativem Spätzleteig – die auf Initiative des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft und mit Unterstützung des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungs- gesellschaften zu einem Investor-Meeting in der Hauptstadt gastierten. Da die Bun- desregierung nach der Sommerpause ein Eckpunktepapier zum Thema Wagniskapital verabschiedet hatte, bot sich in der Landesvertretung die ideale Gelegenheit für die Start-Ups, um für ihre Innovationen zu werben und die politischen Rahmenbedingun- gen mit Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern aus Politik und Verwal- tung unmittelbar zu diskutieren.
Bundespolitische Schwerpunkte 21 Kultus, Jugend und Sport Zu den Herausforderungen des Bildungssystems, darunter der Ausbau der frühkind lichen Bildungsangebote, die Umsetzung der Inklusion und die Ganztagsentwicklung kommt mit der Integration der jungen Flüchtlinge in unsere Kitas und Schulen eine weitere große Aufgabe dazu. Die Landesregierung reagiert darauf und hat zusätzliche Lehrerstellen geschaffen, zum Beispiel für Vorbereitungsklassen an den allgemein bildenden und beruflichen Schulen. Deutlich mehr Mittel gibt es auch für die Sprach förderung in Kitas. Die genannten Herausforderungen erfordern erhebliche Ressour- cen und die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die Landesregierung setzt sich weiter für ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes ein – unter Wahrung der föderalen Kompetenzordnung. Mittel des Bundes-Betreuungsgelds für die Länder Baden-Württemberg hat sich gemeinsam mit den anderen Ländern erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Mittel des Betreuungsgeldes des Bundes, das vom Bundesverfas- sungsgericht gekippt wurde, den Ländern überlassen werden. Sie können die Mittel somit gezielt zur weiteren Verbesserung der Kinderbetreuungsangebote einsetzen. Auf Baden-Württemberg entfallen bis 2018 rund 258 Mio. Euro. Bessere Förderung von beruflichen Aufstiegsfortbildungen Die berufliche Aufstiegsfortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt ist ein wichtiger Baustein, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern – gerade für Baden- Württemberg als starken Wirtschaftsstandort. Die Landesregierung begrüßt es deshalb, dass der Bund zu Ende des Jahres 2015 einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Aufstiegsfortbildungsgesetzes (sog. Meister-Bafög) auf den Weg gebracht hat. Dessen Ziel ist es, mögliche Hemmschwellen für Fortbildungsinteressierte abzubauen, zum Beispiel durch eine höhere Förderung bei den Unterhalts-, Lehrgangs- und Prüfungs- kosten. Gleichzeitig soll das Meister-Bafög künftig auch für Hochschulabsolventen mit Bachelor-Abschluss offen stehen und damit den Weg von der akademischen Bildung in die berufliche Bildung durchlässiger machen. Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport Der Sport hat eine herausragende gesellschaftliche Bedeutung. Jedoch wird der sport liche Wettbewerb immer wieder von Dopingfällen erschüttert und dadurch in sei- ner Glaubwürdigkeit geschwächt. Baden-Württemberg hat sich deshalb bereits im Jahr 2013 im Bundesrat dafür eingesetzt, die Maßnahmen des organisierten Sports im Kampf gegen Doping durch strafrechtliche Maßnahmen seitens des Staats zu ergänzen. 2015 haben dann Bundestag und Bundesrat mit Unterstützung Baden-Württembergs das Anti-Doping-Gesetz verabschiedet. Damit werden erstmals dopende Spitzensport- lerinnen und -sportler erfasst. Sie müssen künftig mit einer Haftstrafe rechnen, wenn sie des Dopings überführt werden. Strafwürdig ist auch schon der Erwerb und Besitz von geringen Mengen an Dopingmitteln.
22 Bundespolitische Schwerpunkte Wissenschaft, Forschung und Kunst Die Landesregierung tritt dafür ein, die Hochschul- und Forschungslandschaft, die in ihrer Breite, Vielfalt und Qualität weltweit Anerkennung genießt, zu stärken und notwendige Freiräume zu schaffen. Wissenschaft, Forschung und Bildung sind das Fundament der Zukunft unseres Landes. Die Landesregierung setzt auf starke und handlungsfähige Wissenschaftseinrichtungen, die Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft übernehmen. Daneben sind Kunst und Kultur ebenfalls wichtige Orte der Freiheit, der Reflexion und der Erneuerung, die es zu erhalten und zu stärken gilt. Nach den Weichenstellungen Das Jahr 2015 war geprägt von Diskussionen über die Umsetzung von grundlegen- den Weichenstellungen, die Ende 2014 vorgenommen wurden – unter anderem die Änderung des Art. 91b Grundgesetz, die BA föG-Reform wie auch die Beschlüsse zur Fortführung des Hochschulpaktes, des Paktes für Forschung und Innovation sowie der Exzellenzinitiative nach 2017. Insbesondere die Frage nach der wissenschaftspoliti- schen Rolle des reformierten Grundgesetzartikels Art. 91b sowie die Fortführung der Exzellenzinitiative werden voraussichtlich auch im kommenden Jahr noch von großer Aktualität bleiben. Wissenschaftlicher Nachwuchs und Kulturgutschutz im Zentrum Das Jahr 2015 war daneben von zahlreichen gesetzlichen Neuregelungen geprägt, die un- oder mittelbar Wissenschaft, Forschung und Kunst betrafen – wobei insbesondere das Thema der Verbesserung der Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nach- wuchses eine prominente Rolle auf dem Feld der Wissenschafts- und Forschungs politik einnahm. Dies betrifft vor allem das zurzeit anhängige Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das bereits seit Jahren vieldis- kutiertes Thema im parlamentarischen Raum ist, sowie laufende Beratungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern zu einem Nachwuch- sprogramm für bessere Beschäftigungsmöglichkeiten. Weitere wesentliche Gesetzge- bungsverfahren waren das Hochschulstatistikgesetz sowie, im Bereich der Kunst, das Kulturgutschutzgesetz, die beide zurzeit noch nicht abgeschlossen sind. Europäische Gesetzgebung im Bundesrat – Bundesrat kritisiert Forschungskürzungen Der Bundesrat beschäftigte sich insbesondere auf Initiative Baden-Württembergs in der ersten Jahreshälfte mehrfach mit den Kürzungen des EU -Forschungsrahmen- programms Horizont 2020 um mehr als zwei Milliarden Euro zugunsten des Eu- ropäischen Fonds für strategische Investitionen. Angeregt von Baden-Württemberg kritisierte der Bundesrat die Kürzungen in dem für die Zukunft der EU wesentlichen Bereich der Forschungsförderung. Ebenfalls nahm der Bundesrat zu den EU -Plänen zum Digitalen Binnenmarkt Stellung, wovon zahlreiche Politikbereiche betroffen sind. Der Bundesrat fasste auch hier eine umfassende Stellungnahme. Zudem gab das Land zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung eine Protokollerklärung zu Aus- nahmen für den Forschungs- und Wissenschaftsbereich ab.
Bundespolitische Schwerpunkte 23 Wissenschaft, Forschung und Kunst Gesundheitsgesetzgebung und andere Gesetzgebungsverfahren berühren den Wissenschaftsbereich Daneben waren es aber auch gesetzliche Neuregelungen aus anderen Bereichen, deren Konsequenzen für Wissenschaft und Forschung in dem Politikfeld für langwierige Diskussionen sorgten, wie zum Beispiel im Gesundheitsbereich das Gesetz zur Stär- kung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GK V-Versorgungs stärkungsgesetz) und das Gesetzes zur Reform der Strukturen der Kranken- hausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz), wo jeweils die Uniklinika und Hochschulambulanzen des Landes betroffen waren, deren Interessen von den Ländern über den Bundesrat in das Gesetzgebungsverfahren eingespeist wurden. Ein weiteres Beispiel ist die im März im Bundesrat beratene Verordnung zur Änderung der Fre- quenzverordnung, die unter anderem Auswirkungen auf den Kulturbereich hat, sowie das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz.
24 Bundespolitische Schwerpunkte Inneres Sicherheit und Teilhabe sind das Fundament einer freiheitlichen, pluralistischen Gesellschaft. Der Gewährleistung dieser Grundwerte vor dem Hintergrund aktueller internationaler Krisen, wachsender Flüchtlingszahlen und der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus gerecht zu werden, ist und bleibt ein zentrales Anliegen der Landesregierung. IT-Sicherheitsgesetz Der Bundesrat hat am 10. Juli das Gesetz der Bundesregierung zur Erhöhung der Sicher- heit informationstechnischer Systeme gebilligt. Das Gesetz regelt unter anderem, dass Betreiber sogenannter „kritischer Infrastrukturen“ – wie zum Beispiel Einrich tungen der Energieversorgung oder des Gesundheitswesens – ein Mindestniveau an IT-Sicherheit einhalten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informations technik (BSI ) IT-Sicherheitsvorfälle melden müssen. Tun sie dies nicht, droht ihnen entsprechend der beschlossenen Änderung ein Bußgeld. Ebenfalls neu eingefügt wurde in das Gesetz eine Evaluierung nach vier Jahren. Gleichzeitig werden Hard- und Software-Hersteller zur Mitwirkung bei der Beseitigung von Sicherheitslücken verpflichtet. Außerdem wird der Aufgabenbereich BSI nochmals erweitert. Verbesserung der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes Am 25. September hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes zugestimmt. Damit ist ein intensiver Abstimmungsprozess zwischen Bund und Ländern erfolgreich zu Ende gegangen. Das Gesetz setzt den Prozess zur Reform des Verfassungsschutzes auch entsprechend den Empfehlungen des ersten NSU -Untersuchungsausschusses des Deut- schen Bundestages legislativ um. Mit der Gesetzesreform soll die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund mit den Ländern verbessert, die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz deutlich gestärkt sowie die Bestimmungen zum Einsatz von V-Leuten in der extremistischen Szene konkretisiert und umfassender als bisher geregelt werden. Verlängerung der Regelungen zur Terrorbekämpfung Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. November beschlossen, den Weg zur Ver- längerung befristeter Regelungen zur Terrorismusbekämpfung frei zu machen. Zuvor hatte die Bundesregierung das Inkrafttreten zweier Artikel ihrer Gesetzesvorlage um zwei Monate verschoben und damit einer Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Gesetzentwurf Rechnung getragen. Bei den Vorschriften zur Bekämpfung des Terro- rismus geht es im Wesentlichen um nachrichtendienstliche Befugnisse zur Einholung von Auskünften bei Luftfahrtunternehmen, Kreditinstituten und Telekommunika- tionsdiensten. Die Regelungen wurden hauptsächlich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeführt und sollen nun bis zum Jahr 2021 weiter in Kraft bleiben.
Bundespolitische Schwerpunkte 25 Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Fracking-Gesetzespaket liegt auf Eis Die Pläne der Bundesregierung, die Erdgasfördermethode Fracking in Deutschland gesetzlich strenger zu regeln und die Förderung unkonventionellen Erdgases oberhalb von 3.000 Metern Tiefe zu verbieten, sind unter den Ländern, den Regierungskoaliti- onen sowie den Fachexperten hoch umstritten. Sichtbar wurden die Kritikpunkte bei der öffentlichen Anhörung Anfang Juni im Umweltausschuss des Deutschen Bundes- tags. Die Sachverständigen der Natur- und Umweltschutzverbände forderten beispiels- weise ein generelles Verbot des sogenannten unkonventionellen Frackings in Schiefer-, Ton- oder Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Metern sowie deutlich strengere Rege- lungen für Fracking in konventionellen Lagerstätten. Baden-Württemberg hatte sich ebenfalls aktiv in die Diskussion eingebracht. Für die Landesregierung stand dabei die Sicherheit von Mensch und Umwelt an oberster Stelle. Angesichts der Risiken, die aktuell in ihrer Tragweite noch gar nicht absehbar seien und auch nicht bewertet werden könnten, lehnte sie den Einsatz der Frackingmethode zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus unkonventionellen Lager- stätten unter Einsatz umwelttoxischer Substanzen ab. Dieses Fracking sei generell zu verbieten. Es gehe darum, auf den Einsatz einer Technologie, die auf die Verwendung von umwelttoxischen Stoffen angewiesen ist, zu verzichten, soweit und solange die Technikfolgen für den Menschen und auf die Umweltgüter nicht geklärt seien. Das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag ruht seit dem Sommer auf Grund dieser und anderer Bedenken. Energiepaket: Vom Strommarkt bis zum Netzausbau In der 2. Jahreshälfte befassten sich der Bundesrat und der Bundestag mit zahlreichen energiepolitischen Vorhaben der Bundesregierung, die insbesondere für Baden- Württemberg eine hervorgehobene Rolle hatten, denn nach dem endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie muss Energie nun schrittweise in anderen Formen erzeugt und die Energieeffizienz signifikant gesteigert werden. Gerade in Baden-Württemberg ist die Abhängigkeit in der Stromproduktion von der Kernenergie hoch und der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde lange vernachlässigt. Seit der Energiewende verfolgt das Land jedoch ehrgeizige Ziele. Bis zum Jahr 2050 sollen 50 Prozent des Energie- verbrauchs eingespart werden (im Vergleich zu 2010), 80 Prozent der Energie soll aus erneuerbaren Quellen stammen und die energiebedingten CO 2 -Emissionen sollen um 90 Prozent sinken (im Vergleich zu 1990). Deswegen sind die im Jahr 2015 diskutierten Rahmenbedingungen für das Land von besonderer Bedeutung. Mit dem Gesetzent- wurf zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz) sollten Rahmenbe- dingungen geschaffen werden, um die Stromversorgung kosteneffizient und umwelt- verträglich weiterzuentwickeln sowie die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Hier setzte sich das Land insbesondere für Instrumente zur Erschließung von Nachfrage flexibilitäten und den Neubau von Kraftwerken ein. Mit dem Gesetz zur Änderung
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