Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de

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2020

               Ruanda Revue
Ruanda Revue                                                                          AUSGABE 01/2020

               J O U R N A L D E R PA RT N E R S C H A F T R H E I N L A N D - P FA L Z / R UA N DA

                                          Partnerschaft
                                              gestalten
                                          TITELTHEMA                   CORONA               AUSTAUSCH
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I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

                                                                                       Neues aus dem
                                                                                       Vereinsleben in Landau........................ 25
Blick auf eine                                                                                                                                               Erste Regionalkonferenz
Partnerschaft im Wandel ................................... 3                          Augenhöhe – eine Grundlage                                            in Trier ........................................................................ 41
                                                                                       der Partnerschaft im Visier.................. 27
Neue Wege in der                                                                                                                                             Neue Mitarbeiter im
Partnerschaft? ......................................................... 6             Rund 3.000 Euro                                                       Koordinationsbüro in Kigali........................... 42
                                                                                       Spendenerlös für Kigina! ..................... 29
Wohin des Weges,                                                                                                                                             Erzbischof Dr. Antoine Kambanda
Jumelage? ................................................................... 9        Ruanda-Aktionstag                                                     zu Besuch in Mainz ............................................ 44
                                                                                       in Neuwied .................................................. 30
Partnerschaft im Blickpunkt .........................12                                                                                                      Süd-Nord Reverse Programm ........................ 45
                                                                                       SUGIRA Netzwerk Treffen 2019
Corona Spendenaufruf ...................................14                             in Landau ...................................................... 31   Die Berufsausbildung
                                                                                                                                                             wird es richten ...................................................... 47
Ein Corona-Brief....................................................16                 Ruandische Studierende
                                                                                       fördern Globales Lernen ....................... 33                    Korruptionsbekämpfung –
Erste Premium-Wanderwege .......................18                                                                                                           Wieso sie in Ruanda funktioniert ............... 49
                                                                                       Unsere Verbundenheit zum
Frühkindliche Entwicklung                                                              Partnerland Ruanda ................................ 34                Teeanbau fördert Entwicklung
in Kirehe ....................................................................20                                                                             auf dem Land ....................................................... 50
                                                                                       Aktiv für Kinderrechte –
Zum achten Mal                                                                         HHN e.V. feiert 30. Geburtstag! ......... 36                          Revue passieren lassen….............................. 52
„Sports-for-Peace“-Workshop .....................21
                                                                                       Im Portrait:                                                          Zu guter Letzt....................................................... 54
Meine Erfahrungen mit dem                                                              Elisabeth Eminger .................................... 38
Management-Programm ............................. 23                                                                                                         Impressum ............................................................. 55

                                                                   48                                                                                                                                                       50
                                                                                                                                         37
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                              Blick auf eine
                         Partnerschaft im Wandel
                                         Text und Fotos von Prof. Dr. Volker Wilhelmi,
          Geographisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Stefan-George Gymnasium Bingen

Die Partnerschaft zwischen Ruanda und
Rheinland-Pfalz besteht seit fast vier Jahr-
zehnten. Sie wird als sogenannte Gras-
wurzelpartnerschaft dezentral angelegt
und gelebt. So bestehen Partnerschaf-
ten zwischen Kommunen, Institutionen,
Verbänden, Schulen und Pfarreien. Sie
genießt noch immer bei der ruandischen
Bevölkerung – gerade auf dem Land –
großes Ansehen und Anerkennung. In
Deutschland gilt das Modell der Graswur-
zelpartnerschaft als Vorbild für Länder-
partnerschaften. Ruanda entwickelt sich
in rasantem Tempo mit eigenen Vorstel-
lungen über seinen Weg, die Gesellschaft
in Rheinland-Pfalz hat sich auch verän-
dert. So ist heute der Blick auf Länder
des Südens wie umgekehrt ein anderer
geworden. Die Herausforderungen an
eine lebendige Partnerschaft sind damit        Ruanda verstehen gelernt von meinem Freund Jacques Nshimyumukiza.
sehr hoch, will sie in ihrer Wirkung weiter-
hin Bestand haben.                             Hochhäusern für Dienstleister wie Banken
                                               und Versicherungen floriert, modernste
Der Blick auf Ruanda heute                     Technologien der dezentralen Energie-
Ruandas Entwicklung in den letzten 25          versorgung, Kommunikation und Mobili-
Jahren ist atemberaubend, ausgehend            tät werden von Kigali aus im ganzen Land
von einem zerstörten Land hin zu einem         systematisch verbreitet und installiert. Die
dynamischen Entwicklungsland auf dem           Versorgung von Gesundheitszentren in
Weg zum Schwellenland. Die Geschwin-           entlegenen Distrikten mit Blutkonserven
digkeit des Aufstiegs führt, wie in vielen     und Medikamenten erfolgt revolutionär
Entwicklungsländern – und hier vor allem       mit Hilfe von Drohnen. Entwicklungshil-
den Nachbarländern Uganda, Kenia               fe wird von Ruanda zunehmend kritisch
und Tansania – zu großen Disparitäten          gesehen, vor allem dann, wenn sie an
zwischen den Lebensbedingungen auf             Bedingungen geknüpft ist. Dazu folgende
dem Land und denen in der Stadt bezie-         Zitate des Präsidenten Paul Kagame: „Die
hungsweise Metropole. Allein 65.000            Hilfsgelder zerstören jede Eigeninitiative“,
Binnenmigranten jährlich vom Land              „Afrika braucht keine Babysitter“, „Afrika
nach Kigali sind derzeit kennzeichnend         darf nicht der Abladeplatz für alte Autos
für die Situation. Die City-Infrastruktur      oder andere alte Dinge sein“, „China gibt,
samt „Gated Communities“ (geschlosse-          was Afrika braucht“, „Ich kann mir nicht
ne Wohnkomplexe mit verschiedenen              vorstellen, dass Entwicklungshilfe endlos
Arten von Zugangsbeschränkungen) und           weiter geleistet wird und sie dabei noch

                                                                                                     RUANDA REVUE · 01/2020   3
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
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                                               begangen werden: Kultureller Austausch        Wie viel Demokratie verträgt
                                               mit Schriftstellern, Musikern, Künstlern      Entwicklung?
                                               und Filmemachern, auch die Modebran-          Der Umgang mit Ruanda ist auch anstren-
                                               che zählt dazu. Auch kann sicherlich dar-     gend, weil Ruanda eine Autokratie ist mit
                                               über nachgedacht werden, ruandische           einem starken, dreimal gewählten Präsi-
                                               Nichtregierungsorganisationen in die          denten, der die Macht im ganzen Land
                                               Zusammenarbeit stärker miteinzu­binden.       ausübt, und es keine Parteienvielfalt im
                                               Allerdings ist das kein leichter Weg, auch    Land gibt. Unseren Überzeugungen von
                                               wenn gerade dieser für Jugendliche            Demokratie entspricht das sicher nicht,
                                               attraktiv und interessant erscheint.          aber doch den Vorstellungen der meis-
                                                                                             ten im Land Ruanda. Die zentrale Frage
                                               Die Sustainable Development Goals             hierbei: Wie viel Demokratie verträgt
Die Kuppel des Convention Centers in           gelten auch für uns!                          Entwicklung? Es sind momentan noch
Kigali ist ein Sinnbild für das moderne        Und noch eine wichtige Veränderung im         vor allem die ökonomischen Aspekte
Ruanda von heute.                              Umfeld der Zusammenarbeit: Die SDGs           der Lebensgrundlage, wie Versorgung
                                               sind erstmals als Zielvorstellung einer       mit Nahrung und sauberem Wasser, mit
                                               Agenda 2030 für alle Länder dieser Welt       Strom und dann moderner Kommunika-
nützlich sein kann. Nützlich ist Entwick-      verpflichtend, also global aufgestellt. Das   tionstechnik, mit Bildungseinrichtungen
lungshilfe nur dann, wenn sie für einen        führt dazu, dass die Anforderungen die        wie Schulen und Universitäten, mit Kran-
genau definierten Zeitraum eingesetzt          alten Geber und Nehmer in gleichem            kenhäusern und weiteren Einrichtungen
wird, um die Basis für eine eigenständige      Maße betreffen. Die bisherige Nord-Süd-       des Gesundheitswesens, die Ruanda
Entwicklung zu legen. Wer jedoch endlos        Perspektive kann so in eine Süd-Nord-         flächendeckend im Land anstrebt. Der
Entwicklungshilfe leistet, macht die Men-      Perspektive wechseln und umgekehrt.           Weg hin zu einer demokratischen Zivil-
schen damit nur abhängig.“                     Dadurch entstehen ganz neue Dyna-             gesellschaft – nach unseren Zielvorstel-
                                               miken und erstmals eine tatsächliche          lungen und Verständnis – wird derzeit in
Veränderungen bringen auch                     Augenhöhe bei den wohl wichtigsten            unseren Augen nicht zielstrebig genug
neue Chancen                                   Zukunftsthemen. Das überstrahlt durch-        gegangen. Auch, wenn wichtige Aspek-
Es muss geklärt werden, wie die Partner-       aus unsere Partnerschaft mit Ruanda, und      te wie Gleichberechtigung der Frauen,
schaft zwischen Ruanda und Rheinland-          zwar positiv wie auch anstrengender vor       Partizipation an den Leistungsverträgen,
Pfalz zukünftig definiert wird. Aber genau     allem für uns. Warum? Weil wir aus unse-      die das Leben der Menschen verbessern
das ist auch die Chance: Die Partnerschaft     rem „sicheren Hafen“, unserer Komfortzo-      sollen (Imihigo), oder auch das Engage-
sollte sich auf ihre charakteristischen        ne heraustreten müssen, wenn wir dem          ment für das Gemeinwohl (Umuganda)
erfolgreichen Strategien konzentrieren,        globalen Wandel gerecht werden wollen.        vollzogen werden. Entscheidend für uns
„sich selbst treu bleiben“. Dezentrale
Unterstützung von kleinen, kommuna-
len Projekten, die überhaupt nicht kon-
kurrieren wollen mit den Großen. Die
Projekte mögen nicht alle unter eine
inhaltlich-fachliche Ebene einzuordnen
sein. Die Anforderung in der Metaebene
erfüllen sie aber sicher alle: Partnerschaft
bedeutet Respekt von einander haben.
Sicher kann und muss nachjustiert wer-
den, gerade in den Fragen: Wer bestimmt
das Projekt, wer kontrolliert und evaluiert
es, wer führt es durch? Der Begriff „auf
Augenhöhe“ muss da nochmal reflektiert
werden. Ein „unten in Afrika“ kann und
darf es nicht mehr geben in der Kom-
munikation. Entwicklung „von innen her-
aus“ unterstützen, das kann auch gerade        Gated Communities – neue Wohnsiedlungen in Kigali für diejenigen, die es sich
auf Wegen erfolgen, die erst seit kurzem       leisten können.

4   RUANDA REVUE · 01/2020
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
T I T E LT H E M A

dabei: Das Reflektieren der politischen
und gesellschaftlichen Unterschiede in
beiden Partnerländern und damit Klä-
rung unserer Grundlage der Zusammen-
arbeit. Nicht in dem Sinne einer No-Go-
Entscheidung, viel mehr im Sinne eines
kritischen Begleitens bei der Entwick-
lung im Partnerland. Und: Wir müssen
unsere „oberlehrerhafte“ – ja oftmals
bevormundende – Einstellung gegen-
über unseren Partnern ablegen und
somit einen echten Perspektivwechsel
zulassen.

Schulpartnerschaften – hier lebt die
Zukunft!
Schulpartnerschaften sind nach wie
vor von zentraler Bedeutung, hier lebt
und entsteht die Zukunft – in beiden
Ländern. Bisher wurde oft die Organi-
sation von Erwachsenen erledigt – das      Begegnungen zwischen jungen Menschen laufen in der Regel deutlich ungezwunge-
betrifft den Bau von Schulen ebenso        ner – eine erstrebenswerte „Normalität“.
wie die grundsätzliche Kommunikati-
on durch Lehrerinnen und Lehrer. Was
früher schwerfällig über monatelange       Strukturen den heutigen
Postwege lief, kann nun in die nächs-      Herausforderungen anpassen
te Phase übergehen: Die Jugendlichen       Und nochmal nach Rheinland-Pfalz: Was
selbst organisieren medienkompetent        ist darüber hinaus zu reflektieren und
gemeinsame Aktionen, vom Kennen-           anzugehen?
lernen über Musikaustausche bis hin        - Die Organisationsstrukturen sollten kri-
zum fachlichen Austausch über Schul-       tisch hinterfragt werden. Wo sind Doppe-
inhalte oder auch einfach über das,        lungen, wo sind Synergieeffekte, wo ist
was junge Menschen eben im Alltag          Handlungsbedarf im Sinne von Verbes-
interessiert. Daraus ergeben sich viele    serung? Eine gewisse Flexibilität in der
neue Möglichkeiten des kulturellen Mit-    Aufgabenverteilung wäre wünschens-
einanders, die unter Jugendlichen viel     wert, je nachdem, welche thematischen
ungezwungener und einfach „normal“         Schwerpunkte und somit Akzente für
ablaufen. Damit hätten wir dann einen      einen gewissen Zeitraum gesetzt werden.
tatsächlichen Austausch auf Augenhö-       - Die Partnerschaftsprojekte und das
he geschaffen. Und gleichzeitig wird       Koordinationsbüro: Wie kann eine Ver-
auf diese Weise der dringend benötigte     besserung der Arbeit vor Ort erreicht
Nachwuchs, die nächste Generation von      werden, die einer Überlastung und Über-
Akteuren in der Partnerschaft, gefördert   forderung entgegenwirkt?
und gefordert. „Normalität“ wäre damit     - Die weitere Entwicklung der Partner-
eine weitere Zielvorstellung für die       schaft sollte aktiv aufgenommen werden:
Partnerschaft, die generationenüber-       Mit Workshops beispielsweise, die wert-
greifend verstanden wird. Indem so die     volle Erfahrungen mit neuen Ideen
Jugendarbeit systematisch ermöglicht       zusammen bringen. Mit einer offenen
und gestärkt wird, findet eine zwanglose   Streitkultur, die Kompromisse kennt und
Übergabe der Partnerschaft in jüngere      vor allem das Verstehen in den Mittel-
                                                                                          Kultureller Austausch ist ein wichtiger
Hände statt.                               punkt stellt. Das gilt für alle an der Part-   Schwerpunkt in der Partnerschaft der
                                           nerschaft Beteiligten.                         Zukunft.

                                                                                                         RUANDA REVUE · 01/2020     5
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
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                                    Neue Wege
                               in der Partnerschaft?
                                                       von Dr. Carola Stein,
                         Leiterin des Referats Partnerland Ruanda / Entwicklungszusammenarbeit, MdI

                                             Ist die Partnerschaft noch zeitgemäß         es uns heute leicht, diese Kontakte zu
                                             oder brauchen wir alternative Kon-           pflegen und rasch miteinander zu kom-
                                             zepte?                                       munizieren. Mittlerweile sind neben dem
                                             Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns       Ministerium des Innern und für Sport
                                             im Ruanda-Referat des Ministeriums des       weitere Ressorts der Landesregierung
                                             Inneren und für Sport (MdI) schon sehr       sowie Fachinstitutionen in Ruanda aktiv.
       In Ruanda findet derzeit              lange, ohne bisher eine überzeugende         Damit konnten einige neue Themenfel-
          eine sehr dynamische               Antwort gefunden zu haben. Auch dieser       der erschlossen werden.
            wirtschaftliche und              Beitrag hat nicht den Anspruch, ein ferti-   Eine der größten Stärken der Partner-
      soziale Entwicklung statt.             ges Konzept zu bieten, sondern soll ledig-   schaft besteht darin, dass unsere Pro-
        Junge, gut ausgebildete              lich einige Ideen sowie die Stärken und      jekte seit vielen Jahren ganz konkrete
      Ruanderinnen und Ruan-                 Schwächen der Partnerschaft skizzieren.      Probleme der Menschen in Ruanda auf-
       der wollen ein modernes                                                            greifen. Wichtig ist auch die Langfristig-
        Land aufbauen und su-                Die Stärken der Partnerschaft                keit der Beziehungen – wir denken nicht
        chen sehr selbstbewusst              Die Schulen, Vereine, Kommunen, Kir-         in begrenzten Projektphasen, sondern
                                             chen oder Universitäten bilden nach wie      sind über lange Zeiträume verlässlicher
       eigene Lösungen für ihre
                                             vor die unverzichtbare Basis und den Kern    Partner der Distrikte, vor allem auf den
                      Probleme.
                                             der Partnerschaft. Das Engagement vieler     Hügeln, weit weg von Kigali.
                                             dieser Akteure lässt auch nach Jahrzehn-     In Ruanda findet derzeit eine sehr dyna-
                                             ten nicht nach. Sie halten weiter zu ihren   mische wirtschaftliche und soziale Ent-
                                             Partnern Kontakt und sorgen mit gro-         wicklung statt. Junge, gut ausgebildete
                                             ßem persönlichem Einsatz für ein hohes       Ruanderinnen und Ruander wollen ein
                                             Spendenaufkommen. Durch die stetige          modernes Land aufbauen und suchen
                                             Zunahme von Reisen nach Ruanda sind          sehr selbstbewusst eigene Lösungen für
                                             viele neue persönliche Kontakte entstan-     ihre Probleme. Damit einher geht eine
                                             den. Und die sozialen Medien, ob Whats-      Offenheit für alternative Themen und
                                             App, Facebook oder Instagram, machen         für neue Wege des Engagements. Auch

Das moderne und traditionelle Ruanda von heute (Foto links: Volker Wilhelmi; Foto rechts: Carola Stein).

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Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
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Fachspezifische Workshops werden in der Partnerschaft durchgeführt, um gemeinsam Projekte zu eruieren (Foto links: Allen
Mugisha; Foto rechts: Martin Magunia).

in unserem Koordinationsbüro ist somit          von vielen. Schwierig für unsere Zusam-         Diese besondere Art der Entwicklungs-
eine Generation von tatkräftigen und kre-       menarbeit ist auch der enorme Druck,            zusammenarbeit hat uns all die Jahre
ativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern        der auf den ruandischen Bürgermeistern          ausgezeichnet und sollte nicht leichtfer-
beschäftigt.                                    lastet: sie müssen, bedingt durch die           tig aufgegeben werden. Denn sonst wird
                                                Imihigos (= jährliche Leistungsverträge,        die Partnerschaft beliebig und tatsächlich
Herausforderungen für die                       die vom ruandischen Staatspräsidenten           nur noch als eine Organisation von vielen
Partnerschaft                                   gegengezeichnet werden) rasche greif-           anderen wahrgenommen.
Bislang fließt von rheinland-pfälzischer        bare Ergebnisse in ihren Distrikten liefern.    2) Bei den Projekten können wir uns wei-
Seite nur bedingt fachlicher Input in die       Die Bürgermeister haben daher kaum Zeit         terhin auf die Stärken der Partnerschaft
Projektarbeit, da die Zusammenarbeit mit        für Projekte, die nicht unmittelbar in den      besinnen, das heißt wir können kleine,
Ruanda nicht ausschließlich von haupt-          Imihigos gelistet sind. Gleichzeitig werden     dezentrale Projekte im ländlichen Raum
beruflichen Experten der Entwicklungs-          neue Anforderungen an Rheinland-Pfalz           umsetzen, die sich an den konkreten
politik, sondern von ehrenamtlichem             gestellt: die ruandische Regierung erhofft      Problemen der Menschen orientieren.
Engagement getragen wird. Viele Akteu-          sich von der Partnerschaft nicht mehr           Wir haben Kontakte und Erfahrungen vor
re in Rheinland-Pfalz gehören zudem der         ausschließlich kleine, dezentrale Projekte,     Ort, wie kaum eine andere Organisation
älteren Generation an, eine Reihe von           sondern große Vorhaben und große Inves-         in Ruanda. Unsere Unterstützung ist für
ihnen will sich nun allmählich zurückzie-       titionen. „Think Big“ lautet die neue Devise!   die Menschen wichtig und wird in den
hen, einige Vereine lösen sich bereits auf.     Die Partnerschaft befindet sich damit in        Distrikten sehr wohl wahrgenommen. Vor
Gleichzeitig fehlt es überall an Nachwuchs.     einem Spannungsfeld zwischen der tradi-         allem dort ist die Partnerschaft nach wie
Es ist sehr schwierig, neue Akteure für die     tionellen Graswurzelpartnerschaft auf der       vor verankert und die Projekte sinnvoll
bestehenden Partnerschaftsvereine zu            rheinland-pfälzischen und dem Anspruch          und sehr willkommen. Für große sekto-
gewinnen. Junge Menschen wollen sich            „Think Big“ auf der ruandischen Seite. Wir      rale oder landesweite Projekte sollten die
nicht langfristig in den traditionellen eher    müssen für uns entscheiden, ob wir diese        großen Geber verantwortlich (GIZ, KfW,
behäbigen Vereinsstrukturen binden, son-        neuen Erwartungen erfüllen können und           etc.) sein.
dern punktuelle Aktionen unterstützen,          wollen.                                         3) Wir können aber auch aktuelle Themen
ihre eigenen kreativen Ideen einbringen                                                         aufgreifen, die der dynamischen Entwick-
und vor allem auch das Zeitalter der Digi-      Möglichkeiten für die Zukunft                   lung Ruandas entsprechen wie beispiels-
talisierung in der Partnerschaft etablieren.    der Partnerschaft                               weise Umwelt, regenerative Energien,
Auch in Ruanda bestehen Herausforde-            Angesichts dieser Herausforderungen             Förderung von Kooperativen. Es gibt eine
rungen für die Partnerschaft: Viele Politiker   drängt sich die Frage auf, ob die Part-         sehr junge kreative Szene in Ruanda, der
und Mandatsträger, die heute in Ruanda in       nerschaft als Modell heute ausgedient           wir uns viel stärker zuwenden könnten.
der Verantwortung stehen, sind nach dem         hat. Dieser Meinung bin ich nicht. Aber         Dafür sollten wir bereit sein, andere The-
Genozid aus der Diaspora zurückgekehrt.         ich glaube, wir müssen bereit sein, neue        men aufgeben.
Sie kennen das Konzept der Partnerschaft        Wege zu beschreiten. Ich möchte gerne           4) Wir können verstärkt auf die fachliche
und die Projekte nicht, sie sind auch nicht     zehn Punkte benennen, die mir in diesem         Zusammenarbeit von Partnern setzen
auf den Hügeln verwurzelt. Zudem drän-          Zusammenhang wichtig erscheinen:                und neue Institutionen in Rheinland-
gen sich in Ruanda mehr und mehr auslän-        1) Das zentrale Element der Partnerschaft       Pfalz ansprechen, die ihr Knowhow in die
dische Organisationen und Regierungen,          sind meines Erachtens auch weiterhin die        Partnerschaft einfließen lassen können.
die das Land unterstützen. In der Folge         langfristigen und direkten Beziehungen          Im Rahmen der Zusammenarbeit mit
ist die Partnerschaft nur noch ein Akteur       zwischen den Menschen beider Länder.            der Hochschule für öffentliche Verwal-

                                                                                                               RUANDA REVUE · 01/2020   7
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
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                                           tung, der Kommunalakademie oder dem           die Jugendarbeit in Rheinland-Pfalz zu
                                           pä­dagogischen Landesinstitut wurden          stärken. Sehr viele motivierte und aktive
                                           hier schon erste erfolgreiche Schritte        junge Menschen in Rheinland-Pfalz sind
                                           unternommen. Interessant wäre es auch,        bereit, sich zu engagieren. Dieses Enga-
                                           ruandisches Knowhow für Rheinland-            gement richtet sich aber nicht nur auf die
                                           Pfalz abzurufen, zum Beispiel bei der         Umsetzung von Projekten. Das Interesse,
                                           Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele.        mit ruandischen Partnern gemeinsame
       Die Partnerschaftsarbeit            Dies würde auch der immer wieder geäu-        Themen zu erarbeiten, zum Beispiel rund
          ist ehrenamtlich. Wir            ßerten Forderung nach einer Partner-          um Fragen des Klimawandels oder der
        können unter­stützende             schaft auf Augenhöhe Rechnung tragen.         globalen Gerechtigkeit, ist bei Jugend-
       Angebote machen, aber               5) Wir können in Ruanda und in Rhein-         lichen sehr hoch und sollte unterstützt
             es sind letztlich die         land-Pfalz mehr fachliche und auch regi-      werden.
       Partner, die über die Art           onale Netzwerke schaffen, um die Part-        Aber wir können nicht darauf warten, dass
          der Zusammenarbeit               nerschaft in beiden Ländern sichtbarer zu     sie in die bestehenden Partnerschaftsver-
                    entscheiden.           machen und vom gegenseitigen Wissen-          eine eintreten. Wir müssen die Jugendli-
                                           stransfer zu profitieren. Das „Sugira Netz-   chen aktiv ansprechen und ihnen Raum
                                           werk“, ein Zusammenschluss von Förder-        für ihre eigenen Ideen anbieten. Hier müs-
                                           schulen in beiden Ländern, ist hierfür ein    sen wir nun landesweit tragfähige Struktu-
                                           gelungenes Beispiel.                          ren aufbauen.
                                           6) Bei der Projektplanung können wir die      9) Auch mit unseren ruandischen Partnern
                                           Imihigos und die Entwicklungsstrategien       müssen wir uns zusammensetzen und klä-
                                           der Distrikte stärker berücksichtigen. Die    ren, wo sie denn eigentlich die Zukunft der
                                           Bürgermeister müssen sich an diese Vor-       Partnerschaft sehen.
                                           gaben halten, dabei sollten wir sie auch      10) Und wir müssen Akzeptanz bei unse-
                                           unterstützen.                                 ren Akteuren in Rheinland-Pfalz schaffen
                                           7) Wir können zukünftig lokale Nichtre-       und sie überzeugen, neue Ansätze und
                                           gierungsorganisationen (NGO) in Ruanda        Konzepte mitzutragen. Die Partnerschafts-
                                           vermehrt in unsere Projektarbeit einbe-       arbeit ist ehrenamtlich. Wir können unter-
                                           ziehen und uns nicht nur auf die Verwal-      stützende Angebote machen, aber es sind
                                           tungen oder Schulen als Projektpartner        letztlich die Partner, die über die Art der
                                           konzentrieren. Diese NGOs sind wesent-        Zusammenarbeit entscheiden.
                                           lich freier in ihrem Handeln als die Dist-
                                           riktverwaltungen und könnten uns in ver-      Resümee
                                           schiedenen Bereichen unterstützen.            Ruanda befindet sich in einer Zeit des
                                           8) Eine zentrale Aufgabe wird es nun sein,    Umbruchs und des Wandels. Dieser Verän-
                                                                                         derung kann sich auch die Partnerschaft
                                                                                         nicht entziehen. Gleichzeitig birgt diese
                                                                                         Herausforderung jedoch große Chancen!
                                                                                         Es gibt eine Vielzahl motivierter Menschen,
                                                                                         die auch weiterhin engagiert mit Ruanda
                                                                                         zusammenarbeiten wollen, und viele Men-
                                                                                         schen in Ruanda, die unsere Unterstützung
                                                                                         brauchen. Beide Seiten können auch wei-
                                                                                         terhin von dieser, in ihrer Form einzigarti-
                                                                                         gen Graswurzelpartnerschaft profitieren. Es
                                                                                         gilt jetzt, innovative neue Wege zu finden
                                                                                         und sich dem aktuellen Wandel nicht zu
                                                                                         verschließen. Auf diesem Weg können wir
                                                                                         die Partnerschaft weiterentwickeln und
                                                                                         zukunftsfähig machen, damit sie auch von
Berufliche Bildung ist ein wichtiger Schwerpunkt Ruandas und der Partnerschaft           der nächsten Generation erfolgreich wei-
(Fotos: Carola Stein).                                                                   tergetragen werden kann.

8   RUANDA REVUE · 01/2020
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
T I T E LT H E M A

                                   Wohin des Weges,
                                     Jumelage?
                                             Text und Fotos von Michael Nieden,
                        Geschäftsführer des Vereins Partnerschaft Rheinland-Pfalz / Ruanda e.V., Mainz

Das Licht, das erlosch                                                                     kulturelle Traditionen und ein gesell-
Auf der Sicherheitskonferenz in Mün-                                                       schaftlicher Zusammenhang verloren
chen im Februar diesen Jahres hat ein                                                      gingen, ganz abgesehen von dem
Experte konsterniert festgestellt, dass                                                    Horror von 1994. Ich begleite das Land
die bislang gültige westliche Annahme,                                                     Ruanda seit dem Jahr 2004 und erlebe
weltweit wäre die abendländisch-west-                                                      seitdem wie sich die ruandische Regie-
liche Kultur und deren demokratische                                                       rung mehr und mehr der eigenen Tra-
Werteordnung erstrebenswert und                                                            dition und den eigenen Werten und
eine Entwicklung zu unserer Form einer                                                     Normen sowie früheren Instrumenten
Wohlstandsgesellschaft dem imma-                                                           des gesellschaftlichen Zusammenle-
nent, wohl nicht mehr stimmt. Europa                                                       bens bedient, um eine eigene nationa-
erfährt mehr denn je in diesen Zeiten die   Mit dem Fall der Berliner Mauer, mit der     le Identität zu begründen. In Ruanda ist
Folgen der global sich verschiebenden       rasanten Entwicklung von Kommunika-          sehr schön zu sehen, wie sich in diesem
Machtzentren. Das Sendungsbewusstsein       tionstechniken und der Digitalisierung       Rahmen eigenen Begrifflichkeiten von
des christlich-abendländischen Europas      unseres Lebens geht eine Neuordnung          gesellschaftlichen Steuerungstechniken
im 18. und 19. Jahrhundert, weltweit        von Finanz-, Waren- und Personenströ-        entwickeln, wie zum Beispiel Umuganda
Völker zu zivilisieren, wandelte sich im    me einher. Wir sind mittendrin, wie sich     (Gemeinwesenarbeit), Ubudehe (gesell-
20. Jahrhundert zum Begriff Hilfe durch     weltweit neue politische, wirtschaftli-      schaftliche Solidarität), Imihigo (Leis-
Entwicklung.                                che und kulturelle Zentren bilden. Neue      tungsvertrag), Umushyikirano (Nationaler
                                            selbstbewusste Führungseliten und ein-       Dialog), Gacaca (Basisgerichte), Itorero
Neues afrikanisches                         zelne Führer treten hervor, die sich gegen   (Erziehung zu ruandischen Werten) und
Selbstbewusstsein                           einen eurozentrischen Wertebegriff von       andere. Spätestens seit dem Jahr 2005
Das zivilisatorische Desaster Europas im    Entwicklung, Gesellschaft und sozialem       setzte in Ruanda eine Entwicklung ein,
20. Jahrhundert, mit dem ersten und         Zusammenleben wehren und eigene              die zunehmend eine Veränderung in der
zweiten Weltkrieg, ermutigte die in kolo-   Konzepte entwickeln. Auch widersetzen        Wahrnehmung und Bewertung von Hil-
nialer Abhängigkeit stehenden Länder,       sich immer mehr afrikanische Gesell-         fe von außen herbeiführte: Hilfe – nein,
sich zu lösen, eigene Staaten zu grün-      schaften korrupt herrschenden Eliten,        Unterstützung – ja. Von außen bestimmt
den und Gestaltung in eigene Hände zu       die seit dem Fall der Mauer nicht mehr in    – nein, von innen bestimmt – ja. Morali-
nehmen. Man wollte nun Herr über seine      dem Maße protegiert sind.                    sierender Ratschlag oder Hinweis – nein,
eigene Entwicklung und Ausgestaltung                                                     gleichberechtigter Dialog – ja. Das Recht
sein. Der aufkommende Ost-West-Konflikt     Besinnung auf eigene Werte                   auf ein Nein – trotz Unterstützung.
der Systeme gab diesen neuen Staaten        Ruanda ist ein sehr gutes Beispiel dafür,    Unabhängig von dem Streit, ob nun dik-
eine gewisse Selbständigkeit, denn der      wie die neue Regierung nach dem Jahr         tatorische, autokratische oder autoritä-
Westen wie der Osten waren auf deren        1994, dem Völkermord und der völligen        re Führung, ist Ruanda klar hierarchisch
Stimmen in der UN angewiesen. Der Wes-      Zerstörung des Landes, eine Entwick-         gegliedert. Die Geschichte Ruandas
ten wie der Osten setzen auf finanzielle    lung in Gang gesetzt hat, die sich mehr      hat hier einen großen Einfluss auf diese
Entwicklungshilfe, um diese Länder und      und mehr auf die eigene kulturelle Tra-      heutige Situation. Die Rolle und Bedeu-
deren staatstragende Systeme – wohl-        dition von Werten und Normen bezieht.        tung des heutigen Präsidenten und die
gemerkt – zu binden. Es wurde massiv        Gerade das kleine Land Ruanda ist massiv     Wahrnehmung in der ruandischen Bevöl-
in nationale Haushalte und Infrastruktur    von diesem zivilisatorisch-europäischen      kerung ist ohne die Kenntnis der ruan-
investiert, die vielfach von herrschenden   Sendungsbewusstsein verändert und            dischen Geschichte nicht zu verstehen.
und korrupten Eliten verwaltet wurden.      geprägt worden, wobei dem Land viele         Somit auch die Art und Weise der Regie-

                                                                                                        RUANDA REVUE · 01/2020   9
Partnerschaft gestalten - Ruanda RevueAUSGABE 01/2020 JOURNAL DER PARTNERSCHAFT RHEINLAND-PFALZ/RUANDA - rlp-ruanda.de
T I T E LT H E M A

                                                                         Verantwortlichen von kommunalen Ein-
                                                                         heiten, Institutionen oder Kooperativen.
                                                                         Hilfe zu Selbsthilfe – die auch vor Ort tat-
                                                                         sächlich ankam und gerade im Bildungs-
                                                                         bereich zu wesentlicher Verbesserung
                                                                         der Ausbildungssituation lokal beitrug.
                                                                         Hierzu zählen auch bis heute die vielen
                                                                         Schulpartnerschaften. Nach dem Jahr
                                                                         1994 setzte sich diese Unterstützung
                                                                         verstärkt fort. Neue Bereiche kamen hin-
                                                                         zu, aber auch seit dem Jahr 2012 Fragen
                                                                         einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit,
                                                                         der kulturelle Austausch, Fragen des
                                                                         Umweltschutzes und der Entwicklung in
                                                                         der Landwirtschaft.

                                                                         Ein Drehen am kleinen aber
                                                                         persönlichen Rad
                                                                         Der Partner Ruanda entwickelt und posi-
                                                                         tioniert sich immer stärker und selbst-
                                                                         bewusster. Wo verorten wir uns heute
                                                                         in diesem dynamischen, mit internatio-
                                                                         naler Konkurrenz besetzten Umfeld und
                                                                         gegenüber den ruandischen Erwartun-
                                                                         gen auf Regierungsseite, die Entwicklung
                                                                         von oben nach unten vorantreiben? Wir
                                                                         sollten uns auf unsere Stärken besinnen
                                                                         und dies in Zukunft offensiver vertre-
                                                                         ten, aber auch unsere Schwächen oder
                                                                         unser Unvermögen erkennen. Eher das
Der neue Stolz Ruandas.                                                  Drehen am kleinen, aber persönlichen
                              rungsform und der Mittel, Entwicklung zu   zwischenmenschlichem Rad. Mehr lokale
                              gestalten und voranzutreiben.              Zusammenarbeit mit ruandischen Nicht-
                                                                         regierungsorganisationen (NGOs) und
                              I’m proud to be Rwandan                    Initiativen, Entwicklung von innen muss
                              Dieses neue Selbstbewusstsein „I am        unser Ziel bleiben. Dies bedeutet, die
                              proud to be Rwandan“ verändert zuneh-      Menschen im Land zu fördern und ermu-
                              mend unsere Partnerschaft mit Ruanda.      tigen und Entwicklung in ihrem Sinne
                              Es fällt zusammen mit einer weltweiten     voran zu bringen. Wir stehen vor einem
                              Veränderung der Wahrnehmung von            Generationswechsel hier in Rheinland-
                              Hilfe, Unterstützung und allgemein gül-    Pfalz und einer immer stärker und selbst-
                              tigen Normen und Werten des Zusam-         bewusster werdenden Zivilgesellschaft
                              menlebens. Mit den neuen Sustainable       in Ruanda. Wenn wir unserer Graswur-
                              Development Goals sind zum ersten Mal      zelphilosophie weiterhin gerecht wer-
                              auch die Länder des globalen Nordens,      den wollen, wenn wir Entwicklung von
                              reiche Konsumgesellschaften aufgefor-      innen bestärken wollen und wenn wir die
                              dert, Veränderungen anzugehen und          heutige Jugend in Ruanda wie in Rhein-
                              werden von den sogenannten Drittlän-       land-Pfalz miteinbeziehen wollen, dann
                              dern hierbei kritisch begleitet. Bislang   wäre für mich ein Ansatz unser Konzept
                              war unsere Partnerschaft mit Ruanda bis    von Förderung und von Unterstützung,
                              vor dem Krieg und Genozid geprägt von      neben den immer noch notwendigen
                              Hilfe vor Ort im direkten Austausch mit    Infrastrukturprojekten, in Zukunft mehr

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T I T E LT H E M A

                                                                                      Wir sollten uns auf
                                                                                      unsere Stärken besin-
                                                                                      nen und dies in Zukunft
                                                                                      offensiver vertreten, aber
                                                                                      auch unsere Schwächen
Neue Emanzipation.                         Novum: Frauen als Intore Tänzerinnen.      oder unser Unvermö-
                                                                                      gen erkennen. Eher das
mit ruandischen NGOs, Initiativen und      selbst kritisch nachzudenken, Dinge zu     Drehen am kleinen, aber
Verbänden zusammenzuarbeiten, dort         relativieren, sich zurückzunehmen und      persönlichen zwischen-
wo junge Menschen sich engagieren und      selbst durch eine andere Kultur zu ler-    menschlichem Rad.
gestalten wollen.                          nen. Diese Partnerschaft mit Ruanda hat
                                           nach meiner Auffassung weiterhin ihre
Unser Juwel                                große Chance und Berechtigung – gera-
Die Länderpartnerschaft mit Ruanda ist     de, weil wir nicht anonym, sondern part-
ein Juwel. Für uns bleibt der unglaubli-   nerbezogen und nicht nur projektbezo-
che Wert, mit einem Land und seinen        gen zusammenarbeiten.
Menschen sowie seiner Kultur verbun-
den zu sein, Freundschaften zu schlie-
ßen und in den Gesprächen über uns

Sichtbare Verbindung von Tradition und Moderne.

                                                                                            RUANDA REVUE · 01/2020   11
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                                     Partnerschaft im
                                        Blickpunkt
                                                      von Mona Reichert,
                       Mitarbeiterin im Referat Partnerland Ruanda / Entwicklungszusammenarbeit, MdI

                                                                                       Die große Herausforderung:
                                                                                       Der Weg in die Zukunft
                                                                                       Als Hauptinitiator und Moderator der
                                                                                       Veranstaltung führte Prof. Dr. Volker Wil-
                                                                                       helmi in das Thema und Zielsetzung des
                                                                                       Tagesseminars ein. Volker Wilhelmi kennt
                                                                                       die Partnerschaft über seine Professur am
                                                                                       Geographischen Institut der Johannes
                                                                                       Gutenberg-Universität Mainz, wie auch
                                                                                       über seine Lehrtätigkeiten am Stefan-
                                                                                       George-Gymnasium in Bingen, das eine
                                                                                       jahrzehntealte Schulpartnerschaft mit
                                                                                       Ruanda aufweisen kann. Zudem ist er Mit-
                                                                                       glied im Beirat des Partnerschaftsvereins
                                                                                       in Mainz. „Ein Resümee des Erreichten,
                                                                                       verbunden mit einer kritischen Analyse
                                                                                       vor allem auch der zukünftigen Erwartun-
Ruanda – das Land der Tausend Hügel: Wohin führt der zukünftige Weg der Partner-       gen und Ausrichtung der Partnerschaft –
schaft? (Foto: Günter Zimmermann).                                                     das ist Ziel des Seminars“, so erläuterte er
                                                                                       und wünschte allen, Teil einer lebendigen
                                           Am 5. März 2020 lud die Fridtjof-Jan-       Diskussion zu werden.
                                           sen-Akademie in Ingelheim zu einem
                                           Tagesseminar mit dem Titel „Ruanda –        Impulsreferate
                                           Rheinland-Pfalz: Blickwechsel auf eine      Den Auftakt der Vortragsreihe machte
                                           Partnerschaft im Wandel“ ein. Gekom-        Volker Wilhelmi, indem er das Partner-
                                           men waren Akteure aus der Partner-          land Ruanda vorstellte und dabei den
                                           schaft, die bereits seit Jahrzehnten oder   Fokus auf die besonderen gesellschafts-
                                           gar von Beginn der Partnerschaft an mit     sowie entwicklungspolitischen Prozesse
                                           dabei sind. Aber auch neue und junge        setzte. Zudem skizzierte er die Partner-
                                           „Köpfe“ fanden den Weg nach Ingel-          schaft Rheinland-Pfalz / Ruanda seit den
                                           heim, um mehr über die sogenannte           Anfängen bis heute. Er verwies auf die
                                           Jumelage zu erfahren und miteinander        Herausforderungen in den bestehenden
                                           in den Dialog zu treten. Mit großem         Strukturen, die sich bereits heute aber
                                           Bedauern aller Teilnehmenden wurde          auch verstärkt in Zukunft ergeben wer-
                                           die kurzfristige Absage eines Vertreters    den. Dr. Carola Stein, Leiterin des Referats
                                           des ruandischen Innenministeriums           Partnerschaft Ruanda / Entwicklungszu-
                                           MINALOC aufgenommen. Dadurch fehl-          sammenarbeit, sprach in ihrer Funktion
                                           te dem Seminar ein außerordentlich          als Vertreterin des rheinland-pfälzischen
                                           wichtiger und fundamentaler Input,          Ministeriums des Innern und für Sport.
                                           nämlich die ruandische Perspektive zur      Sie sprach über die ihrer Meinung nach
Ruanda setzt auf moderne Standards –
vor allem in Kigali sind viele Neubauten   Partnerschaft – darüber waren sich alle     bestehenden Stärken und Schwächen
zu sehen (Fotos: Harald Göbel).            einig.                                      der Partnerschaft sowie mögliche Ansatz-

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T I T E LT H E M A

punkte für neue Wege. Prof. Dr. Alexan-
der Stroh-Steckelberg vom Institut für
Afrikastudien an der Universität Bayreuth
lernte bereits in der Jugend die Arbeit
des Koordinationsbüros vor Ort kennen
und ist zudem mit dem ehrenamtlichen
Engagement aus Bad Kreuznach ver-
traut. Aus wissenschaftlicher Perspektive
beschäftigte er sich in seinem Vortrag mit
den politischen Systemen in Afrika und
Ruanda sowie Europa und Deutschland.
Michael Nieden, Geschäftsführer der
Partnerschaft Rheinland-Pfalz / Ruanda
e.V. in Mainz, kennt die Arbeit und Her-
ausforderungen der rheinland-pfälzi-
schen wie auch der ruandischen Akteure.
Da der Partnerschaftsverein auch Träger
des Koordinationsbüros in Kigali ist und
Michael Nieden dessen Leitung über vie-
                                                Eine Partnerschaft auf Augenhöhe: Das war und ist die Vision der Jumelage! (Foto: MdI).
le Jahre innehatte, gelang es ihm, wichti-
ge Aspekte der ruandischen Geschichte,
Kultur und Gesellschaft aufzuzeigen, die        land-Pfalz und der Partnerschaft? Als wei-   über Jahrzehnte gelebte Philosophie ist
auch in unserer Diskussion Berücksich-          terer wichtiger Diskussionspunkt wurden      einzigartig in ihrer Form und kann auch
tigung finden sollten. Abschließend             die bestehenden Strukturen der Partner-      so grundsätzlich weiter bestehen. Aber
sprach Dr. Richard Auernheimer, Präsi-          schaft angesprochen. Gibt es Möglich-        Beständigkeit braucht auch Entwicklung:
dent des Partnerschaftsvereins in Mainz,        keiten, Vereine bei der sich als schwierig   Es gilt, den Platz und die Rolle der Part-
über die Errungenschaften der Partner-          erweisenden Suche nach Nachwuchs             nerschaft für die Zukunft zu definieren,
schaft und Zukunftsvisionen. Mit seinem         und anstehenden Generationswechseln          um dem heutigen Anspruch und Gege-
Vortrag leitete er in die anschließende         Unterstützung zu bieten? Wie können          benheiten in Ruanda wie auch in Rhein-
Diskussionsrunde über, die von Volker           wir einem Vereinssterben in der Partner-     land-Pfalz gerecht zu werden. Dabei kann
Wilhelmi moderiert wurde.                       schaft entgegenwirken? Wie stehen die        das Seminar in Ingelheim nur der Beginn
                                                Jugendlichen zu tradierten Vereinsstruk-     eines längerfristig angesetzten Prozesses
Die Diskussion: Politik, Vereinssterben         turen – gibt es dort Platz und Raum zur      zur Zukunft der Partnerschaft sein. Bei
und die Jugend                                  Partizipation und Weiterentwicklung          den sich in Zukunft ergebenden Diskussi-
Wie sich Volker Wilhelmi zu Beginn des          für junge Menschen? Welche Impulse           onen ist darauf zu achten: dass wir den
Seminars wünschte, nutzten alle Teil-           müssen für die Zukunft gesetzt werden,       unmittelbaren Austausch mit unseren
nehmenden den Nachmittag für einen              um die Partnerschaft zukunftsfähig zu        Partnern über den Diskurs der Jumelage
lebendigen Austausch. Es wurde eine             machen? Wie sehen die Strukturen, die        weitersuchen und so voran bringen; dass
Vielzahl von Themen angesprochen, die           Säulen in der Partnerschaft der Zukunft      sich in Rheinland-Pfalz Jung und Alt
aufzeigten, wie vielschichtig die Partner-      aus? Werden wir mit unserem Konzept          zusammen tun, um gemeinsam das Be­­
schaft ist. So wurde beispielsweise kont-       einer Graswurzelpartnerschaft dem An­­       währte zu erhalten und gleichzeitig fit für
rovers diskutiert, inwieweit Politik Einfluss   spruch, Erwartungen und Zielsetzungen        die Zukunft zu machen; dass alle Akteure
und Auswirkungen auf die Arbeit der             des heutigen Ruanda noch gerecht?            der Partnerschaft ihren Beitrag in dem
Partnerschaft hat. Dabei wurden Span-                                                        Diskurs leisten und so mit an den Stell-
nungsfelder zwischen politischen Sys-           Fazit eines Tages                            schrauben drehen, um den Weg in die
temen, Erfahrungen beziehungsweise              Im Laufe des gemeinsamen Austauschs,         Zukunft gemeinsam zu gehen.
Beobachtungen im Alltag hervorgeho-             den lebendigen Diskussionen und aufge-
ben: Ist unser Verständnis von Demokra-         kommenen Fragen waren sich zum
tie ein westlich konstruiertes Konzept,         Schluss des Tages alle einig: Die Partner-
das es gilt, auf der ganzen Welt und somit      schaft hat eine Zukunft! Und es lohnt
auch in Ruanda zu implementieren? Wo            sich, an dem Grundgedanken der Gras-
sehen wir dabei unsere Rolle in Rhein-          wurzelpartnerschaft festzuhalten. Die

                                                                                                            RUANDA REVUE · 01/2020   13
CORONA

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Corona-Virus: Übernahme von Stornokosten für Schulfahrten
Mittelung der ADD an alle Schulen in Rheinland-Pfalz
Aufgrund der aktuellen Corona-Krise soll bis zum Ende des   die Auszahlung eines Gesamtbetrages erfolgt auf ein von
laufenden Schuljahres im Sommer 2020 auf Studien-, Klas-    der Schule angegebenes Konto. Die weitere Abwicklung –
sen-, und Kursfahrten sowie Schüleraustausche verzichtet    Auszahlung an Vertragspartner oder Eltern – wird von der
werden. Auf Antrag werden anfallende und berechtigte        Schule veranlasst.
Stornokosten vom Land Rheinland-Pfalz übernommen. Die       Fragen können an die ADD über das Funktionspostfach
Anträge können nur von der Schule gestellt werden, und      Schulfahrtenstorno@add.rlp.de gerichtet werden.

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CORONA

                                                 Ein Corona-
                                                     Brief
                                                    Text und Fotos von Dr. Uta Düll,
                                       Leiterin des Gesundheitszentrums in Gikonko, 27.3.2020

Unsere lieben Freunde nah und fern,             Whatsapp verschickten wir                                   Ruanda hat inzwischen 50
so viele besorgte Nachfragen erreichen          Service-Bescheinigungen,                                    Corona-positive Fälle, angeb-
mich jeden Tag, so dass ich mich nun hin-       denn -logisch- für medizini-                                lich alle in gutem Zustand und
setze und Euch einen CORONA-Brief schrei-       sche Einrichtungen besteht                                  ohne Intensivpflicht. Fast aus-
ben will. Fast habe ich ein schlechtes Gewis-   Arbeitspflicht, sogar Urlaubs-                              schließlich sind es Menschen,
sen, Ihr sorgt uns um uns, dabei geht es uns    sperre. Und seither tragen wir                              die beim Screening bei der
– im Vergleich zu Euch – sehr, sehr gut!        alle Masken. Meine von vie-                                 Einreise, aufgefallen sind und
                                                len Besuchern immer wieder                                  sofort in Quarantänestationen
Also: Seit etwa 2 Wochen ist das Land in        belächelte EBOLA-Box hat sich                               gebracht wurden, also alles
maximaler Corona-Alarmbereitschaft. Die         bewährt, in der ich Masken, Schutzbrillen,    importierte Fälle, interessanter Weise meist
Schulen und Kirchen wurden geschlossen,         Papierschutzkleider, Handschuhe fürs Erste    aus Dubai! Auch jetzt noch versuchen
Feste und Veranstaltungen verboten, alle        vorbereitet hatte. Doch Nachschub gibt        Rwandesen im Ausland auf jeden erdenkli-
Medien und wir, bei täglichen Infostun-         es keinen. Unsere Näherin fertigt inzwi-      chen Weg zurück ins Land zu kommen, bei
den vor den Patienten, ermahnen zu „sozial      schen dekorative Mundschutze an, auch         uns vor allem über die grüne Grenze aus
distance“, „Händewaschen“ und so weiter.        das dank der Stoffreste, Faden und Bänder     Burundi. Sie werden ebenso sofort in Qua-
Doch zunächst wurde es von der Bevöl-           aus Oma Gerda`s Container. Anfang der         rantänestationen „eingesperrt“, für mindes-
kerung wenig ernst genommen: unsere             Woche hatten wir noch viele Patienten,        tens 14 Tage. Bis gestern waren es 50 Infi-
„Handwashing-stations“ hatten abends            wie immer, doch in den letzten Tagen, mit     zierte. Jeden Abend erwarten wir gespannt
noch so viel Wasser im Eimer wie morgens        zunehmenden Kontrollen auf den Straßen        das neue Update vom Ministerium. Keiner
-also keiner wusch die Hände-, man saß          und Wegen, nimmt ihre Zahl deutlich ab.       traut sich irgendeine Zahl vorher zu veröf-
immer auf Tuchfühlung, wie es offensicht-       Wer ertappt wird, kommt ins Gefängnis. So     fentlichen, da auf falschen Infos und Panik-
lich hier zum Wohlfühlen gehört. Als erstes     haben auch unsere lokalen Händler wenig       mache strengste Strafen verhängt wurden.
– auch als mehr und mehr in Gespräch kam,       Mut, auf den Großmärkten einzukaufen,         Da ja auch in Kigali „ville morte“ ist, haben
dass der Flugverkehr eingestellt werden         und wie normal, mit einem Lastwagen           all die kleinen Straßenhändler, Motota-
sollte – verließen alle Besucher und Expats     voll Lebensnotwendigem nach Gikonko           xis, Taschendiebe, Gelegenheitsarbeiter
das Land. Der Preis für ein Ticket nach Euro-   zurück zu kommen. Es ist absehbar, dass       und so keine Arbeit mehr, kein Geld und
pa verdreifachte sich in wenigen Stunden:       bald Seife und Waschpulver fehlt, WC-         somit Hunger. Auch sie erinnern sich an ihr
3.800 €. Die Botschaft schickte immer neue      Papier (wie bei Euch), Mehl und Zucker,       Zuhause auf dem Land, und schlagen sich
Updates über die letzte Flugmöglichkeit.        Batterien für Taschenlampe und Radio.         zu Fuß bis Gikonko durch.
Sie mühte sich, ja jeden ins „sichere“ Europa   Auch wir stellen zunehmend auf unsere
zu bringen. Ob ich auch ein Ticket wollte:      Gartenkost um, auch wenn unser Vorrat         Gestern brach dann kurzfristig Panik aus.
nein, eigentlich nicht – und ein Freund und     noch einige Wochen reichen wird.              Man wollte die ja jetzt verwaiste Sekun-
Bekannter nach dem anderen reisten ab.                                                        darschule mit Internat zu einer Quaran-
                                                Für das Krankenhaus hatte ich – in weiser     tänestation umbauen, und wir sollen die
Am 20.3.20 wurde dann der Flughafen             Voraussicht- vorgesorgt: hatte noch 700l      Verantwortung für die medizinische Über-
geschlossen. Gleichzeitig wurde ein Shut-       Diesel für den Generator gekauft, ein Auto    wachung haben. So verbrachte ich den Tag
down verhängt: nur noch Lebensmittellä-         bis unters Dach Medikamente in Kigali         in Planungsgesprächen: wo bringt man
den oder Apotheken dürfen offen haben.          eingekauft. Einzig knapp blieb das Wasch-     wen unter, wer ist für Sicherheit oder Ver-
Betriebe, öffentliche Stellen, Verwaltung,      pulver, aber da habe ich mich inzwischen      pflegung zuständig, was wird gebraucht:
Banken sollen von zu Hause aus arbei-           mit einem Händler in Butare arrangiert. Wie   Decken, Geschirr, Handtücher, Hygienear-
ten. Wer auf der Straße angehalten wird,        lange die Medikamente reichen, wird sich      tikel, Masken und so weiter. Gegen Ende
muss sich ausweisen, wohin er will. Per         zeigen – sicher nicht mehr als 3 Wochen…      des Tages war dann klar, dass Gikonko erst

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CORONA

mal noch nicht drankommt, dass man                                                      onssicherer Kommunikation via Internet
erst mal die Menschen in einer anderen                                                  grüße ich Euch ganz herzlich, auch wir sor-
Schule sammelt und überwacht, uff…                                                      gen uns um Euch
Aber kommen wird das sicher noch. So                                                    Eure Uta
bereiten wir uns darauf vor: Die politische
Gemeinde verspricht zwar Hilfe für Laken,                                               PS: Eben kommt die Nachricht: heute 4 neue
Decken, Seife und weiteres, doch ich zweif-                                             positive Teste in Rwanda, total 54 … Aber
le sehr. Selbst wenn sie es ernst meinten,                                              was ist das im Vergleicht zu den Tausenden
es gibt derzeit keine Großeinkäufe mehr,                                                von Toten in Europa und Amerika …
kein Nachschub aus Asien oder Dubai. So
lege ich aus unseren Reserven alles bereit:                                             Nachtrag vom 10.5.2020
Laken, Handtücher, Schutzkittel, Desinfek-                                              Inzwischen sind die positiv getesteten Fälle
tionsmittel, die uns unsere Freunde aus                                                 auf 284 angestiegen, mehrheitlich in Kiga-
Tirschenreuth schickten oder Besucher in                                                li beziehungsweise an den Einfallsstraßen
den letzten Wochen mitbrachten – GANZ,                                                  der Überlandstraßen, die alle mit geringer
GANZ LIEBEN DANK. Das rettet uns gerade          Patienten beim Fieber messen.          Symptomatik in einem Krankenhaus über-
jetzt!                                                                                  wacht werden. Das Tragen von Gesichts-
                                                                                        masken ist inzwischen Pflicht, dafür ist
Also Ihr seht, es geht uns außer einer gewis-                                           der Radius der Bewegungsfreiheit etwas
sen Anspannung ganz gut: wir tragen                                                     erweitert worden. Unser Krankenhaus läuft
Masken, überwachen unsere 50 Straßen-                                                   auf Sparflamme. Außer die chronischen
jungen aus Kigali täglich zweimal, bereiten                                             Kranken (Asthma, Hypertonus, Diabetes,
uns mental und mit unseren Vorräten auf                                                 Epilepsie und psych. Erkrankungen), die
einen eventuellen Einsatz vor, haben auch                                               Ihre Rendez-vous sehr ernst nehmen, kom-
ab und zu Alpträume, aber betroffen sind                                                men wenig Patienten. Sie trauen sich nicht
wir noch nicht. Fast scheint mir, dass viele                                            zu kommen, finden kein Motorrad Taxi und
afrikanische Staaten aus den Erfahrungen                                                schon gar keine Träger. Wenn sie dann
in Europa lernten: die Grenzen rechtzeitig                                              kommen, dann spät oder zu spät. Corona
schlossen, Infizierte und Risikopersonen                                                wird wohl mehr Opfer unter den Nicht-
rigoros in Quarantäne stecken und damit                                                 Corona-Patienten fordern als unter den
bisher Schlimmes abwendeten. Bleibt zu                                                  Corona-positiven. Inzwischen haben wir
hoffen, dass es gelingt. Viele von Euch fra-                                            auch unseren chirurgischen Betrieb wieder
gen besorgt, wie sie uns helfen können:                                                 aufgenommen, sonst wird uns zu langwei-
                                                 Noch verfügen wir über Schutzmasken.
eigentlich gar nicht: Masken habt Ihr selber                                            lig. Abwechslung bringt immer wieder die
nicht und außerdem gibt es keinen Trans-                                                Hotline 114, wo man sich bei entsprechen-
port. Geldtransfers sind fast eingestellt.                                              den Beschwerden melden kann. Sofern
Selbst das bezahlen der Gehälter nächste                                                der Anruf aus unserer Zone kommt, muss
Woche wird schwierig. Und eigentlich geht                                               ich umgehend einen Hausbesuch machen
es uns ja noch viel, viel besser als Euch. –                                            und klären, ob ein reeller Verdacht besteht.
Über einen gelegentlichen Mutmacher                                                     Bisher war es nur Fehlalarm: Erschöpfung
Gruß freuen wir uns trotzdem. Sorgen wir                                                und Fieber nach drei bis vier Tagen Fuß-
uns gemeinsam um die Zukunft unseres                                                    marsch von Kigali nach Hause, ohne Essen,
Planeten, ein besonderes Fastenopfer und                                                Übernachtung im Freien. Aber für mich ist
Kreuz in dieser Zeit. Vielleicht hilft es uns,                                          es eine willkommene Gelegenheit raus zu
uns nicht mehr um uns selber zu drehen,                                                 kommen, wenn gleich auch mit Polizeies-
uns ums Wesentliche zu sorgen, wieder                                                   korte.
den Wert von Mitmenschlichkeit, Freund-                                                 Kurz: bisher wurde Ruanda weitgehend
schaft, Achtsamkeit zu entdecken und                                                    von Corona verschont. Die strengen und
schätzen. Und beten wir, dass wir bald wie-                                             rechtzeitigen Maßnahmen zu einem gene-
der ein erlöstes, österliches Halleluja sin-                                            rellen Shutdown hat sicher Corona einge-
gen können UND dass wir diese Erfahrung          Der frühe Shutdown in Ruanda scheint   dämmt, wenn es auch andere Side-effects
nicht so schnell vergessen. Dank infekti-        seine Wirkung zu zeigen.               mit sich brachte.

                                                                                                       RUANDA REVUE · 01/2020    17
P R O J E K TA R B E I T

                                         Erste Premium-
                                          Wanderwege
                                                  Text und Fotos von Achim Laub,
                           früherer Leiter des Projektbüros der Premium-Wanderregion Saar-Hunsrück

Im Rahmen einer rheinland-pfälzischen
Wirtschaftsdelegation unter Leitung des
zuständigen Fachministers Dr. Volker Wis-
sing im Jahr 2018 in Ruanda wurde auch
über Tourismus gesprochen, denn Ruan-
da möchte in den nächsten Jahren den
Tourismus zu einem der wichtigsten Wirt-
schaftsfaktoren ausbauen. Als Teilnehmer
der Delegation verwies Dr. Walter Bersch,
Bürgermeister von Boppard, auf die guten
Erfahrungen mit dem Saar-Hunsrück-
Steig und den Traumschleifen. So wurde
ich in meiner Funktion als früherer Leiter
des Projektbüros der Premium-Wander-
region Saar-Hunsrück über die in Bonn
ansässige Organisation „Senior Experten
Service“ nach Ruanda entsendet. Nach          Feierliche Eröffnung des ersten touristischen Premium-Wanderwegs durch Rosemarie
                                              Mbabazi, Ministerin für Tourismus und Kultur mit rund 400 Gästen.
einem ersten Arbeitsaufenthalt im Febru-
ar 2019 wurden im Rahmen des zweiten
Einsatzes Anfang Dezember die ersten          Nyanza als Ausgangspunkt für                  net von unzähligen kleinen Gehöften, wo
touristischen     Premium-Wanderwege          attraktive Wanderungen                        jeweils eine Familie Ackerbau – vor allem
durch Rosemarie Mbabazi, Ministerin für       Robert Masozera, Direktor der Museen in       Bananen, Gemüse – und Viehzucht – vor
Tourismus und Kultur, feierlich eröffnet.     Ruanda, entwickelte die Idee, die Muse-       allem Ziegen und Hühner – hauptsäch-
                                              umslandschaft mit hochwertigen Wander-        lich zum Eigenbedarf betreibt. Innerhalb
Optimale Voraussetzungen für                  wegen noch besser für den Tourismus zu        kurzer Zeit wurden detaillierte Strecken-
Wander-Tourismus                              erschließen und so die bisher recht kurze     führungen für drei Premiumwege gefun-
In Ruanda ist eine Aufbruchsstimmung          Aufenthaltsdauer der Gäste zu erhöhen.        den. Mit aktiver Unterstützung des Teams
angesichts der allgemeinen Entwicklung        Mein Auftrag bestand darin, zusammen          der „National Museums of Rwanda“ und
unübersehbar. Die Zahl der Touristen          mit den lokalen Mitarbeitern der ruandi-      der Gesellschaft für Internationale Zusam-
steigt nicht nur aufgrund des Gorilla-Tou-    schen Museumsorganisation in Nyanza           menarbeit (GIZ) wurden die ersten Wege
rismus stetig an. Die Infrastruktur entwi-    touristische Wanderwege zu entwickeln.        fertiggestellt und anschließend von Klaus
ckelt sich gut, das Land ist sicher, sauber   Nyanza war bis zum Jahr 1950 die Haupt-       Erber, dem Vorsitzenden des Deutschen
– Plastik ist seit Jahren verboten – und      stadt des Königreichs Ruanda. Es gibt dort    Wanderinstituts als Premiumwege mit
die Entfernungen zwischen den touristi-       mehrere ehemalige Königspaläste, ein          Spitzenergebnissen zertifiziert. Alle Wege
schen Zielen sind überschaubar. Ruanda        Mausoleum, in dem die letzten Könige          sind wie die Premiumwege in Europa
ist aufgrund seines ganzjährig günstigen      begraben sind, sowie eine interessante        „unverlaufbar“ beschildert und mit Portal-
Klimas mit Temperaturen zwischen 20           Museumslandschaft, in der die royale          tafeln, Ruhebänken und Wegweisern aus-
und 30 Grad in einer sehr grünen gebir-       Geschichte Ruandas anschaulich vermit-        gestattet. Insgesamt wurden 300 Pfosten
gigen Landschaft in einer Durchschnitts-      telt wird. Zudem liegt Nyanza in einer sehr   mit Markierungsschildern gesetzt. Auch
höhe von über 1.500 Metern optimal zum        grünen, hügeligen, landwirtschaftlich         die dauerhafte Qualitätssicherung ist
Wandern geeignet.                             geprägten, aber zugleich dicht besiedel-      durch den regelmäßigen Einsatz von zwei
                                              ten Region. Die Region ist gekennzeich-       zuständigen Mitarbeitern garantiert.

18   RUANDA REVUE · 01/2020
P R O J E K TA R B E I T

Eine der zahlreichen Aussichten am Big-View-Trail.

„Royal-Trail“ und „Big-View-Trail“              den entfernten Nyungwe-Nationalpark               Der besondere und einmalige
Der elf Kilometer lange „Royal-Trail“ ist mit   mit seinen ausgedehnten ursprünglichen            Reiz der Wege besteht darin,
einer perfekten Anbindung aller royalen         Regenwäldern und 13 Wanderrouten ist              dass die Wanderer neben
Einrichtungen und einer abwechslungs-           so ein Angebot für einen erlebnisreichen          attraktiver Natur und Kultur
reichen Streckenführung der Leitweg.            Wanderurlaub vorhanden.                           ein authentisches ländliches
Der neun Kilometer lange „Big-View-Trail“       Weitere Informationen über die Premi-             Leben und Arbeiten ohne die
führt auf einen Berg, der eine Rundum-          umwege: www.wanderinstitut.de und                 sonst üblichen touristischen
sicht auf das halbe Land bietet. Beide          www.museum.gv.rw, der Homepage der                Inszenierungen erleben
Wege starten und enden an den beiden            Museen, sowie unter www.rwandatou-                können.
großen Hotels in Nyanza und bieten Gas-         rism.com
tronomie an den Wegen. Der besondere
und einmalige Reiz der Wege besteht
darin, dass die Wanderer neben attrak-
tiver Natur und Kultur ein authentisches
ländliches Leben und Arbeiten ohne die
sonst üblichen touristischen Inszenierun-
gen erleben können.

„Gatagara-Trail“ und „Heavens-Trail“
Im nächsten Schritt werden der 16 Kilo-
meter lange Gatagara-Trail und der sie-
ben Kilometer lange Heavens-Trail fer-
tiggestellt und zertifiziert. Beide Wege
ergänzen perfekt das Angebot der ersten
Wege. Nyanza wird dann als erste Region
in Afrika über ein touristisch hoch attrak-
tives Angebot an Premiumwegen verfü-            Der Royal-Trail führt auch am Kings-Palace-Museum vorbei, dem Sitz der Könige von
gen. Zusammen mit dem zwei Autostun-            Ruanda.

                                                                                                         RUANDA REVUE · 01/2020     19
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