Berufsausbildung in der Krise? - Ein kurzer Faktencheck - Hannover, den 28. Mai 2015
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Hannover, den 28. Mai 2015 Dr. Joachim Gerd Ulrich Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn Berufsausbildung in der Krise? Jahresforum 2015 Ein kurzer Faktencheck |1
Berufsausbildung in der Krise? Ein kurzer Faktencheck Welche Auswirkungen Droht eine Erosion hat die demografische der dualen Entwicklung? Berufsausbildung? Was kann eine Befördern intensivierte Passungsprobleme Berufsorientierung die Erosionsgefahr? leisten? |2
Entwicklung der Zahl der Lebendgeburten 1946 bis 2012 und der Zahl der Schulabgänger 1992 bis 2025 (mit Schätzungen ab 2014/2015) Zahl der Lebendgeburten Abgänger und Absolventen aus allgemeinbildenden Schulen 1.400.000 900.000 1.300.000 800.000 1.200.000 700.000 714.800 1.100.000 600.000 2005 449.600 2025 1.000.000 500.000 400.000 nicht 900.000 studien- 300.000 800.000 berechtigt 200.000 700.000 100.000 studienberechtigt 600.000 0 1946 1952 1958 1964 1970 1976 1982 1988 1994 2000 2006 2012 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 |3 Quellen: StBA, BIBB, KMK
Erosion der dualen Berufsausbildung? Ausbildungsinteressierte Personen Neue Ausbildungsverträge 1.050.000 640.000 1.000.000 620.000 950.000 600.000 900.000 580.000 850.000 560.000 800.000 540.000 bei ab 2014 bei ab 2014 konstantem 750.000 konstantem Angebot bei ab 2014 jährlich um 1% Angebot 520.000 sinkendem Angebot 700.000 500.000 bei ab 2014 jährlich um 1% 650.000 480.000 sinkendem Angebot Regressionsanalytische Schätzung anhand der Zahlen Regressionsanalytische Schätzung anhand der Zahlen 600.000 a) der nichtstudienberechtigten Schulabgänger 460.000 a) der ausbildungsinteressierten Personen b) der Studienberechtigten Schulabgänger c) der Ausbildungsplatzangebote b) der Ausbildungsplatzangebote 550.000 440.000 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 2016 2019 2022 2025 2010 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2013 2016 2019 2022 2025 Die quadratischen Markierungen informieren über die Ist-Werte der Jahre 1992 bis 2014, die Linien über die Schätzungen anhand der Prädiktoren. |4 Quelle: Matthes/Ulrich (2015)
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials Saldo der Zu- und Abgänge 2012 bis 2030 (in Tausend) 12.000 Drohender Arbeitskräfteengpass u.a.: • bearbeitende, verarbeitende und Abgänge instandsetzende Berufe 10.000 10.458 • Gesundheits- und Sozialberufe, Körperpfleger • Gastronomie- und Reinigungsberufe 8.000 Zugänge 7.554 6.000 Abgänge Zugänge 4.771 Zugänge 4.000 Abgänge Abgänge 3.107 2.000 2.218 Zugänge Abgänge Zugänge 1.724 1.610 1.450 0 ohne abgeschlossene mit abgeschlossener Fachschule, Meister, akademischer Berufsausbildung Berufsausbildung Techniker Abschluss |5 Quelle: BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen (vgl. Maier et al. 2014)
Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt 37.100 „Die aktuelle Ausbildungsmarktsituation ist durch zwei 33.700 scheinbar widersprüchliche Entwicklungen 33.300 gekennzeichnet. 29.700 • Auf der einen Seite haben Betriebe zunehmend Schwierigkeiten, ihre angebotenen Ausbildungsstellen 2011 2012 2013 2014 zu besetzen. • Auf der anderen Seite gibt es immer noch zu viele junge Menschen, denen der Einstieg in die Ausbildung nicht unmittelbar gelingt. 568.600 558.600 Die Stellenbesetzungsschwierigkeiten haben sich 541.600 gegenüber dem Vorjahr weiter verschärft. 539.200 Passungsprobleme am Ausbildungsstellenmarkt stellen somit eine der zentralen Herausforderungen der 83.600 81.200 nächsten Jahre dar.“ Berufsbildungsbericht 2013, S. 24. 76.000 72.300 „ … die Passungsprobleme zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und Unternehmen regional und 2011 2012 2013 2014 berufsspezifisch verringern ...“ Allianz für Aus- und Weiterbildung, Kernpunkte 641.700 627.200 613.100 603.400 |6 Quelle: Matthes/Ulrich (2014)
Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt Zusammensetzung der zum Stichtag 30.09. noch suchenden Bewerber nach Schulabschluss 100% 5,1 3,1 2,9 2,9 2,8 6,0 7,5 9,0 10,4 10,6 90% 11,5 13,5 80% 14,6 14,7 14,9 Keine Angabe 70% Allgemeine Hochschulreife 60% Fachhochschulreife 41,8 41,7 40,7 40,8 50% 40,7 Realschulabschluss 40% Mit Hauptschulabschluss 30% Kein Hauptschulabschluss 20% 33,4 32,1 30,7 29,5 29,3 10% 2,3 2,0 2,0 1,8 1,7 0% 2010 2011 2012 2013 2014 |7 Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Ausbildungsmarktstatistik zum 30. September; eigene Darstellung
Anteile erfolgloser Marktteilnahmen 2014 a) Anteile unbesetzter betrieblicher Angebote b) Anteile erfolgloser Ausbildungsplatznachfrage r = ,332 bis 3% 3 - 6% 6 - 9% 9 - 12% 12 - 15% 15 - 18% 18 - 21% 21 plus% bundesweit: 6,9% bundesweit: 13,5% |8 Quelle: Matthes et al. (2015)
Basaler Versorgungsgrad 31.12.2013 und Angebots-Nachfrage-Relation 30.09.2014 im Vergleich Basaler Versorgungsgrad: Ausbildungsplätze vor Ort in Relation Angebots-Nachfrage-Relation: Ausbildungsplatzangebote vor Ort in zu den Auszubildenden, die am selben Ort wohnen Relation zur Zahl aller Ausbildungsplatznachfrager Legende: = weit unterdurchschnittlich (Werte des ersten Quintils) = unterdurchschnittlich (Werte des zweiten Quintils) = durchschnittlich (Werte des dritten Quintils) = überdurchschnittlich (Werte des vierten Quintils) = weit überdurchschnittlich (Werte des fünften Quintils) |9 Quellen: BA, BIBB
Anteile erfolgloser Ausbildungsplatznachfrager 2014 Regionale Querschnittsperspektive: N = 154 Arbeitsagenturbezirke 30,0% Anteil der erfolglosen 25,0% R² = 0,7698 20,0% Nachfrager 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% 70,0 75,0 80,0 85,0 90,0 95,0 100,0 105,0 110,0 115,0 120,0 125,0 130,0 Zahl der Ausbildungsangebote je 100 Ausbildungsplatznachfrager | 10 Quelle: eigene Berechnungen
Anteile erfolglos angebotener betrieblicher Ausbildungsplätze 2014 Regionale Querschnittsperspektive: N = 154 Arbeitsagenturbezirke 30,0% Quote unbesetzter 25,0% R² = 0,4915 betrieblicher Angebote 20,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% 70,0 75,0 80,0 85,0 90,0 95,0 100,0 105,0 110,0 115,0 120,0 125,0 130,0 Zahl der Ausbildungsplatznachfrager je 100 Ausbildungsplatzangebote | 11 Quelle: eigene Berechnungen
Erfolglose Marktteilnahmen 2014 nach Berufen Ausbildungsplatz- Anteile erfolgloser Marktteilnahmen (in %) Betriebliche Angebote nachfrage Quote unbesetzter Quote erfolgloser total unbesetzt total erfolglos Angebote Nachfrage Berufe mit Besetzungsproblemen Restaurantfachmann/-frau 4.938 1.698 3.600 303 34,4 8,4 Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk 11.016 3.309 8.343 459 30,0 5,5 Klempner/-in 600 168 450 12 28,0 2,7 Fleischer/-in 2.094 573 1.674 99 27,4 5,9 Fachmann/-frau für Systemgastronomie 2.571 696 1.971 87 27,1 4,4 Bäcker/-in 3.717 963 3.081 240 25,9 7,8 Drogist/-in 1.761 420 1.545 201 23,9 13,0 Tierwirt/-in 528 117 444 30 22,2 6,8 Koch/ Köchin 11.745 2.307 10.827 1.032 19,6 9,5 Gebäudereiniger/-in 1.446 273 1.266 72 18,9 5,7 Berufe mit Versorgungsproblemen Gestalter/-in für visuelles Marketing 582 12 1.155 573 2,1 49,6 Tierpfleger/-in 597 3 1.194 582 0,5 48,7 Mediengestalter/-in Bild und Ton 630 24 1.080 477 3,8 44,2 Sport- und Fitnesskaufmann/-frau 1.938 75 2.856 972 3,9 34,0 Mediengestalter/-in Digital und Print 3.285 84 4.734 1.470 2,6 31,1 Fotograf/-in 693 39 960 297 5,6 30,9 IT-System-Elektroniker/-in 1.761 48 2.388 657 2,7 27,5 Tiermedizinischer Fachangestellter/-e 2.133 66 2.850 780 3,1 27,4 Veranstaltungskaufmann/-frau 1.908 36 2.571 681 1,9 26,5 Biologielaborant/-in 525 3 696 174 0,6 25,0 Florist/-in 1.161 78 1.545 384 6,7 24,9 | 12 Quellen: BA, BIBB, eigene Berechnungen
Ein allgemeines Motivationsmodell Verhalten als ein Produkt der Höhe des Anreizes (A) und seiner Realisierungswahrscheinlichkeit (p) V=A•p Demnach müssten jene Berufsabschlüsse nachgefragt werden, die hohe Anreize bieten und bei denen eine angetretene Ausbildung zugleich mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich zum Abschluss geführt werden kann. | 13
Varianz in den Ausbildungsbedingungen in den Berufen hier am Beispiel der Ausbildungsvergütung und Realisierungswahrscheinlichkeit 1.000 € Höhe der Ausbildungsvergütung 950 € Mediengestalter/-in R² = 0,2633 Digital und Print Biologielaborant/-in 900 € Bürokaufmann/-frau 850 € Tierpfleger/-in 800 € Gestalter/-in für visuelles Marketing 750 € Gebäudereiniger/-in 700 € Restaurant- Fachmann/-frau Systemgastronomie fachmann/-frau 650 € Koch/Köchin Mediengestalter/-in Bild und Ton Fleischer/-in 600 € Klempner/-in Fachverkäufer im LM-Handwerk Florist/-in 550 € 500 € Bäcker/-in Raumausstatter/-in 450 € 400 € 40% 45% 50% 55% 60% 65% 70% 75% 80% 85% 90% 95% 100% Wahrscheinlichkeit, dass der Ausbildungsvertrag erfüllt wird | 14 Quellen: BIBB, Datenreport zum Berufsbildungsbericht
Berufskonzepte von Ausbildungsstellenbewerbern hier: Konzepte von den Berufen Bäcker/-in und Mediengestalter/-in Digital und Print Bäcker/-in 41% Ich hätte Chancen, in diesem Beruf eine Lehrstelle zu finden Mediengestalter/-in 23% Bäcker/-in 6% Ich hätte in diesem Beruf ein hohes Einkommen Mediengestalter/-in 41% Bäcker/-in 10% Der Beruf käme bei meinen Freunden gut an Mediengestalter/-in 45% Bäcker/-in 15% Es würde meiner Familie gefallen, würde ich diesen Beruf erlernen Mediengestalter/-in 38% Bäcker/-in 5% Könnte mir vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten Mediengestalter/-in 24% 0% 10% 20% 30% 40% 50% | 15 Quelle: BA-BIBB-Bewerberbefragung 2014
Einflüsse auf eine Bereitschaft, eine Tätigkeit in den Berufen Bäcker/-in und Mediengestalter/-in Digital und Print in Betracht zu ziehen „Könnte mir vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten“ Mediengestalter/-in Bäcker/-in Digital und Print Schlechte Chancen in anderen Berufen vermutet, die einem gut gefallen -,008 +,197 ** Schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt generell vermutet ,007 +,180 ** Haltung herrscht vor: Lieber eine Lehrstelle in irgendeinem Beruf als gar keine +,214 *** -,030 Berufliche Ansprüche und Erwartungen im Gegensatz zu früher gesunken +,164 * ,064 Intensität der Berufsorientierung* ,051 -,035 * Operationalisiert über die Anzahl der Teilnahmen an folgenden Maßnahmen: a) ein Berufsberater besuchte die Klasse, b) Einzelgespräche mit einem Berufsberater, c) Besuch eines Berufsinformationszentrums, d) Berufswahlpass, e) Klasse besuchte Betriebe, f) Einzelgespräche mit Lehrern/Sozialpädagogen g) Besuch von Berufsmessen und Lehrstellenbörsen, h) Berufseinstiegsbegleiter (Mentor/Lotse), i) öfter Berufswahlgespräche mit Freunden, j) öfter Gespräche mit den Eltern, k) Teilnahme in der Schule an beruflichen Eignungstests Maximales n = 588 Bewerber. Alle Berechnungen unter Kontrolle des Geschlechts, eines möglichen Migrationshintergrundes und der Höhe des Schulabschlusses. | 16 Quelle: BA-BIBB-Bewerberbefragung 2014
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Für Rückfragen Dr. Joachim Gerd Ulrich Tel.: 0228/107-1122 Bundesinstitut für Berufsbildung Fax: 0228/107-2955 Robert-Schuman-Platz 3 ulrich@bibb.de 53175 Bonn Literaturhinweise www.bibb.de Dummert, Sandra; Frei, Marek; Leber, Ute (2014): Berufsausbildung in Deutschland. Betriebe und Bewerber finden schwer zusammen, dafür sind Übernahmen häufiger denn je. IAB-Kurzbericht, 20/2014 Eberhard, Verena; Scholz, Selina; Ulrich, Joachim Gerd (2009): Image als Berufswahlkriterium. Bedeutung für Berufe mit Nachwuchsmangel. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 38 (3). S. 9-13. Handwerkskammer der Pfalz (2014): Fachkräfte- und Nachwuchssicherung durch Qualität in der beruflichen Bildung. Kaiserslautern: HWK der Pfalz. Helmrich, Robert; Troltsch, Klaus (2015): Ausbildungs-Mismatch heute - Fachkräfteengpässe morgen und übermorgen. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2015. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bielefeld: W. Bertelsmann. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2014): Wachsende Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 43 (1). S. 5-7. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd; Krekel, Elisabeth M.; Walden, Günter (2014): Wenn Angebot und Nachfrage immer seltener zusammenfinden. Wachsende Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt: Analysen und Lösungsansätze. Bonn: BIBB. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2015a): Warum gibt es wieder mehr erfolglose Ausbildungsplatznachfrager? WSI-Mitteilungen, 65 (2). S. 108-115. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2015b): Einflüsse des demografischen Wandels auf die Chancen und Risiken Jugendlicher beim Übergang Schule – Berufsausbildung. In: Schlemmer, Elisabeth; Kuld, Lothar; Lange, Andreas (Hrsg.): Jugend und Demografie – Chancen und Risiken für Berufswahl, Familien- und Lebensplanung. Stuttgart: Beltz Juventa. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd (2015c): Mobilität von Auszubildenden. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2015. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. (S. 70-74). Bielefeld: W. Bertelsmann. Matthes, Stephanie; Ulrich, Joachim Gerd; Flemming, Simone; Granath, Ralf-Olaf (2015): Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2014. Duales System vor großen Herausforderungen. Bonn: BIBB. Schier, Friedel; Ulrich, Joachim Gerd (2014): Übergänge wohin? Auswirkungen sinkender Schulabgängerzahlen auf die Berufswahl und Akzeptanz von Ausbildungsangeboten. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 110 (3). S. 358-373. | 17
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