"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform

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"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN

„Brüsseler Spitzen“: Europäische Impulse
für eine EEG-Reform
Moritz Bonn, Nadine Heitmann, Götz Reichert und Jan S. Voßwinkel

Die Diskussion um das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kann nicht ohne Beachtung seiner europarechtlichen
Rahmenbedingungen geführt werden: Im November 2013 präsentierte EU-Energiekommissar Günther Oettinger Leitlinien
für staatliche Eingriffe in den Stromsektor, die Prinzipien für die Förderung erneuerbarer Energien (EE) durch die EU-Mit-
gliedstaaten formulieren. Zudem bereitet EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia derzeit Leitlinien für staatliche Bei-
hilfen im Umwelt- und Energiesektor vor, die auch detaillierte Vorgaben für die staatliche Förderung erneuerbarer Energien
enthalten sollen. Vor diesem Hintergrund wird die dabei zugrundeliegende energiepolitische Konzeption der Europäischen
Kommission deutlich, die für die Reform des EEG in Deutschland relevant sein wird.

Schlaglichtartig wurde die Bedeutung eu-
ropäischer Vorgaben für das Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG) [1] offenbar, als
mitten aus den Koalitionsverhandlungen
heraus der damalige Bundesumweltmi-
nister Peter Altmaier und NRW-Minister-
präsidentin Hannelore Kraft nach Brüssel
reisten, um bei EU-Wettbewerbskommissar
Almunia um Verständnis für die Teilbefrei-
ung stromintensiver Unternehmen von der
EEG-Umlage zu werben („Besondere Aus-
gleichsregelung“, §§ 40 ff. EEG). Dennoch
hat die Generaldirektion Wettbewerb der
Europäischen Kommission am 18.12.2013
ein Beihilfeprüfverfahren zu der Frage
eingeleitet, ob diese Privilegierungen mit
dem EU-Beihilferecht in Einklang stehen
(Art. 107 ff. AEUV [2]). Im Extremfall könn-
ten die bislang privilegierten Unternehmen
zur Rückzahlung eingesparter Beträge ver-
pflichtet werden – für viele von ihnen ein                 Eine deutliche Reduzierung der Förderkosten in Deutschland ist durch die derzeit erkennbaren
                                                          Reformansätze vorerst nicht zu erwarten                                Creativa | Fotolia.com
existenzbedrohendes Szenario.

Darüber hinaus bereitet die Generaldirekti-       einer künftigen Reform des EEG insgesamt             EU-Mitgliedstaaten zwar nicht verbindlich.
on Wettbewerb Leitlinien vor, nach denen sie      an die wettbewerbsrechtlichen Vorgaben aus           Energiekommissar Oettinger hat jedoch klar-
von 2014 bis 2020 die Vereinbarkeit staatli-      Brüssel gebunden.                                    gestellt, dass sie in Form „bewährter Prak-
cher Beihilfen im Umwelt- und Energiesek-                                                              tiken“ („best practices“) die grundlegenden
tor mit dem EU-Wettbewerbsrecht beurteilen        Brüssel setzt auf                                    Prinzipien für die Ausgestaltung nationaler
will („Beihilfe-Leitlinien“) [3]. Hierzu sollen   „best practices“                                     EE-Förderregeln formulieren, die auch für
erstmals EU-weit einheitliche Kriterien für                                                            deren beihilferechtliche Beurteilung rich-
die beihilferechtliche Bewertung nationaler       Welche konzeptionellen Erwägungen dabei              tungsweisend sind.
Regelungen zur EE-Förderung festgelegt            die Europäische Kommission generell ver-
werden. Sollte sich Wettbewerbskommissar          folgt, lässt sich bereits heute aus der am           Daher ist gerade mit Blick auf die aktuelle
Almunia mit seiner umstrittenen [4] und           5.11.2013 von EU-Energiekommissar Gün-               Diskussion um die Weiterentwicklung der
von früherer Rechtsprechung zu EEG-Vor-           ther Oettinger veröffentlichten Mitteilung            Beihilfe-Leitlinien eine Analyse der EE-
gängerregelungen [5] abweichenden Ansicht         zu staatlichen Eingriffen in den Stromsek-            Leitlinien und ihrer Relevanz für eine „eu-
durchsetzen, dass das EEG bzw. die Entlas-        tor [6] und insbesondere den begleitenden            roparechtskonforme“ Weiterentwicklung
tung stromintensiver Unternehmen als              Leitlinien zu Fördersystemen für erneuer-            des EEG – wie sie im Koalitionsvertrag von
staatliche Beihilfen einzustufen sind, wäre       bare Energien („EE-Leitlinien“ [7]) erschlie-        CDU, CSU und SPD angekündigt wird [9] –
Deutschland nicht nur hinsichtlich der Be-        ßen [8]. Im Gegensatz zu den künftigen Bei-          lohnend. Hierzu werden im Folgenden zur
sonderen Ausgleichsregelung, sondern bei          hilfe-Leitlinien sind die EE-Leitlinien für die      Einordnung zunächst der EU-Rechtsrahmen

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ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                           ZUKUNFTSFRAGEN

zur EE-Förderung skizziert und anschlie-         einbarkeit mit dem EU-Energiebinnenmarkt        mie kann Schwankungen des Börsenpreises
ßend die wesentlichen Prinzipien der EE-         und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit,        (partiell) ausgleichen und somit die Pla-
Leitlinien vorgestellt, anhand derer schließ-    d. h. eine Beschränkung der Förderung auf       nungssicherheit der Anlagenbetreiber erhö-
lich Anforderungen an eine Reform des EEG        das notwendige Minimum, beachtet werden.        hen. Diese Planungssicherheit führt gegen-
abgeleitet werden können.                                                                        über fixen Einspeiseprämien zu niedrigeren
                                                 Grundsätzlich erkennt die Kommission die        Risikoaufschlägen der Kapitalgeber. Fixe
EU-Rechtsrahmen                                  EE-Förderung als gerechtfertigt an, da bei      Prämien erlauben hingegen eine bessere
                                                 Atom- und fossilen Kraftwerken nicht alle       Kalkulation der Kosten eines Fördersystems
Die Europäische Union verfolgt gemäß             Kosten wie Luftverschmutzung internalisiert     und sorgen dafür, dass Anlagenbetreiber
Art. 194 Abs. 1 lit. c AEUV ausdrücklich         werden, was deren Betreiber gegenüber den       stärker auf Marktpreissignale reagieren.
das Ziel, die Entwicklung erneuerbarer           EE-Erzeugern im Wettbewerb bevorteilt. Sie
Energiequellen zu fördern [10]. Das zentra-      wiederholt allerdings auch ihre bereits 2012    Um Überförderung zu vermeiden, befür-
le Instrument auf EU-Ebene hierzu ist die        geäußerte Forderung, zukünftig die EE-För-      wortet die Kommission eine verstärkte
Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2009/28/         derung „letztendlich“ einzustellen [14]. In     Festlegung der Einspeiseprämien durch
EG [11], die darauf abzielt, den EE-Anteil am    vielen Mitgliedstaaten sieht sie einen Anpas-   Ausschreibungen/Auktionen. Dabei müs-
Gesamtenergieverbrauch der EU bis 2020           sungsbedarf der staatlichen Fördersysteme.      sen potenzielle Investoren Gebote in Höhe
auf mindestens 20 % zu erhöhen [12]. Da                                                          der von ihnen geforderten Einspeiseprämie
das Potenzial für die Nutzung erneuerbarer       Zunächst ist hervorzuheben, dass sich die       abgeben. Die günstigsten der für die Bereit-
Energiequellen und der gewachsene Ener-          Kommission gegen rückwirkende Änderun-          stellung einer bestimmten Strommenge aus-
giemix in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten       gen bestehender Förderregeln ausspricht,        reichenden Gebote erhalten den Zuschlag.
sehr unterschiedlich sind, teilt die Erneu-      da Investoren in erneuerbare Energien
erbare-Energien-Richtlinie das EU-weite          transparente und stabile Rahmenbedingun-        Quotensysteme stellen eine Alternative zu
Ausbauziel in rechtsverbindliche „nationale      gen benötigen. Zudem empfiehlt sie, öffent-       durch Ausschreibungen/Auktionen ermittel-
Gesamtziele“ für die einzelnen Mitglied-         liche Konsultationen durchzuführen, bevor       ten Einspeiseprämien dar, da sie ebenfalls
staaten auf („effort sharing“) [13]. So muss      Änderungen an Förderregeln vorgenommen          durch Wettbewerbsprozesse eine Überförde-
z. B. Deutschland den EE-Anteil bis 2020 auf     werden.                                         rung vermeiden. Bei Quotensystemen müs-
mindestens 18 % steigern.                                                                        sen Energieversorger für einen bestimmten,
                                                 Die Kommission legt sich bei der Wahl des       gesetzlich vorgegebenen Anteil des an End-
Den Mitgliedstaaten steht es grundsätzlich       Förderinstruments nicht auf ein einziges        verbraucher gelieferten Stroms Zertifikate
frei zu entscheiden, wie sie ansonsten ihren     fest [15]. Allerdings sollen in Übereinstim-    vorhalten, die die Produktion von Strom aus
Energiemix gestalten und welche Instru-          mung mit dem Prinzip der Vermeidung             erneuerbaren Energien bestätigen. Da Ver-
mente sie zur EE-Förderung nutzen wollen.        einer Überförderung staatlich festgesetzte      sorger einen Anreiz haben, die Quote mög-
Denkbar sind neben Investitionsbeihilfen         Einspeisevergütungen nur noch bei Tech-         lichst günstig zu erfüllen, sind EE-Erzeuger
sowie Steuererleichterungen insbesondere         nologien während ihrer Einführungsphase         einem wettbewerblichen Kostendruck ausge-
Quotenregelungen, die zur Nutzung erneu-         und bei Kleinanlagen („micro installati-        setzt. Anders als bei Einspeiseprämien sind
erbarer Energiequellen verpflichten, sowie        ons“) eingesetzt werden. In allen anderen       nicht nur die Einnahmen aus dem reinen
Preisstützungssysteme wie Einspeisetarife        Fällen sollten sie sukzessive auslaufen und     Stromvertrieb, sondern auch aus dem Zerti-
(„feed-in tariffs“, FIT) und Einspeise- bzw.      durch Förderinstrumente ersetzt werden,         fikatverkauf unsicher, was die Kapitalkosten
Marktprämien („feed-in premiums“, FIP).          bei denen die EE-Erzeuger zusätzlich zum        der Investoren in solche Anlagen erhöht.
Derzeit setzen die Mitgliedstaaten unter-        Strompreis eine Vergütung pro eingespeis-
schiedliche Kombinationen dieser För-            ter Menge Strom erhalten. Die zusätzliche       Bei neuen Anlagen sollen Kostensenkungs-
derregeln ein, so dass in der EU eine sehr       Vergütung kann z. B. in Form einer Einspei-     potenziale nach Auffassung der Kommission
zersplitterte Förderlandschaft mit jeweils       seprämie oder eines Zertifikatpreises im         bestmöglich genutzt werden. „Automatische
an rein nationalen Interessen orientierten       Rahmen eines Quotensystems erfolgen.            degressive Elemente“ – z. B. in Form von
Fördersystemen entstanden ist.                                                                   automatischen jährlichen Vergütungsanpas-
                                                 Dieser Übergang soll auch dazu dienen, dass     sungen bei Neuanlagen – können Kosten-
EE-Leitlinien der                                der Grad an Marktexposition der erneuer-        reduktionen durch Lernkurveneffekte und
Europäischen Kommission                          baren Energien am Strommarkt mit zuneh-         technologische Innovationen berücksich-
                                                 mendem Anteil an der Stromerzeugung in-         tigen. Das verwendete Fördersystem sollte
In der Mitteilung zu staatlichen Eingriffen in    tensiviert wird, so dass EE-Erzeuger einen      „dynamisch“ angelegt sein und in gewissen
den Stromsektor und den begleitenden EE-         Anreiz bekommen, ihre Produktion stärker        zeitlichen Abständen überprüft und ent-
Leitlinien nennt die Europäische Kommissi-       an Marktsignalen wie dem aktuellen Börsen-      sprechend angepasst werden. Förderinstru-
on Prinzipien, die sicherstellen sollen, dass    preis auszurichten. Je nach gewünschtem         mente mit einem hohen Grad an Marktex-
die EE-Förderung durch die Mitgliedstaaten       Grad an Marktexposition können Einspeise-       position wie Quoten- oder Prämienmodelle
mit den energiepolitischen Zielen der EU im      prämien als fixer oder variabler (gleitender)    auf Basis von Ausschreibungen/Auktionen
Einklang steht. Insbesondere soll die Ver-       Betrag ausgestaltet sein. Eine gleitende Prä-   erfüllen dies automatisch, da in ihrem Rah-

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ZUKUNFTSFRAGEN

men potenzielle Investoren im Wettbewerb                     derung stärker zu europäisieren und die be-                Werden die Merkmale des bestehenden
ihre wahren Kosten offenbaren müssen.                         reits in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie               deutschen EE-Fördersystems sowie die Aus-
                                                             angelegten Mechanismen zur Zusammenar-                     sagen im Koalitionsvertrag den Prinzipien
Die Kommission plädiert dafür, dass durch                    beit mit anderen Mitgliedstaaten (Koopera-                 der EE-Leitlinien gegenübergestellt, ergibt
wettbewerbliche Fördermechanismen ne-                        tionsmechanismen) stärker zu nutzen [16].                  sich die in der Tabelle aufgeführte Beurtei-
ben den Betreibern auch Technologien und                     Insbesondere soll in anderen Mitgliedstaaten               lung.
Standorte stärker im Wettbewerb stehen.                      erzeugter EE-Strom Zugang zu nationalen
Um Überförderung zu vermeiden und um                         Fördersystemen erhalten. Hierzu legt die                   Die EE-Leitlinien enthalten die Empfehlung,
eine angestrebte Diversifizierung der Strom-                  Kommission in weiteren Leitlinien dar, wie                 rückwirkende Maßnahmen zu vermeiden
versorgung aus erneuerbaren Energien zu                      Kooperationsmechanismen effizient und                      und vor Änderungen der Fördersysteme
erreichen, ist laut Kommission auch eine                     standardisiert genutzt werden können [17].                 öffentliche Konsultationen durchzuführen.
technologiespezifische Förderung sachge-                                                                                 Dies entspricht der in Deutschland üblichen
recht, z. B. im Rahmen eines Quotensystems                   Anforderungen an EEG                                       Praxis. Auch der Koalitionsvertrag ver-
in Form paralleler Quoten für verschiedene                   und Koalitionsvertrag                                      weist explizit darauf, dass Bestandsanlagen
Technologien („technology banding“) oder                                                                                Schutz genießen. Zudem besteht in Deutsch-
durch die Zuteilung von Extrazertifikaten                     Ein wesentliches Merkmal der EE-Förde-                     land im Laufe von Gesetzgebungsverfahren
für neue, aber (noch) teurere Technologien.                  rung nach dem EEG sind fixe technologie-                    Gelegenheit zur Beteiligung der Öffentlich-
                                                             spezifische Einspeisetarife, die über einen                 keit, z. B. werden Experten in die zuständi-
Die EE-Leitlinien empfehlen eine EU-weit                     festgelegten Zeitraum von 20 Jahren ge-                    gen Bundestagsausschüsse zur Erörterung
einheitliche Förderdauer, um die Bedingun-                   zahlt werden. Durch dieses System soll der                 eingeladen.
gen für Investoren anzugleichen. Allerdings                  Kostennachteil der erneuerbaren Energien
ist eine anvisierte Förderdauer zwischen                     ausgeglichen und so – mittels technischen                  Die EE-Leitlinien empfehlen den Übergang
zehn und 15 Jahren noch nicht präzise be-                    Fortschritts und Lernkurveneffekten – der                   zu Förderinstrumenten mit einem erhöh-
stimmt. Als Alternative wird die Förderung                   Übergang von Nischen- zu Massentechno-                     ten Grad an Marktexposition und einer
einer begrenzten Anzahl von Volllaststun-                    logien ermöglicht werden. Der im Novem-                    wettbewerbsbasierten Bestimmung der
den angeregt.                                                ber 2013 zwischen CDU, CSU und SPD                         Förderhöhe. Nur noch „Kleinanlagen“ und
                                                             geschlossene Koalitionsvertrag beinhaltet                  Anlagen im frühen Entwicklungsstadium
Um die Kostensenkungspotenziale des Ener-                    Aussagen zur Weiterentwicklung des EEG,                    können auch weiterhin auf Basis einer Ein-
giebinnenmarkts stärker zu nutzen, werden                    die noch einer konkreten Ausgestaltung im                  speisevergütung gefördert werden. Das EEG
die Mitgliedstaaten aufgefordert, die EE-För-                Gesetzgebungsprozess bedürfen.                             steht beim empfohlenen Übergang erst am

 Tab.: Vergleichende Übersicht zwischen EE-Leitlinien, EEG und Koalitionsvertrag
                   Stabile und trans-    Förderinstrument (Markt-         Anpassung an          Standort-            Technologie-             Begrenzung         Europäisie-
                   parente Rahmen-       exposition, Bestimmung           Lernkurveneffekte     neutralität          neutralität              der Förderung      rung
                   bedingungen           der Förderhöhe)                  und Innovationen
 EE-Leitlinien Vermeidung von            Gleitende oder fixe Ein-         Ex-ante definierte    Grundsätzlich       Grundsätzlich Techno-     Förderzeitraum     Förderung
               rückwirkenden Än-         speiseprämien, Quote,            automatische          Standortneutralität logieneutralität, Tech-   10-15 Jahre/       von EE-
               derungen, Öffentli-       Einspeisetarife (nur TF1/KA2);   Überprüfung und                           nologiedifferenzierung    Festlegung         Strom aus
               che Konsultationen        Ausschreibung/Auktion der        Anpassung                                 möglich (Kleinanlagen,    Anzahl Volllast-   anderen Mit-
               vor Änderungen            Förderhöhe                                                                 Markteinführung,          stunden            gliedstaaten
                                                                                                                    „technology banding“)
 EEG               Keine rückwirken-  Einspeisetarif, optionale           Gesetzlich veran-     Grundsätzlich        Technologiespezifi-      Förderzeitraum     Nationales
                   den Änderungen für Direktvermarktung mit glei-         kerte Degression      Standortneutrali-    sche Einspeisever-       20 Jahre           Fördersys-
                   Bestandsanlagen,   tender Marktprämie                  (Offshore/Geother-    tät, standortspe-    gütung                                      tem/Förde-
                   „atmender Deckel“                                      mie bis 2017 ausge-   zifische Einspei-                                                rung nur in
                                                                          nommen)               severgütung bei                                                  Deutschland
                                                                                                Wind (Referenz-                                                  möglich
                                                                                                ertragsmodell)
 Koalitions-       Keine rückwirken-     Verpflichtende Direktver-    Gesetzlich veran-         Standortspezifi-     Technologiespezi-        k. A.              Integration
 vertrag           den Änderungen für    marktung (zunächst für Anla- kerte Degression, ab      sche Einspeisever-   fische Einspeise-                           in Binnen-
                   Bestandsanlagen,      gen > 5MW, spätestens 2017 2018 Ausschreibung          gütung bei Wind      vergütung, ob ab                            markt, eu-
                   Ausbaukorridore,      alle Anlagen) mit gleitender                           (Weiterentwick-      2018 Ausschreibung                          roparechts-
                   „atmender Deckel“     Marktprämie, Einspeisetarife                           lung Referenz-       technologiespezifisch                       konforme
                                         (TF1/KA2); ab 2018 Aus-                                ertragsmodell)       erfolgt bleibt offen                        Ausgestal-
                                         schreibung der Förderhöhe                                                                                               tung
 1
     TF: Technologien im frühen Entwicklungsstadium
 2
     KA: Kleinanlagen

      44                                                                                                ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                           ZUKUNFTSFRAGEN

  Anfang. Anlagenbetreiber haben die Mög-          wird ein Übergang zu einem Ausschrei-          hingegen weder im EEG noch im Koalitions-
  lichkeit, den Strom gegen eine feste Ein-        bungs-/Auktionsverfahren der Förderhöhe        vertrag.
  speisevergütung von den Netzbetreibern           ab 2018 angekündigt, sollte ein für 2016 an-
  abnehmen zu lassen oder diesen direkt zu         visiertes Pilotprojekt erfolgreich sein.       Das EEG ist bis auf den Bereich der Wind-
  vermarkten, wobei sie zusätzlich zu den                                                         energie standortneutral ausgestaltet und
  Einnahmen aus dem Stromverkauf eine              Die empfohlene automatische Anpassung          entspricht insofern weitgehend den EE-Leit-
  „Marktprämie“ vom Netzbetreiber erhalten         der Förderung für Neuanlagen ist bereits in    linien. Die geringere Wettbewerbsfähigkeit
  (§ 33g EEG).                                     Form von Degressionsfaktoren im EEG ver-       von weniger windreichen Standorten wird
                                                   ankert (§ 20 EEG). Diese variieren zwischen    dadurch kompensiert, dass ein höherer Ein-
  Mit der Wahl der Direktvermarktung mit           1 % und 7 % in Abhängigkeit der Techno-        speisetarif (Anfangsvergütung) über einen
  gleitender Marktprämie gehen die Anlagen-        logie, wobei sie für Offshore-Windkraftan-      längeren Zeitraum gegenüber windreiche-
  betreiber ein höheres Risiko ein, da sie un-     lagen und Geothermie erst ab 2018 ange-        ren Standorten gewährt wird (Referenzer-
  ter Umständen an Ausgleichsenergiekosten         wendet werden. Zudem findet im EEG eine         tragsmodell, § 29 i. V. m. Anlage 3 EEG).
  beteiligt werden, wenn sie diese durch eine      automatische Anpassung der Förderung           Der Koalitionsvertrag behält dieses bei,
  fehlerhafte Prognose ihrer Erzeugung im          im Bereich der Solarenergie statt, sobald      allerdings sollen die Einspeisevergütungen
  Rahmen der Direktvermarktung im Bilanz-          im Gesetz definierte Ausbauziele erreicht       für Windanlagen in Abhängigkeit von ihrem
  kreis verursacht haben. Sie können aber je-      werden (sog. „atmende Deckel“) (§§ 20a         Standort überarbeitet werden.
  weils zum Monatsbeginn wieder zurück in          und 20b). Im Koalitionsvertrag (S. 53) wird
  das sichere Einspeisetarifsystem wechseln.       dieser Weg weiterverfolgt. Zusätzlich wird     Ein Technologiewettbewerb ist dem EEG
  Der Koalitionsvertrag (S. 54) geht einen         beim Übergang auf das für 2018 angekün-        derzeit nicht zu bescheinigen, da sich die
  Schritt weiter, indem er für alle Neuanla-       digte Ausschreibungs-/Auktionsmodell die       Höhe der Einspeisetarife zwischen den
  gen ab 5 MW eine Direktvermarktung zur           Anpassung durch den Bieterwettbewerb           Technologien unterscheidet. Das Ziel eines
  Pflicht macht und diese Regelung ab 2017          automatisch erfolgen. Die ebenfalls emp-       breiten Technologiemixes wird dem Ziel
  auf alle Anlagengrößen ausweitet. Zudem          fohlene periodische Überprüfung gibt es        einer kosteneffizienten EE-Förderung vor-

Erdgas speichert man
nicht in Dosen.                                                                                           Wir speichern Erdgas.
                                                                                                          :UM "EISPIEL   -ILLIARDEN
                                                                                                          +UBIKMETER IN 7ESTEUROPAS
                                                                                                          GRͶTEM %RDGASSPEICHER IN 2EHDEN

                                                      $IE SICHERE %RDGASVERSORGUNG IST
                                                      UNSER !UFTRAG $AFÓR BETREIBEN WIR
                                                      EINIGE DER GRͶTEN EUROP»ISCHEN
                                                      %RDGASSPEICHER IN $EUTSCHLAND UND
                                                      ­STERREICH -IT MEHR ALS  *AHREN
                                                      %RFAHRUNG BIETET )HNEN ASTORA INTELLI
                                                      GENTE 3PEICHERLÍSUNGEN DIE OPTIMAL
                                                      ZU )HREM "EDARF PASSEN

                                                      Unser Expertenteam steht Ihnen gerne
                                                      unter 0561 / 301-1433 Rede und Antwort.
                                                      Oder besuchen Sie astora im Internet
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                                                                                                                                                     RLD 
                                                                                                                                         UF DE R % WO
                                                                                                                                        A
                                                                                                                                 IE UNS
                                                                                                                           HEN 3         1 - 216
  ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2                                                           "ESUC        Stand 45
"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN

gezogen. Dies ist gemäß den EE-Leitlinien       möchte, ist vor dem Hintergrund der Brüs-                     SWD(2013) 439. Obwohl sich die EE-Leitlinien auf staat-
auch grundsätzlich möglich. Der Koalitions-     seler Leitlinien verständlich. Damit sollte                   liche Eingriffe in den Stromsektor konzentrieren, betont
vertrag behält die technologiespezifischen       sie allerdings so früh wie möglich beginnen,                  die Europäische Kommission (S. 3), dass die darin aufge-
Vergütungssätze weiterhin bei.                  um rasch Erfahrungen mit diesem Instru-                       stellten Prinzipien auch auf den Verkehrs- oder Wärme-
                                                ment zu sammeln.                                              sektor übertragen werden können.
Die EE-Leitlinien empfehlen eine EU-weit                                                                      [8] Die Mitteilung wird durch weitere themenspezifische
einheitliche Förderdauer von zehn bis 15        Eine deutliche Reduzierung der Förderkosten                   „Leitlinien“ und Arbeitsdokumente begleitet: Europäi-
Jahren bzw. eine Förderung begrenzt auf         in Deutschland ist durch die derzeit erkenn-                  sche Kommission: Generation Adequacy in the internal
eine bestimmte Anzahl von Volllaststunden.      baren Reformansätze vorerst nicht zu erwar-                   electricity market – guidance on public interventions,
Das EEG sieht hingegen eine Förderdauer         ten. Selbst wenn es gelingt, durch beherzte                   SWD(2013) 438; dies.: Guidance on the use of renewable
von 20 Jahren vor und weicht insofern von       Änderungen des EEG die Kosten für den                         energy cooperation mechanism, SWD(2013) 440; dies.:
den EE-Leitlinien ab. Im Koalitionsvertrag      künftigen Ausbau erneuerbarer Energien zu                     Annexes to the Commission Staff Working Document
findet sich dazu keine Aussage.                  reduzieren, so bleibt die Belastung durch die                 Guidance on the use of renewable energy cooperation
                                                unveränderte Förderung der Bestandsanla-                      mechanisms, SWD(2013) 441; dies.: Incorporing de-
In den Anwendungsbereich des EEG fallen         gen weiterhin hoch. Daran werden auch die                     mand side flexibility, in particular demand response, in
ausschließlich EE-Anlagen, die in Deutsch-      EE-Leitlinien der Kommission nichts ändern.                   electricity markets, SWD(2013) 442.
land betrieben werden (§ 2 Nr. 1 EEG). Damit                                                                  [9] CDU, CSU, SPD: Deutschlands Zukunft gestalten –
entspricht das EEG nicht der Empfehlung         Für eine Neuausrichtung des EEG spielen                       Koalitionsvertrag 18. Legislaturperiode v. 27.11.2013,
der Kommission, in anderen Mitgliedstaa-        die Empfehlungen der EE-Leitlinien jedoch                     S. 49 ff.
ten erzeugten EE-Strom durch das deutsche       eine wichtige Rolle, indem sie als Basis für                  [10] Voßwinkel, J. und Reichert, G.: Europäisiert die Er-
Fördersystem zu vergüten. Der Koalitions-       die in den kommenden Monaten anstehende                       neuerbaren! Erneuerbare Energien im Energiebinnen-
vertrag (S. 51) kündigt lediglich eine „euro-   Diskussion um die künftige Ausgestaltung                      markt, Freiburg 2012, S. 4 ff.
parechtskonforme“ Weiterentwicklung des         der bindenden Beihilfe-Leitlinien dienen.                     [11] Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parla-
EEG an.                                         Insgesamt werden somit sowohl von den EE-                     ments und des Rates v. 23.4.2009 zur Förderung der
                                                Leitlinien als auch den Beihilfe-Leitlinien                   Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur
Entscheidende Impulse                           entscheidende Impulse für eine wettbewerb-                    Änderung und anschließenden Aufhebung der Richt-
für das EEG                                     liche und auf den Energiebinnenmarkt aus-                     linien 2001/77/EG und 2003/30/EG, ABlEU L 140 v.
                                                gerichtete EEG-Reform ausgehen.                               5.6.2009, S. 16 ff.
Mit den EE-Leitlinien zeigt die Europäische                                                                   [12] Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Erneuerbare-Energien-Richtlinie
Kommission Prinzipien für eine zukünftige       Anmerkungen                                                   2009/28/EG; „20-20-20“-Beschluss des Europäischen Ra-
Ausgestaltung der EE-Förderung in den Mit-                                                                    tes vom 8./9.3.2007, Schlussfolgerungen des Vorsitzes
gliedstaaten auf. Vor diesem Hintergrund ist    [1] Erneuerbare-Energien-Gesetz v. 25.10.2008 (BGBl. I        vom 2.5.2007, 7224/1/07 REV 1, Rn. 27-39.
dem EEG und dessen im Koalitionsvertrag         S. 2074), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes v.       [13] Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Anhang I Teil A Erneuer-
umrissenen Weiterentwicklung ein differen-       20.12.2012 (BGBl. I S. 2730).                                 bare-Energien-Richtlinie 2009/28/EG.
ziertes Zeugnis auszustellen. Zwar lassen       [2] Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen            [14] Europäische Kommission: Erneuerbare Energien:
sich erste Schritte hin zu einem erhöhten       Union (AEUV), in Kraft seit 1.12.2009, ABlEU C 83 v.          ein wichtiger Faktor auf dem europäischen Energie-
Grad an Marktexposition der EE-Förderung        30.3.2010, S. 47 ff.                                           markt, COM(2012) 271, S. 5. Hierzu Voßwinkel, J. und
erkennen, doch ist die Einführung von wett-     [3] Zu dem Entwurf der Beihilfe-Leitlinien, der am            Reichert, G.: cepAnalyse Nr. 29/2012 vom 16.7.2012.
bewerblichen Mechanismen zur Bestim-            18.12.2013 veröffentlicht wurde, können bis 14.2.2014          [15] Die Europäische Kommission behandelt insoweit
mung der Förderhöhe erst für 2018 geplant       Stellungnahmen abgegeben werden: http://ec.europa.            u. a. auch Investitionsförderung und Steuererleichte-
– und das auch nur dann, wenn sich ein für      eu/competition/consultations/2013_state_aid_environ-          rung, auf die im Rahmen dieses Artikels nicht weiter
2016 anvisiertes Pilotprojekt als erfolgreich   ment/index_en.html                                            eingegangen werden kann.
erweisen sollte. Es ist fraglich, ob sich die   [4] Vgl. z. B. Haucap, J. und Kühling, J.: Marktintegration   [16] Art. 6 bis 12 Erneuerbare-Energien-Richtlinie
Kommission so lange gedulden möchte.            der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, Düs-            2009/28/EG. Überblick über die Kooperationsmechanis-
                                                seldorf/Regensburg 2012, S. 16 ff.; Greinacher, D.: Be-        men bei Voßwinkel/Reichert (siehe Anm. [10]), S. 6 ff.
Für EE-Anlagenbetreiber in Deutschland          sondere Ausgleichsregelung als Beihilfe? EnergieRecht         [17] Europäische Kommission: SWD(2013) 440 und
dürfte die von der Kommission geforderte        3/2013, S. 97 ff.; Kahles, M. u .a.: EEG und Beihilfe. Kurz-   SWD(2013) 441 (siehe Anm. [8]).
Vermeidung von rückwirkenden Änderun-           überblick über aktuelle Fragestellungen aus rechtlicher
gen beruhigend sein. Während Betreiber          Sicht, Würzburg 2013.                                         Dr. M. Bonn, Wissenschaftlicher Referent,
von neuen Kleinanlagen vermutlich auch in       [5] EuGH, Rs. C-379/98, Urteil v. 13.3.2001 (Preussen-        Dr. N. Heitmann, Fachbereichsleiterin Ener-
Zukunft vom Wettbewerb weitgehend ver-          Elektra).                                                     gie, Umwelt, Klima und Verkehr, Dr. G. Rei-
schont bleiben, müssen sich Betreiber von       [6] Europäische Kommission: Mitteilung zur Vollendung         chert, LL.M., Fachbereichsleiter, Energie,
neuen größeren Anlagen auf kürzere För-         des Elektrizitätsbinnenmarktes und optimale Nutzung           Umwelt, Klima und Verkehr, Prof. Dr. J. S.
derzeiträume sowie niedrigere und unsiche-      staatlicher Interventionen, C(2013) 7243.                     Voßwinkel Wissenschaftlicher Berater, Cent-
rere Erträge einstellen. Dass die Koalition     [7] Europäische Kommission: European Commission               rum für Europäische Politik (CEP), Freiburg
Ausschreibungs-/Auktionsverfahren testen        guidance for the design of renewable support schemes,         info@cep.eu

   46                                                                                          ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                 ZUKUNFTSFRAGEN

Die internationalen Gasmärkte: Von großen
Veränderungen und Herausforderungen für Europa
Kirsten Westphal

Bereits 2010 wies die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem World Energy Outlook auf das beispiellose Maß an
Ungewissheiten hin, das die internationalen Energiemärkte prägt. In der Tat wandeln sich diese rasant, was Unternehmen
und Politik vor große Aufgaben stellt. Auf dem europäischen Gasmarkt ist es der Zusammenhang zwischen den sich in den
pazifischen Raum verschiebenden LNG-Handelsströmen, sinkender Eigenproduktion und der Transformation im Binnen-
markt, der neue Herausforderungen im Bereich der Energie- und Versorgungssicherheit zur Folge hat.

Seit 2005 ist die jährliche Erdgasförderung
in den USA um ein Viertel gestiegen – auf
rd. 681 Mrd. m3 im Jahr 2012 [1]. Dementspre-
chend sanken die US-LNG-Importe gegenüber
2008–2012 um fast die Hälfte [2]. Beeindru-
ckend ist auch der Preisverfall am Umschlag-
platz Henry Hub in Louisiana: Kostete 1 Mio.
British Thermal Unit (MMBtu) Mitte 2008
noch 13 US$, so waren es Mitte 2012 nur noch
rd. 2 US$ [3]. 2013 lag der der monatliche
Durchschnittsgaspreis bei knapp 4 US$ [4].

Laut dem Massachusetts Institute of Techno-
logy (MIT) ist ein Großteil der Produktion bei
Preisen von 4-8 US$/MMBtu profitabel [5].
Frappierend scheint, dass trotz der niedri-
gen Gaspreise die Förderung bisher weiter
gesteigert wurde. Das ist zum einen darin
begründet, dass sich die Technik weiterent-
wickelt hat. Zudem gehen Investitionen ver-
                                                         Mehr politische Aufmerksamkeit täte dem Gasmarkt gut – auch mit Blick auf die Dekarbonisie-
stärkt in Vorkommen, in denen Trockengas                 rung und den künftigen Energiemix                                   peshkova | Fotolia.com
als Nebenprodukt von Flüssiggasen oder
Erdöl anfällt. Dann jedoch liegt der „break-
even“-Preis mit 0,55 US$/MMBtu sehr nied-        Schiefergas:                                        heimischen Energiepreisen und interna-
rig [6], denn die Gewinne werden mit dem         Boom mit Schattenseiten                             tionalen Wettbewerbsvorteilen profitiert,
Verkauf eben dieser Produkte gemacht.                                                                unterstützt die bestehenden Exportrestrik-
                                                 Insgesamt zeigt sich, dass der Schiefergas-         tionen [13]. Allerdings kam eine vom Ener-
Dennoch bestehen eine Reihe von Unsicher-        Boom, der als nationaler Erfolg erscheint, für      gieministerium in Auftrag gegebene Studie
heiten darüber [7], wie ökonomisch nach-         viele Firmen mit großen betriebswirtschaft-         zu dem Schluss, dass Flüssiggasexporte der
haltig die Schiefergasförderung ist: Die För-    lichen Schwierigkeiten verbunden ist. Dass          US-Wirtschaft insgesamt zugutekämen und
derraten der einzelnen Felder fallen jährlich    zuletzt der Förderboom etwas ins Stocken ge-        Handelsgewinne durch Flüssiggasexporte
um 29–52 % ab [8]. Schiefergasfelder haben       raten ist, hängt auch mit dem niedrigen Gas-        gegenüber steigenden heimischen Energie-
generell niedrige Ausbeutungsraten von 7 %       preis zusammen, der sich wiederum aus der           preisen überwiegen würden [14].
– bei konventionellen Feldern liegen sie bei     begrenzten Nachfrage erklärt [12]. Die Ex-
75–80 % [9]. Für die beteiligten Firmen ist      portoption wird deswegen zunehmend in die           Im Moment zeichnet sich ab, dass Washing-
das ein Kostenreiber, da sie ständig neue        Diskussion gebracht. Die Erdgasproduzenten          ton hier „auf Sicht fährt“: Im Bewilligungs-
Bohrungen setzen müssen, um die hohen            haben ein manifestes Interesse daran, Erdgas        verfahren des Energieministeriums muss
Fördermengen aufrecht zu erhalten. Der In-       in andere Länder zu exportieren.                    für Staaten, mit denen die USA kein Frei-
vestitionsaufwand (CAPEX) liegt deswegen                                                             handelsabkommen haben, laut dem Natural
immer noch höher als der Cash Flow [10].         In den USA ist die Frage, in welchen Mengen         Gas Act of 1938 geprüft werden, ob Expor-
Selbst Pionierfirmen wie Chesapeake muss-         eigenes Schiefergas für den Export verflüs-          te „im nationalen Interesse“ sind [17]. Mit
ten Assets verkaufen, um ihren Zahlungs-         sigt werden soll, eine strategische Entschei-       Stand Dezember 2013 hat das Ministerium
verpflichtungen nachzukommen [11].                dung. Die US-Industrie, die von niedrigen           vier Exportterminals diese Bewilligung er-

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2                                                                                       47
"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN

teilt, aber lediglich ein Projekt, Sabine Pass,   bedeuten die beschriebenen Preisdifferen-          erwarten, dass u. a. China ab etwa 2020
verfügt über alle nötigen Zulassungen an-         zen, dass der asiatisch-pazifische Markt als       Schiefergas fördern wird, denn die größten
derer Behörden [16]. Die Exportkapazität          Destination attraktiver als der europäische       Reserven lagern dort (31,6 Bio. m3) [28].
dieser vier Projekte könnte Ende des Jahr-        Markt ist. Zum anderen sollen zwischen
zehnts 178 Mio. m3 am Tag betragen [17]. 18       2015–2018 neue LNG-Exportterminals mit            Europa an der Peripherie des
weitere Anträge liegen vor, so dass die USA       einer Kapazität von 130 Mrd. m3 jährlich vor      globalen LNG-Marktes?
bei gleichbleibend hoher Förderung potenzi-       allem dort das Angebot erweitern [22]. Per-
ell 840 Mio. m3 täglich exportieren könnten,      spektivisch werden im asiatisch-pazifischen        Die Entstehung eines globalen Gasmarktes
was in etwa der heutigen globalen Nachfrage       Markt LNG-Projekte v. a. in Australien, In-       hängt davon ab, wie viel nordamerikani-
entspricht [18]. Doch der Bewilligungspro-        donesien und Mozambique für mehr Diver-           sches (Schiefer-)Gas für den Export verflüs-
zess ist teuer, langwierig und ergebnisoffen.      sifizierung sorgen. Australien könnte gar          sigt wird. Zumindest mittelfristig bleibt die
Zur Jahreswende 2015/2016 sollen erste            Katar als größten LNG-Exporteur um 2020           regionale Dreiteilung der Gasmärkte noch
US-Exporte über Chernieres Sabine Pass            ablösen [23]. Zum erhöhten LNG-Angebot            bestehen. Tendenziell wird sich die Preis-
mit einem Exportvolumen von 61 Mio. m3            im Pazifik wird neben russischem auch ka-          schere zwischen dem nordamerikanischen
pro Tag in Louisiana erfolgen [19].               nadisches LNG beitragen.                          Gasmarkt und dem asiatisch-pazifischen
                                                                                                    LNG-Markt etwas schließen, aber die Preis-
Der internationale                                Die Dynamik im asiatisch-pazifischen Raum          entwicklungen in Europa bleiben davon
Gasmarkt, LNG und der                             ist auch eine Folge der steigenden Erdgas-        zunächst wohl weitgehend unberührt. Das
asiatisch-pazifische Raum                          nachfrage. Vor allem die Rolle Chinas ist         legt auch das „Preisregime“ um Sabine Pass
                                                  nicht zu unterschätzen; dahinter reihen sich      nahe, wo die Preisformel an den Henry Hub
Bisher hatte der US-Boom international nur        Indien und die aufstrebenden Länder Süd-          gebunden ist und die zusätzlichen Kosten
indirekte Auswirkungen: Nordamerika fällt         ostasiens als neue Großverbraucher ein. Der       von Verflüssigung, Transport und Regasifi-
als Nachfrager aus und damit steht mehr           Anteil von Erdgas an Chinas Energiemix            zierung zum einen nahelegen, dass die Lie-
LNG auf den Märkten zur Verfügung. We-            liegt mit rd. 130 Mrd. m3 pro Jahr bei rd. 4 %.   ferung dorthin erfolgt, wo die höchsten Ge-
gen der steigenden Eigenproduktion haben          Bis 2035 soll der Erdgasbedarf des Landes         winne erzielt werden: im pazifischen Raum.
sich die USA weitgehend vom LNG-Handel            auf 545 Mrd. m3 jährlich steigen. Noch hat        Zum anderen wären demnach auch die
abgekoppelt. Insofern hat der US-Boom bis-        Kohle am chinesischen Energiemix einen            Preiseffekte auf dem europäischen Markt
her die bestehende Dreiteilung der globalen       Anteil von 70 % [24], doch die Probleme mit       marginal, da sie bei ca. 10-11 US$/MMB-
Gasmärkte eher vertieft – zwischen Nord-          steigender Luftverschmutzung in den Bal-          tu liegen würden, was in etwa ins Durch-
amerika, dem europäisch-asiatischen Kon-          lungsräumen könnten weitere Schritte zur          schnittsband des deutschen Grenzüber-
tinentalmarkt und der asiatisch-pazifischen        Reduzierung der lokalen Schadstoffemissi-          gangspreises von 10-12 MMBtu trifft [31].
Region mit den großen Nachfragern Japan,          onen einleiten. Ganz entscheidend für die
Südkorea und China, die zwei Drittel des          Gasnachfrage ist die Wechselwirkung mit           Nach der Gasschwemme 2009/2010 hat sich
weltweit gehandelten LNG kaufen.                  der Kohle bei der Stromerzeugung, das zeigt       die Angebotssituation für LNG in der EU wie-
                                                  auch das Beispiel der USA [25].                   der verengt. Das hatte zur Folge, dass im ers-
Die Preisschere zwischen den regionalen                                                             ten Quartal 2013 der Anteil der EU an den
Gasmärkten ist signifikant: Anfang 2012,           Wenn die Klima- und Energiepolitik nicht          globalen LNG-Importen auf 15 % (von 21 %
als die Henry Hub-Preise bei 2 US$/MMBtu          gegensteuert, wird sich der Trend des ver-        2012) fiel, während der Anteil in Asien auf
lagen, betrugen sie im europäischen Markt         gangenen Jahrzehnts fortsetzen, in dem            77 % (von 70 % 2012) stieg [30]. Infolgedes-
das Fünffache und in Japan das Achtfache           Kohle die Hälfte des Anstiegs der weltwei-        sen bleibt auf mittlere Sicht der europäische
des US-amerikanischen Preises. Im Lau-            ten Energienachfrage deckte; auch weil der        Gasmarkt vor allem ein pipeline-gebundener
fe des Jahres verringerte sich die enorme         Strombedarf fast doppelt so schnell steigt        Markt, für den die traditionellen Lieferländer
Preisschere zwar, aber sie wird doch mittel-      wie der Energieverbrauch. Sollte Erdgas           Norwegen, Russland und Algerien weiterhin
fristig bestehen bleiben, da im pazifischen        häufiger im Strom- und tendenziell auch im         eine Schlüsselrolle einnehmen. Wegen der
LNG-Markt auf die ölpreisgebundenen               Transportsektor eingesetzt werden, würde          sinkenden Produktion in UK und den Nieder-
Langfristverträge hohe Sicherheitsprämien         das die Balance von Angebot und Nachfrage         landen, aber auch in Deutschland, gewinnen
gezahlt werden. Die USA profitieren mit-           verschieben, mit enormen Preiswirkungen.          sie sogar relativ an Bedeutung. Dabei halten
hin von einem hochliquiden Spotmarkt und          Die IEA sieht für Erdgas ein „goldenes Zeit-      die russische Gazprom und die algerische
Preisen am Handelsplatz Henry Hub, die            alter“ voraus. Soll die prognostizierte Nach-     Sonatrach anders als die norwegische Statoil,
bei etwa einem Drittel des durchschnittli-        frage bis 2035 gedeckt werden, müsste fast        die verstärkt auf Spotmarkt-Indexierung und
chen Importpreises in Europa und bei einem        die Hälfte der globalen Förderung künftig         günstigere Transporttarife umgestellt hat,
Fünftel der Importpreise Japans liegen [20].      auf nicht-konventionelles Gas entfallen [26].     weiter an der Ölpreisindexierung fest [31].
                                                  Im Juni 2013 hat die Energie-Informations-        Die Preis- und Nachfrageentwicklungen
Während der atlantische Gashandel stär-           behörde der US-Regierung (EIA) die welt-          führten dazu, dass Statoil 2012 erstmals fast
ker austrocknet, ist auf dem pazifischen           weiten technisch nutzbaren Ressourcen             genauso viel Erdgas in die EU lieferte wie der
Gasmarkt viel in Bewegung: Zum einen              auf 206,7 Bio. m3 geschätzt [27]. Es ist zu       Konzern aus Russland. Für einen Abgesang

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"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                             ZUKUNFTSFRAGEN

auf die strategische Bedeutung Russlands als     agieren. Dies kann erhebliche Volatilitäten       sind die neuen Herausforderungen, wenn
Energielieferant ist es noch zu früh, zumal      mit sich bringen. Die bisherige Entwicklung       man sich die sinkende Eigenförderung in
die Gazprom für das erste Quartal 2013 einen     in der EU jedoch baut darauf, dass die Märk-      UK, den Niederlanden und Deutschland
Zuwachs von 10 % bei den Exporten in die EU      te liquide bleiben und sich das Angebot wei-      ansieht. Weitgehend unbemerkt von der
meldet [32].                                     ter diversifiziert. Einen Automatismus sollte      Öffentlichkeit müssen die Gasnetzbetreiber
                                                 man an diesem Punkt aber nicht erwarten.          eine Umkehr der Lastflüsse vollziehen, um
Zwar gehen Projektionen davon aus, dass                                                            sog. eigenes L-Gas mit H-Gas aus ausländi-
Europa weltweit größter Nettoimporteur für       Europäische                                       schen Quellen zu ersetzen [37]. Sinkende
Gas bleiben wird, aber die Ungewissheiten        Erdgassicherheit „revisited“                      Eigenproduktion bedeutet aber auch einen
sind hoch. Der Importbedarf wird in Folge                                                          Verlust an Flexibilität, um auf den saisona-
sinkender Eigenproduktion steigen, aber          Den USA kommt eine zentrale Rolle zu, um          len Verbrauchsanstieg im Winter zu reagie-
der zukünftige Verbrauch hängt vor allem         einen globalen LNG-Markt zu stützen und           ren. Frühere Langfristverträge beinhalteten
von den klima- und energiepolitischen Ent-       das Vertrauen in die freien Märkte zu be-         Vorkehrungen mit Blick auf Einspeicherung
scheidungen ab. Momentan verliert Gas so-        stätigen, indem sie die Exportrestriktionen       im Sommer, Spotmärkte nicht.
wohl in Konkurrenz mit den erneuerbaren          abbauen. Auch deswegen sollte Europa die
Energien, als auch zur Kohle Anteile.            geopolitischen Konsequenzen der Schiefer-         Hierzulande sollte man nicht vergessen,
                                                 gasrevolution nicht aus dem Blick lassen.         dass sich der EU-Gasmarkt in einer sensib-
Die Preise für CO2-Emissionen sind ver-          Zwar spricht viel dafür, dass auch das LNG-       len Transformationsphase befindet. Nicht
gleichsweise zu niedrig, um die kommerzi-        Angebot in Europa nach einer Durststrecke         nur international, sondern auch im Binnen-
ellen Nachteile von Erdgas gegenüber der         in etwa fünf Jahren wieder zunehmen wird,         markt ist viel im Fluss. Die Gasschwemme
Kohle aufzuwiegen. Der Erdgasverbrauch           aber kurz- und mittelfristig muss sich Europa     2009/2010 hat die Effekte des dritten EU-
ist daher im Jahr 2012 mit einem Minus           viel stärker als bisher darauf einstellen, dass   Binnenmarktpaketes noch verstärkt. Das
von 14 % gegenüber 2010 auf einen neuen          sich der Schwerpunkt des Energiehandels           Regime des pipelinegebundenen Gashandels
Tiefststand gesunken [33]. Schreiten Ener-       auch bei LNG aus dem atlantischen Becken          ändert sich ebenso, wie sich neue Geschäfts-
gieeffizienzbemühungen voran, hat auch             in den pazifischen Raum verschiebt. Das An-        modelle, neue Marktstrukturen und die
dies Auswirkungen im Wärmesektor. Die            gebot folgt den Wachstumsmärkten. All dies        Qualität der Akteure verändert haben [38]:
bislang politisch nicht gelöste Frage, wie       zusammengenommen kann bedeuten, dass              Als Folge von Vertragsneuverhandlungen
das klima- und energiepolitische Zielpaket       Europa weniger vom erweiterten Erdgasan-          und Schiedsverfahren stieg der Anteil des
nach 2020 ausgestaltet werden soll, macht        gebot durch die Förderung aus unkonventi-         Gases, das mit Referenz zu Spotmarkt-Han-
die Nachfragesituation noch unsicherer.          onellen Lagerstätten und vom LNG-Angebot          delsplätzen bepreist wird, auf ungefähr die
                                                 profitieren wird als landläufig angenommen.         Hälfte [39]. Ölpreisindizierte Langzeitver-
Die Diskrepanzen zwischen angenommener           In der Situation, in der die EU ihre Kräfte im    träge gerieten unter Druck. Außerdem wur-
und tatsächlicher Nachfrageentwicklung,          globalen Markt bündeln müsste, kann kei-          de der Basispreis vielfach gesenkt und die
dem Importbedarf sowie dem Investitions-         neswegs als ausgemacht gelten, dass die In-       take-or-pay-Klauseln neu verhandelt [40]. Die
verhalten der traditionellen Lieferländer        tegration des EU-Energiebinnenmarktes vor-        Auswirkungen der Entflechtung von Import,
könnten so zunehmen [34]. Die Gasprodu-          anschreitet. Dabei hat die EU seit 2009 vor       Handel und Transport sowie der Belieferung
zenten haben gewichtige Argumente, wenn          dem Hintergrund des russisch-ukrainischen         wurden damit noch beschleunigt.
sie Nachfragesicherheit fordern. Beredtes        Gasstreits wichtige Schritte zum Ausbau von
Beispiel liefert das Shtokman-Projekt in der     Interkonnektoren und LNG-Terminals unter-         Der Markt allein kann
Barentssee, für das die endgültige Investiti-    nommen. Auch die zunehmende Konvergenz            keine Versorgungssicherheit
onsentscheidung immer wieder aufgescho-          auf den Handelsplätzen im nordwesteuropäi-        gewährleisten
ben wurde [35]. Ob es kommt, ist mittler-        schen Markt zeigt, dass Märkte dort funktio-
weile fraglich. Inzwischen ist nämlich das       nieren. Aber Europa könnte stärker als bisher     Mit Blick auf die Resilienz der Gasversor-
Exportmonopol der russischen Gazprom             auf sich allein gestellt sein, ressourcenreiche   gung sind die enge Versorgungssituation
gefallen und LNG-Exportprojekte für den pa-      Regionen wie den Kaspischen Raum und              im Februar 2012 und die Debatte um die
zifischen Raum erhielten Ausfuhrlizenzen.         Afrika an die internationalen Märkte anzu-        schleppende Speicherbefüllung nach dem
                                                 binden. Die USA werden sich dort weniger          harten Spätwinter 2013 Vorboten einer Rei-
Auch wenn dies andere Gasvorkommen als           prononciert engagieren und außerdem mehr          he struktureller Probleme, die noch nicht
die für Europa wichtigen westsibirischen         Eigenverantwortung der europäischen Part-         gelöst sind: Der Markt allein wird keine Ver-
Vorkommen betrifft, so kann es doch als Sig-      ner einfordern [36].                              sorgungssicherheit herstellen können. Die
nal für eine mittelfristige Verschiebung des                                                       Anreize, die Speicher für den Winter zu fül-
Investitionsverhaltens zugunsten der pazi-       Energiesicherheit ist aber eben nicht nur aus     len, sind zu niedrig, wenn die Preisdifferenz
fischen Märkte gewertet werden. Der euro-         dem Blickwinkel von Importabhängigkeiten          zwischen Sommer und Winter zu gering ist.
päische Gasmarkt, der lange auf Wachstum         zu verstehen, sondern hat auch eine inter-
ausgerichtet war, muss nun flexibler auf          ne Dimension: die Robustheit („Resilienz“)        Zum einen sind Marktakteure an Knappheits-
eine ungewisse Nachfrageentwicklung re-          des Systems bei Krisen. Am augenfälligsten        situationen interessiert, denn Krisen verspre-

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2                                                                                49
"Brüsseler Spitzen": Europäische Impulse für eine EEG-Reform
ZUKUNFTSFRAGEN

chen satte Gewinne für einzelne von ihnen,                    [8] Hughes, D.: Drill Baby Drill. Can Unconventional Fu-    [23] IEA 2013: S. 123.
während die Kosten auf die Konsumenten                        els Usher in a New Era of Energy Abundance? Post Car-       [24] US Energy Information Administration Agency:
umgelegt werden; das Vorsorgeprinzip ist                      bon Institute, Santa Rosa 2013, abrufbar unter: http://     Country Report China. Washington 2012, abrufbar un-
nicht eingepreist. Zum anderen kann man                       www.postcarbon.org/reports/DBD-report-FINAL.pdf;            ter: www.eia.gov/countries/cab.cfm?fips=CH
pointiert sagen, dass der systemische Zugriff                  zum Teil werden noch höhere Zahlen von 65 % bis 90 %        [25] Siehe dazu: Dröge, S.; Westphal, K.: Schiefergas für
heute fehlt. Die Entflechtung hat dazu geführt,                genannt, etwa bei Pflüger, F.: U.S. Shale Gas Revolution.    ein besseres Klima? Die Fracking-Revolution in den USA
dass der Informationsfluss und vor allem die                   Smoother Path or Rockier Road? EUCERS, Newsletter Is-       setzt die europäische und die internationale Klimapolitik
Handlungsmöglichkeiten der Marktteilneh-                      sue 24, London 2013, S. 2.                                  unter Druck. SWP-Aktuell 44/2013, Berlin.
mer stärker segmentiert sind. Ein Interesse                   [9] Sandrea, R.: Evaluating Production Potential of Matu-   [26] IEA 2013: S. 99.
am Funktionieren des Gesamtsystems ist                        re US Oil, Gas, Shale Plays. IPC Petroleum Consultants,     [27] US Energy Information Administration Agency:
bei den Unternehmen nicht mehr intrinsisch                    Tulsa 2012, abrufbar unter: http://www.ogj.com/artic-       Technically Recoverable Shale Oil and Shale Gas Resour-
angelegt, sondern diese sind zunächst an ei-                  les/print/vol-110/issue-12/exploration-development/         ces. Washington 2013, abrufbar unter: www.eia.gov/ana-
ner Optimierung der eigenen Lage und ihrer                    evaluating-production-potential-of-mature-us-oil.html       lysis/studies/worldshalegas/
Geschäftsfelder interessiert. Das führt in ei-                [10] Morse, E. L.: Energy Markets in Transformation.        [28] US Energy Information Administration Agency:
ner Marktsituation auch dazu, dass auf mehr                   There’s a clear sustainable, profitable future for global    Technically Recoverable Shale Oil and Shale Gas Re-
Effizienz im eigenen Unternehmenssegment                        shale - at the right price. Citi Research, 2013, S. 10.     sources. An Assessment of 137 Shale Formations in 41
hingearbeitet wird. Die Kehrseite besteht dar-                [11] Ahmed, N. M.: Die nächste Blase. Fracking löst das     Countries Outside the United States. Washington 2013,
in, dass Redundanzen und Puffer im Gasver-                     Energieproblem nicht. In: Le Monde Diplomatique Nr.         abrufbar unter: http://www.eia.gov/analysis/studies/
sorgungssystem verlorengehen.                                 10079, 2013, S. 1, 5. Ähnlich argumentiert auch Rogers,     worldshalegas/pdf/overview.pdf?zscb=37301146
                                                              D.: Shale and Wall Street: Was the Decline in Natural Gas   [29] IEA 2013: S. 127; IEA 2012, 129 und DG Energy:
Mehr politische                                               Prices Orchestrated? Energy Policy Forum, February          Quarterly Report on European Gas Markets. Market
Aufmerksamkeit vonnöten                                       2013.                                                       Oberservatory for Energy 2/2013, Brüssel 2013, S. 16.
                                                              [12] Commerzbank Commodity Research: Rohstoffe kom-          [30] DG Energy 2013a: S. 1.
Die Organisation des Informationsflusses,                      pakt Energie, 10.12.2013, S. 5.                             [31] Ausführlich in DG Energy: Quarterly Report on Eu-
klare Verantwortlichkeiten in der Krise                       [13] Kofod, J. (General Rapporteur): The Economic and       ropean Gas Markets. Market Oberservatory for Energy
und Haftungsregelungen sind für das Risi-                     Strategic Implications of the Unconventional Oil and        4/2012, Brüssel 2012, S. 24-25 (im Folgenden DG Energy
komanagement im Gasmarkt zentral. Über                        Gas Revolution. NATO Parliamentary Assembly, Econo-         2012).
Krisenvorsorge und Risikomanagement bei                       mics and Security Committee 2013, S. 4, abrufbar unter:     [32] Panin, A.: Gazprom feeling the LNG heat. In: The
der Erdgasversorgung muss eine politische                     http://www.nato-pa.int/shortcut.asp?FILE=3284               Moscow Times, Issue 5158, 1.7.2013. www.themoscow-
Diskussion geführt werden. Mehr politische                    [14] NERA Economic Consulting: Macroeconomic Im-            times.com/business/article/gazprom-feeling-the-lng-
Aufmerksamkeit täte dem Gasmarkt gut –                        pacts of LNG Exports from the United States. Washing-       heat/482476.html
auch mit Blick auf die Dekarbonisierung                       ton 2012, abrufbar unter: http://energy.gov/sites/prod/     [33] DG Energy 2012: S. 1.
und den künftigen Energiemix.                                 files/2013/04/f0/nera_lng_report.pdf; siehe auch ICF:        [34] Der Netzentwicklungsplan der FNB liefert dafür in
                                                              U.S. LNG Exports. Impacts on Energy Markets and the         den Szenarien I, II, III beredtes Beispiel. FNB, Entwurf
Anmerkungen                                                   Economy. Fairfax 2013.                                      der Fernleitungsnetzbetreiber, Netzentwicklungsplan
                                                              [15] Ratner, M.; Parfomak, P.W.; Fergusson, I.F.; Luther,   2013, Berlin, 1.4.2013, S. 14-16, (im folgenden FNB
[1] BP: Statistical Review of World Energy 2013. London       L.: U.S. Natural Gas Exports: New Opportunities, Uncer-     2013).
2013, S. 22 (im Folgenden BP 2013).                           tain Outcomes. 2013, S. 18, abrufbar unter: http://www.     [35] Siehe dazu Øverland, I.: Kooperation statt Konfron-
[2] BP 2013, S. 28; BP: Statistical Review of World Ener-     fas.org/sgp/crs/misc/R42074.pdf                             tation. Štokman, Jamal und Russlands Energiepolitik in
gy. London 2009, S. 30.                                       [16] US Department of Energy: Summary of LNG Export         der Arktis. In: Osteuropa 2–3, 2011, S. 129-142.
[3] US Energy Information Administration Agency: Na-          Applications, 2013, abrufbar unter: http://energy.gov/fe/   [36] Siehe dazu ausführlich: Westphal, K.: Nichtkonven-
tural Gas, abrufbar unter http://www.eia.gov/dnav/ng/         downloads/summary-lng-export-applications; FERC: LNG        tionelles Öl und Gas: Folgen für das globale Machtgefüge.
hist/rngwhhdd.htm                                             Existing and Proposed Terminals, 2013, abrufbar unter:      SWP-Aktuell 16/2013, Berlin.
[4] Die Ausnahmen bildeten die Monate April und Mai           http://www.ferc.gov/industries/gas/indus-act/lng.asp        [37] Ausführlich: FNB 2013.
2013, wo er knapp darüber lag, siehe: http://www.eia.         (Im Folgenden DOE 2013)                                     [38] Westphal, K.: Versorgungssicherheit beim Erdgas.
gov/dnav/ng/hist/rngwhhdm.htm                                 [17] McClelland, M.: US gears up for LNG export boom.       Ein Schlaglicht auf vier Herausforderungen für die Poli-
[5] MIT (Massachusetts Institute of Technology): The          In: Petroleum Economist, Oktober 2013, S.12-13. S. 12.      tik. SWP-Aktuell 24/2012, Berlin.
Future of Natural Gas. An Interdisciplinary MIT Study.        Originalangaben in Kubikfuß.                                [39] DG Energy 2013a: S. 1.
Boston 2011.                                                  [18] Ibid. Originalangaben in Kubikfuß.                     [40] IEA 2013: S. 129.
[6] Gülen, G.; Browning, J.; Ikonnikova, S.; Tinker, S. W.:   [19] DOE 2013. Originalangaben in Kubikfuß.
Well economics across ten tiers in low and high Btu (Bri-     [20] IEA 2013: S. 24.
tish thermal unit) areas, Barnett Shale, Texas. In: Energy    [21] Siehe dazu ausführlich DG Energy: Quarterly Report     Dr. K. Westphal, Forschungsgruppe Globale
Vol. 60, 2013, S. 302-315.                                    on European Gas Markets. Market Oberservatory for           Fragen, Stiftung Wissenschaft und Politik
[7] Richter P. M.: From Boom to Bust? A Critical Look         Energy 1/2013, Brüssel 2013, S. 14-15 (im Folgenden         (SWP), Deutsches Institut für Internationale
at US Shale Gas Projections. DIW Discussion Papers            DG Energy 2013a).                                           Politik und Sicherheit, Berlin
No. 1338, Berlin 2013.                                        [22] IEA 2013: S. 128.                                      kirsten.westphal@swp-berlin.org

    50                                                                                                        ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2
ZUKUNFTSFRAGEN
                                                                                                                                               INTERVIEW
                                                                                                                                    ZUKUNFTSFRAGEN

„Das Problem der Klimawissenschaft ist diese elende
Politisierung“
Während der neueste Bericht des Weltklimarates (IPCC) den menschengemachten Klimawandel bestätigt, müssen Phäno-
mene wie der verlangsamte Temperaturanstieg der letzten 15 Jahre erst noch erforscht werden. Hier wie bei Extremwetter-
ereignissen sind manche Institute schnell mit Erklärungen bei der Hand, ebenso mit fachfremden energiepolitischen For-
derungen. Eine vorsichtige Annäherung an aktuelle Klimafragen versuchte „et“ im Interview mit einem hierbei wesentlich
zurückhaltenderen Wissenschaftler, für den vieles noch offen und nicht gleich jeder Orkan in Deutschland oder Taifun in
Übersee ein direktes Ergebnis des Klimawandels ist.

Signale der Klimaänderung                                          „et“: …also reine Spekulation?                        können. Ob die genannte Entwicklung im letzten
                                                                                                                         Jahr ein Hinweis darauf ist, dass die Erwärmung
„et“: Es scheint drei Signale für Klimaänderungen                  von Storch: Nicht unbedingt. Zurzeit sind das         sich dort niederschlägt oder ein anderer Faktor
zu geben. Fangen wir mit der globalen Oberflä-                      interessante Hypothesen. Wenn sich diese hinter-      dafür verantwortlich ist – hier denke ich, ist das
chentemperatur an, die um 0,85 Grad Celsius seit                   her als nicht taugliche Erklärungen herausstellen,    letzte Wort noch nicht gesprochen.
der Industrialisierung gestiegen ist, die letzten 15               dann mindert es nicht die Leistung, diese Ideen
Jahre jedoch kaum, bei gleichzeitiger drastischer                  entwickelt und durchdekliniert zu haben – so          Wir müssen nämlich vorsichtig sein, es gibt ei-
Zunahme der CO2-Emissionen. Gibt es dafür plau-                    funktioniert eben Wissenschaft, sie braucht Zeit      nen Reflex, jede Art von Auffälligkeit sofort dem
sible Deutungen?                                                   dafür. Das Problem der Klimawissenschaft ist die-     CO2 oder den Treibhausgasen zuzuschreiben. Das
                                                                   se elende Politisierung, dass aus politischen Grün-   greift oftmals zu kurz, denn es kann auch andere
von Storch: Hierfür sind mehrere Erklärungen                       den möglichst schnell Antworten auf neue und          Gründe geben. Man muss sich mehr Zeit nehmen
möglich. Zum einen wird argumentiert, dass die                     schwierige Fragen gegeben werden, damit die           zum Durchdeklinieren der verschiedenen mögli-
Zusammenstellung der globalen Temperatur-                          bevorzugte politische Konsequenz weiterhin be-        chen Zusammenhänge. Zum Beispiel können wir
daten unzuverlässig ist, insbesondere, weil ark-                   stehen bleibt. Dieser Schweinsgalopp beschädigt       uns die Niederschlagsentwicklung in Europa der
tische Daten lange Zeit fehlten. Dann könnte es                    die Reputation der Klimawissenschaften als eine       letzten 30-40 Jahre, insbesondere im Herbst, nicht
sein, dass die Modelle eine zu starke Sensitivität                 unabhängige und ergebnisoffene Einrichtung.            erklären. Was hier geschieht, ist nicht allein auf
gegenüber erhöhten Treibhausgasen haben und                                                                              CO2 und Treibhausgase zurückzuführen. Es könn-
einen überstarken Anstieg zeigen. Schließlich ist                  „et“: Als ein weiteres Signal für die Klimaände-      te sein, dass das Ausbleiben der Aerosol-Emissio-
es möglich, dass es weitere Antriebe gibt, die die                 rung gilt die Abnahme des arktischen Meereises.       nen aufgrund des Zusammenbrechens der Indus-
Erderwärmung beeinflussen können, insbesonde-                       Dieses hat laut einem Bericht von BBC im letzten      trie in Mittel-Osteuropa in diesem Zeitraum eher
re die Sonne. Es kann zudem vermutet werden,                       Jahr nicht weiter ab- sondern um 60 % gegenüber       bestimmend war. Und nun ist die Arktis auch
dass es stärkere Schwankungen im natürlichen                       dem Vorjahr zugenommen – Zufall oder Irrtum?          nicht so schrecklich weit von Europa entfernt,
Klimasystem gibt – möglicherweise ist ein grö-                                                                           dortige Anomalien können also ebenfalls damit
ßerer Anteil an Wärme in tiefere Schichten des                     von Storch: Dank Satelliten können wir die Eis-       zusammenhängen. Das ist aber im Moment nicht
Ozeans transportiert worden. Ich persönlich gehe                   ausdehnung der Arktis erst seit den letzten 30        mehr als eine Vermutung.
eher davon aus, dass wir Faktoren wie die Sonne                    Jahren gut übersehen. Wobei wir natürlich im
etwas höher und CO2 einen Tick weniger gewich-                     Groben eine Vorstellung davon haben, was vor-         „et“: Es wurde ebenfalls vom BBC sechs Jahre vor-
ten und etwas mehr natürliche Variabilität ein-                    her geschehen ist; daher glaube ich schon, dass       her prognostiziert, dass die Arktis im Jahre 2013
räumen müssen – dann sind wir wieder im grü-                       die Verhältnisse 2012 außergewöhnlich waren.          zeitweilig komplett eisfrei sein würde. Vielleicht
nen Bereich. Das ist aber ein reines Bauchgefühl,                  Generell fühlen wir uns wohler, wenn wir die          sollte man sich vor derart kurzfristigen Aussagen
was ich hier äußere….                                              Entwicklung über 100 oder 150 Jahre übersehen         im Bereich des Klimas generell hüten?

                                                      „Das Problem der Klimawissenschaft ist diese elende Politisierung, dass aus politischen
                                                      Gründen möglichst schnell Antworten auf neue und schwierige Fragen gegeben werden, da-
                                                      mit die bevorzugte politische Konsequenz weiterhin bestehen bleibt. Dieser Schweinsgalopp
                                                      beschädigt die Reputation der Klimawissenschaften als eine unabhängige und ergebnisoffene
                                                      Einrichtung.“
                                 Fotos: KlimaCampus

                                                      Dr. Hans von Storch, Direktor am Institut für Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geest-
                                                      hacht und Professor für Meteorologie an der Universität Hamburg

ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 64. Jg. (2014) Heft 1/2                                                                                                          51
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