BULLETIN - die Grünen Zug

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ALTERNATIVE - DIE GRÜNEN ZUG

    BULLETIN                                          NUMMER 1 | MÄRZ 2019

*   4 Junge Alternative – Zensuriert und bestraft *
*   7 Klimaklage – Alles steht auf dem Spiel *
*   8 Kantonsrat – Es geht um das Kulturerbe *
* 14 Verkehr – Keine Lust an Mehrverkehr *
* 22 Referendum – Das ist eine Mogelpackung *
Inhaltsverzeichnis

2   2 Inhaltsverzeichnis                    «Mission statement»
                                            Das BULLETIN ist eine unabhängige Kom­        • Gleichwertigkeit von Geschlecht und
    3 Editorial
                                            munikationsplattform des alternativen Zug       Rasse
    Die Jungen sind da
                                            und wird von folgenden Gruppen getragen:      • Verantwortung des Einzelnen ge­gen­über
                                                                                            der Gesellschaft und Verantwortung der
    4 Junge Alternative
                                            Alternative – die Grünen Baar                   Gesellschaft gegenüber dem/der
    Zensuriert und bestraft
                                            Alternative – die Grünen Menzingen              Einzelnen.
    6 Junge Alternative                     Alternative – die Grünen Unterägeri
    Streiken für das Klima                  Alternative – die Grünen Stadt Zug            Die Redaktion recherchiert zu politischen
                                            Alternative – die Grünen Zug                  und gesellschaftlichen Themen nach bes­
    7 Klimaklage                            Forum Oberägeri                               tem Wissen und Gewissen. Sie nimmt
    Alles steht auf dem Spiel               Grünes Forum Hünenberg                        aktuelle Themen der alternativen Gruppie­
                                            Grüne Risch-Rotkreuz                          rungen aus den einzelnen Zuger Gemein­
    8 Kantonsrat                            Grüne Steinhausen                             den auf. Das BULLETIN fördert das poli­
    Es geht um das Kulturerbe               Krifo Alternative Cham                        tische Bewusstsein der Bevölkerung und
                                                                                          trägt zur Meinungsbildung bei. Autorinnen
    9 Kantonsrat                            Das BULLETIN setzt sich mittels seiner        und Autoren der BULLETIN-Beiträge sind
    Willkommene Verstärkung                 Publikationen ein für die Förderung und       frei in ihrer Meinungsäusserung.
                                            den Erhalt von Lebensqualität im Sinne von:
    10 Filzfrei                             • Soziale Gerechtigkeit, Schutz von sozial    Redaktion und Herausgeberverein
    Unabhängig und transparent                   Benachteiligten                          «Das BULLETIN»
                                            • Ökologische Nachhaltigkeit, Schutz
    11 Grünspecht
                                                 von Lebensräumen und der Natur
    Belächelte Jugend

    12 Bildung
    Chancengleichheit in Zug

    14 Verkehr
    Keine Lust an Mehrverkehr

    16 Regierungsrat
    Ein Rückblick

    20 Frauen*
    Movimiento Feminista

    22 Referendum
    Das ist eine Mogelpackung

    24 Rohstoff
    Kohle mit Kohle

    25 Service
    Gestreift
    Kino
    Veranstaltungen
    Adressen
    Impressum

    BULLETIN    |     NUMMER 1   |   MÄRZ 2019
Editorial

Die Jungen sind da

Esther Haas, Kantonsratsvizepräsidentin, Alternative – die Grünen Zug

                                                                                sehr lange gut unterwegs, der grosse     3
                                                                                Coup blieb leider aus. Ihr Engage-
                                                                                ment zahlte sich letztlich in viel
                                                                                Anerkennung aus für einen Abstim-
                                                                                mungskampf gegen übermächtige
                                                                                Gegner. Die Jungen Alternativen
                                                                                kennen sich aus. Seit Jahren leisten
                                                                                sie politische Knochenarbeit und
                                                                                schaffen so die Lancierung einer
                                                                                eigenen Initiative. Sie sind nicht
                                                                                einfach die Wasserträger der Mutter-
                                                                                partei, sondern setzen sichtbare
                                                                                Schwerpunkte. Mit Themen wie
                                                                                Foodwaste, Internetzensur und
                                                                                Cannabis sprechen sie ihre Altersge-
                                                                                nossen direkt an.
                                                                                Ich wünsche mir noch mehr junge
                                                                                Menschen wie Remo Conti, Konradin
                                                                                und Luzian Franzini, Christina Gut,
                                                                                Vivienne Hanke, Basil Höfliger, Tim
                                                                                Kilchsperger, Julia Küng, Jeanine
Kürzlich schlug ein Lernender im         möglichst viel Aufmerksamkeit          Marti und Gurbetelli Yener. Sie setzen
Unterricht vor, dass über 70-Jährige     auf das zu lenken», liess sich die     sich im Vorstand der Jungen Alterna-
nicht mehr zu Wahlen und Abstim-         18-jährige Kantischülerin Jana         tiven ein für ein «soziales, solida-
mungen zugelassen werden, «weil          Kronig in der «Zuger Zeitung»          risches und ökologisches Zug, das
sie über die Zukunft der Jugend          zitieren. Exponenten der internatio-   auch für die Jugend seinen Freiraum
entscheiden, ohne davon betroffen        nalen Klimastreikbewegung erklären     hat.» Mit ihrer Beharrlichkeit fordern
zu sein». Wums, der sass! «Demnach       ihr immer lauter werdendes Engage-     sie uns Alte heraus. Sie widerspre-
hätte ich in acht Jahren kein Stimm-     ment so: «Wir jungen Menschen          chen dem vernichtenden Urteil von
und Wahlrecht mehr», war meine           machen die Hälfte der weltweiten       Sokrates, der um 469 v. Chr. schrieb:
spontane Reaktion. Der mitleidige        Bevölkerung aus. Unsere Generation     «Die Jugend liebt heutzutage den
Blick des Lernenden stimmte mich         wuchs mit der Klimakrise auf […].      Luxus [...] sie hat keinen Respekt vor
etwas zuversichtlicher.                  Trotzdem sind die meisten von uns      den älteren Leuten und schwatzt, wo
Heimlich habe ich mich gefreut           nicht in die lokalen und globalen      sie arbeiten sollte.» Falsch, Herr
über den Vorschlag. Nicht, weil ich      Entscheidungsprozesse eingebun-        Sokrates! Die Jugend 2019 will
stimm- und wahlmüde wäre. Ganz           den. Wir sind die stimmlose Zukunft    mitgestalten. Der Klimastreik ist
und gar nicht. Ich freute mich           der Menschheit.» Einverstanden –       mehr als ein Zeichen. Was für die
vielmehr, dass die Jugend im Jahr        ausser mit dem letzten Satz.           Jungen Alternativen gilt, nimmt sich
2019 wieder aufmüpfig daherkommt.        In der Schweiz hätten alle Jugend-     auch die Klimastreikbewegung zu
Junge Menschen mischen sich ein in       lichen ab dem 18. Altersjahr Gele-     Herzen: «Wir werden nicht länger
die Politik, sie wollen gehört werden.   genheit mitzureden. Nur wenige von     die Faust im Sack machen.»
«Wir sind laut, weil ihr uns die         ihnen haben in den letzten Jahren      Ich freue mich auf weitere Aktionen
Zukunft klaut», tönt es am Klima­        diese Chance gepackt. Ich empfinde     von jungen Aktivisten. Ich freue
streik, der unlängst auch in Zug         es im Unterricht bei expliziten        mich, dass die Jugend mehr sucht
angekommen ist, aus tausenden von        politischen Themen zuweilen            als «den Luxus» (Sokrates!). Mein
jungen Kehlen. Lange galt die            schwierig, bei Jugendlichen dafür      Aufruf gilt allen Jungen: Seid
Mehrheit der Jugendlichen des            Interesse herauszukitzeln. Auch die    weiterhin laut, dass euch alle hören,
20. Jahrhunderts als pflichtbewusste     Jungparteien versuchen immer           auch jene, die das Thema Klima und
Hedonisten. Die Klimadiskussion          wieder, die Jugend für ihre Anliegen   ähnliche Themen am liebsten auf
scheint viele jungen Menschen aus        zu sensibilisieren. Mit mässigem       den Mond verbannen würden. Aber
dem Busch zu klopfen: «Mein Ziel         Erfolg. Eine grosse Ausnahme sind      deshalb müsst ihr uns Alten nicht
ist es, die Leute aufzurütteln.          die Jungen Alternativen. Mit ihrer     gleich das Stimm- und Wahlrecht
Ich – wir alle hier – probieren          Zersiedelungsinitiative waren sie      klauen. ■

                                                                         BULLETIN    |   NUMMER 1     |   MÄRZ 2019
Junge Alternative

    Zensuriert und bestraft

    Natalie Chiodi, Redaktion BULLETIN

4   Was bisher geschah: Im April 2017 haben die Jungen Alternativen und                 ten und Parteientschädigung den
    die JUSO mit Plakaten, auf denen die zwei Regierungsräte Heinz Tännler              Jungparteien aufgebürdet wird – ob­
    und Matthias Michel zu sehen waren, geworben. Sie hatten deren Jahres-              schon es nie zu einer Verurteilung
                                                                                        kam – ist auch nicht gerade das, was
    lohn als Regierungsräte veröffentlicht und dazu den Satz: Zug hat genug
                                                                                        man sich unter einem Rechtsstaat
    bezahlbaren Wohnraum. Das war zu viel für die beiden. Sie haben mittels
                                                                                        vorstellt.
    einer superprovisorischen Verfügung dafür gesorgt, dass das Abstim-                 Am 20. Dezember hat das Oberge­
    mungskomitee die Plakate sofort entfernen lassen mussten.                           richt entschieden. Es ist auf die Be­
                                                                                        rufung nicht eingetreten und legt
                                                                                        bei Gerichtskosten und Parteient­
    Das Komitee kam dieser superpro­            Regierungsräte ab, weil dieses ma­      schädigung nochmals nach. Da das
    visorischen Verfügung nach und              teriell nach erfolgter Abstimmung       Komitee ja vom Kantonsrichter nicht
    entfernte die Plakate. Gleichzeitig         nicht mehr relevant sei. Obwohl das     verurteilt wurde, gebe es auch nichts
    wehrten sie sich mit einer Eingabe          Komitee damit eigentlich freigespro­    zu klagen. Dies ist ja noch einiger­
    ans Gericht gegen diese Verfügung.          chen wurde, auferlegte der Richter      massen nachvollziehbar. Schwierig
    Sie verwiesen dabei auf einen Präze­        dem Komitee die Gerichtskosten und      zu verstehen ist, dass damit dem Ko­
    denzentscheid des Bundesgerichts,           die Bezahlung einer Parteientschädi­    mitee die Möglichkeit verschlossen
    das in einem bedeutend krasseren            gung an die beiden Regierungsräte.      bleibt, sich gegen die superproviso­
    Fall (Vasella gegen JUSO Schweiz)                                                   rische Verfügung zu wehren. Dazu
    ein Plakat als Politsatire qualifiziert     Obergericht                             hätten sie die Plakate eigentlich hän­
    und als zulässig erklärt hatte.             Diesen Entscheid focht das Komitee      genlassen müssen.
    In der ersten Sommerferienwoche             beim Obergericht an. Dass im Kanton     Dass das Obergericht auch nicht be­
    2017 entschied der Kantonsrichter,          Zug das Recht auf Politsatire anders    reit war, die Berufung bzgl. Kosten an
    dass die superprovisorische Verfü­          als vom Bundesgericht vorgespurt        die zuständige Instanz weiterzulei­
    gung zu Recht erlassen worden sei,          ausgelegt wird, ist schon schwer ver­   ten, ist schwer zu verstehen. Es ent­
    lehnte aber das Gesuch der beiden           ständlich. Dass aber die Gerichtskos­   steht schon der Eindruck, dass sich
                                                                                        auch das Obergericht daran beteiligt
                                                                                        hat, die jungen Linken zu bestrafen.

                                                                                        Bundesgericht
                                                                                        Die beiden Jungparteien haben den
                                                                                        Entscheid des Zuger Obergerichts
                                                                                        an das Bundesgericht weitergezogen.
                                                                                        Das Bundesgericht hat am 8. Novem­
                                                                                        ber 2018 den Weiterzug abgewiesen,
                                                                                        ohne über die Persönlichkeitsver­
                                                                                        letzung zu urteilen. Vier der fünf
                                                                                        BundesrichterInnen haben sich nicht
                                                                                        mit der Sachfrage beschäftigt, son­
                                                                                        dern hinter Formalitäten versteckt:
                                                                                        Das Plakatverbot sei gegenstandslos,
                                                                                        weil keine Plakate mehr hängen.
                                                                                        Wenn über die Frage der Persönlich­
                                                                                        keitsverletzung entschieden werden
                                                                                        soll, müssten die Jungparteien einen
                                                                                        neuen Prozess – eine sogenannte
                                                                                        Negativfeststellungsklage – einleiten.
                                                                                        Trotz fehlenden materiellen Urteils
                                                                                        hat das Bundesgericht bei der Partei­
                                                                                        entschädigung nochmals draufgelegt.
                                                                                        Die Jungparteien müssen nun fast
                                                                                        CHF 17 000 an die Regierungsräte
    Zensuriert, aber nicht verurteilt. Trotzdem müssen die Jungparteien blechen.        Tännler und Michel bezahlen. Den

    BULLETIN      |   NUMMER 1      |   MÄRZ 2019
Vasella gegen JUSO                                                                            5
                                         Das Bundesgericht wies eine Beschwerde des ehemaligen Novartis-CEO und Chairman
                                         Daniel Vasella gegen die JUSO und Cédric Wermuth im Zusammenhang mit dem Abstim­
                                         mungskampf vor der 1:12-Initiative ab. Die JUSO hatten damals ein Plakat veröffentlicht,
                                         auf dem Daniel Vasella zwischen Brady Dougan und Oswald Grübel zu sehen ist, wobei
                                         die Köpfe der drei Personen auf die Körper unbekleideter Männer gesetzt sind. Brady
                                         Dougan hält vor seiner Scham ein Kräutertöpfchen, Oswald Grübel ein A4-Blatt mit dem
                                         Text «1:12» und Daniel Vasella verdeckt seine Scham mit den Händen. Über dem Bild
                                         steht: «1:12-Initiative – gesammelt!» und «ABZOCKER, ZIEHT EUCH WARM AN!»; un­
                                         terhalb des Bildes finden sich der Schriftzug «JUSO/JS/GS» und das Parteisignet. Später
                                         veröffentlichte die JUSO eine weitere Fotomontage mit Daniel Vasella.
                                         Vasella klagte in der Folge gegen die JUSO und Cédric Wermuth aus Persönlichkeitsver­
                                         letzung auf Beseitigung und Unterlassung. Vor Obergericht unterlag Vasella. Das Bundes­
                                         gericht bestätigt dieses Urteil. Unbestritten war, dass Vasella in seiner Persönlichkeit
                                         verletzt worden ist. Strittig war jedoch, ob ein Rechtfertigungsgrund vorlag. Einen sol­
                                         chen erblickt das Bundesgericht in der satirischen Natur der Abstimmungsplakate. Auch
                                         im Rahmen der Satire ist allerdings eine Interessenabwägung durchzuführen. Das Bun­
                                         desgericht hält zum Begriff der Satire fest, dass die Satire kumulativ drei Tatbestandsele­
                                         mente voraussetzt:

                                         • Aggression: nicht gegen eine bestimmte Person, sondern gegen einen Repräsentanten
                                           eines bestimmten Verhaltens oder auch gegen eine Ordnung oder Institution
                                         • sozialer Zweck: Die dargestellte Wirklichkeit wird mit einer übergeordneten Norm
                                           konfrontiert bzw. ein Widerspruch wird aufgedeckt.
                                         • Stilmittel: Die erwähnte Konfrontation wird mit bestimmten Stilmitteln vollzogen, z.B.
                                           durch die Karikatur.
Die superprovisorische Verfügung ist
Vergangenheit – die Wohnungsnot bleibt   Ob die Satire geschmack- oder humorvoll ist, ist dabei belanglos.
aktuell.                                 Das Bundesgericht sieht diese drei Voraussetzungen hier als gegeben an. Es zieht fol­
                                         genden Schluss: «Wenn er gemeinsam mit zwei weiteren Exwponenten […] auf die ein­
Regierungsräten ist es gelungen, bei­    gangs beschriebene Weise dargestellt worden ist, so wurde der Spielraum ausgereizt, ist
de linken Jungparteien über mehrere      aber die Grenze des in der politischen Auseinandersetzung Zulässigen noch nicht über­
Jahre hinweg finanziell massiv zu        schritten, […]»
belasten.
Vermutlich ist den fünf Bundesrich­
tern die politische Dimension dieses
Prozesses nicht entgangen. In Zu­
kunft kann man unter Androhung
einer hohen Busse eine superprovi­        Unterstützung
sorische Verfügung gegen unliebsame       Mit einer Spende helfen Sie, die Schulden zu tilgen. Die Jungparteien sitzen noch immer
Kampagnen erwirken. Wenn man              auf Schulden im Umfang von mehr als 10 000 Franken. Danke für die Unterstützung!
lange genug wartet, muss niemand
mehr über die Sache entscheiden,          Alternative Bank, 4601 Olten
weil sie gegenstandslos geworden ist.     PC 46-110-7
Dies öffnet Tür und Tor für die Zen­      CH77 0839 0034 3650 1000 4
sur unliebsamer Kampagnen.                zugunsten Zuger Komitee für bezahlbaren Wohnraum,
Auch wenn das Plakat zensiert wurde,      Metallstr. 5, 6300 Zug
ist zu hoffen, dass sich die Jungpar­
teien nicht mundtot machen lassen. ■

                                                                               BULLETIN       |    NUMMER 1       |    MÄRZ 2019
Junge Alternative

    Streiken für das Klima

    Tim Kilchsperger, Vorstandsmitglied Junge Alternative Zug

6   In der Schweiz hat sich in den letzten Monaten eine der grössten Jugend-             nalen Klimanotstandes, die Reduktion
    bewegungen seit den 80er-Jahren formiert: die Klimajugend. Gemeinsam                 der Treibhausgasemissionen in der
    mit Jugendlichen rund um den Globus gehen junge Menschen für einen                   Schweiz auf netto Null bis 2030, ohne
                                                                                         den Einsatz von Kompensationstech­
    wirksamen Klimaschutz auf die Strasse. Denn ihnen allen ist bewusst: Sie
                                                                                         nologien und als wichtigste Forderung
    werden die vollen Auswirkungen des Klimawandels miterleben.
                                                                                         die Klimagerechtigkeit. Die Forderung
                                                                                         des Klimanotstandes verlangt ein kla­
    Blicken wir erst etwas zurück: Im Au­      de das CO2-Gesetz verwässert hatten,      res Bekenntnis der Regierung, den
    gust 2018 entschied sich eine schwe­       gab der Bewegung zusätzlichen Schub.      Klimawandel als Krise anzuerkennen
    dische Schülerin namens Greta Thun­        Am 18. Januar 2019 fand dann ein          und auch als solche zu behandeln. Der
    berg, zukünftig jeden Freitag auf die      erster schweizweiter Klimastreik statt,   erste Kanton, der einen solchen Kli­
    Schule zu verzichten, um vor dem           mit insgesamt 22 000 Teilnehmenden.       manotstand ausgerufen hat, ist Basel-
    schwedischen Reichstag einen Sitz­         Auch in Zug haben rund 300 Men­           Stadt. Dessen Kantonsparlament ver­
    streik abzuhalten. Greta wurde da­         schen an der Kundgebung teilgenom­        pflichtet sich damit selbst, jedes zu­
    durch innert kurzer Zeit zum Vorbild       men. Die Teilnehmenden kamen mit          künftige Geschäft, das Auswirkungen
    für eine ganze Generation. Vom Mut         kreativen Transparenten und Plakaten      auf das Klima hat, unter der Berück­
    und der Verpflichtung zum Engage­          und vor allem mit einer grossen Por­      sichtigung der ökologischen, gesell­
    ment für den Klimaschutz angesteckt,       tion Mut. Trotz oder gerade wegen der     schaftlichen und ökonomischen Nach­
                                                                                         haltigkeit zu behandeln. Weiter kommt
                                                                                         dazu, dass die Bevölkerung umfassend
                                                                                         über Ursachen und Auswirkungen des
                                                                                         Klimawandels informiert wird und
                                                                                         auch über Massnahmen, die ergriffen
                                                                                         werden müssen. In der Stadt Zug hat
                                                                                         Luzian Franzini im Namen der Jungen
                                                                                         Alternative eine Einzelinitiative mit
                                                                                         vergleichbarem Inhalt auf Gemeinde­
                                                                                         ebene eingereicht. Die Klimaziele sind
                                                                                         erreichbar, es muss dazu aber ent­
                                                                                         schlossen gehandelt werden!

                                                                                         Klimagerechtigkeit ist soziale
                                                                                         Gerechtigkeit
                                                                                         Die zentrale Forderung nach Klimage­
                                                                                         rechtigkeit will, dass die Hauptver­
                                                                                         antwortlichen für den Klimawandel
    Auch die jungen Zuger*innen beteiligen sich mit kreativen Plakaten und lautstarken   und die Zerstörung der Umwelt zur
    Forderungen am Klimastreik.                                                          Rechenschaft gezogen werden. Diese
                                                                                         Forderung prangert an, was eigent­
    haben Kinder und Jugendliche auf der       angedrohten Konsequenzen hatten sie       lich schon lange klar ist: Grosskon­
    ganzen Welt verschiedenste Formen          sich für die Teilnahme am Klimastreik     zerne und Banken erzielen immense
    von Sitzstreiks und Demonstrationen        entschieden. Am 2. Februar 2019 stell­    Gewinne mit klima- und umwelt­
    abgehalten. So ist die Bewegung des        te die Klimastreikbewegung dann klar,     schädlichem Handeln, während dies
    Klimastreiks Anfang Dezember auch          in welchem Ausmass sie mobilisieren       von Staaten wie der Schweiz aktiv
    in der Schweiz angekommen. Begon­          kann und brachte schweizweit 60 000       begünstigt wird. Die Leidtragenden
    nen haben Jugendliche in Zürich mit        Demonstrierende auf die Strassen.         dabei sind die Ärmsten der Welt.
    einem spontanen Demonstrationszug,                                                   Die Klimajugend erkennt auch die
    ihnen gefolgt sind eine Woche später       Klimanotstand – auch in Zug!              weitreichenden Auswirkungen des
    Schüler*innen und Studierende der          Die dezentral und basisdemokra­           Klimawandels auf die sozialen Un­
    Städte Bern, Basel und St. Gallen. Die     tisch or­ganisierte Bewegung hat in­      gleichheiten der Welt. Der Kampf für
    Wut über das Unverständnis der bür­        zwischen konkrete Forderungen und         Klimagerechtigkeit ist somit immer
    gerlichen Politiker*innen im National­     Ziele formuliert. So verlangen die        auch ein Kampf für soziale Gerech­
    rat, welche zu diesem Zeitpunkt gera­      Jugendlichen die Ausrufung des natio­     tigkeit. ■

    BULLETIN     |   NUMMER 1      |   MÄRZ 2019
Klimaklage

Alles steht auf dem Spiel

Lore Zablonier, Vorstandsmitglied der KlimaSeniorinnen Schweiz

Wir KlimaSeniorinnen setzen uns mit unserer Klage für den Schutz unserer            wir nicht stärker betroffen als andere     7
Grundrechte ein, insbesondere Recht auf Leben. Denn die Schweizer Kli-              Bevölkerungsgruppen. Damit verwehr­
maziele sind eine Gefahr für unsere Gesundheit und verletzen somit die              te das Gericht uns die Möglichkeit, uns
                                                                                    gegen die durch die Klimaerwärmung
Verfassung wie auch die Europäische Menschenrechtskonvention.
                                                                                    verursachte Grundrechtsverletzung zu
                                                                                    wehren. Bundesrat, Parlament und
Wir klagen aufgrund der wissen­           zu stoppen. Heute zählt der Verein        Verwaltung zeigten keine Bereitschaft,
schaftlich belegten Tatsache, dass äl­    über 1220 Mitglieder, bestehend aus       unsere Kritik ernst zu nehmen. Im De­
tere Frauen ab einem Alter von ca. 74     älteren und alten Frauen mit einem        zember 2018 sind wir nun im dritten
Jahren in ihrer Gesundheit besonders      Durchschnittsalter von 74 Jahren.         Schritt mit einer Beschwerde gegen
gefährdet sind durch die Hitzewellen.     Dazu unterstützen uns rund 900 wei­       das Urteil ans Bundesgericht gelangt.
Mit der Klage wollen wir den Erhalt       tere Personen.                            Wir lassen uns nicht entmutigen, weil
einer natürlichen Lebensgrundlage
für uns und vor allem für die nach­
folgenden Generationen durchsetzen.
Denn alles, was uns lieb ist, steht auf
dem Spiel.

Gescheiterte Gesetzesrevision
Das im zurzeit noch geltenden CO2-
Gesetz festgelegte Reduktionsziel bis
2020 reicht für die Begrenzung der
Klimaerwärmung auf maximal 2 Grad
bei weitem nicht aus. Die Reduktion
müsste gemäss unbestrittener wissen­
schaftlicher Analysen mindes­tens 25
bis 40 Prozent betragen. Das gilt erst
recht für das 1,5-Grad-Ziel, das gemäss
der Klimakonferenz in Paris 2015          Anlässlich der GV am 16. Januar 2019 zur Weiterführung der Klage ans Bundesge­
angestrebt werden sollte. Die ver­        richt. (Bild KlimaSeniorinnen)
passten Reduktionen können später
kaum mehr nachgeholt werden.              Unser Ziel ist, dass der Staat seine      wir überzeugt sind, dass wir im Recht
Die Revision des CO2-Gesetzes im De­      Schutzpflichten uns gegenüber wie­        sind. Wir sind bereit, unsere Grund­
zember 2018 scheiterte kläglich. Das      der wahrnimmt und ein Klimaziel           rechte bis vor den Europäischen Men­
Parlament wollte dem Klimaschutz          verfolgt, das der Anforderung genügt,     schenrechtsgerichtshof zu verteidigen,
im Inland eine Abfuhr erteilen und        eine gefährliche Störung des Klima­       falls das Bundesgericht unser Begeh­
seine Klimaziele zur Reduktion der        systems zu verhindern. Wir fordern        ren ebenso ablehnt.
CO2-Emissionen vor allem mit dem          umfassende, auf dieses Ziel ange­         Die Politik kreist weiterhin um sich
Ankauf von Emissionszertifikaten im       passte Massnahmen und eine bessere        selbst und diskutiert u.a. über breitere
Ausland erreichen. Das Gesetz hätte       Umsetzung der beschlossenen Mass­         Strassen für die umweltverpestenden
die Missachtung eines nachhaltigen        nahmen.                                   SUVs, aber nicht über «Netto Null»,
Klimaschutzes in unserem Land be­                                                   eine uneingeschränkte Notwendig­
deutet, so wie es von einer Mehrheit      Klagen durch alle Instanzen               keit, wenn unsere Generation, die für
der Schweizer Bevölkerung erwartet        2016 reichten wir unser Rechtsbegeh­      dieses Klimadesaster verantwortlich
wird.                                     ren beim Bundesrat und den zustän­        ist, die Lebensgrundlage uns und den
Im August 2016 gründeten wir den          digen Departementen ein. 2017 lehnte      nachfolgenden Generationen erhalten
Verein KlimaSeniorinnen Schweiz           das federführende Departement UVEK        will. Die jungen KlimastreikerInnen
mit damals über 300 Mitgliedern,          (Departement für Umwelt, Verkehr,         machen es uns vor. Wir müssen laut
mit dem Ziel, den Bund und das Par­       Energie und Kommunikation) unser Be­      werden, um die PolitikerInnen auf­
lament über den gerichtlichen Weg         gehren ab. Dagegen legten wir 2018 Be­    zuwecken und sie an ihre in der
zu einer Klimapolitik zu zwingen,         schwerde beim Bundesverwaltungsge­        Verfassung festgelegte Schutzpflicht
die den Anforderungen genügt, die         richt ein. Doch auch dort wurde unser     gegenüber der Schweizer Bevölkerung
menschgemachte Klimaerwärmung             Begehren abgelehnt. Laut Urteil seien     zu erinnern. ■

                                                                            BULLETIN      |   NUMMER 1     |   MÄRZ 2019
Kantonsrat

    Es geht um das Kulturerbe

    Mariann Hess, Kantonsrätin Alternative – die Grünen

8   Der Kanton Zug ist aufgrund seines reichhaltigen und vielfältigen Kultur-              wurde vom bürgerlich dominierten
    erbes und vor dem Hintergrund einer seit Jahrzehnten überdurchschnitt-                 Kantonsrat abgelehnt. Der Zuger Hei­
    lich hohen Bautätigkeit auf einen wirksamen Denkmalschutz angewiesen.                  matschutz, der Historische Verein,
                                                                                           das BauForum Zug und der Archäo­
    Mit dem durch den Kantonsrat Anfang 2019 verabschiedeten Gesetz
                                                                                           logische Verein haben sich konse­
    wurde der Denkmalschutz aber de facto abgeschafft.
                                                                                           quenterweise das Ziel gesetzt, dieses
                                                                                           Gesetz dem Volk zur Abstimmung
    Wir hatten bisher ein sehr moderates    gionale Bauten, welche noch keine              vorzulegen und sind mittlerweile
    Gesetz, das der Eigentümerschaft so     70 Jahre alt sind, nicht mehr gegen            daran, die nötigen Unterschriften zu
    weit wie möglich entgegenkam. Un­       den Willen der Eigentümerschaft                sammeln.
    ter anderem konnten auch geschützte     unter Schutz stellen können. Zu­               So wie alle Menschen ihre persön­
    Gebäude massvoll und zweckmäs­          gleich könnte für bereits unter Schutz         lichen Erinnerungen haben, braucht
    sig verändert werden, um sie den        gestellte Zeitzeugen eine Neubeur­             eine Gesellschaft Denkmäler für die
    heutigen Bedürfnissen anzupassen.       teilung verlangt werden, um diese              kollektive Erinnerung. Denkmäler
    Dabei wurden trotz des hohen Wertes     möglicherweise aus ihrem Schutz­               sind ein Stück Geschichte. An sie
    eines Denkmals oft zusätzliche Aus­     status zu entlassen. Für jemand, der           knüpfen sich individuelle und kol­
    baumöglichkeiten gewährt.               in Zukunft sein Haus gerne unter               lektive Erlebnisse und Erinnerungen,

    Denkmalschutz de facto abgeschafft
    Unser 300 Jahre altes Zuger Bauern­
    haus ist seit bald 30 Jahren unter
    Schutz. Wir haben bei einer Renova­
    tion gute Erfahrungen mit der Denk­
    malpflege gemacht und deren Fach­
    wissen geschätzt. Die Ansprüche an
    die beratenden Personen der Denk­
    malpflege sind hoch. Oft müssen
    divergierende Interessen unter einen
    Hut gebracht werden, was Fingerspit­
    zengefühl, Innovation und Kreativi­
    tät verlangt. Offenbar gab es im Ver­
    lauf der Jahre aber auch unglückliche
    Entscheide von Seiten des Denkmal­
    schutzes. Diese haben Unmut bei         Denkmalschutz: Für den Erhalt der lokalen und regionalen, historischen Bauvielfalt.
    einigen Hausbesitzern hervorgerufen.
    Die aufgetretenen Probleme wurden       Schutz stellen möchte, wird dies               sie zeugen von früheren Zeiten und
    auch von den Verantwortlichen in        sehr viel schwieriger werden. Unsere           gesellschaftlichem Wandel, sie über­
    der Abteilung Denkmalpflege und         städtischen, dörflichen und länd­              dauern Jahrhunderte und behaupten
    Bauberatung wahrgenommen, und           lichen Räume würden sich stark ver­            sich in einem sich verändernden Um­
    der Wille war da, das Gesetz zu über­   ändern. Sowohl das typische Zuger              feld. Mit dem neuen Gesetz würden
    arbeiten. Dieser Umstand wurde aber     Bauernhaus als auch der intakte ma­            wir nicht nur unsere Heimat, sondern
    auch durch Immobilienfirmen aus­        lerische Weiler drohten mit der Zeit           auch das kulturelle Erbe zukünftiger
    genutzt, die sich historischer Häu­     zu verschwinden. Die lokale und                Generationen unwiederbringlich zer­
    ser angenommen hatten. Sie hatten       regionale Vielfalt der Baudenkmä­              stören. ■
    genügend Zeit und Geld – sowie          ler ginge weitgehend verloren. Dass
    Vertreter im Kantonsrat. Sie nahmen     Heimatschutz und Denkmalpflege in
    die Gelegenheit der Gesetzesrevision    unserem reichen Kanton keinen Platz             Referendum gegen das neue
    wahr, einen Kahlschlag im Denkmal­      mehr haben sollen, ist für Zug ein              Denkmalschutzgesetz
    schutz zu veranstalten. Mit dem neuen   Armutszeugnis.                                  Unterschriftenbögen gegen das neue
    Gesetz, das der Kantonsrat Anfang                                                       Zuger Denkmalschutzgesetz können
    2019 verabschiedet hat, wurde der       Für den Erhalt des Kulturerbes                  unter www.zugerheimatschutz.ch
    Denkmalschutz de facto abgeschafft.     Der von links-grüner Seite gestellte            heruntergeladen werden.
    Zukünftig soll man lokale und re­       Antrag für ein Behördenreferendum

    BULLETIN    |   NUMMER 1     |   MÄRZ 2019
Kantonsrat

Willkommene Verstärkung

Redaktion BULLETIN

Im vergangenen Oktober wurde die Fraktion der Alternativen – die Grünen                                                            9
(ALG) um einen Sitz vergrössert. Somit sind zurzeit elf VertreterInnen aus
sieben Gemeinden im Kantonsrat. So viel wie seit 2010 nicht mehr. Die
drei neuen Mitglieder stellen wir hier vor.

                                                                                       Tabea Zimmermann (Kantonsschul­
                                                                                       lehrerin in Luzern, Co-Präsidentin
                                                                                       ALG Stadt Zug, Vorstand ALG Kanton
                                                                                       Zug) ist politisch aktiv, weil sie mit­
                                                                                       gestalten will. Sie setzt sich dafür ein,
                                                                                       dass in Zug auch die Menschen und
Stéphanie Vuichard ist in Zug gebo­        Ivo Egger (35 J., verheiratet, 1 Tochter)   die Umwelt in den Mittelpunkt der
ren, gross geworden und immer noch         hat eine kaufmännische Berufsmatu­          Politik gerückt werden, nicht nur die
hier wohnhaft. Der französische Name       rität in der Versicherungsbranche so­       Wirtschaft. Ihre Erfahrung im Gros­
stammt von ihrem Vater, der aus dem        wie einen Bachelor in Umweltingeni­         sen Gemeinderat der Stadt Zug und
Kanton Freiburg stammt. Sie hat an         eurwesen, hat jahrelange Erfahrung in       das Interesse für kantonale Themen
der ZHAW in Wädenswil Umweltinge­          kantonalen Verwaltungen und arbeitet        gaben ihr den Anstoss zur Kandidatur
nieurwesen studiert und später an der      seit Kurzem in einem privaten Inge­         für den Kantonsrat. Den Vergleich
Uni Zürich den Master in Umweltwis­        nieurbüro Teilzeit im Bereich Lärm­         zwischen der Arbeit im GGR und dem
senschaften absolviert. Dabei hatte sie    schutz/nachhaltiges Bauen. Er enga­         KR findet sie spannend: Die konkrete
stets den Schwerpunkt Ökologie und         giert sich in den kantonalen Vorstän­       gesetzgebende Arbeit in der Stadt
Naturschutz in der Schweiz im Fokus.       den des Verkehrsclubs Schweiz und           einerseits, die tendenziell abstrakte­
Mittlerweile arbeitet Stéphanie haupt­     ProVelo. Bis Ende 2018 hat er die ALG       re, dafür weitreichendere Bedeutung
beruflich im Naturama Aargau, wo           Baar in der kommunalen Tiefbau- und         der kantonalen Vorlagen andererseits.
sie Naturförderkurse und Beratungen        Verkehrskommission vertreten. Dank          Tabea freut sich auf die neuen Erfah­
durchführt. Nebenbei arbeitet sie auch     des Proporzsystems kam es im Okto­          rungen und die Arbeit im Kantonsrat
im Natur- und Tierpark Goldau als Ran­     ber 2018 zu seiner überraschenden           und hofft, dass es ihr gelingen wird,
gerin und in einer befristen Anstellung    Wahl. Im Kantonsrat vertritt Ivo Egger      auch dort die alternativen Anliegen –
beim Amt für Wald und Wild im Kan­         nun die ALG in der Hochbau- sowie           zumindest ab und zu – erfolgreich
ton Zug im Bereich Waldbiodiversität.      Ad-hoc-Kommission der Steuergesetz-         ein­bringen zu können. Gleichstel­
Während des Studiums machte Sté­           Revision. Seine grössten politischen        lung, Solidarität und Nachhaltigkeit
phanie die Erfahrung, dass vieles im       Anliegen sind die nachhaltige Raum­         erreicht man nur mit viel aktivem
Bereich Natur- und Umweltschutz            entwicklung, der Umwelt- sowie Ge­          Einsatz.
nicht vorwärtsgeht, weil die Politik       sundheitsschutz.
auf der Bremse steht. Sie arbeitete
nach dem Studium zwei Jahre bei der
VCS-Sektion Zug in einem 20-Prozent-
Pensum. Da sie sich das Büro mit dem
Sekretariat der ALG teilte, bekam sie
mit, was in der Zuger Politik läuft und
rutschte immer mehr hinein, bis sie
sich schliesslich auch als Kantonsrats­
kandidatin aufstellen liess. Mit grosser
Freude vernahm sie, dass sie gewählt
wurde, wofür sie sich an dieser Stelle
bei allen UnterstützerInnen bedanken
möchte. Stéphanie will im Rahmen
ihres Amtes insbesondere im Natur-
und Umweltschutz etwas bewegen und
freut sich auf die Herausforderung.        Die Fraktion der Alternativen – die Grünen im Kantonsrat.

                                                                               BULLETIN     |    NUMMER 1      |   MÄRZ 2019
Filzfrei

     Unabhängig und transparent

     Luzian Franzini, Vorstandsmitglied Alternative – die Grünen Stadt Zug

10   Über die genauen Zahlen lässt sich nur spekulieren, doch bis zu einer                politischen Kampagnen offengelegt
     Million Franken haben Kantonal- und Ortsparteien sowie Kandidie-                     wird. Ansonsten können Scheinko­
     rende für ihren Wahlkampf im letzten Herbst ausgegeben. Es war eine                  mitees Initiativen und Referenden
                                                                                          lancieren und zur Abstimmung brin­
     Materialschlacht sondergleichen. In Leser*innenbriefen verschafften
                                                                                          gen. Dass dies nicht einfach Schwarz­
     Wähler*innen ihrem Unmut Luft.
                                                                                          malerei ist, offenbarte die Abstim­
                                                                                          mung zum Geldspielgesetz im Juni
                                                                                          2018. Ein bürgerliches Komitee aus
     Die Flut von Briefkastenversänden,           Note «ungenügend»                       Jungfreisinnigen, Mitglieder der Jun­
     Give-Aways, Telefonaktionen, Tür-            Die Schweiz ist das einzige euro­       gen Grünliberalen und der Jungen
     zu-Tür-Wahlkampf, Online-Werbung             päische Land, welches noch keine        SVP liess sich das Sammeln des
     und Plakaten ist nicht nur umwelt­           Transparenzrichtlinien auf nationa­     Referendums von der europäischen
     technisch problematisch, sondern             ler Ebene kennt. Sie hat die Emp­       Casinolobby mit 500 000 Franken
     auch aus demokratischer Sicht. In­           fehlungen des Europarat-Gremiums        vergolden. Als sie danach behaupte­
     halte verschwinden hinter von Mar­           Greco bisher nicht umgesetzt und er­    ten, dass für den Abstimmungskampf
                                                                                          kein weiteres Geld mehr geflossen
                                                                                          sei, deckte «10vor10» weitere Zah­
                                                                                          lungen auf. Der genaue Betrag bleibt
                                                                                          bis heute im Dunkeln, man geht je­
                                                                                          doch von einem Millionenbetrag aus.

                                                                                          Junge Alternative kündigt
                                                                                          Initiative an
                                                                                          Auch wenn sich die bürgerliche
                                                                                          Mehr­heit in Bundesbern gegen mehr
                                                                                          Transparenz in der Politik stellt: Bei
                                                                                          der Stimmbevölkerung findet diese
                                                                                          Forderung grossen Anklang. So gibt
                                                                                          es dank ausserparlamentarischem
                                                                                          Druck bereits im Tessin, Genf und
                                                                                          in Neuenburg Vorschriften für das
                                                                                          Offenlegen von Komitee- und Par­
     Die Filzfrei-Kampagne der Alternativen – die Grünen vor den Wahlen 2018.             teienbudgets. Und dank gewonnener
                                                                                          Volksabstimmungen sind auch die
     ketingagenturen getesteten Slogans           hielt im August letzten Jahres erneut   konservativen Kantone Schwyz und
     und bearbeiteten Gesichtern. Wenn            die Note «ungenügend». Die Greco        Freiburg daran, Transparenzregelun­
     der SVP-Kandidat fürs Stadtpräsi­            bedauert in ihrem Bericht, dass die     gen auszuarbeiten.
     dium André Wicki die ganze Stadt             Schweizer Behörden keine Gesetzes­      Stimmbürger*innen haben das Recht
     Zug mit Plakaten zukleistert, die            änderungen in die Wege geleitet ha­     zu wissen, welche wirtschaftlichen
     für mehr bezahlbaren Wohnraum                ben. Doch auch die internationale       Interessen hinter Parteien und Kam­
     werben, verschwinden politische              Kritik hat bisher wenig genützt. Der    pagnen stehen. Die jungen Alterna­
     Positio­nen endgültig.                       Bundesrat liess in seiner Botschaft     tiven haben bereits angekündigt, eine
     Die Alternativen – die Grünen hielten        gar verlauten, dass Transparenzrege­    Volksinitiative zu lancieren, nach­
     sich nicht nur mit Wahlwerbung zu­           lungen nicht mit den Eigenheiten des    dem der Kantonsrat Anfang März
     rück, sondern waren die einzige Par­         schweizerischen Politsystems ver­       gegen mehr Transparenz in der Zuger
     tei, welche ihre Ausgaben und Interes­       einbar seien.                           Politik gestimmt hat. Bleibt zu hof­
     sensbindungen offenlegte. Mit Filzun­        Dass finanzielle Abhängigkeiten zu      fen, dass im Nationalratswahlkampf
     tersätzen und dem Motto «Filz gehört         schlechter Politik führen, zeigte       die Alternativen – die Grünen nicht
     unter die Möbel und nicht in die Po­         sich unlängst beim Abgasskandal         die einzige Partei bleibt, welche ihr
     litik» machten die Wahlhelfer*Innen          in Deutschland. Gerade in einer         Budget offenlegt. ■
     auf das Grundproblem aufmerksam.             halb­direkten Demokratie wie in der
     Es braucht mehr Transparenz in der           Schweiz ist es besonders wichtig,
     Zuger Politik.                               dass die Herkunft von Geldern bei

     BULLETIN      |   NUMMER 1       |   MÄRZ 2019
Grünspecht

Belächelte Jugend

Grünspecht – ein kritischer Vogel

Junge Menschen machen sich Sorgen um das Klima und die Zerstörung un-              der Bundeshausfraktion, die noch           11
serer Umwelt, angefangen vom Plastikmüll in den Meeren bis zur Zersiede-           im letzten Winter das CO2-Gesetz bis
lung unserer Landschaft. Und die satte Wohlstandsgeneration – sie reagiert         zur Unkenntlichkeit verwässerte, ist
                                                                                   schon da. Auch Bruno Pezzatti, Zuger
oft mit Ratschlägen von oben herab.
                                                                                   FDPler in Bern, will von einer ak­
                                                                                   tiven Klimapolitik nichts wissen. Im
«Gut gemeint – mehr nicht» kommen­        dessen mit dem Velo zur Schule           «Tages-Anzeiger» wird er wie folgt
tierte die «Zuger Zeitung» das Abstim­    fahren. Oder es wird ihnen geraten,      zitiert: «Wir sollten auf den liberalen,
mungsergebnis zur Zersiedelungs-          kalt zu duschen. Nur ein Detail: Die     faktenbasierten Weg vertrauen.» Der
initiative. Inhaltlich nicht überzeu­     Zahl der Mamataxis im Verhältnis zu      Weltklimarat IPCC oder auch Greta
gend und zum falschen Zeitpunkt           den Schülern ist an der Kanti deut­      Thunberg könnten dem neoliberalen
lauteten die weiteren Beurteilungen       lich tiefer als beispielsweise bei den   Menzinger mit ein paar Fakten sicher
in den Spalten vieler Zeitungen. So       viel kleineren internationa­
einfach kann man es sich machen …         len Schulen. Oder es wird
Dabei stellt der Grünspecht ein paar      ihnen geraten, im Kloster
einfache Fragen: Wie anders als mit       Einsiedeln Wetteraufzeich­
einem Einzonungsstopp über die gan­       nungen aus dem Mittelalter
ze Schweiz kann der Zersiedelung          zu studieren (Leserbrief von
wirksam Einhalt geboten werden?           Heiri Kuhn, SVP Oberägeri,
Wann denn, wenn nicht jetzt mit dem       ebenfalls vom 8. Februar).
täglichen Verlust von wertvollem          Den Schülerinnen und
Kulturland soll die Zersiedelung aufs     Schü­­lern wird im Kern
politische Parkett gehoben werden?        eigenes Denken abgespro­
Die Gegner – vom Bundesrat bis            chen. Sie seien manipuliert
zur SVP – haben im Abstimmungs­           und instrumentalisiert, lau­
kampf immer auf das strenge Raum­         tet der permanente Vor­
planungsgesetz verwiesen. Auch der        wurf. Heiri Kuhn empfiehlt
Gewerbeverband und die SVP waren          den Jungen sachliche Ge­
auf einmal Feuer und Flamme für           spräche am runden Tisch
ein Gesetz, das sie bei der Abstim­       als Mittel zur Lösungsfin­
mung im März 2013 noch vehement           dung. Da kann der Grün­
bekämpft hatten. Dem Grünspecht           specht nur sein Gefieder schütteln –     nachhelfen. Mit dem Tatbeweis für
kommt in diesem Zusammenhang              ausgerechnet die SVP, welche die         eine aktive Klimapolitik wird es die
eine alte chi­ nesische Weisheit aus      Vorschläge zum Klimaschutz ablehnt       FDP schwer haben. Wie ist das schon
der Vogelwelt in den Sinn – «fällt        und beim CO2-Gesetz im Nationalrat       mit der Krähe, die ins Mehl fällt?
eine Krähe ins Mehl, so bleibt sie        stur Nein gesagt hat, rät den Jugend­
doch nicht lange weiss». Bereits sind     lichen, was zu tun sei. «Umwelt­         Es geht um die Zukunft im
nämlich die Baulobby und Walliser         schutz ja, aber natürlich, sauber und    21. Jahrhundert
Politiker daran, das Raumplanungs­        fair für alle», schliesst Kuhn seinen    Die Kommentarspalten der Zeitun­
gesetz auszuhebeln.                       Leserbrief. Eine hohlere Leerformel      gen haben manchmal ihren Reiz.
                                          hätte er wohl nicht finden können.       So schreibt ein User etwa, Schüler
Klimademonstrationen und                                                           dürften nicht fürs Klima streiken,
Greta Thunberg                            Die FDP gibt sich einen                  da es keinen direkten Kausalzu­
Das gleiche Muster – von oben herab       grünen Anstrich                          sammenhang zwischen Schülerin­
belächelnd und belehrend – wieder­        Vor kurzem hat auch die FDP den          teressen und Klimaschutz gebe; sie
holt sich bei Greta Thunberg sowie        Umweltschutz und die Klimapoli­          sollten eher für besseren Unterricht
den Schülerinnen und Schülern, die        tik wiederentdeckt. Zumindest die        demonstrieren. Ein anderer User rea­
weltweit für eine wirksame Klima­         nationale Präsidentin Petra Gössi        giert prompt: «Die Kausalität ist ge­
politik gestreikt und demonstriert        äussert sich so. Auf einmal ist die      geben. Es macht keinen Sinn für die
haben. Da wird den Jugendlichen un­       Kompensation von CO2 im Inland           Zukunft zu lernen, wenn man keine
terstellt (Leserbrief von Karl Künzle,    nicht mehr ein No-Go; auf einmal         Zukunft mehr hat.» Dem hat der
Menzingen, vom 8. Februar), sie sol­l­­   spricht sich die FDP für eine Flug­      Grünspecht wirklich nichts mehr
ten Mamataxis bestreiken und statt­       ticketabgabe aus. Der Widerstand in      beizufügen. ■

                                                                           BULLETIN     |   NUMMER 1      |   MÄRZ 2019
Bildung

     Chancengleichheit in Zug

     Redaktion BULLETIN

12   Vroni Straub-Müller und Kathrin Staubli sprechen über das Thema Chan-             Die Zuger Integrationsklasse
     cengleichheit in der Schule und besonders in der Integrationsklasse des           Als Lehrperson einer Integrations­
     Kantons Zug. Diese wird von den Stadtschulen Zug geführt. Die besondere           klasse hat man eine interessante und
                                                                                       vielschichtige Aufgabe, führt Kathrin
     Herausforderung, die der Lehrkörper täglich meistert, ist enorm. Vieles,
                                                                                       Staubli aus. Die Kinder kommen aus
     was uns natürlich und logisch scheint, stellt sich als Hürde heraus. Die
                                                                                       sehr verschiedenen Kulturen und
     Umstände sind vielfältig und verlangen ein besonderes Gespür.                     die Gründe für den Aufenthalt in
                                                                                       der Schweiz sind unterschiedlich.
     «Die frühe Kindheit ist entscheidend     und Gespür. Der Umgang mit Rück­         Da sind Kinder, welche dank dem
     für das ganze Leben, denn in dieser      meldungen der Kinder und der El­         Resett­lement-Agreement dauerhaft
     Zeit werden wichtige Weichen für         tern ist dabei sehr wichtig. Diese       in der Schweiz bleiben können und
     die weiterführende Entwicklung von       Spannung zeigt sich an ganz kleinen      Kinder aus Familien, welche noch
     kognitiven und sozialen Fähigkeiten      Dingen. Dazu ein Beispiel: Wenn          im Asylverfahren sind und somit
     gestellt. Kinder, die in anregender      Eltern aus Gegenden stammen, wo          keine Sicherheit haben, ob sie in der
     Umgebung aufwachsen, verfügen            bei schlechter Witterung die Schule      Schweiz bleiben können. Grundsätz­
     über höhere soziale, emotionale und      ausfällt, weil die Strassen dann nicht   lich stellt man fest, dass alle Kinder
     kognitive Fähigkeiten, schneiden bei     passierbar wären, übertragen sie die­    in dieser Klasse einen enormen Wil­
     Schultests besser ab, erreichen ein      se Ängste unbewusst auf die Kinder.      len haben, zu lernen. Man spürt und
     höheres Bildungsniveau und zei­          Es ist nicht zu erwarten, dass das       versteht jedoch, dass die Unsicher­
     gen als Erwachsene eine bessere Er­      Lehrpersonen auf Anhieb erkennen         heit bei den Kindern, welche noch in
     werbsbiografie.» – so steht es auf der   und verstehen, wenn ein Kind dann        einem laufenden Asylverfahren sind,
     Internetseite der Jacobs Foundation      nicht zur Schule kommt. Die nötige       gross sein kann, unter Umständen
     zum Programm Primokidz, welches          Abklärung und Aufklärungsarbeit im       auch die Angst vor einer Ausschaf­
     die Förderung der Chancengleich­         Elternhaus wäre in der Regelklasse       fung. In einer solchen Situation kann
     heit unterstützt. Auch die Stadt Zug     kaum zu schaffen.                        sich eine gewisse Hoffnungslosig­
     ist Teil dieses Programms. Trotz                                                  keit breitmachen, was das Lernen
     Sparmassnahmen hat der Kanton            Der Druck ist hoch                       erschwert. Es ist dann besonders
     Zug, dank der Überzeugungsarbeit         Die (neue) Regelung der Kantons­         herausfordernd, Motivation und ein
     von Vroni Straub-Müller, das Projekt     schule Zug, dass die elektronischen      gutes Lernklima zu erreichen.
     unterstützt und kann auch davon          Geräte der Schüler*innen von den
     profitieren.                             Eltern bezahlt werden müssen, nach­      Strukturen erleichtern die
                                              dem diese in der Primarschule von        Integration
     Information zur Problematik ist          der Schule gestellt wurden, trägt auch   Obwohl die Stadtschulen integrative
     wichtig                                  nicht zur Chancengleichheit bei. Nicht   Schulen sind, wird trotzdem eine
     Familien und Einzelpersonen, wel­        alle Migrant*innen sind in der Lage,     «Integrationsklasse» geführt. Was
     che sich mit dem Thema Chancen­          solche Investitionen zu tätigen. Eine    zunächst widersprüchlich klingt,
     gleichheit befassen müssen, werden       mögliche Konsequenz ist, dass diese      macht aber durchaus Sinn. Denn es
     durch die Mütter-und-Väter-Beratung      Jugendlichen unter dem Druck der         ist wichtig, dass diese Schüler*in­
     bei Hausbesuchen mit wichtigen In­       Eltern einen anderen Bildungsweg         nen in ihrem Lerntempo die für
     formationen versorgt. Lehrpersonen       wählen müssen, anstatt das Gymna­        die Integration nötigen Tätigkeiten
     werden an der PH auf die kulturelle      sium zu besuchen. Das entspricht         und kulturellen Werte erarbeiten
     Vielfalt der Schüler*innen in den        nicht dem Gedanken der Chancen­          und lernen können. Die persönliche
     Klassen vorbereitet. Sie lernen mit      gleichheit. Die Stadtschulen leisten     Situation dieser Schüler*innen ist
     der Situation umzugehen, dass in         auf Gesuch hin Unterstützung. Zum        dermassen unterschiedlich, dass es
     den Integrationsklassen bis zu 30 ver­   Beispiel für Kinderbetreuung, Musik­     äusserst wich­tig ist, sie dort abzu­
     schiedene Muttersprachen gespro­         schulunterricht oder die Tagesschule.    holen, wo sie stehen. In der Regel­
     chen werden und viele verschie­          Wenn die Jugendlichen jedoch an der      klasse wäre das nicht möglich, ohne
     dene kulturelle und gesellschaftliche    Kantonsschule sind, wäre der Kan­        eine Verlangsamung des Lerntem­
     Werte im täglichen Zusammenleben         ton für die Unterstützung zuständig.     pos aller Schüler*innen in Kauf zu
     berücksichtigt werden müssen. Der        Gerade in Zug, mit einer hohen Ma­       nehmen und die Klassenlehrperson
     Anspruch, diese Tatsachen quer über      turitätsquote und vielen Studienab­      vor das grosse Problem zu stellen,
     den Fächerkatalog des Lehrplans zu       schlüssen, steigt der Druck für diese    trotz allem einen strikten Stoffplan
     berücksichtigen, fordert viel Wissen     Jugendlichen und ihre Familien.          einzuhalten. In der Integrationsklasse

     BULLETIN    |   NUMMER 1     |   MÄRZ 2019
13

Vroni Straub-Müller und Kathrin Staubli im Gespräch: Das Thema Chancengleichheit
betrifft nicht nur die Schule.

wird zuerst ein Boden geschaffen,        bis die Schüler*innen dieser Klasse
auf dem ein Lernen möglich wird.         in das Umfeld der Schule integriert
Zudem kennen viele Schüler*innen         werden können. Vroni Straub-Müller
unser Alphabet nicht, so dass dieses     zeigt auf, dass junge Erwachsene
als Erstes erarbeitet werden muss.       von 14 bis 18 Jahren die Möglich­
Traumatische Erlebnisse müssen ver­      keit haben, beim Programm «pro
arbeitet und Scheu überwunden wer­       Arbeit» und beim I-B-A Integrations-
den. Vielleicht müssen nach einer        Brücken-Angebot mitzumachen. Da
monatelangen Odyssee der Flucht          diese Jugendlichen oft ohne Eltern
auch erst einmal Tagesstrukturen ge­     hier sind, werden besonders Bera­
schaffen und erlernt werden. Neben       tungen, soziale Begegnungen, aber
den schulischen Fächern wird auch        auch persönlicher Support und Auf­
in anderen Lebensbereichen geübt,        frischen von Kenntnissen der Spra­
welche die Integration fördern: Die      che oder dem Umgang mit Computer
Schüler*innen essen begleitet beim       und Medien nötig. Das alles wird im
gemeinsamen Mittagstisch der Stadt­      Programm angeboten.
schulen im GIBZ. Dort lernen sie         Und auch wenn man in letzter Zeit in
nebst unserer Esskultur auch den         der Presse lesen konnte, dass die Zahl
Umgang mit den Kolleg*innen.             der Asylsuchenden rückläufig sei,
                                         braucht es dieses Angebot weiterhin.
Integrationsangebote bleiben wichtig     Viele Lager mit Menschen auf der
Teilintegration wird auch auf der        Flucht sind noch immer voll und die­
Kindergartenstufe, im Turnunterricht     se Menschen brauchen eine Zukunft.
und im Handarbeits- und Werkun­          Diese kann auch bei uns sein. Wir
terricht praktiziert. Diese Teilinte­    haben das Wissen und die Erfahrung
grationen werden jeweils mit den         und wollen die Integration weiter
Schüler*innen ausgehandelt und es        pflegen und den Menschen, die dies
dauert typischerweise ein halbes Jahr,   nötig haben, Hilfe anbieten. ■

                                                                            BULLETIN   |   NUMMER 1   |   MÄRZ 2019
Verkehr

     Keine Lust an Mehrverkehr

     Natalie Chiodi, Redaktion BULLETIN

14   Der Kanton Zug plant in der Gemeinde Risch einen Autobahn-Halban-                      Die Bestvariante sei ein Halban­
     schluss Rotkreuz Süd an der Buonaserstrasse zwischen Rotkreuz und                      schluss Rotkreuz Süd und ein Bypass
     Buonas. Dieser wird zu massiv mehr Durchgangsverkehr durch die Wohn-                   am Kreisel Forren. Dem Gemeinderat
                                                                                            ist bewusst, dass als Folge eine Verla­
     gebiete von Rotkreuz, Buonas und Risch führen. Am 17. Dezember 2018
                                                                                            gerung des Verkehrs auf die Buonaser­
     haben die Grünen Risch-Rotkreuz zusammen mit Vertretenden der «IG
                                                                                            strasse entsteht.
     Halbanschluss Nein» ihre Petition gegen den geplanten Autobahn-Halb-
     anschluss Rotkreuz Süd dem Gemeinderat Risch überreicht. Mit dabei ist                 Kantonsrat entscheidet
     auch Hanni Schriber-Neiger, die zusammen mit Konradin Franzini seit                    Damit die Planung für den Halb­
     der ersten Stunde gegen den Plan eines Halbanschlusses kämpft.                         anschluss Rotkreuz Süd in Angriff
                                                                                            genommen werden kann, muss zuerst
                                                                                            ein entsprechender Eintrag in den
     Die Petition mit über 1000 Unter­        Einerseits seien die Platzverhältnisse        kantonalen Richtplan vorgenommen
     schriften will deutlich zeigen, dass     und die Knotenabstände zu knapp,              werden. Zuständig für die Aufnah­
     dieser geplante Halbanschluss auf        andererseits führe der zusätzlich er­         me in den kantonalen Richtplan ist
     wenig Gegenliebe stösst. Nach An­        forderliche Ausbau des bestehenden            der Kantonsrat des Kantons Zug. Der
     sicht der Grünen Risch-Rotkreuz wür­     Autobahnanschlusses zu unverhält­             Entscheid des Kantonsrats wird im
     de dieser neue Halbanschluss zu mas­     nismässig hohen Kosten. Ein zusätz­           Verlaufe des ersten Halbjahres 2019
     siv mehr Durchgangsverkehr durch         licher Autobahnanschluss im Bereich           erwartet.
     die Dorfzentren und Wohngebiete von      des Industriegebiets von Rotkreuz             Im Anschluss daran wird das Bundes­
     Rotkreuz, Buonas und Risch führen.       wird auch vom Bundesamt für Stras­            amt für Strassen (Astra) unter Beteili­
     Zu viele Menschen wären in ihrer Le­     sen (Astra) aus den oben genannten            gung des Kantons und der Gemeinde
     bensqualität durch eine weitere Ver­     Gründen abgelehnt.                            das Projekt starten. Planung und Re­
     kehrslawine massiv beeinträchtigt.
     Der Halbanschluss würde noch mehr
     motorisierten Verkehr anziehen und
     in allen vier Dörfern der Gemeinde
     Risch das Verkehrsproblem zusätz­
     lich verschärfen.

     Verkehrsspitzen brechen
     Gemäss Argumentarium des Rischer
     Gemeinderats sei das Strassennetz um
     den Autobahnanschluss Rotkreuz in
     den Spitzenstunden des Werktages­
     verkehrs am Morgen (7 bis 8 Uhr)
     und am Abend (17 bis 18 Uhr) über­
     lastet. Während am Morgen primär         Buonaserstrasse heute.
     der Abfluss von der Autobahn zum
     Industriegebiet Rotkreuz und Bösch
     stockend sei, staue sich am Abend
     der Verkehr aus dem Industrie- und
     Siedlungsgebiet am Kreisel Forren
     im Zufluss zur Autobahn. Die Baudi­
     rektion des Kantons Zug liess in den
     Jahren 2016–2017 eine Verkehrsstudie
     zu den Verkehrsproblemen in der
     Erschliessung der Industriegebiete
     Rotkreuz und Bösch Hünenberg aus­
     arbeiten. Diese kantonale Verkehrs­
     studie kommt zum Schluss, dass sich
     das Überlastungsproblem nicht direkt
     vor Ort am Kreisel Forren lösen lasse.   Eine IG kämpft gegen die Pläne des Kantons.

     BULLETIN    |   NUMMER 1     |   MÄRZ 2019
alisierung des Halbanschlusses Rot­       Wohin mit dem Verkehrsvolumen?                 um Verkehrsspitzen zu brechen und             15
kreuz Süd würden schätzungsweise          Jürg Röthlisberger, Direktor Bundes­           eine gleichmässigere Auslastung der
5 bis 10 Jahre dauern. Im Unterschied     amt für Strassen, hält in der Einlei­          Verkehrsinfrastrukturen zu erreichen.
dazu würde der Bypass Forren vor­         tung zum ASTRA-Jahresbericht 2016              Das heisst, dass die gleiche Men­
aussichtlich in den Jahren 2020/2021      fest, dass zusätzliche Verkehrsfläche          ge (und der in Zukunft wachsende)
realisiert. Der Kanton Zug wird einen     allein nicht reichen wird, um das Ver­         Verkehr aufs ganze Gemeindegebiet
Beitrag an die Erstellungskosten für      kehrsvolumen in der Zukunft bewäl­             verteilt werden soll. Ob dies die
den Halbanschluss leisten. Sofern die­    tigen zu können. Man liest weiter da­          betroffene Bevölkerung akzeptieren
ser mehr als fünf Millionen Franken       von, dass die Nutzung der Strasse ef­          wird, ist zu bezweifeln. Ob es ver­
beträgt, kann gegen den Entscheid         fizienter, intelligenter und intensiver        kehrstechnisch sinnvoll ist, bleibt
des Kantonsrats das fakultative Refe­     werden sollte. In den nächsten Zeilen          ebenfalls fraglich und aus klima- und
rendum von 1500 Stimmberechtigten         werden konkrete Beispiele gemacht,             umweltpolitischer Sicht ist es ein
des Kantons Zug ergriffen werden.         es kommt auch Mobility Pricing vor,            Blödsinn. ■
Alternativ kann der Kantonsrat das
Behördenreferendum ergreifen und
die Beitragsausrichtung direkt einer
Urnenabstimmung unterstellen.

Was spricht dagegen?
Der Halbanschluss würde mehr Ver­
kehr insbesondere in den Dorfkern
Rotkreuz bringen, da ist man sich
einig. An der Buonaserstrasse rech­
net man mit bis zu 240 Prozent mehr
Verkehr. Diese Strasse führt direkt ins
Zentrum von Rotkreuz, das seit eini­
gen Jahren mit Tempo 20 verkehrsbe­
ruhigt ist.
Schulkinder, Bewohnerinnen und Be­
wohner des Alterszentrums Dreilinden
und die Menschen, die den Rotkreuzer
Dorfplatz queren, um auf den Zug zu
eilen oder die Sportplätze benutzen,
wären sehr direkt betroffen. Der Fuss­
verkehr zu den Geschäften im Dorf­
zentrum würde stark beeinträchtigt.       Karte für das Projekt (Baudirektion ZG).
Der wöchentliche Dorfmarkt und die
Aktivitäten und Festivitäten auf dem
Dorfplatz würden gestört oder gar           Interessensgemeinschaft Halbanschluss Nein
gefährdet.                                  Die Interessensgemeinschaft Halbanschluss Nein hat gut 100 Mitglieder. Wer sich dafür
Die Gemeinde Risch Rotkreuz zählt           interessiert oder per Newsletter auf dem Laufenden gehalten werden will, informiere sich
10 700 Einwohner. Ein neuer Halb­           hier: www.ig-halbanschluss-nein.ch/
anschluss wäre nur 700 Meter von
der heute bestehenden Autobahn-
Ausfahrt entfernt. Zwei Autobahn-
Ein- und Ausfahrten sind für eine           Quellen
Gemeinde dieser Grösse sehr fraglich       •   Grüne Risch-Rotkreuz (gruene-zug.ch/ortsgruppen/risch-rotkreuz/halbanschluss/)
(überdimensioniert!).                      •   www.zg.ch/behoerden/baudirektion/arv/richtplanung
Die «IG Halbanschluss Nein» moniert        •   www.zg.ch/behoerden/baudirektion/arv/richtplanung
auch den Kulturlandverschleiss. Dieser     •   Argumentarium Pro Halbanschluss Gemeinde Risch (www.zg.ch/behoerden/gemein­
betrifft unter anderem eine vom Kanton         den/risch-rotkreuz/verwaltung/aktuelles/mitteilungen/richtplananpassung-mit-halb­
kürzlich aufwändig sanierte nässende           anschluss-wird-begruesst)
Wiese (Schlussabnahme 2018).

                                                                                BULLETIN       |    NUMMER 1       |    MÄRZ 2019
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