BULLETIN - die Grünen Zug

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ALTERNATIVE - DIE GRÜNEN ZUG

    BULLETIN                                  NUMMER 4 | DEZEMBER 2020

*   5 Kantonsrat – Kies wird noch wertvoller *
*   6 Wirtschaft – Visionen realisieren *
* 10 Pflege – Die Lage an der Front *
* 14 Wahlanalyse – 10 Prozent geknackt *
* 18 Doku-Zug – Blick über den Tellerrand *
Inhaltsverzeichnis

2   2 Inhaltsverzeichnis                    «Mission statement»
                                            Das BULLETIN ist eine unabhängige Kom­        • Gleichwertigkeit von Geschlecht und
    3 Editorial
                                            munikationsplattform des alternativen Zug       Rasse
    Die extreme Mitte
                                            und wird von folgenden Gruppen getragen:      • Verantwortung des Einzelnen ge­gen­über
                                                                                            der Gesellschaft und Verantwortung der
    4 Ortsplanung
                                            Alternative – die Grünen Baar                   Gesellschaft gegenüber dem/der
    Chance für grüne Themen
                                            Alternative – die Grünen Menzingen              Einzelnen.
    5 Kantonsrat                            Alternative – die Grünen Unterägeri
    Kies wird noch wertvoller               Alternative – die Grünen Stadt Zug            Die Redaktion recherchiert zu politischen
                                            Alternative – die Grünen Zug                  und gesellschaftlichen Themen nach bes­
    6 Wirtschaft                            Forum Oberägeri                               tem Wissen und Gewissen. Sie nimmt
    Visionen realisieren                    Grünes Forum Hünenberg                        aktuelle Themen der alternativen Gruppie­
                                            Grüne Risch-Rotkreuz                          rungen aus den einzelnen Zuger Gemein­
    9 Gesundheit                            Grüne Steinhausen                             den auf. Das BULLETIN fördert das poli­
    Innovatives Oberägeri                   Alternative – die Grünen Cham                 tische Bewusstsein der Bevölkerung und
                                                                                          trägt zur Meinungsbildung bei. Autorinnen
    10 Pflege                               Das BULLETIN setzt sich mittels seiner        und Autoren der BULLETIN-Beiträge sind
    Die Lage an der Front                   Publikationen ein für die Förderung und       frei in ihrer Meinungsäusserung.
                                            den Erhalt von Lebensqualität im Sinne von:
    11 Nationalrat                          • Soziale Gerechtigkeit, Schutz von sozial    Redaktion und Herausgeberverein
    Crypto                                    Benachteiligten                             «Das BULLETIN»
                                            • Ökologische Nachhaltigkeit, Schutz
    12 Abstimmung
                                              von Lebensräumen und der Natur
    Zweimal JA

    14 Wahlanalyse
    10 Prozent geknackt

    18 Doku-Zug                            Titelbild
    Blick über den Tellerrand              Politische Überzeugungsarbeit unter erschwerten Bedingungen.

    21 Doku-Zug
    Politisches Armutszeugnis

    24 Grünspecht
    Götterdämmerung

    25 Service
    Gestreift
    Kino
    Veranstaltungen
    Adressen
    Impressum

    BULLETIN    |     NUMMER 4   |   DEZEMBER 2020
Editorial

Die extreme Mitte

Josef Lang

Während in Unterägeri die CVP        abgelenkt wie von                                                         3
endlich ihr hohl gewordenes «C»      den grossen Konzer-
aufgab, hingen im Kanton Zug         nen. Mit der fal-
zwei Personenplakate zur Kon-        schen Behauptung,
zernverantwortungs-Abstim-           Tausende von KMU
mung. Auf dem Ja-Plakat warben       seien betroffen. Die
Manuela Weichelt (Alternative),      Rechtsbürgerlichen
Dick Marty (FDP), Martin Landolt     haben damit den
(BDP) und Peter Bieri (CVP) für      Kleinen und Mittle-
die Initiative. Auf dem Nein-Pla-    ren Unternehmen
kat warnten die FDP-Präsidentin      unterstellt, in der
Petra Gössi, der SVP-Präsident       Dritten Welt eben-
Marco Chiesa und der CVP-Präsi-      falls Menschenrech-
dent Gerhard Pfister vor der         te zu verletzen, die
«extremen Initiative». Pikant an     Umwelt zu zerstö-
der Sache war und ist, dass          ren und Kriege
Pfister damit nicht nur einem alt    mitzufinanzieren.
Ständerat seiner eigenen Partei      Die KMU sind im
und vielen weiteren CVP-Mitglie-     Inland die Haup-
dern den Stempel «extrem»            topfer der rechten
aufdrückte. Er tat das auch          Abstimmungskam-
gegenüber dem Präsidenten der        pagnen.                             länder. Enttäuschender waren
BDP, mit dem und mit der er die      Schliesslich haben 51 Prozent       die Resultate im Kanton Zug. Es
neue «Mitte»-Partei gründen will.    der UrnengängerInnen ein Ja in      bestätigt sich, dass das Zuger
Entweder erleben wir die Grün-       die Urne gelegt. Desavouiert        Bürgertum – abgesehen von
dung einer «Mitte», an der           wurden sie durch ein Stände-        mutigen Ausnahmen – noch
Kämpfer für «Extremes» beteiligt     mehr, das spätestens seit der       ziemlich geschlossen hinter den
sind. Oder die Unterstellung von     Auflösung des politischen           Konzernen steht. Bei der Abstim-
Gössi, Chiesa sowie Pfister war      Katholizismus in Unterägeri         mung über die skandalöse
extrem.                              überholt ist. Seine Hauptfunktion   Corona-Steuersenkung dürfte es
Angesichts einer Nein-Kampagne       besteht seit ein paar Jahrzehnten   leichter fallen, bürgerliche
die auch sonst extrem-groteske       darin, die Romandie auszubrem-      Stimmen zu gewinnen.
Züge aufwies, neige ich zur          sen, wenn es ihr gelingt, die       Die Alternative – die Grünen
zweiten Version. In den letzten      Deutschschweiz zu überstimmen.      haben für die beiden Initiativen
48 Jahren habe ich nur wenige        Das Ständemehr ist kein Schutz,     ihr Bestes getan. Sehr wertvoll für
Abstimmungskämpfe erlebt, in         sondern ein Hindernis für die       die kommenden Kampagnen sind
denen das Grosskapital und           wichtigste Minderheit unseres       die Erfahrungen, die die Jungen
seine Rechtsbürgerlichen derart      Landes.                             Alternativen sammeln konnten.
systematisch von der Problematik     Für das zukünftige Engagement       Die Aktion auf dem Glencore-
abgelenkt und derart massiv          gegen verantwortungslose Kon-       Gelände für die KOVI war ein-
Unwahrheiten verbreitet haben.       zerne ist das Volksmehr sehr        drücklich. Grossartig war Julia
Was ich auch selten erlebt habe,     wertvoll. Besonders betroffen ist   Küngs Auftritt in der Arena für
ist eine derart heftige Kirchen-     der Zuger Rohstoffkonzern           die KGI. Es braucht starke
feindlichkeit. Dabei setzten sich    Glencore, gegen den wir seit        Aktionen und Personen gegen ein
die Religionsgemeinschaften für      mehr als 40 Jahren kämpfen.         Rechtsbürgertum, das den
Selbstverständliches ein wie die     Aber auch die 43 Prozent zuguns­    Konzernen und Banken sehr
Einhaltung der Menschenrechte        ten der Initiative von Jungen       nahesteht. Auch wenn sich ein
und die Rücksichtnahme auf die       Grünen und GSoA für ein Verbot      Teil «Die Mitte» nennt.
Umwelt durch Rohstoff- und           der Finanzierung von Kriegsma-      PS. Jo Langs erste Engagements
andere Konzerne.                     terialproduzenten sind eine gute    in Zug 1971 waren in der Arbeits-
Ähnliches erlebte die Kriegsge-      Ausgangslage – beispielsweise im    gruppe 3. Welt und in der Inter-
schäftsinitiative. Von den grossen   kommenden Kampf gegen Kriegs-       nationale der Kriegsgegner
Kriegsinvestoren wurde ähnlich       materialexporte in Bürgerkriegs-    (IdK). ■

                                                             BULLETIN    |   NUMMER 4   |   DEZEMBER 2020
Ortsplanung

    Chance für grüne Themen

    Stéphanie Vuichard, Kantonsrätin ALG Zug

4   Ortsplanungsrevision scheint ein trockenes und theoretisches Thema zu              Alle konnten zu verschiedenen The­
    sein. Das dachte ich jedenfalls, als ich mich beruflich im Kanton Aargau           men Stellung beziehen. Auch ich gab
    damit befassen musste. Doch ich lernte schnell, dass eine Ortsplanungs­            meinen Senf dazu. In der Gemein­
                                                                                       de Risch wurden 2020 verschiedene
    revision auch spannend sein kann, denn sie bringt viele Chancen zur Auf-
                                                                                       Organisationen eingeladen und ich
    wertung einer Gemeinde. In meinem Projekt ging es darum, Möglichkeiten
                                                                                       durfte als Vertreterin von Pro Na­
    aufzuzeigen, was eine Gemeinde für die Natur machen könnte, wenn sie               tura Zug an einem Austausch mit
    denn will.                                                                         dem Rischer Gemeinderat teilneh­
                                                                                       men. Leider werden Umweltorgani­
    So können beispielsweise Inventare      und von 22:00 bis 06:00 Uhr ausge­         sationen nicht überall angeschrie­
    ein wichtiges Instrument für eine       schaltet werden. In der Gemeinde           ben, und so wird es schwierig, die
    Gemeinde sein. Erfasst man als Ge­      Scherz (AG) werden die Leuchten in         Übersicht über alle elf Gemeinden zu
    meinde im Rahmen einer Revision         Quartieren über die Nacht gedimmt.         haben, um sich im richtigen Moment
    die wertvollen Naturelemente wie
    Hecken oder Bäume im und ausser­
    halb des Siedlungsraums und stellt
    sie unter Schutz, so muss bei der
    Entfernung eines Inventarobjekts im
    Minimum ein gleichwertiger Ersatz
    geschaffen werden, damit die Anzahl
    nicht sinkt. Ein Drama wie es bei
    der prächtigen Linde in Unterägeri
    gab, könnte so verhindert werden.
    Man könnte auch Fledermausquar­
    tiere oder Niststandorte von gebäude­
    brütenden Vögeln inventarisieren,
    wo dies noch nicht gemacht wurde.
    So weiss man bei einem Baugesuch
    sofort, ob bestimmte Vorsichtsmass­
    nahmen zum Schutz dieser Tiere
    berücksichtigt werden müssen. Ein       In Zug wird rege gebaut – wirken wir genug mit?
    weiteres Thema sind Grünflächen
    im Siedlungsraum. Eine Gemeinde         Die Möglichkeiten einer Gemeinde           einklinken zu können. Aber es gibt
    könnte verlangen, dass möglichst        sind immens. Es gilt sich auf ein          zum Glück viele andere Personen, die
    viele Flächen unversiegelt sind, z.B.   paar wenige Punkte zu konzentrie­          sich für Umweltanliegen in den ak­
    indem vermehrt Parkplätze mit Kies      ren, um diese voran zu bringen.            tuellen Ortsplanungsrevisionen ein­
    oder Rasengittersteinen statt Asphalt   Worauf der Fokus gelegt wird, muss         setzen, denen ich herzlich danken
    erstellt werden. Oder sie bewilligt     jede Gemeinde selbst entscheiden.          möchte. Kürzlich las ich, dass im
    nur Plätze, die nicht mit Asphalt       Wichtig ist, dass aber wenigstens          oben erwähnten öffentlichen Mitwir­
    versiegelt werden, sondern ganz         ein paar Ideen eingebracht und um­         kungsverfahren sich viele eine natur­
    begrünt geplant und nur die Wege        gesetzt werden. Und da sind alle           nahe, begrünte Stadt Zug wünschen
    befestigt werden. Zudem müssten         angesprochen, Ideen in die Gemeinde        oder dass der Fuss- und Veloverkehr
    in der Planung Freiräume ohne Un­       einzubringen.                              künftig eine tragende Rolle spielen
    terkellerungen für stattliche Bäume                                                soll (ortsplanung-zug.ch). Es freut
    geschaffen werden. Denn grosse Bäu­     Jetzt mitwirken                            mich, dass grüne Anliegen auch von
    me sind für ein besseres Stadtklima     In den Zuger Gemeinden stehen die          der breiten Bevölkerung ausgespro­
    enorm wichtig. Ein letztes Beispiel     Ortsplanungsrevisionen an. Die mei­        chen werden. Die Ortsplanungs­
    für ein Handlungsfeld ist die Licht­    sten Gemeinden haben Gespräche             revisionen haben vielerorts schon
    verschmutzung. Die Gemeinde Lang­       mit verschiedenen Interessengrup­          begonnen, doch kann man sich noch
    nau am Albis bewilligt nur noch         pen begonnen oder auch schon die           einschalten. Die Stadt Zug beispiels­
    Leuchtreklamen und beleuchtete          öffentliche Mitwirkung gestartet. Die      weise möchte am 6. März 2021 eine
    Schau­fenster, wenn sie ein zurück­     Stadt Zug eröffnete im Mai 2020            weitere Mitwirkungsmöglichkeit an­
    haltendes Erscheinungsbild haben        einen öffentlichen Online-Dialog.          bieten. Bleiben wir dran. ■

    BULLETIN    |   NUMMER 4     |   DEZEMBER 2020
Kantonsrat

Kies wird noch wertvoller

Andreas Lustenberger, ALG-Kantonsrat Baar, Hanni Schriber-Neiger,
ALG-Kantonsrätin Risch (Kommissionsmitglieder Raum, Umwelt und Verkehr RUV)

Mit dem grossen Bauvolumen im Kanton Zug ist das Thema Kies­abbau                zustande. Im Kantonsrat setzte sich            5
und Deponievolumen seit Jahrzehnten ein schwieriges Geschäft im                  dann eine engagierte siebenköpfige
Kantons­rat. Für die betroffene Standortgemeinde und Region bedeutet es          Kommissionsminderheit, die Andreas
                                                                                 Lustenberger vertrat, gegen die Fest­
einen gewaltigen Eingriff und eine Verschandelung der Landschaft. Dies
                                                                                 setzung ein. Dabei ging es schlussend­
war auch bei der aktuellen Richtplanfestsetzung mit dem erweiterten
                                                                                 lich um den einen brisanten Punkt
Standort Hatwil/Hubletzen in Cham nicht anders.                                  in der Detailberatung, der matchent­
                                                                                 scheidend war: Wollen wir das Ge­
                                                                                 biet Hatwil/Hubletzen heute schon
«Nicht mehr weiter wie bisher beim       Schlag freigegeben. Ausser die zu­      in seiner Gesamtheit als Kiesabbau­
Kiesabbau!» meinte Hanni Schriber-       künftigen Generationen werfen alles     gebiet und Deponie für Aushub im
Neiger als Votantin für die ALG im       über den Haufen und tragen die mar­     Richtplan festsetzen oder belassen
Kantonsrat im Oktober 2020. Aus          kanten Moränenhügel in Menzingen        wir es beim Zwischenergebnis? Die
Sicht der ALG kann man schon heute       ab. Im nun festgelegten neuen Peri­     Kommissionsminderheit sprach sich
etwas gegen den grossen Kiesver­         meter werden hochwertige Frucht­        nicht grundsätzlich gegen den Kiesab­
brauch und -abbau im Kanton ma­          folgeflächen, Ried und Wald zerstört.   bau oder gegen die Erschliessung von
chen. Er muss in Zukunft gedrosselt      Auch besteht die grosse Befürchtung,    neuen Deponievolumen aus. Sie war
werden. Der Einsatz von Recycling­       dass die Trinkwasserreserven abneh­     und ist sich auch der wirtschaftlichen
                                                                                 Relevanz bewusst. Doch die Logik
                                                                                 ist einfach: Wenn alles freigegeben
                                                                                 ist, dann ist der Druck für die För­
                                                                                 derung von Alternativen über Jahre
                                                                                 geschwächt. Dass die spezialisierten
                                                                                 Unternehmen der Rohstoffgewinnung
                                                                                 sich nicht selbst einschränken und
                                                                                 nach einer marktwirtschaftlichen und
                                                                                 Gewinnsteigerungslogik funktionie­
                                                                                 ren, sieht man heute beispielhaft bei
                                                                                 den Erdöl-Multis.
                                                                                 Schlussendlich debattierte der Kan­
                                                                                 tonsrat mehr als vier Stunden über
                                                                                 die Festsetzung und um ein Haar wäre
                                                                                 es der Kommissionsminderheit unter
Der ganze Wald im Hintergund wird für den Kiesabbau gerodet.                     der Federführung der ALG gelungen,
Bild: Hanni Schriber-Neiger                                                      eine zukunftsorientierte Lösung her­
                                                                                 beizuführen. Schlussendlich setzte
material sollte noch weiter erhöht       men könnten. Zudem ist das Hatwil/      sich doch das «schnelle Geld» gegen
werden. Doch dies reicht nicht aus,      Hubletzen heute ein wichtiges und be­   die «nachhaltige Zukunft» mit 39 zu
sondern auch der Einsatz von nach­       liebtes Naherholungsgebiet der Cha­     34 Stimmen durch. Ein solch knappes
wachsenden Rohstoffen wie Holz           mer Bevölkerung. Diese hatte sich       Resultat macht zumindest Hoffnung
und Lehm muss in der Baubranche          vehement über alle Parteien hinweg      für die Zukunft. Anscheinend beginnt
viel mehr Bedeutung bekommen. Je         gegen diese Richtplanfestsetzung aus­   auch im Kanton Zug die Betonfront
nachdem wie sparsam mit dem Kies         gesprochen.                             langsam zu bröckeln. ■
in Zukunft umgegangen wird, reicht
der geplante Abbau Hatwil gut für        Die Betonfront bröckelt, aber fällt
40 Jahre. Was danach für Optionen        noch nicht                                  Weitere Informationen
bestehen, hätten wir gerne im von uns    Bereits in der Kommission für Raum,
                                                                                     Wollen Sie mehr wissen, wer was im Zuger
verlangten Kieskonzept gelesen.          Umwelt und Verkehr war die Fest­
                                                                                     Kantonsrat genau gesagt hat? Dann lesen
Mit der Festsetzung der 60 Hektaren      setzung höchst umstritten. Nur dank
                                                                                     Sie das Kantonsrats-Protokoll vom 29.
werden trotz teils fehlerhaften Grund­   dem Stichentscheid durch den Kom­
                                                                                     Okto­ber 2020 nach (vormittags und nach­
lagen und einem veralteten Kieskon­      missionspräsidenten Heini Schmid,
                                                                                     mittags). zg.ch/behoerden/kr/protokolle
zept aus dem Jahre 2008 wohl die         notabene ein grosser Immobilienbesit­
letzten Zuger Kiesreserven auf einen     zer im Kanton Zug, kam die Mehrheit

                                                                    BULLETIN     |     NUMMER 4       |    DEZEMBER 2020
Wirtschaft

    Visionen realisieren

    Dr. Ralf Nacke, Ökonom und Jurist

6   Ethisches und nachhaltiges Wirtschaften ist möglich und lohnt sich. Die                 statt ein Mittel zu sein für das, was
    Bewegung «Gemeinwohl-Ökonomie» (GWÖ) bietet hierfür erprobte Ansätze.                   wirklich zählt: ein gutes Leben für
                                                                                            alle.» Mit diesem Leitsatz sieht sich
                                                                                            die GWÖ als Veränderungshebel auf
    Der Glaube an unbeschränkte Res­            auch unser gesellschaftliches Funda­        wirtschaftlicher, politischer und ge­
    sourcen und die Notwendigkeit               ment ist ernsthaft bedroht. Noch nie        sellschaftlicher Ebene. Sie versteht
    zu immer weiterem Wachstum so­              zuvor in den letzten 70 Jahren fühlten      ihre Konzepte und Tätigkeiten als
    wie der Neo­liberalismus der letzten        sich Menschen so überfordert – ob           ergebnisoffene, partizipative, lokal
    Jahrzehnte hat uns trotz aller Errun­       durch Fake News, Polarisierungen,           wachsende Prozesse mit globaler
    genschaften und dem geschaffenen            Konflikte, Informationsüberfütterung –      Ausstrahlung. Zu diesem Zweck hat
    Wohlstand weltweit an den Rand des          und die Komplexität sowie die Schnel­       sie u.a. das Transformationswerkzeug
    ökologischen und ökonomischen Zu­           ligkeit der Veränderungen nehmen ra­        «Gemeinwohl-Bilanz» entwickelt, mit
    sammenbruchs gebracht. Wir in der           pide weiter zu.                             dem sich Unternehmen, Gemeinden,
    Schweiz sind davon auch betroffen.                                                      Bildungseinrichtungen sowie ande­
    Der Klimawandel mit seinen verhee­            Erforderlich: Neue Ansätze                re Organisationen (NGOs, Kirchen,
    renden Auswirkungen wird inzwi­               Wir brauchen faires und ethisches         Vereine, ...) auf umfassende Nachhal­
    schen von fast allen wahrgenommen –           Wirtschaften, die Beachtung der Men­      tigkeit und Gemeinwohlengagement
    aber es gibt viele weitere Themen,            schenwürde (auch im Ausland), ge­         überprüfen und weiterentwickeln
    die unsere Lebensbedingungen auf              lebte Demokratie und die Bewahrung        können.
    der Erde ernsthaft bedrohen: Versau­          unserer Freiheitsrechte sowie eine        Die GWÖ stützt sich in der Schweiz
    erung und Erwärmung der Meere,                überzeugende Vision, wie wir mit den      auf die Bundesverfassung, die als
    chemische Umweltverschmutzungen               Möglichkeiten der künstlichen Intelli­    übergeordneten Zweck in Artikel 2
    (inkl. Plastik in den Meeren), Grund­         genz und mit anderen rasant auf uns       die Förderung der gemeinsamen
    wasserbelastungen durch Düngemit­             zukommenden technologischen Verän­        Wohlfahrt, die nachhaltige Entwick­
    tel und Gülle, Süsswasserverknap­             derungen umgehen wollen. Zu diesem        lung und den inneren Zusammenhalt
    pung, Flächenumwandlung, Verlust              Zweck sind integrale Konzeptansätze       vorsieht. Zugleich bekennt sich die
    der Arten­vielfalt, Luftverschmutzung,        erforderlich, wie z.B. der «Gemein­       Schweiz in der Präambel zur Verant­
    Rückgang der Ozonschicht, usw. Aber           wohl-Ökonomie», der «Blauen Wirt­         wortung gegenüber zukünftigen Gene­
                                                                    schaft», der «Einge­    rationen und dass deren Lebensgrund­
                                                                    betteten Ökonomie»      lage zu erhalten ist. Die GWÖ denkt
                                                                    und der «Postwachs­     deshalb Wirtschaft neu und fordert
                                                                    tums-Ökonomie»,         die Umsetzung eines breiten Pakets
                                                                    sowie notwendige        von Massnahmen. Sie bietet Vision,
                                                                    Kor­rekturen     und    Konzeptansätze und Werkzeuge für
                                                                    rich­t unggebende       eine nachhaltige, faire und den Men­
                                                                    Leit­­planken für ein   schen dienende Wirtschaft, welche
                                                                    sinnorientiertes und    die Natur achtet und von ihr lernt.
                                                                    ethisches Wirtschaf­
                                                                    ten, das den Men­       Die Gemeinwohl-Bilanz
                                                                    schen dient und die     Die Gemeinwohl-Bilanz ist dabei ein
                                                                    Natur achtet.           wichtiger Hebel, um das Bewusstsein
                                                                    Dafür setzt sich die    und die Fähigkeit für nachhaltiges und
                                                                    internationale Gras­    gemeinwohlorientiertes Wirtschaften
                                                                    wurzelbewegung          in Unternehmen und der Wirtschaft
                                                                    Gemeinwohl-Öko­         zu verankern. Sie ist ein wirkungs­
                                                                    nomie (GWÖ) seit        volles, auf Werten basierendes Werk­
                                                                    nunmehr 10 Jah­         zeug, um sich entlang der gesam­
                                                                    ren aktiv ein. «Un­     ten Wertschöpfungskette – inklusive
                                                                    ser jetziges Wirt­      Kund*innen und Lieferant*innen
    Nicht nur die Natur, sondern auch unser gesellschaftliches Fun­ schaftssystem steht     – umfassend mit relevanten Nach­
    dament ist ernsthaft bedroht. Grafik aus Kate Raworth, «Donut auf dem Kopf. Das         haltigkeits- und Gemeinwohlthemen
    Ökonomie» (2018), mit den wichtigsten Bedrohungen der öko­ Geld ist zum Selbst­         auseinanderzusetzen. Sie stellt hohe
    logischen Decke und des gesellschaftlichen Fundaments.          zweck geworden,         Ansprüche an Nachhaltigkeit und

    BULLETIN     |    NUMMER 4      |   DEZEMBER 2020
«Tomorrow – die Welt ist voller Lö­       7
                                                                                           sungen»: Es reicht nicht, nur zu kriti­
                                                                                           sieren und die gewaltigen Herausfor­
                                                                                           derungen zu thematisieren, sondern
                                                                                           es gilt das «Neue», d.h. die vielen
                                                                                           Best-Practice-Beispiele sichtbar zu
                                                                                           machen. Als Transformationsinstru­
                                                                                           ment dienen die vorbeschriebene
                                                                                           Gemeinwohl-Bilanz, regionale GWÖ-
                                                                                           Treffen, spezielle Unternehmertreffs
                                                                                           sowie Konferenzen, z.B. die Zukunfts­
                                                                                           konferenz «Wirtschaft neu denken»
                                                                                           vom 15.–17. April 2021. Weiter koo­
                                                                                           periert die GWÖ-Bewegung mit wich­
                                                                                           tigen Volksinitiativen in der Schweiz
Die Ansätze der «Blauen Wirtschaft» von Gunter Pauli kommen den Konzeptansät­              und sucht den Kontakt zu den politi­
zen der GWÖ nahe. Die «Blaue Wirtschaft» lernt von den Naturgesetzen und löst die          schen Parteien.
«Blase des industriellen Zeitalters» auf. (Quelle: Sustainable Companies, E. Oberleiter,   Covid-19 hat uns auch in der Schweiz
G. Reifer, H.-U. Streit)                                                                   als Gesellschaft, aber auch die Wirt­
                                                                                           schaft aus der «Komfortzone» katapul­
Gemeinwohlorientierung – deutlich            zubieten. Die GWÖ hat auch für                tiert. Die Gesundheit der Menschen
höher als das, was Gesetze heute             Ge­meinden und Regionen Ansätze               hat plötzlich eine sehr hohe Beach­
vorschreiben. Die Gemeinwohl-Bilanz          entwickelt, um Nachhaltigkeit, Regio­         tung bekommen und wir sind bereit,
hat einen hohen Nutzen. Sie ist leicht       nalität, Bür­ger*innenengagement und          gewisse Einschränkungen zu akzep­
handhabbar und baut auf messbare             ein deutliches Mehr an Solidarität und        tieren. Kundenerwartungen verändern
Kriterien auf. Sie ist für Unterneh­         Kooperation zu stärken. Stichworte            sich, die Wirtschaft reagiert darauf
men aller Art geeignet, vom Kleinst­         dazu sind neben der Gemeinwohl-Bi­            und sie wird erhebliche Anpassungen
unternehmen bis zu Konzernen. Sie            lanz der Zufriedenheits- bzw. Glücks­         vornehmen müssen. Unternehmen
erlaubt, Ziele zu setzen und ihre Errei­     indikator und die Gemeinwohlregion.           sind plötzlich deutlich mehr bereit,
chung durch systematische Überprü­                                                         die Nachhaltigkeitsanforderungen an­
fung des Ist-Zustands alle 2–3 Jahre         Verantwortung übernehmen                      zugehen und in ihren Geschäftskon­
zu prüfen, inklusive Verfassung und          Die GWÖ setzt auf eine Reihe in­              zepten entsprechend zu verankern.
Veröffentlichung von entsprechenden          tegraler Lösungsansätze (s. Kasten).          Die Gemeinwohl-Bilanz kann sie da­
Berichten. Auch für kleine und mittle­       Man denke dabei an den Kinofilm               bei unterstützen. Und es geht um die
re Organisationen (KMU) ist sie sinn­
voll – z.B. angeleitet durch erfahrene
Gemeinwohlberater*innen in einer
regionalen Peergruppe zusammen mit
4–6 weiteren Unternehmen.
Die Gemeinwohl-Bilanz ist ein er­
probtes Werkzeug, um Zukunftsfähig­
keit, Nachhaltigkeit, Agilität und Resi­
lienz im Unternehmen zu verankern.
Indem sie Motivation, Identifikation
und emotionale Bindung der Mitarbei­
tenden mit den Unternehmen und de­
ren Produkten enorm steigert, macht
sie die Unternehmen als Arbeitgeber
sehr attraktiv. Sie erlaubt, Trends und
Marktveränderungen – insbesondere
zu mehr Nachhaltigkeit – frühzeitig
zu erkennen und somit entsprechende          Die Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen und andere Organisationen (NGOs,
Produkte sowie Dienstleistungen an­          Bildungseinrichtungen, Kirchen).

                                                                             BULLETIN      |   NUMMER 4     |   DEZEMBER 2020
Wirtschaft

8   Übernahme von Verantwortung und
    darum, diese zu praktizieren – nicht
    nur bei Unternehmen, sondern auch
    bei den Konsumierenden. Im Thema
    Klimawandel wissen wir alle, dass wir
    die CO2-Emissionen zeitnah drastisch
    reduzieren müssen (in der Schweiz
    von aktuell 14,7 Tonnen auf unter 4
    Tonnen CO2 pro Kopf). Die wichtigsten
    Hebel sind der Ersatz von fossilen
    Brennstoffen durch erneuerbare Ener­
    gien und eine drastische Reduktion
    der Viehhaltung. Die Gemeinwohl-
    Bilanz hilft Unternehmen, Reduk­
    tionspotentiale zu erkennen und die
    entsprechenden Massnahmen einzu­
    leiten. Klimaneutralität bis 2030 (und
    nicht eine Halbierung des CO2-Fussab­     Die vier wichtigsten Hebel und Bereiche zur Senkung des ökologischen Fussab­
    drucks) ist ein Gebot der Stunde.         drucks im privaten Bereich. Stellen Konsument*innen ihr Verhalten in Richtung
    Jeder Bürger/Konsument kann dazu          mehr ökologisches Bewusstsein um, wird die Wirtschaft darauf sofort reagieren.
    seinen Beitrag leisten – ob durch eine
    Veränderung des Mobilitäts- und           nehmen und Gemeinden bekannt wird                beginnen, die Hebel zum Klimaschutz
    Reise­verhaltens, eine gesunde Ernäh­     und zum Einsatz kommt. Die GWÖ                   für einen deutlich gesenkten CO2-Fuss­
    rung mit deutlich weniger Fleisch und     unterstützt Veranstaltungen mit Vorträ­          abdruck zu verstehen, bei sich selbst
    reduziertem Foodwaste, Umstellung         gen und erprobten Workshops, so dass             anfangen und damit mit gutem Beispiel
    auf erneuerbare Energien beim Woh­        Bürger*innen und Konsument*innen                 vorangehen. ■■
    nen (Strom und Heizung) sowie einem
    bewussteren Konsumverhalten (weni­
    ger ist mehr).                             Die integralen Lösungsansätze der Gemeinwohl-Ökonomie:
                                               1. Werte- und Sinnorientierung: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische
    Gemeinsam vorgehen                            Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung in Wirtschaft und Gesellschaft,
    Die GWÖ-Bewegung leistet einen wich­       2. Enkeltauglichkeit, Zukunftsfähigkeit, Ressourcenschonung, Beachten der planetaren
    tigen Beitrag für ein Umdenken und            Grenzen, Lernen von der Natur und Schutz unseres gesellschaftlichen Fundaments,
    eine Verhaltensänderung in Wirtschaft      3. ein erfülltes Leben und das Gelingen menschlicher Beziehungen,
    und Gesellschaft. Sie sucht die Vernet­    4. die Umkehr der Prioritäten zwischen Geld als Mittel zur Transaktionsunterstützung vs.
    zung mit Gleichgesinnten und ist der          Geld als Zweck des Wirtschaftens,
    Überzeugung, dass ihre Transformati­       5. Verhinderung von Machtmissbrauch und -konzentration (Grosskonzerne, Übernahmen,
    onsinstrumente wirksam sind. Dazu             Korruption, …),
    ist sie im Gespräch mit den politi­        6. eine (wieder) funktionierende soziale Marktwirtschaft ohne neoliberalistische Ausrichtung.
    schen Parteien in den einzelnen Nach­
    barländern, der EU und auch in der         Weitere Informationen zur Gemeinwohl-Ökonomie:
    Schweiz. In Baden-Württemberg z.B.
                                               •   Schweiz: gwoe.ch
    wurde die Gemeinwohl-Bilanz im Par­
                                               •   International / Dachverband: ecogood.org
    teiprogramm der Grünen sowie im Re­
                                               •   Auf Youtube: «gwö erklärt»
    gierungsprogramm der grün-schwarzen
                                               •   Zur Gemeinwohl-Bilanz: ecogood.org/de/unsere-arbeit/gemeinwohl-bilanz
    Koalition aufgenommen. Sie kommt
    bereits zur Anwendung bei Unter­
    nehmen, kommunalen Betrieben und
    Städten/Gemeinden. Die GWÖ sucht           Ein Beitrag von Dr. Ralf Nacke, Hünenberg See, Ökonom und Jurist (LMU München),
    in der Schweiz und auch in Zug ehren­      Mitglied im Vorstand der Gemeinwohl-Ökonomie Schweiz (gwoe.ch) und Unternehmens­
    amtliche Aktivist*innen, die helfen,       berater für umfassende Nachhaltigkeit und Organisationsentwicklung (cmpartners.ch).
    dass z.B. die Gemeinwohl-Bilanz als        Kontakt: ralf.nacke@gwoe.ch
    Transformationsinstrument in Unter­

    BULLETIN     |   NUMMER 4     |   DEZEMBER 2020
Gesundheit

Innovatives Oberägeri

Paul Iten, Gemeinderat, Oberägeri

Die Inhaber der beiden Hausarztpraxen in Oberägeri, Dr. Joachim Hengge-               • Sicherstellung der hausärztli­chen   9
ler und Dr. Emil Schalch, haben während vieler Jahre die ärztliche Grund-               Grundversorgung durch den
versorgung in der Gemeinde sichergestellt. Da die Nachfolge für die beiden              Aufbau einer neuen Gruppen­
                                                                                        praxis
Ärzte und ihre Praxen bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte,
                                                                                      • Zusätzliche Schaffung oder
bestand die Gefahr, dass die ärztliche Grundversorgung in Oberägeri dem-
                                                                                        Sicherung eines Dienstleistungs­
nächst nicht mehr gewährleistet werden konnte. Aus diesem Grund hat der                 angebotes in den Bereichen
Gemeinderat, welcher für die Sicherstellung der ärztlichen Grundversor-                 Geriatrie, Pädiatrie (Kinder- und
gung verantwortlich ist, zu Beginn des Jahres 2019 mit den beiden Ärzten                Jugendmedizin) und Kardiologie
Kontakt aufgenommen, um gemeinsam eine neue Lösung zu finden.                         • Sicherung der heimärztlichen
                                                                                        Versorgung der Pflegeheime im
                                                                                        Tal durch die Ansiedlung von
In der Folge arbeiteten das Sozial­       dreijährige Projektphase vorgesehen,          Geriatrie-Know-how
amt Oberägeri und die beiden Ärzte        welche am 1. Oktober 2020 beginnt           • Sicherung der schulärztlichen
an einer Projektidee mit dem Titel        und bis zum 30. September 2023                Versorgung
«Gesundheitspunkt Oberägeri». Der         dauert. Zur Absicherung des finan­          • Niederschwellige Beratung in der
Gesundheitspunkt soll neben der hau­      ziellen Risikos aufgrund der nicht            Praxis oder vor Ort für Patien­
särztlichen Grundversorgung auch ein      verrechenbaren Leistungen während             tinnen und Patienten und deren
breites und niederschwelliges sozial­     der Projektphase beantragte die Ge­           Angehörige in Fragen zu den
medizinisches Dienstleistungsange­        meinde der Gemeindeversammlung                Bereichen Gesundheit, Pflege und
bot im Sinne einer integrierten Versor­   im September 2020 eine Defizitga­             Soziales
gung vorsehen. Der Wegzug der Filiale
der Raiffeisenbank Ägerital-Sattel aus
Oberägeri per Mitte 2020 bietet dem
Projekt die nötigen Räumlichkeiten.
Das inzwischen ausgearbeitete Projekt
«Gesundheitspunkt Oberägeri» sieht
den Aufbau einer modernen Gesund­
heitsversorgung für die Gemeinde
vor, welche unter Integration der vor­
handenen Gesundheitsressourcen der
Gemeinde sowie unter Wahrung der
Kosteneffizienz möglichst an einem
Standort eine bedarfs- und bedürfnis­
gerechte Gesundheitsversorgung für
die Menschen in der Gemeinde an­
bietet. Nebst dem Angebot von sozial-     Helle Praxisräume für das neue «Gesundheitspunkt Oberägeri»
medizinischen Versorgungsdiensten
soll auch der Einbezug der gemeind­       rantie von 300 000 Franken für die          • Ausbildung der Freiwilligenorga­
lichen Ressourcen (Freiwilligenorga­      Phase Oktober 2020 bis September              nisationen des gemeindlichen
nisationen) des Gesundheitswesens         2023. Dieser Antrag wurde dann vom            Gesundheitswesens (Pro Senec­
verbessert werden.                        Souverän grossmehrheitlich (2 Gegen­          tute, Pro Infirmis, Hospiz, Nach­
Verschiedene der vorgesehenen Dienst­     stimmen) angenommen.                          barschaftshilfe, Wegbegleitung,
leistungen werden gemäss «Tarmed»                                                       Samariterverein, frohes Alter,
(ärztliche Leistungsabrechnung) nicht     Nutzen für die Bevölkerung und die            Altersrat, etc.) und Koordination
oder nur teilweise von den Versiche­      Gemeinde Oberägeri                            derselben im Gesundheitsbereich
rern übernommen. Bestrebungen, die        Der Gemeinderat ist überzeugt, dass         • Erweiterte, kundenbedürfnis­
Verrechenbarkeit von Leistungen an        das Konzept des Gesundheitspunktes            orientierte Praxisöffnungszeiten
die Erfordernisse einer zukunftsge­       Oberägeri einen hohen gemeinwirt­           • Schaffung von 10 bis 20 zum Teil
richteten integrierten Versorgung an­     schaftlichen Wert für die Bevölke­            hochqualifizierten Arbeitsplätzen
zupassen, sind noch im Gange.             rung und die Gemeinde darstellt.              in Oberägeri
Für die Umsetzung des Projekts «Ge­       Die wichtigsten Punkte lassen sich          • Stärkung der Standortattraktivität
sundheitspunkt Oberägeri» ist eine        wie folgt zusammenfassen:                     der Gemeinde ■

                                                                         BULLETIN      |   NUMMER 4     |   DEZEMBER 2020
Pflege

     Die Lage an der Front

     Anika Brunner, Pflegefachfrau

10   Relativ schnell wurde hierzulande sowie im Ausland mit Schrecken                       fühlt wie eine Kuh in der Milchindu­
     festgestellt: Auch in der zweiten Welle der Covid-19-Pandemie droht ein                strie, dann läuft etwas falsch. Gewal­
     Pflegenotstand. Genauer: Es ist ein Kernproblem in der Pandemiekrise. Es               tig falsch.
     fehlen nicht primär belegbare Betten, sondern Pflegefachleute, welche die
                                                                                            Der Pflegenotstand verschärft sich
     PatientInnen in diesen Betten überhaupt betreuen könnten.
                                                                                            Kommentar auf der Website von SRF
                                                                                            zu einem Artikel betreffend die Situa­
     Bereits seit Jahren zeigt sich, dass der      dass viele aus dem Beruf aussteigen.     tion von Pflegenden auf der Covid-Sta­
     Bedarf an Pflegefachpersonal wächst,          Das wiederum verschärft den Perso­       tion: «Es ist total frustrierend. Und die
     während gleichzeitig die Hälfte der           nalmangel und die Belastung für die      einzige Lösung ist, sich von der Pflege
     Berufsleute ihren Job an den Na­              verbleibenden Berufsleute.               am Bett zu lösen und zum Eigen­schutz
     gel hängt. Der aktuelle Notstand an           Diese Entwicklung führt zwingend zu      etwas anderes zu suchen. Leider.»
     Pflegefachleuten kommt also nicht             einer verminderten Qualität der Pfle­    Wenn wir die Pandemie hinter uns
     überraschend, denn der Beruf kämpft           ge. Das ist aus einer kürzlich publi­    haben werden, werden wir möglicher­
     seit Jahren mit denselben Problemen.          zierten Studie der Universitäten Basel   weise einen noch gravierenderen
     Diese Pandemie führt zu einer zu­             und Bern zu entnehmen, in welcher        Pflege­notstand haben als davor, be­
                                                                                            fürchten ExpertInnen.
                                                                                            Es muss klar sein: Ein weiteres Mal
                                                                                            klatschen ist nett, aber es müssen nun
                                                                                            endlich Taten auf politischer Ebene
                                                                                            folgen, sonst wird es fatale Folgen
                                                                                            geben. Nicht nur für den Personalbe­
                                                                                            stand in der Pflege, sondern für die
                                                                                            ganze Bevölkerung. Seit Jahren mel­
                                                                                            den sich Pflegende zu Wort, um auf
                                                                                            die schlechten Arbeitsbedingungen
                                                                                            aufmerksam zu machen. Die Reaktio­
                                                                                            nen der Politik: nichts tun, schönre­
                                                                                            den oder gar bagatellisieren.
                                                                                            Alle EntscheidungsträgerInnen sollten
                                                                                            einen Tag lang mich und meine Kolle­
     Arbeiten bis zur Erschöpfung: im Pflegebereich eine hochgefährliche Angelegenheit.     gInnen in der Pflege begleiten. Ihnen
     Bild: Freestock                                                                        würde es schnell klar, dass die Patien­
                                                                                            tensicherheit und die Qualität der Ar­
     sätzlichen Belastung des Pflegeper­           Daten aus über 135 Schweizer Spitä­      beitsbedingungen in der Pflege zwei
     sonals. Doch das Wichtigste ist da­           lern ausgewertet wurden. Je geringer     Seiten derselben Medaille sind. Hier
     bei einzusehen: Die Probleme waren            der Anteil qualifizierter Pflegefach­    geht es nicht um Partikularinteressen
     schon vorher da. Die Pandemie wirkt           personen in einem Pflegeteam, desto      einer Berufsgruppe, sondern um das
     lediglich wie ein beschleunigender            mehr Komplikationen gibt es in der       Interesse der Allgemeinheit. Es geht
     Katalysator.                                  Patientenbetreuung und desto höher       letztendlich darum, wie wir mit Men­
                                                   ist die Sterblichkeit.                   schen umgehen, die aus gesundheit­
     Pflege ist gefährlich                         Die Grundanforderungen im Pflege­        lichen Gründen auf die Unterstützung
     Die Pflege heute ist häufig gefährlich.       beruf sind hoch und wir sind oft mit     anderer angewiesen sind. ■
     Das war bereits vor Corona so. Wir            komplexen und schwierigen Situa­
     sind schlichtweg zu oft zu wenig Per­         tionen konfrontiert. Es gibt wohl we­
     sonal oder zu wenig gut qualifiziertes        nige Berufe, bei welchen man so nahe      Autorin
     Personal. Und das in beinahe allen            am Leben ist, wie als Pflegefachper­
                                                                                             Anika Brunner hat Pflegewissenschaften
     Institutionen. Im konkreten Alltag            son. Wir sind ausgebildet, um mit den
                                                                                             studiert. Sie arbeitet zurzeit als diplo­
     bedeutet das, die Verantwortung für           damit einhergehenden Belastungen
                                                                                             mierte Pflegefachfrau auf der Covid-
     deutlich mehr PatientInnen tragen zu          umgehen zu können. Wenn jedoch
                                                                                             19-Station in einem Zürcher Spital und
     müssen. Diese hohe Verantwortung              die Arbeitsbedingungen einem nicht
                                                                                             ist Vorstandsmitglied der Grünen Zürich.
     und die manchmal kaum zu bewälti­             ermöglichen, seinen Job richtig zu
     genden Arbeitspensen führen dazu,             machen, und man sich manchmal

     BULLETIN      |    NUMMER 4      |    DEZEMBER 2020
Nationalrat

Crypto

Manuela Weichelt-Picard, Nationalrätin

Die Alternativen – die Grünen wiesen während Jahrzehnten auf die                     Eigentumsverhältnisse der Firma von       11
Machenschaften der Steinhauser Firma Crypto hin. Immer wieder äus-                   Nutzen sein. Die GPDel fand keine
serten sie Vermutungen zur ausländischen Besitzerschaft. Ein Bericht                 Akten zu diesem Gespräch. Kaspar
                                                                                     Villiger selbst geht davon aus, dass
der Geschäftsprüfungsdelegation der Bundesversammlung bestätigt das
                                                                                     ein Gespräch stattfand, mag sich aber
nun offiziell.
                                                                                     nicht erinnern, ob die Eigentums­
                                                                                     verhältnisse der Crypto ein Thema
Als ich mich anfangs der 90er Jahre       diensten. Auch zeigt der Bericht auf,      waren.
in Steinhausen niederliess, hörte ich     wie die zuständigen Bundesräte ihre        Im neusten Buch von Res Streh­
Gerüchte um die Besitzverhältnisse        Führungsgespräche protokollierten:         le «Operation Crypto» ist zu lesen:
der Crypto AG. Die Alternativen – die     nämlich in der Regel gar nicht.            «Beim Mittagessen drohten die bei­
Grünen organisierten bereits 1994 ein                                                den Verwaltungsräte (Anm. Weichelt:
erstes Podium zu diesem Thema. Als                                                   einer war Stucky) unverzüglich zu­
Mitglied der Geschäftsprüfungskom­                                                   rückzutreten, wenn ihnen Gruppe
mission des Nationalrates habe ich                                                   nicht sagte, wem die Firma gehörte.
im November die Veröffentlichung                                                     Mit dem Rücken zur Wand sagte
des Berichts der Geschäftsprüfungs­                                                  Gruppe, dass die Amerikaner hinter
delegation (GPDel) zum Fall Crypto                                                   der Firma stünden und dass das Pro­
mitentschieden.                                                                      gramm der westlichen Aufklärung
                                                                                     diente. Weit davon entfernt, erzürnt
Missbrauch der Schweizer Neu­                                                        zu sein, akzeptierten die beiden diese
tralität                                                                             Enthüllung ruhig. Einige Tage spä­
Die GPDel stellt fest, dass die Schwei­                                              ter traf Stucky den Verteidigungs­
zer Behörden eine Mitverantwortung                                                   minister Kaspar Villiger zum Thema
für die Aktivitäten der Crypto AG tra­                                               Crypto. Im Lauf des Meetings sagte
gen. Während die Crypto vom Image                                                    Villiger: «Ah, du bist also der Guy,
der Schweiz als neutrales Land profi­                                                der im Verwaltungsrat dieser CIA-
tierte, wurde sie vom amerikanischen                                                 Firma sitzt ...»
Geheimdienst im Einvernehmen mit
dem strategischen Nachrichtendienst                                                  Volle Transparenz fehlt
des Bundes (SND) kontrolliert. Die                                                   Mein Antrag, der Geschäftsprüfungs­
gemeinsame Nutzung einer Schwei­          Sitzung in der Wandelhalle.                kommission auch den Bericht des
zer Firma durch den SND und einen                                                    Untersuchungsbeauftragten vorzu­
ausländischen Dienst war zwar legal.      Wer wusste was?                            legen, welcher den GPDel-Bericht
Allerdings ist es laut GPDel inakzep­     Bereits in den 70er Jahren wandte          massgeblich ergänzt, wurde abge­
tabel, dass die Vorstehenden des VBS      sich ein ehemaliger Mitarbeiter der        lehnt. Leider ist man bis heute nicht
nichts von dieser Operation erfuhren.     Crypto an die Bundespolizei mit dem        bereit, volle Transparenz in dieses
Wussten die Verteidigungsminister         Hinweis, die Firma würde deutschen         dunkle Kapitel zu bringen. Die Grü­
tatsächlich nichts?                       und amerikanischen Geheimdiensten          nen und die SP fordern eine PUK. ■
                                          gehören, und dass man Schwachstel­
Spuren vernichten                         len in die Geräte einbaue, um chif­
Was muss man machen, damit man            frierte Meldungen zu entschlüsseln.
nachträglich nichts mehr beweisen         Auch der lange in Iran inhaftierte
kann? Spuren vernichten. Der Bun­         Crypto-Exportmitarbeiter Hans Büh­
desrat liess das zu, indem er über        ler soll sich laut seiner Tochter wie­      Details
Jahrzehnte den Nachrichtendiens­          derholt an Bundespolizei, EDA und
                                                                                      Der Bericht der Geschäftsprüfungsdele­
ten erlaubte, im grossen Stil und         Nachrichtendienst gewendet haben.
                                                                                      gation des Parlaments ist unter
vorschriftswidrig wichtige Akten          Bundesrat Koller liess Bundesrat Vil­
                                                                                      parlament.ch/press-releases/Pages/mm-
der Archivierung zu entziehen. So         liger 1995 einen Bericht zur Cryp­
                                                                                      gpdel-2020-11-10.aspx abrufbar.
vernichtete der Nachrichtendienst         to zukommen. In einem Schreiben
                                                                                      Oder in Google «geschäftsprüfungsdele­
des Bundes (NDB) noch zwischen            teilte er mit, dieser Bericht dürfte bei
                                                                                      gation crypto» eingeben.
2011 und 2014 Unterlagen aus dem          einem Gespräch von Bundesrat Vil­
Verkehr mit ausländischen Partner­        liger mit Nationalrat Stucky über die

                                                                        BULLETIN     |   NUMMER 4      |    DEZEMBER 2020
Abstimmung

     Zweimal JA

     Natalie Chiodi, Redaktion BULLETIN

12   Im Juni 2021 kommen zwei Initiativen zur Abstimmung, die sich mit                   folgreich – die AP22+ auf die läng­
     der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik der Schweiz beschäftigen.                ste Bank zu schieben. Der SBV soll
     Die heutige Landwirtschaft belastet Böden, Luft und Gewässer bis hin                sogar die Nein-Parole zur Konzern­
                                                                                         verantwortungsinitiative vor allem
     zum Trinkwasser massiv. Die «Trinkwasserinitiative» und die Initiative
                                                                                         deshalb beschlossen haben, damit
     «Schweiz ohne synthetische Pestizide» schaffen die Rahmenbedingungen,
                                                                                         die Wirtschaft ihn ihrerseits gegen
     um diese Umweltschäden endlich einzudämmen. Darum hat die Grüne                     die AP22+ unterstütze.
     Partei der Schweiz an der Delegiertenversammlung ein zweifaches JA
     beschlossen.                                                                        Die Initiativen im Überblick
                                                                                         Die Volksinitiative «Für eine Schweiz
                                                                                         ohne synthetische Pestizide» ver­
     Die Landwirtschaft hat keines ih­            Gewässer – jedes Jahr. Das reduziert   langt den Verzicht auf synthetische
     rer selbst gesetzten Umweltziele             die Artenvielfalt in rapidem Tempo.    Pestizide in der landwirtschaft­
     erreicht. Jährlich bringt sie 2000           Das wollen die UnterstützerInnen       lichen Produktion, in der Verar­
     Tonnen Pestizide in die Umwelt               der beiden Initiativen nicht länger    beitung landwirtschaftlicher Er­
     aus. Das belastet unsere Lebens­             hinnehmen.                             zeugnisse und in der Boden- und
     grundlage, bis hin zu Giftstoffen im         Die neue Agrarpolitik ab 2022          Landschaftspflege. Die Übergangs­
     Trinkwasser. Zu grosse Tierbestände          (AP22+) wollte die Missstände zu­      frist beträgt zehn Jahre. Auch die
     setzen riesige Mengen Klimagase              mindest in Ansätzen korrigieren.       Einfuhr von Lebensmitteln, die syn­
     frei. Über 100 000 Tonnen Stick­             Doch sogar dagegen stemmt sich         thetische Pestizide enthalten oder
     stoff gehen nicht in die Pflanzen,           der Schweizer Bauernverband (SBV)      mithilfe solcher hergestellt worden
     sondern überdüngen Wälder und                und versucht – voraussichtlich er­     sind, soll verboten werden, um die
                                                                                         inländische Landwirtschaft nicht zu
                                                                                         benachteiligen. Das Volksbegehren
                                                                                         «Für sauberes Trinkwasser und ge­
                                                                                         sunde Nahrung (Trinkwasserinitia­
                                                                                         tive)» will, dass die landwirtschaft­
                                                                                         lichen Direktzahlungen nur noch
                                                                                         LandwirtInnen zugutekommen, die
                                                                                         ohne Pestizide und ohne prophy­
                                                                                         laktischen Antibiotikaeinsatz in der
                                                                                         Tierhaltung auskommen. Und die
                                                                                         einen der Produktionsfläche ange­
                                                                                         passten Tierbestand halten. (Weitere
                                                                                         Informationen siehe Kasten.)

                                                                                         Kritik
                                                                                         Man möchte meinen, die Initiativen
                                                                                         sollten von Seiten Biolandbau die
                                                                                         volle Unterstützung geniessen. Bei
                                                                                         der «Sans Pest» ist das so. Die Trink­
                                                                                         wasserinitiative hingegen ist um­
                                                                                         stritten. KritikerInnen monieren, sie
                                                                                         würde die Importe nicht gleichbe­
                                                                                         handeln und dadurch einheimische
                                                                                         Lebensmittel mit strengeren Aufla­
                                                                                         gen benachteiligen. Das tut der Ini­
                                                                                         tiative unrecht. Man darf davon aus­
                                                                                         gehen, dass der neue Arti­kel 104a
                                                                                         in der Bundesverfassung umgesetzt
                                                                                         ist, wenn sie in Kraft tritt. Dieser
     Umweltschäden eindämmen und Biodiversität fördern – das wollen beide Initiativen.   Artikel zur Ernährungssicherheit,
     Geben wir ihnen eine Chance mit zweimal JA!                                         den das Volk im September 2017

     BULLETIN      |   NUMMER 4       |   DEZEMBER 2020
mit grossem Mehr angenommen hat,                                                                                                       13
verlangt unter anderem «grenzüber­         Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide
schreitende Handelsbeziehungen,
                                           Die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» wurde von einer Gruppe
die zur nachhaltigen Entwicklung
                                           engagierter Bürgerinnen und Bürger, darunter Winzer, Ärztinnen und Wissenschaft­
der Land- und Ernährungswirtschaft
                                           lerInnen, ins Leben gerufen. Sie fordert den Verzicht auf synthetische Pestizide in der
beitragen» (Art. 104a Bst. d BV). Die
                                           Nahrungsmittelproduktion, bei öffentlichen Plätzen und Privatpersonen mit einer Über­
Importfrage sollte also schon auf die­
                                           gangsfrist von zehn Jahren und schützt die inländische Landwirtschaft durch gleiche
sem Weg geklärt sein. Ferner kann
                                           Regeln für Importe. Mehr Informationen unter lebenstattgift.ch und future3.ch.
eine Initiative nicht alles leisten, sie
muss die Einheit der Materie wahren
                                           Initiative für sauberes Trinkwasser
und weil es bei der Trinkwasserini­
tiative um Direktzahlungen geht,           «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid-
kann sie den Konsum nicht inte­            und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» heisst die Initiative in voller Länge und
grieren.                                   stellt unser wichtigstes Lebensmittel – das Trinkwasser – ins Zentrum. Es entsteht zum
Die Delegierten von Bio-Suisse ha­         grossen Teil durch die Versickerung des Regens dort, wo auch unsere Nahrung wächst,
ben kürzlich die Parolenfassung zur        auf landwirtschaftlich genutzten Böden. Diese Böden sind der beste Trinkwasserfilter
Trinkwasserinitiative auf April 2021       und ein grosser Wasserspeicher. Unsere heutige intensive Landwirtschaft setzt riesige
verschoben. Der Vorstand hatte ih­         Mengen an Pestiziden, Antibiotika, Importfutter und Düngemittel ein. Das bedroht die
nen die Nein-Parole empfohlen, doch        Qualität unseres Trinkwassers, unserer Nahrung, die Biodiversität, das Klima und die
sie folgten ihm nicht. Die Klein­          Luft. Die Initiative fordert, dass die Subventionen an die Landwirtschaft nur für Bewirt­
bauernvereinigung hat Stimmfrei­           schaftungsweisen ausgerichtet werden, welche die Gesundheit und die Umwelt nicht
gabe zu dieser Initiative beschlossen.     gefährden und das Trinkwasser nicht verschmutzen. initiative-sauberes-trinkwasser.ch

Und jetzt?                                 Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU)
Die Grüne Partei der Schweiz ist der
                                           Die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) entstanden aus der Sorge um eine
Meinung, dass eine Trendwende in
                                           zunehmend kranke Umwelt, die unsere Gesundheit bedroht und das Leben künftiger
der Agrarpolitik der Schweiz über­
                                           Generationen in Frage stellt. Die Mitglieder sind überwiegend HumanmedizinerInnen,
fällig sei. Die Schweiz ist bei der
                                           aber auch Zahn- und TierärztInnen, sowie Studierende dieser Berufe. Angehörige an­
Reduktion des Pestizideinsatzes im
                                           derer Berufe unterstützen die Vereinsziele als GönnerInnen. Der Verein wurde 1987 ge­
internationalen Vergleich bestenfalls
                                           gründet. aefu.ch
noch Mittelklasse. Nur ein doppelten
JA zu beiden Initiativen setze in der
blockierten Agrarpolitik ein klares
Zeichen und mache die Landwirt­
schaft für alle gesünder und umwelt­
freundlicher.
Die Ärztinnen und Ärzte für Um­
weltschutz (AefU) bauen derzeit ein
unabhängiges,       parteiübergreifen­
des Komitee 2xJA zur Unterstüt­
zung der beiden Initiativen auf. Sie
sind überzeugt, damit eine Mehrheit
der Bevölkerung anzusprechen. Die
AefU zeigen sich sehr besorgt über
den massiven Pestizideinsatz in der
Landwirtschaft und seine Auswir­
kungen auf die Gesundheit von Men­
schen und die Umwelt. Sie wollen
nicht zulassen, dass die Initiativen
gegeneinander ausgespielt werden,
worauf die Gegner einer klima- und
zukunftstauglichen Lebensmittelpro­
duktion nur warten würden.  ■

                                                                          BULLETIN       |    NUMMER 4       |   DEZEMBER 2020
Wahlanalyse

     10 Prozent geknackt

     Konradin Franzini, Vorstand Junge Alternative Zug

14   Viele von euch mögen sich an den Wahlsonntag im Oktober 2019 erinnern.                 SP Schweiz
     Die Grünen Schweiz erzielten mit einem Gewinn von 6,18 Prozent und 17                  Die SP ist mit einem Verlust von zwei
     zusätzlichen Sitzen im Nationalrat einen historischen Erfolg. Gut neun                 Prozentpunkten (neu 16,8 Prozent)
                                                                                            nach der SVP die zweitgrösste Ver­
     Monate später ist die Selects (Swiss Election Study) erschienen, welche
                                                                                            liererin der Wahlen 2019 und musste
     die Wahlergebnisse genauer unter die Lupe nimmt.
                                                                                            damit das schlechteste Ergebnis seit
                                                                                            mehr als 100 Jahren (seit der Einfüh­
     Als angehender Politikwissenschaftler     jüngeren Wähler*innenschaft haben            rung der Proporzwahl) hinnehmen.
     und interessierter Leser dieser Wahl­     die Grünen schon immer überdurch­            Grundsätzlich konnte die SP ihre Par­
     studie möchte ich euch die wi­ch­­ti­g­   schnittlich stark abgeschnitten. Im          teibasis gut zur Urne mobilisieren,
     sten Erkenntnisse in gekürzter Form       Vergleich zu 2015 war der Zuwachs in         verlor aber fast einen Viertel ihrer
     vorstellen. Mir ist an dieser Stelle      dieser Altersgruppe dennoch enorm:           ehemaligen Wähler*innenschaft an
     wichtig zu betonen, dass ich nicht alle   Der Wähler*innenanteil der Grünen            die Grünen.
     Aspekte dieser 100-seitigen Studie        stieg bei den 18- bis 34-Jährigen von
     wiedergeben kann. Aspekte wie die         acht auf 19 Prozent. Unter den 35- bis
     Wähler*innenvolatilität, die Verän­       54-Jährigen wurde eine Verdoppelung
     derung der politischen Werte­haltung,     des Grünen-Wähler*innenanteils re­
     die Parteienpolarisierung sowie auch      gistriert und bei den über 54-Jährigen
     die Rolle der Medien und der Sozia­       beinahe ebenso.
     len Medien werden nicht beleuchtet.
     Diese Aspekte können gerne in weite­
     ren Artikeln aufgegriffen werden. Die
     Wahlstudie kann selbst heruntergela­
     den und analysiert werden (s. Kasten).
     Im Folgenden das Wichtigste in Kürze.

     Grüne Schweiz
     Den Grünen gelang es zum ersten
     Mal in ihrer Parteigeschichte, die
     symbolträchtige Zehn-Prozent-Hürde
     zu nehmen. Damit löst sie erstmalig
     mit einem Wähler*innenanteil von
     13,2 Prozent (+6,18 Prozentpunkte)
     die CVP als viertstärkste Kraft ab.
     Ausschlaggebend für diesen Erfolg
     war die gute Themenlage (Klima- und                                                    Die typische Wähler*innenschaft der
     Frauen*wahl), welche zur Mobili­                                                       SP Schweiz ist weiblich, konfessionslos
     sierung neuer Wähler*innengruppen                                                      sowie unter 45 Jahre oder über 54 Jahre
     führte. Überraschenderweise nahmen                                                     alt. Überdurchschnittlich oft wählen
     aber 44 Prozent jener, die 2015 grün                                                   verwitwete Personen die SP Schweiz.
     gewählt hatten, 2019 nicht mehr an                                                     Unter denjenigen Wählenden, die die ob­
     den Wahlen teil. Von den restlichen       Die typische Wähler*innenschaft der          ligatorische Schule oder eine Anlehre als
     56 Prozent wählten jedoch vier von        Grünen Schweiz ist jung, weiblich,           höchsten Bildungsabschluss angaben, ist
     fünf Wähler*innen erneut die Grüne        ledig und konfessionslos. Auch wäh­          die SP übervertreten. Einen ebenfalls ho­
     Partei. Rund ein Drittel der 2019 Grün­   len überdurchschnittlich oft Personen        hen Wähler*innenanteil weist die SP bei
     Wählenden hatten 2015 ihre Stimme         mit einer Tertiärbildung sowie einem         Personen mit einer Tertiärbildung auf.
     noch der SP gegeben. Damit stellt die     Migrationshintergrund die Grüne Partei.      Bei der Einkommensklasse ist keine ein­
     ehemalige SP-Wähler*innenschaft           Wer die Grünen Schweiz wählt, arbeitet       deutige Tendenz sichtbar. SP-wählende
     knapp den grössten Teil des jetzigen      oft im öffentlichen Sektor, bei einer Non-   Personen arbeiten zudem meistens im
     Grünen-Elektorats dar. Der Wahler­        Profit-Organisation oder befindet sich       öffentlichen Sektor, bei einer Non-Profit-
     folg der Grünen ist also nicht auf        noch im Studium. Bei der Einkommens­         Organisation oder in gemischtwirtschaft­
     eine gute Mobilisierung der eige­         klasse sind keine eindeutigen Tendenzen      lichen Unternehmen wie beispielsweise
     nen Basis zurückzuführen. Bei der         sichtbar.                                    der Swisscom.

     BULLETIN     |   NUMMER 4     |   DEZEMBER 2020
GLP Schweiz                                 CVP Schweiz                                 FDP Schweiz                                  15
Von der Klimawahl konnte die GLP            Für eine weitere Überraschung               Mit einem Verlust von 1,3 Prozent­
ebenfalls profitieren: Die Partei ver­      sorgte die CVP, welche die über             punkten (neu 15,1 Prozent) hat die
fügt zwar nach wie vor über kei­            Jahre anhaltenden Verluste stoppen          FDP ihr Wahlziel, die SP zu über­
ne Stammwähler*innenschaft. So              konnte. Mit einem Verlust von 0,2           holen, deutlich verfehlt. Der Partei
kon­nte sie nur etwa 64 Prozent der         Prozentpunkten (neu 11,4 Prozent)           blieben grössere Verluste aufgrund
Wähler*innenschaft von 2015 hal­            und drei Mandaten weniger konnte            einer relativ treuen und stabilen
ten. Zudem wählten weniger als die          die CVP ihre Position knapp über            Wähler*innenbasis erspart. Abwande­
Hälfte jener, die im Frühsommer eine        der Zehnprozentmarke stabilisie­            rungen der FDP-Wähler*innenschaft
GLP-Wahl beabsichtigten, tatsächlich        ren. Grund dafür ist die sehr loyale,       zur SVP und GLP konnten beobachtet
GLP. Profitieren konnte die GLP je­         aber auch al­te Stammwähler*innen­          werden. Die FDP ihrerseits konnten
doch von ehemaligen SP- sowie FDP-          schaft, welche die Partei gut mobili­       jedoch auch ehemalige SVP-Wäh­
Wählenden. 16 Prozent ihrer aktuellen       sieren konnte. Es zeigt sich, dass die      lende dazugewinnen, welche nun­
Wähler*innenschaft besteht aus ehe­         Partei wenig attraktiv für Erst- und        mehr neun Prozent ihres Elektorats
maligen SP-Wählenden und zwölf Pro­         Wechselwähler*innen ist.                    ausmachen. Einzig bei der weiblichen
zent aus ehemaligen FDP-Wählenden.                                                      Wähler*innenschaft zeigten die Frei­
Beliebt ist die GLP ebenfalls bei der                                                   sinnigen Probleme in der Mobili-
jungen, urbanen Wähler*innenschaft.                                                     sierung. Nur durchschnittlich schnitt
Die GLP ist ähnlich wie die Grünen im                                                   die FDP unter Erstwählenden und gar
jungen Elektorat ausserordentlich gut                                                   unterdurchschnittlich unter Neumo­
verankert. Gegenüber 2015 erzielte sie                                                  bilisierten (jenen Wählenden, welche
bei 18- bis 34-Jährigen eine Verdoppe­                                                  2015 noch nicht gewählt hatten) ab.
lung ihres Wähler*innenanteils.

                                                                                        Die typische Wähler*innenschaft der FDP
                                                                                        ist tendenziell männlich, alt, verheiratet
Die typische GLP-Wähler*innenschaft ist     Die typische CVP-Wähler*innenschaft         und protestantisch. FDP-Wählende wei­
eher jung (unter 35 Jahre alt), ledig und   ist eher alt (über 35 Jahre), verheiratet   sen oftmals ein höheres Bildungsniveau
konfessionslos. Bei den Geschlechtern ist   und katholisch. Bei den Geschlechtern       als die Durchschnittsbürger*in aus und
keine Tendenz sichtbar. Der höchste Bil­    wie auch der Einkommensklasse ist kei­      arbeiten in der Privatwirtschaft. Zudem
dungsabschluss ist bei GLP-Wähler*innen     ne Tendenz zu erkennen. Unter denjeni­      sind Wählende der FDP eher in den obe­
oftmals eine Tertiärbildung. Interessant    gen Wählenden, die die obligatorische       ren Einkommensschichten anzusiedeln.
ist, dass Wähler*innen der höchsten         Schule oder eine Anlehre als höchsten       So belegen sie in der obersten Einkom­
Einkommensklasse (über 12000 Franken)       Bildungsabschluss angaben, ist die CVP      mensschicht (über 12000 Franken) den
überdurchschnittlich oft GLP wählen.        sehr stark übervertreten.                   ersten Platz.

                                                                           BULLETIN     |    NUMMER 4      |    DEZEMBER 2020
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