WALDORF WELTWEIT - 100 JAHRE WALDORFSCHULEN THEMA: DER START INS JUBILÄUMSJAHR 2019 SÜDAFRIKA Mentor Trevor Mepham über seinen Besuch am Kap SRI ...
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WALDORF RUNDBRIEF DER WELTWEIT 100 JAHRE WALDORFSCHULEN THEMA: DER START INS JUBILÄUMSJAHR 2019 SÜDAFRIKA Mentor Trevor Mepham über seinen Besuch am Kap SRI LANKA Die Rainbow Foundation in Baddegama HERBST 2018 / WINTER AUS UNSERER ARBEIT2019 1
Titelfoto: Cixin Waldorf School in Dongshan, Taiwan, Fotograf: Li Yanan, Leica Camera Das Bild wird Teil des Fotobandes, den die Freunde der Erziehungskunst anlässlich des 100. Jubiläums der Waldorfschulen herausgeben. Mehr dazu auf Seite 25. Über uns Die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e. V. fördern seit 1976 Waldorf- schulen, Waldorfkindergärten, sozialtherapeutische und heilpädagogische Einrich- tungen sowie soziale Initiativen, um Menschen weltweit gute Bildungschancen zu ermöglichen. Mit Erfolg. Weit über 600 Einrichtungen auf der ganzen Welt konnten bisher gefördert und durch freiwilliges Engagement begleitet werden. Unsere Arbeitsbereiche Wir unterstützen waldorfpädagogische Einrichtungen weltweit in finanziellen wie rechtlichen Fragen und leiten Spenden zu 100 % ins Ausland weiter. Durch den Inter nationalen Hilfsfonds können wir schnelle und dringende Hilfe leisten und Wal- dorfschulen, Waldorfkindergärten sowie heilpädagogische und sozialtherapeutische Einrichtungen bei ihren Vorhaben unterstützen. Unsere Bildungspatenschaften er- möglichen Kindern aus benachteiligten Familien den Besuch einer Waldorfschule. Die Ausbildung von Lehrern und Erziehern fördern wir weltweit mit Stipendien. Wir beteiligen uns in Kooperation mit Stiftungen und dem Bundesministerium für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) an der Finanzierung von Schul- bauten. Beim WOW-Day (Waldorf One World) koordinieren wir das Engagement von Schülern für Waldorfinitiativen weltweit. Im Bereich der Freiwilligendienste vermitteln wir junge Menschen an anthroposophische Einrichtungen ins In- und Aus- land. Dabei sind wir eine der größten zivilgesellschaftlichen Trägerorganisationen in Deutschland mit 1.800 Freiwilligen pro Jahr. Für die hohe Qualität unserer inter- nationalen Freiwilligendienste sind wir mit dem Quifd-Gütesiegel zertifiziert. Über die Programme „weltwärts“ des BMZ und den Internationalen Jugendfreiwilligen- dienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) können Menschen einen Freiwilligendienst im Ausland leisten. Der Bundesfreiwil- ligendienst steht internationalen und deutschen Freiwilligen offen und ermöglicht – ebenso wie das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) – einen freiwilligen Dienst in anthro- posophischen Einrichtungen in Deutschland. Die Notfallpädagogik wendet sich an traumatisierte Menschen in Kriegs- und Katastrophengebieten. Vorstand: Nana Göbel, Henning Kullak-Ublick, Bernd Ruf, Andreas Schubert
INHALT 4 Editorial 5 Aus der Arbeit der Freunde der Erziehungskunst von Nana Göbel 10 Finanzbericht 2017: Die Freunde in Zahlen von Eleonore Jungheim WALDORF WELTWEIT 16 Das Licht sehen: drei Wochen in Südafrikas Kap-Region von Trevor Mepham 20 Lächeln lernen: Besuch in Baddegama von Dr. Claudia Menzel 24 Die Waldorfgemeinschaft in Kufunda wächst von Elke Castner THEMA: 100 JAHRE WALDORF 25 100 Jahre Waldorfschulen: unsere Bücher zum Jubiläum von Christina Reinthal 26 Post aus der Waldorfwelt von Christina Reinthal 27 Ein ganzes Jahr WOW-Day: unsere Jubiläumsprojekte von Jana-Nita Raker 30 Eltern und Lehrer vernetzen sich von Christina Reinthal 31 Gemeinsam um die Welt: der Circus Ponte das Estrelas von Regina Klein AUS UNSERER ARBEIT 32 Impressionen aus Darbari 34 Freiwilligendienst im Ausland: Einsatz für Chancengleichheit von Christoph Herrmann 35 Freunde der Erziehungskunst, Büro Karlsruhe: Beflügelt durch die Gemeinschaft von Christoph Herrmann 36 Notfallpädagogik in Kolumbien: Zum Frieden gehört mehr als Waffenstillstand von Reta Lüscher-Rieger 38 Hier kommt Eure Hilfe an! Rückblick auf den WOW-Day 2017 von Jana-Nita Raker 40 Kurznachrichten 42 Bildungspatenschaften: Ninky Matthee stellt sich vor 43 Bildungspatenschaften 45 Die Kindergartengruppe der Escola Anael in Várzea da Roça, Brasilien 46 Spendenformular 47 Impressum INHALT 3
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, mit dieser Ausgabe von „Waldorf Weltweit“ gehen wir den Schritt ins Jubilä- umsjahr 2019: 100 Jahre Waldorfschulen. Was als Schule für die Kinder der Arbeiter in der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik begann, wurde schon kurz nach der Gründung dieser ersten Waldorfschule in Stuttgart zu einer welt- weiten Schulbewegung: 1923 wurde die Waldorfschule in Den Haag gegrün- det, 1925 eine Schule in London, 1926 folgten dann weitere in Basel, Budapest und Oslo. 1928 schließlich wurde die erste Waldorfschule in New York ge- gründet – es dauerte also noch nicht mal zehn Jahre bis die Bewegung die Grenzen des europäischen Kontinents überschritten hatte. Die Motivation, die zu den Gründungen der Schulen führte, war der Wunsch nach einer guten Schule mit einer respekt- und liebevollen Päda- gogik, die sich an den Bedürfnissen und Entwicklungsschritten der Kinder orientiert. Seit über 40 Jahren begleiten und unterstützen die Freunde der Er- ziehungskunst Schulgründungen in aller Welt. Dabei werden wir immer wieder Zeugen der besonderen Kraft, mit der überall in der Welt Schulen und Kindergärten gegründet und betrieben werden, um den Kindern einen si- cheren Ort zum Lernen und Wachsen zu geben. Diese Kraft möchten wir in zwei Büchern zum Ausdruck bringen und würdigen, die wir anlässlich des Jubiläums herausgeben. (Lesen Sie mehr dazu auf Seite 25.) Denn ohne diese Kraft gäbe es das starke weltweite Netzwerk aus Wal- dorfschulen nicht, das zu Recht auch im Jubiläumsjahr 2019 gefeiert werden soll. Mehr zu den vielen Aktionen und Projekten, die über alle Grenzen der Länder und Kontinente hinausgehen, finden Sie ab Seite 26 im Rahmen unseres Sonderthemas „100 Jahre Waldorf“. Bereits im Februar 2019 erscheint nach vier Jahren Vorbereitungszeit Nana Göbels dreibändiges Buch zur Geschichte der Weltschulbewegung. Nana Göbel, Vorstand der Freunde der Erziehungskunst, begleitet seit über 40 Jahren Waldorfschulen auf der ganzen Welt. In „Die Waldorfschule und ihre Menschen. Weltweit. Geschichte und Geschichten. 1919 bis 2019“ beschreibt sie ausführlich die Geschich- te der Waldorfpädagogik und gibt einen faktenreichen Überblick über die historischen Entwicklungen der letz- ten 100 Jahre in den einzelnen Ländern. In der Frühjahr- sausgabe von „Waldorf Weltweit“ werden wir Ihnen das Buch ausführlich vorstellen. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre und freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam ins Jubiläums- jahr zu gehen. Christina Reinthal 4 EDITORIAL
AUS DER ARBEIT Die Welt mit Selbstvertrauen kennenlernen In den vergangenen Monaten traten immer mehr Ereignisse ins öffentliche Bewusstsein, die eine deutliche Verschiebung des Verhältnisses der Menschen zu sich selbst und zur Welt markieren. Offensichtlich spielt sich ein Rückzug in den geschützten Raum des Privaten ab, mit dem gleich- zeitig eine Abgrenzung gegenüber einer als immer fremder erlebten Welt einhergeht. Diese Tendenzen führen zu einer ganz anders zu gewichtenden Aufgabe von Bildung und Erziehung. Vorstand Nana Göbel. Jedes kleine Kind muss sich zunächst in seiner unmittelbarsten Umgebung beheimaten und inten- lich, wenn die Trennung zwischen Lernen und Le- sive Beziehungen zu den Menschen aufbauen, dem ben aufgehoben wird und viel mehr Lebensbezug es sich anvertraut hat. Wenn es dort stört, wird es ins Lernen integriert werden könnte. Dazu gibt die ruhig gestellt und seine unmittelbare Beziehung wird Waldorfpädagogik geeignete Mittel an die Hand. unterbrochen. Eine Veranlagung von Krankheitskei- Kinder sehnen sich nach Ordnung und Verlässlich- men im seelischen Weltbezug. Kürzlich saß ich am keit. Erleben sie diese, entsteht ein Grundvertrau- Nebentisch junger Eltern, die ihr Kind während des en in sich selbst und in andere Menschen. Kinder Essens dadurch ruhig stellten, dass Sie einen Film sehnen sich nach Wiederholung und Rhythmus. auf ihrem Smartphone aufriefen, das Smartphone Anders als bei Erwachsenen muss nicht jede Ge- vor das Kind stellten und das Kind von den Film- schichte neu sein, nein, sie darf und soll wiederholt bewegungen einsaugen ließen. Ihr Essen verlief ru- werden. Durch den Rhythmus im täglichen Leben hig. In einer Phase der Entwicklung, in der das Kind bildet sich erst die Rhythmik der Organe und es ent- die umgebende Welt immer eifriger erkundet und steht die wichtige Grundlage für das spätere Leben: dadurch einen ersten von Interesse durchwärm- eine gesunde leibliche Organisation. Kinder sehnen ten Weltbezug erobert, wirken sich die Unterbre- sich nach treuer und dauernder Beziehung. Durch chungen von Beziehung dramatisch aus. Erlebt das sie lernen sie die Welt mit Selbstvertrauen ken- Kind mehr und mehr solche ablehnenden, sein In- nen. Kinder und Jugendliche sehnen sich nach Sinn. teresse zurückweisenden Gesten der Erwachsenen, Sinn in der eigenen Betätigung, Sinn im Lernen, Sinn entsteht schon früh eine innere Enttäuschung, die im eigenen Leben. All diese geeigneten Mittel für sich später als Initiativlosigkeit und Resignation eine gesunde Entwicklung ereignen sich nicht mehr äußern wird. Um heute eine gesunde Entwicklung von von selbst, sondern fordern den Erwachsenen star- Kindern zu ermöglichen, muss mehr denn je auf die ke Entscheidungen und zunehmende Schulung ab. Pflege solider, vertrauensvoller, unerschütterlicher Lehrer und Eltern müssen im Bemühen um diese ge- Beziehungen gesetzt werden – in den Familien wie eigneten Mittel zusammenwirken, dann erst verstär- in den Kindergärten und Schulen. ken sie sich. Sie sind Partner in der Erziehung, keine Nach einhundert Jahren Waldorfpädagogik muss Gegner – beidseitig. Nach einhundert Jahren Wal- die Aufgabe von Schule neu gegriffen und viel dorfpädagogik brauchen wir einen neuen Schwung umfassender gestaltet werden. Es wäre förder- für diese Partnerschaft für das Kind – überall. AUS UNSERER ARBEIT 5
Neue Gebäude für Waldorfschulen in Mexiko: Die neue Schule in Playa del Carmen (l.) und der notwendige Neubau der bereits etablierten Schule von Tlaxcala. Rechte Seite: links Die École de la Mhotte brauchte Unterstützung bei der Beseitigung baulicher Mängel. Rechts: Noch ganz junge Schulen und ihre Kindergärten: Die Hebet el-Nil Schule in Luxor/ Ägypten (oben) und die Waldorfschule in Pyin Oo Lwin/Myanmar (unten). Immer, wenn wir als Freunde der Erziehungskunst ge- len neuen Waldorfschulen südlich von Santiago in fragt werden, einen Kindergarten oder eine Schule Chile konnten wir fördern. Es sind Schulen wie in zu unterstützen, ist es uns ein großes Anliegen, dar- Pichilemu, die von Eltern begründet werden, die das auf zu achten, dass an dieser Partnerschaft bewusst Leben in der Hauptstadt verlassen und in der Pro- gearbeitet wird, um möglichst viele Gesundheitskei- vinz Aufgaben gefunden haben. Sie treibt die Sorge me für das Kind zu veranlagen. Dabei betrachten wir um, wie heute Bildung und Erziehung zu gestal- die selbstverständlich auftauchenden Krisen als ten sind, sodass sie die den Kindern innewohnen- Chancen für neue Entwicklungsschritte. Sie müssen den Gesundheitskräfte anregen, von denen weiter aber genutzt werden. Und dazu braucht es oft Mut. oben gesprochen worden ist. Die Colibri Schule in Manchmal gewinnen wir den Eindruck, dass in Arequipa, einer Wüstenstadt im südlichen Peru, ist weiter entfernten Gegenden mehr Mut für diese als Pionierschule in der Millionenstadt auf einen Partnerschaft herrscht – und wegen der weniger kräftigen Impuls angewiesen. Hier geht es nicht nur verrechtlichten Arbeitssituation mehr Mut herrscht darum, gute Schule zu veranstalten, sondern mit zum neugierigen Versuch, die Dinge eben anders zu neuen Ideen in die Öffentlichkeit zu treten. Jeder machen als sie bisher waren. Gerade sehen wir in der dort Beteiligten muss von seinem Impuls tief Ländern wie Mexiko, Chile oder Argentinien, also überzeugt sein, sonst hält er nicht durch. Auch in in Ländern, deren ökonomische und gesellschaftli- der argentinischen Provinz sind die Waldorfschulen che Lage keinesfalls als einfach zu bezeichnen ist, auf Wachstumskurs, sowohl in Patagonien als auch sehr viel Mut zu neuen Initiativen. In Mexiko konn- in Córdoba. Wir konnten dank einiger wunderbarer ten wir neue Schulen wie das Colegio Calli in Coa- Spender, die uns Mittel zur freien Verfügung ge- tepec und die Waldorfschule in Playa del Carmen geben haben, die neue Schule in Cipoletti und die genauso fördern wie die alte Waldorfschule in Tlax- Escuela Aguaribay in Mendoza unterstützen. cala. Wir haben im vergangenen Jahr wieder einmal Doch auch in Europa tut sich was. Im dritten An- die Escuela Caracol in San Marcos La Laguna mit lauf gelang es der Waldorfschule im tschechischen Patenschaftsspenden und Bauhilfen gefördert, die Budweis ihre neue Oberstufe genehmigt zu bekom- sich ja darauf fokussiert, indigene Kulturen in den men – gegen den Widerstand aus dem Ministeri- Waldorflehrplan einzubinden. Auch einige der vie- um und mit der vollen Unterstützung der örtlichen 6 AUS UNSERER ARBEIT
Industrie. Ein manches Mal kommen alt eingesesse- ein Grundstück zu finanzieren, um langfristig einen ne Schulen ins Trudeln und auch die müssen sozu- eigenen Bildungs- ebenso wie Landwirtschafts- und sagen neu gegründet werden, wenn sie auf Dauer Kulturort aufzubauen. In unserem aktuellen Spen- überleben wollen. Die Waldorfschulen in Irkutsk/ denaufruf, den wir der Schulentwicklung im länd- Sibirien, in Odessa/Ukraine und die École de la lichen Afrika, insbesondere der Humane School, Mhotte in Saint Menoux/Frankreich mussten bauli- widmen, finden Sie dazu mehr Informationen. che Mängel beseitigen beziehungsweise erst einmal Nach wie vor bildet die Lehrerbildung einen – wie in Irkutsk – eine bauliche Perspektive finden. Schwerpunkt unserer Arbeit. Es gibt Ausbildungen Bei der Lösung der Herausforderung dieser Schulen wie die des Center for Creative Education in Kap- konnten wir ebenfalls helfen. stadt/Südafrika, die wir ganz regelmäßig finanziell Immer dann, wenn Waldorfschulen für Kinder unterstützen, andere wie etwa die Waldorf-Ausbil- einer ärmeren Bevölkerung entstehen oder wenn dung in Ostafrika oder in Zimbabwe, die wir nicht Waldorfschulen in Ländern entstehen, in denen es nur finanziell fördern, sondern an deren Gestaltung vorher noch keine gab, und alle Fragen, auch die von wir auch beteiligt sind. Manchmal braucht es da- Lehrplan, Anerkennung, Abschlüssen, zum ersten für einen langen Atem. Vor vielen Jahren fragte uns Mal gelöst werden müssen, ist die Möglichkeit der ein nach Südafrika ins Exil gegangener Lehrer aus internationalen Hilfe ein Segen. Wir unterstützen Zimbabwe, ob wir seine Ausbildung am Center for die Gründerin der neue Schule in Luxor/Ägypten bei Creative Education fördern können. Das haben wir ihren Fundraising Bemühungen und freuen uns über getan. Während dieser Zeit unterrichtete er an einer die kräftigen Persönlichkeiten, die diese Schule vor- kleinen Waldorfschule in Südafrika und arbeitete anbringen. In Pyin Oo Lwin/Myanmar ist ein kleiner sich immer intensiver in die Waldorfpädagogik ein. Waldorfschulkeim entstanden, dessen Gründer eine Gilbert Guvakuva verfolgte ein Ziel. Er wollte diesen große zivilgesellschaftliche Vision verfolgt und hofft, Impuls in sein Heimatland bringen. Und kaum än- einmal diesen Impuls einer spirituellen Erziehung, derten sich die politischen Verhältnisse so, dass ein die mit dem Buddhismus in innerem Einklang steht, Leben in Zimbabwe wieder möglich schien, zog er auch für andere Kinder öffnen zu können. Wir hal- mit seiner Frau, der Waldorfkindergärtnerin Hleksa- fen der Homkwan Schule in Chiang Mai/Thailand ni Guvakuva zurück nach Harare. Gemeinsam bauen beim Umzug und wir sind gerade dabei, der Huma- sie jetzt eine Ausbildung für Kindergärtnerinnen auf. ne School in der Gegend von Kitale/Kenia irgendwie Auch für die Waldorflehrerbildung in Kathmandu/ AUS UNSERER ARBEIT 7
Nepal sind wir initiativ tätig. Auf unsere Initiative bund Deutschland (NABU) und dem Bundesamt fährt die israelische Kollegin Michal ben Shalom für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben regelmäßig ins Kathmandu Tal und bildet die Inter- (BAFzA) sowie dem Arbeitskreis Lernen und Helfen in essierten – meist bereits tätige Lehrerinnen und Übersee (AKLHÜ), dessen Vorsitz ich in diesem Jahr Lehrer – in Modulen aus. Diese Ausbildung muss übernehmen durfte, zusammen. Diese Organisatio- nun umgewandelt und noch intensiver durch nen verwalten als sogenannte Zentralstellen im Auf- geführt werden. Mit großer Freude sehen wir die trag des Bundes Kontingente der Freiwilligendienste. Entwicklung der Kindergarten-Ausbildungen in In der politischen Arbeit setzen wir uns für den Viet nam und in Lashio/Myanmar, durch die der weiteren Ausbau freiwilliger Formen des Enga- waldorfpädagogische Impuls einerseits in eine hoch gements und die Verbesserung der Rahmenbe- materialistische, kompetitive Gesellschaft (Viet- dingungen ein. Folgende Themen stehen dabei nam), andererseits in eine traditionell buddhistische im Mittelpunkt: Eine Erhöhung der finanziellen Gesellschaft einfließt. Und in diesen beiden so Zuwendungen an die Freiwilligen, damit sie exis- unterschiedlichen gesellschaftlichen Situationen tenzsichernd sind. Einheitlichere sowie bürokra- wird die Waldorfpädagogik als hilfreich, gesundend tieärmere Regelungen für die Abwicklung dieser und zukunftsoffen erfahren. Zuwendungen. Die kostenlose Nutzung des öffent- Nach fast 100 Jahren ist die Waldorfpädagogik lichen Personennahverkehrs durch die Freiwilligen. auf dem ganzen Globus angekommen. Nun wollen Die Flexibilisierung der Freiwilligendienste bezüg- wir mit den Feiern, Tagungen und Versammlungen lich der Arbeitszeiten und der Länge des Dienstes, 2019 anschieben, dass diese Pädagogik nicht nur um den unterschiedlichen Bedürfnissen und den ankommt, sondern in den nächsten einhundert Lebensrealitäten möglicher Freiwilliger besser ge- Jahren sich entfaltet und immer wieder auch gegen recht werden zu können. Die offensive Öffnung der den gesellschaftlichen Trend (Stichwort: Digitalisie- Freiwilligendienste für bisher unterrepräsentierte rung, Kommerzialisierung) kräftig für das Wohl von Zielgruppen wie Menschen mit Behinderung oder Kindern und Jugendlichen einsteht. Migrationshintergrund und insbesondere auch Ju- gendliche mit Haupt- oder Realschulabschluss. Die Aktuelle Fragestellungen in den Freiwilligen- Anerkennung des freiwilligen Engagements durch diensten eine positive Berücksichtigung bei der Zulassung zu Sicher haben Sie in den Medien die aktuelle Bericht- Studiengängen und anderen Ausbildungsgängen. erstattung zur möglichen Einführung eines Pflicht- Darüber hinaus hat der AKLHÜ den Spieß dienstes verfolgt. Das Thema wird natürlich auch bei umgedreht und anstelle eines Pflichtdienstes die uns im Kollegium sehr kontrovers diskutiert. Der Zi- Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwil- vildienst hatte den großen Vorteil, dass junge Männer ligendienst gefordert. für die soziale Arbeit gewonnen und für die Proble- Eine weitere Forderung der Zentralstellen be- matiken und Herausforderungen in den sozialen Ar- steht in der Überführung der finanziellen Mittel aus beitsbereichen sensibilisiert wurden. Demgegenüber dem auslaufenden Sonderprojekt „Freiwilligendienst stehen bei freiwillig geleisteten Diensten die Eigen- mit Flüchtlingsbezug“ in den Regelfreiwilligendienst motivation und Selbstlosigkeit des sich in den Dienst und in die Erhöhung der Bundesmittel für die päda- Stellens für ein Jahr im Vordergrund. Seit der Einfüh- gogische Begleitung der Träger, die bei gestiegenen rung des Bundesfreiwilligendienstes leisten mittler- Anforderungen seit Jahren nicht erhöht wurden. weile jährlich 100.000 Menschen einen solchen Auf einem anderen politischen Parkett spielt sich Freiwilligendienst, was den Zivildienst nicht ganz, das Ringen um die Einführung des Freiwilligen Öko- aber doch in erheblichem Maß kompensiert hat. logischen Jahres, kurz FÖJ, ab. Die Freunde brauchen Politisch und operativ arbeiten wir eng und im FÖJ in jedem Bundesland eine eigene Träger- vertraulich mit dem Deutschen Paritätischen zulassung. Gleichzeitig sind neue Träger im FÖJ Wohlfahrtsverband (DPWV) dem Naturschutz- von Seiten der Ministerien nicht erwünscht, weil 8 AUS UNSERER ARBEIT
dies aufgrund der Landesförderung Mehrausgaben lungsstrategien. Im abschließenden Vortrag von oder die Umverteilung bestehender Plätze bedeu- Bernd Ruf wurden die Aspekte anthroposophischer ten würde. Dementsprechend wurde unser erster Traumapädagogik bei transgenerationalen Trauma- Antrag in Baden-Württemberg abgewiesen. tisierungen behandelt. In den Workshop-Einheiten Wir werden uns 2019 mit frischen Kräften und konnten die Teilnehmer*innen aus einem vielfälti- gemeinsam mit den „Freien Ausbildungen des gen Angebot wählen: Erlebnispädagogik, Trauma- Demeter-Verbandes“ weiter um die Anerkennung therapie mit Tieren, heilendes Spiel, Bewegung in als Träger im Freiwilligen Ökologischen Jahr bemü- der Traumabearbeitung, Plastizieren und Malen hen. Durch eine Beteiligung am FÖJ hätten wir die oder Märchenerzählen in der Notfallpädagogik. Möglichkeit, auch Demeter-Betriebe, die im steu- Auch diverse internationale Seminare fanden errechtlichen Sinn nicht gemeinnützig sind, als bereits statt. Von 7. bis 15. Juli arbeitete ein Notfall- Einsatzplätze für einen Freiwilligendienst aner- pädagogik-Team in Kolumbien. Sie unterstützten kennen zu lassen und somit jungen Erwachsen ei- die lokalen Fachkräfte und die Menschen vor Ort: nen Freiwilligendienst dort zu ermöglichen. Dafür Kriegsbetroffene, zerrissene Familien und ehemalige besteht eine große Nachfrage. Kindersoldaten. Im Anschluss folgten Weiterbildun- Insgesamt durchlaufen die Freiwilligendienste gen in Oakland. aufgrund der derzeitigen demographischen Lage Außerdem unterstützen wir den Aufbau ei- – im Moment schließen die geburtenschwächsten ner Traumaambulanz am Mossul General Hospi- Jahrgänge die Schule ab – und der angespannten tal. Im Juli 2017 wurde die Stadt vom IS befreit. Die Arbeitsmarktlage eine Durststrecke, die wir aber Besetzung Mossuls durch den IS und die Folgen insgesamt bisher recht gut meistern und auch als der Befreiung führten nahezu zum Zusammen- Chance des Innehaltens begreifen, um an der wei- bruch der lokalen Infrastruktur sowie der Gesund- teren Verbesserung der Qualität unserer Angebote heitsversorgung. Auch das Mosul General Hospital zu arbeiten. wurde stark beschädigt. Im August führten Bernd Christian Grözinger Ruf und sein Team die Mediziner in einem ersten Seminar in die Notfall- und Traumapädagogik ein. Aus der Arbeit der Notfallpädagogik Daneben freuen wir uns, dass die Ausbildung der Von 1. bis 3. Juni dieses Jahres fand die siebte Notfall- lokalen Pädagog*innen im Nordirak, die jeden Tag pädagogische Jahrestagung statt. Unter dem Titel in den Flüchtlingslagern mit den Kindern arbeiten, „Teufelskreis Trauma – Wie Notfallpädagogik trans- abgeschlossen ist und alle ihre Prüfung bestanden generationale Traumata überwinden hilft“ trafen haben. Sie können ihr Wissen nun weitergeben und sich auch dieses Mal wieder zahlreiche Interessierte selbst Menschen vor Ort schulen. in Karlsruhe. Kristina Wojtanowski, Leiterin der In Kenia läuft die nachhaltige Unterstützung Notfallpädagogik in Karlsruhe, startete am Freitag ebenfalls gut. Die Teams, die von unseren interna- mit ihrer allgemeinen Einführung in die Notfallpäda- tionalen Notfallpädagogen ausgebildet wurden, gogik. Nach einer musikalischen Einleitung und der machen weiterhin täglich Angebote für die Kinder in offiziellen Tagungseröffnung durch Bernd Ruf und den Flüchtlingslagern Kakuma und Kalobeyei. Hin- Melanie Reveriego folgte der Vortrag „Traumaent- zu kommen nun Schulungen von Mitarbeiter*innen stehung und Traumafolgen“ des Kinderarztes Dr. anderer Hilfsorganisationen und Lehrer*innen in Georg Soldner. Henriette Dekkers-Appel griff den Camps und den Schulen der Aufnahmegemein- abends das Tagungsthema anhand von Fallbeispie- den, die von diesen lokalen Teams durchgeführt len aus der Praxis gezielt auf. Danach hielt Dr. med werden. Das Projekt findet in Zusammenarbeit mit Christian Schopper einen Vortrag zum Thema „Die UNHCR und der lokalen Bildungsbehörde statt und zertrümmerte Seele“. Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan wird von UNICEF finanziert. sprach in seinem Vortrag über die Theorie der trans- generationalen Traumata und mögliche Behand- Reta Lüscher-Rieger AUS UNSERER ARBEIT 9
FINANZBERICHT 2017 Die Freunde in Zahlen 2017 war für die Freunde der Erziehungskunst ein Jahr Aus dem Fonds für internationale Zusammenarbeit großer Aktivität. Die Anzahl der Projekte im Aus- konnten wir 289 Projekte im Ausland mit 4,1 Mio. € land, die wir mit Zuwendungen unterstützen konn- fördern. Dies war ein deutlicher Anstieg gegenüber ten, ist auf 289 gestiegen, 50 mehr als im Vorjahr. dem Vorjahr um 865 T€. Über die Hälfte des Geldes Wir konnten 785 Freiwillige ins Ausland entsenden (2,3 Mio. €) ging an Waldorfschulen und Waldorf- (22 mehr als im Vorjahr) und 905 Freiwillige in kindergärten im Ausland. Einige Schulen brauchen Deutschland vermitteln (73 mehr als im Vorjahr). Au- regelmäßige Unterstützung für die laufenden Kos- ßerdem sind unsere Karlsruher Abteilungen in den ten, weil sie keine staatliche Förderung erhalten fertig gestellten Neubau eingezogen (mehr dazu auf und Kinder aus Familien unterrichten, die kaum Seite 35). Diese Emsigkeit hat Spuren in der Buchhal- Beiträge zahlen können. Die Mbagathi Schule in tung hinterlassen und spiegelt sich im Abschluss. Nairobi konnten wir mit 64 T€ fördern, die Escuela FREUNDE DER ERZIEHUNGSKUNST RUDOLF STEINERS E. V. 01.01.2017 bis 31.12.2017 in Euro MITTELVERWENDUNG 2017 2016 MITTELHERKUNFT 2017 2016 A. INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT (INT. HILFSFONDS) Spenden 2.255.692,24 2.087.932,97 Schulen/ Kindergärten/ Heilpäd. 194.874,80 116.767,68 Waldorfschulen/ Kindergärten 2.315.176,68 1.838.066,89 Sonderaktion WOW Day-Erlöse 304.824,12 395.310,64 Ausbildung/ Seminare/ Stipendien 528.440,26 395.310,05 Sonderaktionen Samml/Klassenkonten 16.538,62 17.853,46 Heilpädagogik/ Sozialtherapie u. -arbeit 878.488,87 870.278,06 Sonderaktion/ Fonds Einsatzstellen 0,00 1.703,33 übergreifende Aufgaben 394.106,90 153.091,60 Zuwendungen Stiftungen u. a. 869.445,05 1.153.939,39 Zwischensumme 4.116.212,71 3.256.746,60 Staatliche Zuwendungen BMZ 51.120,00 120.480,00 Zweckbetrieb Katalog/ Video 0,00 797,30 Zwischensumme 3.692.494,83 3.893.987,47 Verw.Anteile aus staatl.Zuwendungen 0,00 5.493,29 Zweckbetrieb Kataloge/Video 0,00 0,00 Umwidm. auf Notfallpädagogik WOW 5.377,49 4.247,38 Aufl.Rückstellung Bürgschaft 42.768,13 17.231,87 Ausfall Darlehen (Israelfonds) 0,00 16.346,74 Aufl. Israelfonds (wg.Darl.+Bankgeb.) 489,00 16.569,79 Erhöhung Israelfonds 33.936,25 7.033,90 Kursgewinne (Israelfonds) 17.501,44 7.033,90 Abgänge Int. Hilfsfonds 4.155.526,45 3.290.665,21 Zugänge Int. Hilfsfonds 3.753.253,40 3.934.823,03 Arbeit des Vereins (Int.Zusammenarbeit) Spenden Mitglieder 175.193,91 167.643,17 Spenden 167.287,04 147.371,56 Kostenerstattungen 3.079,33 1.536,22 a.o. Ertrag 0,00 175,63 Verwaltungsanteil staatl. Zuw. BMZ 0,00 5.493,29 Personalkosten 361.666,16 331.167,25 Zinsen + Einnahmen VV 232.016,90 85.889,82 Sachkosten 161.373,47 147.658,57 wirtschaftl. Geschäftsbetrieb 3.500,00 6.704,85 Kosten VV 2.517,91 338,30 Zwischensumme 581.077,18 414.814,54 Zwischensumme 525.557,54 479.164,12 Auflösung Pensionsrückstell. 0,00 52.150,92 Bildung Rücklage 55.519,64 0,00 Auflösung Rücklage 0,00 12.198,66 Abgänge Arbeit des Vereins 581.077,18 479.164,12 Zugänge Arbeit des Vereins 581.077,18 479.164,12 B. NOTFALLPÄDAGOGIK Spenden 210.383,00 244.667,84 Zuwendungen Stiftungen u. a. 169.600,00 26.000,00 Mitarbeiter international 333.835,10 507.843,31 Umwidm.aus Hilfsfonds/ WOW+Nepal 5.377,49 4.247,38 Reisekosten/Unterkunft/ Verpflegung 307.470,48 224.425,92 Zuwendungen Aktion Deutschland hilft 373.556,25 225.898,21 Information/Öffentlichkeitsarb.Ausland 22.186,58 18.773,26 Zuwendungen NGO/Unicef 109.276,77 400.296,64 Ausrüstung 61.206,79 60.413,75 staatl.Zuwendungen/GIZ 612.528,43 477.376,09 Büro/Verw. Ausland 70.203,35 75.432,89 Kostenerstattungen 3.245,49 4.438,68 Projektkosten 794.902,30 886.889,13 sonstige Erträge 31.147,58 48.989,51 Personalkosten 511.663,07 345.963,01 wirtschaftl.Geschäftsbetrieb 12.281,06 12.823,23 Sachkosten 115.400,82 126.834,41 Zwischensumme Zugänge 1.527.396,07 1.444.737,58 wirtschaftl. Geschäftsbetrieb 5.116,00 0,00 Auflösung Freie Rücklage 68.136,47 0,00 Abgänge Notfallpädagogik 1.427.082,19 1.359.686,55 Zugänge Notfallpädagogik 1.595.532,54 1.444.737,58 10 FINANZBERICHT
Caracol in Guatemala mit 53 T€, die Tashi Schule Mittelverwendung nach Regionen in Kathmandu mit 55 T€, die Hekima-Schule in Tansania mit 30 T€. Die Namen dieser Schulen lesen Mittel- und Süd- amerika Sie immer wieder in unseren Rundbriefen, weil wir 17,2% sie langfristig begleiten, Bildungspatenschaften ver- Afrika mitteln und bei der Fortbildung der Lehrer helfen. Westl. Europa 26,0% Es gibt aber auch Schulen, die selbst einen Freun- u. USA 9,8% Internationaler deskreis aufbauen und pflegen, und die wir durch Hilfsfonds das Sammeln und Weiterleiten von Spenden un- 4.155.526,45 € überregional Süd- u. terstützen. Zu diesen Schulen zählen die Waldorf- Osteuropa schule in Windhoek/Namibia (405 T€), die Schule in 11,7% 19,3% Montreal/Kanada (124 T€) oder die Roseway Wal- dorf School in Durban/Südafrika (69 T€), für die wir Asien 16,0% einen Nachlass erhalten haben. MITTELVERWENDUNG 2017 2016 MITTELHERKUNFT 2017 2016 C. FREIWILLIGENDIENSTE AUSLAND Reisekosten 642.235,81 629.194,19 Versicherung 470.013,80 433.365,16 Taschengeld 793.276,03 842.138,44 Kost u. Logie Zuschuss 490.273,19 462.851,59 Seminare/Päd.Begleit./Ehemaligenarb. 1.092.744,67 974.615,88 nichtzuwendungsfähige Programmkosten 29.769,90 72,43 Spenden Förderfonds FWD 1.924.405,68 1.845.932,95 Weltwärts - und danach 32.113,93 34.964,73 Zuwendungen 19.960,00 0,00 Rückzahlung öffentl. Mittel 80.267,75 11.685,82 Staatliche Zuwendungen 4.109.074,86 3.753.174,99 Projektkosten 3.630.695,08 3.388.888,24 Einsatzstellen Ausland 269.268,72 293.666,72 Fonds Einsatzstellen/Hilfsfonds 0,00 1.703,33 Kostenerstattungen 698,60 58,75 Personalkosten 1.867.260,51 1.797.504,79 Kostendeckungsbeiträge Freiwillige 9.511,58 9.973,11 Sachkosten 349.454,85 450.348,96 Sonstige Erträge + Zinsen 124,34 169,02 Zwischensumme Abgänge 5.847.410,44 5.638.445,32 Zwischensumme Zugänge 6.333.043,78 5.902.975,54 Aufwand Bau 1.574.498,75 0,00 Auflösung Mittelvortrag 170.000,00 0,00 Bildung Rücklage 0,00 178.085,92 Auflösung Rücklage 1.158.865,41 83.555,70 Abgänge FWD Ausland 7.421.909,19 5.816.531,24 Zugänge FWD Ausland 7.661.909,19 5.986.531,24 D. FREIWILLIGENDIENSTE INLAND Seminare/päd. Begleitung 1.521.027,13 1.413.756,49 Spenden/Flugstipendien 6.408,00 8.432,00 Flugstipendien 65.075,10 37.109,53 Zuwendungen 4.800,00 23.000,00 Projektkosten 1.586.102,23 1.450.866,02 staatliche Zuwendungen 1.468.658,32 1.201.327,03 Taschengeld + RK 2.583.944,51 2.257.071,39 Erstattung – TG/RK 2.548.563,62 2.256.161,19 Personalkosten 1.687.086,25 1.453.700,15 Einsatzstellen Inland 2.279.656,57 2.085.083,30 Sachkosten 383.986,16 400.627,51 Beiträge Freiwillige 490,00 1.003,00 Zwischensumme Abgänge 6.241.119,15 5.562.265,07 Sonstige Erträge + Zinsen 1.027,13 79,97 Bildung Rücklage 68.484,49 12.989,49 wirtschaftl. Geschäftsbetr. Sponsoring 0,00 168,07 Abgänge FWD Inland 6.309.603,64 5.575.254,56 Zugänge FWD Inland 6.309.603,64 5.575.254,56 E. KARLSRUHE ÜBERGREIFEND Personalkosten 0,00 0,00 Kostenerstattungen 0,00 0,00 Sachkosten 0,00 64,23 Zinsen/ sonst.Einnahmen 0,00 64,23 Zwischensumme Abgänge 0,00 64,23 Zwischensumme Zugänge 0,00 64,23 Bildung Rücklage 0,00 0,00 Auflösung Rücklage 0,00 0,00 Abgänge KA übergreifend 0,00 64,23 Zugänge KA übergreifend 0,00 64,23 FINANZBERICHT 11
Einsatz der Notfallpädagogik in Nepal 2017 Freiwilligendienste und Notfallpädagogik Notfallpädagogik: Die Einnahmen sind auf 1,53 Mio. € (1,44 Mio. € im Vorjahr) gestie- gen. Der Zuwachs ist auf erfolgreiche Stif- tungsanträge zurückzuführen, die 169 T€ (26 T€ im Vorjahr) betrugen. Die meisten Einnahmen stammen aus staatlichen Zu- wendungen und der Aktion Deutschland hilft und sind unmittelbar für konkrete Einsätze im Ausland bestimmt. Die Perso- nalkosten betrugen 512 T€. Zur Deckung des Defizits aus den Grundkosten haben wir 68 T€ aus Rücklagen aufgelöst. Notfallpädagogik erreichte Freiwilligendienste im Ausland: Die Zahl erreichte Erwach- Einsätze: 10 Kinder der entsendeten Freiwilligen ist auf 785 an- sene gewachsen, dies bedeutet einen erneuten Italien 0 30 Zuwachs um 22 Freiwillige gegenüber dem London 0 10 Vorjahr. Die Finanzierung erfolgt vorrangig Kenia Kaboleyei 500 30 aus staatlichen Mitteln (4,1 Mio. €) und Mexiko 400 850 Spenden aus Sammlungen der Freiwilligen 2 Einsätze in Nepal IV-V 900 145 mit 1,9 Mio. €. In den Ausgaben sind Auf- 4 Einsätze Irak XII-XV 405 301 wendungen für den Bau unserer Büroräume erreichte Personen 2205 1366 in Karlsruhe in Höhe von 1,57 Mio. € enthal- ten. Demgegenüber steht die Auflösung ei- Seminare: 14 Teilnehmer nes Mittelvortrages von 170 T€ und die Auflösung von Rücklagen in Höhe von 7 Seminare Ausland 570 1,15 Mio. €. 7 Seminare Inland 650 Teilnehmer gesamt 1220 Freiwilligendienste im Inland: 2017 haben 905 Freiwillige ihren Dienst in Deutschland Freiwillige im Jahr 2017/2018 begonnen, dies waren 73 Freiwillige mehr als im Vorjahr. Die Kosten werden weiter- hin vorrangig durch die Einsatzstellen in 217 Freiwillige aus dem 785 Freiwillige im Deutschland (2,3 Mio. €) und staatliche Ausland (Incoming) Ausland Zuwendungen (1,5 Mio. €) finanziert. Aus dem Überschuss von 68 T€ (ca. 1 % der Einnahmen) wurde eine Rücklage gebildet. Interessant ist die steigende Zahl der Frei- 1.690 Freiwillige willigen aus dem Ausland auf 217. 688 Frei- willige im Inland 12 FINANZBERICHT
Internationaler Hilfsfonds Mittelverwendung nach Arbeitsfeldern Zuwendungen Int. Hilfsfonds 2017 Waldorfschulen/ Kindergärten Heilpädagogik/ Waldorfschulen 119 Sozialtherapie 55,9% und -arbeit Waldorfkindergärten 31 21,1% Heilpädagogik & Sozialtherapie 37 Sozialarbeit 24 Internationaler Lehrerseminare 36 Hilfsfonds 4.155.526,45 € Sonstige/Überregionale Projekte 42 über- Unterstützte Projekte 2017 289 greifende Stipendien – direkt ausgezahlt 42 Aufgaben/ Ausbildung/ Sonstige Seminare/Stipendien 5,7% 12,7% Wir haben aber auch Schulen unterstützt, die die In vielen Ländern gibt es nicht genügend Einrich- laufenden Kosten gewöhnlich selbst aufbringen tungen, um eine Vereinigung zu bilden. Dann können und nun Hilfe bei der Finanzierung von Bau- müssen die Pioniere neben der Schulgründung auch maßnahmen brauchten. Dies können zusätzliche die Rahmenbedingungen selbst gestalten. Die Räume sein, weil die Einrichtung wächst, Unter- Ausbildung der Lehrer ist eine der größten Heraus- stützung zur Erfüllung von Brandschutzauflagen, forderungen, weil es dort noch keine Ausbildungs- damit die Schule eine Lizenz erhält, oder Hilfe für institute gibt. In dieser Situation werden wir um den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen wie Hilfe gebeten und fördern dann die Einbindung in Überschwemmungen in Haiti und den Philippinen. die internationale Schulgemeinschaft. Wir unter- Für Baumaßnahmen gingen 80 T€ an den Kinder- stützen den kollegialen Austausch und die Fortbil- garten in Temesvar/Rumänien, 71 T€ an das Institut dung der Lehrer auf Fortbildungstagungen wie der Pomar in Cassange/Brasilien, 30 T€ nach Iasi/Ru- AWTC Asian Waldorf Teacher Conference, dem mänien, 25 T€ nach Palermo, 20 T€ an die Schule im zentralasiatischen Seminar in Bischkek, dem East Elsass/Frankreich, 20 T€ nach Verona/Italien, 11 T€ African Teacher Training oder den Tagungen in an die El Trigal-Schule in Argentinien. Südamerika. Unsere Unterstützung kann organisa- Die Förderung der Waldorfschulen im Ausland torisch oder finanziell sein, oft geben wir Zuwen- ist das ursprüngliche Aufgabengebiet der Freunde dungen für Reisekosten der Teilnehmer oder der Erziehungskunst, deren Mitglieder sich zusam- Dozenten. men schlossen, um einen wärmenden Kreis um In einigen Ländern wurde zwar eine Vereinigung diese Einrichtungen zu bilden, die alle rechtlich gegründet, aber die finanzielle Situation der Schulen selbständig arbeiten – also für sich selbst verant- reicht nicht aus, um die Vereinigung für die gemein- wortlich sind. In Deutschland begleitet der Bund samen Aufgaben ausreichend finanzieren zu können. der Freien Waldorfschulen die Schulgründungen, So haben wir die Ungarische und die Rumänische unterstützt die Ausbildung der Pädagogen, orga- Vereinigung bei der Finanzierung der laufenden nisiert die rechtlichen Rahmenbedingungen und Kosten unterstützt, in Polen die Reisekosten aus- übernimmt die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. ländischer Dozenten für die Seminare übernommen Dies ist möglich, weil die deutschen Waldorfschu- und den Betrieb des Periodischen Seminars in Russ- len diese gemeinsamen Aufgaben in Deutschland land mit Zuschüssen für die Teilnehmerreisekosten auch gemeinsam finanzieren. gefördert. Kürzlich hatten wir Besuch aus Russland FINANZBERICHT 13
und hörten, dass die meisten Lehrer einer kleinen oder Schullizenzen, bevor wir die Mittel überweisen Moskauer Schule dreimal jährlich in der Ferienzeit können. Im letzten Jahr konnten wir so aus „alten“ zu Fortbildungen fahren, um sich durch die Grund Zuwendungen zum Beispiel das Waisenhaus Paorc lagenarbeit für die tägliche Arbeit zu erfrischen. in Kathmandu/Nepal (60 T€), die Renovierung von Manchmal gelingt es uns, erfahrene Pädago- Klassenzimmern der Shanti-Schule in Kathmandu/ gen als Mentoren zu finden, die junge Schulen in Nepal (20 T€), die neu gegründete Schule in Athen/ der Gründungsphase begleiten. Dabei ist es sehr Griechenland (50 T€), die École du Village auf Haiti wichtig, dass die Zusammenarbeit über eine (13 T€) fördern. längere Zeit stattfindet. Unsere Mittel reichen für Die Einnahmen im Internationalen Hilfsfonds die Übernahme von Reisekosten, die Schulen kön- sind gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 5 % zu- nen die Versorgung vor Ort zahlen. Wichtig ist, dass rückgegangen. Die Zuwendungen von Stiftungen den Schulen dafür Pädagogen mit viel Erfahrung, und die staatlichen Mittel für Bauprojekte sind ge- Sozialkompetenz und Fremdsprachenkenntnissen sunken. Doch gleichzeitig sind die privaten Spenden zu Verfügung stehen. Wir freuen uns sehr, wenn auf 2,25 Mio. € gestiegen, das waren 167 T€ mehr wir geeignete Enthusiasten mit suchenden Initiati- als im Vorjahr. Auch die Anzahl der Spender ist von ven zusammenbringen können. (Mehr zum Thema 4.374 auf 4.496 gestiegen. Über diese zusätzliche Mentorenarbeit lesen Sie im Rundbrief „Waldorf Unterstützung unserer Spender freuen wir uns sehr. Weltweit“ Ausgabe Herbst 2017/Winter 2018) Es ist das warme Geld, das unsere Arbeit trägt! Für die Aufgaben Heilpädagogik, Sozialthera- Ein Dank gilt deswegen natürlich auch unseren pie und Soziale Arbeit konnten wir im letzten Jahr Bildungspaten. Die Anzahl der Paten ist annähernd 878 T€ zuwenden. Darin enthalten waren Bau- gleich geblieben, doch die durchschnittlichen Spen- zuwendungen für Khedeli in Sighnaghi/Georgien den aus den Bildungspatenschaften sind um 10 % (68 T€), Talisman in Irkutsk/Russland (48 T€), FISTA gestiegen. in Beirut/Libanon (48 T€). Die Michael schule in Ebenso dankbar sind wir für das Engagement Tiflis/Georgien haben wir mit Zuschüssen für der Deutschen Schulbewegung. 2017 haben wir Lehrergehälter und Mittagessen (31 T€) unter- weniger Erlöse aus dem WOW-Day und stattdes- stützt. Außerdem konnten wir Beträge an Arca sen mehr direkte Spenden von Schulen, Kindergär- Mundial in Medellin/Kolumbien (11 T€), das Waisen- ten und heilpädagogischen Einrichtungen und aus haus Baphumelele in Khayelitsha/Südafrika (39 T€) Basaren erhalten. Den WOW-Day 2017 haben 146 und das Daycare-Centre in Baddegama/Sri Lanka Schulen in 28 Ländern veranstaltet. Aus den Erlö- (31 T€) geben. Viele der geförderten sozialen Pro- sen konnten wir 58 Projekte in 28 Ländern unter- jekte arbeiten in Brasilien, zum Beispiel El Pequeno stützen. Principe (108 T€) und AC Monte Azul (51 T€) in Sao Paulo oder die Fundacao Pavel (26 T€). Arbeit des Vereins (internationale Zusammenarbeit) Einnahmen im Internationalen Hilfsfonds Die Finanzierung unserer Arbeit für die Internatio- 2017 haben wir 3,7 Mio. € für Zuwendungen an nale Zusammenarbeit erfolgt vollkommen separat ausländische Projekte erhalten. Insgesamt haben von den Spenden für die internationale Waldorfbe- wir also 402 T€ mehr ins Ausland weitergeleitet als wegung, die wir zu 100 % ins Ausland weiterleiten. wir in diesem Jahr erhalten haben. Dies war mög- Zu unseren Aufgaben zählen die Beratung der lich, weil wir zweckgebundene Spenden aus den Schulen im Ausland, die Bearbeitung der Unter- Vorjahren erst 2017 einsetzen konnten. Nach dem stützungsanträge von ausländischen Projekten und Erdbeben in Nepal sind die Preise für Baugrund in Studenten, die Durchführung der WOW-Day-Kam- die Höhe geschnellt und so haben unsere Partner pagne, die Betreuung der Bildungspatenschaften, Schwierigkeiten, geeignete Grundstücke zu finden. die Beantragung und Abrechnung von Stiftungs- Andere Projekte warten auf Baugenehmigungen geldern, die Veröffentlichung von Berichten über 14 FINANZBERICHT
Auch die Rudolf Steiner Schule Mbagathi in Kenia konnten wir 2017 unterstützen die internationale Schulbewegung in unserem Die Kosten für die Internationale Zusammen- Rundbrief „Waldorf Weltweit“ und auf der Web- arbeit konnten wir 2017 decken, weil uns eine page, Spendenaufrufe, die Erfüllung der gemein Freundin der Erziehungskunst in ihrem Testament nützigkeitsrechtlichen Auflagen für Zuwendungen bedacht hatte. Sie war Apothekerin und besaß ins Ausland, das Verbuchen der Spenden, Ausstel- Aktien eines Medikamentenherstellers, die sie uns len der Spendenbescheinigungen etc. Die Kosten im Jahr 2010 vererbt hatte. Diese Aktien blieben für unsere Arbeiten sind im letzten Jahr um 9 % ge- einige Jahre in unserem Besitz und die jährliche stiegen und betrugen 525 T€, von denen 362 T€ auf Dividende half uns, unsere Arbeit zu finanzieren. Personalkosten fielen. Unsere Mitarbeiterinnen und 2017 wollte der Medikamentenhersteller Aktien Mitarbeiter vermitteln täglich auf vielerlei Weise zurückkaufen, die dadurch deutlich an Wert gewon- zwischen Spendern und geförderten Projekten. Die nen hatten. Gleichzeitig war die Deckung unserer Möglichkeiten der Automatisierung sind begrenzt, Ausgaben gefährdet, sodass wir uns entschlossen, denn jeder Spender ist individuell, jedes Projekt im die Aktien zu verkaufen. Aus dem daraus resultie- Ausland hat seine eigene Geschichte, jedes Land ei- renden Kursgewinn in Höhe von 150 T€ konnten wir nen eigenen rechtlichen Rahmen. nicht nur unser Defizit im Haushalt decken, sondern Die Einnahmen bestehen vorrangig aus Spen- auch noch 55 T€ für die Zukunft zurücklegen. Das den von Mitgliedern (175 T€) und anderen Freunden Geschenk aus dem Jahr 2010 ist also immer noch (167 T€), die unsere Arbeit ermöglichen wollen. Die wirksam. Die Erbschaft kam für uns ebenso über- Spenden sind im letzten Jahr leicht angestiegen. raschend, wie die Kursentwicklung der Aktien im Dafür sind wir sehr dankbar. letzten Jahr. Wir können nur dankbar staunen und Im letzten Jahr hatten wir bereits geschrieben, vertrauensvoll weiterarbeiten. dass die abnehmenden Zinseinnahmen, ein großes Problem für die Finanzierung unserer Arbeit dar- Eleonore Jungheim stellen. Mit den geplanten Zinseinnahmen (80 T€) rechneten wir für 2017 mit einem großen Defizit. Doch es kam anders als erwartet. FINANZBERICHT 15
SÜDAFRIKA Das Licht sehen Trevor Mepham, Waldorflehrer aus Großbritannien, verbrachte im März 2018 drei Wochen in Südafrikas Kap-Region, um am Centre for Creative Education zu lehren und die Waldorfschulen Imhoff, Gaia und Zenzeleni zu besuchen. Für uns berichtet er über einige seiner Erfahrungen und Eindrücke. Unterricht an der Zenzeleni Waldorfschule in Khayelitsha (Bilder aus dem Jahr 2009). Ich hatte gerade mein kurzes Gespräch mit den schütteln und etwas weiter zu schnuppern. Ich er- 45 Kindern der dritten Klasse beendet – ein Schüler klärte, dass meine Mutter 87 Jahre alt und noch am fehlte – und nun sprossen die Fragen, wie die Leben sei, dass es ihr aber nicht so gut ginge. Mein Schneeglöckchen in den nassen, schlammigen Vater sei schon vor fast 10 Jahren gestorben. Feldern von Somerset (England), das ich nur wenige Dann begann erst ein Kind – ein kleiner Junge Tage zuvor hinter mir gelassen hatte: „Was isst du mit einem durchdringenden Blick – dann ande- gerne?“, „Bist du Lehrer?“, „Hast du Haustiere?“, re, mir von ihren eigenen Situationen zu erzählen. „Wie viel verdienst du?“, „Hast du eine Frau?“, „Wie Und ich hörte von Müttern, die gestorben, von heißt deine Fußballmannschaft?“ Dies war eine Vätern, die getötet worden, und von anderen, die einfache Frage, denn ich bin seit 52 Jahren ein einfach irgendwann verschwunden waren und begeisterter Anhänger der Tottenham Hotspurs! sich wohl drauf verließen, dass die Großmutter Genau genommen, seit meine Eltern mich zu schon die Stellung halten und den Haushalt führen meinem siebten Geburtstag in die White Hart Lane würde. Mir wurde klar, dass ich nun, nach all den im Norden Londons mitnahmen um zu sehen, wie Wogen der Herzlichkeit und des Interesses, die mir die Spurs Arsenal besiegten. entgegen schlugen, sobald ich den Raum betreten „Kommst du morgen wieder?“, „Hast du eine hatte, einen ganz anderen Einblick erhielt. Auch Mutter?“ Diese letzte Frage hatte etwas mehr zu durch die Tatsache, dass die Assistenz-Lehrerin bieten, als ich mir vorgestellt hatte. Bei Schulschluss der dritten Klasse an diesem Morgen nicht bei der kamen einige der Kinder näher, um mir die Hand zu Arbeit erschien, weil ihre Tochter während der 16 WELTWEIT
Geburt ihres Kindes verstorben war. Solche Er- Von Geburt an bis zum achten Lebensjahr sollen schütterungen meines Arbeitsalltages und meines alle Kinder regelmäßig die Gesundheitsklinik besu- nordwesteuropäischen Bewusstseins wurden zum chen. Aufgrund der Überbelegung und des Mangels bestimmenden Merkmal meiner Zeit am Kap. an medizinischen Fachkräften kann das Warten auf Es war meine erste Reise nach Südafrika und Routinekontrollen von Augen und Ohren, auf Sprit- neue Worte fügten sich als fester Bestandteil in die- zen und das Tuberkulose-Screening den ganzen Tag se Erfahrung ein. Worte wie „Zenzeleni“ – „mach es dauern, Eltern und Kinder müssen sich in die War- selbst“ – und „Khayelitsha“ – „neues Zuhause“ klan- teschlange stellen – das heißt, sie können nicht zur gen merkwürdig und weit entfernt, auch mit Härte Arbeit oder zur Schule gehen. Entsprechend lücken- und manchmal mit einer Prise Ironie konnotiert. haft sind die Krankenakten der Kinder. Zu Hause Im Gespräch mit einer Klassenlehrerin fragte ich, ist es üblich, dass sich 20 Familien einen Wasser- ob ehemalige Schüler jemals wieder zurückkehrten, hahn und eine Toilette teilen. Das können mehr als um ihre Tage in der Schule, in den sandigen Hütten 100 Personen sein. Die Bevölkerungsdichte in und Containern auf den Cape Flats zu verbringen. Khayelitsha ist hoch. 60 Prozent der Schüler leben Sie erzählte mir, dass zwei ehemalige Schüler erst in überfüllten Squatter-Camps: Blechhütten ohne kürzlich einen Besuch abgestattet hatten und auch, sanitäre Einrichtungen, der Rest lebt im eigentli- dass viele andere gelegentlich vorbeikommen und chen Township. in Kontakt bleiben. Die beiden Besucher sind nun Die Kinder brauchen viel Beruhigung und Bachelor-Absolventen der University of Cape Town. vor allem Sicherheit. Viele sind zu Hause und in Sie betrachteten die Fähigkeit und den Willen, der Gemeinschaft verbaler und körperlicher Ge- selbstständig zu lernen, als das größte Geschenk, walt ausgesetzt. Es ist üblich, dass Kinder einem das sie von der Schule erhalten hatten. Nicht nur Erwachsenen nicht direkt ins Gesicht schauen – ein Geschenk, sondern eine hochrangige, dringend dies gilt als unhöflich und frech. Doch die in der benötigte Fähigkeit für das Leben in unserer Zeit. Schule gepflegte Kultur fördert den Blickkontakt Die Waldorfschule Zenzeleni öffnete vor fast zwischen den Kindern und ihren Lehrern, während 20 Jahren, im Jahr 1999, ihre Pforten. In den ers- den älteren Kindern beigebracht wird, wie sie ihren ten beiden Jahren beherbergte der benachbarte Standpunkt vertreten und miteinander und mit ih- Kindergarten Noluthando die Schule, 2001 zog sie an ren Lehrern diskutieren können. ihren eigenen Standort. Das Land wurde für 24.000 Bis zu 70 Kinder leben in Laufentfernung zur Südafrikanische Rand gekauft und die Schule wur- Schule. Tatsächlich ist das Laufen aber zu gefähr- de durch die tapferen Bemühungen und kühnen lich. Der Alltag ist geprägt von Enge und Anspan- Ideen der Kollegen des Centre for Creative nung; die Horizonte sind schmal und bedrückend. Education ins Leben gerufen. In diesem Herbst sind Die Townships sind „inoffiziell“ in Zonen unterteilt 288 Kinder angemeldet und es gibt lange Wartelis- – ein Kind müsste auf seinem Schulweg von Sektion ten. Mit der siebten Klasse endet das Lernen hier. H nach Sektion J mehrere „Grenzen“ überqueren. Zusätzlich zum Unterricht arbeitet eine erfahrene Auch die An- und Abreise mit den allgegenwärti- Freiwillige kunsttherapeutisch mit den Kindern, gen weißen Minibussen ist nicht ganz ungefährlich. auch Massagen finden fast regelmäßig statt und Die meisten Fahrer tragen Waffen und wenn sie Eurythmie steht ebenfalls auf dem Stundenplan. untereinander Streit haben, schießen sie und drü- Die Kinder sind ziemlich oft krank, mit Wun- cken damit ihre Wut aus. Oft gibt es Fehden über den, Haut- und Magenproblemen, welche aufgrund Einsatzgebiete, Gehälter oder Tarife. Verständli- ihres schwachen Immunsystems auftreten. Viele cherweise haben die Eltern Angst, ihre Kinder allein Kinder haben Husten und trotz staatlicher Impfpro- auf den Schulweg zu schicken. gramme tritt in der Schulgemeinschaft gelegentlich Auch in der Schule ist die Gewalt spürbar: In auch Tuberkulose auf. einem der Klassenzimmer fehlte ein Fenster. Eines WELTWEIT 17
Bilder der Zenzeleni Waldorfschule in Khayelitsha (aus dem Jahr 2009). Abends wurde ein Stein von der neben der Schu- die Kinder die Ernte erleben konnten. Durch die le verlaufenden Straße geworfen. Am Ende meines lang anhaltende Trockenheit ist die Gartenfläche Besuchs, als wir aufbrachen, bemerkte ich, dass nun versandet und es wachsen nur noch wenige einige Kinder um die Gebäude herumlungerten; ein Grashalme. Junge sprang unentwegt von einem in den Boden Ich habe gelernt, dass eine lähmende Arbeitslo- versenkten Reifen zum anderen. Ich fragte nach sigkeit (50 Prozent), eine hohe Schulabbrecherquo- den Kindern, die lange in der Schule bleiben und te, durch die viele junge Menschen ohne Perspektive erfuhr, dass einige Kinder nach der Schule bis 16.30 bleiben, Alkoholismus und Drogen eine Kultur der oder 17.00 Uhr bleiben. Einfach da zu sein, gibt Verzweiflung und Gewalt unter jungen Männern ihnen mehr Sicherheit. Die Schule bietet „Rhyth- nähren. Wütende und frustrierte Teenager werden mus, Routine und Bekanntes“. Man weiß, dass auf Bandenmitglieder, frönen dem Gangstertum und der anderen Straßenseite Banden ihre Kämpfe Revierkämpfen, um Identität und vielleicht einen austragen. Manchmal ist es so schlimm, dass die Sinn im Leben zu finden. Doch es gibt auch Erfolgs- Schule gezwungen ist in den „Verriegelungsmo- geschichten: Nach meinem Besuch in der Schule dus“ zu wechseln. Die Folgen dieser Situationen hörte ich von der spannenden und bewegenden Ar- sind den Kindern deutlich anzumerken: Sie neigen beit von Lufefe Nomjana, dem Spinatkönig im Town- dazu, nervös auf das Knallen von Türen und laute ship; ein Unternehmer, der in einem renovierten Stimmen zu reagieren. Vor kurzem versuchte je- Schiffscontainer eine Bäckerei eröffnet hat und Spi- mand, die Mülltonnen der Schule zu stehlen. Dann natbrot sowie Muffins und Sandwiches auf Spinat- verschwand der Computer der Schule und wurde basis herstellt. Sein Unternehmen verfügt auch über bei jemandem zuhause gefunden. einen Fahrradlieferservice, um die örtlichen Büros Um die Sicherheit der Schule zu gewährleisten und Kunden mit gesunden Mahlzeiten zu versorgen. und die Einbrüche zu bekämpfen, arbeitet die Schu- Rückblickend auf meine Zeit am Kap kann ich le mit einer Gruppe arbeitsloser Eltern zusammen, sagen: Ich war erschüttert, berührt, bewegt und die rund um die Uhr Wache halten. ergriffen von den vielen Dingen und Menschen, die Im Laufe der Jahre bauten die Schüler immer mal mir dort begegneten. wieder Gemüse im kleinen Schulgarten an. Regel- Die beindruckende Fahrt über die hügelige mäßig wurde das Gemüse nachts gestohlen, bevor Halbinsel entlang des „Kaapse Weg“. Die strahlen- 18 WELTWEIT
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