Case Management - Regionales ...

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Case Management - Regionales ...
ISBN 978-3-86216-794-4
                                                    ISSN 1861-0102
                                       2 | 2021     D 15419
                                Juni //S. 49–96     18. Jahrgang

Case
Management

Schwerpunkt „Politik“

_Mit dem Verfahren fallweise die Versorgung
 regieren

_Die Würde der Person

_Case Management und pflegepolitische
 Reformvorhaben

_Interviews: Case Management und seine
 Bedeutung in der Politik

_Case Management bei Demenz

_Übergang von stationärer in häusliche Versorgung

_Erfolgreich: die Rolle der Pflege im
 Case Management
Case Management - Regionales ...
Editorial

Case Management und Politik
2021 ist Wahljahr in Deutschland. Die Gesundheits- und            seine Geburtshilfe in der Deinstitutionalisierung der 1970er-
Pflegepolitik steht in Folge der Corona-Pandemie in               und 1980er-Jahre fand. Die Prinzipien und Ziele des Case
besonderer Weise im Fokus öffentlicher, aber auch fach-           Managements, sie finden sich in den programmatischen
politischer Aufmerksamkeit. Annalena Baerbock, Kanz-              Vorgaben des Sozialleistungsrechts, wenn es dort heißt, dass
lerkandidatin der Grünen, hat sich für einen Umbau des            die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen in
Gesundheitswesens im Sinne einer konsequenten, regio-             zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhalten sollen
nalen Orientierung ausgesprochen. Der Ansatz der com-             und die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen
munity health nurses steht in gleicher Weise für einen            sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und aus-
Community-orientierten Ansatz gesundheitlicher Versor-            reichend zur Verfügung zu stehen haben, § 17 SGB I. Davon
gung – herausgelöst aus den bisher dominanten Logiken             aber sind wir zumindest in Deutschland in Teilen weit
sektoraler Versorgungseinheiten. Die Zukunftskommission           entfernt.
Niedersachsen 2030 betont die Grenzen einer rein markt-
orientierten Steuerung im Gesundheitswesen und der                Case Management leistet seinen Beitrag zum guten
Langzeitpflege. Es gehört zu den ganz wesentlichen                Regieren in der Versorgung, wie es Wolf Rainer Wendt in
Erkenntnissen der Corona-Pandemie: Neben einer robus-             seinem Beitrag formuliert. Case Management kann nicht
ten, krisenfesten und Verlässlichkeit garantierenden na-          alleine dafür einstehen, dass das System der Versorgung
tionalen Gesundheitspolitik kommt es auf die Regionen an,         „gut regiert“ wird. Aber Case Management ist ein unver-
wenn es darum geht, den Gesundheitsschutz zu gewähr-              zichtbarer Bestandteil guter Governance der Versorgung.
leisten und die gesundheitliche und pflegerische Versor-          Wendt zitiert die Kommission Global Governance der
gung sicherzustellen. Von gleichwertigen Lebensbedin-             Vereinten Nationen: „Governance ist die Gesamtheit der
gungen in Sachen Pflege und Gesundheit, aber auch                 zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentliche
anderen öffentlichen Gütern kann in Deutschland keines-           und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegen-
wegs die Rede sein. Die Lehren aus der Corona-Pandemie            heiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen
könnten einer grundliegenden Strukturreform im Gesund-            Prozess, durch den kontroverse oder unterschiedliche
heits- und Pflegewesen neuen „Wumms“ verleihen.                   Interessen ausgeglichen und kooperatives Handeln initiiert
                                                                  werden kann.“ (SEF, 1995, S. 4). Care und Case Manage-
Sektorenübergreifende Versorgungskonzepte, gute Koor-             ment passt zur Philosophie und zur Praxis von Good
dination, Personenzentrierung, Effizienz des Gesamtsystems:       Governance. Es bedarf aber der verbindlichen und nicht
Das sind die Stichworte, die sich allenthalben lesen lassen.      nur programmatischen Aufnahme in das Sozialleistungs-
Genau dafür steht auch das Care und Case Management, das          recht. Hier ist Politik gefragt.

                                                                  Frank Schulz-Nieswandt stellt das Care und Case Manage-
                                                                  ment in einen sehr grundsätzlichen, anthropologischen
                                                                  Zusammenhang. Für ihn ist die Anthropologie die zentrale
                                                                  Bezugswissenschaft der Sozialpolitik. Es geht um die
                                                                  Realisierung von Grundrechten auf bedarfsgerechte Ver-
                                                                  sorgung mit existenziellen Sorgegütern. Für ihn ist die
                                                                  Personenzentriertheit keine modische Innovation, sondern
                                                                  tief im Menschenbild des sozialen Rechtsstaats verankert.
                                                                  Sein Beitrag macht deutlich, wie stark die anthropologi-
                                                                  schen Grundlagen der Sozialpolitik in einer Stakeholder-
                                                                  dominierten, sektorenbezogenen Reformagenda verloren
                                                                  zu gehen drohen.

                                                                  Wie Care und Case Management-Konzepte in aktuellen
                                                                  pflegepolitischen Reformentwürfen der Bundestagspartei-

                                                         Prof. Dr. Thomas Klie, Schriftführer

Case Management      2 | 2021
                                                                                                                          49
Editorial

en, aber auch anderer Reformpapiere aufgegriffen werden,        beleuchtet. Auch diese beiden Beiträge machen deutlich:
zeigt der Beitrag von Thomas Klie, der dabei die stark von      Care und Case Management darf nicht in Modellprojekten
Care und Case Management inspirierten Reformvorschläge          um seine systemrelevante Funktion und seine Potentiale
zu einer Strukturreform Pflege und Teilhabe II aufgreift        gebracht werden. Darum muss die Politik auf den ver-
und skizziert. In den Interviews mit der pflegepolitischen      schiedenen Ebenen und in den relevanten Sektoren dem
Sprecherin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, und der            Care und Case Management die steuernde Funktion
engagierten Pflegepolitikerin Emmi Zeulner von der CSU          zuordnen, die ihm im Sinne der Grundrechtsrealisierung
werden Gemeinsamkeiten und unterschiedliche Akzente             für den einzelnen Bürger und die einzelne Bürgerin in
sichtbar, die die möglichen Koalitionäre in der Pflegepolitik   einem guten Regieren der Versorgung zukommt. Silvia
in puncto Care und Case Management setzen.                      Fux-Mösslacher und Jürgen Maier beschließen das Heft
                                                                mit einem Bericht aus der Klinik für Rheumatologie des
In dem Interview mit der Sozialdezernentin Dr. Sigrid           Universitätsspitals Zürich. Hier entwickelte die Klinikleitung
Kraujuttis des Landkreises Emsland wird aus der kom-            ein durch die Pflegeexpertin geleitetes Case Management,
munalpolitischen Perspektive und vor dem Hintergrund            das mittlerweile – aufgrund der positiven Entwicklung – ein
des Modellprojektes ReKo (Pflegekompetenzzentren) die           fester Bestandteil der Patientenversorgung geworden ist.
Bedeutung des Care und Case Managements beleuchtet.
                                                                Es bleibt abzuwarten, ob – aber auch darauf hinzuwirken,
Sabine Steinmann führt in interessanter Weise durch die         dass das Case Management in der nächsten Legislatur-
unterschiedlichen politischen Ansätze im kooperativen           periode zum Regierungsprogramm in der Gesundheits-
Föderalismus der Schweiz, in denen Care und Case                und Pflegepolitik wird.
Management-Ansätze auf nationaler und kantonaler
Ebene verfolgt werden.

Ein Heft zu Politik und Case Management mit sehr
grundsätzlichen, mit programmatischen und sehr kon-
kreten Vorstellungen und Forderungen liegt in Ihren
Händen. Es wird ergänzt durch den Beitrag von Stefanie
Becker zur Bedeutung des Care und Case Managements in
der Begleitung von Menschen mit Demenz und einen
Beitrag von Anna Hegedüs, der die in der Corona-
Pandemie so bedeutsam gewordene Schnittstelle zwischen
häuslicher und stationärer psychiatrischer Versorgung           Thomas Klie

                                                                                               Case Management       2 | 2021
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Inhalt

              INHALT

                     Beiträge im SCHWERPUNKT

       49     Editorial                             78      Politische Abläufe und das Case
              Thomas Klie                                   Management mittendrin – das
                                                            Beispiel „Koordination Gesundheit“
                                                            im Kanton Glarus
                                                            Anna Hegedüs im Gespräch mit
       52     Mit dem Verfahren fallweise die
                                                            Sabine Steinmann
              Versorgung regieren
              Wolf Rainer Wendt

                                                    80      Case Management bei Demenz:
                                                            Mehr als „nice to have“
       57     Die Würde der Person: als Natur-
                                                            Stefanie Becker
              recht tabu, empirisch vulnerabel
              Frank Schulz-Nieswandt

                                                    85      Interventionen zur Unterstützung
                                                            des Übergangs von der stationären
       66     Case Management und pflege-                   psychiatrischen Versorgung in das
              politische Reformvorhaben für die             häusliche Umfeld
              20. Legislaturperiode
                                                            Anna Hegedüs
              Thomas Klie

                                                    90      Die Pflegeexpertin als Case Mana-
       70     Diskussion um die Pflegereform:               gerin – ein Erfolgsmodell
              Vorschläge aus der Politik
                                                            Silvia Fux-Mösslacher, Jürgen Maier
              Thomas Klie im Gespräch mit Emmi
              Zeulner und Kordula Schulz-Asche

                                                    95      Berichte und Termine DGCC,
                                                            Netzwerk CM-Schweiz, ÖGCC
       74     Starke Kommunen nutzen Case
              Management für eine alters-
              gerechte Entwicklung der pflegeri-
              schen Versorgung und zur Steue-       96      Impressum
              rung der lokalen Angebote
              Michael Monzer im Gespräch mit
              Dr. Sigrid Kraujuttis

Case Management   2 | 2021
                                                                                              51
Interview

Starke Kommunen nutzen
Case Management für eine
altersgerechte Entwicklung
der pflegerischen Versorgung
und zur Steuerung der
                                                                                          Dr. Sigrid Kraujuttis
lokalen Angebote                                                                                (Foto: Landkreis Emsland)

Im Nordwesten von Deutschland haben sich zwei Landkreise auf den Weg gemacht, Case Management für
Menschen, die auf Langzeitpflege angewiesen sind, grundsätzlich anzugehen. 15 Case Manager/innen arbeiten
in der Modellregion Grafschaft Bentheim und Landkreis Emsland im Projekt Regionales Pflegekompetenzzen-
trum, das durch den Innovationsfonds des gemeinsamen Bundesausschusses mit 9,97 Mio. Euro gefördert wird.
Als Sozialdezernentin des Landkreises Emsland verantwortet Dr. Sigrid Kraujuttis die kommunale Sozial- und
Gesundheitspolitik und damit den Rahmen, in dem das Case Management seine Wirkung entfalten soll. Michael
Monzer hat vor diesem Hintergrund mit Dr. Sigrid Kraujuttis ein Interview geführt.

Michael Monzer: Wie sehen Sie die zukünftigen Entwick-      wird, weswegen auch ein qualifiziertes Case Management
lungen im Landkreis Emsland? Welche Themen und Heraus-      zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.
forderungen sehen Sie auf die regionalen Systeme des
Gesundheitswesens und der Langzeitpflege zukommen?          Die Kommission Niedersachsen 2030 hat in ihren Kern-
Sigrid Kraujuttis: Die Auswirkungen des demografischen      empfehlungen zur Gesundheit und Pflege nicht nur die
Wandels mit einer steigenden Anzahl älterer und hoch-       Stärkung der Kommunen gefordert, sondern auch die
betagter Menschen in der Bevölkerung machen sich auch       Überwindung von Sektorengrenzen und die Flexibilisie-
im Landkreis Emsland bemerkbar. Parallel nehmen alters-     rung einer bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung,
assoziierte Erkrankungen deutlich zu, was zwangsläufig      vor allem in häuslichen Pflegearrangements. Welche
mit einer erhöhten Inanspruchnahme medizinischer und        Strategien und Ziele für das Emsland verbinden Sie mit
pflegerischer Leistungen verbunden ist. Diese Entwicklung   diesen Forderungen?
wird sich mit Blick auf die geburtenstarken Jahrgänge in    Die Pflege wird in der Familie, häufig mit Unterstützung
den kommenden Jahren weiter fortsetzen. Dabei zeigen        ambulanter Pflegedienste, im ambulant betreuten Woh-
sich zunehmend Bedarfe, die insbesondere die Schnitt-       nen, in Wohngemeinschaften und stationären Pflegeein-
stellen zwischen stationärer und ambulanter medizinischer   richtungen geleistet. Ziel muss es sein, dass der alte
und pflegerischer Versorgung betreffen. Gleichzeitig ste-   Mensch so lange wie möglich in seiner eigenen Häuslich-
hen dem Arbeitsmarkt durch die geburtenschwächeren          keit wohnen bleiben kann. Im Emsland besteht das
Jahrgänge weniger Menschen zur Verfügung, die für eine      Bewusstsein, dass dieses nur in Kommunen mit Angeboten
medizinische oder pflegerische Tätigkeit überhaupt in       altersgerechten und barrierefreien Wohnens, versorgender
Betracht kommen. Insofern stehen wir auch im Landkreis      Infrastruktur, Möglichkeiten der sozialen Teilhabe und
Emsland vor der Herausforderung, ärztlichen und pflege-     generationenübergreifender Unterstützung im Alltag ge-
rischen Nachwuchs zu gewinnen und (sektorenüber-            lingen kann. Insofern werden wir im Emsland auch
greifend) Versorgungsmodelle zu entwickeln, die im          weiterhin an einer altersgerechten Entwicklung unserer
Ergebnis alle Beteiligten entlasten und zu einer Verbes-    Kommunen arbeiten. Die vollstationäre Pflege sollte nur
serung der Versorgung führen. In diesem Zusammenhang        dann eine Option sein, wenn die Pflege auf andere Weise
muss die Digitalisierung in Gesundheit und Pflege zwin-     nicht mehr gewährleistet werden kann.
gend weiterentwickelt werden. Wichtig ist aber auch, dass   Ich wünsche mir, dass den Kommunen Ressourcen zur
der ältere Mensch auf seinem Weg bestmöglich begleitet      Verfügung gestellt werden, um die verschiedenen lokalen

                                                                                        Case Management        2 | 2021
 74
Interview

Angebote zu steuern und zu vernetzen. Damit verbunden        Im Case Management des Regionalen Kompetenzzen-
sind auch die Initiierung und Begleitung neuer notwendi-     trums sehe ich nicht zuletzt durch den in diesem Projekt
ger Angebote. Beispielhaft hat der Landkreis Emsland in      integrierten Aufbau eines digitalen Ökosystems, welches
den letzten zehn Jahren die Errichtung von 59 Gemein-        den Informationsaustausch und die Kommunikation zwi-
schaftseinrichtungen in den Dörfern und Ortsteilen mit       schen den beteiligten Akteuren verbessert, eine große
insgesamt rd. 4,5 Mio. Euro aus Eigenmitteln unterstützt.    Chance, die Langzeitpflege in den Kommunen qualitativ
Alle Gemeinschaftseinrichtungen sind barrierefrei und        und zukunftsgerichtet weiterzuentwickeln. Aus diesem
stehen allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Vereinen          Grunde freut es mich, dass der Landkreis Emsland als
und Organisationen zur Pflege und Stärkung generations-      Kooperationspartner am Projekt Regionales Pflegekom-
offener Kontakte und altersgerechter Angebote offen.         petenzzentrum beteiligt ist.
Kooperationen und Netzwerke können hier entstehen
oder in ihrer Arbeit bestärkt werden. Stichworte sind hier   Welche Schnittstellen in der regionalen Versorgung des
der gemeinsame Mittagstisch zur Kontaktpflege im Alter       Emslands könnten durch Steuerungsansätze wie das Case
gegen Vereinsamung, Treffpunkt von Selbsthilfegruppen        Management am meisten profitieren?
und Räume für Bürgergenossenschaften.                        Insbesondere können durch ein gutes Case Management
Mit Blick auf die Überwindung der Sektorengrenzen bei der    die Krankenhäuser im Rahmen des Entlassmanagements,
Versorgung eines chronisch kranken und auf Pflegeleis-       die niedergelassenen Ärzte und alle Anbieter von Pflege-
tungen angewiesenen älteren Menschen mit zunehmen-           leistungen profitieren. Profitieren werden aber auch die
dem Wechsel zwischen stationärer und ambulanter Ver-         Pflegeberater der Pflegekassen als Ansprechpartner ihrer
sorgung hat die Arbeit der Gesundheitsregion Emsland in      Kunden. Ich erwarte, dass Abläufe verschlankt werden und
den vergangenen zehn Jahren gezeigt, wie wichtig die         Brüche im Informationsfluss mit der zunehmenden Digi-
Zusammenarbeit von stationärer und ambulanter medizi-        talisierung verschwinden.
nischer und pflegerischer Versorgung sowie Krankenkas-
sen und Politik ist, um gemeinsam Lösungen für eine          Wie hat die Corona-Pandemie die Situation der auf Pflege
sektorenübergreifende Versorgung zu erarbeiten. Für die      angewiesenen Menschen verändert? Welche Aufgaben
Landkreise und kreisfreien Städte wünsche ich mir, dass in   kann das REKO Case Management übernehmen, um die
Niedersachsen die kommunalen Gesundheitsregionen ge-         negativen Auswirkungen in den Griff zu bekommen?
stärkt werden, um auch langfristig gute örtliche Ver-        Angehörige haben im vergangenen Jahr wenig Entlastung
sorgungsansätze etablieren zu können. Nicht zuletzt halte    durch eine Tages- bzw. Kurzzeitpflege erfahren können,
ich es für erforderlich, dass die Digitalisierung voran-     eine Aufnahme auch in die Langzeitpflege war zeitweise
getrieben wird, hin zu einer einheitlichen Patientenakte.    nicht oder nur erschwert möglich. Zugleich bestanden
Ferner muss die Telemedizin an den Stellen, an denen sie     Ängste bei den Betroffenen und Angehörigen. Hier kann
möglich ist, implementiert bzw. ausgebaut werden. Erste      durch ein Case Management die Pflege zu Hause optimiert
Erprobungen an der Schnittstelle zwischen Hausarztpraxen     und dadurch die Versorgungssituation verbessert sowie
und Pflegeeinrichtungen gibt es im Landkreis Emsland.        eine Entlastung der Angehörigen erreicht werden.

Welche Bedeutung sehen Sie im Case Management des            Die deutschen Gesundheitsämter wurden in der Pande-
Regionalen Pflegekompetenzzentrums für die wohnort-          miebekämpfung im nationalen Vergleich als entschei-
nahe Versorgung in der Langzeitpflege?                       dende Erfolgsfaktoren gewertet. Viele weitere Heraus-
Gute Case Management-Strukturen können einen wich-           forderungen im Bereich des Gesundheitswesens und der
tigen Beitrag zur Sicherstellung der Langzeitpflege vor      Pflege könnten sich möglicherweise in den kommunalen
Ort leisten. Die im Landkreis Emsland dezentral an fünf      Strukturen besser bewältigen lassen. Wo sehen Sie
Krankenhäusern und in der Kreisverwaltung (Fachbereich       Ansatzpunkte?
Gesundheit und Pflege) tätigen sechs Case Manager des        Zunächst halte ich es für unabdingbar, Strukturen zu
Regionalen Kompetenzzentrums verfügen über ein brei-         schaffen, die leicht zugänglich sind für alle Beteiligten,
tes sektoren-übergreifendes Wissen und sind mit den          insbesondere auch für Menschen, die vorher keine Be-
ambulanten und stationären Akteuren aus Gesundheit           rührungspunkte zum Thema Pflege hatten, aber auch für
und Pflege, aber auch mit den kommunalen Pflegestütz-        Anbieter. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür ist für
punkten vernetzt. Durch ihre Case- und Care Manage-          mich eine räumliche Nähe, die Möglichkeit des per-
ment-Arbeitsweise sind sie in der Lage, insbesondere für     sönlichen Gespräches auch zu Hause bei den Pflegebe-
schwierige und komplexe Fallgestaltungen passgenaue          dürftigen.
Lösungen zu erarbeiten, die eine gute Versorgung mit         Die Kolleginnen und Kollegen in den Gesundheitsämtern
sozialer Teilhabe auch in der Langzeitpflege vor Ort         und Pflegestützpunkten kennen die Akteure vor Ort,
ermöglichen.                                                 wissen um deren Stärken und Auslastung. Durch die

Case Management     2 | 2021
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Interview

tägliche Arbeit und ein gegenseitiges Vertrauen kann so      Die Gesundheitspolitik setzt mit der elektronischen Pa-
häufig in Einzelfällen schnell geholfen werden. Es werden    tientenakte (ePA) und mit Patientenportalen auf mehr
in diesen kommunalen Strukturen auch frühzeitig Bedarfe      Selbstverwaltungspotenziale der Patient/innen und auf
deutlich, so dass versucht werden kann, in persönlichen      einen effizienteren Informationsfluss. Wie viel trauen Sie
Gesprächen mit Anbietern aber auch mit Ehrenamtlichen        der Digitalisierung in den nächsten Jahren zu? Wie können
entsprechende Angebote zu schaffen und zu steuern. Um        Sie die Menschen in Ihrer Region dabei unterstützen?
die Themen Gesundheit und Pflege in den kommenden            Ich bin davon überzeugt, dass die Corona-Pandemie einen
Jahren noch weiter zu stärken, wurde in der Kreis-           Schub in die Digitalisierung des Gesundheitswesens ge-
verwaltung zu Beginn des Jahres ein neues Referat            bracht hat. Viele Dinge, die vorher eher mit Vorbehalten
gebildet, in dem sich neben dem Gesundheitsamt ein           versehen waren, sind heute selbstverständlich. Ich denke
neu gebildeter Fachbereich Gesundheit und Pflege aus-        hier an die digitale Arbeit im Homeoffice, an Videokon-
schließlich mit der Weiterentwicklung der gesundheitli-      ferenzen; die Menschen sind technologieoffener geworden.
chen und pflegerischen Versorgung im Emsland befasst.        Gleichwohl halte ich es für erforderlich, insbesondere ältere
Mit diesem Ziel wurden dort die Kompetenzen des              Menschen über die „neuen Techniken“ zu informieren, sie
Senioren- und Pflegestützpunktes Niedersachsen, des          zu schulen und sie auf dem Weg der Digitalisierung
Demenz-Servicezentrums, des Ehrenamtsservices, der           mitzunehmen, zusammengefasst Ängste abzubauen.
Heimaufsicht und der Weiterbildungsgesellschaft für          Der Landkreis Emsland treibt seit Jahren den Breitband-
Ärztinnen und Ärzte im Landkreis Emsland gGmbH               ausbau voran, so dass mittlerweile fast im gesamten
(Weiterbildungsgesellschaft Meilenstein) gebündelt.          Kreisgebiet schnelles Internet vorhanden ist. Zudem hat
                                                             der Landkreis Emsland bereits in Kooperation mit dem
Case Management kann wichtige Impulse bei der Steue-         Gesundheitsdienst der Stadt und des Landkreises Osna-
rung und Entwicklung von Angeboten liefern, indem seine      brück von 2018 bis 2020 mit dem Projekt „eMedCare –
Erkenntnisse aus den Fällen für die Sozial- und Gesund-      digitale Brücke zwischen Hausarzt und Pflege“ erste
heitsplanung genutzt werden. An welche Fallkonstellatio-     Erfahrungen sammeln und gute Ansätze erproben können.
nen denken Sie dabei?
Hier denke ich vor allem an Fallkonstellationen, die den     Das REKO Case Management endet 2023. Wo sollte das
Übergang vom Krankenhaus in die (häusliche) Pflege nach      Case Management nach dem Projektende angesiedelt
einem schweren operativen Eingriff oder einer schwerwie-     werden?
genden Erkrankung betreffen. Problematisch wird es           Ich begrüße das REKO-Projekt ausdrücklich und bin von
insbesondere dann, wenn bei einer damit einhergehenden       seinem Erfolg überzeugt. Nach Projektende sollte das Case
veränderten Lebenssituation keine Angehörigen zur Seite      Management in einer neutralen Stelle angesiedelt werden,
stehen. Durch die Arbeit des Case Managements mit den        damit eine Beratung und Begleitung der Klienten kostenlos
Klienten wird schnell deutlich, wo Bedarfe sind, die nicht   und unabhängig erfolgen kann. Hierfür kann ich mir gut die
gedeckt werden können, oder wo und wie Abläufe               kommunalen Pflegestützpunkte, aber auch eine Bürger-
optimiert werden können. Nur wenn diese Schwächen im         genossenschaft vorstellen.
System bekannt sind, kann versucht werden, diese z. B. in
der Sozial- und Gesundheitsplanung aufzugreifen und zu       Sehr geehrte Frau Dr. Kraujuttis, herzlichen Dank für das
verbessern.                                                  Gespräch.

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Impressum

Impressum                                                                      Satz
                                                                               Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld

Case Management gehört zu den zentralen Reformperspektiven und                 Druck
Strategien in vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens. Dabei        Schleunungdruck GmbH,
werden mit dem Case Management noch höchst unterschiedliche Ansätze,           97828 Marktheidenfeld
Methoden und Erwartungen verbunden. Die Zeitschrift Case Management
                                                                               Bezug- und Bedingungen
will der breiten Diskussion um das Case Management und die Vielfalt seiner
                                                                               Jahresabonnement Inland € 112,–, Jahresabonnement Ausland € 119,–.
praktischen Umsetzung eine qualifizierte Plattform geben.
                                                                               Ermäßigt € 84,– gegen gültige Vorlage. Online-Abo € 89,–. Alle Preise
Case Management wird in weiten Bereichen des Sozialwesens, des
                                                                               inkl. Mehrwertsteuer, Versand und Zugang zum Online-Archiv. Der Abon-
Gesundheitswesens, der Pflege und Betreuung, der Integration in Arbeit
                                                                               nementpreis wird im Voraus in Rechnung gestellt und umfasst 4 Ausgaben
und des Versicherungswesens gebraucht und eingesetzt. Es bezeichnet die
                                                                               jährlich. Kündigungen sind bis 8 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums
zielwirksame Gestaltung und Handhabung von Versorgungs-, Behandlungs-,
                                                                               möglich.
Unterstützungs- und Hilfeprozessen sowohl auf der Ebene der Organisa-
tions- und Prozesssteuerung (care management), als auch auf der Ebene          Erscheinungsweise
der individuellen Fallführung. Case Management wird insbesondere für eine      „Case Management“ erscheint viermal jährlich, jeweils zum Ende des
integrierte und vernetzte Leistungserbringung und für die Verbindung von       Quartals.
systemgesteuerten Dienstleistungen mit der Selbstbestimmung und aktiven        Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management
Beteiligung von Nutzern angefordert.                                           (DGCC), des Netzwerkes Case Management Schweiz und der Österrei-
Die Zeitschrift widmet sich dieser Thematik umfassend. Ihre Leserschaft sind   chischen Gesellschaft für Care und Case Management (ÖGCC) erhalten die
die Fachkräfte im Case Management, die Einrichtungen der Ausbildung und        Zeitschrift kostenlos im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.
Weiterbildung im Case Management, die Leistungsträger und Dienstleister,       ISBN 978-3-86216-794-4
die das Verfahren anwenden oder es implementieren wollen, sowie die
politischen Entscheider in der Sozialwirtschaft und Gesundheitswirtschaft      Urheber- und Verlagsrechte
und in der Reform der Versorgungssysteme, ihrer Strukturen und Prozesse.       Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind
Ihren Lesern im deutschsprachigen Raum nutzt die Zeitschrift mit der           urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen
zeitnahen Vermittlung von Erkenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet         des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig
von Care und Case Management. Mit Beiträgen zur Konzeptentwicklung             und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
und aus der Anwendungspraxis hält die Zeitschrift die Fachwelt über den        Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektro-
state of the art auf dem Laufenden. Das Spektrum der Information, die          nischen Systemen. Alle Rechte, auch das der Übersetzung, bleiben vor-
geboten wird, reicht von Modellen und Projekten, die vorgestellt werden,       behalten.
über Instrumente für die Praxis zu den einzelnen Schritten und in
verschiedenen Einsatzgebieten des Verfahrens, über Forschungsergebnisse,
Tagungsberichte und Veranstaltungshinweise bis zur Kommentierung von              Rechtseinräumung
Vorhaben und neuen gesetzlichen Regelungen in den deutschsprachigen               Der Autor bestätigt und garantiert, dass er uneingeschränkt über
Ländern, auf europäischer Ebene und von internationalen Entwicklungen             sämtliche Urheberrechte an seinem Beitrag einschließlich eventu-
auf dem Gebiet von Care und Case Management.                                      eller Bildvorlagen, Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen
Die Zeitschrift ist Organ der Deutschen Gesellschaft für Care und Case            verfügt, und dass der Beitrag keine Rechte Dritter verletzt (dies gilt
Management.                                                                       auch für die Wahrung der Anonymität des Patienten bei der
                                                                                  Veröffentlichung von Fallberichten).
                                                                                  Der Autor räumt – und zwar auch zur Verwertung seines Beitrags
Herausgeber/innen                                                                 außerhalb der ihn enthaltenden Zeitschrift und unabhängig von
Mona Frommelt, Hans-Weinberger-Akademie, München
                                                                                  deren Veröffentlichung – dem Verlag räumlich und mengenmäßig
Anna Hegedüs, Careum Hochschule Gesundheit, Zürich
                                                                                  unbeschränkt für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das
Prof. Dr. Michael Klassen, Hochschule RheinMain                                   ausschließliche Recht der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. der
Prof. Dr. Thomas Klie, Evang. Hochschule Freiburg                                 unkörperlichen Wiedergabe des Beitrags ein. Der Autor räumt dem
Prof. Dr. Peter Löcherbach, Katholische Hochschule Mainz                          Verlag ferner die folgenden ausschließlichen Nutzungsrechte am
Dipl.-Psych. Dr. Michael Monzer, Sozialamt Stuttgart                              Beitrag ein:
Prof. Dr. Claus Reis, Frankfurt University of Applied Sciences                    a) Das Recht zum ganzen oder teilweisen Vorabdruck und Nach-
Prof. Dr. Wolf Rainer Wendt, DHBW Stuttgart, Universität Tübingen                 druck – auch in Form eines Sonderdrucks, zur Übersetzung in
                                                                                  andere Sprachen, zur sonstigen Bearbeitung und zur Erstellung von
Schriftleitung (V.i.S.d.P.)                                                       Zusammenfassungen (Abstracts);
Prof. Dr. Thomas Klie, Evang. Hochschule Freiburg                                 b) das Recht zur Veröffentlichung einer Mikropie-, Mikrofiche- und
                                                                                  Mikroformausgabe, zur Nutzung im Wege von Bildschirmtext,
                                                                                  Videotext und ähnlichen Verfahren, zur Aufzeichnung auf Bild-
Fachbeirat
                                                                                  und/oder Tonträger und zu deren öffentlicher Wiedergabe durch
Prof. Dr. Michael Ewers, MPH, Charité-Universitätsmedizin Berlin
                                                                                  Radio und Fernsehsendungen;
Marius Greuèl, Alice Salomom-Hochschule Berlin-Hellersdorf
                                                                                  c) das Recht zur maschinenlesbaren Erfassung und elektronischen
Prof. Dr. Hugo Mennemann, Kath. Hochschule NRW, Abt. Münster                      Speicherung auf einem Datenträger (z.B. Diskette, CD-Rom, Mag-
Prof. Dr. Martin Schmid, Hochschule Koblenz                                       netband) und in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank,
Prof. Dr. Birgit Vosseler, Hochschule Ravensburg-Weingarten                       zum Download in einem eigenen oder fremden Rechner, zur
                                                                                  Wiedergabe am Bildschirm – sei es unmittelbar oder im Wege der
Verlag                                                                            Datenfernübertragung – sowie zur Bereithaltung in einer eigenen
medhochzwei Verlag GmbH, Alte Eppelheimer Str. 42/1,                              oder fremden Online-Datenbank zur Nutzung durch Dritte;
69115 Heidelberg, Annette Xandry, Tel. 06221/91496-12, Fax: -20,                  d) das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch
annette.xandry@medhochzwei-verlag.de                                              fotomechanische und ähnliche Verfahren (z.B. Fotokopie, Fernko-
                                                                                  pie), und zur Nutzung im Rahmen eines sog. Kopienversandes auf
                                                                                  Bestellung.
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sabine.hornig@medhochzwei-verlag.de,
                                                                                  lich der Verlag, der Kundenservice des Verlages und der Lettershop
Alina Machka, Tel. 06221/91496-17,
                                                                                  des Verlages Zugriff.
alina.machka@medhochzwei-verlag.de

                                                                                                                     Case Management             2 | 2021
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