CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
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CDPnews Carnivore Damage Prevention Ausgabe 20 HERBST 2020 BÄREN UND PRÄVENTIONSMASSNAHMEN IN DEN ITALIENISCHEN ALPEN BEUTEGREIFERKONTROLLE ZU LAND UND ZU WASSER EIN JAHRZEHNT SCHUTZMASSNAHMEN IN SPANIEN UND PORTUGAL
INDEX EDITORIAL 1 BRAUNBÄREN UND PRÄVENTIONS- MASSNAHMEN: DIE TRENTINO- ERFAHRUNG IN DEN ITALIENISCHEN ALPEN 9 NACHRICHTENÜBERBLICK 12 NATIONALES NETZWERK FÜR NUTZER VON HERDENSCHUTZHUNDEN, FRANKREICH 13 BEUTEGREIFERKONTROLLE ZU Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass die Zeit, in der diese Ausgabe der LAND UND ZU WASSER: VERGLEICH UND AUFRUF ZU EINHEITLICHEN CDPnews erscheint, eine außergewöhnliche ist. Während Regierungen und Menschen in BEWERTUNGSSTANDARDS der ganzen Welt mit der anhaltenden Corona-Pandemie kämpfen und den Weg zu einem 20 UNBEKANNTE GESCHICHTEN ERZÄHLEN „neuen Normalzustand“ suchen, sind nur wenige Gesellschaftsbereiche verschont geblie- – EIN VIDEO SAGT MEHR ALS TAUSEND WORTE ben. Diese Gesundheitskrise hat sich auch auf die Landwirtschaft und das Wildtiermanage- 22 LIFE WOLFLUX: HILFE FÜR LANDWIRTE ment ausgewirkt, wie zum Beispiel auf Bemühungen, Konflikte zwischen Menschen und UND WÖLFE IN PORTUGAL Beutegreifern zu mindern. 30 EU-PLATTFORM ZUR KOEXISTENZ ZWISCHEN MENSCHEN UND GROSSEN Die erste Welle der Pandemie fiel auf die Osterzeit, die für den Verkauf von Lamm- und BEUTEGREIFERN Ziegenfleisch von großer Wichtigkeit ist. Produzenten hatten Schwierigkeiten, Käufer zu 32 EIN JAHRZEHNT SCHUTZMASSNAHMEN finden und mussten sich mit niedrigeren Preisen zufriedengeben, als Restaurants schlossen, IN SPANIEN UND PORTUGAL 48 PARTIZIPATORISCHE PROZESSE Exporte beschränkt wurden und die Nachfrage zurückging. Auch Viehzüchter und Milch- ZUR KONFLIKTMINDERUNG UNTER INTERESSENGRUPPEN: REGIONALE produzenten waren betroffen, insbesondere kleine Familienbetriebe. Einkommensverluste PLATTFORMEN ZU GROSSEN haben sich vermutlich auf die Kapazitäten mancher Landwirte ausgewirkt, Schutzmaß- BEUTEGREIFERN IN EUROPA nahmen umzusetzen. Schulungsmaßnahmen mussten abgesagt, verschoben oder online ab- 55 ZÄUNE UND WÖLFE IN SACHSEN gehalten werden, wodurch die professionelle Hilfe vor Ort reduziert wurde. 57 ABSTRACTS Allerdings waren nicht alle Veränderungen negativ. Lockdown und Abstandsregeln 66 BÜCHER boten den Anlass, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und neue Arbeitsmethoden auszu- 68 IHR REDAKTIONSTEAM probieren. Ein weltweiter Rückgang wirtschaftlicher Aktivität hat zu einem dramatischen 69 VERANSTALTUNGEN Rückgang der Verschmutzung geführt und gezeigt, dass das Ökosystem das Potenzial hat, sich zu erholen. Reise- und Kontaktbeschränkungen haben zu einem Boom virtueller Chefredakteur Robin Rigg Meetings und einem digitalen Wissenstransfer geführt, wodurch häufig eine größere Ziel- Slowakische Wildtiergesellschaft, Slowakei gruppe erreicht wurde. Auch Landwirte haben sich verstärkt sozialen Medien zugewandt, info@slovakwildlife.org Redakteur und Projektkoordinator um ihre Produkte zu vermarkten und Verbraucher direkt zu beliefern. Aufrufe, bei inländi- Daniel Mettler, AGRIDEA, Schweiz schen Produzenten zu kaufen, haben zu mehr Solidarität mit Landwirten vor Ort geführt, daniel.mettler@agridea.ch was zu einer höheren Autarkie und Resilienz der Länder und Gemeinden bei zukünftigen Freie Redakteur/-innen Silvia Ribeiro, Grupo Lobo, Portugal Katastrophen führen könnte. globo@fc.ul.pt Die Frage nach den Langzeitfolgen der Krise bleibt allerdings weiterhin offen. Auch in Micha Herdtfelder, Forstliche Versuchs- anstalt (FVA), Baden-Württemberg dieser Zeit dürfen Schutzmaßnahmen nicht vergessen werden, denn sonst steigt das Risiko micha.herdtfelder@forst.bwl.de für Konflikte zwischen Menschen und Beutegreifern. Das würde wiederum die bereits Valeria Salvatori schwierige wirtschaftliche Lage der Landwirte weiter verschlechtern und möglicherweise Istituto Superiore per la Ricerca e la Protezione dell’Ambiente (ISPRA), Italien negative Konsequenzen für die Beutegreifer haben. Wir werden unseren Teil dazu beitra- valeria.salvatori@gmail.com gen, indem wir evidenzbasierte Methoden und Empfehlungen fördern. Berater John Linnell NINA, Norwegen Wir sind dem LIFE EuroLargeCarnivores-Projekt1 sehr dankbar dafür, dass die Her- john.linnell@nina.no ausgabe der CDPnews bis 2022 gesichert ist. Wir werden in einer Serie von Pop-up-Fea- Layout und Design tures Maßnahmen und Ergebnisse dieses Projekts und der EU-Plattform zur Koexistenz Rita Konrad, AGRIDEA, Schweiz rita.konrad@agridea.ch zwischen Menschen und großen Beutegreifern2 sowie der ENCOSH-Wissensplattform3 Bildnachweis präsentieren. Wir haben außerdem einen Nachrichtenüberblick eingeführt, der aktuelle Ent- Cover: I. Carbonell Heftrückseite: Andrew Trites wicklungen in Bezug auf Konflikte und die Koexistenz mit großen Beutegreifern aufführt. E-Mail Diese Ausgabe richtet den Blick vor allem auf Südeuropa: Sie enthält Artikel zur lang- info@cdpnews.net fristigen Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen auf der iberischen Halbinsel, zu den Verfügbar unter www.cdpnews.net Aktivitäten des LIFE WolFlux-Projekts in Portugal und ein besonderes Feature zum Ma- www.herdenschutzschweiz.ch nagement von Bären und Wölfen im italienischen Trentino. Sie enthält außerdem einen neuartigen Vergleich einer maritimen Umgebung mit einer Landumgebung, der auf dem Workshop Beutegreiferkontrolle: Lektionen vom Land für die See basiert, der im Dezember 2019 in Barcelona (Spanien) im Rahmen der weltweiten Konferenz für Meeressäuger abgehalten wurde. Wir wünschen Ihnen eine sichere und inspirierende Lektüre! Das LIFE EuroLargeCarnivores-Projekt (LIFE16 GIE/DE/000661) wird vom LIFE- Ihr Redaktionsteam Programm der Europäischen Union ge- fördert. Diese Publikation gibt lediglich die 1 https://www.eurolargecarnivores.eu Sichtweisen der jeweiligen Autoren wieder. 2 https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/ Die Europäische Kommission übernimmt coexistence_platform.htm keine Verantwortung für den Inhalt dieser 2 Publikation oder die Nutzung der darin 3 https://encosh.org CDPnews enthaltenen Informationen.
Besonderes Feature BRAUNBÄREN UND PRÄVENTIONSMASS- NAHMEN: DIE TRENTINO-ERFAHRUNG IN DEN ITALIENISCHEN ALPEN Matteo Zeni Amt für große Beutegreifer, Wald- und Wildtierdienst, Autonome Provinz Trient, Via GB Trener 3, 38019 Trento, ITALIEN Kontakt: matteo.zeni@provincia.tn.it 1. Hintergrund Nach dem Kollaps der Braunbär-Population (Ursus und einigen gutgemeinten, aber naiven und erfolglosen arctos) in den Alpen aufgrund von Raubbau an der Um- Versuchen in den Jahren 1959, 1969 und 1974, die Popu- welt und direkter Verfolgung durch den Wettbewerb um lation durch das Auswildern von in Gefangenschaft gebo- Ressourcen, atavistische Ängste sowie von der Regierung renen Jungbären wieder aufzubauen, galt die Population ausgesetzte Prämien gab es zuletzt nur noch eine winzige zu Beginn der 1990er Jahre als biologisch ausgestorben: Es Bärenpopulation, die während des 20. Jahrhunderts lang- hatten nur einzelne Bären in den Brenta-Dolomiten über- sam dahinschwand. Der letzte Rückzugsort der alpinen lebt und es gab keinerlei Hinweise auf eine Reproduktion Bären war der westliche Teil des Trentino in Italien. Trotz (Abb. 2, Seite 2). eines frühen gesetzlichen Schutzes der Art (schon 1939) 80 70 Populaonsgröße (n) 50 40 66 30 48 51 46 20 40 38 41 33 26 27 29 10 2020 14 12 8 9 10 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Abb. 1 Wachstum der Braunbärpopulation in den zentralen Alpen (ohne Junge), mit jährlichen Minimum- und Maximumschät- zungen (rot), der sicheren Mindestzahl von Individuen pro Jahr, die nachträglich mit allen zur Verfügung stehenden Daten ermittelt wurde (grün), und die effektive Populationsgröße Ne, d. h. die geschätzte Zahl von sich fortpflanzenden Individuen (blau). Quelle: APT-Wald- und Wildtierdienst. 1 https://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/index.cfm?fuseaction=search.dspPage&n_proj_id=120 2 https://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/index.cfm?fuseaction=search.dspPage&n_proj_id=1731 CDPnews 1
Abb. 2 Vermutlich der letzte einheimische alpine Bär, ein fast Abb. 3 Braunbärweibchen mit drei Einjährigen, die ihre Höh- blindes altes Männchen, von einer Kamerafalle im März 2000 le im westlichen Trentino verlassen haben. aufgenommen. Er wurde wiederholt beobachtet, wie er jungen (Foto: M.Vettorazzi, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) slowenischen Weibchen nachstellte, um sich zu paaren, aber ohne Erfolg. Der alte Bär starb im Frühjahr 2002 vermutlich eines natürlichen Todes. (Foto: C. Groff, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) Um die Art in den zentralen Alpen zu erhalten, entwi- me und Gletscher nur 15 km voneinander entfernt sind ckelte der Adamello-Brento-Naturpark unter Beteiligung und sowohl natürliche als auch landwirtschaftliche Nah- der Autonomen Provinz Trient und des Nationalen Wild- rungsquellen reichlich vorhanden und leicht zugänglich tierinstituts (ISPRA) ein komplexes und ehrgeiziges Pro- sind (Abb. 5, 6). Aber diese üppige und extrem vielfältige jekt mit dem Namen LIFE Ursus1,2. Zwischen 1999 und Umgebung ist auch voll von Menschen und Infrastruktur. 2002 wurden zehn in freier Wildbahn geborene Braun- Eine solche Nähe zwischen Bären und Menschen bietet bären in Südslowenien eingefangen, nach Italien transpor- den Bären größere trophische Möglichkeiten, führt aber tiert und im Toveltal in den Brenta-Dolomiten ausgesetzt. auch zu gefährlichen Zusammenstößen und Schäden an Die Neuankömmlinge verloren keine Zeit: Was dann ge- Nutztieren, Obstgärten und Bienenvölkern, wodurch der schah, ist sowohl Geschichte als auch Teil der täglichen Aufbau einer neuen und positiven Beziehung zwischen Nachrichten (Abb. 3). Nur ein Jahrzehnt, nachdem der den Spezies schwierig wird. Um Konflikte zu mildern, letzte slowenische Bär im Trentino ausgesetzt wurde, gab wird seit 2002 ein verstärktes Managementprogramm zur es über 40 Bären in dem Gebiet, einschließlich Jungtiere. Verhütung von durch Bären verursachten Schäden um- Nach einem weiteren Jahrzehnt hat sich diese Zahl ver- gesetzt. In diesem Artikel stelle ich eine Zusammenfassung doppelt (Groff et al., 2013; Groff et al., 2020) (siehe Abb. dieses Programms dar und gebe einen kurzen Überblick, 1, Seite 1 für den Wachstumstrend und Abb. 4 für die geo- was funktioniert und was nicht, und was nach Ansicht grafische Verteilung). meiner Abteilung noch verbessert werden muss. Diese Bären leben in einer ökologisch reichhaltigen und abwechslungsreichen Landschaft, in der Olivenbäu- 2. Konfliktmanagement Seit 1976 finanziert die Autonome Provinz Trient (APT) Schutzmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutz- hunde und entschädigt durch Bären verursachte Schäden. Um mit der zunehmenden Komplexität der Koexistenz seit Beginn des LIFE Ursus-Projekts und der wachsenden Abb. 4 Die Autonome Provinz Trient in Norditalien, mit dem Kerngebiet der alpinen Bärenpopulation (rosa Fläche) und sich vor kurzem angesiedelten Wolfsrudeln (blaue Flächen). Die blaue Linie zeigt das maximale Gebiet der Erkundungs- und Ausbreitungsbewegungen männlicher Bären. Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst. 2 CDPnews
BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN Abb. 5 Ein junger Braunbär verlässt seine Deckung in den Abb. 6 Bärenland: Ein großer männlicher Braunbär wurde von Abendstunden in Val d‘Ambiez in den Brenta-Dolomiten. einer Kamerafalle im Sporeggio-Tal in den Brenta-Dolomiten (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) aufgenommen. (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) Population besser klarzukommen, wurde das Management- Daraufhin wird der volle Wert des Schadens erstattet, system mit der Zeit verfeinert. Die verantwortliche Stelle meist innerhalb von 60 Tagen. Die Preise für Nutztiere ist der APT-Wald- und Wildtierdienst (Servizio Foreste e und Bienenstöcke werden alle paar Jahre von einem Run- Fauna) mithilfe des Amtes für große Beutegreifer (Settore den Tisch festgesetzt, an dem Vertreter der Organisationen Grandi Carnivori), das aus einem Koordinator, zwei Wild- entsprechender Interessengruppen teilnehmen. Es wird tierbiologen und zwei Präventions- und Entschädigungs- keine Entschädigung gezahlt, wenn der Besitzer Material managern besteht. Zehn Assistenten für Präventionsmaß- für die Schadensprävention von der APT erhalten hat, es nahmen (mit zehn Stellvertretern) unterstützen das Amt aber nicht korrekt eingesetzt hat. Wo immer dies möglich für große Beutegreifer im Außendienst in zehn verschie- und angemessen ist und in allen Schadensfällen inspizieren denen Bezirken mit Hilfe von 53 Schadensbeauftragten. APT-Assistenten für Präventionsmaßnahmen und Scha- Seit 2011 gibt es eine ähnliche Managementstruktur für densbeauftragte das Material für die Schadensprävention, den Wolf (Canis lupus), der sich seit seiner Rückkehr in um festzustellen, ob es richtig eingesetzt wird. Momen- diese Provinz schnell ausbreitet. Ende 2019 gab es min- tan wird eine umfangreiche Inspektion geplant, bei der destens 13 Wolfsrudel mit Nachwuchs (Groff et al., 2020) ein zufällig ausgewähltes Viertel aller ausgeliehenen bzw. (Abb. 4). finanzierten Zäune kontrolliert werden soll. Es ist bisher noch kein Zeitplan bekannt. 2.1 Präventionsmaßnahmen Maßnahmen zur Verhütung von Schäden durch Bä- 2.3 Sonstige Möglichkeiten zur Konflikt- ren basieren meist auf der Finanzierung oder dem Verleih minderung durch die APT von Elektrozäunen für Bienenstöcke und Ein weiteres wichtiges Mittel der Konfliktminderung Elektrozäunen und/oder Herdenschutzhunden für Nutz- betrifft das Bärenmanagement. Um Vorfälle und Schäden tiere sowie in einigen Fällen Holzzäunen mit Stromlitzen zu melden, ist das ganze Jahr über rund um die Uhr eine für Nutztiere und permanenten „Bienenhütten“ (kleine Notrufnummer geschaltet. Einer der 20 Mitarbeiter des Holzhütten zum Schutz von Bienenstöcken), wobei Mit- APT-Wald- und Wildtierdienstes nimmt Anrufe zu gro- tel des EU-Förderprogramms für die ländliche Entwick- ßen Beutegreifern entgegen, liefert Informationen und lung zum Einsatz kommen (Tabelle 1). Hilfe und entsendet je nach Situation Schadensbeauftragte bzw. das Notfallteam. Das Notfallteam besteht aus insge- 2.2 Entschädigung samt sieben Teams zu je zwei Mitarbeitern (und bei Bedarf Wenn Schäden durch einen Bär (oder Wolf) vermu- einem Tierarzt) und kann im Zeitraum vom 1. März bis tet werden, erfolgt fast immer (in 98 % der Fälle) inner- 30. November rund um die Uhr bei Notfällen angefor- halb von 24 Stunden eine Inspektion durch einen Scha- dert werden (z. B. ein verletzter Bär, ein Bärenangriff, wie- densbeauftragten. In wenigen Fällen, bei denen meist der derholte Anwesenheit eines Bären nahe Siedlungen oder Schaden gering ist, wie z. B. einige Hühner, ist auch eine Nutztieren etc.). Selbstbescheinigung möglich. In solchen Fällen meldet der Außerdem steht ein Bärenfangteam zur Verfügung, das Betroffene den Schaden an eine Notfallnummer, reicht aus bis zu sieben APT-Mitarbeitern und einem oder zwei Bilder ein und füllt ein Selbstbescheinigungsformular aus. Tierärzten besteht. Seit 2006 wurden 28 unterschiedliche CDPnews 3
Tabelle 1 Schutzmaßnahmen zur Minderung von Schäden durch Bären und Wölfe, von der Autonomen Provinz Trient geliehen oder finanziert. Dauer Bedingungen Beschreibung Elektrozäune (Bär und Wolf) Temporäre Nutzung – Notfälle Gratisverleih (normalerweise bis zu Mobile Netze und Zäune mit meh- während der Sommerbeweidung von vier Monate) reren Litzen, bis zu 500 m je nach Nutztieren auf der Almweide Herdengröße (Nachtpferche) Langzeitnutzung Gratisverleih (nach acht Jahren kann Mobile Netze und mobile/halb-dau- der Landwirt einen neuen Zaun be- erhafte Zäune mit mehreren Litzen antragen; beschädigte Teile werden Bis zu 250 m für Bienenstöcke, je repariert und Zäune recycelt, wenn nach Anzahl der Stöcke, und bis zu sie nicht länger benutzt werden) 500 m für Nutztiere, je nach Herden- größe (Nachtpferche) Langzeitnutzung Erstattete Anschaffungskosten: 90 % Mobile Netze und mobile/halb- für Bienenstöcke und Schafe/Ziegen, dauerhafte/dauerhafte Zäune mit 60 % für Kühe/Pferde mehreren Litzen Bis zu 250 m für Bienenstöcke, je nach Anzahl der Stöcke, und bis zu 500 m oder mehr für Nutztiere, je nach Herdengröße (Nachtpferche) Herdenschutzhunde (Bär und Wolf) Langzeitnutzung Erstattete Anschaffungskosten: 90 % Welpen der Maremmen-Abruzzen- für Schafe/Ziegen, 60 % für Kühe/ Schäferhundrasse (durchschnittlicher Pferde Marktpreis 850 Euro) Hüttenmodule zur dauerhaften Anwesenheit der Hirten (Bär und Wolf) Temporäre Nutzung – im Sommer Gratisverleih (wo es keine dauerhaften Einfache Unterkunft (per Helikopter auf den Almweiden Gebäude gibt, bis zu vier Monate) auf die Almweide transportiert) Holzzäune mit Elektrolitzen zum Schutz von Nutztieren (Bär und Wolf), dauerhafte „Bienenhütten“ (Bär) Langzeitnutzung Erstattete Anschaffungskosten: 60 % Traditionelle Holzzäune mit Elektro- der dauerhaften, traditionellen Holz- litzen (bis zu oder mehr als 500 m), zäune mit Elektrolitzen; 60 % der dauerhafte „Bienenhütten“ aus Holz dauerhaften „Bienenhütten“ aus Holz 4 CDPnews
BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN Bären in 41 einzelnen Vorfällen gefangen. Dieses Team kann zum Einsatz kommen, um verletzten Bären oder verwaisten Jungtieren zu helfen, um Bären zu Forschungs- oder Managementzwecken mit GPS/UKW-Halsbändern auszustatten oder um Problembären zu fangen bzw. ein- zuschläfern. Darüber hinaus stehen sechs Bärenhunde (russisch-europäische Laikas und Jämthunde) mit sechs spezialisierten Hundeführern zur Verfügung, beispielswei- se zur Vergrämung von gewöhnten oder nahrungskondi- tionierten Bären (Abb. 7), zur Untersuchung von Zusam- menstößen von Bären und Fahrzeugen und zum Sammeln von Genproben (z. B. an Schadensstellen). Bärenhunde ge- hören zu alten nordischen Rassen (primitiver Spitz), die traditionell in Russland und Fennoskandien zur Jagd auf große Wildtiere (z. B. Braunbären, Elche und Wildschwei- ne) eingesetzt werden. Es sind reaktive, agile Hunde mit starkem Jagdinstinkt, die ihre Augen und Ohren genauso wie ihre Nasen einsetzen. Sie suchen und finden Beute, pirschen sich an, stoppen sie und bellen, bis der Hunde- führer kommt. Bärenhunde werden von Organisationen in Nordamerika und seit kurzem auch in Europa zum Ma- nagement von Bären (z. B. Vergrämung) eingesetzt. Au- ßerdem sind sie zum Sammeln von Genproben nützlich. Einzelne Bären, die Menschen angegriffen oder mehr- Abb. 7 Bärenhund im Einsatz: Vergrämen eines jungen nahrungs- fach Schäden verursacht haben (sogenannte Problembä- konditionierten Bären (Standbild aus einem Smartphone-Video). ren), können aus der Population entfernt und entweder (Foto: M. Baggia, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) permanent eingesperrt oder eingeschläfert werden, falls die Präventionsmaßnahmen und wiederholtes Vergrämen den Bären nicht von seinem problematischen Verhalten abbringen. Diese Vorgehensweise entspricht dem überre- 2.4 Umgesetzte Maßnahmen und gezahlte gionalen Alpen-Bär-Aktionsplan (AA.VV, 2010), der vom Entschädigungen Umweltministerium, anderen italienischen Alpenregionen Jedes Jahr gibt die APT Zehntausende Euro für Schutz- und dem ISPRA vereinbart wurde. maßnahmen aus (Abb. 8). Von 1998 bis 2019 wurden Um Bären von Abfällen fernzuhalten, was eine beson- Landwirten insgesamt 1.318 Elektrozäune finanziert. Von ders gefährliche Ursache von Nahrungskonditionierung diesen wurden 1.020 vollständig von der APT bezahlt, 279 darstellt, wurden bärensichere Biomülltonnen installiert. teilweise vom Projekt LIFE Arctos3 und teilweise von der Damit wurde an Orten begonnen, an denen junge Bä- APT, und 19 teilweise vom Projekt LIFE DinAlp Bear4 ren von Abfällen angezogen wurden. 240 Biomülltonnen und teilweise von der APT. Jedes Zaunpaket enthielt ein wurden von der APT bärensicher gemacht.Weitere bären- Stromgerät, Batterien und Netzzäune oder ein Zaunsys- sichere Mülltonnen werden in Zukunft bereitgestellt. tem mit mehrere Litzen (Abb. 9, 10). Im selben Zeitraum 200.000 250 Abb. 8 Anzahl (Linie) und wirt- 180.000 Prävenonsmaßnahmen (n) schaftlicher Wert (Balken) von Prä- 160.000 200 ventionsmaßnahmen, die seit 1989 140.000 Kosten (Euro) von der Autonomen Provinz Trient 120.000 150 bereitgestellt wurden. Zwischen 100.000 1999 und 2002 wurden zehn Bären 80.000 100 im Rahmen des LIFE Ursus-Pro- 60.000 jekts in der Region angesiedelt; seit 40.000 50 2012 bevölkern auch Wölfe wieder 20.000 die Provinz. - - (Daten: APT-Wald- und 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Wildtierdienst) CDPnews 5
Abb. 9 Mobile Zäune mit mehreren Litzen zum Schutz von Abb. 10 Halb-dauerhafter Elektrozaun mit mehreren Litzen Bienenstöcken vor Schäden durch Braunbären. (Fotos: Daniele zum Schutz von Nutztieren vor Angriffen großer Beutegreifer. Asson, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) (Foto: Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) wurden zusätzlich 147 Elektrozäune co-finanziert (60 Trotzdem haben die gestiegene Anzahl von Bären und die oder 90 % der Kosten). seit kurzem stattfindende, rasche Rückkehr der Wölfe zu Von 2014 bis 2019 wurden 53 Welpen der italienischen einem Anstieg der durchschnittlichen jährlichen Zahl an Herdenschutzhundrasse Maremmen-Abruzzen-Schäfer- Schadensvorfällen geführt (Abb. 14, 15). Die von Bären hund von der APT finanziert (Abb. 11). Im Durchschnitt verursachten Schäden nehmen zu; in manchen Jahren auf- werden pro Saison 15 Hüttenmodule auf Almen platziert grund einiger sehr aktiver Problembären, aber insgesamt (hauptsächlich Schaf- und Ziegenalmen), um die dauer- aufgrund des Anstiegs der Population. Dies bedeutet zu- hafte Anwesenheit der Hirten in der Nähe ihrer Herden nehmende Schäden an Nutzpflanzen (Abb. 16), die von im Sommer zu fördern, wo keine dauerhaften Gebäude der APT zwar entschädigt werden, aber nicht von Prä- zur Verfügung stehen (Abb. 12). Zusätzlich wurden zwi- ventionsmaßnahmen erfasst werden. (2021 soll sich das än- schen 2016 und 2019 14 Holzzäune und fünf „Bienen- dern: Ab diesem Jahr müssen sich professionelle Landwir- hütten“ aus dem EU-Förderprogramm für die ländliche te gegen Schäden durch große Beutegreifer versichern.) Entwicklung finanziert. Außerdem sind steigende Schäden an Nutztieren und Insgesamt wurden seit 1998 fast 1.500 Elektrozäune im Bienenstöcken in erst vor kurzem besiedelten Gegenden Trentino direkt verteilt oder finanziert, woran fast genauso zu verzeichnen, wo Präventionsmaßnahmen noch nicht viele Menschen (Landwirte und Imker) beteiligt waren. verbreitet sind. 200.000 250 180.000 Gezahlte Entschädigung (Euro) 160.000 200 140.000 Schadensfälle (n) 120.000 150 100.000 80.000 100 60.000 40.000 50 20.000 0 0 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Abb. 14 Anzahl von Schäden durch Bären (Linie) und gezahlte Entschädigung (Balken) im Trentino seit 1990. Spitzen weisen häufig auf die Aktivität von Problembären hin, d. h. dass bestimmte Bären besonders häufig Schäden verursachen. (Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst) 3 http://www.life-arctos.it/ 4 https://dinalpbear.eu/en/ 6 CDPnews
BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN Abb. 11 Elektrischer Netzzaun und ein Maremmen-Abruz- Abb. 12 Hüttenmodule werden per Helikopter auf Almen zen-Schäferhund zum Schutz der Nutztiere vor Prädation transportiert, die über keine Schutzhütte für Hirten verfügen. durch Wölfe und Bären. (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) (Foto: D. Asson, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes) 3. Schlussfolgerungen und Was nicht so gut funktioniert – Einige Elektrozäu- ne sind in schlechtem Zustand. Die momentan geplante Empfehlungen umfangreiche Inspektion soll das Ausmaß des Problems Für das westliche Trentino wird ein weiterer Anstieg abschätzen und ihm abhelfen. Außerdem muss die Kom- der Bärenpopulation (Anzahl, möglicherweise auch Dich- munikation mit den Landwirten und Imkern verbessert te und eine langsame, aber stetige Expansion des Kernge- werden und eine engere Kontrolle stattfinden. Ein weiteres bietes, d. h. die Ausweitung des Lebensbereichs der Weib- Problem hängt mit den Herdenschutzhunden zusammen: chen) erwartet. Für die gesamte Provinz wird ein starkes Wenn sie nicht von klein auf korrekt sozialisiert werden, und schnelles Comeback des Wolfes erwartet. Ein solches können sich solche Hunde gegenüber den in den Alpen Szenario erfordert in den nächsten Jahren ein noch stärke- zahlreich vorkommenden Wanderern und Radfahrern zu res Engagement des APT-Wald- und Wildtierdienstes, um aggressiv verhalten. die zukünftigen Herausforderungen der Koexistenz zu be- Es gibt einige größere Probleme, die angegangen wer- wältigen – ungeachtet der hier beschriebenen komplexen den müssen. Zunächst einmal erschwert eine zunehmende Organisation und der zahlreichen bereits umgesetzten und Polarisierung zwischen Bärenunterstützern und Bärenkri- inspizierten Maßnahmen. tikern das Bärenmanagement; dies verstärkt sich vor al- Was funktioniert – Der Wald- und Wildtierdienst des 80.000 80 Gezahlte Entschädigung (Euro) Trentino ist sehr engagiert in der Prävention und Ent- 60.000 60 schädigung von durch Beutegreifer verursachten Schä- Schadensfälle (n) den. Mithilfe seines Notfallteams hat er sich in den letzten 40.000 40 20 Jahren als äußerst wirksam erwiesen und die Bären- population im Wachstum unterstützt – und das in einer 20.000 20 von Menschen dominierten Landschaft, wo das Konflikt- potenzial natürlicherweise hoch ist. Als die ersten Wölfe 0 0 2010201120122013201420152016201720182019 zurückkehrten, war diese erprobte Organisation bereit, auch damit umzugehen. Wenn sie korrekt aufgebaut und gewartet werden, sind Elektrozäune in der Prävention von Abb. 15 Anzahl von Schäden durch Wölfe (Linie) und ge- Schäden an Bienenstöcken und Nutztieren äußerst effek- zahlte Entschädigung (Balken) im Trentino seit der seit kurzem tiv. Bei Nutztieren gilt das umso mehr, wenn gleichzeitig stattfindenden Wiederansiedlung der Art. Der Rückgang der eine starke menschliche Überwachung gegeben ist, und Schäden von 2019 im Vergleich zu 2018 geschah trotz einer noch mehr, wenn Herdenschutzhunde präsent sind. Ohne Verdopplung der Anzahl der Wolfsrudel von sieben auf 13 im gleichen Zeitraum und ist möglicherweise auf die Umsetzung die großartigen Bemühungen der APT im Bereich Prä- von Präventionsmaßnahmen zurückzuführen. Allerdings wird ventionsmaßnahmen und Entschädigung hätte sich die für die nächsten Jahre eine Zunahme der Schäden erwartet, da alpine Bärenpopulation vermutlich nicht in diesem Maße sich die Art immer weiter in der Provinz ausbreitet. wiederansiedeln können. (Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst) CDPnews 7
lem durch Massenmedien, soziale Netzwerke und häufige aber auch zur Vermeidung von direkten Konfrontationen. Falschmeldungen. Außerdem leidet die Fähigkeit der APT, Bärenspray sollte legalisiert werden. Es sollten Schritte Problembären effektiv zu managen, unter dem steigenden unternommen werden, damit Bären nicht nahrungskon- Druck von Tierrechtsaktivisten. Aber mit der zunehmen- ditioniert werden. den Expansion der Population gibt es immer mehr dieser Wir müssen beim Management von Problembären Problembären, die für zahlreiche Schäden verantwortlich noch effektiver werden und sie auch entfernen, falls das sind und zu vielen Beschwerden der Landbevölkerung nötig sein sollte.Als Nebeneffekt könnte dies auch hilfreich führen. Zweitens kommt es vermehrt zu Angriffen auf sein, um die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung zu erhö- Menschen: Der Verteidigung dienende Angriff der Bären hen, falls in Zukunft Bären aus Slowenien oder Kroatien (meist Mütter, die ihre Junge verteidigen) führt manchmal angesiedelt werden sollen, was für die genetische Vielfalt dazu, dass die Opfer im Krankenhaus behandelt werden der alpinen Bärenpopulation von Vorteil wäre (die aktuel- müssen. In den westlichen Alpen des Trentino leben relativ le Population geht auf nur sieben Vorfahren zurück: zwei viele Bären in einem stark von Menschen (Bewohnern und Männchen und fünf Weibchen). Wir müssen auch mit den Touristen) frequentierten Gebiet. Diese Menschen wissen beteiligten Interessengruppen besser kommunizieren. Die häufig wenig über Bären, wie man ihnen aus dem Weg menschliche Dimension ist und sollte stets ein zentraler geht oder eine direkte Konfrontation vermeidet. Außer- Aspekt des Managements von großen Beutegreifern blei- dem ist Bärenspray, ein wirksames Abwehrmittel, welches ben. Tierrechtsextremismus ist eine ernste Angelegenheit; in Nordamerika weit verbreitet ist und zunehmend auch wenn nicht angemessen damit umgegangen wird, könnte in Europa eingesetzt wird, in Italien verboten. Drittens er das fragile Gleichgewicht zwischen Mensch und Tier findet trotz einer langfristigen Kampagne immer noch zu gefährden. wenig Kommunikation über große Beutegreifer statt. Ein Für weitere Informationen zu großen Beutegreifern kürzlich erfolgter Politikwechsel in der APT-Verwaltung und deren Management im Trentino gibt es auf der Web- hat die Wirksamkeit der Kommunikation des Amtes für site5 der APT Jahresberichte auf Italienisch, Englisch und große Beutegreifer weiter unterminiert. seit 2019 auch auf Deutsch. Danksagungen Der Autor möchte sich beim Redaktionsteam der CDPnews bedanken, insbesondere bei Silvia Ribeiro und Daniel Mettler für die Durchsicht dieses Artikels und ihre hilfreichen Vorschläge, die ihn wesentlich verbessert haben. Literaturangaben AA.VV (2010) Piano d’Azione interregionale per la Conservazione dell’Orso bruno nelle Alpi centro- orientali – PACOBACE. Quad. Cons. Natura 33. Min. Ambiente – ISPRA, 150 p. Available: https:// Abb. 16 Ein Weibchen, das genetisch als F5 identifiziert wurde, www.minambiente.it/pagina/ wagt sich aus dem Wald hervor und sucht bei Dunkelheit nach piano-dazione-interregionale-la-conservazione-del- Pflaumen. lorso-bruno-sulle-alpi-centro-orientali (Foto: M. Zeni, APT-Wald- und Wildtierdienst) Groff C, Angeli F, Asson D, Bragalanti N, Pedrotti L, Eine Koexistenz zwischen Bären und Menschen in den Zanghellini P (editors) (2020) 2019 Large Carnivo- Alpen birgt für die Zukunft zahlreiche Herausforderun- res Report. Autonomous Province of Trento’s Fores- gen, denn der Alpenbogen ist weltweit die am meisten von try and Wildlife Department, Trento, 59 p. Available: Menschen beeinflusste Bergkette. Um den Bären eine Zu- https://grandicarnivori.provincia.tn.it/Large-Car- nivores-Report. kunft zu bieten, sind umfangreiche Anstrengungen lokaler Groff C, Bragalanti N, Rizzoli R, Zanghellini P (edi- und nationaler Regierungen nötig. Unserer Ansicht nach tors) (2013) 2012 Bear Report. Forestry and Wildlife muss die Autonome Provinz Trient weiterhin Mittel für Department of the Autonomous Province of Trento, Präventionsmaßnahmen sicherstellen. Mit der anhalten- Trento, 72 p. Available: https://grandicarnivori.pro- den Expansion der Bärenpopulation werden angrenzende vincia.tn.it/Large-Carnivores-Report. Regionen vermutlich bald dasselbe tun müssen. Die Kom- munikationskampagne muss verbessert werden, vor allem 5 https://grandicarnivori.provincia.tn.it/Rapporto-Orso-e-grandi-carnivori hinsichtlich der Prävention und des Schadenmanagements, 8 CDPnews
Nachrichtenüberblick Tiere, Corona und One Health Die Corona-Pandemie, die 2019/20 ihren Anfang tätig sind, in denen Tiere mit Oberflächen oder Material nahm, hat zu einer anhaltenden weltweiten Gesundheits- in Kontakt kommen können, das von infiziertem Perso- krise, zu einer wirtschaftlichen Rezession und in einigen nal kontaminiert wurde. Die Empfehlungen basieren auf Regionen zu Nahrungsmittelknappheit geführt. Auch grundlegenden Prinzipien der Biosicherheit und Hygie- wenn es bisher mit Ausnahme von Nerzfarmen1 keine ne, dem aktuellen Wissensstand hinsichtlich einer Über- dokumentierten Fälle von Covid-19 bei Nutztieren gibt, tragung des SARS-CoV-2-Virus von Menschen auf Tiere sind noch viele Aspekte dieser recht neuen Krankheit un- und dem Vorsichtsprinzip. klar, einschließlich der Anfälligkeit von Nutztieren für Man geht davon aus, dass SARS-CoV-2 ursprünglich eine Ansteckung mit dem für die Pandemie verantwort- von einer Tierart auf Menschen übertragen wurde, ver- lichen SARS-CoV-2-Virus und der Wahrscheinlichkeit mutlich von einer Fledermaus10. Neue Zoonosen (Krank- einer Übertragung2 von Menschen auf Nutztiere. Eine vor heiten, die sich zwischen Tieren und Menschen ausbrei- kurzem veröffentlichte Studie stellte ein höheres Infek- ten können) werden vermutlich zunehmen, da sich die tionsrisiko bei Kühen, Bisons, Schafen, Ziegen und Was- Auswirkungen von Menschen auf Wildtiere und Habitate serbüffeln als bei Beutegreifern3 fest. Trotzdem breitet sich intensivieren11. Die Wechselwirkung der Gesundheit von die aktuelle Pandemie vorrangig durch die Ansteckung Menschen und Tieren sowie unserer gemeinsamen Um- von Mensch zu Mensch4 weiter aus. Das Infektionsrisi- welt wird im Rahmen des „One Health“-Ansatzes12 zu- ko steigt, wenn Menschen zusammenkommen, wie zum nehmend anerkannt. Hierfür sind ganzheitliche Lösungen Beispiel auf vielen Höfen und Bauernmärkten. Biosicher- gefordert, die die Bedürfnisse von Nutztieren, Wildtieren heit, Handhygiene und Abstandhalten sind somit dort wie und menschlicher Gesundheit integrieren. Diese Inter- überall wichtige Maßnahmen. aktionen sind komplex und entwickeln sich permanent Es gibt dokumentierte Fälle einer Virusübertragung weiter, wie es sich auch auf den Seiten der CDPnews wi- von Menschen auf Haustiere, Zoo- und sonstige Tiere5,6. derspiegelt. Auch wenn keiner dieser Fälle freilaufende Wildtiere be- traf, besteht die Sorge, dass im Falle einer Ansteckung einer Wildtierpopulation dies zu einem Reservoir für das Virus EU bewegt sich in Richtung werden könnte, was wiederum ein Risiko für die mensch- nachhaltigere Landwirtschaft liche Gesundheit, andere Tierarten und die öffentliche Am 20. Mai 2020 verkündete die Europäische Kom- Wahrnehmung von Wildtieren werden könnte. Deswe- mission neue Strategien zur Bekämpfung des Rückgangs gen hat die IUCN-Organisation für Wildtiergesundheit7 an Artenvielfalt und zum Aufbau eines gesünderen, ge- gemeinsam mit der Weltorganisation für Tiergesundheit8 rechteren und naturfreundlicheren Nahrungssystems13. Leitlinien9 zur Minimierung des Risikos einer Virusüber- Die Biodiversitätsstrategie und die „Vom Erzeuger zum tragung von Menschen auf Tiere erstellt. Diese Leitlinien Verbraucher“-Strategie bringen Natur, Landwirte, Unter- sind für Forscher, Tierschützer, Tierärzte und andere Be- nehmen und Verbraucher zusammen, um gemeinsam an troffene gedacht, die direkten Kontakt (d. h. Umgang) einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Zukunft zu arbei- oder indirekten Kontakt (z. B. auf engem Raum) mit ten. Sie sind Teil des europäischen Green Deal14, mit dem freilaufenden Wildsäugetieren haben oder in Situationen 1 https://vet.osu.edu/about-us/news/covid-19-and-animals 8 https://www.oie.int 2 https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/vbz.2020.2650 9 http://www.iucn-whsg.org/COVID-19GuidelinesForWildlife 3 https://www.pnas.org/content/117/36/22311 Researchers 4 https://vet.osu.edu/sites/vet.osu.edu/files/documents/about/ 10 https://www.nature.com/articles/s41564-020-0771-4 FAO%20%26%20eSCOUT.pdf 11 https://www.nature.com/articles/s41586-020-2562-8 5 https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/daily-life-coping/ 12 https://www.who.int/news-room/q-a-detail/one-health animals.html 13 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_88 6 https://www.aphis.usda.gov/aphis/ourfocus/animalhealth/sa_one_ 14 https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/euro- health/sars-cov-2-animals-us pean-green-deal_en 7 http://www.iucn-whsg.org CDPnews 9
Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Die Kommis- die Jagd auf Wölfe „zu Zwecken des Populationsmanage- sion hat außerdem einen wesentlichen Nachtrag für den ments“ erlaubte, mit dem Ziel Wilderei zu reduzieren, EU-Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Schäden an Hunden zu verhindern und das Sicherheits- Raumes (ELER) als Teil des nächsten EU-Pakets zur Pan- gefühl der Bevölkerung zu erhöhen, die in Gegenden mit demiebewältigung15 vorgeschlagen, um ländlichen Gebie- Wölfen wohnt. Artikel 16 (1) der Richtlinie erlaubt Mit- ten dabei zu helfen, die Ziele der beiden oben genann- gliedsstaaten, vom strengen Schutz der in Anhang IV auf- ten Strategien16 zu erreichen. In diesem Zusammenhang geführten Arten abzuweichen, wenn bestimmte Kriterien organisierte die Organisation European Coordination Via erfüllt sind: Es darf keine zufriedenstellende Alternative Campesina (ECVC), ein Mitglied der größten internatio- geben, die Ausnahme darf nicht dem Erhalt der Population nalen Basisbewegung von Landwirten, am 7. Juli ein We- und einem günstigen Schutzstatus schaden, und sie darf binar zum Thema Nahrungsmittelsouveränität und die „Vom nur aus bestimmten Gründen stattfinden. Der EuGH be- Erzeuger zum Verbraucher“-Strategie. Ein Video und einen fand, dass in dem finnischen Fall diese Bedingungen nicht Bericht dazu finden Sie auf der Website der ECVC17. erfüllt waren, und wiederholte die strengen Beschränkun- Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU wird gen für solche Ausnahmen für die Jagd auf Wölfe und an- ebenso reformiert; im Zentrum stehen dabei eine nach- dere große Beutegreifer. haltige Nahrungsmittelproduktion, der Erhalt der Arten- Die beteiligten Interessengruppen mit ihren entgegen- vielfalt und der Klimaschutz nach 202018. Die im Rahmen gesetzten Sichtweisen auf große Beutegreifer und deren der neuen GAP vorgeschlagenen Öko-Programme könn- Management reagierten naturgemäß unterschiedlich auf ten Landwirte dabei unterstützen, auf nachhaltige Nah- dieses Urteil und seine Konsequenzen. Die Humane So- rungsmittelsysteme umzusteigen. Wildtiere einschließlich ciety erklärte: „Diese Entscheidung des EuGH stellt äu- Beutegreifern sollten als Aspekte der Nachhaltigkeit ge- ßerst klar, dass die Tötung dieser geschützten Tiere stets meinsam mit umfangreicheren Überlegungen zur Ener- ein allerletztes Mittel sein sollte, wenn alle sonstigen Prä- gie und zum Klima betrachtet werden. Dies könnte neue ventionsmaßnahmen fehlgeschlagen sind“21. Der Zusam- Chancen zu einer stärkeren Einbindung der ländlichen menschluss der Verbände für Jagd und Wildtiererhaltung in Bevölkerung in wirtschaftliche Aktivitäten bieten, die im der EU (FACE) erklärte hingegen, das Urteil gebe „Grü- Einklang mit dem Naturschutz und der Renaturierung nes Licht für die Jagd als Managementinstrument“22. Es stehen, sowie bessere Herdenschutzmaßnahmen, Scha- sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Urteil des densersatz und Anreize für Landwirte bieten, um die Ak- EuGH sich auf die Arten bezieht, die in Anhang IV der zeptanz der Anwesenheit großer Beutegreifer19 zu fördern. Habitatrichtlinie aufgeführt sind. Für in Anhang V aufge- führte Arten ist die Jagd mit einer Quotenregelung er- laubt, sofern sich dies nicht negativ auf deren Schutzstatus Urteile des Europäischen Gerichtshofs auswirkt, obwohl nach wie vor die Pflicht besteht, eine dauerhafte und systematische Überwachung durchzufüh- zum Management geschützter Arten ren, wie auch für andere Arten, für die ein Interesse der Am 10. Oktober 2019 erließ der Europäische Ge- Gemeinschaft besteht. richtshof (EuGH) ein Urteil zum Töten von Wölfen in In seinem Urteil zu Fall Nr. C-88/19 vom 11. Juni 2020 Finnland, wo der Wolf als geschützte Art im Anhang IV entschied der EuGH, dass sich der strenge Artenschutz der der Richtlinie 92/43/EWG (Habitatrichtlinie)20 aufgelis- Habitatrichtlinie auch auf die Tiere erstreckt, die ihr na- tet ist. Fall Nr. C-674/17 wurde an den EuGH verwie- türliches Habitat verlassen und in menschliche Siedlungen sen, nachdem eine Umweltgruppe die Entscheidung einer vordringen. In diesem Fall ging es um den Fang und die finnischen Wildtierorganisation angefochten hatte, welche Umsiedlung eines Wolfes in einem Dorf in Rumänien. 15 https://ec.europa.eu/info/strategy/eu-budget/long-term-eu-budget/2021-2027_en 16 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_940 17 https://www.eurovia.org/report-and-video-of-the-webinar-food-sovereignty-and-the-farm-to-fork-strategy-building-a-fairer-and-more-just- agricultural-model-in-the-eu/ 18 https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/sustainability/sustainable-cap_en 19 https://doi.org/10.1017/S0376892920000284 20 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=221604&pageIndex=0&doclang=en&mo- de=req&dir=&occ=first&part=1&cid=7586397 21 https://www.europeaninterest.eu/article/european-court-justice-upholds-strict-protections-wolves/ 22 https://www.face.eu/2019/10/green-light-for-hunting-as-a-management-tool-for-wolf/ 10 CDPnews
Der EuGH befand, dass die „natürliche Reichweite“ von Bericht zur Lösung der Koexistenz mit streng geschützten Tierarten auch menschliche Siedlungen Wölfen in Frankreich beinhalte, falls sie dort vorkommen. Wenn Management- maßnahmen innerhalb von menschlichen Siedlungen also Prädation an Nutztieren durch Wölfe ist seit vielen das Fangen oder Töten beinhalten, muss die zuständige Jahren ein vieldiskutiertes Thema in Frankreich. Trotz we- nationale Behörde eine Ausnahme vom strengen Schutz sentlicher Investitionen in Präventionsmaßnahmen ist das beschließen, der nach den Vorgaben der EU-Habitatricht- Schadensausmaß im europäischen Vergleich sehr hoch. Die linie im nationalen Recht des Mitgliedsstaats umgesetzt französischen Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft ist. Der von der Europäischen Kommission herausgege- haben deswegen einen unabhängigen Beratungsbericht bene Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von mit dem Titel Wolf und Tierhaltung: Ein europäischer Vergleich gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie23 im Rahmen des nationalen Aktionsplans 2018/2023 in Auftrag einschließlich der Empfehlungen für Mitgliedsstaaten zur gegeben. In ihrer ausgewogenen Beurteilung der Situation Anwendung der Artikel 12, 13 und 16 wird angesichts die- und möglicher Perspektiven weisen die Autoren des Be- ser Fälle momentan überarbeitet. richts25 darauf hin, dass, auch wenn kein System unfehl- bar ist, Beispiele aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass die Schäden durch angemessene Maßnahmen, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden, be- Unterstützungsnetzwerk für grenzt werden können. europäische Rindfleischerzeuger Der Bericht konzentriert sich vor allem auf das Mo- Obwohl es über eine Viertelmillion Höfe in der Rind- nitoring der Wölfe und auf Präventionsmaßnahmen, die fleischbranche innerhalb der EU gibt, gab es bisher noch in Deutschland, Italien, Polen, Spanien und der Schweiz kein Netzwerk, das sich auf die Bedürfnisse der Rind- umgesetzt wurden, und zeigt Möglichkeiten auf, wie die fleischproduzenten in Europa konzentriert. Das EU-fi- Koexistenz zwischen Wölfen und Nutztierhaltung in nanzierte Beef Innovation Network Europe (BovINE)24 Frankreich verbessert werden könnte. Auch wenn es im soll diese Lücke mit einer offenen Plattform, dem BovINE Vergleich der Länder unterschiedliche Ansätze gibt, zeigte Knowledge Hub, füllen. Dort können Rindfleischerzeu- die Analyse einige Aspekte, die sie gemeinsam haben. Ins- ger, Berater, Mitgliedsorganisationen und Forscher ihr besondere wurde die Notwendigkeit herausgestellt, dass Wissen teilen und Erfahrungen austauschen, um innova- Landwirte sich zu langfristig wirksamen Lösungen ver- tive und bewährte Methoden bekannter zu machen und pflichten müssen, sowie die wichtige Rolle der Hirten deren Umsetzung anzuregen. als essentieller Teil des Weidesystems und die Wichtigkeit, durch Zuchtmanagement die Qualität der Herdenschutz- hunde zu gewährleisten. Die Autoren empfehlen die Um- setzung eines Systems zur Überprüfung des Verhaltens der Herdenschutzhunde, einschließlich ihrer Interaktion mit Menschen, sowie in Betracht zu ziehen, ob nur Hunde unterstützt werden, die diesen Test bestanden haben, und ebenso eine Kontrolle der Umsetzung von Schutzmaß- nahmen vor Ort. Ihr Redaktionsteam 23 https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/guidance/index_en.htm 24 http://www.bovine-eu.net/ 25 https://agriculture.gouv.fr/telecharger/105284?token=ee640c095462d3d4bfda6d0f7f0f60c5 CDPnews 11
Pop-up-Feature Nationales Netzwerk für Nutzer von Herdenschutzhunden, Frankreich Beutegreifer und Herdenschutzhunde Beschreibung des Netzwerks in Frankreich Um Weidenutzer und Hirten zu unterstützen und ih- Viele Regionen in Frankreich sind von Übergrif- nen die nötigen Mittel zu geben, Herdenschutzhunde er- fen durch Wölfe, Bären, Luchse, Füchse, Dachse, Krähen folgreich und wirksam einzusetzen, wurde 2017 vom fran- und streunende Hunde betroffen. Die meisten Schäden zösischen Nutztierinstitut (Idele – Institut de l’Élevage) an Nutztieren gehen auf das Konto von Wölfen, die sich mit Unterstützung des Nahrungs- und Landwirtschafts- schon seit über 25 Jahren wieder in französischen Land- ministeriums ein nationales Netzwerk für praktische Un- schaften angesiedelt haben. terstützung1 gegründet. Sein Ziel ist die Verbreitung von Herdenschutzhunde gehören zu den besten Methoden, Know-how zum Einsatz von Herdenschutzhunden. Die die Züchter zum Schutz ihrer Herden einsetzen können. Wissensvermittlung erfolgt durch Gruppenschulungen Dank ihrer beeindruckenden Morphologie halten sie die und individuelle Unterstützung auf den Höfen auf An- meisten Eindringlinge davon ab, sich der Herde zu nähern. frage der Landwirte. Herdenschutzhunde halten nach Gefahren Ausschau, kon- Das Netzwerk umfasst etwa 20 unabhängige Kontakt- frontieren Bedrohungen und wenn ihre Warnung nicht personen (allesamt Züchter und Nutzer von Herden- ausreicht, verstärken sie ihre Reaktion. Sie sind auch bei schutzhunden). Jedem von ihnen wurde ein geografischer hohem Prädationsdruck flexibel und effektiv. Viele Jahre Interventionsbereich zugewiesen. Idele ist für die Koordi- lang hatten Landwirte und Hirten in Frankreich keine nation des Netzwerks und das Bekanntmachen seiner Ar- Unterstützung, um ihre Herden mit solchen Hunden zu beit verantwortlich. Dabei verlässt sich das Netzwerk auf schützen. Heute gibt es schätzungsweise mindestens 4.500 landwirtschaftliche Strukturen vor Ort, um Gruppenschu- Herdenschutzhunde in Frankreich, aber es gibt nur für lungen für Züchter zu organisieren. Jeder Landwirt hat eine kleinen Teil davon detaillierte Informationen. die Möglichkeit, die für sein Gebiet zuständige Kontakt- Einige Menschen dachten zu Beginn, Herdenschutz- person zu kontaktieren und individuelle praktische Unter- hunde seien ganz simpel einzusetzen: Sie müssten nur stützung auf dem eigenen Hof zu erbitten. Das Netzwerk einen reinrassigen Hund kaufen, ihn in die Herde setzen, hat gemeinsame Regeln zur Auswahl und zum Einsatz von und alle Probleme würden sich in Luft auflösen. Dieses un- Herdenschutzhunden aufgestellt, um es zukünftigen Nut- zureichende Verständnis hat dazu geführt, dass viele Nutz- zern so einfach wie möglich zu machen. tierhalter Herdenschutzhunde kauften, ohne sich über die Ein Netzwerk von mit Herdenschutzhunden erfahre- „Gebrauchsanweisung“ zu informieren. Heute gibt es ein nen Schafzüchtern und Hirten unterstützt ehrenamtliche großes Bedürfnis vor Ort,Wissen zu verbreiten und auszu- Züchter und Hirten mithilfe von Gruppenschulungen tauschen, um die Wirksamkeit von Herdenschutzhunden und individueller Unterstützung direkt auf den Höfen, um als Schutz für die Herden zu verbessern. Falsch geführ- den Einsatz von Herdenschutzhunden zu erleichtern. Das te Hunde können in Konflikte oder Vorfälle mit anderen Netzwerk ist in ganz Frankreich aktiv, aber nur Züchter, Nutzern der Weidegebiete verwickelt werden. die gemäß dem nationalen Aktionsplan für Wölfe zu Her- denschutzmaßnahmen berechtigt sind, können finanziell In diesem Abschnitt stellen wir Initiativen vor, die unterstützt werden. sich weltweit mit Herdenschutz vor großen Beute- greifern befassen und die auf der ENCOSH-Plattform veröffentlicht wurden. Um sich über weitere Initiativen Barbara Ducreux zu informieren, Ihre eigene einzureichen und sich mit Institut de l’Élevage, 149 Rue de Bercy, Kollegen in der ganzen Welt auszutauschen, die sich mit 75012 Paris, Frankreich. Mensch-Wildtier-Interaktionen befassen, gehen Sie auf Kontakt: barbara.ducreux@idele.fr die Website www.encosh.org 1 http://chiens-de-troupeau.idele.fr 12 CDPnews
Perspektive BEUTEGREIFERKONT- ROLLE ZU LAND UND ZU WASSER: VERGLEICH UND AUFRUF ZU EINHEIT- LICHEN BEWERTUNGSSTANDARDS Laetitia Nunny1, Carlos Bautista2, Santiago Palazón3, Andrew W. Trites4, Diederik van Liere5, Mark P. Simmonds6 1 Wild Animal Welfare, La Garriga, Barcelona, Spanien 4 Forschungsbereich für Meeressäuger, Institut für Ozeane und Kontakt: laetitia.nunny@me.com Fischgründe, University of British Columbia, Vancouver, Kanada 2 Institut für Naturschutz, polnische Wissenschaftsakademie – 5 Institut für die Koexistenz mit Wildtieren, Almen, Niederlande IOP PAN, Krakau, Polen 6 Humane Society International, London, UK, und Institut für 3 Dienst für Fauna und Flora, Generalitat de Catalunya, Barcelo- Tiermedizin, University of Bristol, UK na, Spanien https://wildanimalwelfare.com 1. Einleitung Beutegreifer kommen mit Menschen in Konflikt, wenn Varjopuro, 2011).Verbraucher, die Fisch aus Aquakulturen sie Schäden an Nutztieren, Nutzpflanzen oder sonstigem kaufen, fordern zunehmend, dass diese ihre negativen Aus- Eigentum verursachen. Europäische Beispiele hierfür sind wirkungen auf Meeressäuger und die Umwelt minimie- Wölfe (Canis lupus), die Schafe reißen,Vielfraße (Gulo gulo), ren. Somit besteht zunehmend die Notwendigkeit sicher- die halbdomestizierte Rentiere (Rangifer tarandus) angreifen, zustellen, dass die von Fischzuchtbetrieben eingesetzten und Braunbären (Ursus arctos), die sich über Bienenstöcke Methoden, Meeressäuger vom Zerstören ihrer Ausrüstung, und Mais hermachen (Linnell und Cretois, 2018). Aller- vom Fangen oder Verletzen der Fische abzuhalten, nicht dings gibt es diese Konflikte nicht nur zu Land. Beispiels- nur wirksam, sondern auch tierfreundlich sind. weise kommen Flossenfüßer (Robben und Seelöwen) in Fischereien und Fischzuchtbetriebe setzen sowohl töd- Konflikt mit der Fischereiwirtschaft und mit Aquakulturen, liche (d. h. schießen) als auch nicht-tödliche Methoden wenn sie Ausrüstung beschädigen und Fische fangen oder ein, um Konflikte mit Robben zu verhindern (Nunny et verletzen. Wie auch zu Land, können Konflikte zwischen al., 2018). Ein Beispiel für eine nicht-tödliche Methode ist Menschen und Wildtieren in einer maritimen Umgebung der Einsatz von akustischen Vergrämungsgeräten, um un- erhebliche finanzielle Konsequenzen haben und Tierwohl- angenehme Geräusche zu erzeugen, welche die Robben probleme hervorrufen (Infobox 1). vertreiben (Götz and Janik, 2013). Einige Fischfarmen nut- Genau wie bei Konflikten auf dem Land gibt es für zen außerdem Netzzäune, um Robben von den inneren die maritime Umgebung auch kein Allheilmittel. Die Ent- Käfignetzen abzuhalten, in denen die Fische schwimmen wicklung von robbensicheren Fischfangtechnologien ist (Northridge et al., 2013). Diese Netzzäune umschließen ein anhaltender Prozess, der sowohl die Prädation von entweder einzelne Käfige oder das gesamte Käfigsystem. Fisch und den Schaden an Netzen reduzieren soll (z. B. Robbensichere Netzböden CDPnews 13
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