CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz

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CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
CDPnews
                                     Carnivore Damage Prevention

                                                  Ausgabe 20   HERBST 2020

BÄREN UND PRÄVENTIONSMASSNAHMEN IN DEN ITALIENISCHEN ALPEN
BEUTEGREIFERKONTROLLE ZU LAND UND ZU WASSER
EIN JAHRZEHNT SCHUTZMASSNAHMEN IN SPANIEN UND PORTUGAL
CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
INDEX
                                                                                                    EDITORIAL
  1 BRAUNBÄREN UND PRÄVENTIONS-
    MASSNAHMEN: DIE TRENTINO-
    ERFAHRUNG IN DEN ITALIENISCHEN
    ALPEN
 9 NACHRICHTENÜBERBLICK
12 NATIONALES NETZWERK FÜR NUTZER
    VON HERDENSCHUTZHUNDEN,
    FRANKREICH
13 BEUTEGREIFERKONTROLLE ZU                          Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass die Zeit, in der diese Ausgabe der
    LAND UND ZU WASSER: VERGLEICH
    UND AUFRUF ZU EINHEITLICHEN                 CDPnews erscheint, eine außergewöhnliche ist. Während Regierungen und Menschen in
    BEWERTUNGSSTANDARDS                         der ganzen Welt mit der anhaltenden Corona-Pandemie kämpfen und den Weg zu einem
20 UNBEKANNTE GESCHICHTEN ERZÄHLEN              „neuen Normalzustand“ suchen, sind nur wenige Gesellschaftsbereiche verschont geblie-
    – EIN VIDEO SAGT MEHR ALS TAUSEND
    WORTE                                       ben. Diese Gesundheitskrise hat sich auch auf die Landwirtschaft und das Wildtiermanage-
22 LIFE WOLFLUX: HILFE FÜR LANDWIRTE            ment ausgewirkt, wie zum Beispiel auf Bemühungen, Konflikte zwischen Menschen und
    UND WÖLFE IN PORTUGAL
                                                Beutegreifern zu mindern.
30 EU-PLATTFORM ZUR KOEXISTENZ
    ZWISCHEN MENSCHEN UND GROSSEN                    Die erste Welle der Pandemie fiel auf die Osterzeit, die für den Verkauf von Lamm- und
    BEUTEGREIFERN
                                                Ziegenfleisch von großer Wichtigkeit ist. Produzenten hatten Schwierigkeiten, Käufer zu
32 EIN JAHRZEHNT SCHUTZMASSNAHMEN               finden und mussten sich mit niedrigeren Preisen zufriedengeben, als Restaurants schlossen,
    IN SPANIEN UND PORTUGAL
48 PARTIZIPATORISCHE PROZESSE                   Exporte beschränkt wurden und die Nachfrage zurückging. Auch Viehzüchter und Milch-
    ZUR KONFLIKTMINDERUNG UNTER
    INTERESSENGRUPPEN: REGIONALE                produzenten waren betroffen, insbesondere kleine Familienbetriebe. Einkommensverluste
    PLATTFORMEN ZU GROSSEN                      haben sich vermutlich auf die Kapazitäten mancher Landwirte ausgewirkt, Schutzmaß-
    BEUTEGREIFERN IN EUROPA
                                                nahmen umzusetzen. Schulungsmaßnahmen mussten abgesagt, verschoben oder online ab-
55 ZÄUNE UND WÖLFE IN SACHSEN
                                                gehalten werden, wodurch die professionelle Hilfe vor Ort reduziert wurde.
57 ABSTRACTS                                         Allerdings waren nicht alle Veränderungen negativ. Lockdown und Abstandsregeln
66 BÜCHER                                       boten den Anlass, alte Gewohnheiten zu hinterfragen und neue Arbeitsmethoden auszu-
68 IHR REDAKTIONSTEAM                           probieren. Ein weltweiter Rückgang wirtschaftlicher Aktivität hat zu einem dramatischen
69 VERANSTALTUNGEN                              Rückgang der Verschmutzung geführt und gezeigt, dass das Ökosystem das Potenzial hat,
                                                sich zu erholen. Reise- und Kontaktbeschränkungen haben zu einem Boom virtueller
Chefredakteur
Robin Rigg                                      Meetings und einem digitalen Wissenstransfer geführt, wodurch häufig eine größere Ziel-
Slowakische Wildtiergesellschaft, Slowakei      gruppe erreicht wurde. Auch Landwirte haben sich verstärkt sozialen Medien zugewandt,
info@slovakwildlife.org
Redakteur und Projektkoordinator                um ihre Produkte zu vermarkten und Verbraucher direkt zu beliefern. Aufrufe, bei inländi-
Daniel Mettler, AGRIDEA, Schweiz                schen Produzenten zu kaufen, haben zu mehr Solidarität mit Landwirten vor Ort geführt,
daniel.mettler@agridea.ch
                                                was zu einer höheren Autarkie und Resilienz der Länder und Gemeinden bei zukünftigen
Freie Redakteur/-innen
Silvia Ribeiro, Grupo Lobo, Portugal            Katastrophen führen könnte.
globo@fc.ul.pt                                       Die Frage nach den Langzeitfolgen der Krise bleibt allerdings weiterhin offen. Auch in
Micha Herdtfelder, Forstliche Versuchs-
anstalt (FVA), Baden-Württemberg                dieser Zeit dürfen Schutzmaßnahmen nicht vergessen werden, denn sonst steigt das Risiko
micha.herdtfelder@forst.bwl.de                  für Konflikte zwischen Menschen und Beutegreifern. Das würde wiederum die bereits
Valeria Salvatori                               schwierige wirtschaftliche Lage der Landwirte weiter verschlechtern und möglicherweise
Istituto Superiore per la Ricerca e la
Protezione dell’Ambiente (ISPRA), Italien       negative Konsequenzen für die Beutegreifer haben. Wir werden unseren Teil dazu beitra-
valeria.salvatori@gmail.com                     gen, indem wir evidenzbasierte Methoden und Empfehlungen fördern.
Berater
John Linnell NINA, Norwegen                          Wir sind dem LIFE EuroLargeCarnivores-Projekt1 sehr dankbar dafür, dass die Her-
john.linnell@nina.no                            ausgabe der CDPnews bis 2022 gesichert ist. Wir werden in einer Serie von Pop-up-Fea-
Layout und Design                               tures Maßnahmen und Ergebnisse dieses Projekts und der EU-Plattform zur Koexistenz
Rita Konrad, AGRIDEA, Schweiz
rita.konrad@agridea.ch                          zwischen Menschen und großen Beutegreifern2 sowie der ENCOSH-Wissensplattform3
Bildnachweis                                    präsentieren. Wir haben außerdem einen Nachrichtenüberblick eingeführt, der aktuelle Ent-
Cover: I. Carbonell
Heftrückseite: Andrew Trites                    wicklungen in Bezug auf Konflikte und die Koexistenz mit großen Beutegreifern aufführt.
E-Mail                                               Diese Ausgabe richtet den Blick vor allem auf Südeuropa: Sie enthält Artikel zur lang-
info@cdpnews.net                                fristigen Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen auf der iberischen Halbinsel, zu den
Verfügbar unter
www.cdpnews.net
                                                Aktivitäten des LIFE WolFlux-Projekts in Portugal und ein besonderes Feature zum Ma-
www.herdenschutzschweiz.ch                      nagement von Bären und Wölfen im italienischen Trentino. Sie enthält außerdem einen
                                                neuartigen Vergleich einer maritimen Umgebung mit einer Landumgebung, der auf dem
                                                Workshop Beutegreiferkontrolle: Lektionen vom Land für die See basiert, der im Dezember 2019
                                                in Barcelona (Spanien) im Rahmen der weltweiten Konferenz für Meeressäuger abgehalten
                                                wurde.
                                                     Wir wünschen Ihnen eine sichere und inspirierende Lektüre!
Das LIFE EuroLargeCarnivores-Projekt
(LIFE16 GIE/DE/000661) wird vom LIFE-                                                                                      Ihr Redaktionsteam
Programm der Europäischen Union ge-
fördert. Diese Publikation gibt lediglich die   1
                                                    https://www.eurolargecarnivores.eu
Sichtweisen der jeweiligen Autoren wieder.      2
                                                    https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/carnivores/
Die Europäische Kommission übernimmt
                                                    coexistence_platform.htm
keine Verantwortung für den Inhalt dieser
   2
Publikation oder die Nutzung der darin          3
                                                    https://encosh.org                                                         CDPnews
enthaltenen Informationen.
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Besonderes Feature

   BRAUNBÄREN UND
   PRÄVENTIONSMASS-
   NAHMEN:
   DIE TRENTINO-ERFAHRUNG IN DEN
   ITALIENISCHEN ALPEN
                      Matteo Zeni
                      Amt für große Beutegreifer, Wald- und Wildtierdienst, Autonome Provinz Trient, Via GB Trener 3, 38019 Trento, ITALIEN
                      Kontakt: matteo.zeni@provincia.tn.it

   1. Hintergrund
       Nach dem Kollaps der Braunbär-Population (Ursus                                        und einigen gutgemeinten, aber naiven und erfolglosen
   arctos) in den Alpen aufgrund von Raubbau an der Um-                                       Versuchen in den Jahren 1959, 1969 und 1974, die Popu-
   welt und direkter Verfolgung durch den Wettbewerb um                                       lation durch das Auswildern von in Gefangenschaft gebo-
   Ressourcen, atavistische Ängste sowie von der Regierung                                    renen Jungbären wieder aufzubauen, galt die Population
   ausgesetzte Prämien gab es zuletzt nur noch eine winzige                                   zu Beginn der 1990er Jahre als biologisch ausgestorben: Es
   Bärenpopulation, die während des 20. Jahrhunderts lang-                                    hatten nur einzelne Bären in den Brenta-Dolomiten über-
   sam dahinschwand. Der letzte Rückzugsort der alpinen                                       lebt und es gab keinerlei Hinweise auf eine Reproduktion
   Bären war der westliche Teil des Trentino in Italien. Trotz                                (Abb. 2, Seite 2).
   eines frühen gesetzlichen Schutzes der Art (schon 1939)
                        80

                        70
Populaonsgröße (n)

                        50

                        40
                                                                                                                                                          66
                        30
                                                                                                                                            48     51
                                                                                                                                     46
                        20                                                                                      40     38     41
                                                                                                  33
                                                                                  26     27              29
                        10                                         2020
                                                    14     12
                               8      9      10
                         0
                             2002   2003    2004   2005   2006   2007     2008   2009   2010     2011   2012   2013   2014   2015   2016   2017   2018   2019

   Abb. 1 Wachstum der Braunbärpopulation in den zentralen Alpen (ohne Junge), mit jährlichen Minimum- und Maximumschät-
   zungen (rot), der sicheren Mindestzahl von Individuen pro Jahr, die nachträglich mit allen zur Verfügung stehenden Daten ermittelt
   wurde (grün), und die effektive Populationsgröße Ne, d. h. die geschätzte Zahl von sich fortpflanzenden Individuen (blau).
                                                                                                    Quelle: APT-Wald- und Wildtierdienst.
   1
               https://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/index.cfm?fuseaction=search.dspPage&n_proj_id=120
   2
               https://ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/index.cfm?fuseaction=search.dspPage&n_proj_id=1731

   CDPnews                                                                                                                                                     1
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Abb. 2 Vermutlich der letzte einheimische alpine Bär, ein fast         Abb. 3 Braunbärweibchen mit drei Einjährigen, die ihre Höh-
blindes altes Männchen, von einer Kamerafalle im März 2000             le im westlichen Trentino verlassen haben.
aufgenommen. Er wurde wiederholt beobachtet, wie er jungen                 (Foto: M.Vettorazzi, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)
slowenischen Weibchen nachstellte, um sich zu paaren, aber
ohne Erfolg. Der alte Bär starb im Frühjahr 2002 vermutlich
eines natürlichen Todes.
         (Foto: C. Groff, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)

    Um die Art in den zentralen Alpen zu erhalten, entwi-              me und Gletscher nur 15 km voneinander entfernt sind
ckelte der Adamello-Brento-Naturpark unter Beteiligung                 und sowohl natürliche als auch landwirtschaftliche Nah-
der Autonomen Provinz Trient und des Nationalen Wild-                  rungsquellen reichlich vorhanden und leicht zugänglich
tierinstituts (ISPRA) ein komplexes und ehrgeiziges Pro-               sind (Abb. 5, 6). Aber diese üppige und extrem vielfältige
jekt mit dem Namen LIFE Ursus1,2. Zwischen 1999 und                    Umgebung ist auch voll von Menschen und Infrastruktur.
2002 wurden zehn in freier Wildbahn geborene Braun-                    Eine solche Nähe zwischen Bären und Menschen bietet
bären in Südslowenien eingefangen, nach Italien transpor-              den Bären größere trophische Möglichkeiten, führt aber
tiert und im Toveltal in den Brenta-Dolomiten ausgesetzt.              auch zu gefährlichen Zusammenstößen und Schäden an
Die Neuankömmlinge verloren keine Zeit: Was dann ge-                   Nutztieren, Obstgärten und Bienenvölkern, wodurch der
schah, ist sowohl Geschichte als auch Teil der täglichen               Aufbau einer neuen und positiven Beziehung zwischen
Nachrichten (Abb. 3). Nur ein Jahrzehnt, nachdem der                   den Spezies schwierig wird. Um Konflikte zu mildern,
letzte slowenische Bär im Trentino ausgesetzt wurde, gab               wird seit 2002 ein verstärktes Managementprogramm zur
es über 40 Bären in dem Gebiet, einschließlich Jungtiere.              Verhütung von durch Bären verursachten Schäden um-
Nach einem weiteren Jahrzehnt hat sich diese Zahl ver-                 gesetzt. In diesem Artikel stelle ich eine Zusammenfassung
doppelt (Groff et al., 2013; Groff et al., 2020) (siehe Abb.           dieses Programms dar und gebe einen kurzen Überblick,
1, Seite 1 für den Wachstumstrend und Abb. 4 für die geo-              was funktioniert und was nicht, und was nach Ansicht
grafische Verteilung).                                                 meiner Abteilung noch verbessert werden muss.
    Diese Bären leben in einer ökologisch reichhaltigen
und abwechslungsreichen Landschaft, in der Olivenbäu-
                                                                       2. Konfliktmanagement
                                                                           Seit 1976 finanziert die Autonome Provinz Trient
                                                                       (APT) Schutzmaßnahmen wie Zäune und Herdenschutz-
                                                                       hunde und entschädigt durch Bären verursachte Schäden.
                                                                       Um mit der zunehmenden Komplexität der Koexistenz
                                                                       seit Beginn des LIFE Ursus-Projekts und der wachsenden

                                                                       Abb. 4 Die Autonome Provinz Trient in Norditalien, mit dem
                                                                       Kerngebiet der alpinen Bärenpopulation (rosa Fläche) und sich
                                                                       vor kurzem angesiedelten Wolfsrudeln (blaue Flächen). Die
                                                                       blaue Linie zeigt das maximale Gebiet der Erkundungs- und
                                                                       Ausbreitungsbewegungen männlicher Bären.
                                                                                                  Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst.

2                                                                                                                          CDPnews
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BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN

Abb. 5 Ein junger Braunbär verlässt seine Deckung in den            Abb. 6 Bärenland: Ein großer männlicher Braunbär wurde von
Abendstunden in Val d‘Ambiez in den Brenta-Dolomiten.               einer Kamerafalle im Sporeggio-Tal in den Brenta-Dolomiten
       (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)   aufgenommen.
                                                                            (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)
Population besser klarzukommen, wurde das Management-                   Daraufhin wird der volle Wert des Schadens erstattet,
system mit der Zeit verfeinert. Die verantwortliche Stelle          meist innerhalb von 60 Tagen. Die Preise für Nutztiere
ist der APT-Wald- und Wildtierdienst (Servizio Foreste e            und Bienenstöcke werden alle paar Jahre von einem Run-
Fauna) mithilfe des Amtes für große Beutegreifer (Settore           den Tisch festgesetzt, an dem Vertreter der Organisationen
Grandi Carnivori), das aus einem Koordinator, zwei Wild-            entsprechender Interessengruppen teilnehmen. Es wird
tierbiologen und zwei Präventions- und Entschädigungs-              keine Entschädigung gezahlt, wenn der Besitzer Material
managern besteht. Zehn Assistenten für Präventionsmaß-              für die Schadensprävention von der APT erhalten hat, es
nahmen (mit zehn Stellvertretern) unterstützen das Amt              aber nicht korrekt eingesetzt hat. Wo immer dies möglich
für große Beutegreifer im Außendienst in zehn verschie-             und angemessen ist und in allen Schadensfällen inspizieren
denen Bezirken mit Hilfe von 53 Schadensbeauftragten.               APT-Assistenten für Präventionsmaßnahmen und Scha-
Seit 2011 gibt es eine ähnliche Managementstruktur für              densbeauftragte das Material für die Schadensprävention,
den Wolf (Canis lupus), der sich seit seiner Rückkehr in            um festzustellen, ob es richtig eingesetzt wird. Momen-
diese Provinz schnell ausbreitet. Ende 2019 gab es min-             tan wird eine umfangreiche Inspektion geplant, bei der
destens 13 Wolfsrudel mit Nachwuchs (Groff et al., 2020)            ein zufällig ausgewähltes Viertel aller ausgeliehenen bzw.
(Abb. 4).                                                           finanzierten Zäune kontrolliert werden soll. Es ist bisher
                                                                    noch kein Zeitplan bekannt.
    2.1 Präventionsmaßnahmen
    Maßnahmen zur Verhütung von Schäden durch Bä-                      2.3 Sonstige Möglichkeiten zur Konflikt-
ren basieren meist auf der Finanzierung oder dem Verleih                     minderung
durch die APT von Elektrozäunen für Bienenstöcke und                   Ein weiteres wichtiges Mittel der Konfliktminderung
Elektrozäunen und/oder Herdenschutzhunden für Nutz-                 betrifft das Bärenmanagement. Um Vorfälle und Schäden
tiere sowie in einigen Fällen Holzzäunen mit Stromlitzen            zu melden, ist das ganze Jahr über rund um die Uhr eine
für Nutztiere und permanenten „Bienenhütten“ (kleine                Notrufnummer geschaltet. Einer der 20 Mitarbeiter des
Holzhütten zum Schutz von Bienenstöcken), wobei Mit-                APT-Wald- und Wildtierdienstes nimmt Anrufe zu gro-
tel des EU-Förderprogramms für die ländliche Entwick-               ßen Beutegreifern entgegen, liefert Informationen und
lung zum Einsatz kommen (Tabelle 1).                                Hilfe und entsendet je nach Situation Schadensbeauftragte
                                                                    bzw. das Notfallteam. Das Notfallteam besteht aus insge-
    2.2 Entschädigung                                               samt sieben Teams zu je zwei Mitarbeitern (und bei Bedarf
    Wenn Schäden durch einen Bär (oder Wolf) vermu-                 einem Tierarzt) und kann im Zeitraum vom 1. März bis
tet werden, erfolgt fast immer (in 98 % der Fälle) inner-           30. November rund um die Uhr bei Notfällen angefor-
halb von 24 Stunden eine Inspektion durch einen Scha-               dert werden (z. B. ein verletzter Bär, ein Bärenangriff, wie-
densbeauftragten. In wenigen Fällen, bei denen meist der            derholte Anwesenheit eines Bären nahe Siedlungen oder
Schaden gering ist, wie z. B. einige Hühner, ist auch eine          Nutztieren etc.).
Selbstbescheinigung möglich. In solchen Fällen meldet der              Außerdem steht ein Bärenfangteam zur Verfügung, das
Betroffene den Schaden an eine Notfallnummer, reicht                aus bis zu sieben APT-Mitarbeitern und einem oder zwei
Bilder ein und füllt ein Selbstbescheinigungsformular aus.          Tierärzten besteht. Seit 2006 wurden 28 unterschiedliche

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Tabelle 1 Schutzmaßnahmen zur Minderung von Schäden durch Bären und Wölfe, von der Autonomen Provinz
Trient geliehen oder finanziert.

 Dauer                              Bedingungen                            Beschreibung

 Elektrozäune (Bär und Wolf)

 Temporäre Nutzung – Notfälle       Gratisverleih (normalerweise bis zu    Mobile Netze und Zäune mit meh-
 während der Sommerbeweidung von    vier Monate)                           reren Litzen, bis zu 500 m je nach
 Nutztieren auf der Almweide                                               Herdengröße (Nachtpferche)

 Langzeitnutzung                    Gratisverleih (nach acht Jahren kann   Mobile Netze und mobile/halb-dau-
                                    der Landwirt einen neuen Zaun be-      erhafte Zäune mit mehreren Litzen
                                    antragen; beschädigte Teile werden     Bis zu 250 m für Bienenstöcke, je
                                    repariert und Zäune recycelt, wenn     nach Anzahl der Stöcke, und bis zu
                                    sie nicht länger benutzt werden)       500 m für Nutztiere, je nach Herden-
                                                                           größe (Nachtpferche)

 Langzeitnutzung                    Erstattete Anschaffungskosten: 90 % Mobile Netze und mobile/halb-
                                    für Bienenstöcke und Schafe/Ziegen, dauerhafte/dauerhafte Zäune mit
                                    60 % für Kühe/Pferde                mehreren Litzen
                                                                        Bis zu 250 m für Bienenstöcke, je
                                                                        nach Anzahl der Stöcke, und bis zu
                                                                        500 m oder mehr für Nutztiere, je
                                                                        nach Herdengröße (Nachtpferche)

 Herdenschutzhunde (Bär und Wolf)

 Langzeitnutzung                    Erstattete Anschaffungskosten: 90 %    Welpen der Maremmen-Abruzzen-
                                    für Schafe/Ziegen, 60 % für Kühe/      Schäferhundrasse (durchschnittlicher
                                    Pferde                                 Marktpreis 850 Euro)

 Hüttenmodule zur dauerhaften Anwesenheit der Hirten (Bär und Wolf)

 Temporäre Nutzung – im Sommer      Gratisverleih (wo es keine dauerhaften Einfache Unterkunft (per Helikopter
 auf den Almweiden                  Gebäude gibt, bis zu vier Monate)      auf die Almweide transportiert)

 Holzzäune mit Elektrolitzen zum Schutz von Nutztieren (Bär und Wolf), dauerhafte „Bienenhütten“ (Bär)

 Langzeitnutzung                    Erstattete Anschaffungskosten: 60 %   Traditionelle Holzzäune mit Elektro-
                                    der dauerhaften, traditionellen Holz- litzen (bis zu oder mehr als 500 m),
                                    zäune mit Elektrolitzen; 60 % der     dauerhafte „Bienenhütten“ aus Holz
                                    dauerhaften „Bienenhütten“ aus Holz

4                                                                                                   CDPnews
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BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN

Bären in 41 einzelnen Vorfällen gefangen. Dieses Team
kann zum Einsatz kommen, um verletzten Bären oder
verwaisten Jungtieren zu helfen, um Bären zu Forschungs-
oder Managementzwecken mit GPS/UKW-Halsbändern
auszustatten oder um Problembären zu fangen bzw. ein-
zuschläfern. Darüber hinaus stehen sechs Bärenhunde
(russisch-europäische Laikas und Jämthunde) mit sechs
spezialisierten Hundeführern zur Verfügung, beispielswei-
se zur Vergrämung von gewöhnten oder nahrungskondi-
tionierten Bären (Abb. 7), zur Untersuchung von Zusam-
menstößen von Bären und Fahrzeugen und zum Sammeln
von Genproben (z. B. an Schadensstellen). Bärenhunde ge-
hören zu alten nordischen Rassen (primitiver Spitz), die
traditionell in Russland und Fennoskandien zur Jagd auf
große Wildtiere (z. B. Braunbären, Elche und Wildschwei-
ne) eingesetzt werden. Es sind reaktive, agile Hunde mit
starkem Jagdinstinkt, die ihre Augen und Ohren genauso
wie ihre Nasen einsetzen. Sie suchen und finden Beute,
pirschen sich an, stoppen sie und bellen, bis der Hunde-
führer kommt. Bärenhunde werden von Organisationen in
Nordamerika und seit kurzem auch in Europa zum Ma-
nagement von Bären (z. B. Vergrämung) eingesetzt. Au-
ßerdem sind sie zum Sammeln von Genproben nützlich.
    Einzelne Bären, die Menschen angegriffen oder mehr-             Abb. 7 Bärenhund im Einsatz: Vergrämen eines jungen nahrungs-
fach Schäden verursacht haben (sogenannte Problembä-                konditionierten Bären (Standbild aus einem Smartphone-Video).
ren), können aus der Population entfernt und entweder                     (Foto: M. Baggia, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)
permanent eingesperrt oder eingeschläfert werden, falls
die Präventionsmaßnahmen und wiederholtes Vergrämen
den Bären nicht von seinem problematischen Verhalten
abbringen. Diese Vorgehensweise entspricht dem überre-                  2.4 Umgesetzte Maßnahmen und gezahlte
gionalen Alpen-Bär-Aktionsplan (AA.VV, 2010), der vom                        Entschädigungen
Umweltministerium, anderen italienischen Alpenregionen                  Jedes Jahr gibt die APT Zehntausende Euro für Schutz-
und dem ISPRA vereinbart wurde.                                     maßnahmen aus (Abb. 8). Von 1998 bis 2019 wurden
    Um Bären von Abfällen fernzuhalten, was eine beson-             Landwirten insgesamt 1.318 Elektrozäune finanziert. Von
ders gefährliche Ursache von Nahrungskonditionierung                diesen wurden 1.020 vollständig von der APT bezahlt, 279
darstellt, wurden bärensichere Biomülltonnen installiert.           teilweise vom Projekt LIFE Arctos3 und teilweise von der
Damit wurde an Orten begonnen, an denen junge Bä-                   APT, und 19 teilweise vom Projekt LIFE DinAlp Bear4
ren von Abfällen angezogen wurden. 240 Biomülltonnen                und teilweise von der APT. Jedes Zaunpaket enthielt ein
wurden von der APT bärensicher gemacht.Weitere bären-               Stromgerät, Batterien und Netzzäune oder ein Zaunsys-
sichere Mülltonnen werden in Zukunft bereitgestellt.                tem mit mehrere Litzen (Abb. 9, 10). Im selben Zeitraum

                                                          200.000                                                              250
Abb. 8 Anzahl (Linie) und wirt-                           180.000
                                                                                                                                     Prävenonsmaßnahmen (n)

schaftlicher Wert (Balken) von Prä-                       160.000                                                              200
ventionsmaßnahmen, die seit 1989                          140.000
                                          Kosten (Euro)

von der Autonomen Provinz Trient                          120.000                                                              150
bereitgestellt wurden. Zwischen                           100.000
1999 und 2002 wurden zehn Bären                            80.000                                                              100
im Rahmen des LIFE Ursus-Pro-                              60.000
jekts in der Region angesiedelt; seit
                                                           40.000                                                              50
2012 bevölkern auch Wölfe wieder
                                                           20.000
die Provinz.
                                                               -                                                               -
               (Daten: APT-Wald- und
                                                                    1989
                                                                    1990
                                                                    1991
                                                                    1992
                                                                    1993
                                                                    1994
                                                                    1995
                                                                    1996
                                                                    1997
                                                                    1998
                                                                    1999
                                                                    2000
                                                                    2001
                                                                    2002
                                                                    2003
                                                                    2004
                                                                    2005
                                                                    2006
                                                                    2007
                                                                    2008
                                                                    2009
                                                                    2010
                                                                    2011
                                                                    2012
                                                                    2013
                                                                    2014
                                                                    2015
                                                                    2016
                                                                    2017
                                                                    2018
                                                                    2019

                        Wildtierdienst)

CDPnews                                                                                                                                     5
CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
Abb. 9 Mobile Zäune mit mehreren Litzen zum Schutz von                   Abb. 10 Halb-dauerhafter Elektrozaun mit mehreren Litzen
    Bienenstöcken vor Schäden durch Braunbären. (Fotos: Daniele              zum Schutz von Nutztieren vor Angriffen großer Beutegreifer.
    Asson, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)                                       (Foto: Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)

    wurden zusätzlich 147 Elektrozäune co-finanziert (60                     Trotzdem haben die gestiegene Anzahl von Bären und die
    oder 90 % der Kosten).                                                   seit kurzem stattfindende, rasche Rückkehr der Wölfe zu
       Von 2014 bis 2019 wurden 53 Welpen der italienischen                  einem Anstieg der durchschnittlichen jährlichen Zahl an
    Herdenschutzhundrasse Maremmen-Abruzzen-Schäfer-                         Schadensvorfällen geführt (Abb. 14, 15). Die von Bären
    hund von der APT finanziert (Abb. 11). Im Durchschnitt                   verursachten Schäden nehmen zu; in manchen Jahren auf-
    werden pro Saison 15 Hüttenmodule auf Almen platziert                    grund einiger sehr aktiver Problembären, aber insgesamt
    (hauptsächlich Schaf- und Ziegenalmen), um die dauer-                    aufgrund des Anstiegs der Population. Dies bedeutet zu-
    hafte Anwesenheit der Hirten in der Nähe ihrer Herden                    nehmende Schäden an Nutzpflanzen (Abb. 16), die von
    im Sommer zu fördern, wo keine dauerhaften Gebäude                       der APT zwar entschädigt werden, aber nicht von Prä-
    zur Verfügung stehen (Abb. 12). Zusätzlich wurden zwi-                   ventionsmaßnahmen erfasst werden. (2021 soll sich das än-
    schen 2016 und 2019 14 Holzzäune und fünf „Bienen-                       dern: Ab diesem Jahr müssen sich professionelle Landwir-
    hütten“ aus dem EU-Förderprogramm für die ländliche                      te gegen Schäden durch große Beutegreifer versichern.)
    Entwicklung finanziert.                                                  Außerdem sind steigende Schäden an Nutztieren und
       Insgesamt wurden seit 1998 fast 1.500 Elektrozäune im                 Bienenstöcken in erst vor kurzem besiedelten Gegenden
    Trentino direkt verteilt oder finanziert, woran fast genauso             zu verzeichnen, wo Präventionsmaßnahmen noch nicht
    viele Menschen (Landwirte und Imker) beteiligt waren.                    verbreitet sind.

                                200.000                                                                           250
                                180.000
Gezahlte Entschädigung (Euro)

                                160.000                                                                           200
                                140.000
                                                                                                                        Schadensfälle (n)

                                120.000                                                                           150
                                100.000
                                 80.000                                                                           100
                                 60.000
                                 40.000                                                                           50
                                 20.000
                                     0                                                                            0
                                          1990
                                          1991
                                          1992
                                          1993
                                          1994
                                          1995
                                          1996
                                          1997
                                          1998
                                          1999
                                          2000
                                          2001
                                          2002
                                          2003
                                          2004
                                          2005
                                          2006
                                          2007
                                          2008
                                          2009
                                          2010
                                          2011
                                          2012
                                          2013
                                          2014
                                          2015
                                          2016
                                          2017
                                          2018
                                          2019

    Abb. 14 Anzahl von Schäden durch Bären (Linie) und gezahlte Entschädigung (Balken) im Trentino seit 1990.
    Spitzen weisen häufig auf die Aktivität von Problembären hin, d. h. dass bestimmte Bären besonders
    häufig Schäden verursachen.                                                                     (Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst)

    3
                    http://www.life-arctos.it/ 4 https://dinalpbear.eu/en/

    6                                                                                                                                       CDPnews
CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
BRAUNBÄREN UND SCHUTZMASSNAHMEN

Abb. 11 Elektrischer Netzzaun und ein Maremmen-Abruz-                                                Abb. 12 Hüttenmodule werden per Helikopter auf Almen
zen-Schäferhund zum Schutz der Nutztiere vor Prädation                                               transportiert, die über keine Schutzhütte für Hirten verfügen.
durch Wölfe und Bären.                                                                                       (Foto: M. Zeni, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)
       (Foto: D. Asson, Archiv des APT-Wald- und Wildtierdienstes)

3. Schlussfolgerungen und                                                                                Was nicht so gut funktioniert – Einige Elektrozäu-
                                                                                                     ne sind in schlechtem Zustand. Die momentan geplante
   Empfehlungen
                                                                                                     umfangreiche Inspektion soll das Ausmaß des Problems
    Für das westliche Trentino wird ein weiterer Anstieg                                             abschätzen und ihm abhelfen. Außerdem muss die Kom-
der Bärenpopulation (Anzahl, möglicherweise auch Dich-                                               munikation mit den Landwirten und Imkern verbessert
te und eine langsame, aber stetige Expansion des Kernge-                                             werden und eine engere Kontrolle stattfinden. Ein weiteres
bietes, d. h. die Ausweitung des Lebensbereichs der Weib-                                            Problem hängt mit den Herdenschutzhunden zusammen:
chen) erwartet. Für die gesamte Provinz wird ein starkes                                             Wenn sie nicht von klein auf korrekt sozialisiert werden,
und schnelles Comeback des Wolfes erwartet. Ein solches                                              können sich solche Hunde gegenüber den in den Alpen
Szenario erfordert in den nächsten Jahren ein noch stärke-                                           zahlreich vorkommenden Wanderern und Radfahrern zu
res Engagement des APT-Wald- und Wildtierdienstes, um                                                aggressiv verhalten.
die zukünftigen Herausforderungen der Koexistenz zu be-                                                  Es gibt einige größere Probleme, die angegangen wer-
wältigen – ungeachtet der hier beschriebenen komplexen                                               den müssen. Zunächst einmal erschwert eine zunehmende
Organisation und der zahlreichen bereits umgesetzten und                                             Polarisierung zwischen Bärenunterstützern und Bärenkri-
inspizierten Maßnahmen.                                                                              tikern das Bärenmanagement; dies verstärkt sich vor al-

     Was funktioniert – Der Wald- und Wildtierdienst des                                             80.000                                                          80
                                                                     Gezahlte Entschädigung (Euro)

Trentino ist sehr engagiert in der Prävention und Ent-
                                                                                                     60.000                                                          60
schädigung von durch Beutegreifer verursachten Schä-                                                                                                                      Schadensfälle (n)

den. Mithilfe seines Notfallteams hat er sich in den letzten
                                                                                                     40.000                                                          40
20 Jahren als äußerst wirksam erwiesen und die Bären-
population im Wachstum unterstützt – und das in einer                                                20.000                                                          20
von Menschen dominierten Landschaft, wo das Konflikt-
potenzial natürlicherweise hoch ist. Als die ersten Wölfe                                                0                                                           0
                                                                                                              2010201120122013201420152016201720182019
zurückkehrten, war diese erprobte Organisation bereit,
auch damit umzugehen. Wenn sie korrekt aufgebaut und
gewartet werden, sind Elektrozäune in der Prävention von                                             Abb. 15 Anzahl von Schäden durch Wölfe (Linie) und ge-
Schäden an Bienenstöcken und Nutztieren äußerst effek-                                               zahlte Entschädigung (Balken) im Trentino seit der seit kurzem
tiv. Bei Nutztieren gilt das umso mehr, wenn gleichzeitig                                            stattfindenden Wiederansiedlung der Art. Der Rückgang der
eine starke menschliche Überwachung gegeben ist, und                                                 Schäden von 2019 im Vergleich zu 2018 geschah trotz einer
noch mehr, wenn Herdenschutzhunde präsent sind. Ohne                                                 Verdopplung der Anzahl der Wolfsrudel von sieben auf 13 im
                                                                                                     gleichen Zeitraum und ist möglicherweise auf die Umsetzung
die großartigen Bemühungen der APT im Bereich Prä-
                                                                                                     von Präventionsmaßnahmen zurückzuführen. Allerdings wird
ventionsmaßnahmen und Entschädigung hätte sich die
                                                                                                     für die nächsten Jahre eine Zunahme der Schäden erwartet, da
alpine Bärenpopulation vermutlich nicht in diesem Maße
                                                                                                     sich die Art immer weiter in der Provinz ausbreitet.
wiederansiedeln können.                                                                                                          (Daten: APT-Wald- und Wildtierdienst)

CDPnews                                                                                                                                                              7
CDPnews Carnivore Damage Prevention - Herdenschutz Schweiz
lem durch Massenmedien, soziale Netzwerke und häufige              aber auch zur Vermeidung von direkten Konfrontationen.
Falschmeldungen. Außerdem leidet die Fähigkeit der APT,            Bärenspray sollte legalisiert werden. Es sollten Schritte
Problembären effektiv zu managen, unter dem steigenden             unternommen werden, damit Bären nicht nahrungskon-
Druck von Tierrechtsaktivisten. Aber mit der zunehmen-             ditioniert werden.
den Expansion der Population gibt es immer mehr dieser                 Wir müssen beim Management von Problembären
Problembären, die für zahlreiche Schäden verantwortlich            noch effektiver werden und sie auch entfernen, falls das
sind und zu vielen Beschwerden der Landbevölkerung                 nötig sein sollte.Als Nebeneffekt könnte dies auch hilfreich
führen. Zweitens kommt es vermehrt zu Angriffen auf                sein, um die Akzeptanz der lokalen Bevölkerung zu erhö-
Menschen: Der Verteidigung dienende Angriff der Bären              hen, falls in Zukunft Bären aus Slowenien oder Kroatien
(meist Mütter, die ihre Junge verteidigen) führt manchmal          angesiedelt werden sollen, was für die genetische Vielfalt
dazu, dass die Opfer im Krankenhaus behandelt werden               der alpinen Bärenpopulation von Vorteil wäre (die aktuel-
müssen. In den westlichen Alpen des Trentino leben relativ         le Population geht auf nur sieben Vorfahren zurück: zwei
viele Bären in einem stark von Menschen (Bewohnern und             Männchen und fünf Weibchen). Wir müssen auch mit den
Touristen) frequentierten Gebiet. Diese Menschen wissen            beteiligten Interessengruppen besser kommunizieren. Die
häufig wenig über Bären, wie man ihnen aus dem Weg                 menschliche Dimension ist und sollte stets ein zentraler
geht oder eine direkte Konfrontation vermeidet. Außer-             Aspekt des Managements von großen Beutegreifern blei-
dem ist Bärenspray, ein wirksames Abwehrmittel, welches            ben. Tierrechtsextremismus ist eine ernste Angelegenheit;
in Nordamerika weit verbreitet ist und zunehmend auch              wenn nicht angemessen damit umgegangen wird, könnte
in Europa eingesetzt wird, in Italien verboten. Drittens           er das fragile Gleichgewicht zwischen Mensch und Tier
findet trotz einer langfristigen Kampagne immer noch zu            gefährden.
wenig Kommunikation über große Beutegreifer statt. Ein                 Für weitere Informationen zu großen Beutegreifern
kürzlich erfolgter Politikwechsel in der APT-Verwaltung            und deren Management im Trentino gibt es auf der Web-
hat die Wirksamkeit der Kommunikation des Amtes für                site5 der APT Jahresberichte auf Italienisch, Englisch und
große Beutegreifer weiter unterminiert.                            seit 2019 auch auf Deutsch.

                                                                         Danksagungen
                                                                         Der Autor möchte sich beim Redaktionsteam der
                                                                         CDPnews bedanken, insbesondere bei Silvia Ribeiro und
                                                                         Daniel Mettler für die Durchsicht dieses Artikels und ihre
                                                                         hilfreichen Vorschläge, die ihn wesentlich verbessert haben.

                                                                         Literaturangaben
                                                                         AA.VV (2010) Piano d’Azione interregionale per la
                                                                            Conservazione dell’Orso bruno nelle Alpi centro-
                                                                            orientali – PACOBACE. Quad. Cons. Natura 33.
                                                                            Min. Ambiente – ISPRA, 150 p. Available: https://
Abb. 16 Ein Weibchen, das genetisch als F5 identifiziert wurde,
                                                                            www.minambiente.it/pagina/
wagt sich aus dem Wald hervor und sucht bei Dunkelheit nach
                                                                            piano-dazione-interregionale-la-conservazione-del-
Pflaumen.                                                                   lorso-bruno-sulle-alpi-centro-orientali
                   (Foto: M. Zeni, APT-Wald- und Wildtierdienst)         Groff C, Angeli F, Asson D, Bragalanti N, Pedrotti L,
   Eine Koexistenz zwischen Bären und Menschen in den                       Zanghellini P (editors) (2020) 2019 Large Carnivo-
Alpen birgt für die Zukunft zahlreiche Herausforderun-                      res Report. Autonomous Province of Trento’s Fores-
gen, denn der Alpenbogen ist weltweit die am meisten von                    try and Wildlife Department, Trento, 59 p. Available:
Menschen beeinflusste Bergkette. Um den Bären eine Zu-                      https://grandicarnivori.provincia.tn.it/Large-Car-
                                                                            nivores-Report.
kunft zu bieten, sind umfangreiche Anstrengungen lokaler
                                                                         Groff C, Bragalanti N, Rizzoli R, Zanghellini P (edi-
und nationaler Regierungen nötig. Unserer Ansicht nach                      tors) (2013) 2012 Bear Report. Forestry and Wildlife
muss die Autonome Provinz Trient weiterhin Mittel für                       Department of the Autonomous Province of Trento,
Präventionsmaßnahmen sicherstellen. Mit der anhalten-                       Trento, 72 p. Available: https://grandicarnivori.pro-
den Expansion der Bärenpopulation werden angrenzende                        vincia.tn.it/Large-Carnivores-Report.
Regionen vermutlich bald dasselbe tun müssen. Die Kom-
munikationskampagne muss verbessert werden, vor allem              5 https://grandicarnivori.provincia.tn.it/Rapporto-Orso-e-grandi-carnivori

hinsichtlich der Prävention und des Schadenmanagements,

8                                                                                                                                               CDPnews
Nachrichtenüberblick
Tiere, Corona und One Health
    Die Corona-Pandemie, die 2019/20 ihren Anfang                    tätig sind, in denen Tiere mit Oberflächen oder Material
nahm, hat zu einer anhaltenden weltweiten Gesundheits-               in Kontakt kommen können, das von infiziertem Perso-
krise, zu einer wirtschaftlichen Rezession und in einigen            nal kontaminiert wurde. Die Empfehlungen basieren auf
Regionen zu Nahrungsmittelknappheit geführt. Auch                    grundlegenden Prinzipien der Biosicherheit und Hygie-
wenn es bisher mit Ausnahme von Nerzfarmen1 keine                    ne, dem aktuellen Wissensstand hinsichtlich einer Über-
dokumentierten Fälle von Covid-19 bei Nutztieren gibt,               tragung des SARS-CoV-2-Virus von Menschen auf Tiere
sind noch viele Aspekte dieser recht neuen Krankheit un-             und dem Vorsichtsprinzip.
klar, einschließlich der Anfälligkeit von Nutztieren für                 Man geht davon aus, dass SARS-CoV-2 ursprünglich
eine Ansteckung mit dem für die Pandemie verantwort-                 von einer Tierart auf Menschen übertragen wurde, ver-
lichen SARS-CoV-2-Virus und der Wahrscheinlichkeit                   mutlich von einer Fledermaus10. Neue Zoonosen (Krank-
einer Übertragung2 von Menschen auf Nutztiere. Eine vor              heiten, die sich zwischen Tieren und Menschen ausbrei-
kurzem veröffentlichte Studie stellte ein höheres Infek-             ten können) werden vermutlich zunehmen, da sich die
tionsrisiko bei Kühen, Bisons, Schafen, Ziegen und Was-              Auswirkungen von Menschen auf Wildtiere und Habitate
serbüffeln als bei Beutegreifern3 fest. Trotzdem breitet sich        intensivieren11. Die Wechselwirkung der Gesundheit von
die aktuelle Pandemie vorrangig durch die Ansteckung                 Menschen und Tieren sowie unserer gemeinsamen Um-
von Mensch zu Mensch4 weiter aus. Das Infektionsrisi-                welt wird im Rahmen des „One Health“-Ansatzes12 zu-
ko steigt, wenn Menschen zusammenkommen, wie zum                     nehmend anerkannt. Hierfür sind ganzheitliche Lösungen
Beispiel auf vielen Höfen und Bauernmärkten. Biosicher-              gefordert, die die Bedürfnisse von Nutztieren, Wildtieren
heit, Handhygiene und Abstandhalten sind somit dort wie              und menschlicher Gesundheit integrieren. Diese Inter-
überall wichtige Maßnahmen.                                          aktionen sind komplex und entwickeln sich permanent
    Es gibt dokumentierte Fälle einer Virusübertragung               weiter, wie es sich auch auf den Seiten der CDPnews wi-
von Menschen auf Haustiere, Zoo- und sonstige Tiere5,6.              derspiegelt.
Auch wenn keiner dieser Fälle freilaufende Wildtiere be-
traf, besteht die Sorge, dass im Falle einer Ansteckung einer
Wildtierpopulation dies zu einem Reservoir für das Virus             EU bewegt sich in Richtung
werden könnte, was wiederum ein Risiko für die mensch-               nachhaltigere Landwirtschaft
liche Gesundheit, andere Tierarten und die öffentliche                  Am 20. Mai 2020 verkündete die Europäische Kom-
Wahrnehmung von Wildtieren werden könnte. Deswe-                     mission neue Strategien zur Bekämpfung des Rückgangs
gen hat die IUCN-Organisation für Wildtiergesundheit7                an Artenvielfalt und zum Aufbau eines gesünderen, ge-
gemeinsam mit der Weltorganisation für Tiergesundheit8               rechteren und naturfreundlicheren Nahrungssystems13.
Leitlinien9 zur Minimierung des Risikos einer Virusüber-             Die Biodiversitätsstrategie und die „Vom Erzeuger zum
tragung von Menschen auf Tiere erstellt. Diese Leitlinien            Verbraucher“-Strategie bringen Natur, Landwirte, Unter-
sind für Forscher, Tierschützer, Tierärzte und andere Be-            nehmen und Verbraucher zusammen, um gemeinsam an
troffene gedacht, die direkten Kontakt (d. h. Umgang)                einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen Zukunft zu arbei-
oder indirekten Kontakt (z. B. auf engem Raum) mit                   ten. Sie sind Teil des europäischen Green Deal14, mit dem
freilaufenden Wildsäugetieren haben oder in Situationen

1
    https://vet.osu.edu/about-us/news/covid-19-and-animals            8
                                                                          https://www.oie.int
2
    https://www.liebertpub.com/doi/10.1089/vbz.2020.2650              9
                                                                          http://www.iucn-whsg.org/COVID-19GuidelinesForWildlife
3
    https://www.pnas.org/content/117/36/22311                             Researchers
4
    https://vet.osu.edu/sites/vet.osu.edu/files/documents/about/     10
                                                                          https://www.nature.com/articles/s41564-020-0771-4
    FAO%20%26%20eSCOUT.pdf                                           11
                                                                          https://www.nature.com/articles/s41586-020-2562-8
5
    https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/daily-life-coping/     12
                                                                          https://www.who.int/news-room/q-a-detail/one-health
    animals.html                                                     13
                                                                          https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_88
6
    https://www.aphis.usda.gov/aphis/ourfocus/animalhealth/sa_one_   14
                                                                          https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/euro-
    health/sars-cov-2-animals-us                                          pean-green-deal_en
7
    http://www.iucn-whsg.org

CDPnews                                                                                                                                9
Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Die Kommis-                     die Jagd auf Wölfe „zu Zwecken des Populationsmanage-
sion hat außerdem einen wesentlichen Nachtrag für den                     ments“ erlaubte, mit dem Ziel Wilderei zu reduzieren,
EU-Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen                    Schäden an Hunden zu verhindern und das Sicherheits-
Raumes (ELER) als Teil des nächsten EU-Pakets zur Pan-                    gefühl der Bevölkerung zu erhöhen, die in Gegenden mit
demiebewältigung15 vorgeschlagen, um ländlichen Gebie-                    Wölfen wohnt. Artikel 16 (1) der Richtlinie erlaubt Mit-
ten dabei zu helfen, die Ziele der beiden oben genann-                    gliedsstaaten, vom strengen Schutz der in Anhang IV auf-
ten Strategien16 zu erreichen. In diesem Zusammenhang                     geführten Arten abzuweichen, wenn bestimmte Kriterien
organisierte die Organisation European Coordination Via                   erfüllt sind: Es darf keine zufriedenstellende Alternative
Campesina (ECVC), ein Mitglied der größten internatio-                    geben, die Ausnahme darf nicht dem Erhalt der Population
nalen Basisbewegung von Landwirten, am 7. Juli ein We-                    und einem günstigen Schutzstatus schaden, und sie darf
binar zum Thema Nahrungsmittelsouveränität und die „Vom                   nur aus bestimmten Gründen stattfinden. Der EuGH be-
Erzeuger zum Verbraucher“-Strategie. Ein Video und einen                  fand, dass in dem finnischen Fall diese Bedingungen nicht
Bericht dazu finden Sie auf der Website der ECVC17.                       erfüllt waren, und wiederholte die strengen Beschränkun-
   Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU wird                          gen für solche Ausnahmen für die Jagd auf Wölfe und an-
ebenso reformiert; im Zentrum stehen dabei eine nach-                     dere große Beutegreifer.
haltige Nahrungsmittelproduktion, der Erhalt der Arten-                       Die beteiligten Interessengruppen mit ihren entgegen-
vielfalt und der Klimaschutz nach 202018. Die im Rahmen                   gesetzten Sichtweisen auf große Beutegreifer und deren
der neuen GAP vorgeschlagenen Öko-Programme könn-                         Management reagierten naturgemäß unterschiedlich auf
ten Landwirte dabei unterstützen, auf nachhaltige Nah-                    dieses Urteil und seine Konsequenzen. Die Humane So-
rungsmittelsysteme umzusteigen. Wildtiere einschließlich                  ciety erklärte: „Diese Entscheidung des EuGH stellt äu-
Beutegreifern sollten als Aspekte der Nachhaltigkeit ge-                  ßerst klar, dass die Tötung dieser geschützten Tiere stets
meinsam mit umfangreicheren Überlegungen zur Ener-                        ein allerletztes Mittel sein sollte, wenn alle sonstigen Prä-
gie und zum Klima betrachtet werden. Dies könnte neue                     ventionsmaßnahmen fehlgeschlagen sind“21. Der Zusam-
Chancen zu einer stärkeren Einbindung der ländlichen                      menschluss der Verbände für Jagd und Wildtiererhaltung in
Bevölkerung in wirtschaftliche Aktivitäten bieten, die im                 der EU (FACE) erklärte hingegen, das Urteil gebe „Grü-
Einklang mit dem Naturschutz und der Renaturierung                        nes Licht für die Jagd als Managementinstrument“22. Es
stehen, sowie bessere Herdenschutzmaßnahmen, Scha-                        sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Urteil des
densersatz und Anreize für Landwirte bieten, um die Ak-                   EuGH sich auf die Arten bezieht, die in Anhang IV der
zeptanz der Anwesenheit großer Beutegreifer19 zu fördern.                 Habitatrichtlinie aufgeführt sind. Für in Anhang V aufge-
                                                                          führte Arten ist die Jagd mit einer Quotenregelung er-
                                                                          laubt, sofern sich dies nicht negativ auf deren Schutzstatus
Urteile des Europäischen Gerichtshofs                                     auswirkt, obwohl nach wie vor die Pflicht besteht, eine
                                                                          dauerhafte und systematische Überwachung durchzufüh-
zum Management geschützter Arten                                          ren, wie auch für andere Arten, für die ein Interesse der
    Am 10. Oktober 2019 erließ der Europäische Ge-                        Gemeinschaft besteht.
richtshof (EuGH) ein Urteil zum Töten von Wölfen in                           In seinem Urteil zu Fall Nr. C-88/19 vom 11. Juni 2020
Finnland, wo der Wolf als geschützte Art im Anhang IV                     entschied der EuGH, dass sich der strenge Artenschutz der
der Richtlinie 92/43/EWG (Habitatrichtlinie)20 aufgelis-                  Habitatrichtlinie auch auf die Tiere erstreckt, die ihr na-
tet ist. Fall Nr. C-674/17 wurde an den EuGH verwie-                      türliches Habitat verlassen und in menschliche Siedlungen
sen, nachdem eine Umweltgruppe die Entscheidung einer                     vordringen. In diesem Fall ging es um den Fang und die
finnischen Wildtierorganisation angefochten hatte, welche                 Umsiedlung eines Wolfes in einem Dorf in Rumänien.

15
     https://ec.europa.eu/info/strategy/eu-budget/long-term-eu-budget/2021-2027_en
16
     https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_940
17
     https://www.eurovia.org/report-and-video-of-the-webinar-food-sovereignty-and-the-farm-to-fork-strategy-building-a-fairer-and-more-just-
     agricultural-model-in-the-eu/
18
     https://ec.europa.eu/info/food-farming-fisheries/sustainability/sustainable-cap_en
19
     https://doi.org/10.1017/S0376892920000284
20
     http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=221604&pageIndex=0&doclang=en&mo-
     de=req&dir=&occ=first&part=1&cid=7586397
21
     https://www.europeaninterest.eu/article/european-court-justice-upholds-strict-protections-wolves/
22
     https://www.face.eu/2019/10/green-light-for-hunting-as-a-management-tool-for-wolf/

10                                                                                                                             CDPnews
Der EuGH befand, dass die „natürliche Reichweite“ von                   Bericht zur Lösung der Koexistenz mit
streng geschützten Tierarten auch menschliche Siedlungen
                                                                        Wölfen in Frankreich
beinhalte, falls sie dort vorkommen. Wenn Management-
maßnahmen innerhalb von menschlichen Siedlungen also                        Prädation an Nutztieren durch Wölfe ist seit vielen
das Fangen oder Töten beinhalten, muss die zuständige                   Jahren ein vieldiskutiertes Thema in Frankreich. Trotz we-
nationale Behörde eine Ausnahme vom strengen Schutz                     sentlicher Investitionen in Präventionsmaßnahmen ist das
beschließen, der nach den Vorgaben der EU-Habitatricht-                 Schadensausmaß im europäischen Vergleich sehr hoch. Die
linie im nationalen Recht des Mitgliedsstaats umgesetzt                 französischen Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft
ist. Der von der Europäischen Kommission herausgege-                    haben deswegen einen unabhängigen Beratungsbericht
bene Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von              mit dem Titel Wolf und Tierhaltung: Ein europäischer Vergleich
gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie23             im Rahmen des nationalen Aktionsplans 2018/2023 in Auftrag
einschließlich der Empfehlungen für Mitgliedsstaaten zur                gegeben. In ihrer ausgewogenen Beurteilung der Situation
Anwendung der Artikel 12, 13 und 16 wird angesichts die-                und möglicher Perspektiven weisen die Autoren des Be-
ser Fälle momentan überarbeitet.                                        richts25 darauf hin, dass, auch wenn kein System unfehl-
                                                                        bar ist, Beispiele aus verschiedenen europäischen Ländern
                                                                        zeigen, dass die Schäden durch angemessene Maßnahmen,
                                                                        die an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden, be-
Unterstützungsnetzwerk für
                                                                        grenzt werden können.
europäische Rindfleischerzeuger                                             Der Bericht konzentriert sich vor allem auf das Mo-
    Obwohl es über eine Viertelmillion Höfe in der Rind-                nitoring der Wölfe und auf Präventionsmaßnahmen, die
fleischbranche innerhalb der EU gibt, gab es bisher noch                in Deutschland, Italien, Polen, Spanien und der Schweiz
kein Netzwerk, das sich auf die Bedürfnisse der Rind-                   umgesetzt wurden, und zeigt Möglichkeiten auf, wie die
fleischproduzenten in Europa konzentriert. Das EU-fi-                   Koexistenz zwischen Wölfen und Nutztierhaltung in
nanzierte Beef Innovation Network Europe (BovINE)24                     Frankreich verbessert werden könnte. Auch wenn es im
soll diese Lücke mit einer offenen Plattform, dem BovINE                Vergleich der Länder unterschiedliche Ansätze gibt, zeigte
Knowledge Hub, füllen. Dort können Rindfleischerzeu-                    die Analyse einige Aspekte, die sie gemeinsam haben. Ins-
ger, Berater, Mitgliedsorganisationen und Forscher ihr                  besondere wurde die Notwendigkeit herausgestellt, dass
Wissen teilen und Erfahrungen austauschen, um innova-                   Landwirte sich zu langfristig wirksamen Lösungen ver-
tive und bewährte Methoden bekannter zu machen und                      pflichten müssen, sowie die wichtige Rolle der Hirten
deren Umsetzung anzuregen.                                              als essentieller Teil des Weidesystems und die Wichtigkeit,
                                                                        durch Zuchtmanagement die Qualität der Herdenschutz-
                                                                        hunde zu gewährleisten. Die Autoren empfehlen die Um-
                                                                        setzung eines Systems zur Überprüfung des Verhaltens der
                                                                        Herdenschutzhunde, einschließlich ihrer Interaktion mit
                                                                        Menschen, sowie in Betracht zu ziehen, ob nur Hunde
                                                                        unterstützt werden, die diesen Test bestanden haben, und
                                                                        ebenso eine Kontrolle der Umsetzung von Schutzmaß-
                                                                        nahmen vor Ort.
                                                                                                               Ihr Redaktionsteam

23
     https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/guidance/index_en.htm
24
     http://www.bovine-eu.net/
25
     https://agriculture.gouv.fr/telecharger/105284?token=ee640c095462d3d4bfda6d0f7f0f60c5

CDPnews                                                                                                                           11
Pop-up-Feature

                                 Nationales Netzwerk für Nutzer von
                                 Herdenschutzhunden, Frankreich

Beutegreifer und Herdenschutzhunde                             Beschreibung des Netzwerks
in Frankreich                                                      Um Weidenutzer und Hirten zu unterstützen und ih-
    Viele Regionen in Frankreich sind von Übergrif-            nen die nötigen Mittel zu geben, Herdenschutzhunde er-
fen durch Wölfe, Bären, Luchse, Füchse, Dachse, Krähen         folgreich und wirksam einzusetzen, wurde 2017 vom fran-
und streunende Hunde betroffen. Die meisten Schäden            zösischen Nutztierinstitut (Idele – Institut de l’Élevage)
an Nutztieren gehen auf das Konto von Wölfen, die sich         mit Unterstützung des Nahrungs- und Landwirtschafts-
schon seit über 25 Jahren wieder in französischen Land-        ministeriums ein nationales Netzwerk für praktische Un-
schaften angesiedelt haben.                                    terstützung1 gegründet. Sein Ziel ist die Verbreitung von
    Herdenschutzhunde gehören zu den besten Methoden,          Know-how zum Einsatz von Herdenschutzhunden. Die
die Züchter zum Schutz ihrer Herden einsetzen können.          Wissensvermittlung erfolgt durch Gruppenschulungen
Dank ihrer beeindruckenden Morphologie halten sie die          und individuelle Unterstützung auf den Höfen auf An-
meisten Eindringlinge davon ab, sich der Herde zu nähern.      frage der Landwirte.
Herdenschutzhunde halten nach Gefahren Ausschau, kon-              Das Netzwerk umfasst etwa 20 unabhängige Kontakt-
frontieren Bedrohungen und wenn ihre Warnung nicht             personen (allesamt Züchter und Nutzer von Herden-
ausreicht, verstärken sie ihre Reaktion. Sie sind auch bei     schutzhunden). Jedem von ihnen wurde ein geografischer
hohem Prädationsdruck flexibel und effektiv. Viele Jahre       Interventionsbereich zugewiesen. Idele ist für die Koordi-
lang hatten Landwirte und Hirten in Frankreich keine           nation des Netzwerks und das Bekanntmachen seiner Ar-
Unterstützung, um ihre Herden mit solchen Hunden zu            beit verantwortlich. Dabei verlässt sich das Netzwerk auf
schützen. Heute gibt es schätzungsweise mindestens 4.500       landwirtschaftliche Strukturen vor Ort, um Gruppenschu-
Herdenschutzhunde in Frankreich, aber es gibt nur für          lungen für Züchter zu organisieren. Jeder Landwirt hat
eine kleinen Teil davon detaillierte Informationen.            die Möglichkeit, die für sein Gebiet zuständige Kontakt-
    Einige Menschen dachten zu Beginn, Herdenschutz-           person zu kontaktieren und individuelle praktische Unter-
hunde seien ganz simpel einzusetzen: Sie müssten nur           stützung auf dem eigenen Hof zu erbitten. Das Netzwerk
einen reinrassigen Hund kaufen, ihn in die Herde setzen,       hat gemeinsame Regeln zur Auswahl und zum Einsatz von
und alle Probleme würden sich in Luft auflösen. Dieses un-     Herdenschutzhunden aufgestellt, um es zukünftigen Nut-
zureichende Verständnis hat dazu geführt, dass viele Nutz-     zern so einfach wie möglich zu machen.
tierhalter Herdenschutzhunde kauften, ohne sich über die           Ein Netzwerk von mit Herdenschutzhunden erfahre-
„Gebrauchsanweisung“ zu informieren. Heute gibt es ein         nen Schafzüchtern und Hirten unterstützt ehrenamtliche
großes Bedürfnis vor Ort,Wissen zu verbreiten und auszu-       Züchter und Hirten mithilfe von Gruppenschulungen
tauschen, um die Wirksamkeit von Herdenschutzhunden            und individueller Unterstützung direkt auf den Höfen, um
als Schutz für die Herden zu verbessern. Falsch geführ-        den Einsatz von Herdenschutzhunden zu erleichtern. Das
te Hunde können in Konflikte oder Vorfälle mit anderen         Netzwerk ist in ganz Frankreich aktiv, aber nur Züchter,
Nutzern der Weidegebiete verwickelt werden.                    die gemäß dem nationalen Aktionsplan für Wölfe zu Her-
                                                               denschutzmaßnahmen berechtigt sind, können finanziell
        In diesem Abschnitt stellen wir Initiativen vor, die   unterstützt werden.
    sich weltweit mit Herdenschutz vor großen Beute-
    greifern befassen und die auf der ENCOSH-Plattform
    veröffentlicht wurden. Um sich über weitere Initiativen    Barbara Ducreux
    zu informieren, Ihre eigene einzureichen und sich mit      Institut de l’Élevage, 149 Rue de Bercy,
    Kollegen in der ganzen Welt auszutauschen, die sich mit    75012 Paris, Frankreich.
    Mensch-Wildtier-Interaktionen befassen, gehen Sie auf      Kontakt: barbara.ducreux@idele.fr
    die Website www.encosh.org

1
    http://chiens-de-troupeau.idele.fr

12                                                                                                          CDPnews
Perspektive

BEUTEGREIFERKONT-
ROLLE ZU LAND UND
ZU WASSER:
VERGLEICH UND AUFRUF ZU EINHEIT-
LICHEN BEWERTUNGSSTANDARDS
   Laetitia Nunny1, Carlos Bautista2, Santiago Palazón3, Andrew W. Trites4,
   Diederik van Liere5, Mark P. Simmonds6
   1
     Wild Animal Welfare, La Garriga, Barcelona, Spanien              4
                                                                        Forschungsbereich für Meeressäuger, Institut für Ozeane und
     Kontakt: laetitia.nunny@me.com                                     Fischgründe, University of British Columbia, Vancouver, Kanada
   2
     Institut für Naturschutz, polnische Wissenschaftsakademie –      5
                                                                        Institut für die Koexistenz mit Wildtieren, Almen, Niederlande
     IOP PAN, Krakau, Polen                                           6
                                                                        Humane Society International, London, UK, und Institut für
   3
     Dienst für Fauna und Flora, Generalitat de Catalunya, Barcelo-     Tiermedizin, University of Bristol, UK
     na, Spanien
                                                                             https://wildanimalwelfare.com

1. Einleitung
    Beutegreifer kommen mit Menschen in Konflikt, wenn                Varjopuro, 2011).Verbraucher, die Fisch aus Aquakulturen
sie Schäden an Nutztieren, Nutzpflanzen oder sonstigem                kaufen, fordern zunehmend, dass diese ihre negativen Aus-
Eigentum verursachen. Europäische Beispiele hierfür sind              wirkungen auf Meeressäuger und die Umwelt minimie-
Wölfe (Canis lupus), die Schafe reißen,Vielfraße (Gulo gulo),         ren. Somit besteht zunehmend die Notwendigkeit sicher-
die halbdomestizierte Rentiere (Rangifer tarandus) angreifen,         zustellen, dass die von Fischzuchtbetrieben eingesetzten
und Braunbären (Ursus arctos), die sich über Bienenstöcke             Methoden, Meeressäuger vom Zerstören ihrer Ausrüstung,
und Mais hermachen (Linnell und Cretois, 2018). Aller-                vom Fangen oder Verletzen der Fische abzuhalten, nicht
dings gibt es diese Konflikte nicht nur zu Land. Beispiels-           nur wirksam, sondern auch tierfreundlich sind.
weise kommen Flossenfüßer (Robben und Seelöwen) in                         Fischereien und Fischzuchtbetriebe setzen sowohl töd-
Konflikt mit der Fischereiwirtschaft und mit Aquakulturen,            liche (d. h. schießen) als auch nicht-tödliche Methoden
wenn sie Ausrüstung beschädigen und Fische fangen oder                ein, um Konflikte mit Robben zu verhindern (Nunny et
verletzen. Wie auch zu Land, können Konflikte zwischen                al., 2018). Ein Beispiel für eine nicht-tödliche Methode ist
Menschen und Wildtieren in einer maritimen Umgebung                   der Einsatz von akustischen Vergrämungsgeräten, um un-
erhebliche finanzielle Konsequenzen haben und Tierwohl-               angenehme Geräusche zu erzeugen, welche die Robben
probleme hervorrufen (Infobox 1).                                     vertreiben (Götz and Janik, 2013). Einige Fischfarmen nut-
    Genau wie bei Konflikten auf dem Land gibt es für                 zen außerdem Netzzäune, um Robben von den inneren
die maritime Umgebung auch kein Allheilmittel. Die Ent-               Käfignetzen abzuhalten, in denen die Fische schwimmen
wicklung von robbensicheren Fischfangtechnologien ist                 (Northridge et al., 2013). Diese Netzzäune umschließen
ein anhaltender Prozess, der sowohl die Prädation von                 entweder einzelne Käfige oder das gesamte Käfigsystem.
Fisch und den Schaden an Netzen reduzieren soll (z. B.                Robbensichere Netzböden

CDPnews                                                                                                                                  13
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