Charly Knorr, der elsässische Maler der Kleinen Luxemburger Schweiz
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Artikel aus dem Lëtzebuerger Journal 2012, Nr. 118 (20. Juni), S. 22 (Teil 1); Nr. 119 (2. Juni), S. 20-21 (Teil 2). (Text des Artikels mit Anmerkungen) Charly Knorr, der elsässische Maler der Kleinen Luxemburger Schweiz Jos. A. Massard Während Jahrzehnten gehörte zum Wandschmuck der landbekannten Echternacher Pâtisserie Zimmer ein schönes großes Ölgemälde von Charly Knorr, einem Künstler, der in der Abteistadt früher mindestens so bekannt war wie ein Franz Seimetz. Es zeigte den Rokokopavillon im Echternacher Stadtpark in der klassischen Postkartenperspektive. Charly (Emile Charles) Knorr war Elsässer, geboren am 15. Februar 1890 in dem Vogesendorf Soultzeren,1 – "Sulzern" für die Deutschen, die damaligen Herren im seit 1871 reichsdeutschen Elsass. Seine erste künstlerische Ausbildung hat er in Mulhouse2 erhalten und sie dann in Paris an der Académie Colarossi3 als Schüler von Bernard Naudin (1876-1946) abgeschlossen.4 Im Jahre 1926 beteiligte er sich dem Vernehmen nach am "Pariser Salon"5 der "Société des artistes français". Ein Album für Touristen und Einheimische In Luxemburg tauchte der Name des in Paris lebenden Künstlers ab 1927 in den Zeitungen und Zeitschriften auf. Den Anlass hierzu lieferte das Erscheinen von Knorrs Buch "La Petite Suisse Luxembourgeoise", ein Album mit Texten und ganzseitigen Illustrationen, herausgekommen in der Druckerei Jos. Vermaut in Courtrai (Belgien). Parallel zur französischen gab es auch eine deutsche Ausgabe, mit dem Titel "Die kleine (sic) Luxemburger Schweiz". Zwar enthielt das Album auch Ansichten von Vianden, Stolzemburg, Esch-Sauer, Clerf, Luxemburg usw., der Hauptteil des Buches war jedoch Echternach und seiner Umgegend gewidmet. 1 Lotz 1987, Sahl 2011. E. Bénézit, 1966. Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs. Nouvelle édition, tome 5. Paris, Librairie Gründ, p. 278 (Knorr, Charles-Emile). Bénézit, E., 1999. Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays : par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers ; sous la dir. de Jacques Busse. Paris, Librairie Gründ. - 14 vol (tome 7 : Herweg-Koster: Charles-Emile Knorr: p. 882).— Infolge eines Druckfehlers steht bei Bénézit (1966, 1999) "Soultzem" statt "Soultzeren". 2 A.M., 1927. La Petite Suisse Luxembourgeoise, Texte et illustrations par Charly Knorr. In: Jonghemecht, 2. Jhg., Nr. 2, 1. November 1927, S. 36-37. 3 Vollmer 1956. 4 Vollmer 1956, Bénézit 1966, 1999. 5 Cf. A.M. (1927): “im grossen Pariser Salon des vergangenen Jahres blieb Knorr nicht unbemerkt". — Wenig Verständnis für die dort ausgestellten Werke "moderner" Künstler zeigte Nicolas Ries (Philinte) in einem Kommentar, der am 11. Mai 1926 im "Luxemburger Tageblatt", Nr. 109, S. 1, erschien. Er plädierte für eine Rückbesinnung auf die Natur und zeigte sich erfreut, dass es kaum luxemburgische Künstler gab, die den Extravaganzen des Kubismus und ähnlicher Kunstrichtungen, die in letzter Zeit aufgekommen seien, huldigten. Ries erwähnte Knorr nicht, aber dessen "klassischer" Malstil dürfte seinen Ansichten wohl recht gut entsprochen haben. — Dass Friedrich (1977, 1981) schreibt, Knorr habe am Pariser Salon 1927 teilgenommen, scheint ein Druckfehler zu sein oder auf einem Missverständnis zu beruhen.
2 Im Abteistädtchen war man begeistert. "Was Knorr hier schuf," schrieb ein gewisser H.K. im "Echternacher Anzeiger" vom 18. Juni 1927, "kann nicht nur ein Kunstkenner, sondern ein jeder Laie beurteilen. Knorr hat eine Sammlung von Aquarellen und Zeichnungen seiner Hand aufgebracht, die hohe Entzückung vermittelt. Selten wird eine solche Serie von Zeichnungen vorgelegt. Sie fesselt, weil man erkennen muß, mit welcher Andacht der Künstler die Natur bis in Einzelzüge studieren konnte, weil man … den Zauber der [cézanneschen]6 Farbe … unmittelbar wirken fühlt. (…) Bilder, die Charly Knorr gemalt hat, darf man als meisterhafte Arbeiten aussprechen. Die Sammlung dieser Verherrlichung unserer Heimat soll in keiner Echternacher Familie fehlen."7 Der Preis des Albums betrug 20 Franken.8 In der Juninummer der belgischen Zeitschrift "Arts et Tourisme" wurde in einer Anzeige auf das Album hingewiesen.9 In einem Inserat, das am 9. Juli 1927 im "Echternacher Anzeiger" erschien, warb Knorr seinerseits für die beiden Ausgaben seines Buches.10 Mitte September 1927 konnte man im "Anzeiger" lesen, der bestbekannte Landschaftsmaler Ch. Knorr aus Paris habe im "Café Central" am Marktplatz eine größere Anzahl Aquarelle ausgestellt. Die Motive seien "sämtlich der Stadt und Umgegend Echternachs entnommen"; die Bilder würden allgemein belobigendes Interesse erregen und könnten käuflich erworben werden.11 In der Novembernummer 1927 der "Jonghemecht", der luxemburgischen "Zeitschrift für heimatliches Theater, Schrift- und Volkstum", befasste sich ein gewisser A.M., der in der Augustnummer12 der Zeitschrift noch geglaubt hatte, Knorr sei Belgier, mit der französischen Version des Albums.13 Charly Knorr sei Maler und Poet dazu, meinte er. Ihm persönlich, sei der erste aber am sympathischsten. "Denn der Dichter gibt in mehr beschreibender, rein aufzählender Weise seine Eindrücke wieder, ohne besondere sprachliche noch gedankliche Eigenart. Umso stärkere künstlerische Anlagen offenbart der Maler. Schon beim flüchtigen Durchblättern des Albums fällt einem das ungewohnte zeichnerische Können auf. Was unsern modernen Jüngern der Farbe und Pinsel so oft abgeht." Bei aller Begeisterung konnte sich A.M. trotz allem einige kritische Überlegungen nicht verkneifen. So mache die solide zeichnerische Schulung sich bei Knorr stellenweise zu selbstbewusst bemerkbar, und das künstlerische Element leide darunter. Und dann sei die verträumte Willibrordusstadt Knorr, dem Auswärtigen, durch seine Heirat zwar zur zweiten Heimat geworden, ihre letzten und tiefsten Geheimnisse habe er jedoch nicht erlauscht; aber immerhin habe sich der Maler Knorr von ihr bezaubern lassen. Mit Liebe und Beharrlichkeit habe er Echternach und Umgebung durchwandert, und so sei dieses Album über "die kleine luxemburger Schweiz" zustande gekommen. Es sei großartig und mit auserlesenem Geschmack ausgestattet. Nur habe Knorr das Ganze vielleicht zu sehr auf die Touristen zugeschnitten und die alte Kloster- und Kulturstätte ungenügend berücksichtigt. Besonders in 6 Im Originaltext: "der bézanneschen Farbe" statt "der cézanneschen Farbe". 7 Echternacher Anzeiger 1927, Nr. 48 (18. Juni), S. 2 ("Echternach, 16. Juni. "). 8 A.M., 1927. 9 Aus Zeitungen und Zeitschriften. Jonghemecht, Jhg. 1, Nr. 8, August 1927, S. 186. 10 Echternacher Anzeiger 1927, Nr. 54 (9. Juli), S. 4. 11 Echternacher Anzeiger 1927, Nr. 74 (17. September), S. 2 (Aus Echternach und Umgegend). — Friedrich (1977) hat diese Ausstellung irrtümlicherweise in die Pâtisserie Zimmer verlegt. 12 Aus Zeitungen und Zeitschriften. Jonghemecht, Jhg. 1, Nr. 8, August 1927, S. 186. 13 A.M., 1927.
3 den Einleitungsseiten dränge sich in Text und Randzeichnungen das Mondäne auffällig vor. Die meisten Vollbilder seien mit Bleistift und Kreide, Kohle oder Feder ausgeführt. Unter jenen seien "das alte Häuserl" aus dem "Rusendältchen" und der "Dingstuhl" besonders hervorzuheben. Ein Echternacher Mädchen Knorr war mit Magdalena (Madeleine) Spang verheiratet. Diese wurde am 12. Januar 1890 im Rosenthal in Echternach als Tochter des Maurers Paul Spang geboren. Die Eintragung im Geburtenregister wurde, neben ihrem Vater, von Bürgermeister Johann Foehr unterschrieben sowie von den Zeugen Michel Weber, 30 Jahre, Plafonnier, und Melchior Hartmann, 36 Jahre, Schankwirt, beide in Echternach wohnhaft.14 Magdalena Spangs Großvater war der Maurer Johannes Spang, der von jenseits der Sauer stammte, wo er 1822 in Ernzen – früher luxemburgisch, seit 1815 preußisch – zur Welt gekommen war. Er hatte sich in Echternach im Rosenthal niedergelassen und war mit Susanna Ollinger verheiratet.15 Das Paar hatte mehrere Kinder, darunter den am 3. September 1850 in Echternach geborenen Paul Spang, Magdalenas Vater, der am 8. September 1875 Margaretha Merten, Magdalenas am 19. Juli 184916 in Echternach geborene Mutter, heiraten sollte.17 Einer der Brüder von Magdalenas Vater war der Maurer Johann Baptist Spang, am 1. August 1857 in Echternach geboren und dort am 18. Juni 1942 verstorben; am 14. Juli 1881 hatte er Maria Biesdorff geheiratet. Sein Sohn Paul, am 14. Oktober 1890 in der Enggasse in Echternach geboren, mit Maria Werdel verheiratet und am 14. September 1977 in Betzdorf gestorben, war also der rechte Cousin von Knorrs Frau. Sein am 6. Juli 1922 in Echternach geborener Sohn Paul Spang sollte später Direktor des Luxemburger Nationalarchivs werden.18 Wann und wo Charly Knorr und Magdalena Spang sich kennengelernt, und wann und wo sie geheiratet haben, bleibt noch herauszufinden. Die Heirat mit dem Echternacher Mädchen erklärt jedenfalls, warum Knorr sich des Öfteren in Echternach aufhielt und die Gegend so gut kennenlernen konnte. Wann er zum ersten Male in Echternach auftauchte, ist mir unbekannt, wahrscheinlich irgendwann in den 1920er Jahren. Der "präziseste" Hinweis hierzu findet sich in einem "Wort"-Artikel aus dem August 1931, wo zu lesen ist, Knorr komme "schon viele Jahre in unser Land".19 14 Geburtenregister 1890 der Stadt Echternach. 15 Spang 2012, S. 18. 16 Im Geburtsakt von Magdalena Knorr wird das Alter ihrer Mutter mit 39 Jahren angegeben, sie war damals allerdings bereits 40 Jahre alt, der Vater 39 Jahre, und nicht wie angegeben 40 Jahre. 17 Diese und die folgenden Angaben beruhen auf einer vom Autor durchgeführten Recherche in den Standesamtsregistern der Gemeinde Echternach. 18 Paul Spang starb am 15. März 2009 in Luxemburg. Siehe: Wikipedia: Paul Spang. http://lb.wikipedia.org/wiki/Paul_Spang. 19 Luxemburger Wort 1931, Nr. 234/235 (22. August), S. 5.
4 (Teil 2) Erfolg bei einem Wettbewerb 1928 beteiligte sich Knorr, der Paris als Wohnsitz angab, an einem durch Beschluss der Luxemburger Regierung vom 4. April des Jahres ausgeschriebenen "Wettbewerb für künstlerische Plakate zur Hebung des Fremdenverkehrs". Unter den insgesamt 51 von in- und ausländischen Künstlern eingereichten Entwürfen gefiel Knorrs unter dem Motto "Fluctuat Nec Mergitur" stehendes Werk den Jurymitgliedern so gut, dass sie es im Juni 1928 mit dem zweiten Preis auszeichneten.20 Der erste Preis ging an den Franzosen Charles Hallo aus Senlis21; der luxemburgische Maler Jean-Pierre Beckius erhielt den sechsten (und letzten) Preis. Als nächstes trat Knorr bei der vom Echternacher Verschönerungsverein organisierten "Exposition des Beaux Arts", die vom 12. bis zum 26. August 1928 in den Räumen des Echternacher Gymnasiums stattfand, in Erscheinung.22 Der Lokalkorrespondent des "Escher Tageblatt" war tief beeindruckt:23 "Die Art von Charles Knorr ist allen, die Aquarelle lieben, etwas, das sie im Blute tragen; von seinen Bildern behält man keine Details, sondern ihr Seelisches geht auf den Betrachtenden über. Sie sind heftig empfunden und von einem lateinischen Menschen zu sicherer Form bewältigt." Als weitere namhafte Künstler stellten noch Seimetz, Beckius, Klopp und Oppenheim aus, daneben auch "einige Dilettanten", deren "Sachen" ein Kritiker in der "Jonghemecht"24 als "armselig" bezeichnete. In der Abtei und bei Zëmmesch Jeni Am 9. August 1931 fand in Echternach in den Räumen der alten Abtei die Eröffnung der regionalen Ausstellung "Arts et métiers" statt. Als Präsident der jüngst gegründeten Gesellschaft für "Kunst und Gewerbe" hielt Professor Isi Comes die Eröffnungsrede, "in bestem luxemburger Dialekt", wie der Korrespondent des "Tageblatt" anmerkte.25 Die Ausstellung umfasste acht Säle; die vier ersten hatte man der Malerei zur Verfügung gestellt. Hier konnte der Besucher ausgewählte Werke von Knorr und luxemburgischen Malern wie Seimetz, Klopp, Beckius, Lamboray, Oppenheim, aber auch von lokalen Künstlern wie Pierre Weinachter, August Wirion, Heinrich Ossyra, Arthur Huby, Jeff Maas usw., bewundern.26 Knorr nahm zwar an dieser Ausstellung teil, vor allem aber war er damit beschäftigt, eine große private Ausstellung in den Salons der Pâtisserie Zimmer, Bergstrasse 6, deren Inhaber Jeni (Eugène) Zimmer war, zu organisieren. Sie dauerte bis in den September27 hinein und fand einen großen Anklang in der luxemburgischen Presse. Hundertzehn Werke waren ausgestellt: Aquarelle, Pastelle, Radierungen, Holzschnitte und ein Oelgemälde. Ein erster 20 Luxemburger Wort 1928, Nr. 175 (23. Juni), S. 3. 21 Charles, Alexandre, Jean, Julien Hallo (1882-1969). http://www.bmsenlis.com/sitebmsenlis/hallo/hallo.htm 22 Escher Tageblatt 1928, Nr. 225 (13. August), S. 5 (Echternach, 13. Aug. Exposition des Beaux Arts.). Escher Tageblatt 1928, Nr. 229 (18. August), S. 4 (Anmerkungen.). Zur Kunstausstellung des Echternacher Verschönerungsvereins (12.-26. August [1928]). In: L'Illustré luxembourgeois / Luxemburger Illustrierte, 5e année, N° 17, 10 septembre 1928, S. 245. 23 Escher Tageblatt 1928, Nr. 225 (13. August), S. 5. 24 Kunstausstellung Echternach. In: Jonghemecht, Jhg. 3, Nr. 1, Oktober 1928, S. 21. 25 Escher Tageblatt 1931, Nr. 214 (10. August), S. 3 (Echternach, 10. Aug. Arts et métiers.) 26 Escher Tageblatt 1931, Nr. 218 (14. August), S. 5 (Echternach: Arts et métiers.). — Echternacher Anzeiger 1931, Nr. 68 (29. August), S. 2 (Rückblick auf die diesjährige Ausstellung.). 27 Escher Tageblatt 1931, Nr. 224 (22. August), S. 5 (Literatur u. Kunst : Brief an einen Maler).
5 Bericht hierüber erschien am 19. August 1931 im "Echternacher Anzeiger",28 dessen mit H. KT. signierender Korrespondent unter den Aquarellen folgende Werke (mit Bildnummer in Klammern) besonders hervorhob: Kathedrale von Straßburg (20), Kathedrale von Thann (14), Fischerboot (33), Echternach: Umgebung der Schwemm (34), Kathedrale von Chartres (24), Porte fleurie (22), Le Bac (4); unter den Pastellen: Tour de Bergheim (59), Herbst (52), Wald in den Vogesen (60), Die kleine luxemburger (sic) Schweiz, Les doyens de la forêt (58); unter den Radierungen (Kupferstichen): Mélancolie (109), Le Cheik (107), Notre Dame de Paris (103), Tour de Bergheim (101); und unter den Holzschnitten: Großmutter (94), La Porte des [Oudaïas]29, Rabat (67), Congolaise (99). Im "Luxemburger Wort" vom 22. August 1931 tauchte Knorrs Name gleich an zwei Stellen auf, einmal in einer Anzeige für seine "exposition privée",30 dann in einem Artikel, wo er als "Mitglied des Pariser Salons" und als „Peintre de la Petite Suisse Luxembourgeoise" gefeiert wurde. Ein Abstecher nach Echternach, zum Besuch der Privatausstellung, lohne sich, hieß es dort. Die Liebhaber möchten sich aber beeilen, denn es sei schon eine stattliche Anzahl der 110 ausgestellten Prachtwerke von Kunstkennern erworben worden.31 Brief an einen Maler Am selben 22. August 1931 konnte man auf der Kulturseite des "Escher Tageblatt" einen längeren "Brief" an Knorr, der von einem Echternacher Mitarbeiter der Zeitung stammte, lesen.32 “Am vorigen Sonntag", hieß es dort, "gingen wir durch Ihre Ausstellung, die Sie in den Sälen der Patisserie Zimmer aufgemacht haben. (…) Sie wollen Ihre Entwicklung aufzeigen, gleichsam einen Rechenschaftsbericht über Ihr Künstlertum vorlegen. Nun, mein Freund, Sie können beruhigt sein: Ich jedenfalls entsinne mich nicht, je eine Ausstellung (es sei denn jene unserer Sezessionisten33 von vor einem Jahr) mit heftigeren Eindrücken verlassen zu haben als die Ihre. Noch heute sehe ich Ihre “Kathedrale von Thann" vor mir: Nur ein Tor und eine Rosette und doch ahnt man durch das tiefblaue Licht dieses Glases das ganze Geheimnis, welches sich im Innern vollzieht: Die süße, alle Sinne gefangennehmende Mystik des Katholizismus blüht in diesem Fenster, greifbar nahe und erschütternd." Die Wege Knorrs und des anonymen Autors hatten sich erstmals zu der Zeit, als der Elsässer seine erste Ausstellung in Echternach organisierte, gekreuzt: "Es war an einem heißen Augustnachmittage", erinnerte sich der "Tageblatt"-Korrespondent. "Ich hatte eben stundenlang die heimatlichen Wälder durchstreift und selig den Duft der Reife und der Verwesung genossen, der sich mir langsam um die Stirne schweißte und an die Kleider setzte; ich hatte etliche Augenblicke vorher in einem verwilderten Garten die ersten Sonnenblumen gesehen, (…). Da sah ich Sie. In einem Kornfelde, in dem die purpurnen Blüten des 28 Echternacher Anzeiger 1931, Nr. 65 (19. August), S. 3. 29 Im Originaltext fälschlicherweise: La Porte des Andaias. — Es handelt sich herbei um die Pforte der Kasbah Oudaia (porte Bab-Al-Oudaïas) von Rabat (Marokko). 30 Luxemburger Wort 1931, Nr. 234/235 (22. August), S. 4 (Anzeige: Exposition privée Charles Knorr, Paris). 31 Luxemburger Wort 1931, Nr. 234/235 (22. August), S. 5 (Echternach. 22. August.). 32 Escher Tageblatt 1931, Nr. 224 (22. August), S. 5 (Literatur u. Kunst: Brief an einen Maler). 33 Hiermit sind die "fortschrittlichen" Maler der Gruppe "Sécession" gemeint, der u. a. Klopp, Kutter, Rabinger, Haagen und Michels angehörten (Cf. Les Cahiers luxembourgeois 1930, Nr. 8, S. 805). Der zwischen ihnen und dem eher konservativen "Cercle artistique" schwelende Konflikt hatte im Laufe der 1920er Jahre dazu geführt, dass sie ihre eigene Ausstellung unabhängig vom Salon des "Cercle artistique" organisierten. 1930 wurde der Konflikt beigelegt: die Mitglieder des "Cercle artistique" und die Sezessionisten stellten ihre Werke wieder in einer gemeinsamen Ausstellung aus (cf. Langini, A., 2006. L'art au Luxembourg : de la Renaissance au début du XXIe siècle. Bruxelles : Fonds Mercator ; Esch-sur-Alzette : Schortgen, S. 312ff.).
6 Klatschmohns sich ausnahmen wie ebenso viele Wunden, die die mörderische Sonne geschlagen. Sie standen da und malten jene alte Mühle [wahrscheinlich die Felsmühle, d. Verf.], welche auch meine frühesten Erinnerungen streichelt, (…). Am Abend zeigten Sie mir dann Ihre Aquarelle: Es war ein silbernes Leuchten in ihnen allen, ein undefinierbares Grau, als ob leichter Nebel Ihnen die Blicke verhängt hätte. (…) Sie kamen von da ab jedes Jahr wieder und brachten jedes Mal neue Schätze mit, einerlei, ob es sich um elsässische, italienische oder französische Landschaften handelte: Ihr Pinsel fing an, lockerer zu werden, Ihre Farben wurden freudiger, lebensbejahender." Mit einem Hinweis auf Knorrs Naturverbundenheit – "Ich weiß: Unter Menschen finden Sie sich nicht wohl, aber Sie lieben die Natur mit einer aufgewühlten Inbrunst." – rundete der anonyme Schreiber sein Bild des Künstlers ab. Die zweite Ausstellung der Echternacher Kunstfreunde Im August 1932 gab es in Echternach gleich zwei Ausstellungen, die beide im Gebäude der Primärschulen untergebracht waren: die zweite Gewerbeausstellung des „Vereins der Echternacher Kunstfreunde" und parallel dazu die fünfte Briefmarkenausstellung der „Union des Timbrophiles luxembourgeois." Die Eröffnung der beiden Ausstellungen erfolgte am Sonntag, den 14. August, im Beisein des Echternacher Stadtrats und der Organisationskomitees der beiden Vereine. Nach der Begrüßungsansprache durch Bürgermeister Mathias Schaffner wurde ein Ehrenwein auf dem Dingstuhl kredenzt, wo Isi Comes als Präsident der "Amis de l'art" eine Ansprache hielt. Bernard Wolff bedankte sich im Namen der Philatelisten. Danach begab man sich zum Festessen ins Hôtel Bel-Air.34 "In zwei Sälen", so berichtete das "Luxemburger Wort" am 17. August 1932 über die Gewerbeausstellung, "ist eine recht ansehnliche Zahl von Kunstgemälden zu sehen. Außer den Werken von Beckius und Knorr und den [in] der Ausführung so vollendeten Arbeiten von Professor Wirion treffen wir eine Menge von Gemälden, Zeichnungen und Schnitten bescheidener Dilettanten, die mitunter wirklich anerkennenswerte Proben ihres Könnens geliefert haben. Wir nennen bloß die Namen Fr. Müller, J. und E. Neumann, Prof. P. Weinachter, Fr. Schiltz, B. Tockert, J. P. Peusch, H. Ossyra und Frl. Arnold, die wir alle zu weiterm Schaffen ermuntern wollen."35 Der "Echternacher Anzeiger" strich Knorrs Teilnahme besonders hervor: “Es ist gut, daß wir Herrn Knorr nicht vermissen. Wir haben uns an seine Farben seit Jahren gewöhnt, seine persönliche Note ist merklich wohltuend und ein Genuß.”36 Der Tod der Ehefrau Nach dieser Ausstellung wurde es in Echternach und in den luxemburgischen Zeitungen ruhig um Knorr. Sein Name sollte erst wieder im Jahre 1946 auftauchen, und zwar im "Luxemburger Wort", in der Todesanzeige für seine Frau, aus der übrigens hervorgeht, dass 34 Echternacher Anzeiger 1932, Nr. 65 (17. August), S. 2 (Aus Echternach und Umgegend). - Luxemburger Wort 1932, Nr. 230 (17. August), S. 4 (3 u. 4. Spalte: Echternach, 16. Aug.), S. 4 (4. Spalte: Echternach, 16. Aug.). — Siehe auch: Echternacher Anzeiger1932, Nr. 68 (27. August), S. 2-3 (Echternach. Kunstfreunde.), sowie: Echternacher Anzeiger1932, Nr. 70 (3. September), S. 2 (Echternach. Kunstfreunde.). 35 Luxemburger Wort 1932, Nr. 230 (17. August), S. 4 (4. Spalte) (Echternach, 16. Aug.). 36 Echternacher Anzeiger 1932, Nr. 65 (17. August), S. 2 (Aus Echternach und Umgegend.).
7 diese zwar offiziell Magdalena (Madeleine) hieß, aber offenbar Hélène genannt wurde.37 Knorr lebte damals in Mulhouse. Hélène Knorr-Spang war am 18. Juli 1946 in Echternach, wo sie wahrscheinlich zu Besuch war, morgens um 7 Uhr in der Bahnhofstraße, Nr. 27, im Alter von 56 Jahren gestorben. Ihr Ableben wurde von Paul Helminger, "35 ans, commerçant, neveu de la défunte", auf dem Standesamt gemeldet; Bürgermeister war damals Robert Schaffner.38 Das Begräbnis fand am 20. Juli morgens um halbzehn Uhr auf dem Echternacher Friedhof statt. Neben Knorr figurierten in der Todesanzeige: M. et Mme Robert Knorr-Beyser (Sohn und Schwiegertochter der Verstorbenen) Mme Vve Welschbillig-Spang (Schwester der Verstorbenen), M. Théodore Spang (Bruder der Verstorbenen), M. et Mme J. P. Mees-Spang (Schwager u. Schwester der Verstorbenen). Rückblick auf eine Künstlerkarriere Charly Knorr starb am 10. April 1965 in Mulhouse. Er wohnte damals in Cernay (Haut-Rhin), 12 rue Saint-Morand. "Il était sociétaire des Artistes français et chevalier de la Légion d'honneur", schrieb François Lotz 1987 in seinem Buch ''Artistes-peintres alsaciens de jadis et de naguère" und fügte noch hinzu: "Nous savons qu'il exposa avec les Artistes de Mulhouse et La Palette de Mulhouse, dont il fut membre et, semble-t-il, même président, notamment en 1955, 1957, 1958, et à la Galerie Duncan à Paris avec d'autres artistes alsaciens en 1957."39 Knorr wird in den verschiedenen Auflagen des klassischen französischen Referenzwerkes von Bénézit erwähnt,40 genauso wie im "Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts" von Hans Vollmer, wo er als Maler und Illustrator bezeichnet wird41. Als Illustrator hat Knorr für die belgische Zeitschrift "Arts et Tourisme" gearbeitet. Zu den Büchern, die er illustriert hat gehören "La vie amoureuse de Louise de Lambertye, marquise du Pont d'Oye" von Camille Joset und ein Gedichtband von Charlotte Delcey.42 Für das Buch "Figures de Belges et têtes de Boches" von Camille Joset, das 1928 bei J. Vermaut herauskam, hat er die "culs-de-lampe" (Schlussvignetten) gezeichnet. Wenig bekannt ist, dass es Postkarten mit Zeichnungen von Knorr gibt: klassische Echternacher Motive wie Markplatz mit "Denzelt" und Basilika, Bogen des "Denzelt" mit Blick auf den Marktplatz, Mussgasse (Hooveleker Buurchmauer) mit altem Festungsturm, "Trooskneppchen" mit Blick auf Echternach.43 37 Luxemburger Wort 1946, Nr. 200 (19. Juli), S. 5 (Avis mortuaire : Madame Charles Knorr, née Hélène Spang). 38 Sterberegister 1946 der Stadt Echternach. 39 Lotz 1987, S. 186. 40 E. Bénézit, 1966. Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs. Nouvelle édition, tome 5. Paris, Librairie Gründ, p. 278 (Knorr, Charles-Emile). Bénézit, E., 1999. Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs de tous les temps et de tous les pays : par un groupe d'écrivains spécialistes français et étrangers ; sous la dir. de Jacques Busse. Paris, Librairie Gründ. - 14 vol (t. 7 : Herweg-Koster: Charles-Emile Knorr: p. 882). 41 Vollmer 1956, S. 72. 42 Vollmer 1956, S. 72. 43 Die erwähnten Karten befinden sich in der Postkarten-Sammlung der Stadt Echternach.
8 In Luxemburg auf dem Abstellgleis? In Luxemburg ist Knorr im Laufe der Zeit ins Vergessen geraten. Evy Friedrich bedauerte dies in einem Artikel, der im Jahre 1977 im "Tageblatt" publiziert und dann 1981 im Jahrbuch der luxemburgischen Kriegsversehrten reproduziert worden ist.44 "Es wäre schön," so Friedrich damals zum Thema Knorr, "wenn die Echternacher … mal versuchten, seine greifbaren Werke zu einer Ausstellung zusammenzustellen und an einen Künstler zu erinnern, dem Echternach Wahlheimat wurde und der mit seiner Kunst die Landschaft, der er sich verbunden fühlte, ehrte." Ein bescheideneres Ziel strebte Guy van Hulle an, als er sich im Mai 2010 im "Lëtzebuerger Journal" in einem Leserbrief für die "Rettung" von Knorrs Pavillongemälde aus der Pâtisserie Zimmer einsetzte. Dieses war nämlich 2008 für die Renovierungsarbeiten der Konditorei, die inzwischen in den Besitz der Firma Eifelhaus gekommen war, von seinem Stammplatz entfernt und später durch ein rezentes Bild mit demselben Motiv, das angeblich besser in den neuen Rahmen passen soll, ersetzt worden. Frohlockend kündigte van Hulle damals an, der Eigentümer habe sich auf sein Einwirken hin bereit erklärt, das Knorr-Bild der Stadt Echternach als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Seine Hoffnung, Knorrs "Pavillon du Parc" könne somit demnächst in der Eingangshalle des Echternacher Stadthauses oder im "Denzelt" der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, sollte aber nicht in Erfüllung gehen, genauso wenig wie Friedrichs Wunsch nach einer Knorr-Retrospektive in Echternach. Im Jahre 2011 wurde Knorr in die Online-Version des Luxemburger Autorenlexikons aufgenommen.45 Diese Ehre verdankt er allerdings nicht seinem malerischen Talent, sondern der belanglosen Prosa und den schwerfälligen Versen seines Albums über die Luxemburger Schweiz. Hauptquellen (vollständige Quellenangabe und Anmerkungen: htpp://massard.info) A.M., 1927. La Petite Suisse Luxembourgeoise, texte et illustrations par Charly Knorr. In: Jonghemecht 1927, 2. Jhg., Nr. 2, 1. November, S. 36-37. Bénézit, E., 1999. Dictionnaire critique et documentaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs. Tome 7 : Herweg-Koster (Charles-Emile Knorr: S. 882). Echternacher Anzeiger 1927 (Nr. 48, Nr. 54, Nr. 74); 1931 (Nr. 65, Nr. 68); 1932 (Nr. 65, Nr. 68, Nr. 70). Escher Tageblatt 1928 (Nr. 225, Nr. 229); 1931 (Nr. 214, Nr. 218, Nr. 224). Friedrich, E., 1977. Ein Maler Echternachs. Tageblatt, Nr. 260 (14. November), S. 9 (reproduziert in: Je maintiendrai 1981. Association luxembourgeoise des mutilés de guerre et des invalides, S. 61). Jonghemecht 1927 (Jhg. 1, Nr. 8, S. 186); 1928 (Jhg. 3, Nr. 1, S. 21). Knorr, C., 1927. La petite Suisse Luxembourgeoise. Texte et illustrations par Charly Knorr. Imprimerie Jos. Vermaut, Paris & Courtrai, 47 p. 44 Friedrich 1977. 45 Sahl 2011.
9 Knorr, C., 1927. Die kleine Luxemburger Schweiz. Text und Illustration von Charly Knorr. Imprimerie Jos. Vermaut, Paris & Courtrai, 47 p. Lotz, F., 1987. Artistes-peintres alsaciens de jadis et de naguère (1880-1982). Éditions Printek, Kaysersberg, 381 p. (Knorr Charles: S. 186). Luxemburger Wort 1928 (Nr. 175); 1931 (Nr. 234/235); 1932 (Nr. 230); 1946 (Nr. 200). Sahl, N., 2011. Charly Knorr. In: www.autorenlexikon.lu (Stand: 30.06.2011). Spang, P., 2012. Die ausgeklammerten Jahre. Luxembourg, 137 S. van Hulle, G., 2010. Echternach : le tableau «Le Pavillon du Parc» bientôt prêté à la commune? Lëtzebuerger Journal 2010, Nr. 89 (8./9. Mee), S. 6. Vollmer, H. (Hrsg.), 1956. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts. Bd. 3: K-P. (Knorr, Charles Emile: S. 72). Illustrationen (siehe Zeitungsartikel) o Deckel von Knorrs Album (1927) mit der heute verschwundenen Vogelsmühle (Grundhof). o "Echternach. Le Parc et le Pavillon". Aquarell aus Knorrs Album (1927), Ausschnitt. o Der Echternacher Marktplatz. Postkarte von Knorr (ohne Jahr). Postkartensammlung der Stadt Echternach. o Echternach. Trooskneppchen. Postkarte von Knorr (ohne Jahr). Postkartensammlung der Stadt Echternach. o "Luxembourg, Ville. L'Alzette au pied du Bock" (aus Knorr 1927). o "Les Cascades du Schiessentümpel (Müllerthal)" (aus Knorr 1927). o "Vianden. La Maison de Victor Hugo" (aus Knorr 1927).
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