COVID-19 ist eine globale und bedrohliche Infektionserkrankung - neben vielen anderen - Labor 28
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
# 68 medizinisches versorgungszentrum labor 28 MÄRZ 2022 COVID-19 ist eine globale und bedrohliche Infektionserkrankung – neben vielen anderen dr. med. michael müller IN DIESER AUSGABE COVID-19 als neue globale Infektionser- substanziellen Teil der gesellschaftlichen COVID-19 ist eine globale und krankung und auch als eine Jahrhundert- Anstrengungen allein auf die Pandemiebe- bedrohliche Infektionserkrankung pandemie beherrscht weiterhin das gesell- wältigung auszurichten? Was bedeutet das – neben vielen anderen .............................. 1 schaftliche Miteinander. Ende Januar 2022 für die medizinische Versorgung der vie- Das Hyper-IgE-Syndrom.............................. 2 sind weltweit mehr als 350 Millionen Fälle len anderen akuten und chronischen Er- Giardia duodenalis — gezählt, über 5,6 Millionen Menschen sind krankungen? Wie kommen wir zurück zu neue Erkenntnisse zu im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2- einer angemessenen Gewichtung, die eine einem alten Parasiten.................................. 3 Infektion gestorben. SARS-CoV-2-Infektion entsprechend ihrer In Deutschland überstieg die Zahl medizinischen Bedeutung einordnet und Labordiagnostik bei der laborbestätigten Fälle die Zehn-Milli- daraus auch das Handeln sowie die Emp- chronisch-entzündlicher onengrenze. Unsere Gesellschaft verzeich- fehlungen für die von der Erkrankung Be- Darmerkrankung (CED)................................ 4 net mehr als 110.000 Verstorbene. Das un- troffenen ableitet? Ein hämatologischer Fall ........................... 6 sichtbare Virus hat als für das menschli- Vor einem Jahr habe ich an dieser Normocalciämischer primärer che Immunsystem neuer Erreger fast alles Stelle geschrieben: „Ärztinnen und Ärzten Hyperparathyreoidismus............................. 7 im Griff, und auch die Medizin richtet sich wird, unabhängig von ihrem Tätigkeitsge- Endokrine Nebenwirkungen bei weiterhin weitestgehend danach aus. Mit biet in der direkten Patientenversorgung Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren der ‚Omikron-Welle‘ sieht sich die Gesell- oder im Öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Onkologie – Labordiagnostik......... 8 schaft mit einer noch leichter übertragba- diese neuartige Infektionserkrankung weit- ren Virusvariante konfrontiert, die auch gehend in wichtigen Kernfragen aus der Dihydropyrimidin-Dehydrogenase Geimpfte infiziert und somit nahezu kein Hand genommen. Fokus und Blickwinkel (DPD)-Testung vor Einsatz von ‚Stoppschild‘ kennt. Dies versperrt den Blick verschieben sich, ja es konkurrieren ganz 5-Fluorouracil-, Capecitabin- und auf den schnellen und bahnbrechenden Er- unterschiedliche und berechtigte Interes- Tegafur-haltigen Medikamenten.............10 folg der frühen Entwicklung wirksamer sen miteinander, die einer gemeinschaftli- STETS AKTUELL: Die Laborinformationen Impfstoffe, die sehr zuverlässig vor einem chen Abwägung bedürfen. Hier kommt Ein- und Diagnostischen Pfade von Labor 28 schweren Verlauf und dem Versterben an richtungen wie dem Ethikrat und auch den einer COVID-19-Erkrankung schützen. ärztlichen Körperschaften und Vertretungen Doch was kommt danach? Wie lange eine besondere Rolle zu. So ist SARS-CoV-2 www.labor28.de/fachinformationen ist es richtig, notwendig und sinnvoll, einen Lesen Sie weiter auf Seite 2 > magazin 03/2022 | 1
SARS-CoV-2 ist eine globale und bedrohliche Infektionserkrankung – neben vielen anderen > Fortsetzung von Seite 1 als neue Infektionserkrankung auch eine liche Studien‘, deren Existenz und Rich- Es scheint dringend geboten, wieder neue Herausforderung für die Zusammenar- tigkeit nicht einmal überprüfbar sind. Es die Balance zu finden zwischen allen An- beit innerhalb der Ärzteschaft und auch weit reicht bereits, eine eingereichte und noch sprüchen und Erwartungen, der Verhinde- darüber hinaus innerhalb der gesellschaftli- nicht unabhängig überprüfte Publikation rung einer Überlastung des Gesundheits- chen Gruppen. Das erfordert einen respekt- vorzulegen, um das Gewicht von Argu- wesens durch alle direkten und indirekten vollen und wertschätzenden Diskurs, in dem menten zu erhöhen. Im ‚Klein-Klein‘ und Auswirkungen der SARS-CoV-2-Infektion der Ärzteschaft auch eine besondere Rolle ‚Schnell-schnell‘ ergeht sich die Diskussion. und der Sicherstellung einer bestmögli- und Verantwortung zukommt.“ Eingesetzte Expertenräte tagen im chen medizinischen Versorgung der Bevöl- Es wirkt befremdlich, wenn überwie- Geheimen und publizieren Stellungnah- kerung, die sich jederzeit an uns Ärztinnen gend Personen aus medizinfremden Berei- men mit einstimmigen Voten, was an- und Ärzte wenden können sollte. Politik chen über medizinische Fragen und sich gesichts der Thematik kaum möglich er- kann hierfür nur die Rahmenbedingungen daraus ergebende Maßnahmen zur Bewäl- scheint. Über allem tritt die medizinische bereitstellen und sollte auch nicht in grö- tigung einer von einer Infektionserkran- Versorgung der Bevölkerung in den Hin- ßerem Umfang in die Detailfragen ‚hinein- kung ausgelösten Pandemie diskutieren tergrund. Die Folge ist eine messbare deut- regieren‘. und dabei uns Ärztinnen und Ärzten die lich spätere Inanspruchnahme ärztlicher Nehmen wir die COVID-19-Erkran- Ausübung unseres Berufs zu erklären ver- Hilfe bei akuten und chronischen Erkran- kung im Zusammenhang mit der SARS- suchen. Dabei werden nicht selten medi- kungen mit verzögerter Diagnosestellung CoV-2-Infektion weiterhin ernst und ge- zinisch-ärztliche Argumente ohne weitere von Herzinfarkt, Schlaganfall, Tumorer- ben ihr das Gewicht und die Bedeutung, Begründung ‚vom Tisch gefegt‘, gelegent- krankungen und vielen anderen behand- die ihr aus medizinisch-ärztlicher Sicht zu- lich auch mit Verweis auf ‚wissenschaft- lungsbedürftigen Krankheiten. zumessen ist. S Das Hyper-IgE-Syndrom Das Hyper-IgE-Syndrom Deutlich erhöhte Werte des Gesamt-IgE und Eosinophilie des Blutes lenken unseren Verdacht meist zuerst auf IgE-vermittelte Allergien (Typ I) oder auf parasitäre Erkrankungen. Wenn noch ein chronisches Ekzem und eine asthmatische Lungensymptomatik dazukommen, wird der Verdacht auf eine Allergie oft noch stärker. Wir dürfen hierbei jedoch keinesfalls andere, therapeutisch anders anzugehende chronische Erkrankungen außer Acht lassen. Hier ist das Hyper-IgE-Syndrom eine wichtige Differenzialdiagnose. Dr. med. Andreas Warkenthin Das Hyper-IgE-Syndrom (auch Hiob-Syn- Schon im Säuglingsalter vor allem im Ge- Zahnwurzelsubstanz). Neben dieser Ver- drom oder HIES genannt) ist eine vererb- sicht und auf behaarter Kopfhaut auftre- laufsform (STAT-3-Gen) werden auch bare Erkrankung und hat eine Prävalenz tende Ekzeme sowie rezidivierende Haut-, zwei autosomal-rezessive Entitäten (TYK2- von 1:100.000 Einwohner. Aufgrund ei- Weichteil- oder Atemwegsinfektionen mit Gen, DOCK8-Gen) beschrieben. Hier feh- nes Gendefektes kommt es zur Überpro- vorwiegend extrazellulären Bakterien und len die skelettalen Symptome und es treten duktion von Immunglobulin E mit Werten, Pilzen, bei denen typische Entzündungszei- rezidivierend virale Infektionen auf (Her- die typischerweise > 2000 IU/ml liegen bei chen fehlen können (‚kalte Abszesse‘). Da pes simplex, Varizella Zoster, Molluscum Eosinophilenzahlen oft > 0,7 G/l und chro- die Bindegewebsbildung beeinträchtigt sein contagiosum). Wegbereitend dafür ist eine nischem Ekzem. Da das meistbetroffene kann, wird die Bildung von Defektheilungen ausgeprägte T-Zelldefizienz. Die autoso- Gen (STAT-3-Gen, autosomal-dominan- begünstigt (Pneumatozelen) und skelettalen mal-rezessiven Formen begünstigen das ter Erbgang) bei der Produktion von Ab- Symptomen (Skoliosen, Gelenküberstreck- Auftreten von Asthma bronchiale und von wehrstoffen in Haut und Lunge, sowie bei barkeit, Osteoporose) Vorschub geleistet. Nahrungsmittelallergien. der Einwanderung von Leukozyten und Ein weiteres klinisches Verdachtsmo- Die klinische Verdachtsdiagnose bei der Bindegewegsbildung eine bedeut- ment für das Hiob-Syndrom ist die Milch- kann in den meisten Fällen genetisch bestä- same Rolle spielt, erklären sich im Falle ei- zahnpersistenz bei der autosomal-dominan- tigt werden (EDTA-Blut, Einwilligungser- ner Erkrankung die möglichen Symptome: ten Form (verminderte Resorption der klärung nach Gendiagnostikgesetz). S Literatur: 1. Trautmann A, Kleine-Tebbe J. Allergologie in Klinik und Praxis, 3. Auflage, 2017; Georg Thieme Verlag, S. 453 ff 2. Hyper-IgE-Syndrome, in: Pädiatrie hautnah 2012; 24(5), S. 330 ff 3. Yoshiyuki Minegishi. Hyper-IgE syndrome, 2021 update, in: Allergology International 70 (2021): 407–414 2 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Quelle: Wikipedia, CDC/Janice Haney Carr Giardia duodenalis — neue Erkenntnisse zu einem alten Parasiten Giardia duodenalis (syn. G. lamblia, G. intestinalis) wurde 1681 von Antoni van Leeuwenhoek bei der Untersuchung seines eigenen durchfälligen Stuhls mittels eines selbstkonstruierten Mikroskops erstmalig entdeckt. Der einzellige Erreger wird wie viele andere darmpathogene Mikroorganismen fäkal-oral übertragen und besiedelt vor allem Duodenum und Ileum des Wirtes. Prof. Dr. med. Ralf Ignatius Das klinische Bild der Giardiasis ist sehr heterogen Deutschland mit importierten Erregern vorstellen. und reicht von akuten bzw. chronischen oder auch in- Bessere molekulare Typisierungsmethoden werden termittierenden Diarrhöen bis zu körperlichen Ent- hier in Zukunft sicherlich mehr Klarheit bringen. wicklungsstörungen, jedoch ohne Durchfälle, bei pädi- Die Labordiagnose beruht ausschließlich auf dem atrischen Patienten in Endemiegebieten. Die gestörte direkten Erregernachweis, wobei sich die PCR, die je- Wachstums- und Gewichtzunahme chronisch infizier- doch bislang nicht Teil der gesetzlichen Regelversor- ter Kinder geht mit einem erheblich veränderten intes- gung ist, verglichen mit der Lichtmikrokopie oder dem tinalen Mikrobiom einher.1 Antigennachweis sowohl bei Reiserückkehrern als Mittlerweile kennen wir acht Subtypen des Erre- auch in Endemiegebieten als die sensitivste Methode gers, die ‚Assemblages A–H‘ genannt werden. Erreger erwiesen hat. Folgerichtig würde aber eine regelhafte der Assemblages A und B finden sich vor allem beim Diagnostik mittels PCR auch die Meldezahlen und ggf. Menschen, wobei von einer großen Anzahl gemisch- sogar Tätigkeitsverbote gemäß §34 u. 42 IfSG beein- ter Infektionen (A + B, aber auch A + A und B + B) aus- flussen. zugehen ist. In Zusammenarbeit mit dem RKI und an- Die Therapie der Giardiasis erfolgt in der Regel deren Laboren haben wir gerade zeigen können, dass mit 3 x 500 mg Metronidazol über 5 bis 7 Tage. Aller- diese gemischten Infektionen molekular nicht einfach dings sind therapierefraktäre Infektionen nicht selten. zu typisieren sind, was die Nachverfolgung von Aus- Diese können ein erhebliches Problem darstellen, da brüchen oder auch das Erkennen von Infektketten er- randomisierte kontrollierte Studien zu den meisten heblich erschwert.2 Zweitlinienmedikamenten (u. a. Nitazoxanid, Alben- In Deutschland werden Infektionen vor allem dazol/Mebendazol, Chloroquin, Paromomycin) feh- bei Kindern unter 10 Jahren und dann wieder bei Er- len. Vorgeschlagen werden daher Kombinationen, die wachsenen im Alter von 20 bis 60 Jahren gesehen.3 Das meist aus zwei dieser Medikamente plus einem 5-Nit- männliche Geschlecht ist etwas häufiger betroffen als roimidazol (z. B. Metronidazol) bestehen. das weibliche, und es treten mehr Infektionen in ur- Eine Alternative könnte hier in dem ‚wiederent- banen als in ländlichen Bezirken auf. Bei etwa 50 % deckten‘ Quinacrin (Mepacrin) bestehen,4 welches das der jährlich circa 3.000 bis 4.000 dem RKI gemeldeten wichtigste Antimalariamittel der Alliierten im Zwei- Giardiasis-Fälle ist keine Auslandsanamnese bekannt, ten Weltkrieg war und nach Kriegsende vom neben- und die Infektionen werden vom RKI daher als auto- wirkungsärmeren Chloroquin abgelöst wurde. Auch chthon eingestuft. Infektquellen oder Reservoire für wenn es gegenwärtig keine Zulassung als Arzneimit- diese offenbar in Deutschland erworbenen Infektionen tel hat, besteht eine Sondergenehmigung für die Be- sind jedoch nicht bekannt. handlung von Protozoeninfektionen in der Human- Da sich die Erreger dieser Infektionen mit den und Veterinärmedizin. Wegen seiner neuropsychia- heute zur Verfügung stehenden Typisierungsme- trischen Nebenwirkungen ist jedoch Vorsicht beim thoden nicht von im Ausland akquirierten Erregern Einsatz dieses Medikaments bei Patienten mit vorbe- unterscheiden, kann man sich auch Infektketten in kannten ZNS-Störungen geboten. S Literatur: 1. Berry ASF et al. mSphere 2020; 5(4): e00670–20 2. Woschke A et al. PLoS NTD 2021; 15(3): e0009277 3. RKI, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch 2020 4. Neumayr A et al. Clin Infect Dis. 2021; 1517–23 magazin 03/2022 | 3
Labordiagnostik bei chronisch- entzündlicher Darmerkrankung (CED) Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind komplexe, multifaktorielle Krankheitsbilder, bei denen zu den wegweisenden Leitsymptomen häufig abdominelle Schmerzen, anhaltende Diarrhö oder ein rektaler Blutabgang gehören. Zu den klassischen CED-Entitäten zählen der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Als Systemerkrankungen müssen CED allerdings nicht nur auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt sein. Dr. med. Antje Hohmann da Silva Etwa die Hälfte der Patienten weist extraintestinale in der akuten Abklärung einer CED sowie deren Ver- Manifestationen auf, die sich neben der am häufigsten laufsdiagnostik eingenommen und wird ebenfalls zum beschriebenen Eisenmangelanämie mit unterschied- Therapie-Monitoring bei bekannter CED herange- licher Häufigkeit an Gelenken (z. B. enteropathische zogen. Calprotectin im Stuhl dient auch zur Abgren- Spondyloarthritis), Haut (bspw. Erythema nodosum zung von nicht-entzündlichen Ursachen intestinaler oder Pyoderma gangraenosum), Augen (z. B. Uveitis) Beschwerden bzw. dem (funktionellen) Reizdarmsyn- als auch hepatobiliär abspielen können (primär skle- drom, kann aber eine infektiöse Ursache naturgemäß rosierende Cholangitis [PSC], primär biliäre Cholan- nicht differenzieren. gitis [PBC], Autoimmunhepatitis [AIH]). Selten sind Bei Erstmanifestation und ggf. im Schub sollte zusätzlich das kardiorespiratorische System, Pankreas zum Ausschluss einer intestinalen Infektion eine mi- oder die Nieren betroffen. krobiologische Stuhldiagnostik erfolgen, mit der v. a. die häufigsten bakteriellen Enteritis-Erreger (in ab- ERSTDIAGNOSTIK steigender Reihenfolge: Campylobacter, Salmonellen, Da ein früher Therapiebeginn den weiteren Krank- enterohämorrhagische E. coli [EHEC] und Shigellen) heitsverlauf positiv beeinflusst, ist zur raschen Diag- zuzüglich Clostridioides difficile-Toxin erfasst wer- nosestellung eine Zusammenschau von ausführlicher den. Bei entsprechender Anamnese müssen ggf. auch Anamnese (insbesondere auch kürzliche Reiseanam- virale Erreger (Noroviren, Rotaviren) und Parasiten nese und Nahrungsmittelunverträglichkeiten) und (v. a. Giardia lamblia, Amöben und Kryptosporidien) körperlicher Untersuchung neben der Labordiagnos- berücksichtigt werden. Bei CED-Patienten mit schwe- tik, endoskopischen und histologischen Befunden so- rem oder steroidrefraktärem Verlauf sollte auch an das wie bildgebenden Verfahren entscheidend. Vorliegen einer Cytomegalievirus (CMV)-(Re-)Infek- Laborchemisch sollten im Rahmen der initia- tion gedacht werden. len Diagnostik zur Beurteilung von Entzündung und Der differenzialdiagnostische Ausschluss einer Krankheitsaktivität mindestens das große Blutbild, Zöliakie gelingt mit der Bestimmung von IgA-AK ge- CRP und ggf. BSG, Kreatinin, Leber- und Cholestase- gen Transglutaminase und Gesamt-IgA. Bei vorliegen- Parameter (ALAT/GOT, ASAT/GPT, GGT, AP) und dem IgA-Mangel ist die zusätzliche Verwendung ei- der Eisenhaushalt (Ferritin unter Kenntnis des CRP nes IgG-basierten Tests erforderlich (z. B. Gliadin-IgG und im Zweifel der sTFR/lösliche Transferrinrezeptor oder Transglutaminase-IgG). sowie die Transferrinsättigung) untersucht werden. Da sich die Unterscheidung zwischen Morbus Da eine relevante intestinale Entzündung auch Crohn und Colitis ulcerosa manchmal schwierig gestal- bei unauffälligen serologischen Parametern nicht im- tet, kann zur Abgrenzung dieser beiden Krankheitsen- mer sicher ausgeschlossen werden kann, bieten fäkale titäten im Einzelfall der Nachweis von perinukleären Entzündungsmarker einen großen diagnostischen Zu- antineutrophilen cytoplasmatischen AK (p-ANCA) für gewinn. Neben Laktoferrin hat vor allem Calprotectin die Colitis ulcerosa und Anti-Saccharomyces-cerevi- als Neutrophilenprotein eine herausragende Stellung siae-AK (ASCA) für den Morbus Crohn hilfreich sein. 4 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
KRANKHEITSVERLAUF CED-Patienten unter Therapie mit Biologika wer- Bei Patienten mit gesicherter CED ist im weiteren den zur Überprüfung von Medikamentennebenwir- Krankheitsverlauf mit vielfältigen Mangelerscheinun- kungen oder Therapieansprechen ebenfalls laborme- gen zu rechnen, die sich am häufigsten als Anämie äu- dizinisch begleitet. In diesem Zusammenhang werden ßern. Neben dem Eisenmangel (Untersuchungen zum je nach eingesetzter therapeutischer Substanz bspw. Eisenhaushalt siehe Seite 4) kann es je nach Dünndarm- BB, Nieren- und Leberfunktion überprüft sowie Arz- befall oder Ileum-Resektion zu einem Folsäure- und/ neimittelspiegel (z. B. Infliximab, Adalimumab, Vedo- oder Vitamin B12-Mangel kommen, sodass bei entspre- lizumab, Golimumab, Ustekinumab) und ggf. entspre- chendem klinischen Verdacht der Folsäurespiegel und chende Anti-Drug-Antikörper bestimmt. Bei geplan- zur Abklärung des Vitamin B12-Haushalts vorzugs- tem Einsatz von Thiopurinen (z. B. Azathioprin) wird weise Holo-Transcobalamin (Holo-TC) und ggf. Me- vor Therapiebeginn die Bestimmung der TPMT-Akti- thylmalonsäure bestimmt werden sollten. vität und ggf. die TPMT-Genotypisierung empfohlen. Ein auftretender Proteinmangel bzw. Proteinver- Zusammenfassend ist bei V. a. CED eine rasche lust kann sich in verminderten Serumkonzentrationen und zuverlässige Erstdiagnostik erforderlich. Bei An- für Gesamteiweiß und Albumin niederschlagen. Au- wendung der bewährten und der vielen neuen The- ßerdem können Resorptionsstörung und Malnutrition rapiemöglichkeiten ist ferner eine engmaschige Pati- zu einem Mangel an Spurenelementen (Zink, Magne- entenbetreuung mit gezielten Verlaufskontrollen im sium) und weiteren Vitaminen (A, D und E) führen. Rahmen des Therapie-Monitorings notwendig. S Literatur: 1. Gruber R. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – Darm ohne Charme. Trillium Diagnostik 2021; 19(3): 184–187 2. Fischer S, Rath T, Neurath MF. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Internist 2018; 59:681–693 3. S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“, Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 2021; AWMF-Registernummer: 021–004 4. S3-Leitlinie Colitis ulcerosa – Living Guideline: Überprüfung 2021; Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) – AWMF-Registriernummer: 021–009 magazin 03/2022 | 5
Aus unserem Labor Ein hämatologischer Fall Beim Mikroskopieren eines Differenzialblutbildes waren circa 11 Prozent atypische Lymphozyten aufgefallen. Es zeigten sich kleine und teilweise große lymphoide Zellen mit cerebriformen Kernen, die gut sichtbare Chromatinfurchen aufwiesen. Dr. med. Adrianna Jagiello Diese atypischen Lymphozyten werden als Sézary- bzw. Lutzner-Zellen bezeichnet. Im Differenzialblut- bild war außerdem eine leichte Lymphopenie auffällig, des Weiteren konnte eine deutliche LDH-Erhöhung als Nachweis eines erhöhten Zellumsatzes nachgewie- sen werden. Da uns keine Vorbefunde vorlagen, haben wir die behandelnde Ärztin kontaktiert, die berichtete, dass die 80-jährige Patientin an einem Sézary-Syn- drom leide. Klinisch weise die Patientin eine Erythro- dermie und generalisierte Schwellung der Lymphkno- ten auf. Die uns heute als Sézary-Syndrom bekannte Krankheit wurde 1938 von Sézary und Bouvrain be- schrieben. Hierbei handelt es sich um ein seltenes pri- märes kutanes T-Zell-Lymphom (< 5 % aller kutanen T-Zell-Lymphome). Der Altersgipfel für die Diagnose den Kriterien für die Diagnose notwendig: absolute liegt zwischen 55 und 60 Jahren mit Bevorzugung des Sézary-Zellzahl von > 1000/μl, eine CD4/CD8-Ratio männlichen Geschlechts (m:w = 2:1). Die generali- größer als zehn und/oder ein Verlust von einem oder sierte Erkrankung kann alle Organe betreffen, am häu- mehreren T-Zell-Antigenen. figsten sind jedoch der Oropharynx, die Lunge und Das Blutbild zeigt initial eine deutlich erhöhte das zentrale Nervensystem betroffen. Das Knochen- Leukozytenzahl, mit dem Fortschreiten der Erkran- mark kann unter anderem auch befallen sein. Die me- kung entwickelt sich im Verlauf eine Anämie und diane Lebenserwartung liegt bei dieser aggressiven Er- Thrombozytopenie. Bei der Aussaat der neoplastischen krankung deutlich unter 5 Jahren, dabei versterben die Zellen in das periphere Blut fallen im manuellen Diffe- meisten Patienten an opportunistischen Infektionen. renzialblutbild atypische neben unauffälligen Lympho- Zu den drei Hauptdiagnosekriterien gehört eine zyten auf. Morphologisch zeigen die überwiegend mit- Erythrodermie. Dabei handelt es sich um eine gene- telgroßen Sézary-Zellen mit großen, eingekerbten und ralisierte Rötung der Haut, die meist mit Schuppung, lobulierten Kernen (cerebriform). Das Zytoplasma ist Infiltration und Juckreiz einhergeht. Des Weiteren ist bläulich, schmal und ungranuliert. eine generalisierte Lymphadenopathie und eine Aus- In der Durchflusszytometerie können die Zel- saat neoplastischer Lymphozyten (Sézary-Zellen, auch len anhand ihrer immunphänotypischen Oberflächen- Lutzner-Zellen genannt) in Haut und den Lymphkno- merkmale (Cluster of Differentiation = CD) charakte- ten sowie eine leukämische Ausschwemmung ins peri- risiert werden. Die Sézary-Zellen sind typischerweise phere Blut zu den Hauptdiagnosekriterien dazugehö- positiv für CD3 und CD4 und negativ für CD8, CD7 rig. Zusätzlich ist eines oder sind mehrere der folgen- und CD26. S 6 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Was tun bei erhöhtem Parathormon aber nicht erhöhtem Calcium? Normocalciämischer primärer Hyperparathyreoidismus Ein normocalciämischer primärer Hyperparathyreoidismus (NC-PHPT) ist gekennzeichnet durch wiederholt erhöhtes Parathormon bei gleichzeitig unauffälligem Calcium, sofern sekundäre Ursachen für erhöhte PTH-Werte sorgfältig ausgeschlossen worden sind. Dr. med. Hans-Ulrich Altenkirch Für die Diagnosestellung ist es ratsam, das Vergleichbar mit dem klassischen Sofern klinisch vertretbar, kann ein ionisierte Calcium zu untersuchen. Am si- PHPT mit erhöhtem Calcium stellt sich Auslassversuch erwogen werden. Antire- chersten wird dieses mit der Blutgasanalyse auch beim normocalciämischen PHPT je sorptive Substanzen wirken sehr lange: Bei ermittelt, was aus präanalytischen Grün- nach Symptomatik die Frage nach chirur- Bisphosponaten ist eine Medikamenten- den im niedergelassenen Bereich kaum re- gischer oder medikamentöser Therapie. pause von 12–24 Wochen und bis zu einem alisierbar ist. Alternativ kann das Gesamt- Sekundäre Ursachen zeigen häufig Jahr notwendig, bevor sich PTH normali- calcium mithilfe der Albuminkonzentra- niedrig normale Calciumwerte und sind siert. Bei Denosumab, das auch zu höheren tion korrigiert werden. auszuschließen, bevor die Diagnose des PTH-Werten führen kann, beträgt diese Da ein klassischer primärer Hyper- NC-PHPT gestellt werden darf: Pause 7–9 Monate. parathyreoidismus (PHPT) durch wech- VITAMIN D-MANGEL CALCIUM-MALABSORPTION UND selnd hohe Calciumwerte gekennzeichnet VERMINDERTE CALCIUMAUFNAHME ist, wird vermutet, dass es sich beim NC- Der Vitamin D-Mangel ist die häufigste PHPT um eine Sonderform des klassischen Ursache einer sekundär bedingten Para- Bei Darmerkankungen, Bypass-OP oder PHPT handeln könnte. Es wird empfohlen, thormon-Erhöhung und ist durch die Be- Lipidmalabsorption kann PTH ebenfalls eine Verlaufskontrolle durchzuführen, um stimmung von 25-OH-Vitamin D leicht ve- erhöht sein. Typischerweise besteht dann einen etwaigen Anstieg des Calciums zu er- rifizierbar. 25-OH-Vitamin D-Werte un- ein Vitamin D-Mangel mit niedrigem bis kennen. Auch andere pathophysiologische ter 20 ng/ml zeigen eine Insuffizienz oder normalem Calcium und Hypocalciurie. Hypothesen werden diskutiert. einen Mangel an. Unter Substitution sind Auch ein alimentär bedingter Calcium- Die Daten zur Prävalenz des NC- Vitamin D Werte sicher oberhalb 20 ng/ml mangel ist möglich. PHPT sind uneinheitlich und reichen von anzustreben und nach 3 Monaten können IDIPATHISCHE HYPERCALCIURIE 0,4 bis 8,9 %. In einem unselektiven Kol- PTH und Calcium erneut bestimmt werden. lektiv von gesunden postmenopausalen Studien der letzten Jahre konnten nach- CHRONISCHE NIERENINSUFFIZIENZ Frauen betrug der Anteil eines normocalci- weisen, dass eine idiopathische Hypercalci- ämischen primären Hyperparathyreoidis- Eine weitere Ursache für ein erhöhtes urie (> 4 mg/kg/die) keine sekundäre Ursa- mus 6 % nach Ausschluss eines Vitamin D- PTH ist die chronische Niereninsuffizienz, che für erhöhtes PTH darstellt. Allerdings Mangels, Niereninsuffizienz und Malab- d. h. die berechnete GFR liegt über 3 Mo- kann bei Patienten mit primärem Hyper- sorption! nate unter 60 ml/min. Bei solch einer GFR parathyreoidismus postoperativ eine Hy- Patienten mit NC-PHPT können sollte die Diagnose eines NC-PHPT nicht percalciurie bestehen bleiben und durch ähnliche Symptome wie bei einem klassi- gestellt werden. den permanenten Stimulus zu einer Hyper- schen PHPT entwickeln: Osteoporose, er- plasie der Nebenschilddrüse mit erhöhtem MEDIKAMENTE höhte Frakturbereitschaft, Nierensteine, PTH führen. S auffällige Glukosetoleranz und Hypertonus Folgende Medikamente sind häufig mit sowie neuropsychiatrische Symptome wie moderaten PTH-Erhöhungen vergesell- Depressionen und Angststörungen sind schaftet: Literatur: beschrieben. Oft werden Patienten mit 1. Munoz de Nova JL et al. A practical approach to Schleifendiuretika normocalcemic primary hyperparathyroidism, NC-PHPT erst bei Abklärung von Nieren- Bisphosphonate Endocrine 2021 Nov; 74(2):235–244. steinen oder metabolischen Knochener- 2. Cusano NE et al. Management of Normocalce- Denosumab krankungen entdeckt. mic Primary Hyperparathyroidism. Antiepileptika Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2018 Lithium Dec; 32(6):837–845 magazin 03/2022 | 7
Endokrine Nebenwirkungen bei Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren in der Onkologie – Labordiagnostik Tumorzellen tragen durch Mutationen veränderte Oberflächeneigenschaften. Diese Neoantigene sollten prinzipiell von der Immunabwehr als fremd erkannt und die Zellen von den zytotoxischen T-Zellen eliminiert werden. Körpereigene Regulatoren bremsen diesen Mechanismus, um eine überschießende Immunantwort und auch Autoimmunphänomene zu vermeiden. Die onkologische Immuntherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren soll diese Unterdrückung der natürlichen Immunantwort verhindern und so die Tumorabwehr stärken. Dr. med. Anja-Britta Sundermann Checkpoint-Inhibitoren setzen an den Kontrollpunk- Bei den immunassoziierten endokrinologischen ten des Immunsystems für die Interaktion zwischen Nebenwirkungen sind, abhängig von den angewende- Antigen-präsentierenden Zellen, zytotoxischen T-Zel- ten Substanzen, die Autoimmunthyreopathie (4–16 %) len und Tumorzielzellen an. Sie sind Antikörper ge- und die Hypophysitis (0,1–18 %) häufig zu finden, sel- richtet vor allem gegen den CTLA4-Rezeptor (cy- tener eine Autoimmunadrenalitis (0,7–8 %) oder ein totoxic T-lymphocyte associated protein 4) und PD- autoimmuner Diabetes mellitus (0–7,6 %). Häufig ist 1-Rezeptor (programmed cell death protein 1) der die Symptomatik unspezifisch. zytotoxischen T-Zelle und dessen Liganden PD-L1 auf Die Autoimmunthyreopathie kann symptoma- der zu eliminierenden Zelle. Checkpoint-Inhibitoren tisch als Hypothyreose auftreten, die Bestimmung von verhindern so die Unterdrückung der zytotoxischen erhöhtem TSH und niedrigem freien T4 hilft dabei zur T-Zell-Aktivität. Die Therapie findet Anwendung u. a. Unterscheidung einer primären Hypothyreose von ei- bei malignen Melanomen, nicht kleinzelligen Lungen- ner bei der Hypophysitis möglichen sekundären Hy- karzinomen, Nierenzell- bzw. Urothelkarzinomen und pothyreose mit inadäquat niedrigem bis erniedrigtem Hodgkin-Lymphomen. TSH-Wert. Im Rahmen einer destruierenden Thyre- Die das Immunsystem stimulierenden Effekte er- oiditis kann auch eine initial hyperthyreote Phase vo- zeugen unter Therapie bei bis zu 80–95 % der Patienten rangehen. Zur Abgrenzung eines durch Immunthera- Autoimmunphänomene, insbesondere bei Kombinati- pie ausgelösten M. Basedow dient die Bestimmung der onstherapien der Inhibitoren. Diese Nebenwirkungen TSH-Rezeptor Autoantikörper (TRAK). (immune-related adverse events, irAEs) können sämt- Eine Hypophysitis, welche bei Nichterkennen le- liche Organsysteme betreffen, z. B. als Colitis, Pneu- bensbedrohlich verlaufen kann, ist u. a. von Abgeschla- monitis oder Hepatitis imponieren sowie Haut und genheit, Kopfschmerz, Hypotonie und Hyponatriämie ZNS befallen. Die Ausprägung reicht von leichter bis gekennzeichnet. Folge einer Hypophysitis ist die In- lebensbedrohlicher Symptomatik und die Erkennung suffizienz der hypohysären Achsen, am häufigsten ist ist diagnostisch komplex, da sich z. B. trotz autoimmu- die thyreotrope Achse (84 %), gefolgt von der kortiko- ner Phänomene Autoantikörper oft nicht nachweisen tropen Achse (80 %), der gonadotropen Achse (76 %), lassen. Der Beginn der Symptome kann, auch in Ab- seltener die somatotrope Achse betroffen. Die Bestim- hängigkeit der angewendeten Inhibitoren, relativ zeit- mung von Natrium, Kalium, idealerweise morgend- nah nach Therapiebeginn oder nach Monaten der lau- lichem Nüchternkortisol und ACTH sind neben der fenden Therapie bis hin zu Auftreten nach Therapie- Bestimmung der Gonadotropine (LH, FSH) und Tes- ende vorkommen. tosteron beim Mann sowie FSH bei der postmenopau- Literatur: 1. Mai K, Fassnacht M, Führer-Sakel D, Honegger JB, Weber MM, Kroiss M. The diagnosis and management of endocrine side effects of immune checkpoint inhibitors. Dtch Arztebl Int 2021; 118: 389–96 2. Braun GS, Kirschner M, Rübben A, Wahl RU, Amann K, Benesova K, Leipe J. Nebenwirkungen neuer onkologischer Immuntherapien. Nephrologe 2020;15:191–204 8 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
LABORDIAGNOSTIK VOR UND UNTER IMMUNCHECKPOINT-INHIBITOR-THERAPIE Glukose, Natrium, Kalium, Kreatinin TSH, FT4 (ggf. initial TRAK) Kortisol, ACTH Testosteron (ggf. LH, FSH) FSH (postmenopausal) LH, FSH, Östradiol (prämenopausal, bei unregelmäßigem Zyklus) salen Frau und LH, FSH und Östradiol bei der präme- Polyurie, Polydipsie und Gewichtsverlust auf. Hypo- nopausalen Frau angeraten (letztere bei regelhaftem glykämie, niedriges C-Peptid und häufig auch Nach- Zyklusgeschehen verzichtbar). weis von GAD- und IA2-AK sind zu finden. Die Be- Eine primäre Nebennierenrindeninsuffizienz lässt stimmung von HbA1c ist hierbei nicht zielführend. So sich durch erhöhte ACTH-Werte von der sekundär sollte vor Beginn einer Therapie mit Immuncheck- durch Hypophysitis bedingten Insuffizienz unterschei- point-Inhibitoren die Anamnese mit Trinkmenge und den. Auch sind hier erniedrigte Werte für Aldosteron Blutdruck sowie ein Status quo der Labordiagnostik er- und DHEAS bei erhöhtem Renin hinweisend. hoben werden und in der Folge vor jeder Applikation Der seltenere, jedoch fulminant auftretende Im- wiederholt werden, um die Entwicklung der Immu- muntherapie-induzierte Diabetes mellitus tritt durch nantwort mit den auftretenden Nebenwirkungen bei Insulinmangel mit den typischen Symptomen einer oft unspezifischer Symptomatik nicht zu übersehen. S magazin 03/2022 | 9
Dihydropyrimidin- Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD)-Testung (DPD)-Testung vor Einsatz von 5-Fluorouracil-, Capecitabin- und Tegafur-haltigen Medikamenten Fluoropyrimidine werden als Chemotherapeutika zur Behandlung von einer Vielzahl von Tumoren, darunter Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen-, Magen- sowie Brustkrebs meist in Kombination mit anderen Arzneimitteln angewendet. Das Enzym DPD ist zu 80 % für die Verstoffwechslung des Chemotherapeutikums 5-Fluorouracil (5-FU) und dessen Prodrugs Capecitabin und Tegafur verantwortlich und wird vom Dihydropyrimidin-Dehydrogenase- Gen (DPYD-Gen) kodiert. Dr. med. Athanasios Vergopoulos Dem DPD-Mangel liegen Varianten im DPYD-Gen dizinische Onkologie (DGHO) die prätherapeutische zugrunde, die zu einer DPD-Defizienz führen. Diese Uracil-Messung (tiefgefrorenes EDTA-Plasma) sowie können zur Anreicherung von Fluorouracil im Blut die Bestimmung der DPD-Aktivität in Leukozyten (in führen und mit einer schweren bis tödlichen Toxizität Deutschland derzeit keine Routineuntersuchung) als (Mukositis, Diarrhö, Neutropenie und Neurotoxizi- Alternativen zur genetischen Analyse genannt werden. tät) einhergehen. Der DPD-Mangel ist eine autosomal Bei der DPYD-Genotypisierung erfolgt die Un- rezessiv vererbte Erkrankung. Bis zu 9 % der kaukasi- tersuchung auf die vier wichtigsten DPYD-Varianten schen Bevölkerung haben niedrige DPD-Spiegel und (c. 1905 + 1G > A oder Exon 14-Skipping-Mutation bei bis zu 0,5 % fehlt das Enzym ganz. Die Therapie- [DPYD * 2A], c. 1679 T > G [DPYD * 13], c. 1236 G > A assoziierte Letalität liegt bei 0,2–1,0 %. [Hap B3] und c. 2846A >T im Exon 22) mittels PCR und Kapillarelektrophorese entsprechend den aktuell EMPFEHLUNGEN ZUR DPD-TESTUNG gültigen Empfehlungen der CPIC (Clinical Pharma- Laut einer Empfehlung des Ausschusses für Risiko- cogenetics Implementation Consortium) und DPWG bewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) (Dutch Pharmacogenetics Working Group). Eine aus- der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sollen reichende Evidenz für eine Assoziation mit vermin- Patienten auf das Fehlen bzw. den partiellen Mangel derter DPD-Enzymaktivität und Toxizität besteht nur des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) für diese vier Varianten. getestet werden, bevor sie eine systemische Krebsbe- Eine pharmakogenetische Untersuchung mit handlung mit Fluorouracil-haltigen Arzneimitteln be- dem Ziel einer Optimierung der Arzneimitteltherapie, ginnen. wie im konkreten Fall, stellt eine diagnostische gene- Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) tische Untersuchung dar. Die Aufklärung über diese der EMA hat die Empfehlung des PRAC bestätigt und Untersuchung muss durch einen Arzt erfolgen, ist aber das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- nicht an eine dezidierte genetische Beratungskompe- dukte (BfArM) die Entscheidung umgesetzt. Diese tenz, etwa die fachgebundene genetische Beratung ge- Empfehlungen sind Bestandteil der Fachinformatio- bunden. Wird eine klinisch relevante DPYD-Variante nen der betroffenen Arzneimittel, und Rote-Hand- gefunden, ist dem Patienten eine genetische Beratung Briefe mit entsprechenden Hinweisen sind bereits vor- anzubieten. handen. Die o. g. Varianten sind für bis 30 % der zum Teil schweren 5-FU-toxischen Nebenwirkungen verant- DIAGNOSTIK VOR THERAPIEBEGINN wortlich. Trotz negativer Testergebnisse für einen Die Untersuchung auf einen DPD-Mangel kann durch DPD-Mangel kann es dennoch zu einer schweren To- die Untersuchung bestimmter Mutationen im DPYD- xizität kommen. Umgekehrt kommt es nicht bei allen Gen erfolgen (EDTA-Blut und Einwilligung zu geneti- Merkmalsträgern zu einer Toxizität. Beispielsweise schen Untersuchungen nach GenDG, Kassenleistung). wird bei nur ca. 50 % der Patienten mit der wichtigsten Aktuell ist diese molekulargenetische Testung als Mutation (Exon 14-Skipping-Mutation) eine 5-FU- Methode der Wahl zu betrachten, wenngleich laut EMA Toxizität gesehen. Es gibt mindestens 20 funktionell oder Deutscher Gesellschaft für Hämatologie und Me- bedeutsame Mutationen des DPYD-Gens. Andere sel- 10 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
-Dehydrogenase TDM WÄHREND DER THERAPIE 5-FU wird zu 80 % durch DPD verstoffwechselt. Ein negatives Ergebnis der genetischen DPYD-Diagnos- tik kann eine 5-FU-Toxizität nicht ganz ausschlie- ßen. Weitere genetische und nichtgenetische Fak- toren könnten eine Rolle spielen. Das heißt, dass engmaschige Blutbildkontrollen bei Gabe von Flu- tene Varianten des DPYD-Gens könnten ebenfalls mit orouracil-haltigen Medikamenten weiterhin unent- einem erhöhten Risiko schwerer Toxizität assoziiert behrlich sind. Parallel dazu kann die 5-FU-Spiegelbe- sein. Eine anschließende DPYD-Sequenzierung bzw. stimmung (Serum, frühestens 6 Stunden nach Beginn Deletionssuche mit MLPA ist bei Bedarf in ausgewähl- der Infusion, taggleicher Laboreingang) erfolgen. Die ten Fällen möglich. therapeutische Überwachung (Therapeutic Drug Mo- VOM GENOTYP ZUR DOSIS nitoring, TDM) von 5-Fluorouracil kann zur optima- len Einstellung der Dosierung beitragen und somit die Eine inzwischen gängige Einteilung klassifiziert die klinischen Ergebnisse verbessern. S metabolische Aktivität von DPD abhängig vom Geno- typisierungsergebnis in einen Aktivitätsscore von 0–2. Mittlerweile gibt es bereits Aktivitätsscore-gesteuerte EMPFOHLENE DIAGNOSTIK VOR Dosierungsempfehlungen vom CPIC und der DPWG THERAPIEBEGINN: sowie von der DGHO. Krebspatienten mit vollständigem DPD-Man- DPYD-Genotypisierung gel dürfen nicht mit 5-Fluorouracil, Capecitabin oder EDTA-Vollblut und Einwilligung zu genetischen Tegafur systemisch behandelt werden. Bei partiel- Untersuchungen nach GenDG lem DPD-Mangel sollte eine um mindestens 50 % re- duzierte Anfangsdosis erwogen werden. Die Dosie- DIAGNOSTIK ZUR THERAPIE-ÜBERWACHUNG: rung kann nachfolgend erhöht werden, wenn keine schwerwiegende Toxizität vorliegt. Vor Beginn ei- Blutbildkontrollen ner Behandlung schwerer Pilzinfektionen mit Flucyto- EDTA-Vollblut sin ist kein Test erforderlich, da die Behandlung nicht verzögert werden sollte. Bei bekanntem DPD-Mangel 5-FU-Spiegelbestimmung darf kein Flucytosin angewendet werden. Bei topischer Serum, taggleicher Laboreingang Anwendung von Fluorouracil auf der Haut ist die Tes- tung nicht notwendig. Literatur: 1. The Pharmacogenomics Knowledge Base (http://www.pharmgkb.org). 2. Rote Hand Brief zu 5-Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur vom 4. Juni 2020 3. Rote Hand Brief zu Flucytosin vom 4. Juni 2020 4. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie. Positionspapier Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD)- Testung vor Einsatz von 5-Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur. Juni 2020 5. Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG. Bundesgesundheitsbl 2017; 60:472–475 6. Amstutz et al. Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium (CPIC) Guideline for Dihydropyrimidine Dehydrogenase Genotype and Fluoropyrimidine Dosing: 2017 Update. Clin Pharmacol Ther. 2018; 103(2): 210–216 7. Henricks et al. DPYD genotype-guided dose individualisation of fluoropyrimidine therapy in patients with cancer, a prospective safety analysis. Lancet Oncol 2018; 19: 1459–67 magazin 03/2022 | 11
Das Labor 28-Magazin ist eine Publikation der Labor 28 Management GmbH Mecklenburgische Str. 28 14197 Berlin Tel.: 030 82093-330 Fax: 030 82093-301 info@labor28.de www.labor28.de Verantwortlich für den Inhalt: Dr. med. Michael Müller (Geschäftsführer) Ausgabe: März 2022 Gedruckt auf 100 % Altpapier aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft
Sie können auch lesen