D SZeitschrift - Schuljahresanfang 2020 - GEW Bayern

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Schuljahresanfang 2020

                                  ?

     Zeitschrift
DDS

     der Gewerkschaft
     Erziehung und Wissenschaft
     Landesverband Bayern

     Oktober
     2020
2   DDS Oktober 2020

    Schuljahresanfang 2020
                                                                                       Klatschen allein
    3     Und jährlich grüßt das Murmeltier                                            reicht nicht! –
          von Ruth Brenner und Johannes Schiller
                                                                                       Infos zur TVöD-Tarifrunde
    5     Gymnasien fehlt die pädagogische Ausrichtung
          von Andreas Hofmann
                                                                                           Die Corona-Krise zeigt der Gesell-
    7     »Ihr habt nichts zu verlieren!«                                              schaft mehr als deutlich, dass auch die Be-
          Erneute Erfolge bei Entfristungsklagen
          von Anna Forstner
                                                                                       schäftigten in der Bildung als systemrelevant eingestuft
                                                                                       werden müssen. Dazu zählen auch die Erzieher*innen und
    8     Die Gefährdungsbeurteilung an bayerischen Schulen                            Sozialpädagog*innen. Vor allem Frauen arbeiten in den
          von Florian Kohl
                                                                                       Kitas, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Behinderten-
    10 Arbeitszeitkonto erhöht die Arbeitsbelastung                                    hilfe etc. Sie sind chronisch unterbezahlt und nehmen eine
          von Kathrin Frieser
                                                                                       enorme Arbeitsbelastung aufgrund schlechter Arbeitsbe-
    11 Start ins Kita-Jahr 2020/21 –                                                   dingungen und eines seit Langem bekannten Fachkräfte-
       Pädagogik in Corona-Zeiten
          von Petra Nalenz                                                             mangels in Kauf. Für viele von ihnen gilt der Tarifvertrag
                                                                                       für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder sie werden an den
    12 Wenn sich Inklusion als Exklusion entpuppt
          von Gele Neubäcker                                                           TVöD angelehnt vergütet.
                                                                                           Seit 1. September laufen die aktuellen TVöD-Tarifver-
    13 Wie kommt das sozialpädagogische Personal durch die                             handlungen. Die GEW fordert zusammen mit den anderen
       Pandemie?
          von Verena Escherich                                                         Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes 4,8 Prozent,
                                                                                       mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt. Und die Ar-
    Was es sonst noch gibt                                                             beitgeber? Bei Redaktionsschluss lag von ihrer Seite noch
                                                                                       nicht einmal ein Angebot auf dem Tisch. Wertschätzung
    15 Homeschooling, das mit Corona nichts zu tun hat                                 geht anders!
          von Thomas Gesterkamp
                                                                                           Die dritte Verhandlungsrunde findet am 22. und 23.
    17 Konzept der »Campus di Monaco –                                                 Oktober statt. Informiert euch, bleibt am Thema dran und
       Internationale Montessorischule München«                                        mischt euch ein!
          von Antonia Veramendi
                                                                                           Infos zum aktuellen Stand der Verhandlungen gibt es hier:
    19 Mädchen* und junge Frauen* reden mit! –
       DEMOKRATIE on tour                                                                  n      TVöD-Schwerpunkt in der aktuellen E&W 10/2020
          von Rosanna Müller                                                               n      gew.de/troed2020
    20    Berichte                                                                         n      gew-bayern.de/tarif/tvoed2020
          - Sommerseminar der AG Perspektiven:                                             Willst du immer auf dem Laufenden sein, kannst du
            Neu(artig)er Virus – neue Krise(n) – neuer Korporatismus?                  dich auch beim sogenannten Tariftelegramm der GEW an-
          - Kritik an Intransparenz und verantwortungslosem Handeln                    melden: gew.de/tariftelegramm-tvoed
                                                                                                                                Dorothea Weniger
    Rubriken
    21    GEW und Medien                                                                                   Hinweis der Rechtsstelle
    22    Geburtstage und Jubiläen
    23    Veranstaltungen                                                              Ab sofort neue Telefonnummer der Rechtsberatung:
    24    Kontakte                                                                                                    089 544081-25
                                                                                            für GEW-Mitglieder • Mo und Do von 13.00-16.00 Uhr
         Liebe Kolleg*innen,                                                                        Bitte Mitgliedsnummer bereithalten!
                                                                                          Hinweis: Wenn während der Sprechzeiten keine Verbindung
         wegen der dynamischen Situation hinsichtlich des In-
                                                                                              zustande kommt, ist der Anschluss gerade besetzt.
         fektionsschutzes und ihren Auswirkungen können gba-
         Seminare im Moment leider nur mit wenig Vorlauf und
         per E-Mail an GEW-Mitglieder ausgeschrieben werden.                           Impressum:

         Bitte achtet deshalb bei Interesse darauf, dass der Mit-                      DDS • Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im DGB, Landesverband Bayern
                                                                                       Geschäftsstelle: Schwanthalerstr. 64, 80336 München,  089 5440810
         gliederverwaltung eure aktuelle Adresse vorliegt und                          E-Mail: info@gew-bayern.de • gew-bayern.de • facebook.com/GEWBayern/
         teilt diese doch im Zweifelsfall gerne nochmals mit an:                       Redaktionsleiterin: Dorothea Weniger, Schwanthalerstr. 64, 80336 München
                                                                                       E-Mail: dorothea.weniger@gew-bayern.de
         mitgliederverwaltung@gew-bayern.de                                            Redaktionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Verena Escherich, Wolfgang Häberle, Hannes
                                                                                       Henjes, Karin Just, Petra Nalenz, Gele Neubäcker, Magnus Treiber, Chrissi Wagner, Wolfram Witte
                                                           Christiane Fuchs            Gestaltung: Karin Just
                                                                                       Bildnachweis: (soweit nicht beim Foto berücksichtigt): Titel: imago images / Michael Weber
                        Koordinatorin der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit            Druck: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München 089 5029994
                                                                                       Anzeigenannahme: nur über die Redaktionsleitung
                                                                                       Anzeigenverwaltung: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München
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     Deine Mitgliedsdaten (Adresse, Bankverbindung, Eingruppierung, Beschäf-
                                                                                       Mit Namen oder Namenskennzeichen gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der betref-
     tigungsart, Teilzeit, Erziehungsurlaub, Arbeitsstelle ...) haben sich geändert?   fenden Verfasser*innen dar und bedeuten nicht ohne Weiteres eine Stellungnahme der GEW
     Dann kannst du diese online unter gew-bayern.de/anmeldung selbst aktuali-         Bayern oder der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Druckschriften wird keine
     sieren. Dort findest du auch deine Beitragsbescheinigung für das Finanzamt.       Gewähr übernommen. Bei allen Veröffentlichungen behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Der
     Du kannst deine Änderungsmitteilungen aber auch weiterhin postalisch              Bezugspreis ist für GEW-Mitglieder des Landesverbandes Bayern im Mitgliedsbeitrag inbegriffen. Der
     an die Geschäftsstelle der GEW Bayern senden oder dich per E-Mail an die          Bezugspreis für Nichtmitglieder beträgt jährlich 21 EUR zuzüglich Porto, der Preis der Einzelnummer
     GEW-Mitgliederverwaltung wenden: mitgliederverwaltung@gew-bayern.de               2,50 EUR zuzüglich Porto.
     Grundsatz aller Gewerkschaften: Wer weniger verdient, zahlt weniger               Die DDS erscheint monatlich mit Ausnahme der Monate Januar und August.
     Beitrag (wenn es uns mitgeteilt wird!). Der Rechtsschutz wird nur gewährt,        Adressenänderung: Ummeldungen bitte an die Landesgeschäftsstelle der GEW.
     wenn der satzungsgemäße Beitrag entrichtet wurde.                                 Redaktions- und Anzeigenschluss: jeweils am 6. des Vormonats.
DDS Oktober 2020   3

Und jährlich grüßt das Murmeltier

                                            Foto: imago images / Roland Mühlanger

    Konzeptlosigkeit beim Skandal des       erreicht. In manchen Bereichen kön-        grüßt das Murmeltier«, und irgend-
Lehrkräftemangels --- Teamlehrkräfte        nen zwei Drittel der freien Stellen        wann ist es tot.
sind nicht ausgebildet und lösen das        nicht mit voll ausgebildeten Lehrkräf-
Problem nicht --- Das Personal an den       ten besetzt werden! Das System droht          Die Lehrkräfte
Schulen mit Lehrkräftemangel soll die       »an die Wand zu fahren« – und diese           an Schulen mit
Misere durch noch schlechtere Bedin-        Situation hatten wir bereits die letzten      Lehrkräftemangel
gungen ausbaden --- Die Defizite beim       Jahre, also vor Corona. Die Pandemie          baden die Misere aus
Arbeits- und Gesundheitsschutz wur-         verschärft den Lehrkräftemangel noch
den in der Corona-Krise noch deutli-        einmal: Lehrer*innen, die einer Risi-          Das Kultusministerium versucht die
cher und verschärfen diese --- UND:         kogruppe angehören, fallen für den         Lücken in der personellen Versorgung
Der Nachholbedarf bei der Digitali-         Präsenzunterricht aus. Es ist von mehr     mit Teamlehrkräften, Zweitqualifiziere-
sierung wurde in der Krise der letzten      als 6.000 Betroffenen die Rede – dafür     r*innen, pensionierten Lehrer*innen
Monate unübersehbar --- Leider keine        sollen angeblich 800 Teamlehrkräfte        (und das in Zeiten von Corona!) und
besseren Nachrichten ---                    eingestellt werden. Insgesamt muss         sogenannten Drittkräften zu füllen.
                                            festgestellt werden, dass das Kultusmi-    Die Erfahrungen der letzten Jahre zei-
   Kultusminister Piazolo verkündete        nisterium und die Staatsregierung im       gen, dass das nicht gelingen wird. Im
in der Pressekonferenz zum Schuljah-        Bereich Bildungspolitik auf allen Ebe-     Arbeitsalltag zeigen sich neue Belas-
resbeginn, dass es gegenüber dem letz-      nen versagen. Neben nichtssagenden         tungen: Fachfremde Kolleg*innen müs-
ten Schuljahr weniger Schüler*innen         »Plauder«-Pressekonferenzen werden         sen aufwendig eingearbeitet werden,
und mehr Lehrkräfte gäbe. Mit dieser        medienwirksame Schul- und Digitalisie-     zunehmende Ausfälle wegen Erkran-
Aussage gaukelt er eine Entspannung         rungsgipfel abgehalten, aber die Ergeb-    kungen führen zum Aufteilen von ver-
bei dem Problem »Lehrkräfteman-             nisse dieser Veranstaltungen liegen bei    waisten Klassen, notwendige Doppel-
gel« vor. Dies gilt ganz sicher nicht für   fast null. Braucht man für die Entschei-   besetzungen werden gestrichen. Statt
Grund-, Mittel- und Förderschulen.          dung »9 Tage Maskentragen« einen           in dieser Situation an die Gesundheit
                                            Schulgipfel? Was wir bräuchten, wären      der Kolleg*innen zu denken und Ent-
   Aus Mangel                               endlich Transparenz (z. B. zur Personal-   lastungen zu ermöglichen, zog das Kul-
   wird Turbomangel                         situation, zum Unterrichtsausfall usw.)    tusministerium die Daumenschrauben
                                            und entsprechend lösungsorientiertes       mit dem »Piazolo-Paket« noch an: ver-
   Dort hat der Mangel an Lehrkräf-         Handeln! Es muss endlich etwas pas-        längerte Lebensarbeitszeit, eine Wo-
ten inzwischen dramatische Ausmaße          sieren, ansonsten bleibt‘s bei »jährlich   chenschulstunde mehr und eine hohe
4   DDS Oktober 2020

    Mindestteilzeit. Damit wird eine fort-     den Kollegien oder aus der Elternschaft    dungsschere öffnete sich ein weiteres
    schreitende Verschärfung der Arbeits-      sogenannte Hygienebeauftragte zur          Mal massiv.
    bedingungen an den Schulen in Kauf         Bewältigung dieser Aufgaben benannt            Daher die Forderungen der GEW
    genommen.                                  werden. Lai*innen für medizinische         Bayern zu diesen Themen:
       Diese Maßnahmen schlägt die GEW         Fachaufgaben. Unglaublich!                 n Dienstgeräte für alle bayerischen
    vor:                                           Die Forderungen der GEW Bayern             Lehrkräfte für den datenschutzkon-
    1. Übernahme aller Gymnasial- und          bei diesem Thema:                              formen Onlineunterricht.
       Realschullehrkräfte ins Beamt*in-       n Für jede Schule müssen umgehend          n Alle Schüler*innen müssen auch im
       nenverhältnis mit A 13. Einsatz an          Ärzt*innen und Fachkräfte für Ar-          Onlineunterricht erreicht werden:
       Gymnasien bzw. Realschulen oder             beitssicherheit benannt werden,            Daher muss arbeitsrechtlich dafür
       eben auch an Grund-, Mittel- und            die die Schulleitungen bei der Um-         Sorge getragen werden, dass be-
       Förderschulen – statt nicht pädago-         setzung von Hygieneplänen bera-            rufstätigen Eltern gegebenenfalls
       gisch ausgebildete Teamlehrkräfte           tend unterstützen.                         die bezahlte Freistellung von ihrer
       bzw. Drittkräfte einzustellen.          n Mund-Nase-Bedeckungen werden                 Arbeit gewährt wird, damit sie ihre
    2. Den Lehrer*innenberuf attraktiver           zu Schuljahresbeginn für Schüle-           Kinder beim Onlineunterricht un-
       machen: A 13 als Eingangsbesoldung          r*innen und Lehrer*innen verbind-          terstützen können.
       für alle Lehrer*innen, so wie dies          lich angeordnet. Daher müssen die-     n Unterstützung von Kindern und Ju-
       inzwischen in zahlreichen anderen           se von den Sachaufwandsträgern             gendlichen beim Onlineunterricht
       Bundesländern geschehen ist. Auf-           zur Verfügung gestellt werden.             sicherstellen; wenn dies Eltern
       stiegsmöglichkeiten wie an den              Für Kolleg*innen über 60 sowie             nicht können, könnte die Unter-
       Gymnasien für alle Lehrämter.               Beschäftigte und Schüler*innen,            stützung z. B. durch die Jugendhilfe
       Bessere Bezahlung für Fach- und             die einer Risikogruppe angehören,          erfolgen.
       Förderlehrer*innen, heilpädagogi-           müssen FFP2-Masken bereitlie-          n Sicherstellen, dass alle Schüler*in-
       sche Förderlehrer*innen, heilpäda-          gen.                                       nen sowohl mit Internetanschlüssen
       gogische Unterrichtshilfen und für                                                     als auch mit Endgeräten ausgestat-
       Werklehrer*innen.                          Nachholbedarf                               tet sind, um sich am Onlineunter-
    3. Sofortige, ausreichende Erhöhung           beim Thema                                  richt beteiligen zu können.
       der Zahl der Studienplätze für alle        »Digitalisierung«                       n Videoplattform für den Onlineun-
       betroffenen Lehrämter.                                                                 terricht auf eigenen Servern bereit-
    4. Eine weitreichende Reform der               Lehrer*innen und Schüler*innen             stellen, z. B. BigBlueButton, damit
       Lehrkräfteausbildung.                   mussten während der Pandemie von               Schüler*innen- und Lehrer*innen-
    5. Eine vorübergehende Reduzie-            einem Tag auf den anderen auf Dis-             Daten sicher sind.
       rung der Stundentafel, um für alle      tanzunterricht via Internet umschalten.    n Fortbildungen für Lehrkräfte im Be-
       Schüler*innen flächendeckend qua-       Viele Kolleg*innen brachten sich hier          reich der Digitalisierung intensivie-
       lifizierte Bildungsangebote zu si-      hervorragend ein und unterrichteten            ren; Arbeitszeit dafür zur Verfügung
       chern und um zu verhindern, dass        ihre Schüler*innen täglich auf verschie-       stellen.
       Unterricht immer mehr zum bloßen        densten Plattformen – in der Regel mit         Ministerpräsident Söder kündigte
       Beaufsichtigen von Schüler*innen        ihren privaten Geräten. Die bayerische     beim Digitalisierungsgipfel im Juli 2020
       verkommt.                               Plattform »Mebis« war anfangs dem          ein »Mebis 2.0« mit integrierter Video-
    6. Einrichtung einer Arbeitsgruppe         plötzlichen Ansturm nicht gewachsen.       plattform an. Minister Piazolo sprach in
       »Lehrkräftemangel«, die die Situ-       Eine datenschutzkonforme Plattform         seiner Pressekonferenz zum Schuljah-
       ation analysiert und kurz-, mittel-     für Videokonferenzen stand nicht zur       resanfang von einem geplanten »Mebis
       und langfristige Lösungen erarbei-      Verfügung. Deshalb hat das Kultusmi-       tube«. Bisher ist diesbezüglich nichts
       tet.                                    nisterium nach ein paar Wochen MS          geschehen.
                                               Teams über die bayerischen Schulen             Leider keine besseren Nachrichten!
       Defizite beim                           (außer Grundschule) ausgerollt, mit
       Arbeits- und                            allen bedenklichen Konsequenzen: MS
       Gesundheitsschutz                       Teams funktioniert zwar in der Regel
                                               hervorragend, unterliegt aber der ame-                       von Ruth Brenner
        Wo Kollegien fachliche Expertise       rikanischen Gesetzgebung. D. h. die                          Mitglied im Hauptpersonalrat
    durch Betriebsärzt*innen und Fach-         amerikanischen Geheimdienste haben                           Gruppe der Lehrer*innen an
                                                                                                            Grund- und Mittelschulen
    kräfte für Arbeitssicherheit beim Er-      theoretisch Zugriffsrecht auf die Daten
    stellen von Hygieneplänen und Gefähr-      von Kindern, Jugendlichen und Lehr-
    dungsbeurteilungen benötigten, stand       kräften.
                                                                                                                         und
    an den meisten Schulen niemand zur             Es zeigte sich auch, dass etliche
    Verfügung. Gerade einmal zwei Be-          Schüler*innen via Internet nicht zu er-
                                                                                                 Johannes Schiller
    triebsärztinnen gibt es in Bayern für      reichen waren, weil sie entweder die
                                                                                          Mitglied im Hauptpersonalrat
    120.000 Lehrkräfte. Auch das vor über      technischen Voraussetzungen dazu            Gruppe der Lehrer*innen an
    zwei Jahren angekündigte arbeitsme-        nicht hatten oder weil sie von ihren         Förderschulen und Schulen
    dizinische Institut ist bislang nicht in   Eltern nicht entsprechend unterstützt                        für Kranke
    Erscheinung getreten. Jetzt sollen in      werden konnten. Die Folge: Die Bil-
DDS Oktober 2020   5

Gymnasien fehlt
die pädagogische Ausrichtung
   Die Abiturprüfungen wurden trotz     Datenschutzes, nahmen diese ebenso          Doch das Kultusministerium war
Corona-Krise abgelegt – das Resü-       in Kauf wie die Verknüpfung privater    auf Prüfungen fixiert. Dies zeigte sich
mee könnte also heißen: Im Schuljahr    und dienstlicher Daten durch Apple,     am Gymnasium z. B. beim sogenann-
2019/20 lief an den Gymnasien alles     Microsoft etc.                          ten Probeunterricht, einer dreitägi-
nach Plan. Doch dem ist nicht so. Die       Der trotz Forderung der GEW aus-    gen Prüfung für Schüler*innen der
pandemiebedingten Schulschließun-       gebliebene Ausbau des Informatikun-     4. Klasse, der trotz des kaum statt-
gen zeigten den Gymnasien, wie sehr     terrichts in der Unterstufe und seine   findenden Unterrichts im zweiten
ihnen u. a. die pädagogische Ausrich-   weiterhin fehlende Einführung in der    Schulhalbjahr durchgezogen wurde.
tung fehlt.                             Mittelstufe rächten sich in Corona-     Bessere Karten hatten da die diesjäh-
                                        Zeiten umgehend. Es zeigte sich aber    rigen Abiturient*innen, auch wenn die
     Die Corona-Pandemie zeigte Stär-   auch, dass die Pädagogik am Gymna-      Absage der Klausuren im zweiten Ab-
ken und Schwächen am Gymnasium          sium stärker in den Blick genommen      schnitt der Qualifikationsphase (Q12)
auf. So kommunizierten während den      werden muss. Hätte die bayerische       erst erfolgte, nachdem klar war, dass
Schulschließungen die Lehrer*innen      Staatsregierung im Zuge der Rückkehr    nur eines geht, entweder Klausuren
an sehr vielen Gymnasien gut mit ih-    zum neunjährigen Gymnasium die          oder Abiturprüfungen.
ren Schüler*innen.                      alte und immer wieder neu gestellte
                                        Forderung der GEW nach Einführung          Wie es 2020/21
   Kultusministerielle                  einer Klassenleitungsstunde in der         weitergeht
   Fehler rächten sich                  Unterstufe erfüllt, hätten Lehrkräfte
                                        viele Schüler*innen aufgrund wesent-        Für dieses Schuljahr befürchten
    Allerdings lief der Kontakt auf-    lich adäquaterer organisatorischer      wir, dass die Linie »(Abschluss-)Prü-
seiten der Lehrkräfte oft über deren    und personeller Rahmenbedingungen       fungen gehen vor« weiterverfolgt
private Endgeräte. Das Risiko eines     besser durch das letzte Schulhalbjahr   wird. Überlegungen, inwieweit Lehr-
Dienstvergehens, z. B. bezüglich des    begleiten können.                       pläne bei teilweiser Schulschließung
6   DDS Oktober 2020

    erfüllt werden müssen oder welche                für den regulären Unterricht benötigt.      Mathematik bleiben prinzipiell ver-
    Abstriche an schriftlichen Leistungs-            Oder ist dieses vorausschauende Han-        pflichtende Prüfungsfächer. In einem
    erhebungen gemacht werden dürfen,                deln zu viel verlangt?                      von beiden kann die Prüfung ab 2026
    sind bisher nicht bekannt.                           Im Zusammenhang mit dem In-             auch mündlich erfolgen.
        Es gibt zwar auf der Internetseite           fektionsgeschehen gibt es an weiter-            Neu ist, dass Deutsch durch ein an-
    des Staatsinstituts für Schulqualität            führenden Schulen, insbesondere am          deres Fach ersetzt werden kann, aber
    und Bildungsforschung (ISB) Hinweise             Gymnasium, noch einige spezielle Pro-       nur, wenn man sich in zwei Fremdspra-
    zum Umgang mit den Lehrplänen wäh-               bleme:                                      chen prüfen lässt. Will jemand in Ma-
    rend eines etwaigen rollierenden Un-             n Durch das Kurssystem in der Ober-         thematik nicht geprüft werden, kann
    terrichtssystems.1 Sie verstehen sich                stufe variiert die Zusammensetzung      er*sie »ersatzweise« zwei Naturwis-
    aber nicht als Kürzungsvorgaben. Zen-                der Schüler*innengruppen perma-         senschaften wählen. Diese Wahlmög-
    trale Vorgabe bleibt also das Erreichen              nent.                                   lichkeiten gab es bisher nicht. In einem
    des Niveaus für die Abschlussprüfun-             n Unterricht findet auch in Kernfä-         zuvor sehr starren System bewirken
    gen. Diese Ausrichtung ist nur dann                  chern häufig nicht im Klassenver-       diese Änderungen allerdings nur we-
    sinnvoll, wenn trotz des Infektionsge-               band statt, sondern in Gruppen mit      nig. Es drängt sich vielmehr die Frage
    schehens der Unterricht weitgehend                   Schüler*innen aus mehreren Klas-        auf, warum das Mehr an Auswahl erst
    normal verlaufen kann. Ist das nicht                 sen.                                    für die Prüfungen gilt und nicht schon
    der Fall, bedarf es meiner Einschät-             n Aufgrund des Nachmittagsunter-            in der 12. Jahrgangsstufe bei der Wahl
    zung nach einer grundlegenderen,                     richts und einer erhöhten Ver-          der vertieften Fächer. Die Oberstufe
    veränderten Ausrichtung von Schule.                  weildauer an der Schule, auch au-       bleibt in einem starren Korsett, wenn
        Die individuelle und soziale Ent-                ßerhalb des Unterrichts, sind oft       alle Schülerinnen und Schüler der
    wicklung der Schüler*innen und nicht                 mehr Lehrkräfte gleichzeitig im         Oberstufe Mathematik und Deutsch
    die Bildungsinhalte müssen dann im                   Lehrer*innenzimmer.                     auf erhöhtem Unterrichtsniveau bele-
    Vordergrund stehen, denn letztere las-           n Durch das Prinzip der Fachlehr-           gen müssen. Die Möglichkeiten einer
    sen sich zwar nicht einfach, aber doch               kraft ist der Bedarf am Austausch       individuellen Profilbildung, wie es die
    nachholen. Aufgabe der Lehrkräfte                    zu pädagogischen Themen bezüg-          Kultusministerkonferenz erlaubt, wer-
    gerade auch an den weiterführenden                   lich einer Klasse oder einzelner        den bei Weitem nicht ausgeschöpft.
    Schulen müsste sein, die Kinder und                  Schüler*innen höher.
    Jugendlichen stärker in ihrer Person zu          n Eine Lehrkraft unterrichtet in einer
    unterstützen. Beides gleichzeitig, ein               Woche bis zu zwölf Klassen.
    hoher inhaltlicher Input mit systema-                Diese Aspekte müssen in das Er-
    tischen Rückmeldungen und eine indi-             stellen der Hygieneregeln und der
    viduelle Beratung und Begleitung aller,          Maßnahmen im Falle einer Erkrankung
    dürfte die Belastungsgrenze der Lehr-            eines*r Schülers*in oder einer Lehr-          von Andeas Hofmann
    kräfte übersteigen. Die fehlende päda-           kraft mit einfließen.                                    Gymnasiallehrer
    gogische Ausrichtung des Gymnasiums
    ohne systematische Schulsozialarbeit,               Ausblick auf
    ohne so einfache Strukturen wie Klas-               das Abitur
    senleitungsstunden oder mit Arbeits-                2026
    zeit hinterlegte Tutor*innensysteme
    rächt sich in der jetzigen Krise.                    Am 1. Juli wur-
                                                     de das neue Format
        Jetzt dem Lehrkräfte-                        für das Abitur im
        mangel vorbeugen                             neunjährigen Gym-
                                                     nasium vorgestellt.
        Die Wartelisten für das Lehramt              Dieses gilt für die
    am Gymnasium sind immer noch voll.               Schüler*innen, die im
    Es wäre eine gute Investition in die             Schuljahr 2020/21 in
    Zukunft, wenn jetzt mehr voll ausge-             die 8. Jahrgangsstu-
    bildete Lehrkräfte eingestellt würden.           fe eingetreten sind.
    Sie könnten aktuell den Belastungen              Aufgrund der Corona-
    durch Mehrarbeit, die auch in Arbeits-           Situation fanden die
    zeitstudien nachgewiesen wurden,                 Neuerungen kaum Be-
    entgegenwirken und gleichzeitig die              achtung. Jedoch lohnt
    Folgen der Corona-Pandemie aktuell               sich eine kurze Be-
    und in den nächsten Jahren lindern.              trachtung: Mit drei
    Im Jahr 2025 werden diese Lehrkräfte             schriftlichen und zwei
    sowieso im neunjährigen Gymnasium                mündlichen Prüfun-
                                                     gen ändert sich an der      Auch wenn die beiden Fotos zu diesem Artikel aktuell scheinen,
                                                                                 sie wurden auf einer Demonstration im Februar 2010 zu den Aus-
    1   lernenzuhause.bayern.de/empfehlungen-fuer-
                                                     Anzahl der Prüfungen        wirkungen des G8 gemacht. »G8-Reform« hin oder wieder zurück
        lehrplaene                                   nichts. Deutsch und         zum G9, egal. Die Kultusminister wechseln. Die Probleme bleiben.
DDS Oktober 2020   7

»Ihr habt nichts zu verlieren!«
Erneute Erfolge bei Entfristungsklagen

    Es mag an der etwas anderen Aus-        beitsverhältnis zustande gekommen          onsklassen (BIK) bereits die Hälfte der
gangslage liegen – viele Beschäftigte,      war.                                       Jugendlichen aus anderen EU-Ländern
besonders in der Flüchtlingsbeschu-             Weiterhin kritisierte das Arbeitsge-   kommt. Der Bedarf an Lehrkräften für
lung, sind Quereinsteiger*innen ohne        richt, dass der Befristungsgrund nicht     die Berufsintegration ist also nach wie
Aussicht auf Verbeamtung –, dass be-        nachvollziehbar sei. Lehrkräfte sind       vor hoch. Die teilweise praktizierte Zu-
fristet beschäftigte Lehrkräfte an Be-      beim Freistaat Bayern angestellt. Als      sammenlegung der Klassen für Geflüch-
rufsschulen eher ihre Entfristung ein-      Grund für die mehrmalige Befristung        tete mit denen der Jugendlichen ohne
klagen. Im Juni und Juli waren allein in    der Verträge wurde »Beschulung von         Ausbildungsvertrag (JoAs) sorgt dafür,
der Oberpfalz über acht Lehrer*innen        berufsschulpflichtigen Asylbewerbern       dass in Bayern weiterhin Expert*innen
mit ihren Klagen erfolgreich: Es gab ei-    und Flüchtlingen« angegeben. Der           für »Deutsch als Zweitsprache« (DaZ)
nen Vergleich und ansonsten positive        vorsitzende Richter hatte eine genaue      und »Deutsch als Fremdsprache« (DaF)
Urteile, die auf eine Entfristung des Ar-   Aufstellung des angeblich wechseln-        benötigt werden – und dass gleichzei-
beitsverhältnisses hinausliefen.            den Bedarfs vom Beklagten gefordert.       tig Lehrer*innen für den Berufsfach-
                                            Der Vertreter des Freistaats Bayern        unterricht in vielen Sparten fehlen!
    »Aber wenn ich klage, dann habe         sah sich aber dazu nicht in der Lage.      Genau vor diesem Hintergrund wur-
ich später vielleicht schlechte Karten,     Folglich konstatierte das Gericht: Die     den ab 2015 Hunderte DaZ- bzw. DaF-
wenn es um eine feste Stelle geht.«         Befristung ist sachgrundlos und damit      Lehrkräfte in die Berufsschulen geholt;
Als Personalrätin an                                                                                   unter der Maßgabe,

                                       Wer klagt,
einer     FOSBOS      mit                                                                              dass sie nach spätestens
durchschnittlich zehn                                                                                  fünf bzw. dann nach 3,5
Kolleg*innen mit Halb-                                                                                 Jahren wieder gehen

                                    kann verlieren,
jahres- bzw. Jahresver-                                                                                müssten, sofern sie kein
trag höre ich diesen                                                                                   Staatsexamen haben.
Einwand      regelmäßig,                                                                               In der »Not« waren die

                                   wer nicht klagt,
insbesondere von jun-                                                                                  »Nichterfüller*innen«
gen Lehrer*innen, die                                                                                  also gut genug, jetzt will
wegen ihrer prekären                                                                                   sie der Freistaat (eben-

                                  hat schon verloren!
Verträge Rat suchen.                                                                                   so wie die Kommunen
Sofern Aussicht auf eine                                                                               Nürnberg und Mün-
Planstelle in den kom-                                                                                 chen) wieder loswer-
menden Jahren besteht,                                                                                 den.
scheuen die künftigen                                                                                      Die GEW Bayern sagt
Beamt*innen eine Klage                                                                                 dazu: »So nicht!« – und
gegen den Freistaat.                        nicht gerechtfertigt. Wenn der Arbeit-     Arbeitsgerichte in Bayern bestätigen
                                            geber nicht detailliert und schlüssig      diese Sichtweise ein ums andere Mal
   Eine Watschn für das                     begründen könne, warum ein Bedarf          und entfristen klagende Kolleg*innen.
   Kultusministerium                        an Lehrkräften in ganz Bayern (!) nicht        Traut euch! Wenn ihr Mitglied der
                                            mehr gegeben sei, ist der genannte         GEW seid, bekommt ihr eine Rechtsbe-
    Andere dagegen wagten den               Sachgrund hinfällig. Nur der pauschale     ratung und für den Fall einer aussichts-
Schritt und erzielten nun Erfolge, denn     Hinweis, dass die Zahl der geflüchteten    reichen Klage auch Rechtsschutz. Es
die juristische Vertretung des Kul-         jungen Menschen zurückgehe, reiche         lohnt sich also, denn ein unbefristetes
tusministeriums hatte in der öffentli-      nicht aus. Es müssen zum Zeitpunkt der     Arbeitsverhältnis ist in der heutigen
chen Verhandlung kaum Argumente             Befristung konkrete Prognosen dafür        Zeit nicht zu verachten.
vorzubringen. Die Entscheidung des          vorliegen, warum diese nun endet –
Gerichts fiel entsprechend deutlich         und zwar Prognosen, die nachweisen,
aus. Der vorsitzende Richter wies den       dass die Lehrer*innen nirgendwo in
Arbeitgeber insbesondere auf die            Bayern eingesetzt werden können.
rechtzeitige     Schriftformerfordernis
bei (befristeten) Arbeitsverträgen hin:        Weiterhin hoher Bedarf                       von Anna Forstner
Teilweise wurden die Dokumente erst
                                                                                        Mitglied im Landesvorstand
nach Dienstantritt unterschrieben,             Hier ist aus der Praxis anzumerken,                        der GEW
wodurch bereits ein unbefristetes Ar-       dass aktuell in vielen Berufsintegrati-      Lehrerin an einer FOSBOS
8   DDS Oktober 2020

    Die Gefährdungsbeurteilung
    an bayerischen Schulen

                                                                                                                                  Foto: imago images / Panthermedia

       Die Gefährdungsbeurteilung ist                    und ist gemäß § 5 das zentrale Inst-                      Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu be-
    verpflichtendes Element des Arbeits-                 rument, um Gefährdungspotenziale                          stellen, die ihn beim Arbeitsschutz und
    schutzes und soll die Gesundheit aller               für die Gesundheit der Beschäftigten                      bei der Unfallverhütung unterstützen.
    Personen eines Betriebes garantieren.                frühzeitig zu erkennen und Gegen-                         Das betrifft ausdrücklich auch Bildungs-
    An Bayerns Schulen führt sie eher ein                maßnahmen zu ergreifen.2 So haben                         einrichtungen.4 Dennoch dürfte eine
    Schattendasein – und wird dadurch                    Arbeitgeber*innen »[…] auf der Grund-                     entsprechende Fachkraft bislang kaum
    zum Beleg für mangelhafte Umsetzung                  lage der GBU für eine angemessene                         jemand an Bayerns Schulen zu Gesicht
    gesetzlicher Vorschriften.                           arbeitsmedizinische Vorsorge zu sor-                      bekommen haben. Warum?
                                                         gen.«3 Die Umsetzung wird im Arbeits-
        Die meisten Lehrkräfte kennen die                sicherheitsgesetz (ASiG) konkretisiert:                       Das Dienststellenmodell
    pädagogische Gefährdungsbeurteilung                  Beschäftigte haben Anspruch auf die                           als Sonderweg
    (GBU) als verpflichtende und oftmals                 Betreuung durch Betriebsärzt*innen
    als administrative Schikane empfunde-                und Fachkräfte für Arbeitssicherheit,                         Mit den »Richtlinien über die Ge-
    ne Aufgabe, wenn es um die Planung                   umgesetzt in der Deutschen Gesetzli-                      währleistung eines arbeitsmedizini-
    von Fachunterricht, Exkursionen, Schul-              che Unfallversicherung (DGUV), Vor-                       schen und sicherheitstechnischen Ar-
    landheimen oder Sportveranstaltungen                 schrift 2 vom Januar 2011.                                beitsschutzes« vom 15. Februar 2011
    geht. Die Kommunale Unfallversiche-                                                                            reagierte die bayerische Staatsregie-
    rung Bayern (KUVB) stellt Formulare                      Rechtliche Grundlagen                                 rung auf die DGUV2-Vorschrift.5 Bayeri-
    für Lehrkräfte zur Verfügung und bietet                  durch ArbSchG, ASiG                                   sche Schulen ordnete man der Gruppe
    außerdem eine 25-seitige Broschüre                       und DGUV2                                             der »Bürobereiche« zu, diese benöti-
    mit Arbeitshilfen an.1                                                                                         gen gemäß der Richtlinie keine eigenen
                                                             Dienststellen sind also verpflichtet,                 Fachkräfte, wenn die Schulleitungen
        Zentrales Instrument                             GBUs durchzuführen, um physischen                         entsprechend fortgebildet wurden,
        im Arbeitsschutzgesetz                           und psychischen Schaden von der Be-                       Beratung durch eine entsprechende
        seit 1996                                        legschaft abzuwenden. Beschäftigte                        Fachkraft in Anspruch nehmen können,
                                                         haben ein Recht auf angemessene ar-                       die Durchführung arbeitsmedizinischer
        Der Ursprung der GBU ist aber ein                beitsmedizinische Vorsorge. Der Ar-                       Pflichtuntersuchungen     sicherstellen
    anderer. Sie stammt aus dem seit 1996                beitgeber hat Betriebsärzt*innen und                      und weitere Untersuchungsmöglich-
    gültigen Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
                                                         2   KUVB/LUK: Die pädagogische Gefährdungsbeurtei-
                                                             lung in Schulen; kuvb.de                              4   Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge
    1   Landesamt für Schulsport: Pädagogische Gefähr-   3   Bundesamt für Justiz: Arbeitsschutzgesetz; gesetze-       (ArbMedVV); gesetze-im-internet.de/arbmedvv
        dungsbeurteilung; laspo.de                           im-internet.de/arbschg                                5   DGUV: DGUV Vorschrift 2; dguv.de
DDS Oktober 2020         9

keiten anbieten. Für die Einhaltung der                 und zwei Fachkräften für Arbeitssicher-                 len. Gesundheit ist ein wichtiges Gut
Vorschriften sind für den Schulbetrieb                  heit (mit jeweils einer halben Stelle) für              und nur wer gesund ist, kann seinen
und die Schulorganisation die Schul-                    bayernweit etwa 114.000 staatlich be-                   Bildungsauftrag erfüllen. Da hilft es
leitungen verantwortlich.6 Mit Dienst-                  schäftigte Lehrkräfte an 4.400 Schulen                  auch nicht, dass nach fünf Jahren For-
stellenmodell ist also gemeint, dass im                 unterstützt werden.8                                    schungsprojekt 2018 ein neues ar-
Schulbereich die alleinige Verantwor-                                                                           beitsmedizinisches Institut geplant
tung unter den o. g. Voraussetzungen                        GBU als Pflicht der                                 wurde. Gesundheitsministerin Humls
an die Schulleiter*innen delegiert wird.                    Schulleitung (in Zeiten                             Erkenntnis dazu klingt beinahe höh-
                                                            des Coronavirus                                     nisch: »Insbesondere Lehrkräfte und
    Unterrichten                                            SARS-CoV-2)                                         Schulpersonal stehen im Schulalltag vor
    ist Büroarbeit?                                                                                             vielfältigen gesundheitlichen Heraus-
                                                            Es bleibt, dokumentierte GBUs sind                  forderungen wie Infektionsgefährdun-
    Neben Bibliotheken, Gerichten und                   verpflichtend. Das Forschungsprojekt                    gen oder psychischen Belastungen.«10
Gesundheitsämtern gehören Bayerns                       konkretisiert: Arbeitsbereiche und Tä-                  Das neue Institut sollte Ende 2019 sei-
Schulen zu den »Bürobereichen«. Das                     tigkeiten der Beschäftigten müssen                      nen Betrieb aufnehmen. Hat es bislang
erscheint nicht nur auf den ersten                      erfasst, Gefährdungen ermittelt und                     aber nicht. Laut einer schriftlichen An-
Blick sehr zweifelhaft. Gesundheitli-                   beurteilt, Maßnahmen festgelegt,                        frage im Landtag soll der Aufbau 2023
che Gefährdungen für Lehrkräfte im                      durchgeführt und deren Wirksamkeit                      abgeschlossen sein. Das Dienststellen-
Schulalltag sind umfassend, da ist sich                 überprüft werden.9 In Zeiten, in denen                  modell soll aber bleiben.11
die Fachwelt einig: erhöhtes Risiko für                 der Schulbetrieb zusätzlich durch eine
bestimmte Infektionskrankheiten, Un-                    Pandemie erschüttert wird, ist es ver-                       Gesundheit ist
fallgefährdung bei Sport-, Chemie-,                     antwortungslos, dass Schulleitungen                          mitbestimmungspflichtig
Werkunterricht, Ausflügen und Klas-                     Hygienepläne erarbeiten, Gefährdun-
senfahrten, beim Umgang mit chemi-                      gen durch ein gefährliches und anste-                       Lehrkräfte sind stets darum bemüht,
schen, physikalischen, biologischen                     ckendes Virus ermitteln, Maßnahmen                      die Gesundheit ihrer Schüler*innen zu
Arbeitsstoffen, durch Lärm, stimmliche                  ableiten, unzählige Vorgaben an ihre                    gewährleisten. Pädagogische Gefähr-
Überlastung, Raumluftklima, Rücken-                     Schulen anpassen und die Gesundheit                     dungsbeurteilungen sollen sicherstel-
belastung, viele verschiedene psycho-                   der Menschen an ihren Schulen allein                    len, dass sich Lehrkräfte Gedanken ma-
mentale Belastungen. Gerade die seit                    verantworten.                                           chen und präventiv planen. Doch um
Jahrzehnten immer komplexer wer-                                                                                den eigenen Gesundheitsschutz ist es
denden Anforderungen und die hohe                           Schulleitungen am Limit                             schlecht bestellt. Mit Hilfe zweifelhaf-
Quote an Erkrankungen innerhalb der                         versus hohe Kosten                                  ter Richtlinien windet sich der bayeri-
Kollegien lassen nur einen Schluss zu:                                                                          sche Staat als Arbeitgeber aus der Ver-
»Lehrkräfte benötigen eine qualifizier-                     Man muss es drastisch sagen: Es                     antwortung und spart auf Kosten der
te, interdisziplinär ausgerichtete be-                  gab und gibt im bayerischen Schulwe-                    Gesundheit seiner Mitarbeiter*innen.
triebsärztliche Betreuung […].«7                        sen schlichtweg keine Umsetzung ge-                     Arbeits- und Gesundheitsschutz sind
                                                        setzlicher Vorgaben des Arbeits- und                    zentrale Themen der Betriebs- und Per-
    Beratungen durch                                    Gesundheitsschutzes.        Stattdessen                 sonalratsarbeit – zwingend mitbestim-
    welche Fachkräfte?                                  wurschtelt man sich durch einen Richtli-                mungspflichtige Aufgaben. Sind Be-
                                                        niendschungel. Mit der Eingruppierung                   triebs- oder Personalrat der Meinung,
    2013 initiierte das Kultusministe-                  von Schulen in den Bürobereich und                      dass die Dienststelle ihren Pflichten
rium (KM) ein Forschungsprojekt zum                     der Übertragung der Verantwortung                       nach § 3 und § 4 des Arbeitsschutz-
Arbeitsschutz an Schulen in Zusammen-                   auf die Schulleitungen spart man sich                   gesetzes nicht nachkommt, hat er ein
arbeit mit den Instituten für Arbeits-,                 die Kosten für gesetzlich vorgeschrie-                  Initiativrecht und damit die Aufgabe,
Umwelt- und Sozialmedizin der Universi-                 bene Fachkräfte, überfordert dafür                      diese einzufordern.12
täten München und Erlangen-Nürnberg.                    aber die bereits am Limit arbeitenden
Ziel des ursprünglich auf vier Jahre aus-               Schulleitungen. Es darf gefragt werden:
gelegten Projektes sei die Entwicklung                  Was ist die Gesundheit der bayerischen
eines Modells zur dezentralen arbeits-                  Lehrkräfte wert?
medizinischen Betreuung für Lehrkräf-                                                                                     von Florian Kohl
te und Verwaltungsangestellte in der                        Leistungsstarke Schulen                                                Studienrat
                                                                                                                         im Förderschuldienst
Schulverwaltung. Laut KM sollten durch                      brauchen gesunde                                                  und Personalrat
das Projekt Schulleitungen in Form von                      Lehrkräfte
zwei beratenden Betriebsärzt*innen
                                                           Es braucht tragfähige Konzepte,
                                                        entsprechende Fachkräfte und eine                       10   Bayerische Staatsregierung: Kabinett macht Weg
6   Bayerische Staatskanzlei: Richtlinien über die
    Gewährleistung eines arbeitsmedizinischen und       Gesundheitsvorsorge an allen Schu-                           frei für arbeitsmedizinisches Institut für Schulen;
    sicherheitstechnischen Arbeitsschutzes in der                                                                    bayern.de
    staatlichen Verwaltung des Freistaates Bayern;                                                              11   Bayerischer Landtag: Schriftliche Anfrage 18/6785
    gesetze-im-internet.de                              8   Arbeitsschutz an Schulen; km.bayern.de                   v. 20.12.2019, Antwort v. 17.04.2020; www.bayern.
7   Bayerische Staatskanzlei: Richtlinien zum Vollzug   9   Gesundheitsvorsorge an Schulen in Bayern: Gefähr-        landtag.de
    des Arbeitsschutzgesetzes im öffentlichen Dienst        dungsbeurteilung; www.klinikum.uni-muenchen.        12   Welche Rolle spielt der Betriebsrat im Arbeits-
    des Freistaats Bayern; gesetze-im-internet.de           de                                                       schutz?; bund-verlag.de
10   DDS Oktober 2020

     Arbeitszeitkonto
     erhöht
     die
     Arbeitsbelastung

         Seit 2016 weist die Gewerkschaft      Lehrkräfte an Grundschulen« Stellung                   Lehrkräften an den Grundschulen. Die
     Erziehung und Wissenschaft Bayern         zu nehmen.1 Die Grundschullehrkräf-                    der Gesundheit förderlichen Arbeits-
     (GEW) unermüdlich auf das eklatan-        te, die weniger als ihre Kolleg*innen                  zeitregelungen wie Teilzeit, Antragsru-
     te Problem des Lehrkräftemangels an       an anderen Schularten verdienen und                    hestand oder das Sabbatjahr werden
     Grund-, Mittel- und Förderschulen hin.    zugleich bereits jetzt eine höhere Un-                 gleichzeitig eingeschränkt bzw. ausge-
     Der Personalmangel ist aus Sicht der      terrichtspflichtzeit haben, sollen nun                 setzt. Dies alles geschieht ohne die Be-
     GEW Folge einer verfehlten Planung        die Folgen der verfehlten Personalpla-                 rücksichtigung vorhandener Studien
     des Kultusministeriums.                   nung ausbaden. Im Detail geht mit der                  zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften.
                                               Einführung des Arbeitszeitkontos an                        Die GEW Bayern sprach sich des-
         Im Januar 2020 präsentierte das       Grundschulen eine Stunde Mehrarbeit                    halb folgerichtig gegen die Einführung
     Kultusministerium mit dem sogenann-       pro Woche einher (29 Unterrichts-                      des Arbeitszeitkontos aus, weil bei der
     ten »Piazolo-Maßnahmen-Paket« die         stunden) – fünf Jahre lang (»Anspar-                   aktuell schon gegebenen Überlastung
     vermeintliche Lösung. Daraufhin pro-      phase«). Anschließend arbeitet die                     der Grundschullehrkräfte keine Mehr-
     testierten viele Kolleg*innen lautstark   Lehrkraft drei Jahre lang wieder 28 Un-                arbeit mehr geleistet werden kann.
     gegen die darin geplanten Maßnah-         terrichtsstunden (»Wartephase«). Erst                  Ungeachtet dessen führte das KM mit
     men wie z. B. die Einführung eines        nach acht Jahren wird ihr die Mehrar-                  dem Schuljahr 2020/21 das Arbeits-
     Arbeitszeitkontos, die Erhöhung des       beit wieder zurückgegeben. Fünf Jahre                  zeitkonto als dienstrechtliche Maß-
     Mindestteilzeitmaßes, des Alters für      lang arbeitet sie dann 27 Unterrichts-                 nahme für Grundschulen ein.
     den Antragsruhestand etc. (vgl. DDS       stunden (»Rückgabephase«).
     1-2 und 3/2020).                              Statt Arbeitsentlastungen anzubie-
         Im Juni 2020 wurde die GEW nun        ten, verlangt das Arbeitszeitkonto also
     im Rahmen der Verbändeanhörung            noch mehr Arbeitsleistung von den                          von Kathrin Frieser
     vom KM gebeten, zum »Entwurf ei-                                                                     Mitglied des Landesvor-
     ner Verordnung zur Einführung eines                                                                  stands der GEW Bayern
                                               1   Vgl. Stellungnahme der GEW Bayern: Verpflichten-              Lehrerin an einer
     verpflichtenden Arbeitszeitkontos für         des Arbeitszeitkonto; gew-bayern.de                               Grundschule
DDS Oktober 2020        11

Start ins Kita-Jahr 2020/21 –
Pädagogik in Corona-Zeiten

                                                                                                                Foto: imago images / PicturePoint

    Das letzte Kita-Jahr stand in seiner       Dabei gibt es Alternativen, wie ein            2020« der Bertelsmann-Stiftung fest,
zweiten Hälfte ganz unter dem Zeichen      Blick nach Dänemark zeigt: Dort wur-               dass die Anzahl der nicht kindgerecht
von Corona. Im März schlossen alle Ki-     den die Kindertagesstätten bereits am              betreuten Kinder in Bayern je nach Kri-
tas. Dies stellte das pädagogische Per-    15. April wieder geöffnet, allerdings              terium mit 65 Prozent und mehr (67
sonal, die Träger und Familien vor neue    unter strengen Auflagen. Jedes Kind                Prozent der Kitas ohne kindgerechten
Herausforderungen, die auch im aktu-       soll sechs Quadratmeter Platz zur Ver-             Personalschlüssel, 65 Prozent mit zu
ellen Kita-Jahr nachwirken werden.         fügung haben, wobei die Gruppen                    großen Gruppen; vgl. Grafik) erschre-
                                           möglichst klein und in sich geschlossen            ckend hoch ist. Die GEW wird deshalb
    Nachdem nach den Schließungen          sein sollen. Im Freien wurden Abtren-              nicht müde darauf hinzuweisen, dass
als Erstes die Kinder von Eltern in sys-   nungen aufgebaut. Die Gemeinde Fre-                Bildungs- und Erziehungsprozesse eine
temrelevanten Berufen die Kita wieder      deriksberg wählte ein besonders krea-              gute Bindung und stabile Beziehung
besuchen durften, wurden bis Juli in       tives Ausweichquartier: Die Kita-Kinder            zu den Bezugspersonen voraussetzen.
Bayern schrittweise wieder alle Kin-       bespielen das ansonsten geschlossene               Diese zu entwickeln, benötigt nicht
der zugelassen. Allerdings musste der      Gelände des Kopenhagener Zoos. »Die                nur pädagogische Professionalität,
Alltag umgestaltet werden: Die Kinder      Versorgung der Kinder ist in Skandi-               sondern auch ausreichende Zeithori-
wurden festen Gruppen zugeordnet,          navien einfach besser«, sagt Nicolaus              zonte, in denen ein Kind die ungeteilte
die sich nicht mischen durften. Hygi-      Schwerk, Facharzt für Kinderheilkun-               Aufmerksamkeit der Fachkraft erhält.
enepläne wurden erstellt und Dienst-       de mit Schwerpunkt Pneumologie an                  Die Fachkraft-Kind-Relation ist also
pläne umgestellt, da Schwangere und        der medizinischen Hochschule Han-                  entscheidend. Die GEW fordert einen
Erzieher*innen aus den Risikogruppen       nover, insbesondere was die Anzahl                 Betreuungsschlüssel von 1:3 für Kinder
nicht mehr mit Kindern arbeiten durf-      der Betreuer*innen und die Größe der               im Alter von ein bis drei Jahren und von
ten.                                       Räumlichkeiten angehe. Die Anzahl der              1:8 im Alter von drei bis fünf Jahren.
                                           Menschen pro Raum zu begrenzen, ma-                    Die genannte Studie bestätigt auch,
   Augenfällige, lang                      che sicherlich auch Sinn.1                         dass der Fachkräftemangel sich unmit-
   kritisierte Mängel                                                                         telbar auf die Qualität auswirkt. Bezie-
                                               Kindgerechte                                   hungs- und Bildungsprozesse treten
    Die Pandemie zeigt(e) wie unter ei-        Rahmenbedingungen                              viel zu oft in den Hintergrund, da die
nem Brennglas auf, woran es in unse-           fehlen meist                                   Beschäftigten gezwungen sind, sich auf
rem Bildungssystem mangelt: zu große                                                          die Erfüllung der Aufsichtspflicht zu be-
Gruppen, zu wenig Personal, zu kleine          Dazu passend stellt das am 25. Au-             schränken. Überlastung und Unzufrie-
Räume und teilweise auch zu kleine Au-     gust 2020 veröffentlichte »Ländermo-               denheit sind die Folge.2
ßenbereiche. Fehlende Rahmenbedin-         nitoring Frühkindliche Bildungssysteme
gungen, die – seit Jahrzehnten bekannt
– nun unsere pädagogische Arbeit wei-      1   Diskussion um Lockerungen – Dänemark: Bilanz   2   GEW: Qualitätskampagne für bayerische Kitas drin-
ter erschweren.                                nach Kita-Öffnungen; vgl. zdf.de                   gend nötig!; vgl. gew-bayern.de
12   DDS Oktober 2020

     Ausschnitt aus den »Key Facts« des »Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2020«. Grafik: Bertelsmann

         Gesundheitsschutz                              penräumen unmöglich ist. Unklar ist                     Trotz Corona-Regeln und reduzier-
         für alle                                       auch, wie im kommenden Kita-Jahr mit                ten Regelbetriebs machten viele Kolle-
                                                        den Kindern gearbeitet werden kann.                 g*innen in den letzten Monaten auch
         Nun ist gerade das neue Kita-Jahr              So gilt an bayerischen Kitas seit dem               eine positive Erfahrung: Aufgrund der
     gestartet, die Pandemie begleitet uns              1. September 2020 ein Drei-Stufen-Plan,             geringeren Anzahl der Kinder konnten
     weiter, momentan steigen die Fall-                 der sich nach den Fallzahlen richtet: Von           wir endlich so arbeiten, wie wir uns das
     zahlen wieder. Wie ansteckend Kin-                 Stufe 1 im Normalbetrieb über feste                 schon lange wünschen: kleinere Grup-
     der sind, ist immer noch nicht geklärt.            Gruppen mit festem Personal und redu-               pen, genügend Personal, Zeit für die
     Ebenso nicht, ob die Schnupfennase ein             zierten Öffnungszeiten in Stufe 2 bis zur           Kinder und ein entspannter Umgang
     Corona-Symptom ist oder nicht. Dazu                eingeschränkten Notbetreuung für Kin-               miteinander. Dafür werden wir uns
     kommt nun die kältere Jahreszeit und               der von Eltern aus systemrelevanten Be-             weiter einsetzen, auch
     wir halten uns wieder mehr in den Räu-             rufen in Stufe 3. Dies bedeutet, dass die           wenn die Pandemie
     men auf. Es gibt viele Kolleg*innen, die           Teams in pädagogischen Einrichtungen                einmal vorbei ist.
     sich um ihre Gesundheit oder die ihrer             weiterhin sehr flexibel und kreativ sein                   von Petra Nalenz
     Angehörigen aus Risikogruppen sor-                 müssen, um mit den jeweiligen aktuel-                 Mitglied der DDS-Redaktion
     gen, da Abstandhalten in vollen Grup-              len Gegebenheiten umzugehen.                                           Erzieherin

      Wenn sich Inklusion als Exklusion entpuppt
          In dem umfassenden Artikel »Sta-               von Inklusion gesprochen werden, wenn              »schwache, schwierige und schlechte«
      bile Fehlentwicklungen«1 wies der Er-              aus Weggängen aus den Förderschulen                Schüler*innen »per großherziger und
      ziehungswissenschaftler und Sonderpä-              (ehemals Sonderschulen) Zugänge zu                 dienstbarer sonderpädagogischer Diag-
      dagoge Hans Wocken 2017 nach, dass                 den allgemeinen Schulen resultieren. Er            nostik« zu Schüler*innen mit »sonder-
      Bayern der Verpflichtung zum Aufbau                zeigt auf, dass dies auf den ersten Blick für      pädagogischem Förderbedarf« gemacht
      eines inklusiven Schulsystems allenfalls           Bayern voll und ganz zutrifft: Die Zahl der        werden und als solche an ihrer Schule
      ansatzweise nachkommt. Die 2020 ak-                Förder-, ehemals Sonderschüler*innen,              verbleiben – damit als »inkludiert« gel-
      tualisierte Fassung des Artikels »Inklu-           geht kontinuierlich zurück, die der                ten.
      sionspolitische Falschfahrer*innen. Die            »inkludierten        Förderschüler*innen«              Schließlich spricht Wocken von ei-
      schulische Inklusion in Bayern fährt in            steigt kontinuierlich. Bei genauerer Be-           nem massiven Versagen der sonderpäd-
      die falsche Richtung« belegt, dass Bayern          trachtung jedoch zeigt sich, dass der              agogischen Diagnostik, die nach wie vor
      dieser Verpflichtung nach wie vor nicht            Rückgang der Schüler*innenzahlen an                defizitorientiert ist, wissenschaftlichen
      gerecht wird, allen kultusministeriellen           allgemeinen Schulen und an Förder-                 Kriterien nicht gerecht wird und »mit
      Verlautbarungen zum Trotz.                         schulen bis 2015/16 etwa parallel ver-             leichtfertigen und großzügigen Diagno-
          Wocken vergleicht die aktuellen                lief und an Förderschulen seit 2016/17             sen die Interessen der ressourcenbe-
      bayerischen Inklusions- und Separati-              sogar wieder ansteigt, um 2018/19 die              dürftigen Inklusionsschulen wie auch
      onswerte wieder mit den Werten von                 höchste Exklusionsquote (4,7 Prozent)              der existenzgefährde-
      2008/2009, dem Jahr des Inkrafttretens             seit 2000 zu erreichen. Der Rückgang               ten Sonderschulen be-
      der UN-Behindertenrechtskonvention,                an Förderschüler*innen ist folglich dem            dient.«
      und zwar unter Verwendung von Zahlen               allgemeinen Schüler*innenrückgang zu-
      des Bayerischen Landesamts für Statistik.          zuschreiben, und nicht den Inklusionsbe-               von Gele Neubäcker
      Seine These ist: Wie bei kommunizieren-            mühungen.                                           Mitglied der DDS-Redaktion
      den Röhren kann redlicherweise dann                     Die andere Säule der kommunizie-
                                                         renden Röhren, die »rasant steigenden                   Download des aktualisierten Artikels
                                                         Inklusionswerte«, ergeben sich laut                            von Prof. Dr. Hans Wocken:
      Vgl. Wocken: Stabile Fehlentwicklungen (gew-       Wocken nach wie vor aus der »Etikettie-                                   gew-bayern.de/
      bayern.de) sowie eine Zusammenfassung in der                                                                         mitgliederzeitschrift-dds
      DDS Oktober 2017, S. 13                            rung« von Regelschüler*innen, die als
DDS Oktober 2020   13

Wie kommt das sozialpädagogische
Personal durch die Pandemie?

     Im Mai 2020 startete die GEW Bay-
ern eine Umfrage zu der Frage, wie sich
die Belastungen durch Corona für ihre
Mitglieder darstellen.1 Wie stark der
Druck war und in vielen Fällen noch
ist, zeigt sich – neben den vielen Bera-
tungsanfragen an die GEW – in den Ant-
worten von rund 600 Mitgliedern und
Nichtmitgliedern aus den unterschied-
lichsten Arbeitsfeldern der Sozialpäda-
gogischen Berufe, um die es hier gehen
soll.2 Hinzu kommen rund 200 weitere
in diesem Bereich Beschäftigte, die sich
lediglich zu einzelnen Fragen äußerten.
Im Folgenden werden die zahlreichen
persönlichen Statements der Befrag-
ten zusammengestellt; einige von ih-
nen sollen in Auszügen selbst zu Wort
kommen. Die Corona-Pandemie stellt
unsere Gesellschaft vor eine bisher un-
gekannte Herausforderung. Die Krise
betrifft jede und jeden von uns, sozial,
ökonomisch, gesundheitlich, aber auch
als Bürgerinnen und Bürger in unseren
demokratischen Grundrechten. Gerade
in Zeiten großer gesellschaftlicher Um-                     Welche Bedingungen
brüche muss sich auch die Demokratie                        fordert die GEW                              Arbeitgeber und
bewähren.                                                                                                Betriebsrat
                                                             Auch während der Pandemie zeigt             während Corona
    Wenn diese DDS erscheint, stellt                     sich, dass ohne solide arbeitsrechtliche
sich die Situation in den sozialpädago-                  Grundlagen kein angemessener Schutz              Was tun Arbeitgeber und In-
gischen Diensten und Einrichtungen                       von Arbeitnehmer*innen möglich ist.          teressenvertretung zum Schutz
möglicherweise wieder anders als zur                     Die GEW wird nicht müde in ihren For-        ihrer Beschäftigten? Viele von
Zeit der Umfrage und deren Auswer-                       derungen nach flächendeckenden Ta-           ihnen fühlten sich zum Zeitpunkt
tung dar. Viele Themen bleiben jedoch                    rifverträgen und der Einrichtung einer       der Befragung unzureichend in-
aktuell bzw. stehen schon lange auf der                  Interessenvertretung in jedem Betrieb.       formiert. Manche erlebten zu
Agenda der GEW. Beginnen wir damit.                      Unter diesem Dach können und müssen          wenig Engagement ihrer Interes-
                                                         Arbeits- und Gesundheitsschutzgesetze        senvertretung oder fühlten sich
                                                         konsequent umgesetzt werden, in deren        übergangen. Wer bei kleinen Ein-
                                                         Folge verbindlich Betriebsmedizin, Ge-       richtungen freier Träger arbeitet,
                                                         fährdungsanalysen usw. stehen. Um den        beklagte oft, dass dort ein Be-
1   Download der »Umfrage und Ergebnisse zur ›Ar-        Personalmangel in den Kitas, der sich ak-    triebsrat fehlt. Ebenso mangele
    beit während der Corona-Krise in den Sozialpäda-
    gogischen Berufen‹ im Mai 2020«: gew-bayern.de
                                                         tuell besonders dramatisch zeigt, zu be-     es am Zugang zu Betriebsärzten
2   Eine zweite Befragung richtete sich an Lehrkräfte:   heben, fordert die GEW schon lange eine      und -ärztinnen, die es nur in den
    »Umfrage und Ergebnisse zur ›Arbeit der Lehrkräf-    deutliche Erhöhung der Eingruppierun-        wenigsten Einrichtungen gibt. Da-
    te und der pädagogischen Mitarbeiter*innen unter
    Corona‹ im Mai 2020«. Download: gew-bayern.de        gen, um den Beruf attraktiver zu machen.    rüber hinaus fehlten Konzepte zum
14   DDS Oktober 2020

     Schutz der Beschäftigten. Kurzarbeit                     sikogruppe angehören. Ein Gutachten,                     sind nach aktuellen Aussagen aus Poli-
     wurde nur dort als Problem benannt, wo                   das die GEW Bund bei Prof. Kothe be-                     tik und Medien systemrelevant. Diesen
     der Covid-19-Tarifvertrag, der eine Auf-                 stellte, legt ein besonderes Augenmerk                   Schwung müssen wir gezielt in Verhand-
     stockung des Kurzarbeitergeldes auf 90                   auf diesen Aspekt.4                                      lungen zur Aufwertung der pädagogi-
     bzw. 95 Prozent sicherstellt, keine Gültig-                  Während bei manchen Trägern Re-                      schen Berufe mitnehmen!«, lautete eine
     keit hat.3                                               gelungen für den Einsatz von Beschäf-                    andere Antwort.
         Doch es gab auch Anerkennung für                     tigten mit Risikostatus entweder voll-
     die Arbeitgeber. Arbeiten diese gut mit                  ständig fehlten oder erst spät entwickelt                   Blick über den eigenen
     dem Betriebsrat zusammen, laufen die                     wurden, wurden andernorts Tätigkeiten                       Tellerrand
     Informationspolitik und der Gesund-                      ohne Kontakt zur Zielgruppe wie z. B.
     heitsschutz besonders gut. Und weil in                   Verwaltungsarbeiten klar definiert und                       Bei allen persönlichen Belastungen
     vielen Fällen ausreichend Schutzaus-                     an diese übertragen. Die damit einher-                   wurden gesellschaftliche Missstände be-
     rüstung vorhanden und ihr Gebrauch                       gehenden Maßnahmen reichten von                          nannt, die während der Pandemie umso
     klar geregelt war, fühlten sich die                      flexibler Arbeitsgestaltung über Home-                   mehr in den Fokus rücken bzw. jetzt
     Kolleg*innen an ihrem Arbeitsplatz gut                   office bis hin zur Freistellung bei vollem               wie unter einem Brennglas erscheinen,
     geschützt. Sie wurden zeitnah, regelmä-                  Gehalt.                                                  wie es ein Mitglied ausdrückte. »Diese
     ßig und transparent informiert und in                        Mit Blick auf ihr Klientel bemängel-                 Krise zeigt deutliche Risse in unserem
     die Arbeits- und Ablaufplanungen einbe-                  ten einige der Befragten, dass die Risi-                 Schul-, Gesundheits-, Wirtschafts- und
     zogen. Anerkennung fand auch das Be-                     kogruppe der besonders »vulnerablen                      Sozialsystem.« Verwiesen wird auf die
     mühen um eine »Balance zwischen den                      Menschen wie Geflüchtete, Wohnungs-                      längst fällige Revision des Schulsystems
     Aspekten Sicherheit und Pädagogik«.                      lose, Menschen mit Behinderungen etc.                    sowie die Abkehr vom rein wirtschaft-
                                                              nicht ausreichend mit Schutzkleidung                     lichen Denken im Gesundheitswesen.
         Betreuungs- und                                      und Hygieneartikeln versorgt waren«.                     »Die Politik hat auch während der Krise
         Beziehungsarbeit                                                                                              Familien in prekären Lebensverhältnis-
         erfordern Nähe                                           Die Krise als Chance?                                sen kaum bis überhaupt nicht im Blick«,
                                                                                                                       hieß es beispielsweise. Durch die Schul-
          An der Befragung beteiligt waren                        Wie vielen Menschen in der Bevöl-                    und Einrichtungsschließungen würden
     Kolleg*innen aus allen Bereichen der                     kerung gelang es den Befragten, auch                     schwache Schüler und Schülerinnen und
     Jugendhilfe und Sozialarbeit sowie der                   positive Begleiterscheinungen in der Kri-                solche ohne entsprechende Medienaus-
     Behindertenhilfe. Über die Hälfte von                    sensituation wahrzunehmen. So wurde                      rüstung oder elterliche Unterstützung
     ihnen arbeiten in Kita, Krippe oder Hort.                der Zusammenhalt im Team gestärkt,                       weiter abgehängt.
     Das entspricht in etwa dem (hohen) An-                   neue technische Möglichkeiten (Video-
     teil der in der GEW Bayern organisierten                 konferenzen, Homeoffice etc.) wurden                        »Gewerkschaften,
     sozialpädagogischen Fachkräfte aus die-                  »im Team erobert«. Wegen des einge-                         bitte ordentlich
     sen Bereichen. Die überwiegende Mehr-                    schränkten Betriebs u. a. in Kitas war                      Krach machen …«
     heit der Befragten kann in der Arbeit mit                der Personalschlüssel so, dass »endlich
     Kindern oder anderen zu Betreuenden                      ganz viel Zeit für die Kinder vorhanden                      Zuletzt wurde im Fragebogen um
     den Mindestabstand von 1,50 Meter                        war« sowie Zeit zum Nachdenken und                       Rückmeldung an die GEW gebeten. Es
     nicht einhalten. Das liegt zum einen an                  Zeit für Konzeptentwicklung und interne                  gab viel Lob für das Engagement der
     der räumlichen Ausstattung: »Aufgrund                    Fortbildungen.                                           Hauptamtlichen: »Danke für den Rück-
     der Enge in der Einrichtung« kann die                                                                             halt in schweren Zeiten« und »Weiter
     vorgeschriebene Distanz nicht eingehal-                      Wie geht es weiter?                                  so« sind beispielhafte Antworten auf
     ten werden, »in unseren Büros stehen                                                                              diese Frage. Die an wenigen Stellen ge-
     die Schreibtische zu eng zueinander«.                        Notwendig seien mehr Augenmaß                        übte Kritik war eher grundsätzlicher Art:
     Vor allem aber wäre in den meisten                       sowie langfristige Lösungen zum Ge-                      »Als Sozialpädagoge fühle ich mich nur
     Betreuungssituationen ein Abstand                        sundheitsschutz, mahnten einige Be-                      mäßig repräsentiert, z. B. mit Themen in
     schlichtweg kontraindiziert: »Wie soll                   fragten an.                                              der GEW-Zeitschrift« oder »Ich wusste
     ich ein Krippenkind (ohne Berührung)                         Und: Die Pandemie solle endlich zum                  gar nicht, dass Ihr auch Erzieher/innen
     trösten?«, »Kontakt ist in der Jugend-                   Anlass genommen werden, die Vergabe                      vertretet«, hieß es z. B. An ihrem öffent-
     hilfe essenziell« usw., antworteten die                  öffentlicher Aufgaben an Tarifverträge                   lichen Erscheinungsbild als Bildungsge-
     Befragten.                                               zu binden. Und zwar für alle im sozialen                 werkschaft muss die GEW offensichtlich
                                                              und Gesundheitssektor Beschäftigten,                     immer wieder arbeiten.
         Besonderer Schutz                                    insbesondere bei den Weiterbildungs-
         für Risikogruppen                                    trägern, wie von den dort beschäftig-
                                                              ten Sozialpädagog*innen betont wird.
         Deshalb ist die Frage zentral, wel-                  »Viele Berufsfelder, die GEW betreffend,
     chen Schutz Beschäftigte genießen, die
     selbst oder deren Angehörige einer Ri-                                                                              von Verena Escherich
                                                              4   Wolfhard Kohte: Besonders dringliche Maßnahmen         Mitglied der DDS-Redaktion
                                                                  des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Prozess
     3   Der Covid-19-Tarifvertrag trat am 1. April 2020 in       der Öffnung der Kindertagesstätten und an Einrich-
         Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember         tungen der Jugendhilfe. Gutachten vom 29. Mai
         2020.                                                    2020; Download: gew.de
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