D SZeitschrift - Schuljahresanfang 2020 - GEW Bayern
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Schuljahresanfang 2020 ? Zeitschrift DDS der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Bayern Oktober 2020
2 DDS Oktober 2020 Schuljahresanfang 2020 Klatschen allein 3 Und jährlich grüßt das Murmeltier reicht nicht! – von Ruth Brenner und Johannes Schiller Infos zur TVöD-Tarifrunde 5 Gymnasien fehlt die pädagogische Ausrichtung von Andreas Hofmann Die Corona-Krise zeigt der Gesell- 7 »Ihr habt nichts zu verlieren!« schaft mehr als deutlich, dass auch die Be- Erneute Erfolge bei Entfristungsklagen von Anna Forstner schäftigten in der Bildung als systemrelevant eingestuft werden müssen. Dazu zählen auch die Erzieher*innen und 8 Die Gefährdungsbeurteilung an bayerischen Schulen Sozialpädagog*innen. Vor allem Frauen arbeiten in den von Florian Kohl Kitas, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Behinderten- 10 Arbeitszeitkonto erhöht die Arbeitsbelastung hilfe etc. Sie sind chronisch unterbezahlt und nehmen eine von Kathrin Frieser enorme Arbeitsbelastung aufgrund schlechter Arbeitsbe- 11 Start ins Kita-Jahr 2020/21 – dingungen und eines seit Langem bekannten Fachkräfte- Pädagogik in Corona-Zeiten von Petra Nalenz mangels in Kauf. Für viele von ihnen gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder sie werden an den 12 Wenn sich Inklusion als Exklusion entpuppt von Gele Neubäcker TVöD angelehnt vergütet. Seit 1. September laufen die aktuellen TVöD-Tarifver- 13 Wie kommt das sozialpädagogische Personal durch die handlungen. Die GEW fordert zusammen mit den anderen Pandemie? von Verena Escherich Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes 4,8 Prozent, mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt. Und die Ar- Was es sonst noch gibt beitgeber? Bei Redaktionsschluss lag von ihrer Seite noch nicht einmal ein Angebot auf dem Tisch. Wertschätzung 15 Homeschooling, das mit Corona nichts zu tun hat geht anders! von Thomas Gesterkamp Die dritte Verhandlungsrunde findet am 22. und 23. 17 Konzept der »Campus di Monaco – Oktober statt. Informiert euch, bleibt am Thema dran und Internationale Montessorischule München« mischt euch ein! von Antonia Veramendi Infos zum aktuellen Stand der Verhandlungen gibt es hier: 19 Mädchen* und junge Frauen* reden mit! – DEMOKRATIE on tour n TVöD-Schwerpunkt in der aktuellen E&W 10/2020 von Rosanna Müller n gew.de/troed2020 20 Berichte n gew-bayern.de/tarif/tvoed2020 - Sommerseminar der AG Perspektiven: Willst du immer auf dem Laufenden sein, kannst du Neu(artig)er Virus – neue Krise(n) – neuer Korporatismus? dich auch beim sogenannten Tariftelegramm der GEW an- - Kritik an Intransparenz und verantwortungslosem Handeln melden: gew.de/tariftelegramm-tvoed Dorothea Weniger Rubriken 21 GEW und Medien Hinweis der Rechtsstelle 22 Geburtstage und Jubiläen 23 Veranstaltungen Ab sofort neue Telefonnummer der Rechtsberatung: 24 Kontakte 089 544081-25 für GEW-Mitglieder • Mo und Do von 13.00-16.00 Uhr Liebe Kolleg*innen, Bitte Mitgliedsnummer bereithalten! Hinweis: Wenn während der Sprechzeiten keine Verbindung wegen der dynamischen Situation hinsichtlich des In- zustande kommt, ist der Anschluss gerade besetzt. fektionsschutzes und ihren Auswirkungen können gba- Seminare im Moment leider nur mit wenig Vorlauf und per E-Mail an GEW-Mitglieder ausgeschrieben werden. Impressum: Bitte achtet deshalb bei Interesse darauf, dass der Mit- DDS • Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im DGB, Landesverband Bayern Geschäftsstelle: Schwanthalerstr. 64, 80336 München, 089 5440810 gliederverwaltung eure aktuelle Adresse vorliegt und E-Mail: info@gew-bayern.de • gew-bayern.de • facebook.com/GEWBayern/ teilt diese doch im Zweifelsfall gerne nochmals mit an: Redaktionsleiterin: Dorothea Weniger, Schwanthalerstr. 64, 80336 München E-Mail: dorothea.weniger@gew-bayern.de mitgliederverwaltung@gew-bayern.de Redaktionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Verena Escherich, Wolfgang Häberle, Hannes Henjes, Karin Just, Petra Nalenz, Gele Neubäcker, Magnus Treiber, Chrissi Wagner, Wolfram Witte Christiane Fuchs Gestaltung: Karin Just Bildnachweis: (soweit nicht beim Foto berücksichtigt): Titel: imago images / Michael Weber Koordinatorin der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit Druck: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München 089 5029994 Anzeigenannahme: nur über die Redaktionsleitung Anzeigenverwaltung: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München Aktuelle Mitgliedsdaten melden 089 5029994, E-Mail: team@druckwerk-muenchen.de Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1.1.2017 gültig. Deine Mitgliedsdaten (Adresse, Bankverbindung, Eingruppierung, Beschäf- Mit Namen oder Namenskennzeichen gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der betref- tigungsart, Teilzeit, Erziehungsurlaub, Arbeitsstelle ...) haben sich geändert? fenden Verfasser*innen dar und bedeuten nicht ohne Weiteres eine Stellungnahme der GEW Dann kannst du diese online unter gew-bayern.de/anmeldung selbst aktuali- Bayern oder der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Druckschriften wird keine sieren. Dort findest du auch deine Beitragsbescheinigung für das Finanzamt. Gewähr übernommen. Bei allen Veröffentlichungen behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Der Du kannst deine Änderungsmitteilungen aber auch weiterhin postalisch Bezugspreis ist für GEW-Mitglieder des Landesverbandes Bayern im Mitgliedsbeitrag inbegriffen. Der an die Geschäftsstelle der GEW Bayern senden oder dich per E-Mail an die Bezugspreis für Nichtmitglieder beträgt jährlich 21 EUR zuzüglich Porto, der Preis der Einzelnummer GEW-Mitgliederverwaltung wenden: mitgliederverwaltung@gew-bayern.de 2,50 EUR zuzüglich Porto. Grundsatz aller Gewerkschaften: Wer weniger verdient, zahlt weniger Die DDS erscheint monatlich mit Ausnahme der Monate Januar und August. Beitrag (wenn es uns mitgeteilt wird!). Der Rechtsschutz wird nur gewährt, Adressenänderung: Ummeldungen bitte an die Landesgeschäftsstelle der GEW. wenn der satzungsgemäße Beitrag entrichtet wurde. Redaktions- und Anzeigenschluss: jeweils am 6. des Vormonats.
DDS Oktober 2020 3 Und jährlich grüßt das Murmeltier Foto: imago images / Roland Mühlanger Konzeptlosigkeit beim Skandal des erreicht. In manchen Bereichen kön- grüßt das Murmeltier«, und irgend- Lehrkräftemangels --- Teamlehrkräfte nen zwei Drittel der freien Stellen wann ist es tot. sind nicht ausgebildet und lösen das nicht mit voll ausgebildeten Lehrkräf- Problem nicht --- Das Personal an den ten besetzt werden! Das System droht Die Lehrkräfte Schulen mit Lehrkräftemangel soll die »an die Wand zu fahren« – und diese an Schulen mit Misere durch noch schlechtere Bedin- Situation hatten wir bereits die letzten Lehrkräftemangel gungen ausbaden --- Die Defizite beim Jahre, also vor Corona. Die Pandemie baden die Misere aus Arbeits- und Gesundheitsschutz wur- verschärft den Lehrkräftemangel noch den in der Corona-Krise noch deutli- einmal: Lehrer*innen, die einer Risi- Das Kultusministerium versucht die cher und verschärfen diese --- UND: kogruppe angehören, fallen für den Lücken in der personellen Versorgung Der Nachholbedarf bei der Digitali- Präsenzunterricht aus. Es ist von mehr mit Teamlehrkräften, Zweitqualifiziere- sierung wurde in der Krise der letzten als 6.000 Betroffenen die Rede – dafür r*innen, pensionierten Lehrer*innen Monate unübersehbar --- Leider keine sollen angeblich 800 Teamlehrkräfte (und das in Zeiten von Corona!) und besseren Nachrichten --- eingestellt werden. Insgesamt muss sogenannten Drittkräften zu füllen. festgestellt werden, dass das Kultusmi- Die Erfahrungen der letzten Jahre zei- Kultusminister Piazolo verkündete nisterium und die Staatsregierung im gen, dass das nicht gelingen wird. Im in der Pressekonferenz zum Schuljah- Bereich Bildungspolitik auf allen Ebe- Arbeitsalltag zeigen sich neue Belas- resbeginn, dass es gegenüber dem letz- nen versagen. Neben nichtssagenden tungen: Fachfremde Kolleg*innen müs- ten Schuljahr weniger Schüler*innen »Plauder«-Pressekonferenzen werden sen aufwendig eingearbeitet werden, und mehr Lehrkräfte gäbe. Mit dieser medienwirksame Schul- und Digitalisie- zunehmende Ausfälle wegen Erkran- Aussage gaukelt er eine Entspannung rungsgipfel abgehalten, aber die Ergeb- kungen führen zum Aufteilen von ver- bei dem Problem »Lehrkräfteman- nisse dieser Veranstaltungen liegen bei waisten Klassen, notwendige Doppel- gel« vor. Dies gilt ganz sicher nicht für fast null. Braucht man für die Entschei- besetzungen werden gestrichen. Statt Grund-, Mittel- und Förderschulen. dung »9 Tage Maskentragen« einen in dieser Situation an die Gesundheit Schulgipfel? Was wir bräuchten, wären der Kolleg*innen zu denken und Ent- Aus Mangel endlich Transparenz (z. B. zur Personal- lastungen zu ermöglichen, zog das Kul- wird Turbomangel situation, zum Unterrichtsausfall usw.) tusministerium die Daumenschrauben und entsprechend lösungsorientiertes mit dem »Piazolo-Paket« noch an: ver- Dort hat der Mangel an Lehrkräf- Handeln! Es muss endlich etwas pas- längerte Lebensarbeitszeit, eine Wo- ten inzwischen dramatische Ausmaße sieren, ansonsten bleibt‘s bei »jährlich chenschulstunde mehr und eine hohe
4 DDS Oktober 2020 Mindestteilzeit. Damit wird eine fort- den Kollegien oder aus der Elternschaft dungsschere öffnete sich ein weiteres schreitende Verschärfung der Arbeits- sogenannte Hygienebeauftragte zur Mal massiv. bedingungen an den Schulen in Kauf Bewältigung dieser Aufgaben benannt Daher die Forderungen der GEW genommen. werden. Lai*innen für medizinische Bayern zu diesen Themen: Diese Maßnahmen schlägt die GEW Fachaufgaben. Unglaublich! n Dienstgeräte für alle bayerischen vor: Die Forderungen der GEW Bayern Lehrkräfte für den datenschutzkon- 1. Übernahme aller Gymnasial- und bei diesem Thema: formen Onlineunterricht. Realschullehrkräfte ins Beamt*in- n Für jede Schule müssen umgehend n Alle Schüler*innen müssen auch im nenverhältnis mit A 13. Einsatz an Ärzt*innen und Fachkräfte für Ar- Onlineunterricht erreicht werden: Gymnasien bzw. Realschulen oder beitssicherheit benannt werden, Daher muss arbeitsrechtlich dafür eben auch an Grund-, Mittel- und die die Schulleitungen bei der Um- Sorge getragen werden, dass be- Förderschulen – statt nicht pädago- setzung von Hygieneplänen bera- rufstätigen Eltern gegebenenfalls gisch ausgebildete Teamlehrkräfte tend unterstützen. die bezahlte Freistellung von ihrer bzw. Drittkräfte einzustellen. n Mund-Nase-Bedeckungen werden Arbeit gewährt wird, damit sie ihre 2. Den Lehrer*innenberuf attraktiver zu Schuljahresbeginn für Schüle- Kinder beim Onlineunterricht un- machen: A 13 als Eingangsbesoldung r*innen und Lehrer*innen verbind- terstützen können. für alle Lehrer*innen, so wie dies lich angeordnet. Daher müssen die- n Unterstützung von Kindern und Ju- inzwischen in zahlreichen anderen se von den Sachaufwandsträgern gendlichen beim Onlineunterricht Bundesländern geschehen ist. Auf- zur Verfügung gestellt werden. sicherstellen; wenn dies Eltern stiegsmöglichkeiten wie an den Für Kolleg*innen über 60 sowie nicht können, könnte die Unter- Gymnasien für alle Lehrämter. Beschäftigte und Schüler*innen, stützung z. B. durch die Jugendhilfe Bessere Bezahlung für Fach- und die einer Risikogruppe angehören, erfolgen. Förderlehrer*innen, heilpädagogi- müssen FFP2-Masken bereitlie- n Sicherstellen, dass alle Schüler*in- sche Förderlehrer*innen, heilpäda- gen. nen sowohl mit Internetanschlüssen gogische Unterrichtshilfen und für als auch mit Endgeräten ausgestat- Werklehrer*innen. Nachholbedarf tet sind, um sich am Onlineunter- 3. Sofortige, ausreichende Erhöhung beim Thema richt beteiligen zu können. der Zahl der Studienplätze für alle »Digitalisierung« n Videoplattform für den Onlineun- betroffenen Lehrämter. terricht auf eigenen Servern bereit- 4. Eine weitreichende Reform der Lehrer*innen und Schüler*innen stellen, z. B. BigBlueButton, damit Lehrkräfteausbildung. mussten während der Pandemie von Schüler*innen- und Lehrer*innen- 5. Eine vorübergehende Reduzie- einem Tag auf den anderen auf Dis- Daten sicher sind. rung der Stundentafel, um für alle tanzunterricht via Internet umschalten. n Fortbildungen für Lehrkräfte im Be- Schüler*innen flächendeckend qua- Viele Kolleg*innen brachten sich hier reich der Digitalisierung intensivie- lifizierte Bildungsangebote zu si- hervorragend ein und unterrichteten ren; Arbeitszeit dafür zur Verfügung chern und um zu verhindern, dass ihre Schüler*innen täglich auf verschie- stellen. Unterricht immer mehr zum bloßen densten Plattformen – in der Regel mit Ministerpräsident Söder kündigte Beaufsichtigen von Schüler*innen ihren privaten Geräten. Die bayerische beim Digitalisierungsgipfel im Juli 2020 verkommt. Plattform »Mebis« war anfangs dem ein »Mebis 2.0« mit integrierter Video- 6. Einrichtung einer Arbeitsgruppe plötzlichen Ansturm nicht gewachsen. plattform an. Minister Piazolo sprach in »Lehrkräftemangel«, die die Situ- Eine datenschutzkonforme Plattform seiner Pressekonferenz zum Schuljah- ation analysiert und kurz-, mittel- für Videokonferenzen stand nicht zur resanfang von einem geplanten »Mebis und langfristige Lösungen erarbei- Verfügung. Deshalb hat das Kultusmi- tube«. Bisher ist diesbezüglich nichts tet. nisterium nach ein paar Wochen MS geschehen. Teams über die bayerischen Schulen Leider keine besseren Nachrichten! Defizite beim (außer Grundschule) ausgerollt, mit Arbeits- und allen bedenklichen Konsequenzen: MS Gesundheitsschutz Teams funktioniert zwar in der Regel hervorragend, unterliegt aber der ame- von Ruth Brenner Wo Kollegien fachliche Expertise rikanischen Gesetzgebung. D. h. die Mitglied im Hauptpersonalrat durch Betriebsärzt*innen und Fach- amerikanischen Geheimdienste haben Gruppe der Lehrer*innen an Grund- und Mittelschulen kräfte für Arbeitssicherheit beim Er- theoretisch Zugriffsrecht auf die Daten stellen von Hygieneplänen und Gefähr- von Kindern, Jugendlichen und Lehr- dungsbeurteilungen benötigten, stand kräften. und an den meisten Schulen niemand zur Es zeigte sich auch, dass etliche Verfügung. Gerade einmal zwei Be- Schüler*innen via Internet nicht zu er- Johannes Schiller triebsärztinnen gibt es in Bayern für reichen waren, weil sie entweder die Mitglied im Hauptpersonalrat 120.000 Lehrkräfte. Auch das vor über technischen Voraussetzungen dazu Gruppe der Lehrer*innen an zwei Jahren angekündigte arbeitsme- nicht hatten oder weil sie von ihren Förderschulen und Schulen dizinische Institut ist bislang nicht in Eltern nicht entsprechend unterstützt für Kranke Erscheinung getreten. Jetzt sollen in werden konnten. Die Folge: Die Bil-
DDS Oktober 2020 5 Gymnasien fehlt die pädagogische Ausrichtung Die Abiturprüfungen wurden trotz Datenschutzes, nahmen diese ebenso Doch das Kultusministerium war Corona-Krise abgelegt – das Resü- in Kauf wie die Verknüpfung privater auf Prüfungen fixiert. Dies zeigte sich mee könnte also heißen: Im Schuljahr und dienstlicher Daten durch Apple, am Gymnasium z. B. beim sogenann- 2019/20 lief an den Gymnasien alles Microsoft etc. ten Probeunterricht, einer dreitägi- nach Plan. Doch dem ist nicht so. Die Der trotz Forderung der GEW aus- gen Prüfung für Schüler*innen der pandemiebedingten Schulschließun- gebliebene Ausbau des Informatikun- 4. Klasse, der trotz des kaum statt- gen zeigten den Gymnasien, wie sehr terrichts in der Unterstufe und seine findenden Unterrichts im zweiten ihnen u. a. die pädagogische Ausrich- weiterhin fehlende Einführung in der Schulhalbjahr durchgezogen wurde. tung fehlt. Mittelstufe rächten sich in Corona- Bessere Karten hatten da die diesjäh- Zeiten umgehend. Es zeigte sich aber rigen Abiturient*innen, auch wenn die Die Corona-Pandemie zeigte Stär- auch, dass die Pädagogik am Gymna- Absage der Klausuren im zweiten Ab- ken und Schwächen am Gymnasium sium stärker in den Blick genommen schnitt der Qualifikationsphase (Q12) auf. So kommunizierten während den werden muss. Hätte die bayerische erst erfolgte, nachdem klar war, dass Schulschließungen die Lehrer*innen Staatsregierung im Zuge der Rückkehr nur eines geht, entweder Klausuren an sehr vielen Gymnasien gut mit ih- zum neunjährigen Gymnasium die oder Abiturprüfungen. ren Schüler*innen. alte und immer wieder neu gestellte Forderung der GEW nach Einführung Wie es 2020/21 Kultusministerielle einer Klassenleitungsstunde in der weitergeht Fehler rächten sich Unterstufe erfüllt, hätten Lehrkräfte viele Schüler*innen aufgrund wesent- Für dieses Schuljahr befürchten Allerdings lief der Kontakt auf- lich adäquaterer organisatorischer wir, dass die Linie »(Abschluss-)Prü- seiten der Lehrkräfte oft über deren und personeller Rahmenbedingungen fungen gehen vor« weiterverfolgt private Endgeräte. Das Risiko eines besser durch das letzte Schulhalbjahr wird. Überlegungen, inwieweit Lehr- Dienstvergehens, z. B. bezüglich des begleiten können. pläne bei teilweiser Schulschließung
6 DDS Oktober 2020 erfüllt werden müssen oder welche für den regulären Unterricht benötigt. Mathematik bleiben prinzipiell ver- Abstriche an schriftlichen Leistungs- Oder ist dieses vorausschauende Han- pflichtende Prüfungsfächer. In einem erhebungen gemacht werden dürfen, deln zu viel verlangt? von beiden kann die Prüfung ab 2026 sind bisher nicht bekannt. Im Zusammenhang mit dem In- auch mündlich erfolgen. Es gibt zwar auf der Internetseite fektionsgeschehen gibt es an weiter- Neu ist, dass Deutsch durch ein an- des Staatsinstituts für Schulqualität führenden Schulen, insbesondere am deres Fach ersetzt werden kann, aber und Bildungsforschung (ISB) Hinweise Gymnasium, noch einige spezielle Pro- nur, wenn man sich in zwei Fremdspra- zum Umgang mit den Lehrplänen wäh- bleme: chen prüfen lässt. Will jemand in Ma- rend eines etwaigen rollierenden Un- n Durch das Kurssystem in der Ober- thematik nicht geprüft werden, kann terrichtssystems.1 Sie verstehen sich stufe variiert die Zusammensetzung er*sie »ersatzweise« zwei Naturwis- aber nicht als Kürzungsvorgaben. Zen- der Schüler*innengruppen perma- senschaften wählen. Diese Wahlmög- trale Vorgabe bleibt also das Erreichen nent. lichkeiten gab es bisher nicht. In einem des Niveaus für die Abschlussprüfun- n Unterricht findet auch in Kernfä- zuvor sehr starren System bewirken gen. Diese Ausrichtung ist nur dann chern häufig nicht im Klassenver- diese Änderungen allerdings nur we- sinnvoll, wenn trotz des Infektionsge- band statt, sondern in Gruppen mit nig. Es drängt sich vielmehr die Frage schehens der Unterricht weitgehend Schüler*innen aus mehreren Klas- auf, warum das Mehr an Auswahl erst normal verlaufen kann. Ist das nicht sen. für die Prüfungen gilt und nicht schon der Fall, bedarf es meiner Einschät- n Aufgrund des Nachmittagsunter- in der 12. Jahrgangsstufe bei der Wahl zung nach einer grundlegenderen, richts und einer erhöhten Ver- der vertieften Fächer. Die Oberstufe veränderten Ausrichtung von Schule. weildauer an der Schule, auch au- bleibt in einem starren Korsett, wenn Die individuelle und soziale Ent- ßerhalb des Unterrichts, sind oft alle Schülerinnen und Schüler der wicklung der Schüler*innen und nicht mehr Lehrkräfte gleichzeitig im Oberstufe Mathematik und Deutsch die Bildungsinhalte müssen dann im Lehrer*innenzimmer. auf erhöhtem Unterrichtsniveau bele- Vordergrund stehen, denn letztere las- n Durch das Prinzip der Fachlehr- gen müssen. Die Möglichkeiten einer sen sich zwar nicht einfach, aber doch kraft ist der Bedarf am Austausch individuellen Profilbildung, wie es die nachholen. Aufgabe der Lehrkräfte zu pädagogischen Themen bezüg- Kultusministerkonferenz erlaubt, wer- gerade auch an den weiterführenden lich einer Klasse oder einzelner den bei Weitem nicht ausgeschöpft. Schulen müsste sein, die Kinder und Schüler*innen höher. Jugendlichen stärker in ihrer Person zu n Eine Lehrkraft unterrichtet in einer unterstützen. Beides gleichzeitig, ein Woche bis zu zwölf Klassen. hoher inhaltlicher Input mit systema- Diese Aspekte müssen in das Er- tischen Rückmeldungen und eine indi- stellen der Hygieneregeln und der viduelle Beratung und Begleitung aller, Maßnahmen im Falle einer Erkrankung dürfte die Belastungsgrenze der Lehr- eines*r Schülers*in oder einer Lehr- von Andeas Hofmann kräfte übersteigen. Die fehlende päda- kraft mit einfließen. Gymnasiallehrer gogische Ausrichtung des Gymnasiums ohne systematische Schulsozialarbeit, Ausblick auf ohne so einfache Strukturen wie Klas- das Abitur senleitungsstunden oder mit Arbeits- 2026 zeit hinterlegte Tutor*innensysteme rächt sich in der jetzigen Krise. Am 1. Juli wur- de das neue Format Jetzt dem Lehrkräfte- für das Abitur im mangel vorbeugen neunjährigen Gym- nasium vorgestellt. Die Wartelisten für das Lehramt Dieses gilt für die am Gymnasium sind immer noch voll. Schüler*innen, die im Es wäre eine gute Investition in die Schuljahr 2020/21 in Zukunft, wenn jetzt mehr voll ausge- die 8. Jahrgangsstu- bildete Lehrkräfte eingestellt würden. fe eingetreten sind. Sie könnten aktuell den Belastungen Aufgrund der Corona- durch Mehrarbeit, die auch in Arbeits- Situation fanden die zeitstudien nachgewiesen wurden, Neuerungen kaum Be- entgegenwirken und gleichzeitig die achtung. Jedoch lohnt Folgen der Corona-Pandemie aktuell sich eine kurze Be- und in den nächsten Jahren lindern. trachtung: Mit drei Im Jahr 2025 werden diese Lehrkräfte schriftlichen und zwei sowieso im neunjährigen Gymnasium mündlichen Prüfun- gen ändert sich an der Auch wenn die beiden Fotos zu diesem Artikel aktuell scheinen, sie wurden auf einer Demonstration im Februar 2010 zu den Aus- 1 lernenzuhause.bayern.de/empfehlungen-fuer- Anzahl der Prüfungen wirkungen des G8 gemacht. »G8-Reform« hin oder wieder zurück lehrplaene nichts. Deutsch und zum G9, egal. Die Kultusminister wechseln. Die Probleme bleiben.
DDS Oktober 2020 7 »Ihr habt nichts zu verlieren!« Erneute Erfolge bei Entfristungsklagen Es mag an der etwas anderen Aus- beitsverhältnis zustande gekommen onsklassen (BIK) bereits die Hälfte der gangslage liegen – viele Beschäftigte, war. Jugendlichen aus anderen EU-Ländern besonders in der Flüchtlingsbeschu- Weiterhin kritisierte das Arbeitsge- kommt. Der Bedarf an Lehrkräften für lung, sind Quereinsteiger*innen ohne richt, dass der Befristungsgrund nicht die Berufsintegration ist also nach wie Aussicht auf Verbeamtung –, dass be- nachvollziehbar sei. Lehrkräfte sind vor hoch. Die teilweise praktizierte Zu- fristet beschäftigte Lehrkräfte an Be- beim Freistaat Bayern angestellt. Als sammenlegung der Klassen für Geflüch- rufsschulen eher ihre Entfristung ein- Grund für die mehrmalige Befristung tete mit denen der Jugendlichen ohne klagen. Im Juni und Juli waren allein in der Verträge wurde »Beschulung von Ausbildungsvertrag (JoAs) sorgt dafür, der Oberpfalz über acht Lehrer*innen berufsschulpflichtigen Asylbewerbern dass in Bayern weiterhin Expert*innen mit ihren Klagen erfolgreich: Es gab ei- und Flüchtlingen« angegeben. Der für »Deutsch als Zweitsprache« (DaZ) nen Vergleich und ansonsten positive vorsitzende Richter hatte eine genaue und »Deutsch als Fremdsprache« (DaF) Urteile, die auf eine Entfristung des Ar- Aufstellung des angeblich wechseln- benötigt werden – und dass gleichzei- beitsverhältnisses hinausliefen. den Bedarfs vom Beklagten gefordert. tig Lehrer*innen für den Berufsfach- Der Vertreter des Freistaats Bayern unterricht in vielen Sparten fehlen! »Aber wenn ich klage, dann habe sah sich aber dazu nicht in der Lage. Genau vor diesem Hintergrund wur- ich später vielleicht schlechte Karten, Folglich konstatierte das Gericht: Die den ab 2015 Hunderte DaZ- bzw. DaF- wenn es um eine feste Stelle geht.« Befristung ist sachgrundlos und damit Lehrkräfte in die Berufsschulen geholt; Als Personalrätin an unter der Maßgabe, Wer klagt, einer FOSBOS mit dass sie nach spätestens durchschnittlich zehn fünf bzw. dann nach 3,5 Kolleg*innen mit Halb- Jahren wieder gehen kann verlieren, jahres- bzw. Jahresver- müssten, sofern sie kein trag höre ich diesen Staatsexamen haben. Einwand regelmäßig, In der »Not« waren die wer nicht klagt, insbesondere von jun- »Nichterfüller*innen« gen Lehrer*innen, die also gut genug, jetzt will wegen ihrer prekären sie der Freistaat (eben- hat schon verloren! Verträge Rat suchen. so wie die Kommunen Sofern Aussicht auf eine Nürnberg und Mün- Planstelle in den kom- chen) wieder loswer- menden Jahren besteht, den. scheuen die künftigen Die GEW Bayern sagt Beamt*innen eine Klage dazu: »So nicht!« – und gegen den Freistaat. nicht gerechtfertigt. Wenn der Arbeit- Arbeitsgerichte in Bayern bestätigen geber nicht detailliert und schlüssig diese Sichtweise ein ums andere Mal Eine Watschn für das begründen könne, warum ein Bedarf und entfristen klagende Kolleg*innen. Kultusministerium an Lehrkräften in ganz Bayern (!) nicht Traut euch! Wenn ihr Mitglied der mehr gegeben sei, ist der genannte GEW seid, bekommt ihr eine Rechtsbe- Andere dagegen wagten den Sachgrund hinfällig. Nur der pauschale ratung und für den Fall einer aussichts- Schritt und erzielten nun Erfolge, denn Hinweis, dass die Zahl der geflüchteten reichen Klage auch Rechtsschutz. Es die juristische Vertretung des Kul- jungen Menschen zurückgehe, reiche lohnt sich also, denn ein unbefristetes tusministeriums hatte in der öffentli- nicht aus. Es müssen zum Zeitpunkt der Arbeitsverhältnis ist in der heutigen chen Verhandlung kaum Argumente Befristung konkrete Prognosen dafür Zeit nicht zu verachten. vorzubringen. Die Entscheidung des vorliegen, warum diese nun endet – Gerichts fiel entsprechend deutlich und zwar Prognosen, die nachweisen, aus. Der vorsitzende Richter wies den dass die Lehrer*innen nirgendwo in Arbeitgeber insbesondere auf die Bayern eingesetzt werden können. rechtzeitige Schriftformerfordernis bei (befristeten) Arbeitsverträgen hin: Weiterhin hoher Bedarf von Anna Forstner Teilweise wurden die Dokumente erst Mitglied im Landesvorstand nach Dienstantritt unterschrieben, Hier ist aus der Praxis anzumerken, der GEW wodurch bereits ein unbefristetes Ar- dass aktuell in vielen Berufsintegrati- Lehrerin an einer FOSBOS
8 DDS Oktober 2020 Die Gefährdungsbeurteilung an bayerischen Schulen Foto: imago images / Panthermedia Die Gefährdungsbeurteilung ist und ist gemäß § 5 das zentrale Inst- Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu be- verpflichtendes Element des Arbeits- rument, um Gefährdungspotenziale stellen, die ihn beim Arbeitsschutz und schutzes und soll die Gesundheit aller für die Gesundheit der Beschäftigten bei der Unfallverhütung unterstützen. Personen eines Betriebes garantieren. frühzeitig zu erkennen und Gegen- Das betrifft ausdrücklich auch Bildungs- An Bayerns Schulen führt sie eher ein maßnahmen zu ergreifen.2 So haben einrichtungen.4 Dennoch dürfte eine Schattendasein – und wird dadurch Arbeitgeber*innen »[…] auf der Grund- entsprechende Fachkraft bislang kaum zum Beleg für mangelhafte Umsetzung lage der GBU für eine angemessene jemand an Bayerns Schulen zu Gesicht gesetzlicher Vorschriften. arbeitsmedizinische Vorsorge zu sor- bekommen haben. Warum? gen.«3 Die Umsetzung wird im Arbeits- Die meisten Lehrkräfte kennen die sicherheitsgesetz (ASiG) konkretisiert: Das Dienststellenmodell pädagogische Gefährdungsbeurteilung Beschäftigte haben Anspruch auf die als Sonderweg (GBU) als verpflichtende und oftmals Betreuung durch Betriebsärzt*innen als administrative Schikane empfunde- und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Mit den »Richtlinien über die Ge- ne Aufgabe, wenn es um die Planung umgesetzt in der Deutschen Gesetzli- währleistung eines arbeitsmedizini- von Fachunterricht, Exkursionen, Schul- che Unfallversicherung (DGUV), Vor- schen und sicherheitstechnischen Ar- landheimen oder Sportveranstaltungen schrift 2 vom Januar 2011. beitsschutzes« vom 15. Februar 2011 geht. Die Kommunale Unfallversiche- reagierte die bayerische Staatsregie- rung Bayern (KUVB) stellt Formulare Rechtliche Grundlagen rung auf die DGUV2-Vorschrift.5 Bayeri- für Lehrkräfte zur Verfügung und bietet durch ArbSchG, ASiG sche Schulen ordnete man der Gruppe außerdem eine 25-seitige Broschüre und DGUV2 der »Bürobereiche« zu, diese benöti- mit Arbeitshilfen an.1 gen gemäß der Richtlinie keine eigenen Dienststellen sind also verpflichtet, Fachkräfte, wenn die Schulleitungen Zentrales Instrument GBUs durchzuführen, um physischen entsprechend fortgebildet wurden, im Arbeitsschutzgesetz und psychischen Schaden von der Be- Beratung durch eine entsprechende seit 1996 legschaft abzuwenden. Beschäftigte Fachkraft in Anspruch nehmen können, haben ein Recht auf angemessene ar- die Durchführung arbeitsmedizinischer Der Ursprung der GBU ist aber ein beitsmedizinische Vorsorge. Der Ar- Pflichtuntersuchungen sicherstellen anderer. Sie stammt aus dem seit 1996 beitgeber hat Betriebsärzt*innen und und weitere Untersuchungsmöglich- gültigen Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) 2 KUVB/LUK: Die pädagogische Gefährdungsbeurtei- lung in Schulen; kuvb.de 4 Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge 1 Landesamt für Schulsport: Pädagogische Gefähr- 3 Bundesamt für Justiz: Arbeitsschutzgesetz; gesetze- (ArbMedVV); gesetze-im-internet.de/arbmedvv dungsbeurteilung; laspo.de im-internet.de/arbschg 5 DGUV: DGUV Vorschrift 2; dguv.de
DDS Oktober 2020 9 keiten anbieten. Für die Einhaltung der und zwei Fachkräften für Arbeitssicher- len. Gesundheit ist ein wichtiges Gut Vorschriften sind für den Schulbetrieb heit (mit jeweils einer halben Stelle) für und nur wer gesund ist, kann seinen und die Schulorganisation die Schul- bayernweit etwa 114.000 staatlich be- Bildungsauftrag erfüllen. Da hilft es leitungen verantwortlich.6 Mit Dienst- schäftigte Lehrkräfte an 4.400 Schulen auch nicht, dass nach fünf Jahren For- stellenmodell ist also gemeint, dass im unterstützt werden.8 schungsprojekt 2018 ein neues ar- Schulbereich die alleinige Verantwor- beitsmedizinisches Institut geplant tung unter den o. g. Voraussetzungen GBU als Pflicht der wurde. Gesundheitsministerin Humls an die Schulleiter*innen delegiert wird. Schulleitung (in Zeiten Erkenntnis dazu klingt beinahe höh- des Coronavirus nisch: »Insbesondere Lehrkräfte und Unterrichten SARS-CoV-2) Schulpersonal stehen im Schulalltag vor ist Büroarbeit? vielfältigen gesundheitlichen Heraus- Es bleibt, dokumentierte GBUs sind forderungen wie Infektionsgefährdun- Neben Bibliotheken, Gerichten und verpflichtend. Das Forschungsprojekt gen oder psychischen Belastungen.«10 Gesundheitsämtern gehören Bayerns konkretisiert: Arbeitsbereiche und Tä- Das neue Institut sollte Ende 2019 sei- Schulen zu den »Bürobereichen«. Das tigkeiten der Beschäftigten müssen nen Betrieb aufnehmen. Hat es bislang erscheint nicht nur auf den ersten erfasst, Gefährdungen ermittelt und aber nicht. Laut einer schriftlichen An- Blick sehr zweifelhaft. Gesundheitli- beurteilt, Maßnahmen festgelegt, frage im Landtag soll der Aufbau 2023 che Gefährdungen für Lehrkräfte im durchgeführt und deren Wirksamkeit abgeschlossen sein. Das Dienststellen- Schulalltag sind umfassend, da ist sich überprüft werden.9 In Zeiten, in denen modell soll aber bleiben.11 die Fachwelt einig: erhöhtes Risiko für der Schulbetrieb zusätzlich durch eine bestimmte Infektionskrankheiten, Un- Pandemie erschüttert wird, ist es ver- Gesundheit ist fallgefährdung bei Sport-, Chemie-, antwortungslos, dass Schulleitungen mitbestimmungspflichtig Werkunterricht, Ausflügen und Klas- Hygienepläne erarbeiten, Gefährdun- senfahrten, beim Umgang mit chemi- gen durch ein gefährliches und anste- Lehrkräfte sind stets darum bemüht, schen, physikalischen, biologischen ckendes Virus ermitteln, Maßnahmen die Gesundheit ihrer Schüler*innen zu Arbeitsstoffen, durch Lärm, stimmliche ableiten, unzählige Vorgaben an ihre gewährleisten. Pädagogische Gefähr- Überlastung, Raumluftklima, Rücken- Schulen anpassen und die Gesundheit dungsbeurteilungen sollen sicherstel- belastung, viele verschiedene psycho- der Menschen an ihren Schulen allein len, dass sich Lehrkräfte Gedanken ma- mentale Belastungen. Gerade die seit verantworten. chen und präventiv planen. Doch um Jahrzehnten immer komplexer wer- den eigenen Gesundheitsschutz ist es denden Anforderungen und die hohe Schulleitungen am Limit schlecht bestellt. Mit Hilfe zweifelhaf- Quote an Erkrankungen innerhalb der versus hohe Kosten ter Richtlinien windet sich der bayeri- Kollegien lassen nur einen Schluss zu: sche Staat als Arbeitgeber aus der Ver- »Lehrkräfte benötigen eine qualifizier- Man muss es drastisch sagen: Es antwortung und spart auf Kosten der te, interdisziplinär ausgerichtete be- gab und gibt im bayerischen Schulwe- Gesundheit seiner Mitarbeiter*innen. triebsärztliche Betreuung […].«7 sen schlichtweg keine Umsetzung ge- Arbeits- und Gesundheitsschutz sind setzlicher Vorgaben des Arbeits- und zentrale Themen der Betriebs- und Per- Beratungen durch Gesundheitsschutzes. Stattdessen sonalratsarbeit – zwingend mitbestim- welche Fachkräfte? wurschtelt man sich durch einen Richtli- mungspflichtige Aufgaben. Sind Be- niendschungel. Mit der Eingruppierung triebs- oder Personalrat der Meinung, 2013 initiierte das Kultusministe- von Schulen in den Bürobereich und dass die Dienststelle ihren Pflichten rium (KM) ein Forschungsprojekt zum der Übertragung der Verantwortung nach § 3 und § 4 des Arbeitsschutz- Arbeitsschutz an Schulen in Zusammen- auf die Schulleitungen spart man sich gesetzes nicht nachkommt, hat er ein arbeit mit den Instituten für Arbeits-, die Kosten für gesetzlich vorgeschrie- Initiativrecht und damit die Aufgabe, Umwelt- und Sozialmedizin der Universi- bene Fachkräfte, überfordert dafür diese einzufordern.12 täten München und Erlangen-Nürnberg. aber die bereits am Limit arbeitenden Ziel des ursprünglich auf vier Jahre aus- Schulleitungen. Es darf gefragt werden: gelegten Projektes sei die Entwicklung Was ist die Gesundheit der bayerischen eines Modells zur dezentralen arbeits- Lehrkräfte wert? medizinischen Betreuung für Lehrkräf- von Florian Kohl te und Verwaltungsangestellte in der Leistungsstarke Schulen Studienrat im Förderschuldienst Schulverwaltung. Laut KM sollten durch brauchen gesunde und Personalrat das Projekt Schulleitungen in Form von Lehrkräfte zwei beratenden Betriebsärzt*innen Es braucht tragfähige Konzepte, entsprechende Fachkräfte und eine 10 Bayerische Staatsregierung: Kabinett macht Weg 6 Bayerische Staatskanzlei: Richtlinien über die Gewährleistung eines arbeitsmedizinischen und Gesundheitsvorsorge an allen Schu- frei für arbeitsmedizinisches Institut für Schulen; sicherheitstechnischen Arbeitsschutzes in der bayern.de staatlichen Verwaltung des Freistaates Bayern; 11 Bayerischer Landtag: Schriftliche Anfrage 18/6785 gesetze-im-internet.de 8 Arbeitsschutz an Schulen; km.bayern.de v. 20.12.2019, Antwort v. 17.04.2020; www.bayern. 7 Bayerische Staatskanzlei: Richtlinien zum Vollzug 9 Gesundheitsvorsorge an Schulen in Bayern: Gefähr- landtag.de des Arbeitsschutzgesetzes im öffentlichen Dienst dungsbeurteilung; www.klinikum.uni-muenchen. 12 Welche Rolle spielt der Betriebsrat im Arbeits- des Freistaats Bayern; gesetze-im-internet.de de schutz?; bund-verlag.de
10 DDS Oktober 2020 Arbeitszeitkonto erhöht die Arbeitsbelastung Seit 2016 weist die Gewerkschaft Lehrkräfte an Grundschulen« Stellung Lehrkräften an den Grundschulen. Die Erziehung und Wissenschaft Bayern zu nehmen.1 Die Grundschullehrkräf- der Gesundheit förderlichen Arbeits- (GEW) unermüdlich auf das eklatan- te, die weniger als ihre Kolleg*innen zeitregelungen wie Teilzeit, Antragsru- te Problem des Lehrkräftemangels an an anderen Schularten verdienen und hestand oder das Sabbatjahr werden Grund-, Mittel- und Förderschulen hin. zugleich bereits jetzt eine höhere Un- gleichzeitig eingeschränkt bzw. ausge- Der Personalmangel ist aus Sicht der terrichtspflichtzeit haben, sollen nun setzt. Dies alles geschieht ohne die Be- GEW Folge einer verfehlten Planung die Folgen der verfehlten Personalpla- rücksichtigung vorhandener Studien des Kultusministeriums. nung ausbaden. Im Detail geht mit der zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften. Einführung des Arbeitszeitkontos an Die GEW Bayern sprach sich des- Im Januar 2020 präsentierte das Grundschulen eine Stunde Mehrarbeit halb folgerichtig gegen die Einführung Kultusministerium mit dem sogenann- pro Woche einher (29 Unterrichts- des Arbeitszeitkontos aus, weil bei der ten »Piazolo-Maßnahmen-Paket« die stunden) – fünf Jahre lang (»Anspar- aktuell schon gegebenen Überlastung vermeintliche Lösung. Daraufhin pro- phase«). Anschließend arbeitet die der Grundschullehrkräfte keine Mehr- testierten viele Kolleg*innen lautstark Lehrkraft drei Jahre lang wieder 28 Un- arbeit mehr geleistet werden kann. gegen die darin geplanten Maßnah- terrichtsstunden (»Wartephase«). Erst Ungeachtet dessen führte das KM mit men wie z. B. die Einführung eines nach acht Jahren wird ihr die Mehrar- dem Schuljahr 2020/21 das Arbeits- Arbeitszeitkontos, die Erhöhung des beit wieder zurückgegeben. Fünf Jahre zeitkonto als dienstrechtliche Maß- Mindestteilzeitmaßes, des Alters für lang arbeitet sie dann 27 Unterrichts- nahme für Grundschulen ein. den Antragsruhestand etc. (vgl. DDS stunden (»Rückgabephase«). 1-2 und 3/2020). Statt Arbeitsentlastungen anzubie- Im Juni 2020 wurde die GEW nun ten, verlangt das Arbeitszeitkonto also im Rahmen der Verbändeanhörung noch mehr Arbeitsleistung von den von Kathrin Frieser vom KM gebeten, zum »Entwurf ei- Mitglied des Landesvor- ner Verordnung zur Einführung eines stands der GEW Bayern 1 Vgl. Stellungnahme der GEW Bayern: Verpflichten- Lehrerin an einer verpflichtenden Arbeitszeitkontos für des Arbeitszeitkonto; gew-bayern.de Grundschule
DDS Oktober 2020 11 Start ins Kita-Jahr 2020/21 – Pädagogik in Corona-Zeiten Foto: imago images / PicturePoint Das letzte Kita-Jahr stand in seiner Dabei gibt es Alternativen, wie ein 2020« der Bertelsmann-Stiftung fest, zweiten Hälfte ganz unter dem Zeichen Blick nach Dänemark zeigt: Dort wur- dass die Anzahl der nicht kindgerecht von Corona. Im März schlossen alle Ki- den die Kindertagesstätten bereits am betreuten Kinder in Bayern je nach Kri- tas. Dies stellte das pädagogische Per- 15. April wieder geöffnet, allerdings terium mit 65 Prozent und mehr (67 sonal, die Träger und Familien vor neue unter strengen Auflagen. Jedes Kind Prozent der Kitas ohne kindgerechten Herausforderungen, die auch im aktu- soll sechs Quadratmeter Platz zur Ver- Personalschlüssel, 65 Prozent mit zu ellen Kita-Jahr nachwirken werden. fügung haben, wobei die Gruppen großen Gruppen; vgl. Grafik) erschre- möglichst klein und in sich geschlossen ckend hoch ist. Die GEW wird deshalb Nachdem nach den Schließungen sein sollen. Im Freien wurden Abtren- nicht müde darauf hinzuweisen, dass als Erstes die Kinder von Eltern in sys- nungen aufgebaut. Die Gemeinde Fre- Bildungs- und Erziehungsprozesse eine temrelevanten Berufen die Kita wieder deriksberg wählte ein besonders krea- gute Bindung und stabile Beziehung besuchen durften, wurden bis Juli in tives Ausweichquartier: Die Kita-Kinder zu den Bezugspersonen voraussetzen. Bayern schrittweise wieder alle Kin- bespielen das ansonsten geschlossene Diese zu entwickeln, benötigt nicht der zugelassen. Allerdings musste der Gelände des Kopenhagener Zoos. »Die nur pädagogische Professionalität, Alltag umgestaltet werden: Die Kinder Versorgung der Kinder ist in Skandi- sondern auch ausreichende Zeithori- wurden festen Gruppen zugeordnet, navien einfach besser«, sagt Nicolaus zonte, in denen ein Kind die ungeteilte die sich nicht mischen durften. Hygi- Schwerk, Facharzt für Kinderheilkun- Aufmerksamkeit der Fachkraft erhält. enepläne wurden erstellt und Dienst- de mit Schwerpunkt Pneumologie an Die Fachkraft-Kind-Relation ist also pläne umgestellt, da Schwangere und der medizinischen Hochschule Han- entscheidend. Die GEW fordert einen Erzieher*innen aus den Risikogruppen nover, insbesondere was die Anzahl Betreuungsschlüssel von 1:3 für Kinder nicht mehr mit Kindern arbeiten durf- der Betreuer*innen und die Größe der im Alter von ein bis drei Jahren und von ten. Räumlichkeiten angehe. Die Anzahl der 1:8 im Alter von drei bis fünf Jahren. Menschen pro Raum zu begrenzen, ma- Die genannte Studie bestätigt auch, Augenfällige, lang che sicherlich auch Sinn.1 dass der Fachkräftemangel sich unmit- kritisierte Mängel telbar auf die Qualität auswirkt. Bezie- Kindgerechte hungs- und Bildungsprozesse treten Die Pandemie zeigt(e) wie unter ei- Rahmenbedingungen viel zu oft in den Hintergrund, da die nem Brennglas auf, woran es in unse- fehlen meist Beschäftigten gezwungen sind, sich auf rem Bildungssystem mangelt: zu große die Erfüllung der Aufsichtspflicht zu be- Gruppen, zu wenig Personal, zu kleine Dazu passend stellt das am 25. Au- schränken. Überlastung und Unzufrie- Räume und teilweise auch zu kleine Au- gust 2020 veröffentlichte »Ländermo- denheit sind die Folge.2 ßenbereiche. Fehlende Rahmenbedin- nitoring Frühkindliche Bildungssysteme gungen, die – seit Jahrzehnten bekannt – nun unsere pädagogische Arbeit wei- 1 Diskussion um Lockerungen – Dänemark: Bilanz 2 GEW: Qualitätskampagne für bayerische Kitas drin- ter erschweren. nach Kita-Öffnungen; vgl. zdf.de gend nötig!; vgl. gew-bayern.de
12 DDS Oktober 2020 Ausschnitt aus den »Key Facts« des »Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme 2020«. Grafik: Bertelsmann Gesundheitsschutz penräumen unmöglich ist. Unklar ist Trotz Corona-Regeln und reduzier- für alle auch, wie im kommenden Kita-Jahr mit ten Regelbetriebs machten viele Kolle- den Kindern gearbeitet werden kann. g*innen in den letzten Monaten auch Nun ist gerade das neue Kita-Jahr So gilt an bayerischen Kitas seit dem eine positive Erfahrung: Aufgrund der gestartet, die Pandemie begleitet uns 1. September 2020 ein Drei-Stufen-Plan, geringeren Anzahl der Kinder konnten weiter, momentan steigen die Fall- der sich nach den Fallzahlen richtet: Von wir endlich so arbeiten, wie wir uns das zahlen wieder. Wie ansteckend Kin- Stufe 1 im Normalbetrieb über feste schon lange wünschen: kleinere Grup- der sind, ist immer noch nicht geklärt. Gruppen mit festem Personal und redu- pen, genügend Personal, Zeit für die Ebenso nicht, ob die Schnupfennase ein zierten Öffnungszeiten in Stufe 2 bis zur Kinder und ein entspannter Umgang Corona-Symptom ist oder nicht. Dazu eingeschränkten Notbetreuung für Kin- miteinander. Dafür werden wir uns kommt nun die kältere Jahreszeit und der von Eltern aus systemrelevanten Be- weiter einsetzen, auch wir halten uns wieder mehr in den Räu- rufen in Stufe 3. Dies bedeutet, dass die wenn die Pandemie men auf. Es gibt viele Kolleg*innen, die Teams in pädagogischen Einrichtungen einmal vorbei ist. sich um ihre Gesundheit oder die ihrer weiterhin sehr flexibel und kreativ sein von Petra Nalenz Angehörigen aus Risikogruppen sor- müssen, um mit den jeweiligen aktuel- Mitglied der DDS-Redaktion gen, da Abstandhalten in vollen Grup- len Gegebenheiten umzugehen. Erzieherin Wenn sich Inklusion als Exklusion entpuppt In dem umfassenden Artikel »Sta- von Inklusion gesprochen werden, wenn »schwache, schwierige und schlechte« bile Fehlentwicklungen«1 wies der Er- aus Weggängen aus den Förderschulen Schüler*innen »per großherziger und ziehungswissenschaftler und Sonderpä- (ehemals Sonderschulen) Zugänge zu dienstbarer sonderpädagogischer Diag- dagoge Hans Wocken 2017 nach, dass den allgemeinen Schulen resultieren. Er nostik« zu Schüler*innen mit »sonder- Bayern der Verpflichtung zum Aufbau zeigt auf, dass dies auf den ersten Blick für pädagogischem Förderbedarf« gemacht eines inklusiven Schulsystems allenfalls Bayern voll und ganz zutrifft: Die Zahl der werden und als solche an ihrer Schule ansatzweise nachkommt. Die 2020 ak- Förder-, ehemals Sonderschüler*innen, verbleiben – damit als »inkludiert« gel- tualisierte Fassung des Artikels »Inklu- geht kontinuierlich zurück, die der ten. sionspolitische Falschfahrer*innen. Die »inkludierten Förderschüler*innen« Schließlich spricht Wocken von ei- schulische Inklusion in Bayern fährt in steigt kontinuierlich. Bei genauerer Be- nem massiven Versagen der sonderpäd- die falsche Richtung« belegt, dass Bayern trachtung jedoch zeigt sich, dass der agogischen Diagnostik, die nach wie vor dieser Verpflichtung nach wie vor nicht Rückgang der Schüler*innenzahlen an defizitorientiert ist, wissenschaftlichen gerecht wird, allen kultusministeriellen allgemeinen Schulen und an Förder- Kriterien nicht gerecht wird und »mit Verlautbarungen zum Trotz. schulen bis 2015/16 etwa parallel ver- leichtfertigen und großzügigen Diagno- Wocken vergleicht die aktuellen lief und an Förderschulen seit 2016/17 sen die Interessen der ressourcenbe- bayerischen Inklusions- und Separati- sogar wieder ansteigt, um 2018/19 die dürftigen Inklusionsschulen wie auch onswerte wieder mit den Werten von höchste Exklusionsquote (4,7 Prozent) der existenzgefährde- 2008/2009, dem Jahr des Inkrafttretens seit 2000 zu erreichen. Der Rückgang ten Sonderschulen be- der UN-Behindertenrechtskonvention, an Förderschüler*innen ist folglich dem dient.« und zwar unter Verwendung von Zahlen allgemeinen Schüler*innenrückgang zu- des Bayerischen Landesamts für Statistik. zuschreiben, und nicht den Inklusionsbe- von Gele Neubäcker Seine These ist: Wie bei kommunizieren- mühungen. Mitglied der DDS-Redaktion den Röhren kann redlicherweise dann Die andere Säule der kommunizie- renden Röhren, die »rasant steigenden Download des aktualisierten Artikels Inklusionswerte«, ergeben sich laut von Prof. Dr. Hans Wocken: Vgl. Wocken: Stabile Fehlentwicklungen (gew- Wocken nach wie vor aus der »Etikettie- gew-bayern.de/ bayern.de) sowie eine Zusammenfassung in der mitgliederzeitschrift-dds DDS Oktober 2017, S. 13 rung« von Regelschüler*innen, die als
DDS Oktober 2020 13 Wie kommt das sozialpädagogische Personal durch die Pandemie? Im Mai 2020 startete die GEW Bay- ern eine Umfrage zu der Frage, wie sich die Belastungen durch Corona für ihre Mitglieder darstellen.1 Wie stark der Druck war und in vielen Fällen noch ist, zeigt sich – neben den vielen Bera- tungsanfragen an die GEW – in den Ant- worten von rund 600 Mitgliedern und Nichtmitgliedern aus den unterschied- lichsten Arbeitsfeldern der Sozialpäda- gogischen Berufe, um die es hier gehen soll.2 Hinzu kommen rund 200 weitere in diesem Bereich Beschäftigte, die sich lediglich zu einzelnen Fragen äußerten. Im Folgenden werden die zahlreichen persönlichen Statements der Befrag- ten zusammengestellt; einige von ih- nen sollen in Auszügen selbst zu Wort kommen. Die Corona-Pandemie stellt unsere Gesellschaft vor eine bisher un- gekannte Herausforderung. Die Krise betrifft jede und jeden von uns, sozial, ökonomisch, gesundheitlich, aber auch als Bürgerinnen und Bürger in unseren demokratischen Grundrechten. Gerade in Zeiten großer gesellschaftlicher Um- Welche Bedingungen brüche muss sich auch die Demokratie fordert die GEW Arbeitgeber und bewähren. Betriebsrat Auch während der Pandemie zeigt während Corona Wenn diese DDS erscheint, stellt sich, dass ohne solide arbeitsrechtliche sich die Situation in den sozialpädago- Grundlagen kein angemessener Schutz Was tun Arbeitgeber und In- gischen Diensten und Einrichtungen von Arbeitnehmer*innen möglich ist. teressenvertretung zum Schutz möglicherweise wieder anders als zur Die GEW wird nicht müde in ihren For- ihrer Beschäftigten? Viele von Zeit der Umfrage und deren Auswer- derungen nach flächendeckenden Ta- ihnen fühlten sich zum Zeitpunkt tung dar. Viele Themen bleiben jedoch rifverträgen und der Einrichtung einer der Befragung unzureichend in- aktuell bzw. stehen schon lange auf der Interessenvertretung in jedem Betrieb. formiert. Manche erlebten zu Agenda der GEW. Beginnen wir damit. Unter diesem Dach können und müssen wenig Engagement ihrer Interes- Arbeits- und Gesundheitsschutzgesetze senvertretung oder fühlten sich konsequent umgesetzt werden, in deren übergangen. Wer bei kleinen Ein- Folge verbindlich Betriebsmedizin, Ge- richtungen freier Träger arbeitet, fährdungsanalysen usw. stehen. Um den beklagte oft, dass dort ein Be- 1 Download der »Umfrage und Ergebnisse zur ›Ar- Personalmangel in den Kitas, der sich ak- triebsrat fehlt. Ebenso mangele beit während der Corona-Krise in den Sozialpäda- gogischen Berufen‹ im Mai 2020«: gew-bayern.de tuell besonders dramatisch zeigt, zu be- es am Zugang zu Betriebsärzten 2 Eine zweite Befragung richtete sich an Lehrkräfte: heben, fordert die GEW schon lange eine und -ärztinnen, die es nur in den »Umfrage und Ergebnisse zur ›Arbeit der Lehrkräf- deutliche Erhöhung der Eingruppierun- wenigsten Einrichtungen gibt. Da- te und der pädagogischen Mitarbeiter*innen unter Corona‹ im Mai 2020«. Download: gew-bayern.de gen, um den Beruf attraktiver zu machen. rüber hinaus fehlten Konzepte zum
14 DDS Oktober 2020 Schutz der Beschäftigten. Kurzarbeit sikogruppe angehören. Ein Gutachten, sind nach aktuellen Aussagen aus Poli- wurde nur dort als Problem benannt, wo das die GEW Bund bei Prof. Kothe be- tik und Medien systemrelevant. Diesen der Covid-19-Tarifvertrag, der eine Auf- stellte, legt ein besonderes Augenmerk Schwung müssen wir gezielt in Verhand- stockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 auf diesen Aspekt.4 lungen zur Aufwertung der pädagogi- bzw. 95 Prozent sicherstellt, keine Gültig- Während bei manchen Trägern Re- schen Berufe mitnehmen!«, lautete eine keit hat.3 gelungen für den Einsatz von Beschäf- andere Antwort. Doch es gab auch Anerkennung für tigten mit Risikostatus entweder voll- die Arbeitgeber. Arbeiten diese gut mit ständig fehlten oder erst spät entwickelt Blick über den eigenen dem Betriebsrat zusammen, laufen die wurden, wurden andernorts Tätigkeiten Tellerrand Informationspolitik und der Gesund- ohne Kontakt zur Zielgruppe wie z. B. heitsschutz besonders gut. Und weil in Verwaltungsarbeiten klar definiert und Bei allen persönlichen Belastungen vielen Fällen ausreichend Schutzaus- an diese übertragen. Die damit einher- wurden gesellschaftliche Missstände be- rüstung vorhanden und ihr Gebrauch gehenden Maßnahmen reichten von nannt, die während der Pandemie umso klar geregelt war, fühlten sich die flexibler Arbeitsgestaltung über Home- mehr in den Fokus rücken bzw. jetzt Kolleg*innen an ihrem Arbeitsplatz gut office bis hin zur Freistellung bei vollem wie unter einem Brennglas erscheinen, geschützt. Sie wurden zeitnah, regelmä- Gehalt. wie es ein Mitglied ausdrückte. »Diese ßig und transparent informiert und in Mit Blick auf ihr Klientel bemängel- Krise zeigt deutliche Risse in unserem die Arbeits- und Ablaufplanungen einbe- ten einige der Befragten, dass die Risi- Schul-, Gesundheits-, Wirtschafts- und zogen. Anerkennung fand auch das Be- kogruppe der besonders »vulnerablen Sozialsystem.« Verwiesen wird auf die mühen um eine »Balance zwischen den Menschen wie Geflüchtete, Wohnungs- längst fällige Revision des Schulsystems Aspekten Sicherheit und Pädagogik«. lose, Menschen mit Behinderungen etc. sowie die Abkehr vom rein wirtschaft- nicht ausreichend mit Schutzkleidung lichen Denken im Gesundheitswesen. Betreuungs- und und Hygieneartikeln versorgt waren«. »Die Politik hat auch während der Krise Beziehungsarbeit Familien in prekären Lebensverhältnis- erfordern Nähe Die Krise als Chance? sen kaum bis überhaupt nicht im Blick«, hieß es beispielsweise. Durch die Schul- An der Befragung beteiligt waren Wie vielen Menschen in der Bevöl- und Einrichtungsschließungen würden Kolleg*innen aus allen Bereichen der kerung gelang es den Befragten, auch schwache Schüler und Schülerinnen und Jugendhilfe und Sozialarbeit sowie der positive Begleiterscheinungen in der Kri- solche ohne entsprechende Medienaus- Behindertenhilfe. Über die Hälfte von sensituation wahrzunehmen. So wurde rüstung oder elterliche Unterstützung ihnen arbeiten in Kita, Krippe oder Hort. der Zusammenhalt im Team gestärkt, weiter abgehängt. Das entspricht in etwa dem (hohen) An- neue technische Möglichkeiten (Video- teil der in der GEW Bayern organisierten konferenzen, Homeoffice etc.) wurden »Gewerkschaften, sozialpädagogischen Fachkräfte aus die- »im Team erobert«. Wegen des einge- bitte ordentlich sen Bereichen. Die überwiegende Mehr- schränkten Betriebs u. a. in Kitas war Krach machen …« heit der Befragten kann in der Arbeit mit der Personalschlüssel so, dass »endlich Kindern oder anderen zu Betreuenden ganz viel Zeit für die Kinder vorhanden Zuletzt wurde im Fragebogen um den Mindestabstand von 1,50 Meter war« sowie Zeit zum Nachdenken und Rückmeldung an die GEW gebeten. Es nicht einhalten. Das liegt zum einen an Zeit für Konzeptentwicklung und interne gab viel Lob für das Engagement der der räumlichen Ausstattung: »Aufgrund Fortbildungen. Hauptamtlichen: »Danke für den Rück- der Enge in der Einrichtung« kann die halt in schweren Zeiten« und »Weiter vorgeschriebene Distanz nicht eingehal- Wie geht es weiter? so« sind beispielhafte Antworten auf ten werden, »in unseren Büros stehen diese Frage. Die an wenigen Stellen ge- die Schreibtische zu eng zueinander«. Notwendig seien mehr Augenmaß übte Kritik war eher grundsätzlicher Art: Vor allem aber wäre in den meisten sowie langfristige Lösungen zum Ge- »Als Sozialpädagoge fühle ich mich nur Betreuungssituationen ein Abstand sundheitsschutz, mahnten einige Be- mäßig repräsentiert, z. B. mit Themen in schlichtweg kontraindiziert: »Wie soll fragten an. der GEW-Zeitschrift« oder »Ich wusste ich ein Krippenkind (ohne Berührung) Und: Die Pandemie solle endlich zum gar nicht, dass Ihr auch Erzieher/innen trösten?«, »Kontakt ist in der Jugend- Anlass genommen werden, die Vergabe vertretet«, hieß es z. B. An ihrem öffent- hilfe essenziell« usw., antworteten die öffentlicher Aufgaben an Tarifverträge lichen Erscheinungsbild als Bildungsge- Befragten. zu binden. Und zwar für alle im sozialen werkschaft muss die GEW offensichtlich und Gesundheitssektor Beschäftigten, immer wieder arbeiten. Besonderer Schutz insbesondere bei den Weiterbildungs- für Risikogruppen trägern, wie von den dort beschäftig- ten Sozialpädagog*innen betont wird. Deshalb ist die Frage zentral, wel- »Viele Berufsfelder, die GEW betreffend, chen Schutz Beschäftigte genießen, die selbst oder deren Angehörige einer Ri- von Verena Escherich 4 Wolfhard Kohte: Besonders dringliche Maßnahmen Mitglied der DDS-Redaktion des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Prozess 3 Der Covid-19-Tarifvertrag trat am 1. April 2020 in der Öffnung der Kindertagesstätten und an Einrich- Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember tungen der Jugendhilfe. Gutachten vom 29. Mai 2020. 2020; Download: gew.de
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