DAS KLIMA VON TIROL - SUDTIROL - BELLUNO - Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft - 3pclim
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DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SUDTIROL - BELLUNO Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft 105
Vorwort Das Klima der Alpen hat sich so wie das globale Die Autoren dieses Buchs, von denen mehrere am Klima in der uns bewussten Zeit deutlich geändert. Institut für Meteorologie und Geophysik der Univer- Wir erinnern uns an die Sommer der 1960er Jahre, in sität Innsbruck ausgebildet wurden, beschreiben das denen manchmal eine Temperatur von 30 °C gar nicht Klima in sechs Kapiteln, die nicht nur die Datengrund- erreicht wurde und die Niederschläge dazu beigetragen lage und verschiedene Klimaelemente als Mittelwerte haben, dass die Alpengletscher bis 1980 ein letztes der Periode behandeln, sondern auch ihre bisherige Mal vorgestoßen sind. Wir waren Zeugen, wie die zeitliche Entwicklung, und geben einen Vorausblick in Sommertemperaturen in den Alpen von 1980 bis 2003 die mögliche Klimazukunft. Sie vermeiden es erfolg- markant gestiegen sind, rascher als im Rest Europas, reich, auf die ungewisse Beteiligung des Menschen und versuchen, das mit der Ausdehnung des Sub- am Klima einzugehen, behandeln das Thema sachlich, tropenhochs (des Mittelmeerklimas) nach Norden zu dokumentieren ihre Vorgansweise bei der Erstellung erklären. Klima ist also zeitlich und räumlich variabel, dieses Berichts und geben gewissenhaft ihre Quellen wobei wir im zeitlichen Maßstab das Wetter als mo- an. Damit stellen sie uns eine objektive Grundlage zur Herausgeber mentanen Zustand begreifen, die Wetterlagen oder die Verfügung, mit der wir unsere individuellen Fragen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Witterung, z.B. Föhn- oder Hochdrucklagen, sehen wir und Ansprüche an die Wissenschaft und die Fakten Abteilung Brand- und Zivilschutz - Autonome Provinz Bozen als etwas, das mehrere Tage anhält, und den Begriff des Klimas zwischen Karwendel und Dolomiten besser Agenzia Regionale per la Prevenzione e Protezione Ambientale del Veneto (ARPAV) Klima grenzen wir mit einer Dauer von Jahrzehnten beantworten können. ab. Die Pioniere des 19. Und 20. Jahrhunderts haben Autoren aus ihrer Erfahrung 30 Jahre als „die Klimaperiode“ Ich wünsche diesem Werk weite Verbreitung in Wissen- ZAMG: eingeführt. schaft, Wirtschaft, Verwaltung und Schulunterricht Adler Silke In Tirol hat Franz von Zallinger 1777 in Innsbruck die und gratuliere allen Beteiligten zu ihrer hervorragen- Chimani Barbara Drechsel Susanne ersten regelmäßigen Aufzeichnungen der Temperatur den Zusammenarbeit. Haslinger Klaus begonnen, Julius von Hann hat darauf zurückgegrif- Hiebl Johann fen, als er 1870 das „Klima der höchsten Alpenregio- Meyer Vera nen“ beschrieb. Heinrich von Ficker schrieb 1909 die Michael Kuhn Resch Gernot Klimatographie von Tirol, die als Band 4 der Klimato- Langjähriger Vorstand des Instituts für Meteorologie und Geophysik und Rudolph James Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck Vergeiner Johannes graphie von Österreich erschienen ist. Zu Beginn Innsbruck, Januar 2015. Zingerle Christoph des 20. Jahrhunderts haben die meteorologischen ARPAV: Beobachtungen und Messungen, die ja die Grundlage Marigo Gianni jeder Klimatologie sind, in ihrer Zahl und Qualität fast Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung IGF: den heutigen Stand erreicht. Ferdinand Steinhauser Fischer Andrea hat als Direktor der Zentralanstalt für Metorologie Seiser Bernd und Geodynamik dieses Material verwenden können, Für die Übersetzung aus der italienischen Sprache: als er zwischen etwa 1935 und 65 viele Arbeiten über Studio Traduc, Bozen – Christel Zipfel Klimaelemente im Hochgebirge oder von Gesamtöster- reich veröffentlichte. Franz Fliri hat im Jahr 1962 die Layout und Druck Wetterlagenkunde von Tirol geschrieben, der 1969 im Fotolito Varesco - Auer Tirolatlas Klimakarten im Maßstab 1:600.000 folgten. © 2015 Sein 1975 erschienenes Buch „Das Klima der Alpen im Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Raum von Tirol“ behandelt die Periode 1931 – 60 in Abteilung Brand- und Zivilschutz - Autonome Provinz Bozen einem breiten Nord- Südprofil zwischen den Alpen- Agenzia Regionale per la Prevenzione e Protezione Ambientale vorländern beiderseits von Tirol. Dieser Tradition folgt del Veneto (ARPAV) das vorliegende Werk „Das Klima von Tirol - Südtirol - Alle Rechte vorbehalten. Belluno, 1981 – 2010“. 3
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Einleitung KLIMA – ein Wort, ein Forschungsfeld, das in den letz- geachtet. Damals waren es Erfahrungswerte. Mit den ten Jahren immer häufiger von den Medien beachtet systematischen Messungen die uns heute zur Verfü- und kommentiert wird. Liest man dazu Kommentare in gung stehen haben wir die Möglichkeit diese Umwelt- Foren oder diskutiert mit Menschen im Umfeld, stellt faktoren sehr genau zu bestimmen und in Planungs- man fest, dass sich die Teilnehmer der Klimadiskussion prozesse einfließen zu lassen. in verschiedene Lager teilen. Meist sind es gänzlich Eine erste umfassende Betrachtung des Klimas, ganz gegensätzliche Positionen, die vehement vertreten und generell sowie auch speziell im Raum der Alpen, von den eigenen, subjektiven Erfahrungen gestützt verfasste Julius Hann. Sein Werk – das „Handbuch der werden. Klima – der mittlere Zustand der Atmosphäre Klimatologie“ entstand am Ende des neunzehnten und an irgendeiner Stelle der Erdoberfläche – wird durch Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts auf der Basis Messungen der meteorologischen Erscheinungen ob- objektiver Messwerte und wurde über mehrere Jahre KLIMA – „die Gesamtheit aller meteorologischen Erscheinungen, jektiv festgestellt. Im Gegensatz zum Wetter, das den immer wieder aktualisiert. Es diente als Lehrbuch aktuellen Zustand der Atmosphäre beschreibt, werden und als Grundlage für Planungen. Schon damals war die den mittleren Zustand der Atmosphäre an irgendeiner Stelle der die Klimaparameter über längere Perioden gemessen. Hann bewusst, dass die Beschreibung eines „mittleren Über die Jahre ergeben sich daraus Zeitreihen, die eben Zustandes der Atmosphäre“ nur möglich ist, wenn Erdoberfläche charakterisieren“ Julius Hann, 1883. einen mittleren Zustand beschreiben und aus denen man über viele Jahre an Messdaten verfügt und dass Schwankungen des Klimas heraus gelesen werden kön- regionale Unterschiede nur durch ein dichtes Mess- nen. So berichtet beispielsweise das IPCC (Intergovern- netz tatsächlich erfasst werden können. Mehr als 50 mental Pannel on Climate Change) der UNO regelmäßig Jahre danach, 1975, entstand das „Klima der Alpen über die Klimaänderungen, die bereits eingetreten sind im Raume von Tirol“. Franz Fliri verbrachte sehr viel und die wir nach den Modellrechnungen noch erwarten. Zeit mit der Analyse und statistischen Auswertung der Speziell der Trend der Temperatur zeigt dabei in den Datenreihen der Jahre 1931 bis 1960. Er schuf eine letzten Jahren einen deutlichen Anstieg, den wir in Klimatographie, die an den Universitäten, in den Lan- den Daten unseres Untersuchungsgebietes sogar noch desämtern und Planungsbüros der gesamten Region stärker ausgeprägt sehen. zwischen Poebene und Bayerischem Alpenvorland das Mehr und mehr beruhen Planungen in den verschie- Standardwerk wurde – und es bis heute ist. Verglichen densten Bereichen der Technik, Land- und Forst- mit Hann, konnte Fliri auf ein massiv erweitertes wirtschaft, Tourismus, Wasser-, Energie-, Bau- und Messnetz und „moderne“ Messtechnik zurückgreifen. Versicherungswirtschaft, Umweltschutz, Verkehr, Auch erste computergestützte Auswertungen waren Raumordnung, Katastrophen- und Zivilschutz auf me- möglich. Beide Wissenschaftler und viele ihrer Kol- teorologischen und klimatologischen Daten. Heute ist legen stellten fest, dass die Alpen zwar eine Wetter- es so, dass Umweltfaktoren in praktisch jeder Planung, scheide, aber keine Klimascheide darstellen. Innerhalb technisch, wirtschaftlich oder touristisch, eine sehr eines oder weniger Tage gibt es riesige Unterschiede große Rolle spielen. Je genauer diese Faktoren be- im Wetter zwischen Nord- und Südalpen, aber in dem kannt sind, je früher meteorologisch-klimatologische am dichtesten besiedelten Gebirge der Welt, können Fakten in einen Planungsprozess einfließen, umso wir im Norden wie im Süden in der Vertikalen auf nur größer ist die Wahrscheinlichkeit für die erfolgreiche etwa 4000 Metern Höhenunterschied fast alle Klimazo- Durchführung des Projektes. Das war schon so, als nen der Erde durchwandern – vom mediterranen Klima meteorologische Messungen und Klimadatenreihen bis zum Eisklima. In der Zwischenzeit hat sich viel ge- gar nicht existierten. Im Alpenraum wurden Stadel tan: Die Messnetze wurden noch weiter ausgebaut, die abseits von Lawinenstrichen gebaut, Dörfer abseits der Messtechnik macht Wetter- und Klimabeobachtungen durch Wildbäche oder Überschwemmungen gefährde- möglich, die früher nur alle paar Stunden oder Tage ten Zonen errichtet und beim Bau von Dächern wurde von Beobachtern getätigt wurden, und die verfügbare auf die ausreichende Dimensionierung der Dachbalken Rechenleistung von Computern eröffnet neue Mög- 4 5
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO lichkeiten der Datenauswertung und Modellierung. neu ist daher der Versuch, auf Basis von Radar- und Es wurde also nach so vielen Jahrzehnten notwendig, Blitzortungsdaten die Konvektionsklimatographie zu die aktuelle Klimasituation der Region zu erheben, beschreiben. Auch die regionale Klimamodellierung Veränderungen zu analysieren und für die Allgemein- wird durch die verfügbare Rechenleistung und die heit bereitzustellen, sei es als Planungsgrundlagen stetige Entwicklung dieses Wissenschaftsfeldes in den oder auch für die Ausbildung an Universitäten und letzten Jahren immer präziser, sodass wir einen Aus- Schulen. Die Wetterdienste der Region haben sich im blick in die Klimazukunft der Region geben können. Rahmen des Interreg IV Italien-Österreich Programmes Mit den heutigen Mitteln lassen sich Fakten sammeln für das Projekt „3PClim – Past, Present and Perspective und Methoden anwenden, die von immensem Wert Climate of Tirol, Southtyrol and Veneto“ zusammen- sein können. geschlossen. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Dieses Buch ist als kompakte Zusammenfassung der Geodynamik, das Hydrographische Amt Bozen und die Ergebnisse eines 3½-jährigen Projektes gedacht, in Agentur für Umwelt des Veneto bilden im Großraum dem die verschiedenen Felder der Klimatologie in Tirol – Südtirol – Veneto ein Kompetenzzentrum, das einer Subregion des Alpenraumes bearbeitet wurden. KAPITEL 1 über die Experten in Klimatologie und Meteorologie Die wichtigsten Ergebnisse sind hier abgebildet, ein verfügt, um im Zeitraum Herbst 2011 bis Anfang 2015 dieses neue umfassende Standardwerk zu schaffen. Hinter den Ergebnissen, die der Öffentlichkeit zur Vielfaches davon steht auf der mitgelieferten DVD und im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie sollen allen Interessierten, vom Bildungsbereich bis Datengrundlage, Qualitätskontrolle Verfügung stehen, steckt ein enormer Aufwand, der auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Durch die unterschiedlichen Messzeiten und Vorschriften, aber zu planerischen Anwendern alle Antworten auf die Fragen zum Klima von Tirol, Südtirol und dem Veneto liefern. und Homogenisierung auch Parameter, die in einer Region gemessen werden, in den anderen aber nicht, nahmen Datenbeschaffung, Qualitätskontrolle, Korrektur und Homogenisierung knapp ein Drittel der Arbeitszeit in Anspruch. Ein Drittel wurde für die Entwicklung und Anwendung der Methoden benötigt. Um ein gutes Produkt auch zu verbreiten und zugänglich zu machen, wurde ein weiteres Drittel der Arbeitszeit in die Präsentation der Ergebnisse gesteckt. In allen drei Phasen war die positive Wirkung der intensiven länderübergreifenden wissenschaftlichen Arbeit in einem Zusammenrücken der drei beteiligten Institutionen bemerkbar. Die klassischen klimatographischen Informationen stecken in Graphiken, Tabellen und Karten. Durch die Messreihen, die an manchen Stationen der Region in der Zwischenzeit deutlich über 100 Jahre reichen, lassen sich Trends von Temperatur und Niederschlag unmittelbar feststellen. Durch das dichte Messnetz und die Vielzahl an gemessenen Parametern konnte Kartenmaterial von sehr hoher Qualität geschaffen werden. Ein vereinheitlichter Gletscherkataster zeigt vor allem die Veränderungen, die beiderseits der Alpen beobachtet werden. Satelliten- und Radarmessungen machen eine flächendeckende räumliche Beobachtung von Gewitterzellen möglich, die selbst mit dem dich- testen Stationsnetz der Erde, über das wir heute in den Alpen verfügen, nicht zu erfassen sind. Gänzlich 6 7
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO 1.1 Datengrundlage Datenreihen, beispielsweise aufgrund von Standortver- • Systematische Messabweichungen der Sensoren, 4. Innere Konsistenzprüfung: legungen müssen dabei allerdings berücksichtigt und z.B. unzureichende Belüftung oder Vereisung Bei der Prüfung auf innere Konsistenz wurden Um das Klima des Gebietes zwischen dem Karwendel durch sogenannte Homogenisierung der Daten behoben • Inhomogene Zeitreihen, welche sich durch den fort- verschiedene Parameter einer Zeitreihe auf logische und den Dolomiten beschreiben zu können, braucht werden. Dies geschieht unter anderem durch Vergleiche laufend veränderten Standort der Station ergeben, z.B. Zusammenhänge überprüft. Dies kann beispielsweise es ein möglichst dichtes Netz an hochwertigen Messun- mit benachbarten Stationen, deren Daten teilweise erst wachsende Bäume in der Umgebung der Klimahütten sein, dass die Tiefsttemperatur eines Tages nicht hö- gen. Daher wurden in einem ersten Schritt meteorolo- von handgeschriebenen Klimabögen digitalisiert werden • Eingabefehler beim Digitalisieren von alten Klima- her sein darf als die Höchsttemperatur. Wie auch beim gische Messdaten im Gebiet und der näheren Umgebung mussten. Details zur Homogenisierung der Schlüsselsta- bögen vorigen Prüfungsabschnitt entscheidet der Prüfer nach gesammelt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die tionen finden sich im Abschnitt 1.3. Um eine herausragende und einheitliche Datenqualität nochmaliger Kontrolle, wie mit dem zweifelhaften Messnetzbetreiber und die Daten, die sie dankeswer- Grundlage der Klimakarten sowie der Stationsanaly- zu erreichen, wurden die erfaßten und teilweise auch Wert umzugehen ist. terweise zur Verfügung gestellt haben. Klar ersichtlich sen sind wie erwähnt lückenlose Tagesreihen, um alle erstmalig digitalisierten Daten einer mehrstufigen ist, dass die Stationsdichte hinsichtlich Temperatur benötigten Klimaindizes berechnen zu können. Bei- Qualitätsprüfung unterzogen, welche in sechs Schritte 5. Räumliche Konsistenzprüfung: und Niederschlag hoch ist, beim Schnee mit Abstrichen spielsweise kann die Anzahl von Frosttagen in der Kli- eingeteilt wurde: Um die Korrektheit der Messwerte im räumlichen Um- auch noch, die Datendichte der übrigen Parameter je- maperiode 1981 bis 2010 nur berechnet werden, wenn feld sicherzustellen, wurden Tageswerte einer Station doch dünn. Für die Strahlungskarten wurde aus diesem in diesem Zeitraum auch eine tägliche Information 1. Vorprüfungen: mit denen von Nachbarstationen verglichen. Grund auf Modelldaten zurückgegriffen, die jedoch nur dazu vorliegt. Reihen von Stationen, deren Standort Diese Prüfungen wurden während der Datenerfassung, für Österreich zur Verfügung standen (Olefs und Schö- verlegt wurde, wurden nur zusammengehängt, wenn Datentransformierung und dem Datenimport durchge- 6. Zusätzliche Nachprozeduren: ner 2012; Olefs 2013). die horizontale Distanz 5 km nicht überschreitet und führt. Sie beinhalteten die Auffindung von sogenann- Für diesen Prüfprozess wurden maßgeschneiderte An einigen ausgewählten Stationen wurde nicht nur der Unterschied in der Stationshöhe maximal 200 m ten „Ausreißern“, die Prüfung von Schwellwerten, Anwendungsprogramme entwickelt, wie z.B. Prüf- die Klimaperiode betrachtet, sondern der ganze zur beträgt. Die Füllung allfälliger Datenlücken der vorher sowie eine zeitliche Konsistenzprüfung. In diesem software für Schnee oder Globalstrahlung. Bei der Verfügung stehende Messzeitraum, um damit auch Aus- qualitätsgeprüften Daten wurde über Anbindung an ersten Arbeitsschritt wurden fragwürdige Werte ge- praktischen Anwendung dieser Softwareprogramme, sagen über allenfalls bereits festgestellte Änderungen die höchstkorrelierten drei Nachbarn bewerkstelligt. kennzeichnet und „Ausreißer“ wo möglich korrigiert. welche auf räumlichen und statistischen Testalgorith- im Klima treffen zu können. Diskontinuitäten in den Die Mindestverfügbarkeit der Originaldaten wurde men basieren, wurden viele „Ausreißer“ und Fehler parameterabhängig sinnvoll gesetzt, beträgt jedoch 2. Vollständigkeitsprüfung: entdeckt, gekennzeichnet und automatisch oder mindestens 50 %. Der Füllalgorithmus beruht auf Bei dieser Prüfung wurde die Vollständigkeit der Da- manuell korrigiert. MESSREIHEN IM GEBIET den Messwerten der Nachbarn und einem saisonalen tensätze überprüft. Dies war nötig, da weitere Berech- Betreiber nrstat nrfill t tmax tmin pr s fs glo sd clc fog vap Anpassungsfaktor oder additiven Wert. nungen wie zum Beispiel Monatssummenbildung der Für die Klimaauswertung wurden von insgesamt 1460 HD Tirol 431 240 1 1 1 89 92 92 0 0 0 0 0 Die Bildung von Tagesmittelwerten aus zeitlich höher Messwerte unterschiedlicher Parameter auf einem lü- Stationen Datensätze für den Zeitraum 01.08.1980 bis Zamg 288 126 36 36 36 37 37 37 16 21 32 32 36 aufgelösten Messungen ist in den einzelnen Regionen ckenlosen Datensatz basieren. Lücken wurden je nach 31.12.2010 auf Tagesbasis geprüft. Lediglich für einige ARPA Veneto 202 153 116 100 100 85 7 0 21 0 0 0 0 uneinheitlich. Für die vorliegenden Analysen wur- Parameter und der Länge des fehlenden Zeitraums ausgewählte Referenzstationen wurden die gesamten Hydro BZ 150 107 103 104 104 74 34 43 1 0 1 0 0 de daher die Tagesmitteltemperatur konsistent aus mit Fehlwerten aufgefüllt oder mit Werten korrigiert, vorhandenen Zeitreihen getestet, um sie anschließend dem Mittel aus Maximum- und Minimumtemperatur bzw. interpoliert. Hilfreich für diese Qualitätsprüfung für die Datenhomogenisierung zu verwenden. (siehe MeteoSwiss 136 116 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 gebildet. Für die Monatsdaten der Temperatur wurden waren Originalwerte von historischen Thermo-Hygro- Kap. 1.3). MeteoTrentino 103 85 75 78 79 66 0 0 0 0 1 0 0 zusätzlich länderspezifische Korrekturen vorgenom- graph-Streifen, von Klimabögen und Radarbilder. Insgesamt wurden von den erfaßten Datensätzen LWD 49 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 men, die die Seehöhe der Station sowie die Lage im (rund 584 Millionen Werte) 1,14 % der Datenmenge als ARPA FVG 43 36 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 städtischen oder ländlichen Gebiet berücksichtigen 3. Klimatologische Prüfung: zweifelhaft ausgegeben und rund 1 % der Datenmenge DWD 39 33 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 (Hiebl u. a. 2009). Hierbei wurde getestet ob alle Messwerte innerhalb entweder manuell oder automatisch korrigiert. TIWAG 9 7 6 6 6 0 0 0 1 0 0 0 0 eines klimatologischen Grenzwertebereichs liegen. Welche Parameter am häufigsten korrigiert wurden, Aeronautica 5 1 0 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 Diese Grenzwertebereiche sind abhängig von der zeigt Abbildung 1.1. Dazu zählen Niederschlag, Tem- Uni Ibk 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 geographischen Position (Höhenlage) der Station und peraturminimum und -maximum, Schnee, Neuschnee MeteoSlo 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1.2 Qualitätskontrolle vom Messzeitpunkt. Liegt der Messwert außerhalb und Globalstrahlung, wobei nicht alle Stationen auch eines bestimmten, physikalisch sinnvollen Bereichs, alle Parameter messen. Tab. 1.1: Betreiber, Anzahl von Stationen (nrstat), Stationen mit lückenlosen Reihen in Beobachtete oder automatisch erfasste Daten können wird er als „zweifelhaft“ ausgegeben. Ob dieser Wert Der Niederschlag gehört zu einer der größten Her- der Klimaperiode 1981 – 2010 (nrfill), sowie verfügbare Reihen innerhalb der betrachte- ten Region für die einzelnen Messparameter: Tagesmittel-, Höchst- und Tiefsttemperatur zunächst mit Fehlern behaftet oder inkonsistent sein. korrigiert werden muss oder als korrekt bestätigt wird, ausforderungen der Klimadatenprüfung und erfordert (t, tmax, tmin), Niederschlag (pr), Schnee (s), Neuschnee (fs), Globalstrahlung (glo), entscheidet dann der Prüfer nach nochmaliger Kon- viel Erfahrung. Einerseits kann Niederschlag als sehr Sonnenscheindauer (sd), Bewölkung (clc), Nebel (fog) und Wasserdampf (vap). Die häufigsten Probleme sind: trolle. Somit wird sichergestellt, dass auch extreme lokales Phänomen auftreten, wie z.B. bei Gewitter, • Fehler in der Beobachtung oder beim Eintrag Wetterereignisse, die den normalen klimatologischen andererseits aber auch als großflächiges Ereignis, • Technischer Instrumentenausfall Gegebenheiten widersprechen, durch das Prüfsystem welches über mehrere Tage andauern kann. Die to- nicht verfälscht werden. pographischen Einflüsse, hier im speziellen die Berg- 8 9
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Abb. 1.1: Relative Anzahl korrigierter Daten: mittlere tägliche 2m Lufttemperatur (t), Lufttemperatur um 07 MOZ/14 MOZ/19 MOZ (t07/14/19), tägliches Minimum der 2 m Lufttemperatur (tmin), tägliches Maximum der 2 m Lufttemperatur (tmax), Feuchttemperatur (tf), 5 cm Temperatur (t5min), mittlere tägliche relative Feuchte (rel), Relative Feuchte um 07 MOZ/14 MOZ/19 MOZ (rel07/14/19), mittlerer täglicher Dampfdruck (vap), Dampfdruck um 07 MOZ/14 MOZ/19 MOZ (vap07/14/19), Stationsdruck (p), mittlere tägliche Bewölkung (clc), tägliche Summe der Globalstrahlung (glo), Sonnenscheindau- er 0-24 MOZ (sund), Regen 24h (rrr), Niederschlagsart (rrt), Gesamtschneehöhe (snow), Neuschneehöhe (nsnow). Abb. 1.2: Übersichtskarte zur Lage der für die Homogenisierung gewählten Stationen. und die Tallandschaften der Alpen, müssen bei der durch möglichst lange, ungestörte und für das Klima Datenprüfung mit berücksichtigt werden. Schlussend- der Region repräsentative Zeitreihen aus. Von diesen lich wurden die fehlerbereinigten und als endgeprüft 17 Stationen befinden sich sechs in Tirol, sieben in klassifizierten Zeitreihen für die Datengrundlage von Südtirol und vier in der venetischen Provinz Belluno Homogenitätstests, für kartographische Darstellungen, (Abb. 1.2). Als wichtigste Indikatoren für etwaige Brüche müssen daher eliminiert und die Zeitreihe dem anteilige Monatssummen sowie die Häufigkeit von für Klimavariabilitätsstudien und für die Extrem- Klimaänderungen wurden die Temperaturen (tägliche aktuellen Zustand angeglichen werden. Das dazu not- Tagen mit mindestens 5 mm Niederschlag verwendet. wertanalysen verwendet. Tiefst- und Höchstwerte) sowie der Niederschlag ana- wendige Verfahren beruht auf Stationsinformationen Brüche werden nur dann als solche angenommen, lysiert. Je länger Messreihen sind, umso eher enthal- und verschiedenen statistischen Methoden und wird wenn sie von mehreren Methoden entdeckt werden. ten sie Diskontinuitäten (Brüche), die beispielsweise als Homogenisierung bezeichnet. Für die Homoge- Im zweiten Schritt werden die Zeitreihen dann korri- durch Stationsverlegungen, technische Neuerungen nisierung müssen in einem ersten Schritt mögliche giert. Die Referenzstationen dienen dabei zur Bestim- 1.3 Homogenisierung der Instrumente oder zeitliche Veränderung der Um- Brüche detektiert werden. Unter Berücksichtigung mung der notwendigen Anpassung. Nähere Details zur gebung wie z. B. Urbanisierung bedingt sind. In Auer historischer Aufzeichnungen zur Stationsgeschichte Homogenisierung von Tagesdaten sind in der Arbeit Um neben dem Istzustand der Klimaperiode 1981 bis u. a. (2007) wird gezeigt, dass eine durchschnittliche geschieht dies bei den Tagesdaten über die Einbe- von Nemec u. a. (2013) zu finden. Die Homogenisie- 2010 auch die zeitliche Entwicklung und mögliche Klimazeitreihe alle 20 bis 30 Jahre eine Diskontinuität ziehung von hoch korrelierten Nachbarstationen im rung auf Tagesbasis ist äußerst anspruchsvoll (Auer u. a. Trends einer Klimaänderung bewerten zu können, erfährt, deren Stärke das tatsächliche Klimasignal Umkreis von 100 km horizontal und 200 m vertikal. 2010) und nicht immer erfolgreich. Da Niederschlag wurden 17 Stationen ausgewählt. Diese zeichnen sich verfälscht und mögliche Trends überdeckt. Solche Beim Niederschlag werden zur Bruchdetektion zudem räumlich und zeitlich stark variiert, ist besonders bei 10 11
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO diesem Parameter die Bruchdetektion eine sehr große Herausforderung. Generell kann beim Tagesnieder- schlag auch nur ein Bruch korrigiert werden, und zwar der zeitlich letzte. Da Monatsdaten durch die Mittelung räumlich gleich- mäßiger verteilt sind, ist die Homogenisierung hier deutlich erfolgreicher und zudem auch als Methode etablierter (Mestre u. a. 2013, Domonkos 2011, Picard u. a. 2011). Wenn möglich bildeten die homogeni- sierten Tagesdaten die Ausgangsbasis zur Mittel- oder Summenbildung. Für jene Stationen, wo die Homoge- nisierung der Tagesdaten nicht möglich war, wurden die Originaldaten verwendet. Ergab sich bei den Monatssummen des Niederschlags KAPITEL 2 keine Diskontinuität, wurden auch die Tagesdaten als homogen betrachtet und für die Analysen verwendet. Für die Temperaturreihen von Bozen und Brixen, bei denen aufgrund fehlender Nachbarstationen keine Trends von Temperaturen Homogenisierung möglich war, wurde der HISTALP Datensatz verwendet. und Niederschlag Referenzen Kapitel 1 Auer I, Böhm R, Jurkovic A, Lipa W, Orlik A, Potzmann R, Schöner W, Ungersböck M, Matulla C, Briffa K, Jones PD, Efthymiadis D, Brunetti M, Nanni T, Maugeri M, Mercalli L, Mestre O, Moisselin J-M, Begert M, Müller-Westermeier G, Kveton V, Bochnicek O, Stastny P, Lapin M, Szalai S, Szentimrey T, Cegnar T, Dolinar M, Gajic-Capka M, Zaninovic K, Majstorovic Z, Nieplova E, 2007: HISTALP – Historical instrumental climatological surface time series of the greater Alpine region 1760-2003. International Journal of Climatology 27: 17-46. Auer I, Nemec J., Gruber C., Chimani B., Türk K.,2010: HOM-START. Homogenisation of climate series on a daily basis, an application to the StartClim dataset. Vienna: Klima- und Energiefonds, project report, 34 pages. Domonkos P., 2011: Adapted Caussinus-Mestre Algorithm for Networks of Temperature series (ACMANT). Int J. Geosci, 2, 293-309 Hiebl J, Auer I, Böhm R, Schöner W, Maugeri M, Lentini G, Spinoni J, Brunetti M, Nanni T, Percec Tadic M, Bihari Z, Dolinar M, Müller-Westermeier G (2009): A high-resolution 1961–1990 monthly tem- perature climatology for the greater Alpine region. Meteorologische Zeitschrift 18, 507–530, doi:10.1127/0941-2948/2009/0403. Mestre O, P. Domonkos, F. Picard, I.Auer, S. Robin, E. Lebarbier, R. Böhm, E. Aguilar, J.Guijarro, G. Vertachnik, M. Klancar, B. Dubuisson, P.Stepanek, 2013: HOMER: a homogenization software – methods and applications, Idöjárás Quarterly Journal of Hungarian Meteorlogical Service, 47-67. Nemec J., Gruber C., Chimani B., Auer I. (2013): Trends in extreme temperature indices in Austria based on a new homogenised dataset of daily minimum and maximum temperature series. International Journal of Climatology 33/6, 1538–1550, doi:10.1002/joc.3532. Olefs M (2013): Projekt APOLIS – Austrian photovoltaic information system. Final report. Vienna: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, 70 pp. Olefs M, Schöner W (2012): A new solar radiation model for research and applications in Austria. In: EGU General Assembly 2012, Vienna, 22.–27.04.2012. Picard F, E. Lebarbier, M. Hoebeke, G. Rigaill, B. Thiam, S. Robin, 2011: Joint segmentation, calling and normalization of multiple CGH proiles, Biostatistics 12, 413-428 12 13
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO 2.1 Klimageschichte werden. Darunter fallen klösterliche Chroniken mit Aufzeichnungen über Wetterextreme, Ernteerträge Um die aktuellen Klimaentwicklungen einordnen zu oder Überschwemmungen. Aber auch die Analyse von können, wird eine kurze Schilderung der „jüngeren“ Eisbohrkernen, Sedimenten, Pollen oder Baumringen. Klimageschichte vorgenommen. Vor knapp 12.000 Im Zuge der Dendroklimatologie konnten etwa in den Jahren stellten sich nach der letzten Eiszeit ver- Ostalpen jahrtausendealte Baumstrünke aus den Morä- gleichsweise warme und stabile Verhältnisse ein, das nen des Gepatschferners und der Gletscherzunge der sogenannte Holozän. Dieses ist gekennzeichnet durch Pasterze für die Klimarekonstruktion benutzt werden. nur noch geringe Schwankung der globalen Mitteltem- Erst die Entwicklung physikalischer Messmetho- peratur (weniger als 1 °C) und kann in ein wärmeres den ermöglichte die systematische Erfassung und Frühholozän und ein kälteres Spätholozän unter- Quantifizierung des Klimas. Im Alpenraum starteten teilt werden. Erst seit etwa 100 Jahren erfolgte die regelmäßige Wetterbeobachtungen im 18. Jahrhun- Abb. 2.1: Temperaturentwicklung im Alpenraum (Österreich, schwarz) und im globalen Mittel (magenta) nach Böhm (2010). Trendwende zu einer von Menschen mitverursachten dert, wie etwa im Jahr 1777 in Innsbruck. Im Jahr Die dicken, glatten Kurven stellen ein dekadisches Mittel dar. Erwärmung. Dies wird für den Alpenraum anhand der 1883 erschien die erste Auflage des Handbuches der Messungen noch ausführlich diskutiert. Langfristig Klimatologie von Hann. Vorerst wurden also Mittel- gesehen war der Klimatrend jedoch 5000 Jahre lang werte verschiedener geographischer Regionen mithilfe auf leichte Abkühlung eingestellt. Diese Entwicklung eines verdichteten Messnetzes erfasst. Nach Betrach- ist allerdings durch jahrzehnte- bis jahrhundertelange tung längerer Zeitreihen entwickelte sich aus dieser rungen. Will man diese anhand von direkten Messun- und nicht auf Trends, also zeitliche Änderungen, Warm- und Kaltphasen überlagert. statischen Klimatologie die Schwankungsklimatologie gen untersuchen, so braucht es längere und in sich fokussiert. Der Einfluss von Länge, Breite, Höhe und Als Beispiele mögen die mittelalterliche Warmzeit (Schönwiese, 1974). Diese erforschte nicht nur die konsistente (homogene) Messreihen. Entfernung von der Küste wurde ebenso berücksich- und die kleine Eiszeit dienen. Die mittelalterliche geographische Verteilung von klimatischen Mittel- Herausragend ist in diesem Zusammenhang der HIS- tigt wie die lokalen Faktoren Kaltluftseen (im Winter), Warmzeit hatte ihren Höhenpunkt etwa zwischen den werten, sondern auch deren Schwankungen in einem TALP-Datensatz (Auer u. a., 1999, Böhm u. a., 2009), See-, Stadt und Hangeffekte. Lokale Effekte erreichen Jahren 1000 und 1300 und brachte eine Erwärmung längeren Zeitabschnitt. Für den Alpenraum stellte der für den Stationsmessungen ab dem Jahr 1770 gewis- eine typische Größenordnung von bis zu 1 °C (Auer um 1-2 °C. Das günstige Klima des Hochmittelalters Innsbrucker Geograph Fliri erstmals grenzübergreifend senhaft homogenisiert wurden. Der Datensatz umfasst und Böhm, 2003). Daneben gibt es für die Region eine ermöglichte nicht nur ausgedehnten Weinanbau in Klimawerte von Niederschlag und Temperatur (Fliri, den erweiterten Alpenraum, der sich von 4 bis 19 °E Reihe von nationalen oder subnationalen Klimatologi- Europa, sondern führte auch zu einem Aufschwung 1974, 1975, 1984), aber auch der Schneedecke (Fliri, und von 43 bis 59 °N erstreckt und in fünf Regionen en (Auer u. a. 2001 für Österreich, Brunetti u. a. 2009 der Städte. Die Kleine Eiszeit war eine Periode relativ 1992) zusammen. unterteilt wurde. Nördlich des Alpenhauptkammes für Norditalien, Mercalli 2003 für das Aostatal), die kühlen Klimas von Anfang des 15. bis in das 19. Jahr- befindet sich die Region Nordwest, östlich von Salz- jedoch allesamt nicht länderübergreifend sind. hundert hinein. Sie gilt in der heutigen Klimadiskussi- burg die Region Nordost. Die Trennlinie zwischen den on als das klassische Beispiel einer durch kurzfristige Subregionen Südwest und Südost läuft entlang des Schwankungen geprägten „natürlichen“ Klimavariati- 2.2 Die Erforschung des Klimas östlichen Dolomitenrandes. Schließlich gibt es noch on. Die Hauptfaktoren dabei sind vermutlich Ände- in den Alpen die hochalpine Region ab einer Seehöhe von 1.500 m. 2.3 Klima – Schwankungen und Trends rungen im Umlauf der Erde um die Sonne, gesteigerte Diese Einteilung wird für die vorliegenden Auswertung zwischen Arlberg und Dolomiten vulkanische Aktivität und ein etwas schwächerer Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die übernommen. Golfstrom. Auch während der Kleinen Eiszeit gab es Klimaforschung im Alpenraum gegeben, was bei der Einige wichtige Schlussfolgerungen für die Klima- In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf einer erhebliche Klimaschwankungen; zum Beispiel waren Untersuchung von Klimaänderungen zu beachten ist forschung konnten aufgrund der guten Datenlage alpen- und somit grenzüberschreitenden Untersu- die Zeiträume von 1570 bis 1630 und von 1675 bis und wie sich Temperatur und Niederschlag in den bereits gezogen werden. So ergibt die Betrachtung der chung des Klimas und seiner Entwicklung bis zum 1715 besonders kalte Zeitabschnitte, welche im Allge- letzten Jahrzehnten entwickelt haben. HISTALP-Daten, dass die Erwärmung im Alpenraum Ende der aktuellen Klimaperiode 2010. Dazu wurden meinen mit Gletschervorstößen in Zusammenhang ste- Die betrachtete Region ist zunächst einmal verschie- überall sehr ähnlich verläuft und mit beinahe 2 °C homogenisierte Tageswerte der Tiefst- und Höchsttem- hen. Missernten und Seuchen verschärften bestehende denen klimatischen Einflüssen ausgesetzt: Im Norden seit dem 19. Jahrhundert stärker als im globalen Mit- peraturen, sowie des Niederschlags verwendet. Die soziale Spannungen, die Französische Revolution ist ist der atlantische Einfluss dominant, im Süden der tel ist (Abb. 2.1). Hauptverantwortlich dafür scheint Homogenisierung, die unter anderem auf eine Korrela- auch in diesem Licht zu sehen. Generell hat das sta- mediterrane. Zeitweilig sind auch von Osten her kon- die Nordwärtsverlagerung des subtropischen Hoch- tion mit Nachbarstationen beruht, ist insbesondere für bile Klima des Holozäns die menschliche Entwicklung tinentale Luftmassen spürbar. Von Saison zu Saison druckgürtels zu sein. Diese Erwärmung verläuft aber Tageswerte eine große Herausforderung. Details sind zur sesshaften Ackerbaukultur und weiter bis zum und von Jahr zu Jahr dominieren unterschiedliche nicht stetig, sondern ist von etwa 10- bis 30-jährigen in Kapitel 1.3 zu finden. industriellen Zeitalter sicher begünstigt. Einflüsse. Daher rühren starke Änderungen, und ein Zwischenmaxima und -minima überlagert. Erkenntnisse zu den eben skizzierten Veränderungen kalter, nasser Sommer folgt zum Beispiel auf zwei Hiebl et. al. (2009) haben daraus eine grenzüber- Temperatur stammen aus vielfältigen Quellen, die, als indirek- trockene warme. Unter Klimaänderung versteht man schreitende Temperaturklimatologie gemacht, die sich Zunächst wird auf die Temperatur und die damit te Anzeiger des Klimas, auch Proxydaten genannt im Gegensatz zu dieser Variabilität langfristige Ände- allerdings auf den Zeitraum 1961 bis 1990 bezieht verbundenen Klimaelemente wie Anzahl der Sommer- 14 15
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Abb. 2.2: Abweichung der Jahresmitteltemperatur vom jeweiligen Klimamittel 1981 bis 2010. Stationswerte sind wie in der Legende ausgewiesen durch Abb. 2.3: Abweichung der Sommermitteltemperatur (JJA) vom jeweiligen Klimamittel 1981 bis 2010. Stationswerte sind wie in der Legende ausgewiesen Symbole gekennzeichnet, die Farben stehen für die Subregionen. Nordwest wird mit blau gekennzeichnet, Südwest mit orange, Südost mit grün und durch Symbole gekennzeichnet, die Farben stehen für die Subregionen. Nordwest wird mit blau gekennzeichnet, Südwest mit orange, Südost mit grün und hochalpin mit magenta. Die durchgezogenen Linien zeigen das gleitende Mittel über 11 Jahre. hochalpin mit magenta. Die durchgezogenen Linien zeigen das gleitende Mittel über 11 Jahre. tage, Eistage, etc. eingegangen. An 12 von insgesamt mehrere Stationen eine Entwicklung deutlicher her- den 80-er Jahren nimmt der Erwärmungstrend klar 1960 und 1980 waren die Sommer bei gleichblei- 17 betrachteten Schlüsselstationen ist die Konsistenz vortreten lassen. zu, in den 20 Jahren bis 2000 liegt der Anstieg bei bendem Niveau noch ein gutes Grad kälter als im und Qualität der homogenisierten Temperatur-Messrei- Wenden wir uns der Entwicklung der Jahresmitteltem- 0,6 – 1,0 °C. Seit 1998 ist der Trend etwas gedämpft. aktuellen Klimamittel. Bis 2000 stiegen die Sommer- he für eine Analyse ausreichend. Diese 12 Stationen peratur in den vier Subregionen zu, die in Abbildung 2.2 Dieser „Plateaueffekt“, Hiatus genannt, wird auch temperaturen dann allerdings deutlich, im Schnitt bilden die Grundlage für die folgenden Aussagen. Die gezeigt wird. Bis 1934 liegen nur Messungen der Sta- global beobachtet (IPCC 2014). Die Gründe dafür sind um gut 1 °C. Seitdem ist der Anstieg gebremst, der vier Stationen Kufstein (KUF), Reutte (REU), St. An- tion Innsbruck Universität vor. Das Temperaturniveau noch umstritten, jedenfalls scheinen natürliche Kli- bereits erwähnte Plateaueffekt ist auch im Sommer zu ton am Arlberg (ANT) und Innsbruck Universität (IBK) liegt bis zu diesem Zeitpunkt in etwa 1 bis 2 °C unter maschwankungen in Zusammenhang mit geänderten beobachten. Allerdings fällt der Jahrhundertsommer befinden sich in der nördlichen Subregion. Südlich des dem aktuellen Klimamittel 1981 bis 2010. Betrachtet Meeresströmungen eine Rolle zu spielen. Die typische 2003, der bei den Stationssymbolen in Abbildung Alpenhauptkammes bilden Sterzing (STZ), Lienz (LZ) man die tiefpassgefilterten Regionsmittel, die die Bandbreite, wie stark der Jahreswert einer Station 2.3 durch die stärksten positiven Abweichungen und Bozen (BZ) die Region Südwest. Mit schon deutli- Entwicklung gut zeigen, ist zunächst festzustellen, vom regionalen Mittel abweicht, liegt bei 2 °C. heraussticht, gerade in dieses Jahrzehnt. Der eben chem Mittelmeereinfluß werden die Stationen Sexten dass die Temperatur in den Regionen sehr ähnlich Die beschriebene Entwicklung vollzieht sich indes geschilderte Trend spiegelt sich auch in der zeitlichen (SEX), Agordo (AGO), Asiago (ASI) und Fortogna (FOR) verläuft. Eine Abweichung zu wärmeren Temperatu- nicht regelmäßig, sondern weist durchaus Besonder- Entwicklung der Sommertage wider. Unter einem Som- zur Region Südost zusammengefasst. Das hochalpine ren in der Region Südwest bis etwa 1970 ist durch heiten in den Jahreszeiten auf. Abbildung 2.3 zeigt mertag versteht man in der Klimatologie einen Tag, Klima wird von Obergurgl (OBG) am Alpenhauptkamm auffällig warme Startjahre an der Station Sterzing den zeitlichen Gang der Sommertemperatur, also der an dem die Tageshöchsttemperatur 25 °C erreicht oder repräsentiert. mitverursacht. Ansonsten ist der Trend aber regions- Monate Juni bis August. Es ist erneut festzustellen, überschreitet. Vergleicht man zunächst die absoluten Wie bereits eingangs erwähnt ist die Variabilität von und höhenübergreifend zu sehen und setzt sich vom dass die Änderungen in der gesamten Region parallel Zahlen von Kufstein und Fortogna in den Abbildungen Jahr zu Jahr hoch. Um dennoch längerfristige Trends Tiroler Alpennordrand über den Alpenhauptkamm bis ablaufen. Die nachfolgende Beschreibung gilt demnach 2.4 und 2.5, so gibt es natürlich an der Nordtiroler sichtbar zu machen, werden üblicherweise zeitliche ins Veneto fort. Bis 1980 dominieren Schwankungen für das gesamte betrachtete Gebiet vom Karwendel bis Station mit durchschnittlich 49 Sommertagen im Mittel über mehrere Jahre genommen (Tiefpassfil- mit einer Periode von etwa zehn Jahren samt einem zu den südlichen Ausläufern der Dolomiten. Bis etwa Zeitraum 1981 – 2010 deutlich weniger als an der terung). Da außerdem die räumliche Korrelation für Temperaturanstieg von etwa 0,1 °C pro Dekade. Dieser 1960 dominieren die quasiperiodischen Schwankungen Station im Veneto mit 63. Die Änderung im Laufe der die Temperatur hoch ist, kann auch ein Mittel über Wert entspricht in etwa der globalen Erwärmung. Ab und es ist kein klares Trendsignal zu sehen. Zwischen letzten Jahrzehnte verläuft jedoch ähnlich. Bis 1980 16 17
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Abb. 2.4: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Sommertage in Kufstein. Abb. 2.6: Abweichung der Wintermitteltemperatur (DJF) vom jeweiligen Klimamittel 1981 bis 2010. Stationswerte sind wie in der Legende ausgewiesen durch Symbole gekennzeichnet, die Farben stehen für die Subregionen. Nordwest wird mit blau gekennzeichnet, Südwest mit orange, Südost mit grün und hochalpin mit magenta. Die durchgezogenen Linien zeigen das gleitende Mittel über 11 Jahre. dominiert die natürliche Schwankung von Jahr zu im Sommer. Ausgeprägt kalte Winter können durchaus Jahr. Danach folgt ein deutlicher Anstieg bis 2000 und 6° kälter sein als das langjährige Mittel. Der Trend seitdem verweilt die Zahl der Sommertage auf hohem setzt sich aus den oben beschriebenen Schwankungen Niveau, wobei das Jahr 2003 außergewöhnlich viele und einem Anstieg seit 1950 zusammen, der Ende gebracht hat. Ermittelt man einen linearen Trend, so der 90-er Jahre ein Maximum aufweist. Seitdem sind haben die Sommertage in Kufstein in den 50 Jahren sogar wieder etwas kältere Winter aufgetreten, wenn seit 1961 um 31 zugenommen und sich somit verdop- auch nicht in jedem Jahr. Welche Auswirkung hat pelt. In Fortogna lässt sich dieser Anstieg im gleichen dies auf das Auftreten von kalten Tagen? Um dies zu Zeitraum aufgrund der fehlenden Daten bis 1966 nicht verdeutlichen werden in den Abbildungen 2.7 und in Zahlen gießen. Die Zunahme der Tage mit mindes- 2.8 stellvertretend für Stationen nördlich und südlich tens 25 °C ist aber trotzdem ersichtlich. des Alpenhauptkammes die Eistage in Innsbruck und Wie sich die Wintertemperatur in den letzten Jahr- Sexten gezeigt. An Eistagen bleibt die Temperatur den zehnten verhalten hat, zeigt Abbildung 2.6. Dabei ganzen Tag über unter dem Gefrierpunkt. Dass die werden die drei Monate Dezember, Jänner und Februar absolute Anzahl am Nordrand der Dolomiten höher als Winter zusammengefasst. Zunächst fällt auf, dass ist als im Inntal – vergleiche das Klimamittel mit gut die Schwankungen deutlich ausgeprägter sind als im 31 Eistagen in Sexten und knapp 15 in Innsbruck – Sommer. Das liegt daran, dass im Winter manchmal liegt an der Seehöhe. Dass Eistage seit etwa Mitte der der Einfluss kalter Kontinentalluft dominiert, dann 60er-Jahre weniger werden, lässt sich jedoch für beide jedoch wieder gemäßigte maritime Luftmassen das Orte feststellen. Im Mittel kommen Tage, an denen die Kommando übernehmen. Auch die Bandbreite der Temperatur nicht über 0 °C steigt, im Jahr 2010 in Abweichung vom Klimamittel ist im Winter größer als Innsbruck und in Sexten etwa halb so oft vor wie im Abb.2.5: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Sommertage in Fortogna. 18 19
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Abb. 2.7: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Eistage in Innsbruck. Abb. 2.9: Länge der Vegetationsperiode in Reutte. Abb. 2.8: Zeitliche Entwicklung der Anzahl der jährlichen Eistage in Sexten. Abb. 2.10: Länge der Vegetationsperiode in Lienz. 20 21
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Abb. 2.11: Abweichung der Jahresniederschlagssummen vom jeweiligen Klimamittel 1981 bis 2010. Stationswerte sind wie in der Legende aus- gewiesen durch Symbole gekennzeichnet, die Farben stehen für die Subregionen. Nordwest wird mit blau gekennzeichnet, Südwest mit orange, Südost mit grün und hochalpin mit magenta. Die durchgezogenen Linien zeigen das gleitende Mittel über 11 Jahre. Abb. 2.13: Jährliche Niederschlagssummen in Fortogna, dargestellt als Abweichung vom Mittelwert 1981 bis 2010. Abb. 2.12: Jährliche Niederschlagssummen in Kufstein, dargestellt als Abweichung vom Mittelwert 1981 bis 2010. Abb. 2.14: Jährliche Niederschlagssummen in Reutte, dargestellt als Abweichung vom Mittelwert 1981 bis 2010. 22 23
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO Jahr 1961. Der Frühling, also die Monate von März bis Niederschlag Mai, verhält sich ähnlich wie der Sommer. Im Herbst Neben der zeitlichen Entwicklung der Temperatur (September bis November) dagegen dominiert die wurde auch die des Niederschlags untersucht. Für natürliche Klimaschwankung. Doch auch wenn an den diese Trendanalysen konnten zusätzlich zu den oben meisten der betrachteten Schlüsselstationen statis- beschriebenen Stationen die Messreihen folgender tisch kein signifikanter Trend seit 1961 berechnet Orte verwendet werden: in der Subregion Südwest St. wird, so sind die Herbstmonate aktuell doch tenden- Martin (STM) in Passeier, Marienberg (MAR) im oberen ziell wärmer als noch in der ersten Hälfte des 20 Jahr- Vinschgau, Brixen (BRI) im Eisacktal und St. Magdale- hunderts. „Welche Folgen hat das für die Länge der na (MAG) in Gsies. Auch in der Subregion Südost gibt Vegetationsperiode?“, werden sich nicht nur Landwirte es eine weitere Schlüsselstation, und zwar Campo di fragen. Die Vegetationsperiode wird hier klimatisch Zoldo (ZOL) in den südöstlichen Dolomiten. beschrieben als der Zeitraum, in dem im langjährigen Der Niederschlag im Alpenraum wird hauptsächlich Mittel die Tagesmitteltemperatur über 5 °C liegt. Da von großräumigen Wettersystemen (Fronten) verur- dies in tieferen Lagen im Sommer durchgehend der sacht, sowie von konvektiven, kleinräumigen Ereig- Fall ist, hängt die Vegetationsperiode bis in Mittelge- nissen in der warmen Jahreszeit. Fronten, die aus dem birgslagen von Frühjahr sowie Herbst ab. Um wieder Nordwestsektor Richtung Alpen ziehen, schwächen Entwicklungen nördlich und südlich des Alpenhaupt- sich über dem europäischen Kontinent entlang ihrer kammes zu verdeutlichen, werden in den Abbildungen Zugbahnen oft bereits leicht ab und sorgen erst durch 2.9 und 2. 10 beispielhaft die Orte Reutte und Lienz Staueffekte an den Alpenrändern wieder für stärkere herangezogen. Nimmt man Reutte als Maßstab, so ist Niederschläge. Wettersysteme aus dem Südwestsektor am Alpennordrand keine eindeutige Tendenz bei der verstärken sich dagegen häufig über dem Golf von Länge der Vegetationsperiode auszumachen. Immer Genua oder der Riviera und „saugen“ dabei über dem wieder und unregelmäßig wechseln sich Jahre mit Mittelmeer weiteres Wasser auf. Diese Lagen kön- Abb. 2.15: Längste Trockenperiode in Innsbruck. langer und kurzer Wachstumsperiode ab. In Lienz hin- nen für besonders starke Niederschläge südlich vom gegen hat sich die Vegetationsperiode seit Anfang der Alpenhauptkamm sorgen. Inneralpin mit zunehmen- 60er Jahre eindeutig verlängert, und zwar um zirka 4 dem Abstand zu den Staulagen an den Alpenrändern Wochen. Das liegt im Lienzer Becken hauptsächlich an wird die durchschnittliche Niederschlagsmenge immer wärmeren Temperaturen im Frühjahr. geringer. Zusammenfassend kann für die Temperaturentwick- Sowohl im Norden als auch im Süden verzeichnen die lung im zentralen Alpenraum festgehalten werden, Stationen in den direkten Staulagen (Reutte, Kufstein, dass die Trends über die gesamte betrachtete Region Asiago, Agordo und Fortogna) 1300 bis 1400 mm im vom Außerfern bis ins Belluno, im Tal wie am Berg langjährigen Durchschnitt. Inneralpin bewegen sich sehr ähnlich sind. Im Jahresmittel dominieren bis die Werte zwischen 700 mm in den großen Tälern 1980 natürliche Klimaschwankungen. Ab den 80er und Becken der Alpensüdseite (Marienberg, Brixen, Jahren nimmt der Erwärmungstrend klar zu. Seit 2000 Bozen, Sterzing) und etwa 900 mm im Bereich des ist ein „Plateaueffekt“ zu sehen, der auch global be- Alpenhauptkammes (Obergurgl, Innsbruck, Lienz). obachtet wird. Im Frühling und Sommer zeigt sich die Je nach dem vorherrschenden Muster der großräumi- erwähnte Erwärmung sehr deutlich und mit geringerer gen Wettersysteme können die daraus resultierenden Schwankungsbreite. Die Herbsttemperaturen haben Niederschlagssummen allerdings räumlich und zeitlich sich in den letzten Jahrzehnten am wenigsten verän- sehr stark variieren. dert. Im Winter ist die Bandbreite groß, seit 1950 sind Wie in Abbildung 2.11 ersichtlich ist, weichen die die Winter im Mittel doch deutlich wärmer geworden. jährlichen Niederschlagsmengen meist bis zu 200 Die Auswirkung auf abgeleitete Klimaelemente ist bis 300 mm vom langjährigen Durchschnittswert der mit diesen Veränderungen begründbar: Warme Tage jeweiligen Station ab. In Extremfällen können die nehmen generell zu, darunter fallen zum Beispiel Schwankungen aber an der Alpennordseite mit bis zu Sommertage oder Tropennächte. Eis- und Frosttage 600 mm auch doppelt so groß sein, in den Dolomiten nehmen tendenziell ab. Die Vegetationsperiode fängt im Südosten der Alpensüdseite sogar dreimal so groß, meist früher an als noch vor 50 Jahren. wie beispielsweise in den Abbildungen 2.12 und 2.13 Abb. 2.16: Längste Trockenperiode in Sexten. 24 25
DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO DAS KLIMA VON TIROL - SÜDTIROL - BELLUNO für Kufstein und Fortogna zu sehen ist. Wie bereits nisse haben sich in dieser Region signifikant verän- oben erwähnt, sind für die extremen Niederschlags- dert oder gar verstärkt. ereignisse in den südöstlichen Dolomiten vor allem Hinweise auf eine Zunahme des Niederschlages im intensive Südstaulagen verantwortlich, die hauptsäch- Nordwesten der Alpen und eine Abnahme im Südosten lich im Herbst vorkommen (siehe auch Abbildungen gibt es auch in den Untersuchungen der HISTALP-Da- 3.10d und 3.12a). ten (Böhm 2008, S. 58). Diese beziehen sich allerdings Anders als bei den Temperaturen sind beim Nieder- auf größere Regionen im erweiterten Alpenraum. schlag (fast) keine Trends auszumachen. Es gibt nur Im Zusammenhang mit einer Veränderung des Nieder- zwei Ausnahmen: Die erste betrifft die Region Südost. schlags steht die Frage im Raum, ob dies mit einer Ab- Nach längeren, überdurchschnittlich nassen Perioden bzw. Zunahme der Dauer von Trockenperioden einher- in den 30er Jahren sowie zwischen 1950 und 1970 geht. Generell gilt dabei zu beachten, dass die Dauer ist es hier etwas trockener geworden (Abb. 2.11). von niederschlagsfreien Zeiten hauptsächlich von Das mehrjährige Mittel pendelt seither nur mehr der Lage relativ zum Alpenhauptkamm abhängt. An gering um den Durchschnittswert. Dieser abnehmende den Stationen nördlich vom Hauptkamm dauert die KAPITEL 3 Tendenz ist beispielsweise an der Station Fortogna längste, jährliche Trockenphase im Schnitt etwa drei (Abb. 2.13) zu sehen. Für die Periode 1961 bis 2010 ist dieser Trend aber an keiner der Dolomitenstationen signifikant. Wochen, südlich davon vier bis sechs Wochen. Dies wird anhand des Vergleichs von Innsbruck und Sexten sichtbar (Abb. 2.15 und 2.16). Bei nahezu identem Klima im Raum Gegenläufig dazu wurde als zweiter Trend eine Jahresniederschlag von rund 860 mm sind Trockenpe- signifikante Zunahme des Jahresniederschlages an rioden in Sexten im Schnitt zwei Wochen länger als in der Station Kufstein am Alpennordrand (Abb. 2.12) Innsbruck. Wie bei allen anderen Stationen ist dabei festgestellt. Hier hat die Jahressumme im Zeitraum kein signifikanter Trend festzustellen. Es ist also keine 1961 bis 2010 um 120 mm zugenommen. An den an- Veränderung der trockenen Phasen zu beobachten. deren Stationen im Nordwestsektor wie beispielsweise in Reutte (Abb. 2.14) ist kein signifikanter Trend zu beobachten. Dies gilt auch für sämtliche Klimaindizes im Zusammenhang mit Starkniederschlägen. Weder die maximalen 1- noch die 5-tägigen Niederschlagsereig- Referenzen Kapitel 2 Auer I, Böhm R, Schöner W, 1999. 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