DAS MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT PRO-GE
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4 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 Inhalt INDUSTRIE IM UMBRUCH Die Industrie in Europa steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Klimaschutz, Digitalisierung und Globalisierung werden schon in naher Zukunft die Produktion von Grund auf verändern. Das birgt Ri- siken, bietet aber auch neue Chancen. Wie können Industrie-Arbeitsplätze erhalten werden und wie wird das Arbeitsumfeld von morgen aussehen? Seiten 6 bis 11 Kommentar Gemeinsam für eine bessere Arbeitswelt ................................................... Seite 5 Aufreger des Monats Clean-Clothes-Kampagne Die Pandemie verschlimmerte die Situation von TextilarbeiterInnen ........ Seite 12 Machen Sie sich Sorgen um ihre finanzielle Zukunft? Metallindustrie & Bergbau Nein? Sollten Sie aber, wenn es nach den Neoliberalen Warnstreiks erzwangen den Abschluss ........................................ Seiten 13 bis 15 geht. Diese starren derzeit gebannt in die Untiefen des an- geblichen Pensionslochs: Sie warnen vor einer „Explosion Metallgewerbe der Pensionsausgaben“, und jüngere Menschen sollten Mehr Lohn für 110.000 ArbeiterInnen und 18.000 Lehrlinge.................... Seite 16 sich warm anziehen, denn diese „werden von einer or- Lehrlingsmonitor dentlichen Pension nur mehr träumen können“. Wahr ist Warum die Qualität der Lehre dringend gesteigert werden muss ........... Seite 17 vielmehr: Laut Prognosen werden die Pensionsausgaben Arbeitskräfteüberlassung bis 2030 moderat ansteigen. Das ist auf die demografische Eine Studie arbeitet den Hygiene-Austria-Skandal auf ............................ Seite 17 Entwicklung zurückzuführen. Ab 2030 wird der Anstieg abgebremst und die Kosten bleiben bis 2070 konstant bei Betriebsreportage rund 6,6 Prozent des Bruttoninlandsprodukts. Warum also 500 Beschäftigte produzieren bei Wittur modernste Aufzüge ..... Seiten 18 und 19 der unangebrachte Alarmismus? Redet man das umlage- Kündigungsfristen finanzierte Pensionssystem schlecht, dann profitieren die Nach der Angleichung: Welche Fristen gelten jetzt? ................................ Seite 20 privaten Versicherungen. Und manchen Parteien stehen diese Konzerne bekanntlich näher als die ArbeitnehmerIn- Achtung Kamera Die besten Fotos aus der Welt der PRO-GE ............................................. Seite 21 nen, die durch ihre Leistung den österreichischen Sozial- staat finanzieren. Preisrätsel und Cartoon ....................................................................... Seite 23 IMPRESSUM: Glück auf! – Zeitschrift für Mitglieder der Gewerkschaft PRO-GE. ZVR-Nr.: 576439352. DVR-Nr.: 0046655. Herausgeber: Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft PRO-GE, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, (01) 534 44-69. Medieninhaber: Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1; Tel.: (01) 662 32 96-0, Fax: (01) 662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at. Leitung: Mathias Beer. Chef vom Dienst: Wolfgang Purer. Redaktion (glueckauf@proge.at): Barbara Trautendorfer, Sabine Weinberger, Robert Wittek, Mathias Beer. Grafik & Layout: Peter-Paul Waltenberger, Julian Janits. Fotos/Grafik: PantherMedia/aohodesigndp/Mikhail Grachikov, PRO-GE, Lisa Lux, Adobe Stock. Cartoon: Bulcartoons. Hersteller: Walstead Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl, Bickfordstraße 1. Redaktionsschluss der folgenden Ausgabe: 15. Februar 2022. Offenlegung gemäß Mediengesetz, § 25: www.glueckauf.at/offenlegung
log 53 K O M M E N TA R Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der PRO-GE KURZ NOTIERT GEMEINSAM FÜR EINE Steuervorteile für Reiche kosten die EU Milliarden BESSERE ARBEITSWELT! Steuervorzüge für Spit- zenverdienerInnen brin- Wir konnten heuer im ersten Halbjahr entscheidende Fort- gen die EU-Staaten einer schritte im Kampf gegen die Corona-Pandemie erzielen und die Untersuchung der Euro- Wirtschaft nahm wieder deutlich Fahrt auf. Aber das Corona- päischen Steuerbeobach- Management der Bundesregierung und mancher Landespoliti- tungsstelle zufolge jedes ker war so unverantwortlich schlecht, dass das ganze Land im Jahr um 4,5 Milliarden November erneut in eine Gesundheitskrise schlitterte und die Euro. Die Länder buhlen mit immer neuen Steuerpri- Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben wurde. Es gilt nun vilegien um die Gunst der ausländischen Spitzenverdie- für 2022, die Lehren daraus zu ziehen. nerInnen. Seit Mitte der 1990er-Jahre erhöhte sich die Zahl entsprechender Regelungen in Europa von fünf Die PRO-GE wird jedenfalls mit aller Kraft den Kampf für Arbeit- auf 28. Mittlerweile profitieren mehr als 200.000 aus- nehmerInnenrechte und für eine bessere Arbeitswelt fortsetzen. Es ländische Personen mit hohem Einkommen von den immer aggressiver werdenden Modellen und belasten geht um höhere Löhne und um mehr Respekt für all jene, die das damit alle anderen SteuerzahlerInnen. Land am Laufen gehalten haben. Zum anderen dürfen die Miss- stände – etwa in Teilen der Arbeitskräfteüberlassung oder im Be- Stress in der Arbeit durch Corona massiv erhöht reich der Erntearbeit –, die durch die Pandemie aufgedeckt wur- Zusätzlich zur psychischen den, nicht in Vergessenheit geraten. Mit einem flächendeckenden Belastung durch die Pande- Mindestlohn von 1.500 Euro im Agrarbereich oder dem Bekennt- mie herrscht bei vielen Ar- nis der Sozialpartner, auf mehr Qualität bei beauftragten Leihar- beitnehmerInnen seit eini- beitsfirmen zu achten, sind uns bereits erste Erfolge gelungen. gen Monaten deutlich mehr Stress und Druck im Job. Im neuen Jahr werden wir unseren Fokus auch darauf richten, Nach dem Wiederanspringen wer die Kosten der Krise tragen muss. Für uns ist klar: Einspa- der Wirtschaft ist der Arbeitsaufwand gestiegen, gleich- rungen im Sozialbereich oder Massensteuern werden wir nicht zeitig mangelt es an Personal, wie aus einer Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung (IFES) im Auf- hinnehmen. Nur durch unseren starken Sozialstaat ist es uns ge- trag der Gewerkschaft GPA hervorgeht. Die aktuelle Si- lungen, die durch die Pandemie hervorgerufene Wirtschaftskrise tuation wirke sich negativ auf die Gesundheit der Be- zu überwinden und die Auswirkungen für ArbeitnehmerInnen ab- schäftigten aus. Betroffen seien „praktisch alle Branchen“, zufedern. Wir werden daher für ein gerechtes Steuersystem ein- allen voran aber der Gesundheits- und Pflegebereich. treten, in dem auch die MillionärInnen und MilliardärInnen ihren Beitrag leisten. Große Vermögen und Erbschaften dürfen nicht AMI Kärnten feiert 30-jähriges Jubiläum länger geschont werden, während ArbeitnehmerInnen jeden Mo- Das Arbeitsmedizinische und Arbeitspsychologische In- nat über ihre Steuern und Abgaben den Sozialstaat finanzieren. stitut Kärnten (AMI) wurde vor 30 Jahren von der AK Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern essenzi- Kärnten mit dem Ziel gegründet, die Sicherheit und Ge- ell für die Stabilität unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. sundheit der ArbeitnehmerInnen zu schützen sowie Un- fälle und arbeitsbedingte Erkrankungen am Arbeitsplatz In diesem Sinne wünsche ich allen Mitgliedern der PRO-GE zu vermeiden. „Krankmachende Faktoren als Folge von Arbeitsbelastungen sind im Vormarsch. Die Gesundheit schöne Feiertage und ein gesundes, erfolgreiches Jahr 2022! darf dabei keinesfalls auf der Strecke bleiben!“, hebt AK- Präsident Günther Goach hervor. Immer mehr Arbeit in immer kürzerer Zeit ist für viele zum Alltag geworden.
6 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 Wohin geht die Reise? Die Zukunft der Produktion
7 Klimaschutz, Digitalisierung und Globalisierung sind drei Haupttreiber für den rasanten Strukturwandel in der Wirtschaft. Aber wohin geht die Reise für Europas Industrie und für hei- mische Unternehmen? Welche Auswirkungen haben neue Techno- logien auf ArbeitnehmerInnen und Arbeitsplätze? Klar ist nur: Dieser wirtschaftliche Wandel kann nur mit aktiver Gestaltung und unter Einbindung der ArbeitnehmerInnen gelingen. Klimakrise, Corona- krise, Wirtschaftskrise: Nach der Be- Wachstumsbranchen im „grünen Strukturwandel“ deutung des Wortes „Krise“ befin- in Studien identifziert, nach Häufigkeit der Nennung den wir uns gerade in einer „Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer 8% gefährlichen Entwicklung darstellt“. Ob die Krisen wirtschafts- und be- Thermische Sanierung 28 % und erneuerbare schäftigungspolitisch zum Positiven Wärme/Kälte oder Negativen führen, kann wohl erst später beurteilt werden. Die He- Elektromobilität und rausforderungen sind jedenfalls rie- 39 % öffentlicher Verkehr sig, denn die Umbrüche betreffen Erneuerbare Energien nicht nur Teile der Welt oder der und Netzinfrastruktur Wirtschaft, sondern sind allumfas- send. Die „Glück auf!“ zeigt Chan- Energieeffizienz cen und politische Handlungsfelder für die stattfindende Transformati- 25 % Quelle: A&W Blog on auf. Auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft. In Sachen Klimaschutz Die Angst ist groß, diese Transforma- mehr Ambition zeigt und viel mehr Res- wurde auf EU-Ebene bereits das tion nicht zu schaffen. Viele Regionen sourcen zur Verfügung stellt, um sicher- nächste Etappenziel auf dem Weg fürchten ein Abwandern der Industrie zustellen, dass kein Mensch und keine zur Dekarbonisierung definiert. Ös- und damit den Verlust von Tausenden Region zurückgelassen wird.“ terreich muss demnach den Treib- Arbeitsplätzen. Luc Triangle, Chef des hausgasausstoß im Emissionshan- europäischen Industriegewerkschafts- Kein Risiko ohne Chance. Der Transfor- del (siehe Kasten) bis zum Jahr 2030 bundes industriAll, fordert daher mehr mationsprozess bietet aber auch konkrete um 43 Prozent gegenüber dem Jahr Engagement, damit es nicht zu einem in- Chancen. So konnten bei der AK-Ana- 2005 reduzieren. Da der Großteil dustriellen Kahlschlag kommt: „Heute lyse von 23 Studien über die Beschäfti- der österreichischen Stahl-, Chemie- sehen wir zwar das grüne Ziel, aber wir gungspotenziale des grünen Struktur- und Papierindustrie, der Raffinerien vermissen die sozialen Unterstützungs- wandels in Europa, Deutschland und und Kraftwerke vom Emissions- mechanismen, die garantieren, dass jeder Österreich große Zukunfts- und Wachs- handel umfasst ist, stehen beson- mitgenommen wird. Wir unterstützen tumsbereiche identifiziert werden. ders diese Industrien vor großen He- den Green Deal, aber unter der Voraus- rausforderungen der Energiewende. setzung, dass die Europäische Union viel Diese umfassen etwa den gesamten Be- reich der erneuerbaren Energien und des Netzinfrastrukturausbaus, der Wärme- EMISSIONSHANDEL und Kälteerzeugung, der thermischen Sanierung, Energieeffizienz, Elektromo- Emissionshandel ist der internationale Handel mit Emissionsrechten. Unternehmen, die Treibhausgase emittieren, erhalten von der zuständigen Behörde eine begrenzte Menge bilität, Kreislaufwirtschaft und des Aus- an Emissionszertifikaten zugeteilt. Bei höherem Ausstoß können zusätzliche Zertifikate baues des öffentlichen Verkehrs. Die- im Handel erworben werden. Anlagen im Bereich Energie und Industrie (z. B. Stahl-, se Branchen bergen das Potenzial, mehr Chemie-, Papierindustrie, Raffinerien, Kraftwerke) sind zu einem hohen Anteil vom EU- Menschen als bisher zu beschäftigen. In Emissionshandel umfasst (2017: 82,7 %). Gemessen an den österreichischen Gesamt ihrer Analyse kommt die Arbeiterkam- emissionen, hatte der Emissionshandelsbereich im Jahr 2017 einen Anteil von 37 %. Seit mer zum Schluss, dass sich die Beschäfti- 2013 gibt es kein nationales Klimaziel für alle Treibhausgas-Emissionen mehr, es wird gungsmöglichkeiten zwischen +0,5 Pro- zwischen Emissionen innerhalb und außerhalb des Emissionshandels unterschieden. zent und +2 Prozent der Gesamtbeschäf- tigung bis zum Jahr 2030 bewegen.
8 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 Gesucht: Visionen mit Strategie. Es scheint also so, dass allen Unkenru- fen zum Trotz der Strukturwandel nicht nur Arbeitsplatzverluste be- deuten muss. Doch damit die ein- Automobilindustrie zelnen ArbeitnehmerInnen mitge- nommen werden, braucht es einen SOZIALEN WANDEL GIBT’S NUR DURCH MITBESTIMMUNG klaren politischen Willen. Bran- Mittel- und Zentraleuropa ist Auto(industrie)region: Vorwiegend deutsche Autohersteller ha- chen, die sich durch die Digitalisie- ben in den letzten Jahrzenten hier das „Detroit des Ostens“ in die Höhe gezogen. So ist bei- rung weiterentwickeln, müssen auch spielsweise Volkswagen der größte private Arbeitgeber in der Slowakei und, Konzerntoch- den MitarbeiterInnen die Möglich- ter Skoda eingerechnet, der zweitgrößte in der Tschechischen Republik. In Österreich ist die keit geben, ihre Qualifikationen Fahrzeug- und Zulieferindustrie nicht gar so dominant, mit rund 80.000 Beschäftigten aber und Fähigkeiten anzupassen und dennoch eine der bedeutendsten Industriesparten. Angesichts der anstehenden riesigen He- weiterzuentwickeln. Taugliche In- rausforderungen für die Branche lud die PRO-GE daher 120 GewerkschaftsvertreterInnen strumente wären dazu zum Beispiel und BetriebsrätInnen aus Österreich, der Slowakei, Slowenien, Ungarn, der Tschechischen eine Ausweitung des Fachkräftesti- Republik und Bayern Anfang November zur Automobilkonferenz „Moving forward“, teils vir- tuell, teils vor Ort in Wien, ein. pendiums sowie ein Rechtsanspruch auf ein existenzsicherndes Qualifi- Nicht nur in Österreich sorgt immer noch der Verbrennungsmotor für den Löwenanteil an zierungsgeld. der Produktion, und die Transformation zum Elektroantrieb wird von den BetriebsrätInnen zwar als unausweichlich, aber nicht unkritisch betrachtet. „Wenn nur noch Elektrofahr- Investitionen in nachhaltige Zukunft. zeuge unterwegs sind, aber der Strom dafür nicht aus nachhaltigen und CO2-neutralen Doch Weiterbildungsmaßnahmen Quellen kommt, haben wir nicht viel gewonnen“, meint BMW-Steyr-Betriebsratsvorsitzen- werden nicht immer ausreichen. der Andreas Brich. „Ein Verbrennerverbot ist zu kurz gedacht. Jede Technologie muss als Nicht mehr zeitgemäße Geschäfts- Gesamtpaket rein nach dem Beitrag auf dem Weg zur CO2-Neutralität beurteilt werden.“ modelle werden aus dem Markt ge- drängt. Wenn ein ganzer Betrieb Die E-Mobilität wird als Lösung nur bestehen können, wenn nicht nur in die Ladeinfrastruk- zusperrt, hat das für bestimmte Re- tur, sondern auch massiv in erneuerbare Energien investiert wird. Großer Investitionsbedarf herrscht auch bei der Versorgung mit Halbleitern, Batterien und Batteriezellen aus E uropa, wie die aktuelle Halbleiterkrise deutlich vor Augen führt. Idealerweise sollte darauf eine Kreislaufwirtschaft in der automobilen Wertschöpfungskette aufbauen, die durch umfas- sendes Recycling die ökologischen Auswirkungen minimiert. Für die Gewerkschaften steht allerdings fest, wo die Kernbereiche für eine sozial verträgliche Transformation bestehen. Neben einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive sind das vor allem anderen die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. gionen gravierende Folgen. „Wir müssen Industriewertschöpfung 2020 im EU-Vergleich die Diskussion einfordern: Was tun wir, Anteil der Industrie (Bergbau, Herstellung von Waren, Energieversorgung) um diese Regionen zu reindustrialisie- an der Gesamtwertschöpfung ren und neue, qualitative Beschäftigung zu schaffen für die betroffenen Arbeite- FRANKREICH 13,20 % rInnen – und zwar dort, wo die Jobs ver- NIEDERLANDE 14,20 % loren gehen“, sagt Triangle und fordert SPANIEN 16,10 % massive Investitionen. „Ein guter Sozial- KROATIEN 19,20 % plan wird nicht reichen, denn auch die Kinder dieser ArbeiterInnen brauchen ITALIEN 19,50 % eine Zukunftsperspektive.“ Aus Sicht der EU (27) 19,50 % PRO-GE müssen dringend Maßnahmen ÖSTERREICH 21,40 % ergriffen werden, den Arbeitsplatz oder DEUTSCHLAND 23,40 % sogar den Beruf auch noch im späteren Erwerbsleben wechseln zu können. UNGARN 23,50 % SLOWAKEI 24,10 % Herausforderung für den Arbeitsmarkt. SLOWENIEN 27,10 % Es braucht also politische Initiativen mit TSCHECHIEN 28,10 % Weitblick, gepaart mit einer aktiven Bil- Quelle: Eurostat dungs- und Arbeitsmarktpolitik. Ganz
9 konkret könnten das Transformations- Elektromobilität, und das ist aus un- auch die Fahrzeuge selbst. Nichts geht Arbeitsstiftungen, öffentliche Beschäfti- serer Sicht auch unumkehrbar“, stellt mehr ohne Mikrochips – kein Motor, gungsprogramme oder Modelle der Ar- Christian Brunkhorst fest, der im Vor- kein Tachometer, keines der intelligenten beitszeitverkürzung in Kombination mit stand der deutschen IG Metall für den Assistenzsysteme funktioniert noch ohne Qualifizierungs- oder Umschulungsan- Bereich Fahrzeugbau zuständig ist. Je- diese Elektronikteile. In einem moder- geboten sein. Zu diesem Schluss kommt der vierte Arbeitsplatz im Fahrzeugbau nen Auto stecken bis zu 1.400 solcher auch das wissenschaftliche Forschungs- fertigt und montiert Komponenten des Mini-Bauteile. projekt „CON-Labour“ am Beispiel der Antriebsstrangs und ist damit direkt be- österreichischen Automobilindustrie, in troffen. Bleibt das Wachstum am Markt Produktion zurückholen. Der Mangel der rund 80.000 Personen beschäftigt aus oder finden die Investitionen für die an Halbleitern und Mikrochips während sind: „Zentrale Aspekte einer gerechten Elektromobilität woanders statt, sind bis der Pandemie machte die strategischen Transformation sind mehr Mitsprache zu 50 Prozent der Arbeitsplätze gefähr- Abhängigkeiten der Branche und des der Beschäftigten sowie arbeitspolitische det, schätzt Brunkhorst. Die Mobilitäts- Wirtschaftsstandortes Europa offen- Maßnahmen wie z. B. Arbeitsplatzga- und Antriebswende wird bei der Verrin- rantie, Qualifizierungsmaßnahmen oder gerung der Treibhausgasemissionen ein eine Umverteilung der Arbeit, z. B. durch wichtiger Faktor sein. eine Arbeitszeitverkürzung.“ Und schließlich verändern Digitalisie- Öffentliche Förderungen müssen Jobs rung (siehe Kasten AR-Brille) und Auto- sichern. Eines steht dabei aus gewerk- matisierung nicht nur den Herstellungs- schaftlicher Sicht fest: „Förderungen aus prozess in rasantem Tempo, sondern öffentlichen Mitteln dürfen nur dann ge- währt werden, wenn diese den Arbeit- nehmerInnen zugutekommen“, so An- Digitalisierung dreas Brich, Betriebsratsvorsitzender von BMW in Steyr. „Das geht über simple AR-BRILLEN IM EINSATZ – DATENKRAKE Standortgarantien weit hinaus und muss ODER ARBEITSERLEICHTERUNG? die Beschäftigung nicht nur quantitativ Der Einsatz von „Augmented-Reality-Brillen“, welche die sichern, sondern auch die qualitativen Realität durch Einblendungen erweitern, nimmt auch in hei- und die arbeitsrechtlichen Bedingungen mischen Unternehmen immer mehr zu. KollegInnen können miteinbeziehen – dass zum Beispiel kei- zur Problemlösung darüber direkt „zugeschaltet“ werden, ne vermeintlich ‚teuren‘ Stammarbeits- Schulungen für bestimmte Arbeitsschritte können so ein- kräfte durch ‚billige‘ Leiharbeit oder gar facher durchgeführt werden oder sie werden zu Fremdfirmeneinsätze ersetzt werden.“ Dokumentationszwecken eingesetzt. Chipkrise sorgt für Umdenken. Wie viel- Die Anwendung birgt so manche datenschutzrechtliche schichtig die industrielle Transforma- Risiken. Die Datenschutzgrundverordnung und Betriebsver- tion ist, lässt sich an der europäischen einbarungen schützen vor überbordender Überwachung. Automobilindustrie festmachen. Sie Um die gesundheitlichen Auswirkungen zu untersuchen, ist massiv vom Strukturwandel betrof- führte die PRO-GE in Kooperation mit Magna, dem fen. „Wir erleben das Hochlaufen der Austrian Institute of Technology (AIT) und der AUVA Studie zu den Auswirkungen auf die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen durch. Aus den Ergebnissen lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten: • Auf körperliche Belastungen achten: zusätzliches Gewicht am Kopf; Druckstellen; Steuerung sollte ergonomisch gewählt werden. • Regelmäßige Pausen planen: Anwendung von AR ist sehr komplex; als Ausgleich sollten regelmäßige Pausen geplant werden. • AR-Arbeitsplätze von Gefahren trennen: AR-Brille schränkt Sichtfeld ein, lenkt ab; sichere, abgetrennte Arbeitsplätze einrichten. Mehr zum Thema auf www.proge.at/zukunftderproduktion
10 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 fil Interview Just Transition: Grüner Wandel, aber fair Unter dem Motto „Nothing about us without us“ hat der europäische Dach- verband der Industriegewerkschaften industriAll Europe zu einer Aktionswo- che für einen sozial fairen Wandel aufgerufen. Die „Glück auf!“ traf industri- All-Generalsekretär Luc Triangle am Rande der Automobilkonferenz in Wien. Das vollständige Interview gibt's auf www.proge.at/zukunftderproduktion Luc Triangle, industriAll-Generalsekretär Trotz wirtschaftlicher Erholung steht verlieren könnten. Und die Frage ist: einen Mechanismus brauchen, der die die europäische Industrie vor großen Wenn wir aus dem einen aussteigen, wo Kosten ausgleicht, und das ist tatsächlich Schwierigkeiten: Lieferengpässe bei bleibt die Diskussion darüber, in etwas geplant: Mit dem Carbon Border Adjust- Halbleitern und anderen Rohstoffen Neues einzusteigen? Diese Diskussion ment Mechanism, CBAM, werden Pro- bremsen die Produktion, der CO2-Aus- müssen wir einfordern. Was tun wir, um dukte an der Grenze der EU verzollt, um stoß muss dramatisch reduziert wer- diese Regionen zu reindustrialisieren faire Bedingungen – wenn schon nicht in den, einhergehend mit stark stei- und neue, qualitative Beschäftigung zu sozialer Hinsicht – dann zumindest in genden Energiepreisen. Wie kommen schaffen? Das wird die hauptsächliche Hinsicht auf die CO2-Emissionen herzu- wir da wieder heraus? Herausforderung für Europa in den stellen. Aber es wird eine Herausforde- Wir sehen eine komplett andere europä- nächsten zehn, zwanzig Jahren: dort, rung. Europa muss viel bestimmter auf- ische Politik als in der Finanzkrise, wo wo Arbeitsplätze verschwinden, eine treten und mehr Stärke zeigen, um alles nur auf Austerität abgezielt hat. Zukunft zu gestalten. sicherzustellen, dass unsere Unternehmen Wir sehen die Politik, die wir sehen wol- nicht benachteiligt sind im Wettbewerb len, und die stellt Investitionen in den Der G20-Gipfel in Rom hat gezeigt, mit Herstellern außerhalb der Europä- Mittelpunkt. Aber für Millionen von dass z. B. China, Russland oder Indien ischen Union. ArbeiterInnen in unseren Industriesek- bei der CO2-Reduktion deutlich weniger toren werden der grüne Wandel und der ambitioniert sind. Wie groß ist die Ge- Wenn wir die Digitalisierung dazurech- digitale Wandel riesige Herausforde- fahr, dass Europa umweltpolitisch vo- nen: Wird es in Zukunft Industriejobs rungen sein. Wir unterstützen den rangeht, aber wirtschaftlich auf dem im derzeitigen Umfang noch geben? Green Deal und Fit for 55, aber unter Weltmarkt untergeht? Ganz klar nein. Wenn wir die Geschich- der Voraussetzung, dass die Europäische Technologische Führerschaft bei Ent- te der Produktion und der Industrie an- Union viel mehr Ambition zeigt und wicklungen ist grundsätzlich gut – das ist schauen, dann hat immer technischer viel mehr Ressourcen zur Verfügung langfristig, denke ich, absolut der richtige Fortschritt stattgefunden, der zu Pro- stellt, um sicherzustellen, dass kein Zugang. Aber es stimmt, das beinhaltet duktivitätssteigerung geführt hat, und Mensch und keine Region zurückgelas- ein kurzfristiges Risiko, dass wir in Euro- dasselbe wird auch jetzt passieren. Die sen wird. Das hat pa viel investieren Frage ist nun: Wie teilen wir die Arbeit auch die Kommissi- „Wir unterstützen die Ziele – aber müssen, Unterneh- auf? Und dann werden wir wieder eine on immer gesagt: nicht, wenn sie zum Schaden men unter Druck Diskussion über Arbeitszeitverkürzung Wir müssen den grü- der Menschen und zum Schaden kommen und Pro- führen müssen. Wenn die Produktivität nen Wandel vollzie- der ArbeiterInnen ausfallen.“ dukte teurer werden, pro Beschäftigten zunimmt, dann kön- hen, aber es sollte während andere auf nen wir uns auch eine Reduktion der Ar- auch ein sozialer Wandel sein. Nun, den europäischen Markt kommen mit beitszeit leisten – bei vollem Lohnaus- heute sehen wir zwar das grüne Ziel, immer noch „schmutzigen“, aber billigen gleich – und den Kuchen der verfügbaren aber wir vermissen die sozialen Unter- Produkten. In dieser Hinsicht können Arbeitsplätze auf mehr ArbeiterInnen stützungsmechanismen, die garantieren, wir nur erfolgreich sein, wenn wir unter aufteilen. Für Gewerkschaften wird das dass jeder mitgenommen wird. Und das gleichen Wettbewerbsbedingungen an- in Zukunft wieder ein ganz wichtiges bedeutet, dass manche Regionen in Eu treten. Das bedeutet, dass wir für den Im- Thema werden, um Jobs für Arbeite- ropa ihre hauptsächlichen Arbeitgeber port von Stahl und anderen Produkten rInnen zu erhalten.
11 sichtlich. Als Reaktion hat die EU-Kom- mission 5.000 Produkte analysiert und Herkunft der Importprodukte mit hoher Abhängigkeit identifizierte 137 als sehr anfällig für Ka- Die EU definierte 137 Produkte aus empfindlichen Ökosystemen, bei denen pazitäts- und Lieferengpässe. Das erklär- in der EU eine hohe Abhängigkeit besteht. te Ziel ist nun, die Abhängigkeit Euro- pas von Asien oder den USA zu mildern. Bis 2030 soll etwa ein Fünftel der benö- tigten Chips in Europa hergestellt wer- VIETNAM 11 % REST DER WELT 11 % den. Dieses Umdenken bei den globalen Lieferketten bringt auch Chancen für den Standort Österreich. In Villach wur- de zum Beispiel Mitte September eine neue Chipfabrik des deutschen Halblei- SINGAPUR 4 % USA 3 % terkonzerns Infineon mit rund 400 Ar- BRASILIEN 5 % beitsplätzen eröffnet. CHINA 52 % Wertschöpfung in Europa forcieren. Aus GB RUSSLAND JAPAN Sicht der PRO-GE muss Industriepoli- KOREA 4 % 3% 3% 3% tik mehr sein als Unternehmensförde- rung. Der Strukturwandel verlangt eine HONG KONG 1 % Quelle: Europäische Komission aktive Gestaltung und vor allem ein Miteinander von Politik, Verwaltung, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft. Es vestitionen einreichen. Österreich gie von 2020 sind die Ziele der weite- geht um Lösungen und Investitionen in schaffte es gerade noch rechtzeitig, am ren Entfaltung grüner Wachstumspoten- die Zukunft. Abend des 30. April den 600 Seiten ziale und der Erhalt der internationalen starken Antrag im Gesamtumfang von Wettbewerbsfähigkeit klar erkennbar. So Leider wurde in Österreich die Standort- 4,5 Milliarden Euro abzuschicken. Aus sollen spezifische Wertschöpfungsketten und Industriestrategie 2040 bisher nur dem Inhalt wurde lange Zeit ein Ge- etwa in den Schlüsseltechnologien Mik angekündigt. Auch sonst sucht man eine heimnis gemacht. Was aber vor allem roelektronik (Chipherstellung), Hoch- weitsichtige Industrie- und Klimastrate- kritisiert wurde, war die unzureichende leistungscomputer und Batteriezellfer- gie Österreichs eher vergeblich. Bis Einbindung der Sozialpartner bei der tigung in Europa entwickelt werden. 30. April 2021 konnte jeder EU-Mit- Erstellung – obwohl das eine Vorausset- Aber auch die Stärkung und die Krisen- gliedstaat einen Plan für Zukunftsin- zung der EU-Kommission wäre. Im An- sicherheit des EU-Binnenmarktes sowie trag finden sich nun zwar einzelne gute eine Beschleunigung des Übergangs zu und dringend notwendige Investitionen einer grüneren und digitaleren Indus- und Projekte, ein Gesamtkonzept für trie sind Bestandteile der Strategie, mit einen sozialökologischen Über- der aus der Herausforderung neue Stärke gang fehlt aber nach wie vor. gewonnen werden soll. Strategische Neuausrichtung. Auf EU-Ebene wurden dage- gen wichtige Weichenstellungen gemacht. Mit unterschiedlichen Schwerpunktprogrammen will sich die Union neu aufstellen. In der 2021 aktualisierten Industriestrate-
12 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 Clean-Clothes-Kampagne Faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie In der Pandemie haben in- auf, drängt Unternehmen, mehr Verantwortung für ihre glo- ternationale Modeunter- balen Wertschöpfungsketten zu übernehmen, und ruft die Re- nehmen Millionen an Ge- gierungen dazu auf, Gesetze zu verabschieden, die Menschen- winn verzeichnet, während rechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern. CCK zeigt ArbeiterInnen in den Fa- sich solidarisch mit den ArbeiterInnen, die unsere Kleidung briken die Löhne vorent- herstellen, und unterstützt ihren Kampf für bessere Arbeitsbe- halten wurden. Für die dingungen. Der Clean-Clothes-Kampagne gehören sowohl Ge- Betroffenen ist das eine werkschaften als auch Nichtregierungsorganisationen an. Katastrophe, denn das Einkommen ist für das tägliche Essen und Überleben der Fami- Auch Gerald Kreuzer von der PRO-GE bestätigt, dass die lien notwendig. Die Clean-Clothes-Kampagne (CCK) fordert „Urgent Actions“ der CCK Wirkung zeigen. Was für die Unternehmer auf, ordnungsgemäß und zeitgerecht die zu- uns oftmals nur ein Mausklick für ein E-Mail oder das stehenden Löhne zu zahlen. Schicken einer Postkarte ist, bringt den Betroffenen vor Ort oft spürbare Ergebnisse. Seit 1996 verfolgt CCK das Ziel, Arbeitsrechte in der globa- len Bekleidungsindustrie zu verbessern. Sie klärt BürgerInnen Linktipp: www.cleanclothes.at Erstmals Betriebsrat bei MSD Animal Health In der neu errichteten Produktionsstätte des Pharmabetriebs MSD Ani- mal Health Danube Biotech GmbH in Krems wurde erstmals ein Be- triebsrat für ArbeiterInnen gewählt. Die engagierten Kollegen rund um die neu gewählte Arbeiterbetriebsratsvorsitzende Melanie Spitzer werden sich zukünftig für die Anliegen der ArbeiterInnen am Standort einsetzen. Die „Glück auf!“ gratuliert und wünscht dem neuen Team alles Gute für die spannende Aufgabe. BUCHTIPP DIE GEISTER, DIE ICH TEILTE Wie soziale Medien unsere Freiheit bedrohen – Fritz Jergitsch Das vergangene Jahrzehnt brachte uns erstmals seit Ende des 2. Weltkriegs einen bedenklichen Anstieg der autokratisch regierten Staaten. Hängt das Wiedererstarken von Autokratien mit dem Auf- stieg der sozialen Medien zusammen? Fritz Jergitsch, Gründer des Online-Satiremagazins „Tagespresse“, zeigt in „Die Geister, die ich teilte“ auf, wie Facebook, Twitter und Co. ticken, und beschreibt, wie Autokraten und andere Demagogen dieser Welt die sozialen Medien für Fake News missbrauchen. Dabei bezieht sich Jergitsch auf aktuelle Entwicklungen und analysiert, wieso in einer Pandemie plötz- lich Millionen Menschen glaubten, das Virus sei nur eine Erfindung, und wieso ein US-Präsident seine AnhängerInnen zum Sturm auf das Kapitol aufhetzen konnte. Werden wir die Geister, die wir teilten, wieder los? Verlag: Residenz 2021, 224 Seiten, ISBN: 978-3-7017-3533-4 Mach mit bei unserem Preisrätsel auf Seite 23 und gewinne mit etwas Glück eines von drei Exemplaren! Dieses und viele andere spannende Bücher sind erhältlich auf www.besserewelt.at
13 Warnstreik der Aufzugsmonteure auf der Wiener Triesterstraße. Herbstlohnrunde 2021 Metaller-Streiks für kräftiges Lohnplus Lange ging bei den heurigen Kollektivvertragsverhandlungen in einberufen. Da danach auch die vierte der Metallindustrie fast gar nichts weiter. Erst BetriebsrätInnen- Runde scheiterte, wurden in der ers Konferenzen, Betriebsversammlungen und sogar Warnstreiks ten Novemberwoche in 350 Betrieben brachten die Arbeitgeber zum Einlenken. Warnstreiks abgehalten. Erst dann war der Weg frei für den erfolgreichen Ab- schluss der Verhandlungen. Sieben Wochen hat es ge- braucht, bis die Gewerkschaften konnten. Der erfolgreiche KV-Abschluss wurde aber nicht nur in den 18 Runden Erfolg durch Solidarität. „Die kräftigen Lohnerhöhungen sind vor allem ein Er- PRO-GE und GPA auch im zehnten und 67 Stunden ausverhandelt, sondern folg der Beschäftigten“, hielt PRO-GE Jahr nach Auflösung der Verhand- musste erst von den Beschäftigten in den Chefverhandler Rainer Wimmer dann lungsgemeinschaft der Arbeitgeber Betrieben erzwungen werden. Nach drei auch nach der Einigung fest. „Der starke den einheitlichen Kollektivvertrag mehr als enttäuschenden Verhandlungs- Druck aus den Betrieben mit den Be- Metallindustrie & Bergbau verteidi- terminen mit dem Fachverband der me- triebsversammlungen und Warnstreiks gen und gleiche Lohnabschlüsse für talltechnischen Industrie (FMTI) wur- hat auf Arbeitgeberseite für Bewegung alle 190.000 Beschäftigten erreichen den rund 400 Betriebsversammlungen gesorgt. Nur so war es möglich, ein sehr,
14 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 zent Arbeitszeitverteilung sind vorgesehen. Bis zum Herbst 2022 soll ein sozialpart- nerschaftlicher Bericht vorliegen. Weiters wird im Rahmenrecht die Möglichkeit für Wochenendarbeit bei nachvollzieh- barem erhöhtem Arbeitsbedarf befris tet auf zwei Jahre um sechs Sonntage erweitert. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Betriebsrates und der Gewerkschaften. Fairness für LeiharbeiterInnen. Die schon in der Frühjahrslohnrunde nach Bekanntwerden von massiven Missstän- Collini Bürmoos den bei Hygiene Austria und anderen Unternehmen (siehe auch Seite 17) mit sehr gutes Gesamtpaket inklusive nen besonderen Schwerpunkt legte die mehreren Industriebranchen vereinbar- kräftigen Steigerungen bei Schicht- PRO-GE bei den diesjährigen KV-Ver- te Sozialpartnererklärung zur Arbeits- zulagen und Lehrlingseinkommen handlungen auf die Schichtarbeit. Für kräfteüberlassung wurde nun auch für zu schnüren.“ die Stundenzulage für die zweite Schicht die Metallindustrie übernommen. Darin wurde dabei eine schrittweise Verdop- verpflichten sich die Kollektivvertrags- Kräftige Erhöhungen für Lehrlinge. pelung bis November 2023 auf einen partner, gemeinsam auf die Einhaltung Für die Beschäftigten aller Fachver- Euro erreicht. Die Zulage für die drit- der gesetzlichen und kollektivvertrag- bände und Berufsgruppen der Me- te Schicht wird in Etappen bis Novem- lichen Vorschriften für LeiharbeiterInnen tallindustrie steigen mit diesem ber 2027 von 2,52 Euro auf 4 Euro in den Unternehmen zu achten und ge- Abschluss die Ist-Löhne um 3,55 angehoben. Das entspricht einer Er- gebenenfalls die Einhaltung gemeinsam Prozent. Diese Erhöhung erhalten höhung um 58,5 Prozent. Dieses Pa- einzufordern. alle Ende Oktober Beschäftigten ket macht in Summe jährlich rund rückwirkend mit 1. November. Die 75 Millionen Euro zusätzlich für die Der Abschluss im Überblick: Mindestlöhne werden um drei Pro- Schichtarbeit aus. • Ist-Löhne +3,55 Prozent zent erhöht. Noch kräftiger werden • KV-Löhne +3,0 Prozent die Lehrlingseinkommen angeho- Zukunftsthema Arbeitszeit. Im Rah- • Neuer Mindestlohn 2.089,87 Euro ben, mit einem Plus von 50,51 Euro menrecht vereinbarten die Kollektivver- • Zulagen +3,55 Prozent bzw. 6,74 Prozent im ersten Lehr- tragsparteien eine ExpertInnengruppe, • Zulage für die 2. Schicht +100 Prozent jahr. Im zweiten Lehrjahr beträgt die sich mit den Themen „Arbeitszeit- (in Etappen bis November 2023) die Erhöhung 40,99 Euro (+4,27 gestaltung“ und „lebensphasenorien- • Zulage für die 3. Schicht +58,5 Prozent Prozent), für das dritte Jahr sind tierte Arbeitszeitmodelle“ auseinander- (in Etappen bis November 2027) es 70,33 Euro (+5,61 Prozent) und setzt. Berücksichtigung sollen dabei • Aufwandsentschädigungen +2,5 Prozent im vierten Lehrjahr 93,25 Euro unter anderem das Zeitkontenmodell, • Lehrlingseinkommen (+5,63 Prozent). die Schichtarbeit und die 4-Tage-Wo- 1. Lehrjahr +6,74 Prozent che finden. Auch die Themenfelder Frei- 2. Lehrjahr +4,27 Prozent 3. Lehrjahr +5,61 Prozent 75-Mio.-Paket für die Schichtarbeit. zeitoption, Elemente der Zeitsouverä- 4. Lehrjahr +5,63 Prozent Die Zulagen werden um 3,55 Pro- nität für ArbeitnehmerInnen, kürzere • Geltungstermin: 1. November 2021 zent und die Aufwandsentschädi- Arbeitszeiten bei physisch und psychisch • Laufzeit: 12 Monate gungen um 2,5 Prozent erhöht. Ei- belastender Arbeit sowie alternsgerechte PRO-GE Verhandlungsleiter Rainer Wimmer KWI International Ferlach Georg Fischer Herzogenburg
15 Danke für euren Kampfgeist! Gemeinsamer Einsatz zahlt sich aus Der Abschluss in der Metallindustrie musste wieder einmal hart erkämpft werden. Der Erfolgsgarant für Gewerk- schaften in diesen Auseinanderset- zungen: das Engagement von Betriebs- rätInnen und Mitgliedern. Hier die schönsten Bilder von den Aktionen in den Betrieben und auf der Straße. iSi Wien Rheinmetall MAN Wien Klinger Fluid Control Gumpoldskirchen Koenig & Bauer Maria Enzersdorf Schaeffler Berndorf St. Veit Rosenbauer Neidling Kundgebung der PRO-GE Jugend
16 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 zent KV-Abschluss Metallgewerbe 2022 3,45 Prozent mehr Lohn ab 1. Jänner Zur Herbstlohnrunde gehören zent auf einen Euro; für die erste Etappe erreicht“, zieht PRO-GE Bundesvorsit- für die PRO-GE immer auch die ab Jänner 2022 ergibt sich dadurch eine zender und Verhandlungsleiter Rainer Kollektivvertragsverhandlungen für Erhöhung von 30 Prozent. Die Zulagen Wimmer eine positive Bilanz. „Das sozi- das Metallgewerbe. Der diesjährige für die dritte Schicht und die Nachtar- alpartnerschaftlich verhandelte Gesamt- Abschluss bringt neben Lohnerhö- beit werden bis 2024 um 26,2 Prozent paket ist eine faire Wertschätzung für die hungen unter anderem noch die auf drei Euro angehoben, die Steigerung erfolgreiche Arbeit der Beschäftigten und Freizeitoption und ein besonderes der ersten Etappe 2022 entspricht 5,86 stärkt deren Kaufkraft.“ Mobilitätsangebot für Lehrlinge. Prozent. Mit dem Abschluss 2022 gilt auch wieder die Freizeitoption. Die Ist- Der Abschluss im Überblick: Am 19. November konnten nach dem KV-Abschluss der Metall- Lohnerhöhung kann in eine nachhaltige Arbeitszeitreduktion umgetauscht wer- den. Für die 3,45 Prozent Erhöhung • • KV-Löhne +3,45 Prozent Neuer Mindestlohn 2.069 Euro • Ist-Löhne +3,0 Prozent industrie auch die Kollektivvertrags- ergeben sich dabei vier Stunden und • Lehrlingseinkommen +3,45 Prozent verhandlungen für die 110.000 Ar- 30 Minuten mehr Freizeit pro Monat. • Schichtzulagen: beiterInnen und die 18.000 Lehrlinge Voraussetzung ist der Abschluss einer 2. Schicht: etappenweise Erhöhung auf im Metallgewerbe abgeschlossen wer- Betriebsvereinbarung. einen Euro bis 2024 (+95,0 Prozent) den. Die kollektivvertraglichen Min- 3. Schicht: etappenweise Erhöhung auf destlöhne steigen ab 1. Jänner 2022 Gratis-Klimaticket für Lehrlinge. Die drei Euro bis 2024 (+26,2 Prozent) um 3,45 Prozent. Der neue Mindest- Lehrlingseinkommen werden ebenfalls • Aufwandsentschädigungen +2,5 Prozent lohn liegt damit künftig bei 2.069 um 3,45 Prozent erhöht. Weiters bein- • Kostenersatz für das österreichweite Euro. Die Ist-Löhne werden um haltet der KV-Abschluss ein innovatives Klimaticket für Lehrlinge 3 Prozent angehoben. neues Element für Lehrlinge. Sie kön- • Freizeitoption: Statt Ist-Lohnerhöhung nen sich für 2022 für das Klimaticket an- mehr Freizeit im Ausmaß von 4 Stunden Deutliche Erhöhungen der Schicht- stelle des Fahrtkostenersatzes entscheiden 30 Minuten pro Monat möglich zulagen. Für die Schicht- und Nacht- und damit ein Jahr lang in ganz Öster- • Gemeinsame Sozialpartnererklärung: arbeitszulagen wurde eine Erhöhung reich alle öffentlichen Verkehrsmittel be- Bekenntnis zum fairen Umgang mit ZeitarbeiterInnen in drei Etappen bis 2024 ausver- nutzen. „Wir haben mit den kräftigen • Geltungstermin: 1. Jänner 2022 handelt. Die Zulage für die zwei- Lohnerhöhungen und Steigerungen bei • Laufzeit: 12 Monate te Schicht steigt dabei um 95 Pro- den Lehrlingen ein sehr gutes Ergebnis AKTUELLE KOLLEKTIVVERTRAGSABSCHLÜSSE Ab 1. August: Mühlenindustrie: KV-Löhne inklusive Lehrlingseinkommen +2,47 Großbäcker: KV-Löhne +2,11 Prozent im Durchschnitt, neuer Min- Prozent im Durchschnitt, neuer Mindestlohn beträgt 2.019,22 Euro; destlohn 1.678,31 Euro; prozentuelle Erhöhung der Lehrlingsein- Dienstalterszulagen, Zehrgelder und Zulagen +2,05 Prozent; Über- kommen laut RKV; Zulagen laut Lohnvertrag +2,11 Prozent. zahlungen bleiben in voller Höhe aufrecht. Ab 1. November: Ab 1. Oktober: Molkereien und Käsereien: KV-Löhne +2,7 Prozent plus Rundung Bäckergewerbe: KV-Löhne +2,11 Prozent, neuer Mindestlohn auf den vollen Euro, neuer Mindestlohn 1.920,00 Euro; Lehr- 1.556,40 Euro; Lehrlingseinkommen +2,3 Prozent; Zulagen +2,11 lingseinkommen +2,7 Prozent; Dienstalterszulagen +2,7 Prozent, Prozent; Lohngruppe „AushelferInnen“ ersatzlos gestrichen; Verein- Zehrgelder +2,7 Prozent. barung eines Zusatz-KV, Angleichung der Kündigungsfristen von ArbeiterInnen und Angestellten und Umkleidezeiten. ALLE KV-ABSCHLÜSSE DER PRO-GE: WWW.LOHNRUNDEN.AT
17 Über 6.000 Jugendliche befragt Jeder dritte Lehrling ist unzufrieden Mitte November präsentierte die Gassi gehen mit dem Hund des Chefs. In Österreichische Gewerkschafts- der Folge will jede/r Dritte nicht im Lehr- jugend den 4. Österreichischen betrieb bleiben – fast die Hälfte davon Lehrlingsmonitor. Die Ergebnisse auch nicht im Beruf. Insgesamt ist aber zeigen, dass die Qualität der Lehr- die Zustimmung zum erlernten Lehrbe- ruf mit 76 Prozent höher als zum Verbleib ausbildung gesteigert werden muss. im Betrieb (68 Prozent). Nur zwei von drei Lehrlingen sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Ausbildungslücken durch Kurzarbeit. Für Betriebe war es möglich, auch Lehr- Bei einem Drittel der Befragten findet keine regelmäßige Bespre- linge in die Kurzarbeit mitzunehmen. Betroffen waren davon 19 Prozent. Die stabil bleibende Anzahl der Lehrlinge und Arbeiterkammer ein Programm für chung des Ausbildungsfortschritts im Jahr 2020 zeigt, dass diese Maßnah- Ausbildungsqualität erstellt. Am wich- statt. Weiterhin muss fast jede/r Drit- me auch erfolgreich war. Aber: In der tigsten sind dabei Kompetenzchecks zur tel (29 Prozent) Überstunden ma- Kurzarbeit sollten die Lehrlinge mindes Mitte der Ausbildung mit Feedback an chen. Obwohl für unter 18-Jährige tens zur Hälfte der Ausfallszeit vollstän- Lehrlinge und Lehrbetriebe, die Einrich- verboten, zeigt der Lehrlingsmonitor, dig ausgebildet werden. Das fand nicht tung von Kompetenzzentren in Ergän- dass diese im selben Ausmaß Über- einmal für die Hälfte aller betroffenen zung der Ausbildungsverbünde und eine stunden leisten wie über 18-Jährige. Lehrlinge statt. Reform der AusbilderInnenausbildung Viele Lehrlinge werden für ausbil- mit speziellem Fokus auf die pädago- dungsfremde Tätigkeiten eingesetzt, Qualitätsoffensive gefordert. Im Interes- gische und fachliche Qualität. Außerdem genannt wurden unter anderem Ra- se der Jugendlichen und auch der Wirt- muss die schon lange geforderte Fachkräf- sen mähen, private Autos putzen, schaft haben ÖGB, Gewerkschaftsjugend temilliarde endlich umgesetzt werden. Leiharbeit „Behandelt wie Maschinen …“ Im Frühjahr haben der „Maskenskandal“ bei Hygiene Verfahren in dieser Sache angestrengt. Das Postverteilzentrum Austria und der Corona-Cluster bei der Post ausbeuterische Inzersdorf wiederum geriet durch einen Corona-Cluster in die Arbeitsbedingungen in den Fokus gerückt. Die Schicksale Schlagzeilen. In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass hinter den Schlagzeilen beleuchtet nun eine neue Studie. dort zu einem großen Teil LeiharbeiterInnen tätig waren. Auftraggeberhaftung endlich umsetzen. „Bei dem, was diese Anhand von 15 Interviews mit LeiharbeiterInnen von Hygiene Austria und dem Postverteilzentrum Inzersdorf Betriebe den Arbeitskräfteüberlassern bezahlt haben, kann sich jeder ordentliche Kaufmann ausrechnen, dass diese Leihfirmen nicht gesetzeskonform unterwegs sein können“, sagt PRO-GE hat eine von der AK geförderte Studie der Uni Wien deren pre- Branchensekretär Thomas Grammelhofer. Die Folgen werden käre Arbeitsbedingungen untersucht. Beide Betriebe spielten von der Studie eindrucksvoll aufgezeigt: überlange Arbeitszeiten, während der Corona-Pandemie eine wesentliche Rolle. Hygie- mangelnde Arbeitssicherheit und Verstöße bei der Entlohnung. ne Austria gab das Versprechen ab, ausreichend FFP2-Masken „Sie haben uns als Maschinen behandelt, nicht als Menschen“, in Österreich produzieren zu können. Im März 2021 fand der wird ein ehemaliger Leiharbeiter bei Hygiene Austria zitiert. Höhenflug ein jähes Ende: Eine Großrazzia nach Hinweisen auf Immerhin konnte nach den Skandalen in zahlreichen KV-Ab- Lohn- und Sozialdumping brachte nicht nur schlechte Arbeits- schlüssen eine Sozialpartnervereinbarung zum fairen Umgang bedingungen ans Licht, sondern auch chinesische Masken, die mit LeiharbeiterInnen fixiert werden. Doch es braucht mehr: als „Made in Austria“ umgepackt wurden. Die rund 200 Leih- Die PRO-GE fordert u. a. eine Haftung des Erstauftraggebers, arbeiterInnen wurden gekündigt und teils mit neuen Dienstver- mehr Kontrollen, Schutz bei Betriebsratsgründungen und das trägen wieder eingestellt. Die Arbeiterkammer hat bereits 118 Best- statt Billigstbieterprinzip bei öffentlichen Aufträgen.
18 MAGAZIN DER PRODUKTIONSGEWERKSCHAFT Ausgabe 4/2021 Betriebsreportage Wittur Austria GmbH Auf und ab in Sicherheit Im beindruckenden Testturm bedarf es Schwindelfreiheit beim Zusammenbau der komplexen Testsysteme. Wer heute in einen Aufzug steigt, muss sich wenig Gedanken über die nik wahrnehmen“, erklärt Leitner. Dazu Sicherheit machen. Wir vertrauen darauf, dass uns die Technik sicher gehören Tragrahmen, Gegengewichte, nach oben und wieder nach unten bringt. Wie viel Know-how hinter Geschwindigkeitsregler, Bremsen, Füh- diesem selbstverständlichen Sicherheitsgefühl steckt und dass wichtige rungskomponenten, Türmechaniken, Antriebe und vieles mehr. Wittur-Pro- Komponenten der Aufzugstechnik aus Scheibbs kommen, weiß wohl dukte kommen weltweit in den höchsten kaum jemand. Die „Glück auf!“ hat die Firma Wittur besucht. Wolkenkratzern zur Anwendung. Man sieht ihn schon von Wei- tem. 50 Meter hoch thront der Wit- Mehr als 500 Beschäftigte sorgen im Zwei- bzw. Drei-Schicht-Betrieb für die Eine wichtige Rolle spielen dabei auch das Entwicklungszentrum und der gigan- tische Testturm. Seit 2009 bringen die tur-Turm inmitten des Werksgeländes Produktion modernster Aufzugstech- Forschungsarbeiten wichtige und neue des Aufzugherstellers. Er ist der Stolz nik. Robert Leitner hat selbst Maschi- Erkenntnisse für die Aufzugstechnik. des Unternehmens und fast schon ein nenbautechniker bei Wittur gelernt und Circa 70 Patente habe das Unternehmen Wahrzeichen von Scheibbs geworden. war 25 Jahre in der Produktion tätig. Frü- bereits entwickelt, bestätigt uns Franz Die verschiedenen Produktionshallen her schon Jugendvertrauensrat, vertritt er Josef Karner. Er ist Mitverantwortlicher sind sichtbare Zeitzeugen der stetigen heute als Betriebsratsvorsitzender die In- in der Produktentwicklung. In spekta- Erweiterung der Produktion seit den teressen der rund 360 ArbeiterInnen. „Bei kulären und aufwendigen Fallversuchen späten 1960er-Jahren. So ist das Un- den Aufzügen produzieren wir alles, was können Sicherheitskomponenten, Fahr- ternehmen mit unterschiedlichen Ei- man optisch nicht sieht und trotzdem für korbrahmen und Türantriebssysteme gentümerstrukturen gewachsen und die sichere Benutzung eines Fahrstuhls im Testturm auf ihre Tauglichkeit ge- zu einem wichtigen Arbeitgeber und notwendig ist. Nur wer in einer Glaskabi- prüft werden. Das alles für unser sicheres Lehrbetrieb in der Region geworden. ne fährt, kann auch sichtbar unsere Tech- Gefühl in den Aufzügen.
19 Konzentration und Genauigkeit sind bei der Biegemaschine gefragt. Von Zeit zu Zeit muss Gerhard Schafhuber zu Wartungsarbeiten auch Hier wird der korrekte Winkel gemessen. direkt zum Schweißroboter. In der Spritzerei wird auch nach besonderen Kundenwünschen gefertigt. Die Geschwindigkeitsregler sorgen auch im Notfall für die Jede Farbe ist möglich. Sicherheit des Fahrkorbs. Fast schon ein Wahrzeichen von Scheibbs: Den Franz Josef Karner ist schon seit 42 Jahren im Betrieb BRV Robert Leitner (rechts im Bild) kümmert sich seit großen Testturm sieht man schon von Weitem. und kennt alle Aufzugssysteme bis ins Detail. 2016 ausschließlich um die Anliegen der ArbeiterInnen. Spezielle Schweißkenntnisse sind beim Die Seitenträger für Gegengewichte vor der Erfahrung in der Montage hilft. Hier werden unter Aufzugsbau von besonderer Bedeutung. weiteren Bearbeitung. anderem Türelemente zusammengebaut.
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