Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung - Universität Siegen

 
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Universität Siegen       Wintersemester 2017/2018

                  Das Recht der Wort- und
                   Bildberichterstattung

Jun.‐Prof. Dr. Christian Gomille

                                                              1
§1
Medienverfassungsrecht und
     Medienprivatrecht

                             2
Rückschau auf das vergangene Semester
                               Staat

                                                              Empfänger
                                                          Art. 5 I 1 Alt. 2 GG

                                   Medienbetreiber
        Autor                                                 Empfänger
                                   Art. 5 I 1 Alt. 1 GG
  Art. 5 I Alt. 1 GG                                      Art. 5 I 1 Alt. 2 GG
                                      Art. 5 I 2 GG

                                                              Empfänger
                 Betroffener                              Art. 5 I 1 Alt. 2 GG
                Art. 1 I, 2 I GG

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Rückschau auf das vergangene Semester
      Staat                           Staat

               Art. 5 I GG
                             Bürger           Bürger
      Bürger

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Regelungsbereiche des privaten
Medienrechts
Das Recht der Wort‐ und Bildberichterstattung
(„Mediendeliktsrecht“)
 • Konfliktparteien sind der Autor eines Medienbeitrags
   sowie der Betreiber des Verbreitermediums auf der
   einen Seite und der von dem Beitrag Betroffene auf der
   anderen Seite
 • Konkret: Wie und inwieweit müssen der Autor und der
   Medienbetreiber auf das Allgemeine
   Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Rücksicht
   nehmen?
 • Beispiel: Verdachtsberichterstattung über Straftaten
 • Geregelt überwiegend im BGB

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Regelungsbereiche des privaten
Medienrechts
Das Urheberrecht
 • Konfliktparteien sind der Urheber eines Werks und
   die Verbreitermedien zum einen sowie der Urheber
   eines Werks und die Mediennutzer zum anderen
 • Wie kommt es, dass Radiostationen Lieder von
   Musikern spielen dürfen?
 • Ein Nutzer, der Geld sparen will, besorgt sich die
   neueste Staffel seiner Lieblingsserie über ein
   dubioses Streamingportal
 • Geregelt ganz überwiegend im Urheberrechtsgesetz
   (UrhG)

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Regelungsbereiche des privaten
Medienrechts
Das Medienwettbewerbsrecht
 • Betrifft die Regeln für den eigenen Wettbewerb
   der Medienunternehmen → insoweit geregelt im
   UWG
 • Betrifft die Werberegulierung insbesondere für
   den Radio‐ und Fernsehrundfunk → geregelt im
   RStV
 • Betrifft die Gefahr einer Marktkonzentration auf
   der Angebotsseite des Markts der Meinungen
   („Medienkartellrecht“) → geregelt im AEUV und
   im GWB

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Der Einfluss des Medienverfassungsrechts auf
das Medienprivatrecht
• Nachdem das Medienverfassungsrecht
  öffentliches Recht ist, könnte man
  meinen, dass es selbständig neben dem
  Medienprivatrecht steht und dass beide
  Bereiche nichts miteinander zu tun haben.
• Aber: Aufgrund der Normenhierarchie
  steht das Verfassungsrecht über dem
  Privatrecht. Das Privatrecht darf demnach
  keine     Regelungen     enthalten    und
  aufstellen, die dem Verfassungsrecht
  widersprechen.

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§2
Regelungsgegenstand und
  Regelungstechnik des
   Medienprivatrechts

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Die Grundfrage des privatrechtlichen Falls
• Im öffentlichen Recht geht es stets um die Frage, welche Maßnahmen
  der Staat als Hoheitsträger gegenüber dem Bürger erlassen darf oder
  muss.
• Im Privatrecht geht es demgegenüber praktisch stets um die Frage:
  Wer will was von wem und woraus?
• Aus einem Geschehen mit verschiedenen Beteiligten entstehen
  verschiedene Interessenkonflikte. Die Normen des Privatrechts geben
  Auskunft darüber, wie dieser Konflikt aufzulösen ist

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Erster Schritt: Interessenanalyse
Fall 1(„Wetterman“):
C. ist die Ex‐Geliebte des früheren ARD‐Wettermoderators
Jörg Kachelmann. Sie bezichtigte Kachelmann, dass er sie
vergewaltigt habe. Verschiedene Medien der Verlagsgruppen
Springer und Burda stürzten sich begierig auf diese Story und
machten groß damit auf. Unmittelbar im Anschluss an die
Veröffentlichung der Vorwürfe, kündigten die meisten seiner
Kunden ihre Verträge mit seinem Unternehmen, wodurch
Kachelmann enorme wirtschaftliche Einbußen entstanden.
Außerdem erfährt K eine weitgehende Ausgrenzung aus dem
sozialen Leben. Im Gerichtsverfahren stellt sich später heraus,
dass C. Kachelmann vorsätzlich der Wahrheit zuwider
beschuldigt hatte. Freilich hatte Kachelmann hohe
Rechtsverfolgungskosten zu tragen.
Welche kann K gegen C womöglich geltend machen?

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Erster Schritt: Interessenanalyse („Wer will von
wem?“)
Kachelmanns Interessen gegenüber C.:
 • C. soll nicht mehr erzählen, dass er sie
   vergewaltigt habe;
 • C. soll ihm die finanziellen Nachteile
   ausgleichen, die ihm durch die Kosten seiner
   Verteidigung und durch den Verlust lukrativer
   Verträge entstanden sind.
 • Gegenüber      Burda/Springer   verfolgt   er
   gleichgerichtete Interessen

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
• Der Betroffene erhält seine Interessen von
  dem        Autor       und/oder       dem
  Medienunternehmen nur befriedigt, wenn
  er ihnen gegenüber einen entsprechenden
  Anspruch hat.
• Gem. § 194 I BGB ist unter einem Anspruch
  das Recht zu verstehen, von einem
  anderen ein Tun oder Unterlassen
  verlangen zu können.
• Das     Privatrecht    bildet    für    die
  verschiedenen denkbaren Interessen der
  privatrechtlichen Akteure verschiedene
  Kategorien von sog. Anspruchszielen.

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Unterlassung
• Ansprüche auf Unterlassung bezeichnen das
  Interesse, von einem anderen zu verlangen,
  dass er eine bestimmte Handlung gar nicht
  erst oder jedenfalls nicht mehr vornimmt
• Allgemeines Beispiel: Lärmende Nachbarn
• Fall Kachelmann?

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Widerruf/Richtigstellung
  • Ansprüche auf Widerruf/Berichtigung
    bedienen das Interesse, von einem anderen
    die Richtigstellung einer unwahren
    Tatsachenbehauptung zu verlangen.
  • Es handelt sich um einen exklusiv
    mediendeliktsrechtlichen Anspruch, für den
    es keine Parallele im allgemeinen
    Bürgerlichen Recht gibt.
  • Fall Kachelmann

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Schadensersatz
  • Ansprüche auf Schadensersatz bedienen das
    Interesse, von einem anderen Ersatz für
    einen unfreiwillig erlittenen
    Vermögensverlust zu verlangen
  • Allgemeines Beispiel: Wiesnunfall
  • Fall Kachelmann

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Herausgabe
 • Ansprüche auf Herausgabe bedienen das
   Interesse, von einem anderen die
   Rückgabe einer Sache zu verlangen.
 • Sie bedienen auch das Interesse, von
   einem anderen die Überlassung eines
   unrechtmäßig gezogenen
   Vermögensvorteils zu verlangen
 • Beispiel: Unbefugte Nutzung für
   Werbung
 • Fall Kachelmann

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Geldentschädigung
• Ansprüche auf Geldentschädigung dienen dazu,
  Einbußen des Betroffenen zu ersetzen, die nicht
  vermögensrechtlicher Art sind
• Es geht um Kompensation insbesondere für die
  sozialen Nachteile, die aus einer
  Berichterstattung resultieren
• Fall Kachelmann

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Zweiter Schritt: Zuordnung des Interesses zu
einer zivilrechtlichen Anspruchskategorie
Anspruchsziel Gegendarstellung
 • Der Anspruch auf Gegendarstellung bedient das
   Interesse des Betroffenen, von dem Medienbetreiber
   den Abdruck der eigenen Sicht auf den Gegenstand
   der Berichterstattung zu verlangen.
 • Es handelt sich um einen exklusiv
   mediendeliktsrechtlichen Anspruch, für den es keine
   Parallele im allgemeinen Bürgerlichen Recht gibt
 • Fall Kachelmann

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Dritter Schritt: Die Ermittlung der
Anspruchsgrundlage („Woraus?“)
•   Im nächsten Schritt ist eine Norm zu suchen, die darüber entscheidet, ob der Betroffene gegenüber dem
    Autor und/oder dem Medienunternehmen sein Anspruchsziel erreicht oder nicht.

•   Solche Normen bezeichnet man als Anspruchsgrundlagen.

•   Dabei sieht das bürgerliche Recht für jede der Kategorien von Anspruchszielen verschiedene solcher
    Anspruchsgrundlagen vor:
    ‐   Unterlassung: § 1004 I 2 BGB
    ‐   Beseitigung/Widerruf: § 1004 I 2 BGB
    ‐   Schadensersatz: § 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, § 824 BGB, § 826 BGB
    ‐   Nutzungsherausgabe: § 812 I 1 Alt. 2 BGB
    ‐   Geldentschädigung: § 823 I BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG
    ‐   Gegendarstellung: § 11 Landepressegesetz NRW z.B.

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Vierter Schritt: Die Prüfung der
Anspruchsgrundlage
•   Anspruchsgrundlagen sind nach einem klassischen „Wenn‐Dann‐
    Schema“ aufgebaut. Auf der „Dann‐Seite“ steht das verfolgte
    Anspruchsziel. Auf der „Wenn‐Seite“ stehen die Voraussetzungen,
    unter denen dieses Anspruchsziel verwirklicht wird.

          Voraussetzung        Voraussetzung      Anspruchsziel
                 =                   =                 =
        Tatbestandsmerkmal   Tatbestandsmerkmal    Rechtsfolge

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Vierter Schritt: Die Prüfung der
Anspruchsgrundlage
Hat man die zum verfolgten Anspruchsziel passende Anspruchsgrundlage
gefunden, muss man schließlich prüfen, ob das vorliegende Geschehen alle
Voraussetzungen für den Eintritt der gewünschten Rechtsfolge erfüllt. Diesen
Prüfungsvorgang bezeichnet man als Subsumtion.

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Vierter Schritt: Die Prüfung der
Anspruchsgrundlage
Beispiel: Anspruch Kachelmann gegen C. aus § 824 I BGB

                             Geeignet
  Tatsachen‐                              Kennen‐        Schadens‐
               Unwahr       zur Kredit‐
 behauptung                               müssen           ersatz
                            gefährdung

                                                                     23
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