DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41

 
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DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41
Monatszeitschrift für Luzern und die Zentralschweiz mit Kulturkalender
                                       NO. 7 Juli /August 2011 CHF 7.50 www.null41.ch

                                                                       INS
                                                                       DAS
                                                                       MUSS
                                                                       RUNDE

                                                                       ECKIGE

LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6
DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41
tbs-identity.ch / Fotografie: Daniela Kienzler
                                                     DAS
                                               AB O -
                                                              GE F Ü H L .

Zum Beispiel mit unserem   TANZ-ABO.    Seien Sie besonders
                                                                 LUZERNER
günstig dabei, wenn Bewegung auf die Bühne kommt: Mit zwei

Tanzpremieren und je einer Vorstellung im UG und im Südpol.
                                                                 THEATER...
                                                                 www.luzernertheater.ch
                                                 2                                         Neue
                                                                                          Website!
DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41
EDI TOR I A L

                        SCHNABEL AUFREISSEN

«Wo sind denn all jene, die                                                                          sind glücklich über den Na-
sonst immer den Schnabel                                                                             turrasen und hoffnungsfroh
aufreissen?», fragt Walti be-                                                                        angesichts des zweiten Ya-
rechtigterweise unter www.                                                                           kin beim FCL. Doch auch
kulturagenda2020.ch. Auf                                                                             Befürchtungen über zu viel
der Plattform der IG Kultur                                                                          Lifestyle auf der Allmend
kann man seit Mai loswer-                                                                            und generell einen Graben
den, was man zur Luzerner                                                                            zwischen Clubführung und
Kultur schon immer sagen                                                                             Fans sind unüberhörbar.
wollte – ob motzen oder                                                                              Kreativ umgestaltete FCL-
konstruktive Vorschläge, al-                                                                         Werbeplakate zeugten da-
les ist erlaubt, und gute Ide-                                                                       von («Football is Life, not
                                 Manuel Sanmartin, Spanien, 63. Nicht fussballinteressiert.
en fliessen vielleicht in die                                                                        Lifestyle!»).
Arbeit am neuen Kulturstandortbericht ein.                         Die Eröffnung des Stadions war für uns Anlass für
Nie war es einfacher, seine Meinung am richtigen eine Porträtserie über die wahren Helden des neu-
Ort loszuwerden. Umso erstaunlicher also, wie en Tempels: die Arbeiter, die ihn gebaut haben. Die
wenig auf der Website derzeit passiert. Die einzige Bilder von Marco Sieber entstanden spontan und
wirkliche Debatte drehte sich um das Niveau der unverfälscht auf der Baustelle. Daneben äussern
Konzerte in der Schüür. Um kluge und diskutable sich in unserem Themenschwerpunkt elf Experten.
Einwürfe zur bildenden Kunst, zur Atelierproble- Prägnante Meinungen rund um Fussball, Stadien
matik oder einer Architektur- resp. Literaturstadt und Fans (Seite 6).
Luzern blieb es weitgehend still. Darum: Wer jetzt
nichts sagt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, PS: Das ist die 250. Ausgabe dieses Magazins. Dass
die Kulturstadt Luzern perfekt zu finden. Ist sie das auch noch gesagt ist.
das?
Weniger Mühe, den Schnabel aufzureissen, haben
Fussballfans. Besonders jetzt, wo auf der Allmend
das neue Stadion fertig ist und im Vorfeld des ersten
Spiels (31. Juli, 16 Uhr gegen Thun) alle zapplig
                                                                                    Jonas Wydler
werden. Den meisten gefällt die neue Arena, sie                                     wydler@kulturmagazin.ch

                                                               3
DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41
SCHÖN GESAGT

		         «Ein gutes Fussballstadion sollte zuallererst funktional sein:
gut erreichbar, rasch zu füllen und mit einem Spielfeld, das von allen Plätzen
  gut einsehbar ist. Aber ein hervorragendes Stadion leistet mehr.»
                                                                                         VITTORIO MAGNAGO LAMPUGNANI, SEITE 8

                                                               GU T EN TAG

GUTEN TAG, LUZERNER POLIZEI.                    Redaktion gemeldet hast. Dann endlich        «Wer unabhängig ist, kann glaubwürdig
In der Männerdomäne Polizei zeigst du Ein-      ging etwas. Du, Pirmin Müller, der sich im   Partei ergreifen.» Vielleicht sah man sich
satz für die Gleichstellung der Geschlechter.   Juni 2005 – damals noch als Präsident der    da als Lokalmonopolist auch ein wenig
Die Jury des Prix Egalité würdigt diese Be-     Jungen SVP Luzern – wie jüngst in der        den Spiegel vorgehalten.
mühung mit folgenden anerkennenden              Arena Christoph Mörgeli anmasste, der        Falls wir dir aber einen Tipp geben dürfen:
Worten: «Es ist nicht selbstverständlich,       Judikative dreinzureden: Weil dir ein Ur-    Meide das Fernsehen. Bei deinem Lamen-
dass in der obersten Geschäftsleitung ein       teil nicht in deinen Kram passte, hattest    to auf Tele 1 machtest du einen äusserst
klares Commitment zur Gleichstellung be-        du die private Adresse der zuständigen       fahrigen Eindruck.
steht und vorgelebt wird.» In der Praxis        Richterin auf der JSVPL-Website veröf-       Unabhängig, glaubwürdig:
heisst das: Schaffung von Kleinstpensen,        fentlicht. Mit dem Aufruf, sich bei Fragen   041 – Das Kulturmagazin
80-Prozent-Pensen im Kader und also:            zum Urteil bei ihr zu melden. Aber auch
steigender Frauenanteil. Wir unterstützen       die Homosexuellen bekamen bei dir als
das und gratulieren.                            Vorzeigekatholik ihr Fett weg: Bei der                     AU FGELIST ET
Man könnte noch anfügen: In einer Do-           Gay-Pride 2005 in Luzern hattest du in ei-
mäne, in der durch das Tragen von eher          nem Leserbrief im «Zofinger Tagblatt» ver-   Diese Namen schlagen wir als
unvorteilhaften Uniformen der optische          sprochen, mit einer Protestdelegation an-    Nachfolge der FCL-Maskottchen
Unterschied zwischen Mann und Frau              wesend zu sein.                              Siegfried und Leu vor:
verwischt wird – auch eine Form von             Nun protestierst du wieder. Und zwar ge-
Gleichstellung. Aber nein, das darf man         gen unser Magazin, das in «ehrverletzen-      1.   Leual Family
nicht.                                          der Weise» über Exponenten der Luzerner       2.   Leu Black
Für Manne und Froue:                            SVP herziehe. Auf eine Antwort, was im        3.   Leu Lichtenstein
041 – Das Kulturmagazin                         Bericht genau wessen Ehre verletzen soll,
                                                                                              4.   Leuksopp
                                                warten wir noch immer. Dass unsere Re-
                                                cherchen über die Yvette-Estermann-Stif-      5.   Leuma (Leu-Maa?)
GUTEN TAG, PIRMIN MÜLLER.                       tung kurz zuvor in einen Artikel des «Ta-     6.   Leuber Hotzenplotz
Wir machten ja ein Redesign mit dazuge-         ges-Anzeigers» einflossen und die NLZ         7.   LeuMund
höriger Werbekampagne, Heftvernissage           ebendiesen zitierte, merkte dort niemand.     8.   Leuthard
etc. Doch die NLZ wollte partout nichts         Viel zu erregt war man ob dem von Stadt-
                                                                                              9.   Aleusius
darüber berichten. Bis du, Präsident der        präsident Urs W. Studer abgesegneten Satz
Stadtluzerner SVP, dich bei der Maihof-         neben seinem Bild für unsere Kampagne:       10.   Leuchten

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DAS RUNDE MUSS INS ECKIGE - LUZERN HAT EIN NEUES STADION SEITE 6 - null41
INHALT

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                                                              18 ER PLATZT AUS ALLEN NÄHTEN                 Matthias Burki erhält den Kulturpreis

                                                                       24 Stunden am Schwanenplatz   27     LU-WAHLEN.CH
                                                                                                            Neues Medium für die Zentralschweiz?

                                                                                                     29     LUCERNE FESTIVAL GOES ELECTRO
                                                                                                            Neue Töne am Klassikfestival

                                                                                                     31     AKTUELL: KULTURKAMPF
                                                                                                            Ein Buch gibt Rat

                                                                                                            KOLUMNEN
                                                                                                     31     Georg Anderhubs Hingeschaut
                                                                                                     32     Hingehört: Natalia Huser
                                                                                                     33     Olla Podrida!
                                                                                                     34     Nielsen/Notter
                                                                                                     35     Bain-Marie: Worte zu Löffel & Plunder
                                                                                                     79     Vermutungen

                                                                                                            SERVICE
                                                              20 IM DIENST DER GUTEN MUSIK           36
                                                                                                     37
                                                                                                            Bau. Das «Goldhuisli»
                                                                                                            Kunst. Die Alpineum Produzentengalerie
                                                                     Musikredaktoren im Interview    40     Wort. Das Buch als Entwurf
                                                                                                     43     Kino. Vom Fischer und seiner Frau
                                                                                                     46     Musik. Die Joanna der Harfe
                                                                                                     49     Bühne. Voralpentheater auf dem Vormarsch
                                                                                                     51     Kids. Kinderzirkus Tortellini
                                                                                                     52     Kultursplitter. Tipps aus der ganzen Schweiz

                                                                                                            KULTURKALENDER
                                                                                                     53– 67 Veranstaltungen
                                                                                                     69–73 Ausstellungen

                                                                                                            Titelbild: Marco Sieber
                                                                                                            Auf dem Bild: Marek Grzegorczyk, Polen, 48.
                                                                                                            Lieblingsclub: Chelsea
Bilder: Christof Hirtler/Franca Pedrazzetti/Patrick Hegglin

                                                                                                     		PROGRAMME DER KULTURHÄUSER
                                                               23 DIE ALPEN TÖNEN                    56		 Stattkino
                                                                                                     62		 LSO / Stadtmühle Willisau / Kulturlandschaft

                                                               Zu Besuch bei den Gislers             68		 Natur-Museum Luzern / Historisches Museum
                                                                                                     70		 Kunstmuseum Luzern
                                                                                                     72		 Kunsthalle / Museum im Bellpark

                                                                                            5
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9
1   Adoris Ferati, Kosovo, 21. Lieblingsclub: Prishtina                          6   Patrik Simon, Slowakei, 36. Lieblingsclub: FCL
2   Marcus Schulze, Deutschland, 26. Nicht fussballinteressiert                  7   Urs E. Christen, Richterswil, 55. Lieblingsclub: FCZ
3   Francisco Joaquim, Portugal, 49. Lieblingsclub: Benfica Lissabon & FCL       8   Ricardo Monteiro, Portugal, 18. Lieblingsclub: FCZ
4   Ruedi Merz, Dallenwil, 63. Lieblingsclub: FCL                                9   Stefan Vogel, Nottwil, 39. Lieblingsclub: FCL
5   Krzysztof Kostecki, Polen, 33. Lieblingsclub: TKS Tomza
    Die Porträts der Arbeiter entstanden Ende Juni auf der Baustelle. Sie alle wirkten
    und wirken am Stadion oder den benachbarten Wohntürmen mit.
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Luzern hat sein neues Stadion. Aus diesem Anlass:
elf Expertenmeinungen rund um Fussball, Stadien und Fans.
  Von Urs Emmenegger und Jonas Wydler, Bilder Marco Sieber (Mixer)

Krieg,
Kommerz,
Euphorie

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Stadien und Architektur

Früher waren Stadien eher funktional,          Ein Gegensatz: Ein Fussballfan interes-
heute hat man das Gefühl, dass sich Ar-        siert sich kaum für Architektur.
chitekten mit Sporttempeln zelebrieren.        Nein, das ist kein Gegensatz; genauso, wie
Die Tendenz, spektakuläre, aber sinnent-       es kein Widerspruch ist, gern Bücher zu
leerte Gesten zu bauen, ist tatsächlich eine   lesen und dabei einen schönen Biblio-
Plage unserer Epoche. Aber es sind nicht       theksraum zu geniessen.
nur die Architekten, die sich selbst zeleb-
rieren, sondern auch und vor allem die         Welches sind besonders gelungene Sport-
Bauherren und die Öffentlichkeit, die nach     stätten?
auffälliger Extravaganz rufen. Und in der      Architektonisch wertvolle Stadien ziehen
Regel sind Sportbauten wesentlich zurück-      sich durch die gesamte Architekturge-
haltender als beispielsweise Museen.           schichte, schreiben sie sogar: mit dem Ko-
                                               losseum in Rom angefangen. Aber auch
Gehört es zum Renommee eines Architek-         die Epoche der Moderne, die uns näher
ten, dass er sich mit einem Stadion ver-       steht, hat hervorragende Stadionbauten
ewigt?
Als renommierter Architekt
muss man nicht unbedingt
auch noch ein Stadion ge-
baut haben oder bauen, aber      «Stadien sind lebendige
es ist eine schöne Aufgabe.
Stadien sind deswegen als           Monumente.»
Bauaufgabe so reizvoll, weil
es sich um ausgesprochen
funktionale Architekturmaschinen han-          hervorgebracht: etwa das Stadion von Flo-
delt, die im Mittelpunkt der öffentlichen      renz von Pierluigi Nervi aus den frühen
Aufmerksamkeit stehen und dadurch ei-          1930er-Jahren, der Palazzetto dello Sport
nen hohen Identifikationswert besitzen.        in Rom aus den 50er-Jahren, wiederum
Stadien sind die Inszenierungsorte eines       von Nervi zusammen mit Annibale Vitel-
der beliebtesten modernen Rituale.             lozzi, oder die Sportbauten im Münchner
                                               Olympiapark von Günther Benisch und
Was sind die Anforderungen an ein mo-          Frei Otto, die Anfang der 70er-Jahre fer-
dernes Fussballstadion?                        tiggestellt wurden. In den letzten Jahren
Es sollte zuallererst funktional sein: gut     entstanden das Stadion bei Porto von Edu-
erreichbar, rasch und reibungslos zu fül-      ardo Souto de Moura mit seiner archai-
len und zu leeren, mit einem Spielfeld, das    schen Gestik und jenes in Bejing von
von allen Plätzen möglichst gut einsehbar      Herzog & de Meuron und Ai Weiwei, das
ist. Aber ein hervorragendes Fussballstadi-    bereits zu einem Wahrzeichen der chine-
on leistet mehr: Es ist der Ort, in dem, wie   sischen Hauptstadt avanciert ist.
Johann Wolfgang von Goethe in seiner
                                               Vittorio Magnago Lampugnani,
«Italienischen Reise» im Zusammenhang          Architekt, Architekturhistoriker und Professor für
mit der Arena von Verona anmerkte, das         Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich
Volk das Bewusstsein seiner selbst erhält,
sich selbst wahrnimmt und zelebriert.
Und darüber hinaus ist es auch noch ein
grosses städtisches Monument, das zur
Physiognomie und zur Identität der Stadt
beiträgt. Fussballstadien kommt im mo-
dernen Städtebau eine zentrale Rolle zu
als lebendige Monumente.

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                Neue Stadien

                Meistens bedaure ich den Abbruch eines             lassen ihm keine freie Wahl, auch nicht
                alten Stadions mehr, als ich mich über den         jene, sich abzuwenden und hinter der
                Bau eines neuen freue. Weil ich nicht un-          Horwer-Kurve den Grashügel runterzu-
                ter denselben ökonomischen und sicher-             schiffen. In modernen Stadien kann der
                heitstechnischen Zwängen leide wie ein             Kunde seine Niederlagenwut auch nicht
                Klubfunktionär, kann ich mir diese Rück-           aussitzen, bald nach Schlusspfiff kommt
                wärtsgewandtheit leisten. Sie soll aber zu-        der Steward und drängt ihn zu gehen.
                mindest begründet sein. Was mir auffällt,          Denn wenn der Kunde nur noch sitzt und
                wenn aus brüchigen Betonrampen Scha-               nicht mehr konsumiert, bringt er nichts.
                lensitzparadiese werden, ist die Anpas-            Aber er muss etwas bringen. Das ist der
                sung der Terminologie. Spieltage werden            ökonomische Zwang. Und er darf sich
                                        zu Events, Zuschau-        nicht frei bewegen. Das will die Sicher-
«Was will man                           er zu Kunden, für
                                        die man, weil sie ja
                                                                   heit. Darum hat der FCL ja auch alles rich-
                                                                   tig gemacht: weg vom Dallenwiler Wald-

  machen? Hingehen.                     Könige sind, alles
                                        bereitstellt: tolle Toi-
                                                                   fäscht, hin zu Art on Ice. Was will man
                                                                   machen? Hingehen. Oder halt nicht mehr.

Oder halt nicht mehr.»                  letten, leistungsstar-
                                        ke Lautsprecher, pri-      Pascal Claude,
                                        ma Pizza. Alles, was       Fussballkolumnist (knappdaneben.net)
                                        der Kunde von heute
                halt so braucht. Hat er sich einmal an den
                neuen Komfort gewöhnt (was meistens er-
                staunlich schnell passiert), wendet sich
                der Kunde der Hauptdienstleistung zu, die
                er mit seiner Eintrittskarte erworben hat:
                dem Recht auf Fussball. Doch da beginnt
                nun das Problem. Denn hält der Fussball
                nicht, was sich der Kunde verspricht, re-
                agiert er wie ein Kunde. Und nicht mehr
                wie der Zuschauer, der er einst war. Er re-
                agiert empört.
                    Neue Stadien definieren das Verhältnis
                eines Vereins zu seinen Fans neu, und in
                der Regel wird dabei die Fallhöhe hochge-
                schraubt. Wo viel suggeriert und viel ver-
                sprochen wird, lauert mehr Enttäuschung.
                «Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch
                tot», ist die groteske Spitze dieses Missver-
                ständnisses. Moderne Stadien tun alles,
                um Missmut zu verstärken: Sie drängen
                den Kunden an seinen verteuerten Platz,

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Fanverhalten

Ich glaube, dass man heute wie früher aus
den gleichen Gründen an ein Fussballspiel
                                                 «Ein Fussballspiel hat viel von
geht. Fussball ist «zivilisierter» und ritua-
lisierter Krieg. Der Krieg wird viel weni-         einem Stammeskrieg und erlaubt
ger, als uns die Geschichtsbücher anneh-
men lassen, wegen rationaler Ziele geführt       uns, Leidenschaften auszuleben.»
(Zugang zum Meer, Bodenschätze), son-
dern aus Leidenschaft. Wie Sex und Ver-         von einem Stammeskrieg und erlaubt es         Agieren zu kippen – dann kommt es zur
brechen befriedigt der Krieg unsere Lei-        uns deshalb, Leidenschaften auszuleben –      Gewalt. In der Fankultur spielen viele
denschaften. Ein Blick auf ein TV- oder         als Zuschauer paradoxerweise noch mehr        Dinge eine Rolle, die auch die Riten und
Filmprogramm eines x-beliebigen Tages           denn als Spieler, weil man sich als solcher   Rituale «primitiver» Gesellschaften und
zeigt das mit aller Deutlichkeit. Am Krieg      beim innerlichen Mitmachen über alle          ihrer kriegerischen Aktivitäten charakte-
teilzunehmen ist allerdings gefährlich,         Regeln und jede Fairness hinwegsetzen         risieren: Insignien, Fetische, Schlachtge-
und deshalb schaut man lieber als parteili-     kann.                                         sänge, Kriegsbemalungen etc.
cher Beobachter zu (Schlachtenbummler).             Das Fanwesen ist eine Inszenierung            Und war früher eine Distanzierung der
Beim Fussball fliesst zwar (im Allgemei-        der Stammesfehde. Gegenüber dieser hat        gehobenen Schichten vom «Pöbel» eini-
nen) kein Blut, aber dafür ist das Gesche-      es den Vorteil, dass man sich seinen          germassen angesagt, ist – seit linke Ideen
hen real und man kann aus nächster Nähe         Stamm wählen kann und im Falle der Nie-       Allgemeingut geworden und auch libera-
zuschauen. (Gewisse sogenannte «primiti-        derlage nicht auf Gedeih und Verderb mit      les Gedankengut unterwandert haben –
ve Völker» führen Stammeskriege, die von        diesem verbunden ist. Andererseits reizt      die Nähe zum Proletariat nicht mehr an-
den Häuptlingen abgebrochen werden, so-         die medial angeheizte und hochgeputschte      rüchig, sondern chic.
bald Blut fliesst oder es Tote gibt. Bei den    Emotionalität rund um den Fussball und
«hochzivilisierten» Kriegen ist es dagegen      den Spitzensport, bei Gelegenheit vom         Peter Passett,
umgekehrt.) Ein Fussballspiel hat also viel     bloss fantasierten Partizipieren ins reale    Psychoanalytiker

Fankurve

Reden die FCL-Fans von der Swisspor-            angekommen ist. Eckbälle, Spielerwechsel      Dass der Fussball und im Speziellen der FC
arena, der Allmend, oder habt ihr schon         etc. dürfen nicht mit einem nervigen Wer-     Luzern diesen Stellenwert in der Gesell-
eine eigene Bezeichnung?                        beslogan begleitet werden.                    schaft hat, verdankt er keinem Vermark-
Der Name Swissporarena kommt für uns                                                          tungskonzept, sondern den Leuten, die
nicht infrage. Entweder sprechen wir vom        Welcher Sprechchor hat nebst «Ho Ho           Wochenende für Wochenende in die Sta-
neuen Stadion oder der Allmend. Wobei           Hopp Lozärn» das Zeug zum Klassiker?          dien pilgern. Die Wertschätzung gegen-
                                                                          Die Frage ist       über jedem einzelnen Fan spürt man nur

«Swissporarena kommt                                                      nicht einfach so
                                                                          zu beantworten,
                                                                                              wenig. Fans, die weinen, wenn es schlecht
                                                                                              läuft, feiern, wenn grosse Siege erreicht

  für uns nicht infrage!»                                                 da es verschiede-
                                                                          ne Arten von
                                                                                              werden und auch einmal Kritik am eige-
                                                                                              nen Verein üben, sind anscheinend nicht
                                                                          Klassikern gibt.    wichtig. Ich habe manchmal das Gefühl,
                                                                          Die einen wer-      dass man diese Fans am liebsten durch
der Name Allmend vorsichtig zu verwen-          den über Jahre hinweg an jedem Spiel ge-      stille Konsumenten ersetzen möchte – ein
den ist. Denn so wie es früher mal war,         sungen. Eher aus traditionellen als aus       Stadion voller Zombies. In Gesprächen mit
wird es nie mehr sein.                          melodischen Gründen, wie die inoffizielle     Mitgliedern des Verwaltungsrates haben
                                                Fan-Hymne «Marmor, Stein und Eisen            Freunde aus der Kurve und ich dies in
Was wird im neuen Stadion top, was ein          bricht» unter Beweis stellt. Andere Gesän-    ähnlicher Form mehrmals erwähnt. Aber
Flop?                                           ge entstehen zufällig aus der Masse heraus    dass der FC Luzern diese Kritik nicht an-
Die Stehkurve hinter dem Tor wird das           und werden praktisch nie gesungen. Sol-       nimmt, spüren wir immer wieder.
Highlight im neuen Stadion, wie sie es          che Lieder, die nur in speziellen Situatio-
schon im alten war. Das tief gebaute Dach       nen ertönen, sehe ich genauso als Klassi-
                                                                                              LU-Capo
wirkt sich sicherlich positiv auf den akus-     ker wie das «Ho Ho Hopp Lozärn».              Als Capo wird der Vorsänger oder Anheizer ei-
tischen Support aus. Tragisch ist, dass mit                                                   ner Gruppe von Sportfans bezeichnet. Der FCL
dem neuen Stadion auch die Kommerzia-           Was wollten Sie der FCL-Geschäftsleitung      Fan-Chef nennt sich «LU-Capo» und möchte
                                                                                              anonym bleiben.
lisierung des Fussballs endgültig in Luzern     schon lange mal sagen?

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STA DION A LLM EN D

          Stadionneid

          Wir Zürcher (also wir vom FCZ; bei uns           Das ist es, was ihr Luzerner denkt.
          gibt es ja stadtbekanntlich nur einen Ver-   Aber das ist falsch. Wenigstens einiges da-
          ein) wissen im Fall schon, was ihr Luzer-    von. Vor allem die Sache mit dem neuen
          ner denkt. Ihr denkt nämlich, dass wir       Stadion. Wir würden vieles dafür geben,
          denken:                                      wenn wir auch so eins haben dürften. Si-
                                                       cher die Kirchen und die SVP, von mir aus
              «Hey, easy-cheesy, wir haben den St.     auch den Strich und die Street Parade.
          Peter und somit das grösste Kirchenuhr-      Okay, den Letzigrund würden wir auch
          zifferblatt Europas, in unseren Nightclubs   noch drauflegen.
          geben sich Weekend für Weekend die               Dass sie in Basel, Bern, Genf und St.
          coolsten DJs der Welt die Plattennadel in    Gallen richtige Fussballtempel bekommen
          die Hand, bei uns stehen gleich zwei ‹Too    haben, war schon schlimm genug. Aber
          big to fail›-Banken am Paradeplatz, wir      dass nun auch noch der FC Luzern ein
          haben den längsten Strassenstrich und die    richtiges Stadion kriegt – dazu auch noch
          härteste SVP (auch wenn wir das ziemli-      ein sauschönes (obwohl «Swissporarena»
          che Hippiekacke finden, ich mein das mit     ja fast nach Schreibfehler klingt) – das ist
          der SVP), die Mieten an unserer Bahnhof-     zu hart, zu bitter, zu viel. «Unser» FC Lu-
          strasse sind fast so teuer wie jene an der   zern, mit dem wir ja nicht nur die Klub-
          5th Avenue oder an der Bond Street, wir      farben, sondern auch die Liebe zu Gygax
          haben am meisten Coiffeur-Salons und         teilen (auch wenn wir finden, dass er in
                                                       letzter Zeit etwas nachgelassen hat, zu-

Wir wollen auch so eins!                               mindest als DJ)!
                                                           Aber wir wollen faire Verlierer sein.
                                                       Und euch, gelbblau vor Neid, gratulieren.
                                                       Wer so lange auf einem Rüebliacker ki-
                                                       cken musste und trotzdem Wintermeister
          am meisten Deutsche pro Quadratmeter,        wurde, der hat das verdient. Wir freuen
          zudem die grösste Technoparade, das          uns also auf den ersten Besuch – auch
          höchste Hochhaus, das teuerste Opern-        wenn am Schluss kein 0:5 auf der Anzei-
          haus und das umfassendste Drogenange-        getafel stehen sollte.
          bot des Landes ... ja, und natürlich haben
          wir den besten Fussballclub Helvetiens,
          obwohl der manchmal nur Zweiter oder         Thomas Wyss,
          Siebter wird, kann passieren, River Plate    Journalist «Tages-Anzeiger» und FCZ-Fan
          ist schliesslich auch das beste Team Ar-
          gentiniens, und doch sind sie nun abge-
          stiegen, aber solange wir Lozärn auswärts
          7:0 wegputzen (oder wars 5:0? Egal, das
          sind Details) müssen wir niemandem
          mehr etwas beweisen, sollen die doch ein
          neues Stadion bekommen, das kratzt uns
          nicht die Bohne, wir werden sie auch
          dort wieder 7:0 (oder dann halt 5:0)
          schlagen. Kurz und gut, wir halten es mit
          der Kaffeekapselwerbung und sagen mit
          leicht affig geschwellter Brust: ‹Zürich,
          what else?›»

                                         11
STA DION A LLM EN D

Stadien in der Geschichte

Als der FC Basel 2006 in letzter Minute       mus war es, als Bruno Heck, damaliger         Nachspielzeit sind in dieser Intensität nur
die Meisterschaft an den Erzrivalen aus       Generalsekretär der deutschen CDU, nach       im Stadion zu erleben; sie lassen sich nicht
Zürich verlor, herrschte für eine Sekunde     seiner Rückkehr aus Chile zu Protokoll        nach Hause und vor die Glotze transferie-
im mit über 30’000 Menschen besetzten         gab: «Das Leben im Stadion ist bei sonni-     ren. Ein Tor kann sogar von welthistori-
St.-Jakobs-Park gespenstische Stille, die     gem Wetter recht angenehm.» Das Stadi-        scher Bedeutung sein, selbst wenn es ein
den Jubel der FCZ-Anhänger gleichsam          on war vielmehr Schauplatz eines              dürftiger Roller ins linke untere Eck ist.
verschlang. Doch dabei blieb es bekannt-      schrecklichen Blutbades, das Augusto          Als Helmut Rahn am 4. Juli 1954 im WM-
lich nicht. Entfesselte Zuschauer in Rot-     Pinochet im Namen der nationalen Er-          Final gegen Ungarn zum 3:2 für die DFB-
Blau stürmten auf den Rasen, schlugen         neuerung anrichtete, während er in Tat        Auswahl traf, schoss er Deutschland aus
auf überforderte Ordnungshüter und Poli-      und Wahrheit die Demokratie aufhob und        der historischen Bedeutungslosigkeit.
zisten ebenso ein wie auf Spieler, Staff      mit Unterstützung der westlichen Welt ei-     Nach der Katastrophe des Zweiten Welt-
                                                                                            kriegs hatte Sepp Herbergers Mannschaft

    Stadien als Orte von                                                                    in friedlichem Wettstreit die fussballerisch
                                                                                            weit überlegenen Ungarn des genialen Fe-
                                                                                            renc Puskás geschlagen. Als «Wunder von
   Wundern – und Schauplatz                                                                 Bern» und eigentliche Geburtsstunde der
                                                                                            BRD ging dieses Tor in die Geschichte ein
  		      von Blutbädern                                                                    – ewig mit dem 2001 abgerissenen Wank-
                                                                                            dorf-Stadion verbunden.

und Fans des FC Zürich. Bestürzung und        ne bis 1990 dauernde Terrorherrschaft er-        Wunder sind gerade im heutigen Fuss-
Überraschung herrschten vor; weder            richtete. Kalter Krieg im Fussballstadion.    ball selten genug. Doch dürften es die
Clubverantwortliche noch Stadionbetrei-           Die Gefahr des politischen Missbrauchs    Hoffnung auf kleine oder grössere Wun-
ber oder die Polizei schienen damit ge-       besteht aber nicht nur für Stadien, son-      der und die damit verbundenen Emotio-
rechnet zu haben.                             dern auch für den Sport, der darin ausge-     nen sein, die die Menschen Woche für
    Das erstaunt, denn Randale zwischen       tragen wird. 1978 bot die FIFA der argen-     Woche ins Stadion pilgern lässt.
Fangruppen, Polizeiaufgebote und bürger-      tinischen Militärjunta unter General Vi-
kriegsähnliche Zustände nach Fussball-        dela die Gelegenheit, sich der Welt als ein   Lucas Burkart,
spielen gehören beinahe zum Stadtbild, in     nur im sportlichen Wettkampf streitendes      Historiker / Professor am Historischen Seminar
der Schweiz wie anderswo. Auch ist das        Land zu präsentieren. Unmittelbar nach        der Universität Luzern
Phänomen psychologisch längst gedeutet.       dem Putsch im März 1976 freute sich
Der spätere Literaturnobelpreisträger Elias   FIFA-Präsident Joao Havelange, «dass Ar-
Canetti hat in «Masse und Macht» bereits      gentinien jetzt erst in der Lage wäre, die
vor 50 Jahren darauf hingewiesen, dass        Meisterschaft auszurichten». Tatsächlich
sich das wahre und nackte Wesen des           nutzte jedoch die Junta den Jubel in den
Menschen erst in der Masse zeigt, und         Stadien dazu, die Schreie aus den Folter-
dass es kein soziales ist. In der Masse       kammern und Gefängnissen zu übertö-
streift das Individuum seine Hemmungen        nen. Bis heute ist das Schicksal Zehntau-
restlos ab und sichert sich sein eigenes      sender Desaparecidos nicht aufgeklärt,
Überleben, indem es sich gewaltsam gegen      während Mario Kempes als Torschützen-
alles Andersartige wendet. Für Stadien ist    könig und Osvaldo Ardiles als Mittelfeld-
das nicht ganz bedeutungslos.                 stratege der argentinischen Meistermann-
                                              schaft und der kettenrauchende César Lu-
    Der Blick in die Geschichte zeigt Ver-    is Menotti als deren Trainer gemeinhin
gleichbares. Beim Sturz der sozialistischen   erinnert werden.
Regierung Salvador Allendes 1973 durch            Weshalb werden aber trotzdem neue
eine Militärjunta erlangte das National-      Stadien gebaut? In der Masse des Stadions
stadion in Santiago de Chile traurige Be-     werden selbst im antagonistischen Spiel
rühmtheit. Noch am Tag des Putschs wur-       «Elf gegen Elf» nicht nur Emotionen frei-
de hier ein Konzentrationslager eingerich-    gesetzt, die in Gewalt und Zerstörung
tet, in dem binnen weniger Tage Tausende      münden. Freude über einen klugen Spiel-
Oppositioneller inhaftiert, verhört, gefol-   zug, Begeisterung über eine gelungene
tert und ermordet wurden. Blanker Zynis-      Parade oder Ekstase über ein Tor in der

                                                                  12
STA DION A LLM EN D

Alternativkultur und Fussball

Neulich sass ich im Café Meyer, trank ein     Göttibueb wünscht es sich.») Man habe             Schön anzuhören, und trotzdem war
kühles Blondes und studierte dabei die        sich kaum getraut, über Fussball zu reden,    ich ein bisschen traurig, dass wir so lange
Luzerner Musikneuerscheinungen, die           da man sonst sofort als Schläger oder         warten mussten, bis wir uns zu «outen»
dort aufliegen. Eigentlich nichts Besonde-    hirnloser Prolet abgestempelt wurde.          wagten. Es brauchte wohl erst Kom-
res, wären mir dabei nicht ungewohnte             Ich stellte erstaunt fest: Den Anwesen-   merztempel und Familycorner, um zu sei-
Wortfetzen zu Ohr gekommen. «Yakin ...»,      den war es gleich ergangen – auch sie         ner Leidenschaft stehen zu können.
«Transfers ...», «neues Stadion ...».
    Verwirrt schaute ich mich um. Wer er-
wartet in einer Hochburg der alternativen
Szene tatsächlich eine Diskussion über
                                                  «Wenn es noch irgendwo
Fussball? Der Kontrollblick bestätigte: Da
sassen tatsächlich altgediente Gitarrenhel-
                                                 Autonomie gibt, dann im Stadion!»
den, aktive Kulturveranstalter und sogar
ein Kulturjournalist am Tisch und unter-
hielten sich angeregt über den FC Luzern.     dachten sich Ausreden für einen Stadion-          Aber es machte mir auch Mut und gab
Noch mehr erstaunte das fundierte Wis-        besuch aus, guckten heimlich die Sport-       mir die Hoffnung, dass ich in ein paar Jah-
sen über Spieler, Verein und alles andere,    schau und lebten die Liebe zu ihrem Ver-      ren im Stadion Wortfetzen wie «Kultur-
was das Team aus der Leuchtenstadt be-        ein im Verborgenen aus. «Fussball ist         beitrag», «alternative Szene» oder «Frei-
trifft.                                       Rock’n’Roll!» lallte es links von mir, und    raum» aufschnappe und feststelle, dass
    Ist das nun die viel diskutierte Kom-     der Kulturjournalist setzte zu einer Hom-     sich viele Fans heimlich seit Jahren für
merzialisierung? Man hört und liest ja,       mage an das runde Leder an, steigerte sich    unsere lokale Kultur interessieren.
dass Fussball für neue Sparten und Grup-      zur Aussage, Fussball wirke integrierend,
pen interessant werde. Dass neu auch vie-     stelle einen wichtigen Teil der Kultur dar,   Christian Wandeler,
le Frauen den Weg ins Stadion unter die       um schon fast schreiend zu enden: «Und        Fanarbeit Luzern, Mitherausgeber
                                                                                            Fussballmagazin «Tschuttiheftli»
High Heels nähmen und zahlungskräftige        wenn es irgendwo in der Schweiz noch
Firmen sich gerne an den Spielen zeigten.     Autonomie gibt, dann in den Stadien!»
Ein Fussballevent für alle – und neu auch
für Kulturschaffende?
    Ich konnte es nicht lassen und kon-
frontierte die illustre Runde mit meinen
Gedanken. Warf ihnen an den Kopf, dass
sie doch jahrelang alles rund um Fussball
verpönt hätten und man sich wegen Leu-
ten wie ihnen jeweils eine Ausrede für ei-
nen Stadionbesuch ausdenken musste.
(«Ich will gar nicht hingehen, aber mein

                                                                  13
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Ökonomie

Wie interessant ist die Swissporarena für      im neuen Stadion langfristig überleben,
den Wirtschaftsplatz Luzern?                   müssen sich möglichst viele Leute aus der
Die Fussballbegeisterung in der Inner-         Zentralschweiz mit dem Club identifizie-
schweiz ist eine gute Ausgangslage, um         ren können.
mit dem neuen Stadion auch in wirt-
schaftlicher Hinsicht erfolgreich zu sein.     Welche volkswirtschaftlichen Effekte
Fussball ist ein emotionales Geschäft, vie-    werden durch den Betrieb der Arena aus-
le haben ein Interesse daran, von diesen       gelöst?
Emotionen zu profitieren. Die Kombinati-       Es ist absehbar, dass das neue Stadion
on dieser Emotionen mit dem eher nüch-         mehr Besucher anzieht, die Auslastung
ternen Geschäftsbereich ergibt für Firmen      hängt aber wesentlich mit dem sportli-
eine interessante Plattform, um Partner        chen Erfolg zusammen. Von den höheren
oder potenzielle Kunden einzuladen und         Besucherzahlen profitiert in erster Linie
Geschäftsaktivitäten abzuwickeln. Aller-       der FCL, aber natürlich auch Zulieferer,
dings hängt die Attrak-
tivität dieser Business-
Drehscheibe unmittel-          «Man ist zusammen
                              erfolgreich, geht aber auch
bar mit dem sportlichen
Erfolg des FCL zusam-
men. Man ist zusam-
men erfolgreich, geht
aber auch zusammen
                                   zusammen unter.»
unter.

Was muss der FC Luzern unternehmen,            Sponsoren, die Wirtschaftsförderung und
um das Stadion ökonomisch nachhaltig zu        die öffentliche Hand. Aus volkswirtschaft-
betreiben?                                     licher Sicht wird es primär eine Konsum-
Bei Investitionen im Sportbereich gibt es      verlagerung geben, allenfalls auch aus
viele nicht beeinflussbare externe Fakto-      dem Kulturbereich oder anderen Sportar-
ren. Für den sportlichen Erfolg des FC Lu-     ten. Regionalökonomisch wird es aller-
zern gibt es keine Garantien. Eine Investi-    dings erst dann interessant, wenn das
tion in ein Stadion ist also immer mit hap-    Einzugsgebiet der Besucher erweitert wer-
pigen Risiken verbunden. Erschwerend           den kann. Ein Gewinn wäre es also, wenn
kommt hinzu, dass ein Fussballclub nicht       der FCL künftig auch Leute und Sponso-
nur aus einer rein unternehmerischen           ren aus anderen Kantonen ins Stadion lo-
Perspektive gesteuert wird, sondern auch       cken kann.
Leidenschaft mitspielt. Das heisst, Irratio-
nalitäten in der Unternehmensführung           Jürg Stettler,
können häufiger vorkommen als bei Be-          Vizedirektor Leistungsbereich Forschung und
trieben, die nach den klassischen ökono-       Leiter des Instituts für Tourismuswirtschaft ITW
                                               der Hochschule Luzern – Wirtschaft
mischen Grundsätzen agieren. Wichtig ist,
das Stadion und sein Potenzial realistisch
einzuschätzen und auf einen langfristigen
Erfolg zu setzen. Der FC Luzern tut gut da-
ran, in die eigene Nachwuchsarbeit zu in-
vestieren statt teure Stars zu kaufen, nur
um möglichst schnell in einem europäi-
schen Wettbewerb mitspielen zu können.
Nicht zu unterschätzen ist zudem die ge-
sellschaftliche Dimension. Will der FCL

                                                                      14
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 Massenphänomen Fussball

 Menschen mit unsicherem Status entwi-             Etliche Fans lieben die «Kuhstallwär-        be an sportlichen Erfolgen muss andere
 ckeln durch die Zugehörigkeit zur Masse        me der Gemeinschaft», die von der Aus-          Misserfolge wettmachen. Der Übergang zu
 ein Gefühl von Macht. Sie wachsen über         grenzung anderer lebt. Die distanzlose          chauvinistischen und nationalistischen
                                                                                                             Tendenzen ist fliessend. Die
                                                                                                             Verehrung irgendwelcher Hel-
«Etliche Fans lieben die                                                                                     den, ob schwarz oder weiss, hat
                                                                                                             viel mit der eigenen Person zu
 ‹Kuhstallwärme der Gemeinschaft›,                                                                           tun: Ich schätze an andern,
                                                                                                             was ich nicht habe und gerne

die von der Ausgrenzung anderer lebt.»                                                                       haben möchte; oder mich stört
                                                                                                             an andern, was ich an mir
                                                                                                             selbst nicht mag. Was individu-
                                                                                                             ell ein wenig hilft, ist die Frage:
 sich hinaus, lassen ihren Aggressionen         Bande unter Zugehörigen kontrastiert die        Was verliere ich, wenn ich nicht gewinne?
 freien Lauf, rivalisieren auch gerne mit       Ellbogenmentalität der kühlen Geschäfts-        Sie schafft Distanz zum Geschehen.
 den Ordnungskräften, die nicht selten in       welt, die im Wettkampf reproduziert wird.       Glücklich ist, wer ohne Siegen lächeln
 Vollmontur zu den Fussballspielen auf-         Es geht um Sieg und Niederlage. Wer sich        kann. Aber dieses Verständnis kommt
 marschieren. Ein wenig Radau gehört            selber schwach fühlt, identifiziert sich ger-   nicht von alleine. Wichtig ist eine Fankul-
 zum Spektakel. Gemässigtes Dampfablas-         ne mit Starken. Er kuscht nach oben und         tur, bei der Niederlagen keine Tragödien
 sen wird toleriert. «Gute Sprüche» gelten      gibt den Druck nach unten weiter. Schwa-        sind. Im Fussball sind Win-win-Strategien
 als Markenzeichen. Wenn ein «Du                che treten noch Schwächere. Das Fuss-           möglich. Gute Fanarbeit vermittelt diese
 schwarze Sau verrecke!» bis zu den teuers-     ballstadion dient als Ventil. Hier lassen       Haltung. Sie entfaltet sich nicht auf Kos-
 ten Tribüneplätzen dringt, schmunzeln          sich Ressentiments gegenüber scheinbar          ten von andern. Sie fördert die Auseinan-
 einzelne Geschäftsleute, andere verziehen      Andersartigen ausleben. Stars aus «exoti-       dersetzung mit Fragen, die über das Spiel-
 die Mundwinkel. Sie selbst titulieren die      schen» Kulturen bieten sich als Projekti-       feld und die Tribüne hinausreichen. Die
 «Versager» allenfalls als Tölpel, Stümper      onsfläche an. Sie werden idealisiert und        Fanarbeit ist aus meiner Sicht von hohem
 oder als Hanswurst. Wir kennen das.            verteufelt. Die beiden Extreme liegen na-       Wert, sozial und pädagogisch. Ich danke
 Wenn der FC Basel gegen den FC Zürich          he beisammen.                                   allen, die sich dafür engagieren, und freue
 spielt, ist – ritualisiert – ein wenig Krieg       Im Sport gibt es die Begeisterung aus       mich, wenn Fankulturen kreativ, lebendig
 im Spiel. Die Kommerzialisierung des           spielerischer Freude. Es gibt aber auch die     und stimmig sind.
 Sports fördert dessen Brutalisierung. Es       übermässige Identifikation. Sie soll den        Ueli Mäder,
 geht um Geld, Prestige und mehr.               Frust im Alltag kompensieren. Die Teilha-       Ordinarius für Soziologie an der Universität Basel

                                                                     15
STA DION A LLM EN D

               FCL-Marketing

               Mit dem neuen Stadion schreitet die Kom-         Von den «richtigen» Fans missgünstig
               merzialisierung sprunghaft voran – der       als «Cüplitrinker» abgestempelt, reissen
               Sport wird zum Event. «In der Swisspora-     sich die Clubs mit ihren neuen Arenen um
               rena wird Fussball zum Lifestyle», heisst    die zahlungskräftigen Gäste. Und das ist
               der prägnante Werbeslogan auf zahlrei-       aus wirtschaftlicher Sicht durchaus ver-
               chen Plakaten in der Innerschweiz. Ge-       ständlich. Ein Logen-Zuschauer lässt deut-
               lungene Werbung sieht anders aus. Den        lich mehr Geld im Stadion liegen als ein
                                                            Stehplatz-Fan: Letzterer mag zwar wäh-
                                                            rend des Spiels zwei, drei Bierchen trin-

Kommerz – die Fussballseuche                                ken, kommt mit seinem Konsum aber nie
                                                            und nimmer an das Drei-Gang-Menü des
                                                            VIP heran. Solche «Kunden» wollte der
                                                            FC Luzern eigentlich mit seinen Plakaten
                                                            erreichen – bevor er sich öffentlich demü-
               Fans stehen verständlicherweise die Haa-     tigen und von seinen Anhängern vorfüh-
               re zu Berge. Auf kreative Art und Weise      ren lassen musste.
               wird das Marketing des FCL parodiert. Im         Es ist das alte Lied vom Kommerz und
               FCL-Forum finden sich Dutzende «liebe-       seinen Auswüchsen. Als Fussballfan im
               voll-ironischer» Plakate.                    21. Jahrhundert muss man ihn wohl oder
                   Neue Stadien bieten die Möglichkeit,     übel hinnehmen. Verständlich also, dass
               ein Publikum anzulocken, das sich früher     viele Fans des FC St. Gallen dem Abstieg
               nicht in die altehrwürdigen Spielstätten     in die Challenge League auch etwas Positi-
               verirrte. Von VIP-Zuschauern ist die Rede.   ves abgewinnen können. In Biel, Chiasso
               Leute ohne Fussballvergangenheit. Es         oder Carouge herrscht schliesslich noch
               geht um Geschäftsbeziehungen, ums Es-        «heile» Welt. Alte Stadien, vielleicht auch
               sen, um Kultur – sprich um den Event als     schlechte Sicht, aber kein Stadion-TV, kei-
               solchen. Das Gekicke wird zuweilen als       ne «Kiss-Cam», keine penetranten OBI-
               nettes Nebenbei zur Kenntnis genommen.       Biberli wie in Bern. Keine YB-Fanbox für
                                                            Grüsse ans ganze Stadion. Und keine
                                                            mehrbesseren VIPs. «Weniger ist manch-
                                                            mal mehr», sagen sicherlich auch einige
                                                            Österreicher. Dort heisst die höchste Spiel-
                                                            klasse «tipp3-Bundesliga powered by T-
                                                            Mobile».
                                                                Ohnehin soll einmal gefragt sein: Was
                                                            ist eigentlich für ein Fussballspiel vonnö-
                                                            ten? Braucht es Begriffe à la Marketing,
                                                            Public Relations, Branding, Events, Wer-
                                                            bung oder Public Affairs? Oder doch eher
                                                            22 Spieler, ein Schiedsrichtertrio und ei-
                                                            nen Ball? Beim FC Luzern wäre man gut
                                                            beraten, sich diese Frage noch einmal gut
                                                            durch den Kopf gehen zu lassen.

                                                            Marco Latzer,
                                                            Online-Redaktor Fan-Page FC St.Gallen
                                                            (fcsginfo.ch)

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STA DION A LLM EN D

                   FCL-Hymne

                   Die neue FCL-Hymne «Mer send din             Der Hymnentext wurde auf Wunsch des
                   zwölfti Maa» stammt unter anderem von        FCL abgeschwächt.
                   dir, wie kam das?                            Dass der Verein die erste Textversion nicht
                   Diego Stocker ist Initiant der Fan-Doppel-   durchgehen lässt, war dem Textteam klar,
                   CD «So genannti Fuessballsongs» (siehe       weshalb es gleich Alternativen vorgelegt
                   Kasten). Es war für mich klar, dass der      hat, welche dann verwendet wurden. Für
                   Text für die Hymne aus der Kurve stam-       mich ist das kein Problem. Der Originalti-
                                                                                    tel «Hemmel ond Höll»
«Besch en Lozärner, denn hesch                                                      hat mir besser gefallen
                                                                                    als der jetzige. Auf der

  dis Härz am rächte Fläck / Fressisch au                                           Fan-CD ist der Song
                                                                                    im Original.

mol Gras ond dis Liibli strotzt vor Dräck.»                                      Welches ist die beste
                                                                                 Fussballhymne, die du
                                                                                 kennst?
                   men soll. Das Anliegen, die beiden Sub-      «Always Kick’n’Rush» von den Neutones.
                   kulturen Musik- und Fanszene zusam-
                   menzubringen, hat meiner Meinung nach        Deine Meinung zur Vorgänger-Hymne «Ei
                   super funktioniert.                          Stadt i de Schwiiz»?
                                                                Ein Hit, der im Stadion super funktioniert.
                   Was ist die Aufgabe einer Hymne?             Mein Song wird wohl lange im Schatten
                   Sie sollte nicht zu offensichtlich eine      dieses Tracks sein.
                   Hymne sein und ihr Ohrwurmpotenzial
                   langsam ausspielen, dafür lange im Ohr       Wieso sind eigentlich auffallend viele Kul-
                   bleiben. Mein Ziel beim Produzieren war,     turschaffende Fussballfans?
                   einen im Vergleich zu anderen Stadi-         Fussball und Musikmachen haben viele
                   onsongs eher schlichten Track zu machen.     Gemeinsamkeiten: Teamwork, Training,
                   Man muss ja nicht immer mit der grossen      Leaderfiguren, Mitläufer, Aufsteigen, Ta-
                   Kelle anrichten. Etwas Demut schadet nie,    gesform ...
                   weder in der Rockmusik noch beim Fuss-
                   ball.                                        Tobi Gmür,
                                                                Musiker / Produzent und FCL-Fan seit 7
                   Hattest du grossen Respekt vor dieser Auf-
                   gabe?                                         Die Fan-Doppel-CD «So genannti Fuess-
                   Oh ja, und wie! Die ersten Tage nach Er-      ballsongs» erscheint zur neuen Saison. Die
                   halt des Auftrags wollte mir gar nichts in    Texte stammen von Vertretern der Fanszene,
                   den Sinn kommen. Und ich habe schon           die Musik unter anderem von Count Gabba,
                   jetzt, vor dem ersten Match, schlaflose       Henrik Belden, Karin Steffen (My Baby the
                                                                 Bomb), Roman Schmidt (Channel 6), Mau-
                   Nächte! Ich muss auch damit rechnen,
                                                                 ro Guarise (Monotales) und das Artwork von
                   gnadenlos ausgepfiffen zu werden. Das         René «Kosmonaut» Sager. Erhältlich im Stadi-
                   nehme ich aber gerne in Kauf.                 on, via Internet sowie im Café Meyer.
                                                                 www.fussballsongs.ch

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SCH WA N EN PLATZ

Der Ort ohne Nullpunkt
Der Schwanenplatz: Schmelztiegel unzähliger Cars und Touristen. Wenn die
Läden schliessen, endet sein Nutzen. Protokoll einer 24-Stunden-Beobachtung.
    Von Patrick Hegglin (Text und Bilder)

                                                                                 zur Kapellbrücke. Keine Zeit zu verlieren. Auch der Car geht wie-
                                                                                 der und der Platz bleibt so leer wie in den Stunden zuvor. Nur
                                                                                 kurz allerdings. Keine zehn Minuten nach dem ersten trudelt der
                                                                                 zweite Car ein. Ein blauer, Schriftzug und Nummernschild outen
                                                                                 ihn als Holländer. Das Spiel ist ähnlich wie vorhin, nur dass es
                                                                                 diesmal kaum nötig ist, die Regenschirme aufzumachen; Ziel ist
                                                                                 der Bucherer. Und nur Sekunden später nimmt eine weitere
                                                                                 Gruppe vor dem Edelgeschäft Aufstellung. Es wird ein Kreis um
                                                                                 die augenscheinliche Gruppenleiterin gebildet. Diese erzählt für
                                                                                 eine Minute oder zwei in bestimmtem Tonfall ein paar Sachen,
                                                                                 bevor man sich ins Geschäft begibt.
                                                                                      Seit 9 Uhr kommen die Cars im 5-Minuten-Takt. Bei bisher
                                                                                 beobachteten Reisegruppen zwischen 15 und 50 Menschen wird
                                                                                 bis zum Mittag eine ganze Menge an Touristen zusammenge-
                                                                                 kommen sein. Und ich realisiere: Der Bucherer ist nicht nur ver-
DER PUNKT DER GERINGSTEN BEWEGUNG (5–8 UHR)                                      dammt teuer, sondern auch verdammt gross. Dieses Monster
Es ist früh. Es ist verdammt früh. 5 Uhr morgens und ich hocke                   scheint sich halb Asien einverleiben zu wollen.
auf einem Balkon über dem Schwanenplatz. Hie und da stampft                           9.18 Uhr: Zwei Cars kommen gleichzeitig an. Etwa achtzig Touristen
jemand vom Ausgang nach Hause, mit gesenktem Kopf oder in                        strömen in den Bucherer.
Gruppen, die viel zu laut reden. Der Autostrom sucht noch sei-                        Was treiben eigentlich die Einheimischen? Sie passieren den
nen Rhythmus, doch die Geräusche der unaufhörlich vorbei-                        Platz. Der Schwanenplatz ist für Luzerner ein Ort, an dem man
brummenden Kraftwagen machen sich für einen weiteren Tag                         vorbeigeht. Es wird einem ja auch kaum was geboten; eine Hand-
bereit. Es ist der Moment, in dem sich früh und spät begegnen. Es                voll bezahlbarer Geschäfte für den Normalbürger, eine Passage
ist der Beginn eines Samstags am Schwanenplatz.                                  in die Altstadt, eine Gelegenheit, den Bus zu wechseln – und
    5.10 Uhr: Der erste 1er-Bus kommt und geht. Ein Sturzbesoffener              heute ein Sonnenschirm und ein hübsches Mädchen mit einem
ruft nach einem Taxi, beschimpft diejenigen, die nicht halten, und steigt        roten Klemmbrett, platziert von den Grünen. Der Erfolg ist mä-
nach kurzem Kampf mit der Tür in eines ein. Gute Nacht.                          ssig. Das hübsche Mädchen mit dem roten Klemmbrett wirkt ein
    In den folgenden Stunden kommt langsam, sehr langsam, Le-                    wenig traurig.
ben auf am Schwanenplatz. Die Fussgänger häufen, das Busnetz                           Kurz nach 10 Uhr holt der blaue Bus aus Holland seine Reise-
spannt sich, ein paar Jogger sind zu beobachten. Den Punkt der                   gruppe wieder ab. Rund eineinhalb Stunden waren sie da, aus-
geringsten Bewegung – einen absoluten Nullpunkt scheint es                       schliesslich im Bucherer.
nicht zu geben – findet man zwischen halb 7 und 7. Es ereignet                        Es regnet nun richtig. Alles versteckt sich unter Dächern, Re-
sich wenig. Wer jetzt schon unterwegs ist, wirkt müde und ver-                   genschirmen oder Regenmänteln. Mit Ausnahme zweier kleiner
schlossen. Ich kämpfe gegen den Schlaf.                                          Kinder, die lachend in den sich bildenden Pfützen rumhüpfen.
                                                                                 Nicht lange allerdings, bevor sie mit sanfter Gewalt von ihrer
STARTET DIE MASCHINEN (8–12 UHR)                                                 Mutter weitergezogen werden.
Der erste Car trifft um 8.26 Uhr ein und entlässt seine Fracht                        10.45 Uhr: Das hübsche Mädchen von den Grünen macht sich – sei es
asiatischer Touristen. Unweigerlich denke ich an das Pressezelt in               fertig oder habe es aufgegeben – mit dem Fahrrad davon Richtung Alt-
«Fear and Loathing in Las Vegas»: «Hey, sie starten!» – «Oh                      stadt.
Scheisse, sie starten!»
    Und verlasse meinen Balkon, um mir das Spektakel aus der                     MITTAGSSTUND
Nähe anzusehen. Das Unterfangen lohnt sich kaum. Die An-                         Kurzer Abstecher, um etwas zu essen zu besorgen. Auch in der
kömmlinge klappen ihre bunten Regenschirme in allen Variatio-                    Altstadt wimmelt es von Fotoapparaten und Kameras. Beginne
nen aus, folgen dem Chefregenschirm und begeben sich speditiv                    mich zu fragen, auf wie viele Bilder und Videos ich mich heute

                                                                            18
SCH WA N EN PLATZ

schon aus Versehen gestohlen habe. Bin wohl auch bald «Big in                  DIE PARTY STEIGT WOANDERS (19.30–0 UHR)
Japan». Unterdessen lässt sich auch die einheimische Bevölke-                  Mit dem Ladenschluss verschwinden die Touristen. Es dauert
rung vermehrt blicken. Sie verweilt aber nicht. Einkaufstasche in              noch einige Zeit, bis jeder Car seine Fracht wieder hat, dann ist
der einen, Regenschirm in der anderen Hand, immer bemüht, so                   der Platz zum ersten Mal seit elf Stunden so richtig leer. Und das
schnell wie möglich ins Trockene zu kommen; so präsentiert                     bleibt er auch. Verkehrsknoten sind selten Partymeilen. In einer
man sich.                                                                      der Passagen gäbe es eine Sportbar, aber die Saison ist vorbei.
   Bisher beobachtete Utensilien von Gruppenführern: gelbe                     Nein, mit den Öffnungszeiten der Geschäfte endet auch der Nut-
Plastikblumen, Regenschirme, vorzugsweise gelb oder rot, Fähn-
chen, eine weisse Plastiktüte.

WANN SOLL ICH SONST EINKAUFEN GEHEN?
(13–19.30 UHR)
Der Übergang von Mittag zu Nachmittag verläuft fliessend. Cars
karren Touristen heran, und wer die Sehenswürdigkeiten schon
kennt, geht vorbei.
     14.52 Uhr: Ein Hupkonzert erschreckt diverse Touristen. Eine Hoch-
zeitsprozession fährt vorbei.
     Die Hochzeitsprozession kehrt noch einmal zurück und
macht kurz Halt. Die gerade anwesenden Touristengruppen
schiessen wild Fotos. Die Autos setzen sich wieder in Bewegung
und hinterlassen viel Gesprächsstoff.
     Eine neue Gruppe kommt an. Der Reise-Älteste filmt mit
kindlicher Freude den Bucherer und macht sich dann auf in
Richtung Kapellbrücke. Er ist einer von wenigen Touristen heu-
te, der nicht wie auf einem langweiligen Schulausflug drein-
schaut. Das einzige Kind in der Gruppe dagegen, ein feister Jun-
ge, hämmert mürrisch mit den Fäusten gegen die Telefonkabine,
bis er von seiner Mutter mit über die Schultern gelegtem Arm
liebevoll abgeführt wird. Wie um das Gegenstück dazu zu de-
monstrieren, stampft ein Prachtexemplar der Samstagnachmit-
tag-Stadteinkauf-Mutter (die stammen aus den Zonen zwischen
den Agglomerationen und werden von der Notwendigkeit des
Kleiderkaufens in die Stadt getrieben, oftmals leicht reizbar) vor-
bei und schnauzt den Sohnemann im Primarschulalter mit
«Jetzt isch aber fertig, gopfertammi!» an. Mutter und Sohn – in                zen des Platzes. Nicht jener der Bushaltestelle oder der Strasse.
dieser Reihenfolge – marschieren zum Bahnhof, eingekauft wur-                  Aber der des Platzes. Wer nach Hause will, fährt oder geht vorbei,
de den Taschen nach zu schliessen in C&A & H&M.                                wer in den Ausgang will, fährt oder geht vorbei, wer sich irgend-
     15.30 Uhr: Eine Gruppe junger Männer mit Brillen, nach hinten ge-         wo hinsetzen will, geht woanders hin.
schmierten Haaren, karierten Hemden und Hosenträgern kommt lär-
mend vorbei. Ist es eine Feier zu Ehren der beendeten Maturaprüfungen?         LASST UNS ALLE NACH HAUSE GEHEN (0–3.48 UHR)
Ist es eine Anti-Hipster-Demo?                                                 Ein bisschen etwas gibt es dann doch noch zu sehen. Den Beginn
     Wir nähern uns dem Abend – und dem Ladenschluss des                       dessen, was sich schon vor rund 20 Stunden abgespielt hat: Men-
grossen B. –, das Treiben wird wilder. Was auch mit dem Ende                   schen, die vom Ausgang nach Hause gehen. Manche wechseln
des Regens vor etwa zwei Stunden zu tun haben mag. Ein mit                     auch bloss das Lokal. Jedenfalls stampfen wieder Gruppen vorbei
drei Kameras behängter Japaner fotografiert seinen bloss mit ei-               und reden zu laut oder es huschen Gestalten mit gesenktem Kopf
ner Kamera behängten Kollegen, gleich daneben posiert ein Pär-                 durchs Dunkel. Das Verhältnis von nüchtern zu betrunken gestal-
chen und ein pakistanisch anmutender Mann filmt alle zusam-                    tet sich ausgeglichen. Ich bin wieder da, wo ich vor beinahe 24
men. Es stehen fünf Cars auf dem Platz. Einer fährt weg, sofort                Stunden war. Nahe dem Punkt der geringsten Bewegung.
wird sein Platz eingenommen. Auf der Strasse geht es ziemlich                      3.48 Uhr: Mein letzter Nachtbus fährt. Ich kann nicht widerstehen.
chaotisch zu.
     19.30 Uhr: Der Bucherer schliesst.                                          Herzlichen Dank an das Architekturbüro Bauconsilium AG für den Balkon

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R A DIO 3FACH

«Ich las Musikheftli und kaufte CDs»
Sein Musikprogramm machte das lokale Jugendradio 3fach national bekannt.
Nun erhält es einen neuen Musikredaktor: Kilian Mutter folgt auf Stefan Zihlmann.
Zeit für ein Gespräch und einen Blindtest.
    Von Jonas Wydler, Bilder Franca Pedrazzetti

Kilian, wie hat Stefan den Job als Musik-
redaktor erledigt? Mutter: Ich wurde erst
durch seine Musik zum 3fach-Fan. Als ich
frisch beim Radio begann, ging ich sofort
zu ihm und sagte: «Hör hier mal rein!» Es
begann schnell ein Austausch, und bei
Diskussionen über die musikalische Aus-
richtung stand ich oft hinter ihm.

Das Musikprogramm wird im Team dis-
kutiert? Mutter: Es kommen Fragen auf:
Etwa, wieso nicht härtere Songs im Tages-
programm laufen. Wieso es diese höreran-
gepasste Melange aus Indie, Hiphop und
Reggae ist. Zihlmann: Die meisten, die
hier arbeiten, sind musikbegeistert, so ha-
ben wir 30 Leute, die uns Feedbacks ge-
ben. Wir haben ja keine demoskopischen
Studien, und Charts sind für uns ebenfalls
nicht relevant, also müssen wir mit Leu-
ten sprechen. Es ist nicht immer einfach
mit so vielen Geschmäckern, deshalb wird
mindestens einmal im Jahr die Ausrich-         Musikredaktoren am
                                                         Arbeitsplatz:
tung grundsätzlich diskutiert. Im Sommer             stehend: Kilian
gehen wir wieder über die Bücher.             Mutter, sitzend: Stefan
                                                           Zihlmann

Ich behaupte, Musikredaktor ist der wich-
tigste Job, 3fach wird hauptsächlich we-
gen der Musik gehört. Mutter: Die Musik
hat einen sehr hohen Stellenwert, wir ha-
ben ein Nonstop-Musikprogramm, das 80
bis 90 Prozent ausmacht. Zihlmann: Es         Fucked up oder Fleet Foxes spielt man ein-     mehr hören wollen. Zihlmann: Der
ist das, was man direkt mitbekommt, die       fach. Vielleicht setzt jemand mehr auf         3fach-Hörer will nicht den Plastikpop,
Oberfläche. Doch dahinter passiert so viel,   Black Music, aber das sind letztlich 10 Pro-   das ist das Hauptkriterium. Und die Afici-
etwa das Marketing und das Administrati-      zent, die ändern. Es wird also unter Killi-    onados organisieren sich eh selber – für
ve, wir kämpfen immer um Geld. Die            an nicht nur noch Brooklynsound laufen.        jene ist 3fach schon zu wenig zielgerich-
Identifikation läuft jedoch über Musik,                                                      tet. Ich war früher auch nicht der klassi-
aber es kommt gar nicht so auf die Person     Habt ihr viele Hörerreaktionen? Mutter:        sche Radiohörer und wurde nicht mit
an, der Geschmack spiegelt sich nur in        Wenig, aber wenn man direkt fragt, sind        «Sounds!» sozialisiert. Ich las Musikheft-
Nuancen. Sachen wie TV on the Radio,          sie zufrieden. Ausser dass sie ihren Stil      li und kaufte CDs.

                                                                         20
R A DIO 3FACH

                                                «Keinen Plastikpop»:
                                              Noch-Musikchef Stefan
                                                         Zihlmann.

Könntet ihr euch vorstellen, Musikredak-
tor bei Radio Pilatus zu werden? Zihl-
mann: Seit Marco Liembd (ehemaliger
3fach-Musikredaktor, Red.) das macht,
fragte ich mich, ob ich das könnte. Vom
Handwerk her sicher, aber die Musik ...
(überlegt) Ich habe keinen Bezug zu
Charts und kommerzieller Popmusik, die-
ses Affentheater geht an mir vorbei. Das
wär, als würde ich als Vegetarier in einer
Metzgerei arbeiten.

Wird man als 3fach-Musikredaktor zwangs-     Kennt ihr den Vorwurf: Ihr spielt nie, was            mehr? Mutter: Wenn eine Band vom ei-
läufig als Nerd bezeichnet?                  der Masse gefällt? Mutter: Das ist ja das             nen zum anderen Album viel grösser
Zihlmann: Es ist interessant, auf die bis-   Ziel. Zihlmann: Wir sind ein Unikom-Ra-               wird, wie Kings of Leon in den letzten
herigen Musikredaktoren zurückzu-            dio und erhalten Geld aus dem Gebühren-               Jahren, braucht sie diese Plattform nicht
schauen. Marco Liembd war eher extro-        topf. Unser Auftrag ist, uns von den privaten         mehr. Zihlmann: Ich finde es nicht arro-
vertiert, der Macher. Remo Helfenstein       und den öffentlich-rechtlichen Radios abzu-           gant, wenn man eine Band gehen lässt.
war gewissermassen der Dorfhirsch. Mar-      grenzen. DRS 3 bietet auch nicht mehr die             Die ersten beiden Alben von Kings of Leon
cel Bieri kam aus dem Singer/Songwriter-     Alternative, wie das anfangs die Idee war.            liefen hier rauf und runter, jetzt füllen sie
tum. Es waren alle verschieden, ich war                                                            das Hallenstadion und es läuft im H&M,
dann der erste mit Hornbrille. Man muss      Angenommen, ihr findet eine Band toll                 das kleine 3fach muss das nicht auch noch
sicher kein Nerd sein, aber eine gewisse     und passend fürs 3fach, gleichzeitig ist sie          spielen. Oder als Luzerner Beispiel Henrik
Vertiefung braucht es.                       in den Charts. Spielt ihr sie dann nicht              Belden. Das zweite Album spielen wir
                                                                                                   nicht mehr oft, aber das war nicht mehr
                                                                                                   nötig, da er im DRS 3 und auf Pilatus läuft.
                                                                                                   Er hats geschafft.

                                                                                                   3fach spielt auch viele lokale Bands. Was,
                                                                                                   wenn ihr findet, dass eine Band nicht ge-
                                                                                                   nügt. Darf man sie dann ablehnen? Mut-
                                                                                                   ter: Wir schauen auch da auf die Qualität
                                                                                                   und überlegen, was passt. Nur weil es aus
                                                                                                   Luzern kommt, heisst es nicht, dass wirs
                                                                                                   spielen. Zihlmann: Als ich hier begann,
                                                                            Ziel ist nicht der
                                                                                                   hatte ich damit Mühe, ich war zu wähle-
                                                                            Massengeschmack:       risch. Eine Luzerner Band kann nun mal
                                                                            Neo-Musikchef Kilian
                                                                            Mutter.                nicht gleich tönen wie eine internationale.
                                                                                                   Ich musste da hineinwachsen. Man soll
                                                                                                   alles gut anhören, ernst nehmen, so viel
                                                                                                   spielen wie möglich, denn wir haben viel
                                                                                                   gute Luzerner Musik. Am Anfang wurde

                                                                       21
R A DIO 3FACH

bei 3fach die Luzerner Musik eher durch-            Generationenfrage ... Bands wie Highfish           und konzentriert sich nie lange auf dassel-
gewinkt.                                            oder Neviss sind nicht mehr präsent. Und           be Album. Ich musste die Rolle erst ler-
                                                    Marygold machen jetzt Tanztheater                  nen, für Kilian ist das völlig normal.
Luzern hat eine rege Szene, die viel Gutes          (lacht). Im «Magazin» des «Tages-Anzei-
abwirft, einverstanden? Zihlmann: Ja,               gers» war vor einigen Wochen ein Artikel           Schlussfrage: Welche Luzerner Band ge-
da wächst etwas. Einerseits mit dem Hi-             über Bands aus Basel, Bern und Zürich.             fällt euch momentan am besten? Beide:
phop-Grüppchen um GeilerAsDu, ande-                 Vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewe-            Dans La Visage. Mutter: Hier ist dieses
rerseits in der DJ-Szene im Clubbereich.            sen, dass da Luzern fehlt. Andererseits            Low-Fi-Ding mit elektronischen Einflüs-
Und interessant ist, dass um Field Studies,         wird in ein paar Jahren Luzern wieder              sen etwas vom Interessantesten. Im poppi-
Dans La Tente, Dans La Visage Projekte              präsent sein.                                      geren Bereich bin ich immer noch grosser
entstanden, die offener zusammenarbei-                                                                 Fan von Alvin Zealot, in ihnen sehe ich
ten. Eine Entwicklung, wie sie in der heu-          Was macht man nach dem Job als 3fach-              das grösste Potenzial.
tigen Popmusik normal ist. Du hast Gerät-           Musikredaktor? Zihlmann: Das ist defi-
schaften, Software und kannst selber et-            nitiv schwierig, die Deutschschweizer Ra-
was aufnehmen. Nicht wie vor zehn                   diolandschaft ist sehr klein und die Uni-
Jahren, als man immer eine Woche Stu-               kom-Radios sind regional verankert. Beim
                                                                                                         Kilian Mutter (21), seit eineinhalb Jahren bei
dio mieten und finanzieren musste.                  öffentlich-rechtlichen Radio gibt es nur
                                                                                                         3fach, machte bisher das Indie-Special «Indi-
                                                    «Sounds!». Ueli, der zweite Musikredak-
                                                                                                         aner» und ist Redaktor und Moderator in der
Ist der Brand «Rock City» vorbei? Zihl-             tor bei 3fach, ging nach Deutschland zu              Vorabendsendung «Stooszyt». Daneben mit
mann: Ja, und ich denke, das ist gut so.            Motor.fm. Liembd zu DRS 3, er war zur                seinem Musikblog www.guerolitomusic.com
Mutter: Das war der Garagen- und Punk-              richtigen Zeit am richtigen Ort.                     und als DJ (Guerolito Soundsystem) aktiv –
rock, der Luzern prägte. Jetzt werden aus                                                                neu auch am British in der Schüür.
verschiedenen Sparten wie Elektronik                Wirst du wieder einen anderen Zugang
und Rock Elemente verknüpft. Weiter                 zur Musik finden? Zihlmann: Ich hoffe.               Stefan Zihlmann (30) verlässt altershalber
                                                                                                         nach dreieinhalb Jahren das Radio 3fach. Er
gibts im Sedel Projekte, die extremes Po-           Die Tiefe, die Liebhaberei blieb schon auf
                                                                                                         geht zunächst reisen.
tenzial haben. Zihlmann: Es war eine                der Strecke. Man ist Jäger und Sammler

BLINDTEST

1. Easy Tiger: «Electric Weirdos»                   4. Silhouette Tales: «Fade away»                   7. Coal: «Trust is a Choice» (Sofort erkannt)
(Nicht erkannt)                                     (Sofort erkannt)                                   Stefan: Wir haben die Single gespielt. Kilian:
Kilian: Flink? ... nein. (Pause) Stefan: Alice in   Stefan: Ich hab die CD durchgehört, ich finds      Er bleibt sich treu, das ist schön.
Chains? (lacht)                                     schwermütig. Manchmal sogar schwerfällig.          8. Schnellertollermeier: «Love in the Time of
Easy Tiger. Stefan: Die Nachfolgeband von Me-       5. Field Studies: «Field Studies about Future      Cholera» (Sofort erkannt)
latonin. Mir gefiel ihre EP, dieser Song ist mir    Generations» (Sofort erkannt)                      Stefan: Wir haben die CD nie erhalten, was
zu grungig. Kilian: Die Idee der Split-LP hätte     Stefan: Gehört zu den interessanten Bands ...      ich schade finde. Ich renne den Luzerner Sa-
ich hier nicht erwartet.                            Kilian: Nur schon wegen der Vermarktungs-          chen nicht hinterher. Wir haben genügend Ge-
2. Tunica Dartos: «Tischfussball»                   idee (via Zahnbürste, Red.)                        fässe, um das redaktionell zu bearbeiten. Oder
(Sofort erkannt)                                    6. Huck Finn: «Never Disappear»                    fürs Nachtprogramm, aber nicht in der Heavy
Kilian: Wir spielten sie im Indianer. Stefan:       (Sofort erkannt)                                   Rotation.
Ich schätze sie als Live-Band sehr, das sind su-    (Beide seufzen.) Kilian: Ein bis zwei Songs ge-    9. Flink: «Watching the Sun»(Sofort erkannt)
per Musiker. Jetzt höre ich nicht mehr so viel      fallen mir, es war ja Burner der Woche. Der        Kilian: Das Album gefällt mir sehr gut, war
Post-Rock, das ist Liebhaber-Genre-Musik.           Rest ist eher belanglos. Stefan: Entspricht mir    auch Burner. Sehr eingängige Songs.
3. Sway 89: «Keep on Rocking» (Nicht erkannt)       nicht so, aber es ist sicher ein gutes Album.      Stefan: Muss ich auch etwas sagen? Nein?
Stefan: Reto Burrell? Keine Ahnung. Kilian:         Diese Synthie-Sachen find ich schräg, ein we-      Gut.
Auch nicht Baby Genius. Stefan: Pee Wirz?           nig Kilbi-Techno. Kilian: Es wirkt gesucht,        10. Spooman: «Für alli.» (Erkannt)
Nein, das ist zu hart, er macht ja Country. Ich     das hätte es gar nicht gebraucht. Jede heutige     Stefan: Steven Egal? Nein, der Bündner ...
finds übel. Ist das älter? Kilian: Das typische     Band hat Synthies ... aber ein gut produziertes    Kilian: Wie heisst er? Spooman!
Rock-City-Dings.                                    Album. Stefan: Ihr hattet im Kulturmagazin         Stefan: Er machte ja ein Album als Dynamic
Sway 89. Stefan: Aaah, ok. Das haben wir nie        geschrieben: zeitgeistig ... das liest man über-   Duo. Das spielte ich nicht, weil er mit 35 im-
gespielt, sie waren mal im Gaffa. Das ist nicht     all. Aber das ist Britpop zwischen 2000 und        mer noch Hiphop machte wie 1995. Musika-
3fach-Musik, sie spielten im Stadtkeller, das       2005. Es ist nicht schlecht, aber nicht unbe-      lisch ist das nicht mehr so relevant.
passt besser.                                       dingt auf der Höhe der Zeit.

                                                                           22
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