Das TAB im Jahr 2020 - Karlsruher Institut für Technologie
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Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) Neue Schönhauser Straße 10 10178 Berlin 2021 Umschlagbild »Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte – Ein Kunst- und Denkmalführer«, Michael Imhof Verlag, Petersberg, mit freundlicher Genehmigung von Herrn Michael Imhof S. 2, 3, 4, 5, 6, 9, 10, 24: TAB S. 6: PeopleImages/iStock S. 7: ipopba/AdobeStock; Bits and Splits/AdobeStock S. 8: elgol/iStock; Kalyakan/AdobeStock S. 11: Vadym Malyshevskyi/123RF S. 12: Andrii Yalanskyi/123RF S. 13: Porter/Heppelmann 2014, S. 12 f., nach BMEL 2016, S. 9 S. 14: elenabsl/123RF S. 15: serezniy/123RF; Richard Martin Lee/123RF S. 16: Weerapat Kiatdumrong/123RF S. 17: Pop Nukoonrat/123RF S. 18: Aleksandr Belugin/123RF S. 19: cjmacer/Shutterstock.com S. 20: jvdwolf/123RF S. 21: Maikhail Grachikov/123RF S. 22: Chansom Pantip/123RF S. 23: FredFroese/iStock S. 25: Gruppenbild TAB-Konsortium und Berichterstattergruppe TA DBT/Haar S. 26: IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gemeinnützige GmbH; VDI/VDE Innovation + Technik GmbH ISSN-Internet 2364-2602
Inhalt Editorial 2 Das Arbeitsprogramm 2020 3 Horizon-Scanning als Instrument zur Technologievorausschau und Themenfindung 6 Diskursanalyse und Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren 9 Abgeschlossene Projekte Petitionen an den Deutschen Bundestag – Bekanntheit und Nutzung 11 Digitalisierung der Landwirtschaft 12 Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF) 14 Laufende Projekte Herausforderungen für die Pflanzenzüchtung 15 Inhalt Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur 16 Innovative Technologien, Prozesse und Produkte in der Bauwirtschaft 17 Welt ohne Bargeld – Veränderungen der klassischen Banken- und Bezahlsysteme 18 Chancen der digitalen Verwaltung 19 Chancen und Risiken der Digitalisierung kritischer kommunaler Infrastrukturen an den Beispielen der Wasser- und Abfallwirtschaft 20 Neue Projekte Energiespareffekte im Gebäudesektor 21 Gene Drives – Technologien zur Verbreitung genetischer Veränderungen in Populationen 22 Urbaner Holzbau 23 Publikationen im Berichtszeitraum 24 Das TAB, sein Auftraggeber und seine Partnerinstitutionen 25 1
Editorial Die Dynamik, die Reichweite und die fatalen Konsequen führt und weiter etabliert hätten und nun realistischerweise zen der Coronaviruspandemie haben das gesellschaftliche erst im neuen Bundestag im Jahr 2022 wiederaufleben las- und politische Leben im Berichtsjahr 2020 in einem Maße sen können. Im Jahr 2020 hätte auch das 30-jährige Beste- geprägt, das in vielerlei Hinsicht nicht vorhersehbar war. hen des TAB begangen werden können. Anders als bei den Naturgemäß waren auch alle Mit- Jubiläen nach 20 und 25 Jahren kam eine (Präsenz-)Veran- arbeiter/innen des TAB durch die staltung nicht infrage. Stattdessen wurde zum Jahresende Herausforderungen von Home- eine besonders umfangreiche Ausgabe des TAB-Briefs mit office sowie Homeschooling und dem Schwerpunktthema »30 Jahre TAB – 30 Jahre Beiträge sonstiger Kinderbetreuung, Sor- zu einer vorausschauenden und vorsorgenden Politikge- gen um ältere Angehörige sowie staltung« vorgelegt. Darin wurden wichtige Diskussionsli- psychischen Stress durch Kon- nien sowie die zugehörigen Ergebnisse und Einschätzungen taktsperren und die vielfältigen aus unseren Projekten nachgezeichnet und reflektiert, um Lockdownmaßnahmen belastet. zu fragen, wie umsichtig und vorausschauend die Analysen Prof. Dr. Armin Grunwald Weil aber kurzfristige oder so- waren und was daraus für die Zukunft gelernt werden kann. Leiter des TAB gar tagesaktuelle Themenstel- lungen in den Auftragsmodali- Der folgende Überblick über das Arbeitsprogramm 2020 täten des TAB nicht vorgesehen des TAB und die Aufgabenbereiche Technologievoraus- sind, hat das Coronageschehen schau sowie Diskursanalyse und Dialog ebenso wie die unsere Arbeit insgesamt nicht so Projektsteckbriefe dokumentieren unser breites Aktivi- stark verändert wie die von ande- tätsspektrum. Was in dieser Ausgabe fehlt, ist ein Blick auf ren Institutionen. So war auch die Aktivitäten des TAB im Netzwerk europäischer parla- das Jahr 2020 geprägt von der mentarischer TA-Einrichtungen, weil die für Herbst 2020 Durchführung und Bearbeitung in Großbritannien geplante EPTA-Konferenz zum Thema der vom Bundestag beauftrag- »Technikfolgenabschätzung in Krisenzeiten« letztlich Dr. Christoph Revermann ten und längerfristig laufenden doch komplett abgesagt werden musste. stv. Leiter Projekte sowie der kontinuier- lichen proaktiven Beobachtung Wie immer bedanken wir uns stellvertretend für alle Mit- gesellschaftlich relevanter wissen- arbeiter/innen des TAB-Konsortiums bei den Mitglie- schaftlich-technischer Entwick- dern der Berichterstattergruppe für TA – Stephan Albani lungen mittels der Horizon-Scan- (CDU/CSU), René Röspel (SPD), Dr. Michael Espendiller ning-Aktivitäten. (AfD), Prof. Dr. Andrew Ullmann (FDP), Ralph Lenkert (DIE LINKE), Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE Deutlich begrenzt waren die Mög- GRÜNEN), unter umsichtiger Leitung des Ausschussvor- lichkeiten von Präsenzveranstal- sitzenden Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) – für ihr Inte- tungen, wodurch unsere Bemü- resse und ihre Unterstützung. Außerdem geht unser Dank Dr. Arnold Sauter hungen um eine weitere Stärkung an alle mit der Arbeit des TAB befassten Mitarbeiter/innen stv. Leiter der Diskurs- und Dialogaktivi- der Fraktionen, der Abgeordneten und der Bundestagsver- täten durch Vorort- und Hands-on-Formate leider ausge- waltung, insbesondere im Sekretariat des Forschungsaus- bremst wurden. Dies betraf insbesondere die 2019 erstmalig schusses den für die TA zuständigen Mitarbeitern Jacob durchgeführte Veranstaltung »TAB im Foyer – Zukunfts- Prehn und Kai Steffen sowie dessen Leiter Andreas Meyer. technologien im Blick«, die wir angesichts der positiven Resonanz äußerst gerne im Jahr 2020 als Reihe fortge- Armin Grunwald, Christoph Revermann, Arnold Sauter 2
Das Arbeitsprogramm 2020 Den Auftakt des Jahres 2020 bildeten die Vorstellung und jekt »Welt ohne Bargeld – Veränderungen der klassischen intensive Diskussion des TAB-Arbeitsberichts Nr. 183 Banken- und Bezahlsysteme« in Teilpräsenz durchge- »Arzneimittelrückstände in Trinkwasser und Gewässern« führt, allerdings mit sehr begrenzter Teilnehmendenzahl in einer Sitzung des Umweltausschusses am 15. Januar, vor Ort im Ausschusssitzungssaal. Einige der Fachleute den Abschluss die Veröffentlichung des TAB-Briefs waren daher per Video zugeschaltet, die Öffentlichkeit Nr. 51 sowie der Einstieg in die neue Themenfindungs- konnte den Diskussionen live im Parlamentsfernsehen runde. Dazwischen gab es eine Vielzahl von Aktivitäten, folgen. darunter auch drei größere Präsenzveranstaltungen. In einem ähnlichen Zuschnitt, erweitert um ein Onlinebe- Gerade noch vor dem weitgehenden Shutdown des öffentli- teiligungstool, fand schließlich im November ein Fachge- chen Lebens konnte Armin Grunwald gemeinsam mit den spräch mit Expert/innen sowie Bundestagsabgeordneten Das Arbeitsprogramm 2020 Kolleginnen der Konsortialpartner VDI/VDE-IT und IZT, zu den Ergebnissen des TAB-Arbeitsberichts Nr. 187 Sonja Kind und Michaela Evers-Wölk, am 4. März im voll- »Autonome Waffensysteme« (AWS) statt (Kasten). besetzten Auschusssitzungssaal auf Anregung der Bericht- erstattergruppe TA einen Zwischenbericht über die Arbeit des TAB in der laufenden 19. Wahlperiode geben. Projektabschlüsse und Berichtsvorlagen Nachdem ab Mai die zwischenzeitlich ausgesetzten Mit der Vorlage der Berichtsentwürfe an die Berichter- Berichterstattertreffen wieder stattfinden konnten, wurde stattergruppe TA seitens des TAB vorerst abgeschlossen am 18. Juni auch ein öffentliches Fachgespräch im Pro- wurden die folgenden Projekte: Öffentliches Fachgespräch »Autonome Waffensysteme« im Bundestag Anlässlich des großen Interesses an der TAB-Studie sowohl innerhalb des Bundestages als auch in der (Fach-)Öffent- lichkeit wurde am 4. November 2020 im Bundestag ein öffentliches Fachgespräch mit Expert/innen sowie Bundes- tagsabgeordneten durchgeführt. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung (ABFTA), Dr. Ernst Dieter Rossmann, und einer kurzen inhaltlichen Einfüh- rung durch den Projektleiter des TAB, Dr. Reinhard Grünwald, präsentierten und diskutierten Prof. Dr.-Ing. Frank Flemisch (Fraunhofer FKIE), Dr. Jürgen Altmann (TU Dortmund), Johanna Polle und Dr. Christian Alwardt (IFSH), Dr. Bernhard Koch (ITHF), Anja Dahlmann (SWP) sowie Dr. Frank Sauer (UniBw M) eine breite Palette von The- men: Technologische Aspekte zu existierenden und in der Entwicklung befindlichen Waffensystemen, die mögliche Transformation der Kriegsführung durch neue technologische Möglichkeiten, ethische Fragen rund um die Anwen- dung potenziell tödlicher Gewalt durch AWS und nicht zuletzt der Stand der internationalen Debatte um völkerrecht- liche Regulierung bzw. Rüstungskontrolle von AWS. Ein öffentliches Fachgespräch unter Pandemiebedingungen stellt eine organisatorische Herausforderung dar. So war die Mehrzahl der Abgeordneten bzw. Expert/innen online zugeschaltet. Die Öffentlichkeit wurde über eine Live übertragung im Parlamentsfernsehen hergestellt. Zeitgleich bestand über die Plattform »adhocracy+« die Möglich- keit, Fragen an die Sachverständigen und Abgeordneten zu richten. Die öffentlichen Reaktionen und die Medienreso- nanz bestätigten das TAB in der Einschätzung, dass dieses Format durchaus spannende und lebendige Diskussionen ermöglicht. Die Veranstaltung wurde dokumentiert und steht in der Mediathek des Deutschen Bundestages zur Verfügung. 3
›› Mögliche Diskriminierung durch algorithmische Ent- Gestartet wurde darüber hinaus die Kurzstudie »Urbaner scheidungssysteme und maschinelles Lernen Holzbau«, die auf Basis von vorangegangenen Themen- ›› Petitionen an den Deutschen Bundestag – Bekanntheit kurzprofilen aus dem Horizon-Scanning von der Bericht- und Nutzung erstattergruppe TA ausgewählt und vom Forschungs- ›› Digitalisierung der Landwirtschaft ausschuss in Auftrag gegeben worden war. Wie geplant, ›› Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschie- erscheinen die Ergebnisse der Kurzstudien seit 2020 in dener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder einer neu gestalteten Publikationsreihe mit eigener Zäh- (HF-EMF) lung (Abb. 1). Näheres zu den Themenkurzprofilen des Jahres 2020 findet sich im folgenden Beitrag zum Hori- Neben den beiden erstgenannten Analysen, deren Ergeb- zon-Scaninng (S. 6 ff.). nisse in Form von Hintergrundpapieren veröffentlicht wurden, konnten die Projekte zu drei Themenstellungen mit der parlamentarischen Abnahme und Publikation der Abb. 1 Die neu gestaltete Publikationsreihe »TAB-Kurzstudien« Endberichte endgültig abgeschlossen werden: ›› Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen sowie Handlungsansätze ›› Autonome Waffensysteme ›› BÜRO FÜR TECHNIKFOLGEN-ABSCHÄTZUNG New Space – neue Dynamik in der Raumfahrt BEIM DEUTSCHEN BUNDESTAG New Space – Weiterführung und Start neuer Projekte neue Dynamik in der Raumfahrt Im Projekt »Chancen und Risiken der Digitalisierung kri- tischer kommunaler Infrastrukturen an den Beispielen der Wasser- und Abfallwirtschaft« wurde 2020 durch die Vergabe weiterer Gutachten die zweite Projektphase ein- geleitet. Auch das Projekt »Chancen der digitalen Verwal- tung« ging in die Vertiefungsphase. Weit vorangetrieben wurden die folgenden Projekte, deren Abschlussberichte Anfang 2021 vorgelegt wurden: ›› Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur Sonja Kind Tobias Jetzke ›› Lukas Nögel Herausforderungen für die Pflanzenzüchtung Marc Bovenschulte Jan-Peter Ferdinand ›› Innovative Technologien, Prozesse und Produkte in der Bauwirtschaft ›› Welt ohne Bargeld – Veränderungen der klassischen Oktober 2020 | TAB-Kurzstudie Nr. 1 Banken- und Bezahlsysteme Neu begonnen wurden im Lauf des Jahres 2020 drei wei- tere Projekte aus der ersten Themenfindungsrunde 2019: Zweite Themenfindungsrunde im 19. Deutschen Bundestag – ›› Energiespareffekte im Gebäudesektor Ausblick auf das Arbeitsprogramm ›› Gene Drives – Technologien zur Verbreitung gene- 2021/2022 tischer Veränderungen in Populationen ›› Kernreaktorkonzepte der IV. Generation Die zweite große Themenfindungsrunde im 19. Deut- schen Bundestag wurde im Sommer 2020 gestartet. Auf Allerdings wurde das Projekt »Kernreaktorkonzepte der die Anfrage des Vorsitzenden des ABFTA, Dr. Ernst IV. Generation« nicht weitergeführt, weil in der Bericht- Dieter Rossmann, bei den Fraktionen und Ausschüssen erstattergruppe über die Gutachtenvergabe kein Konsens gingen bis zum Herbst 2020 knapp 30 Untersuchungs- erzielt werden konnte. anträge ein. 4
Wie üblich wurden alle Themenvorschläge vom TAB bon Capture and Storage als Klimatechnologie sowie dahingehend kommentiert, ob und wie eine mögliche die Digitalisierung der politischen Öffentlichkeit), als Bearbeitung erfolgen könnte. Auf dieser Grundlage auch die Erweiterungen der Beratungsleistung in den stimmten sich dann die Abgeordneten der Berichterstat- Aktivitätsbereichen Diskurs und Dialog sowie Voraus- tergruppe TA mit ihren Fraktionen und untereinander ab, schau bzw. Horizon-Scanning reflektiert. Explizit in die um sich auf ein Arbeitsprogramm von insgesamt 7 Pro- (nähere!) Zukunft gerichtet ist darüber hinaus ein Blick jekten für das TAB für 2021/2022 zu einigen. auf derzeit in Entwicklung befindliche KI-basierte Tech- nologien zur Erfassung von wissenschaftlicher Evidenz Die neuen Projekte sind zwar erst im März und Mai 2021 und gesellschaftlichen Meinungen, die für die wissen- vom ABFTA beschlossen worden, ihre Titel sollen aber schaftliche Politikberatung und damit für das TAB selbst hier bereits dokumentiert werden. Sie lauten: zukünftig eine ernsthafte Rolle spielen könnten. Allen, die an TA im Allgemeinen und an den Arbeiten des TAB ›› Strategien und Instrumente zur Verbesserung des im Speziellen interessiert sind, aber für die Lektüre noch Rezyklateinsatzes keine Zeit gefunden haben, sei der TAB-Brief Nr. 51 an ›› Bakteriophagen in Medizin, Land- und Lebensmittel- dieser Stelle ans Herz gelegt. wirtschaft – Anwendungsperspektiven, Innovations- und Regulierungsfragen ›› Chancen und Risiken von Wasserstoffpartnerschaften Abb. 2 Der TAB-Brief zum 30-jährigen Jubiläum und -technologien in Entwicklungsländern ›› Naturgemäßer Waldumbau in Zeiten des Klimawan- Das Arbeitsprogramm 2020 dels ›› Anwendungspotenziale und Herausforderungen von künstlicher Intelligenz in der Bildung ›› E-Voting – alternative Wahlformen und ihre Absiche- BRIEF NR. 51 rung ›› Krisenradar – Resilienz von Gesellschaft, Politik und Editorial 3 › Wirtschaft durch Krisenvorhersage stärken Schwerpunkt: Einführung in den Schwerpunkt 7 30 Jahre TAB – › Den Menschen »weiser und geschickter« machen? 30 Jahre Beiträge zu einer Human Enhancement als Dauerthema der TA 9 vorausschauenden und vor- sorgenden Politikgestaltung › CCS: über enttäuschte Hoffnungen, ungedeckte Schecks und dringende Notwendigkeiten 14 Wie erwartet, hat sich somit im neuen Arbeitsprogramm › Technologischer Wandel in einem Kernbereich demokratischer Politik: zur Digitalisierung der politischen Öffentlichkeit 21 2021/2022 die Auseinandersetzung mit der Frage, was aus › Sichtweisen und Wertvorstellungen zu wissenschaft- lich-technischen Entwicklungen – Diskurs und Dialog der Coronakrise gelernt werden kann, in einem großen › in der Arbeit des TAB Horizon-Scanning oder wie eine Foresightmethode 27 Projekt niedergeschlagen. zur Technikfolgenabschätzung kam 30 › Zukünftige Technologien zur Untersuchung technologischer Zukünfte 33 Projekte › Wenn der Algorithmus weiße Männer bevorzugt 40 › Petitionen an den Deutschen Bundestag – Bekanntheit und Nutzung 42 › Ein Blick zurück – und andere Anstöße Beobachtungstechnologien im zivilen Sicherheitsbe- reich – Praktiken, Wirkungen und Gestaltungsoptionen 45 › Gentherapien mit Genome Editing – für die Zukunft anlässlich von 30 Jahren › neue Möglichkeiten, neue Herausforderungen Zum Nutzen partizipativer Verfahren für 50 TAB beim Deutschen Bundestag die parlamentarische TA 55 › Digitalisierung der Landwirtschaft: Stand und Perspektiven 60 › New Space – neue Dynamik in der Raumfahrt 64 Dass es immer wieder notwendig ist zu prüfen, welche Horizon-Scanning › Themenvielfalt: elf neue Kurzprofile aus dem Horizon-Scanning 68 Auswirkungen das frühere Handeln – und ebenso das TA International › EPTA-Aktivitäten vor und in der Coronakrise 74 Veröffentlichungen › 75 Nichthandeln – gehabt haben und was daraus für das zukünftige Vorgehen abgeleitet werden kann, dürfte eine Dezember 2020 Brief Nr. 51 der zentralen Einsichten des Pandemiejahres 2020 sein. Dazu passte der Schwerpunkt des TAB-Briefs Nr. 51 (Abb. 2), der zum Jahresende 2020 erschien, in beson- derem Maße. Unter dem Titel »30 Jahre TAB – 30 Jahre Beiträge zu einer vorausschauenden und vorsorgenden Politikgestaltung« werden darin sowohl die inhalt- lichen Arbeiten des TAB in drei für die TA besonders prägnanten Themenfeldern, die als Kernthemen der TA bezeichnet werden können (Human Enhancement, Car- 5
Horizon-Scanning als Instrument zur Technologievorausschau und Themenfindung Im Jahr 2020 wurden im Rahmen des Horizon-Scan- tanten Folgen des Klimawandels helfen könnten. Die nings in zwei Suchzyklen zunächst 14 und dann 22 The- Möglichkeiten nachhaltiger Rohstoffnutzung werden in men identifiziert. Aus diesen insgesamt 36 Themenvor- den Themenkurzprofilen Nr. 35 und 39 behandelt. schlägen wurden 10 aus der Perspektive der Technikfol- genabschätzung besonders relevante Themen in Form An der Schnittstelle zwischen Globalisierung, Nachhaltig- von Themenkurzprofilen (Nr. 35 bis 44) ausgearbeitet keit und Digitalisierung ist das Themenkurzprofil Nr. 37 und der Berichterstattergruppe TA vorgelegt. angesiedelt. Ein ausführlicher Überblick über die Methodik des Coronapandemie Horizon-Scannings, auf deren Grundlage die im Fol- genden vorgestellten zehn Themenkurzprofile des Jahres 2020 identifiziert worden sind, findet sich im TAB-Brief Nr. 51, S. 30 ff. Themenüberblick 2020 Kein Thema war im Jahr 2020 prägender für den wissen- schaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs als die Coro- napandemie. Zahlreiche Einrichtungen der parlamenta- Nr. 41: Perspektiven eines hybriden Arbeitens im Home rischen Technikfolgenabschätzung setzten sich deshalb office und im Büro mit Fragestellungen zu den Auswirkungen dieser globalen Katastrophe auseinander und natürlich geriet das Thema Die Coronapandemie hat zu einem starken Anstieg des auch in das Radar des Horizon-Scannings. Mit den The- Arbeitens von zu Hause aus, das sogenannte Homeoffice, menkurzprofilen Nr. 41 und 44 fokussieren zwei Ausar- geführt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Produktivität beitungen auf Bereiche, in denen die Herausforderungen und die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer/innen im der Pandemie mit am stärksten zu spüren waren bzw. sind Homeoffice offenbar höher sind, als zuvor von Fachleuten und die durch sie vermutlich nachhaltend verändert wer- erwartet worden war. Mitarbeiter/innen wünschen sich den: die Arbeitswelt und die Kulturwirtschaft. vielfach weiterhin mehr Flexibilität und die grundsätzliche (Wahl-)Möglichkeit, von zu Hause aus und/oder im Büro Dass sich die Arbeitswelt und das Bildungssystem nicht arbeiten zu können. Es ist davon auszugehen, dass sich das nur unter dem Eindruck der Pandemie transformieren, hybride Arbeiten, also der kontinuierliche und flexible sondern auch durch die zunehmende Verbreitung von Wechsel zwischen Präsenzarbeit im Büro und der Arbeit digitalen Technologien und künstlicher Intelligenz im im Homeoffice, vermehrt durchsetzen wird. Wandel begriffen sind, spiegeln die Themenkurzprofile Nr. 38, 40 und 42 wider. Nr. 44: Beschränkung von Liveveranstaltungen während der Coronapandemie – ökonomische Auswirkungen und Auch die Megatrends Klimawandel und Nachhaltigkeit digitale Lösungen im Kulturbetrieb haben das Potpourri der Themenkurzprofile geprägt. In den Ausarbeitungen zu den Themenkurzprofilen Nr. 36 Die Coronapandemie stellt alle Bereiche der Gesell- und 43 wird der Frage nachgegangen, welche Innovati- schaft vor große Herausforderungen. Besonders hart trifft onen und Technologien beim Umgang mit zwei ekla- sie Kulturschaffende und Kultureinrichtungen aus der 6
Musik- und Filmwirtschaft sowie den darstellenden Kün- net dabei neue Möglichkeiten: Mithilfe algorithmischer sten, weil öffentliche Veranstaltungen bzw. Liveevents, die Systeme können Teile des Recruitingprozesses automa- eine maßgebliche Umsatzquelle darstellen, in Phasen des tisiert werden. Im besten Fall können Recruitingprozesse Lockdowns nicht durchgeführt werden können und sonst, dadurch nicht nur effizienter, sondern Auswahlentschei- wenn überhaupt, nur unter hohen Hygieneauflagen mög- dungen objektiver sowie zeitlich und räumlich flexibel lich sind. Digitale Technologien können eine Chance bie- gestaltet werden. Im schlechtesten Fall werden Prozesse ten, alternative Einnahmequellen zu generieren, um die für Unternehmen zwar effizienter, bisherige Einstellungs- aktuellen Umsatzeinbußen auszugleichen. muster werden jedoch lediglich reproduziert und beste- hende Diskriminierungsmuster verstärkt. KI in der Arbeitswelt und im Bildungssystem Nr. 42: Learning Analytics – Potenzial von KI-Systemen für Lehrende und Lernende Learning Analytics (LA) beschreibt den Einsatz algorith- mischer Systeme zur Verbesserung von Lernprozessen. Auf Basis von Daten treffen LA-Systeme Vorhersagen zum Lernfortschritt und -verhalten, geben Empfehlungen für die inhaltliche und methodische Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses, ermöglichen neue, dynamische und personalisierte Lernformen. Dabei kann der Einsatz sol- Nr. 38: Kognitive Assistenzsysteme cher Systeme sowohl in formellen (Aus-)Bildungsgängen (z. B. in Schulen, Hochschulen, betrieblichen Ausbildungs- Horizon-Scanning Kognitive Assistenzsysteme dienen der Unterstützung stätten, Weiterbildungseinrichtungen) als auch in Form von Beschäftigten, indem sie diesen, abhängig von den informeller und nonformaler Lernarrangements (z. B. über auszuführenden Tätigkeiten und den individuellen Fähig- Lern-Apps für den privaten Gebrauch oder zur Unterstüt- keiten, passgenaue Informationen zur Verfügung stel- zung arbeitsplatznahen Lernens) erfolgen. Bislang sind len, ihnen Hinweise auf korrekte Arbeitsabläufe geben LA-Anwendungen vor allem in den USA verbreitet. Doch und die Überprüfung der ausgeführten Arbeitsschritte auch in Deutschland entsteht zunehmend ein entspre- ermöglichen. Sie sind Teil der fortschreitenden Digitali- chender Markt. sierung der Arbeitswelt und bieten Potenzial für die Stei- gerung von Produktivität, Qualität und Kosteneffizienz, Technologien und Innovationen zum das sich aus dem engen Zusammenspiel von Mensch und Umgang mit dem Klimawandel und für die technischem System ergibt. Je spezifischer die Systeme nachhaltigere Nutzung von Rohstoffen dabei auf den einzelnen Beschäftigten und seine Fähig- keiten, Vorlieben etc. eingehen können, desto besser und angemessener ist ihre Unterstützungsleistung. Aufgrund des technischen Fortschritts werden kognitive Assistenz- systeme immer leistungsfähiger, sodass die Einsatzmög- lichkeiten zunehmen: Sie beschränken sich nicht mehr nur auf das produzierende Gewerbe, sondern verbreiten sich auch im Dienstleistungssektor und in der Medizin. Nr. 40: Robo-Recruiting – Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Personalauswahl Nr. 35: Hochwertiges Recycling für eine Kunststoffkreis laufwirtschaft Im Personalwesen ist seit einigen Jahren ein Paradig- menwechsel zu beobachten. Die Personalabteilungen Der weltweite Konsum von Plastik steigt seit den 1950er von Unternehmen bemühen sich im Wettbewerb um die Jahren stetig an. Eine große Menge an Produkten wird besten Köpfe zunehmend darum, Kandidat/innen nied- aus verschiedenen Kunststoffen hergestellt. Für die Erzeu- rigschwellige und einfache Zugangspunkte im Recrui- gung werden vor allem Primärrohstoffe wie Erdöl und Erd- tingprozess anzubieten. Künstliche Intelligenz (KI) eröff- gas genutzt. Nur etwa 9 % der in Deutschland hergestell- 7
ten Kunststoffprodukte bestehen aus Rezyklaten, die durch aus Klärschlämmen, werden deshalb immer bedeutender. werk- oder rohstoffliche Verwertung gewonnen wurden. Deutschland ist neben der Schweiz eines der ersten Län- Um rohstoffliches Recycling wirtschaftlich durchzuführen der, das die Rückgewinnung von Phosphor aus Klär- und bereits genutzte Kunststoffe in hochwertiger Form zu- schlämmen gesetzlich verankert hat. rückzugewinnen, stehen verschiedene Verfahren zur Ver- fügung, die jedoch bislang aufgrund der hohen Komplexi- Nr. 43: Sustainable Cooling – nachhaltige Kühle bei Hitze tät und der vergleichsweise geringeren Wirtschaftlichkeit, insbesondere gegenüber der energetischen und werkstoff- Am Ende dieses Jahrhunderts könnte die globale Erder- lichen Verwertung, noch nicht breit angewendet werden. wärmung 3 °C gegenüber dem Niveau vor der Industria lisierung betragen. Bereits heute verursachen konventio nelle Kühlgeräte, wie Kühlschränke, Raumklimageräte und Kältemaschinen für die Industrie, 10 % der globalen Treibhausgasemissionen. Wenn weiterhin auf konven- tionelle Weise gekühlt werden sollte, entstünde ein Teu- felskreis, denn die klimabedingte erhöhte Nachfrage nach Kühlung würde zu höheren Treibhausgasemissionen füh- ren. Innovationen in den Bereichen Technologie, Stadt- und Raumplanung sowie Dienstleistung fokussieren auf die Entwicklung effizienter und emissionsarmer Küh- Nr. 36: Innovationen zum Umgang mit dem Meeresspiegel lungstechnologien und -konzepte, die Ermöglichung des anstieg Zugangs zu diesen Technologien für breite Bevölkerungs- schichten sowie die Vermeidung übermäßiger Erhitzung Der globale mittlere Meeresspiegel steigt deutlich stärker, einzelner Gebäude oder ganzer Städte. als dies noch vor einem halben Jahrzehnt erwartet wurde. Für 2100 wird mit einem maximalen Anstieg von 110 cm Globalisierung gegenüber dem Stand von 2000 gerechnet, abhängig von den zugrundegelegten Annahmen über die zukünftigen Treibhausgasemissionen und die dadurch ausgelöste Tem- peraturerhöhung. Angesichts der Gefahrenlage reagieren Länder, Städte und Gemeinden mit zahlreichen Gegen- maßnahmen, die jedoch unterschiedlich ausgereift sind und teils lediglich als Prototypen und Konzeptideen vorlie- gen, etwa schwimmende Städte und Bauernhöfe. Lösungs- ansätze wie das niederländische Projekt Sandmotor befin- den sich noch in der Erprobungsphase. Superdeiche sind aufgrund ihrer enormen Kosten und langen Bauzeiten Nr. 37: Technologien zur Nachverfolgbarkeit von Wert nicht überall realisierbar, Innovationen wie der Bau auf schöpfungs- und Lieferketten Warften, z. B. in der Hamburger Hafencity, funktionieren nur bei der Neuentwicklung von Stadtteilen. Durch die Globalisierung und die damit verbundenen grenzüberschreitenden Warenströme wirkt die Geschäfts- Nr. 39: Nachhaltige Phosphorversorgung tätigkeit von Unternehmen immer stärker auch über nationale Grenzen hinaus. Unternehmerisches Handeln Phosphor ist ein natürlicher Rohstoff, der als Nährstoff in Deutschland kann so die Lebens- und Arbeitsbedin- essenziell für alles Leben auf der Erde ist. Phosphor wird gungen sowie den Zustand der Umwelt auf globaler Ebene zu 95 % in der Düngemittelproduktion für die Land- positiv oder negativ beeinflussen. Die Frage ist, inwieweit wirtschaft verwendet und ist damit entscheidend für (digitale) Technologien die Umsetzung und Einhaltung die Welternährung. Die auf der Erde natürlich vorkom- unternehmerischer Sorgfaltspflichten unterstützen und menden Phosphorreserven sind jedoch begrenzt. Phos- befördern könnten. Im Fokus steht dabei die lückenlose phor lässt sich weder synthetisch herstellen noch ersetzen. Abbildung der Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette ein- Methoden zur Rückgewinnung und Wiederverwendung schließlich aller Akteure von der Rohstoffgewinnung bis von Phosphor entlang des Stoffkreislaufs, insbesondere zum Endkunden. 8
Wissen- schaft Bürger Medien Diskursanalyse und Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren Politik Umwelt Wirtschaft Zivil- gesellschaft Im Fokus des Arbeitsbereichs »Diskursanalyse und Deutschland, die quotiert nach Geschlecht, Alter, Bundes- Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren« stand 2020 land und Bildung angeschrieben wurden. Der Feldzugang das Thema »Petitionen an den Deutschen Bundestag – erfolgte über den Adresspool eines Online-Access-Panels. Bekanntheit und Nutzung«. Diese Untersuchung war 1.206 Personen beteiligten sich an der Untersuchung. Die vom Petitionsausschuss im Jahr 2019 angeregt worden. Ergebnisse sind aussagekräftig für die deutsche Wohnbe- Im Rahmen des Projekts (Steckbrief S. 11) wurden drei völkerung. Die Teilnehmer/innen beantworteten einen Befragungen durchgeführt, die unterschiedliche Per- standardisierten Onlinefragebogen, der fast ausschließlich sonengruppen adressierten und in der methodischen geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwortoptionen Herangehensweise jeweils spezifisch auf diese Zielgrup- enthielt und dessen Beantwortung etwa 5 Minuten Zeit pen ausgerichtet wurden. in Anspruch nahm. Der Fragebogen basierte zum großen Teil auf einer Bevölkerungsumfrage zur Bekanntheit und Diskursanalyse und Dialog Nutzung des Petitionsrechts in Deutschland des TAB aus Methodische Herangehensweise dem Jahr 2008. So konnten Vergleiche zu den früheren Befragungsergebnissen gezogen und mögliche Verände- Auf der zentralen Plattform Stakeholder Panel TA des rungen im Zeitverlauf erkannt werden. TAB für Onlinebefragungen wurden zwei Erhebungen durchgeführt. Die erste repräsentative Befragung richtete Die zweite Erhebung richtete sich an Personen, die das sich an Internetnutzer/innen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in E-Petitionsportal des Deutschen Bundestages zum Ein- Dritte Ausgabe der Kurzbroschüre TAB-Sensor Die Reihe TAB-Sensor stellt gesellschaftliche Wahrnehmungen, Bewertungen und Sichtweisen zu Fragen des wis- senschaftlich-technischen Wandels vor. Grundlage sind empirische Erhebungen bei gesellschaftlichen Stakeholdern, die nach wissenschaftlichen Standards entwickelt und ausgewertet werden. Die handliche und reich illustrierte Publi- kationsreihe, die sich auch an die interessierte Öffentlichkeit richtet, ergänzt seit August 2018 die Veröffentlichungs- formate des TAB. Petitionen an den Bundestag sind Thema des dritten TAB-Sensors mit dem Titel »Wer kennt und nutzt Petitionen an den Deutschen Bundestag«. 9
reichen, Mitzeichnen oder Diskutieren von Petitionen und wie die Petent/innen vom Petitionswesen Kenntnis nutzen. Ziel war es, mehr über diese Gruppe anhand von erlangten. Dazu wurde Petent/innen, die sich im Zeit- soziodemografischen Merkmalen zu erfahren sowie Nut- raum von Dezember 2019 bis April 2020 mit einer Bitte zungsmuster und die Zufriedenheit mit dem Petitions- oder Beschwerde an den Petitionsausschuss wandten, verfahren zu erheben. Den Zugang zu den registrierten mit der Eingangsbestätigung ihrer Petition ein Fragebo- Nutzer/innen ermöglichte das Sekretariat des Petitions- gen zugesandt. Von 1.200 Fragebögen wurden 492 gut ausschusses beim Deutschen Bundestag. Eine Zufallsaus- ausgefüllt an das TAB zurückgesandt. wahl, die aus allen E-Mail-Adressen, die am 1. September 2019 im System des Deutschen Bundestages verzeichnet Die Fragebögen wurden gemeinsam mit dem Sekreta- waren, gezogen wurde, wurde durch den Petitionsaus- riat des Petitionsausschusses entwickelt. Das Sekretariat schuss per E-Mail zur Teilnahme an der Umfrage einge- unterstützte auch die Adressierung der Teilnehmenden laden. Durch einen in der E-Mail enthaltenen Zugangs der beiden letztgenannten Erhebungen. Bei allen Befra- code wurde gewährleistet, dass jeder angeschriebene gungen wurde darauf geachtet, Daten anonym zu erhe- E-Mail-Empfänger nur einmal an der Befragung teil- ben, sodass sie nicht den teilnehmenden Personen zuge- nehmen konnte. Insgesamt wurden 7.000 Einladungen ordnet werden können. im Zeitraum vom 26. Februar bis 4. März 2020 einma- lig mit der Bitte um Beteiligung versandt. Die Teilnahme an der Befragung war bis zum 25. April 2020 möglich; Ergebnisberichte und Präsentationen es nahmen 453 Personen an der Umfrage teil. Das Aus- füllen des Onlinefragebogens dauerte etwa 10 Minuten. Die Ergebnisse der Befragungen werden im TAB-Hin- Das Verfahren zur Gewinnung der Teilnehmer/innen an tergrundpapier Nr. 25 ausführlich dargestellt (und ganz der Befragung sowie die Befragung selbst erfolgten unter kurz im folgenden Steckbrief auf S. 11). Die Ergebnisse strenger Wahrung des Datenschutzes und der Privat- der Repräsentativbefragung sind zudem in der drit- sphäre des Adressatenkreises. ten Ausgabe des TAB-Sensors anschaulich zusammen- gefasst. Beide Berichte stehen auf der Website des TAB Die dritte Befragung wurde klassisch mithilfe eines zum Download bereit. Papierfragebogens durchgeführt, da diese sich an Per- sonen richtete, die ihr Anliegen postalisch beim Peti Die Ergebnisse wurden schließlich in einer Sitzung des tionsausschuss des Deutschen Bundestages einreichen. Petitionsausschusses am 18. November 2020 präsen- Sie sollte Aufschluss darüber geben, wer sich auf diesem tiert sowie auf der Tagung der Vorsitzenden und stell- klassischen Weg an den Deutschen Bundestag wendet vertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder am 21. und 22. September Abb. Haben Sie den Begriff Petition bereits gehört und könnten Sie seine 2020 in Dresden Abge- Bedeutung inhaltlich beschreiben? ordneten des Bundes- tags und der Länderpar- 16–25 27,7 60,0 12,3 lamente vorgestellt und 26–35 30,5 61,0 8,8 mit ihnen hinsichtlich Altersgruppen in Jahren möglicher Handlungsop- 36–45 44,5 50,0 5,5 tionen für die jeweiligen 46–55 34,4 59,7 5,8 Petitionsausschüsse dis- kutiert. 56–65 44,4 53,5 2,1 66–75 38,7 57,5 3,8 75+ 38,1 56,0 6,0 0 20 40 60 80 100 Angaben in % Ich habe den Begriff bereits gehört. Ich habe den Begriff gehört und könnte ihn inhaltlich beschreiben. Ich habe den Begriff noch nicht gehört. 10
Petitionen an den Deutschen Bundestag – Bekanntheit und Nutzung Projektbearbeitung: Britta Oertel und Carolin Kahlisch Gegenstand und Ziel der Untersuchung Projektdaten Jede Person unabhängig von Alter oder Staatsangehörig- Themeninitiative: Petitionsausschuss keit kann sich mit einer Bitte zur Gesetzgebung oder einer Laufzeit: 2019 bis 2020 Beschwerde zu Entscheidungen von Bundesbehörden Publikationen: Hintergrundpapier Nr. 25 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages TAB-Sensor 3 wenden. Damit verbunden ist die verfassungsrechtliche Veröffentlichung: 2020 Garantie, dass das Anliegen sorgfältig geprüft und beschie- den wird. Allein 2019 wurden ca. 13.500 Petitionen an den Bundestag gerichtet und betrafen sowohl grundsätzliche Zentrale Ergebnisse als auch persönliche Anliegen. Petitionen erreichen den Ausschuss per Post, Fax oder über das E-Petitionsportal Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung zeigen: Der des Bundestages. Bekanntheitswert des Begriffs Petition ist mit 90 % sehr hoch (Abb. auf S. 10). Männer haben häufiger Kennt- Projekte Über seine Tätigkeit legt der Ausschuss jährlich ausführ- nis über das Petitionsrecht als Frauen. Auch erhöht sich lich Bericht ab und wertet dazu die verfügbaren Prozess der Anteil derjenigen, die das Petitionsrecht kennen, mit daten aus. Zu den Petent/innen und den Nutzer/innen zunehmendem Alter. Befragte mit (Fach-)Abitur kennen des E-Petitionsportals werden Daten jedoch nur spar- das Petitionsrecht eher. Klassische Medien wie Fernse- sam erhoben, um deren Persönlichkeitsrecht und Privat- hen, Radio und Presse sind am häufigsten die Informa- sphäre zu schützen. Daher liegen dem Petitionsausschuss tionswege, über die Menschen vom Petitionsrecht beim nur wenige soziodemografische Informationen über die Deutschen Bundestag gehört haben. Daneben erfahren Petent/innen vor, die im TAB-Projekt anhand von drei viele Menschen über soziale Medien, durch Familie und Kernfragen erhoben werden sollten: Bekannte oder während ihrer Schulzeit von Petitionen. ›› Wem ist das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden Die Nutzerschaft des E-Petitionsportals spiegelt nicht den an den Bundestag zu wenden, bekannt bzw. unbekannt? Durchschnitt der Bevölkerung wider. Die Nutzenden sind ›› Falls bekannt, wie haben die Befragten von diesem häufiger männlich und eher im mittleren Alter. Sie verfü- Recht erfahren? gen mehrheitlich über einen höheren Bildungsabschluss. ›› Wer nutzt das Recht, Petitionen beim Deutschen Bun- destag einzureichen, zu veröffentlichen, zu diskutieren Das Recht, Petitionen in eigener Sache postalisch beim oder zu unterstützen? Deutschen Bundestag einzureichen, nutzen vor allem ältere, nicht mehr erwerbstätige Menschen. Bei einem Zur Beantwortung wurden drei Befragungen durchge- guten Drittel lag eine Behinderung vor. führt, die folgende Personengruppen adressierten: Die Bereitschaft zum Mitzeichnen von Petitionen ist in ›› Internetnutzer/innen mit Wohnsitz in Deutschland der Bevölkerung hoch. Jede vierte Person hat bereits eine (repräsentative Onlinebefragung), Petition beim Deutschen Bundestag unterstützt, meist ›› Personen, die das E-Petitionsportal des Bundestages über eine handschriftliche Unterschriftenliste. nutzen, um Petitionen einzureichen, mitzuzeichnen bzw. zu diskutieren, sowie Aus den Ergebnissen ergeben sich Optionen für die Wei- ›› Personen, die auf postalischem Weg eine Petition an terentwicklung der Informations- und Öffentlichkeitsar- das Parlament richten. beit zu Petitionen. 11
Digitalisierung der Landwirtschaft Projektbearbeitung: Christoph Kehl, Rolf Meyer und Saskia Steiger Gegenstand und Ziel der Untersuchung Projektdaten Wie in vielen Wirtschaftsbereichen eröffnet die Digitali- Themeninitiative: Ausschuss für Bildung, Forschung sierung in Zusammenhang mit neuen Lern- und Daten- und Technikfolgenabschätzung analyseverfahren auch in der Landwirtschaft neue Mög- Laufzeit: 2017 bis 2020 lichkeiten, Produktionsprozesse datenbasiert zu steuern Publikationen: TAB-Arbeitsbericht Nr. 193 u. 194 und zu optimieren. Angesichts der grundlegenden, teils TAB-Fokus Nr. 31 u. 32 unvereinbar erscheinenden Anforderungen, denen die Veröffentlichung: im Abnahmeprozess Landwirtschaft aktuell gegenübersteht – Ernährungs- sicherung bei steigender Weltbevölkerung einerseits, umweltschonendere Produktion andererseits –, werden Zentrale Ergebnisse die Entwicklungen und Perspektiven innovativer Agrar- technologien intensiv diskutiert. Ziel ist es, mithilfe der In der ersten Projektphase wurde ein systematischer Über- Digitalisierung die komplexen, von vielen unwägbaren blick über Stand und Tendenzen bei digitalen Agrartech- Faktoren (Wetter- und Umwelteinflüsse etc.) beein- nologien erarbeitet. Im resultierenden Endbericht (TAB- flussten landwirtschaftlichen Betriebsabläufe effizienter Arbeitsbericht Nr. 193) werden vier Technikfelder betrach- und gleichzeitig nachhaltiger auszurichten. Dies betrifft tet: Sensoren, Landmaschinen, Drohnen und Roboter. Im sowohl aus ökologischer als auch aus wirtschaftlicher Ergebnis zeigt sich, dass digitale Technologien in der land- Sicht wünschenswerte Betriebsmitteleinsparungen, wirtschaftlichen Praxis immer mehr an Bedeutung gewin- aber auch die Erleichterung von Nachweispflichten und nen und inzwischen alle Bereiche der Landtechnik durch- Dokumentationsaufgaben. dringen. Melk- und Fütterungsroboter werden in der Tierhaltung bereits verbreitet eingesetzt, im Pflanzenbau Angesichts der großen Erwartungen, die mit dieser Ent- sind bestimmte Sensorsysteme zur teilflächenspezifischen wicklung verknüpft sind, wurde das TAB vom Ausschuss Bewirtschaftung sowie automatische Spurführungssysteme für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung schon heute Stand der Technik. Sowohl im Pflanzenbau als beauftragt, Stand und Perspektiven der Digitalisierung auch in der Tierproduktion ist eine zunehmende Automa- der Landwirtschaft zu untersuchen. Für die Bearbeitung tisierung bis hin zur autonomen Arbeitserledigung mit- dieses Themenfelds sind sinnvollerweise zwei Ebenen hilfe digitaler Systeme festzustellen (Abb.), wobei die Ziel- zu unterscheiden: die Digitalisierung spezifischer land- setzung vorrangig die Erhöhung der Arbeitsproduktivität wirtschaftlicher Produktionsschritte mithilfe von digi- (Einsparung von Arbeitszeit bzw. Arbeitskräften) sowie die talen Einzelanwendungen sowie die Vernetzung dieser Steigerung der Produktionseffizienz ist. Die weiteren Ent- Einzelanwendungen zu umfassenden, digital gesteuerten wicklungen könnten zu grundlegenden Veränderungen Produktionssystemen (Landwirtschaft 4.0). Das dazuge- der landwirtschaftlichen Prozesse führen, wie es beispiels- hörige TA-Projekt gliederte sich entsprechend in zwei weise im Bereich des Ackerbaus mit bestimmten Robotik- Untersuchungsphasen, deren Ergebnisse in je einem konzepten perspektivisch zu erwarten ist. Endbericht zusammengefasst wurden: Das größte Potenzial zur Optimierung landwirtschaft- ›› Digitalisierung der Landwirtschaft: technologischer licher Prozesse wird in der umfassenden Vernetzung digi- Stand und Perspektiven taler Einzelanwendungen auf Betriebsebene gesehen. Die ›› Digitalisierung der Landwirtschaft: gesellschaft- Realisierbarkeit dieser Vision und ihre möglichen Aus- liche Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und wirkungen waren Untersuchungsgegenstand der zweiten Effekte Projektphase, die mit dem TAB-Arbeitsbericht Nr. 194 12
abgeschlossen wurde. Darin werden eingangs Stand, Per- werden für wichtige digitale Agrartechnologien (auto- spektiven und Herausforderungen einer digital vernetzten matische Melksysteme, automatische Fütterungsanlagen, Landwirtschaft dargestellt, wobei der Fokus hier vor allem Parallelfahr- und automatische Lenksysteme, teilflächen- auf neuen datenbasierten Geschäftsmodellen liegt. Den spezifische Stickstoffdüngung [N-Sensor], Agrarrobo- sogenannten Farmmanagementsystemen, die der Verar- ter sowie Drohnen) der Wissensstand zu Wirtschaftlich- beitung der Hof- und Maschinendaten landwirtschaft- keitsaspekten wie Investitionsvolumen, Einsparpotenzia licher Betriebe dienen, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. len und Wirtschaftlichkeitsschwellen zusammengefasst. Anhand ausgewählter, in Deutschland erhältlicher Dien- ste wird die Frage diskutiert, wer über die auf den Platt- Wie die Analyse zu ökonomischen Effekten zeigt, hängt formen gespeicherten Daten verfügen darf und von ihrer die betriebswirtschaftliche Rentabilität digitaler Agrar- wirtschaftlichen Verwertung profitiert. Umfragen zufolge technologien u. a. maßgeblich von der Betriebsgröße ab. ist die Sorge der landwirtschaftlichen Betriebe um einen Bei größeren Betrieben ist mit einer höheren Maschinen- Verlust der Datenhoheit deutlich ausgeprägt. auslastung zu rechnen, sodass sie die anfallenden Kosten eher amortisieren können. Hingegen erreichen vor allem Ein weiterer Schwerpunkt der Analyse liegt auf den öko- Familienbetriebe die für einen wirtschaftlichen Einsatz logischen sowie wirtschaftlichen Implikationen der erforderliche Mindestbetriebsgröße oft nicht. Vor diesem zunehmenden Nutzung digitaler Anwendungen in der Hintergrund wird vermutet, dass sich im Zuge der Auto- Landwirtschaft. Sowohl in der Pflanzen- als auch in der matisierung und Digitalisierung der wirtschaftliche Druck Tierproduktion sind inzwischen etliche innovative Agrar- auf kleinere und mittlere Betriebe verstärken und sich so technologien etabliert, die eine praktische Anwendung der kontinuierliche Strukturwandel verschärfen könnte, von ressourcenschonenden Maßnahmen der Präzisions- dem die Landwirtschaft seit Jahrzehnten unterworfen ist. landwirtschaft ermöglichen. Aufgrund der vielfältigen Anwendungsbereiche und Verfahren, der sehr hetero- Aufbauend auf diesen Ergebnissen werden abschließend Projekte genen Einsatzbedingungen und komplexen Wirkzusam- Handlungsoptionen vorgestellt. Es wird Handlungsbe- menhänge bestehen hinsichtlich der Größenordnung der darf in verschiedenen Bereichen identifiziert, darunter in der Praxis erzielbaren Entlastungseffekte allerdings infrastrukturelle Rahmenbedingungen, Datenhoheit der noch große Unsicherheiten. Im Bericht wird zum einen Landwirt/innen, Sicherstellung des Zugangs zu digitalen die aktuelle Studienlage zu den Tiergesundheits- und Tier- Technologien, Förderung von Innovation und Technik wohlwirkungen sowie den Umweltwirkungen der Präzi entwicklung sowie Schließen von Wissens- und For- sionslandwirtschaft differenziert dargelegt. Zum anderen schungslücken. Abb. Entwicklungsstufen der Digitalisierung in der Landwirtschaft 5. System von Systemen 4. Produkt- system Agrarmanagementsystem Pflanzmaschinen Bewässerungssystem Mähdrescher 3. intelligentes vernetztes Pflüge Saatgutoptimierungssystem Produkt intelligentes Wetterdatensystem 2. Land- Produkt maschinen- system Landmaschinensystem 1. Produkt Sensoren für Feuchtigkeit, Temperatur etc. Wetterkarten Wettervorhersagen Wetterapplikationen Leistungsdaten- bank für den Agrarbetrieb Saatdatenbanken Saatoptimierungs- anwendung Bodensensoren Bewässerungsknoten Bewässerungsanwendungen 13
Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder (HF-EMF) Projektbearbeitung: Reinhard Grünwald, Christoph Revermann und Pauline Riousset Gegenstand und Ziel der Untersuchung Projektdaten Seit geraumer Zeit ist eine Zunahme von elektromagne- Themeninitiative: Ausschuss für Bildung, Forschung tischen Feldern (EMF) bzw. von EMF-Quellen zu ver- und Technikfolgenabschätzung zeichnen. Ursache hierfür ist vor allem die rasante Digita- Laufzeit: 2017 bis 2020 lisierung nahezu aller Lebensbereiche im gesamten öffent- Publikationen: TAB-Arbeitsbericht Nr. 196 lichen Raum und in praktisch allen privaten Haushalten, TAB-Fokus Nr. 33 die gleichzeitig mit einer starken Nutzung mobil einzuset- Veröffentlichung: im Abnahmeprozess zender Technologien verbunden ist. Die Untersuchung des TAB hatte zum Ziel, die Ergebnisse lungsbedarf konstatiert wird, sollte nicht unterschätzt wer- aus den aktuellen nationalen und internationalen For- den, dass die politische Perspektive sich durchaus von der schungsprojekten insbesondere darauf hin zu analysieren, wissenschaftlichen unterscheiden kann. Relevant erschei- ob relevante neue Erkenntnisse vorliegen, die substanziell nen solche Aspekte, die in der öffentlichen Debatte prä- die Diskussionen zu möglichen gesundheitlichen Aus- sent sind und bei denen noch kein abschließendes wissen- wirkungen bzw. Risiken hochfrequenter EMF (HF-EMF) schaftliches Urteil gefällt werden kann. Dabei handelt es verändern könnten. Der Projektkonzeption entsprechend sich hauptsächlich um Krebserkrankungen, Einflüsse auf wurden Mitte 2017 zwei Gutachten zu den Themenfeldern Kognition und Schlaf (mit speziellem Fokus auf Kinder) »Aktuelle Forschungen zu möglichen gesundheitlichen sowie einen möglichen Zusammenhang mit neurodege- Auswirkungen bzw. Risiken der HF-EMF« und »Syste- nerativen Erkrankungen. Hier zeigen insbesondere neu- matische Beschreibung der EMF-Emissionen elektrischer ere Tierstudien erhöhte Inzidenzen, die vor allem Hirn- Geräte und Anlagen« sowie 2019 ein weiteres Gutach- tumorrisiken betreffend sowohl die Fachdiskussionen als ten zum Themenfeld »Aktuelle Forschungen und Ergeb- auch die öffentliche Debatte neu befeuert haben. nisse zu EMF-Risiken für Kinder und ggf. ältere Men- schen« durch den Deutschen Bundestag in Auftrag gege- Eine wesentliche Aufgabe besteht (grundsätzlich und ben. Auf Basis der Gutachten wurde bis Oktober 2020 der zukünftig) darin, Hürden für eine offene wechselseitige TAB-Arbeitsbericht erstellt, der seitdem den Prozess der Kommunikation von Akteursgruppen insbesondere zwi- Abnahme durch die Berichterstattergruppe TA der Frak schen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik abzu- tionen durchläuft. bauen, um somit Glaubwürdigkeit, Relevanz und Legi- timität des Informationsflusses und damit letztlich auch der Entscheidungen zu ermöglichen. Vor diesem Hinter- Zentrale Ergebnisse grund erscheint es sinnvoll, den Prozess der Risikobewer- tung und des Risikomanagements einer Evaluation dahin- Ausgehend vom gegenwärtigen Wissensstand zu mög- gehend zu unterziehen, ob in Deutschland (und interna- lichen gesundheitlichen Auswirkungen bzw. Risiken von tional) relevante Stakeholder rechtzeitig und umfassend HF-EMF wurden Wissenslücken bzw. Forschungsbedarfe genug einbezogen (wurden bzw.) werden und ob die identifiziert. Neben explizit wissenschaftlichen wurden Kommunikation der einzelnen Schritte offen und trans- auch übergreifende Aspekte analysiert, wie etwa die poten- parent ist. Gegebenenfalls wäre vor diesem Hintergrund zielle gesundheitspolitische Relevanz eines Themas oder die Risikogovernance entsprechend zu reformieren. gesellschaftliche Kontroversen. Auch wenn seitens der wissenschaftlichen Publikationen (und deren Interpreta tionen) überwiegend kein unmittelbarer politischer Hand- 14
Herausforderungen für die Pflanzenzüchtung Projektbearbeitung: Arnold Sauter und Monika Zulawski Gegenstand und Ziel der Untersuchung Projektdaten Themeninitiative: Ausschuss für Ernährung und Die Pflanzenzüchtung trägt erheblich zum Erhalt und Landwirtschaft zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität bei. Laufzeit 2016 bis 2020 Außerdem spielt sie eine wichtige Rolle bei der Anpassung Publikationen: TAB-Arbeitsbericht Nr. 197 an den Klimawandel. Pflanzenzüchtung ist forschungsin TAB-Fokus Nr. 34 tensiv und auf das Zusammenspiel von öffentlicher und Veröffentlichung: im Abnahmeprozess privater Forschung angewiesen. International hat in der Pflanzenzüchtung ein erheblicher keit auf den unterschiedlichen Systemebenen. Dabei zeigt Strukturwandel stattgefunden. Viele Züchtungsunterneh- sich eine diverse private und öffentliche Akteurslandschaft, men sind von multinationalen Agrochemieunternehmen deren Engagement auf verschiedene Zielsetzungen, d. h. übernommen worden. Der weltweite Strukturwandel in unterschiedliche Pflanzenarten, Sortentypen und -eigen- der Züchtungsbranche ist auch in Deutschland spürbar, schaften, ausgerichtet ist. Viele private Unternehmen und Projekte aber die deutsche Pflanzenzüchtung ist nach wie vor mit- öffentliche Forschungseinrichtungen sind international telständisch geprägt und umfasst etwa 60 Unternehmen konkurrenzfähig, sowohl im konventionellen als auch – in mit eigenen Zuchtprogrammen. kleinerem Umfang – im ökologischen Sektor. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Saatgutmarkt und damit auch die Die genetische Vielfalt vieler Kulturpflanzenarten ist in den Züchtung in hohem Grad international bzw. europäisch letzten Jahrzehnten zurückgegangen; etliche Arten wurden geprägt sind. Eine Reihe internationaler Verträge sowie aus dem Anbau verdrängt. Grundsätzlich kann die Pflan- europäischer Verordnungen und Richtlinien bildet den zenzüchtung sowohl zum Verlust als auch zur Förderung Rahmen, in dem sich die Züchtung in Deutschland abspielt. und Erweiterung von Biodiversität in der Landwirtschaft beitragen. In jedem Fall ist die Züchtung auf das Vorhan- Beschrieben werden wichtige Einflussfaktoren und daraus densein und den Zugang zu vielfältigen pflanzengene- resultierende Herausforderungen für die (deutsche) Pflan- tischen Ressourcen als Ausgangsmaterial angewiesen. zenzüchtung, die sich aus aktuellen wissenschaftlich-tech- nologischen Entwicklungen, Einflüssen von Nachfrage- Ziel der Untersuchung war es, einen Überblick über Poten- veränderungen, verbundenen Betriebsmittelmärkten, der ziale und Aufgaben, Stärken und Schwächen der deut- Umwelt- und Energiepolitik sowie durch den Rechtsrah- schen (konventionellen und ökologischen) Pflanzenzüch- men für die Nutzung und den Schutz von genetischen Res- tung gegenüber den Herausforderungen einer nachhaltigen sourcen und Pflanzensorten ergeben. Für die Politik stellt Landwirtschaft angesichts von Klimawandel, Bedürfnissen sich die Aufgabe, den Erhalt und die Steigerung der vorhan- einer weiter wachsenden Weltbevölkerung sowie dem Bio- denen Vielfalt angesichts zukünftiger Herausforderungen massebedarf einer zukünftigen Bioökonomie zu erarbeiten. zu ermöglichen und gesellschaftlich besonders wünschens- werte Ausrichtungen und Schwerpunktsetzungen im Bereich der Pflanzenzüchtung zu unterstützen. Vorgestellt Zentrale Ergebnisse werden drei zentrale Handlungsfelder: die allgemeine Wei- terentwicklung der Ausrichtung und der Kooperations- Der Endbericht bietet einen Überblick zum Stand der formen der Pflanzenzüchtung(sforschung), Maßnahmen Pflanzenzüchtung in Deutschland, ihren Akteuren, Zielset- zur Erhaltung, Entwicklung und Steigerung der Agrobio- zungen, Schwerpunkten und Rahmenbedingungen unter diversität sowie die weitere Ausgestaltung der rechtlichen besonderer Berücksichtigung von Vielfalt und Vielfältig- Rahmenbedingungen. 15
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