Das war eine herausfordernde, aber auch spannende Zeit
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CORONA-PANDEMIE „Das war eine herausfordernde, aber auch spannende Zeit“ Öffentlicher Gesundheitsdienst in Zeiten der Pandemie Die Redaktion des „Ärzteblatt Sachsen“ 30 bis 40 Kontaktpersonen waren es neuen Mitarbeiter, die fachlich noch nie hatte auf dem 30. Sächsischen Ärzte- im Durchschnitt. Im Fall einer betroffe- etwas mit dem Infektionsschutz zu tun tag in Dresden Gelegenheit, mit Dipl.- nen Schule – wir waren der erste Land- hatten. Wir haben dafür ein Schnee- Med. Petra Albrecht, Vizepräsidentin kreis, in dem eine Schule betroffen ballprinzip entwickelt. Es gab drei der Sächsischen Landesärztekammer war – wurden alle als Kontaktpersonen Teams, die von jeweils einem Mitarbei- und Leiterin des Gesundheitsamtes im betrachtet und somit die gesamte ter des Gesundheitsamtes angeleitet Landkreis Meißen, über die Arbeit des Schule geschlossen. Dies gab den An wurden. Und aus diesen drei Teams Öffentlichen Gesundheitsdienstes wäh- stoß in Sachsen, sich mit der Frage wurden wiederum neue Teams gebildet. rend der Corona-Pandemie zu sprechen. auseinanderzusetzen: Was machen wir mit Schulen und Kitas? Was war die größte Die Corona-Pandemie begann in Sach- Herausforderung für Sie? sen am 2. März 2020 mit der ersten Wie viele Mitarbeiter hatten Sie Die größte Hausforderung für mich nachgewiesenen Infektion. Ab wann zu diesem Zeitpunkt? war die personelle Aufstockung von haben Sie es als Pandemie empfunden? Ich hatte 2,5 Mitarbeiter für den Infek- 2,5 auf 60 Mitarbeiter. Ich habe eine Gesundheitsämter sind immer auf tionsschutz. Die Maßnahmen zum Hygieneärztin, die die fachlichen Dinge Pandemien vorbereitet. Es gibt für ver- Infektionsschutz sind für uns nichts übernommen hat, damit ich mich um schiedenste Erkrankungen Pandemie- Neues: Infektionserkrankungen nach- die gesamte Organisation kümmern pläne. Wir haben zunächst die Lage in verfolgen, das Infektionsschutzgesetz konnte. Später habe ich zur Unterstüt- China sehr kritisch beobachtet. Als umsetzen, Maßnahmen einleiten, Kon- zung eine Verwaltungsfachkraft an dann die ersten Infektionen in Deutsch takte ermitteln – das ist unsere tägli- meine Seite gestellt bekommen, denn land auftraten, wurde man etwas un che Arbeit. Die niedergelassenen Kolle- es mussten Schichtpläne und ähnliches ruhiger. Wir hatten Mitte Februar die gen oder die Labore müssen die Mel- erstellt werden. ersten Kontakte mit Rückkehrern, die dung an uns geben und dann gehen wir Die Tätigkeiten für fast alle anderen von einem Kreuzfahrtschiff kamen. sofort an die Arbeit. Hier hat die Viel- Bereiche im Gesundheitsamt wurden Diese Personen haben wir für 14 Tage zahl der Fälle unsere Kapazitäten heruntergefahren. Nur ganz wichtige in Quarantäne geschickt und Testun- gesprengt und die Unsicherheit im Dinge, wie zum Beispiel die Schwan gen durchgeführt. Das war am Anfang Umgang mit dem neuen Erreger. Das gerenkonflikt- oder Tumorberatungen, noch recht entspannt, aber nichtsdes- Robert Koch-Institut (RKI) hat täglich Teile vom Sozialpsychiatrischen Dienst, totrotz völlig neu für uns, da es sich um sehr gut informiert, daran konnten wir haben wir weitergeführt. einen noch unbekannten Erreger han- uns orientieren. Aber die ÖGD-Ärzte, die nicht arbeiten delte. Einen rapiden Anstieg der Infek- konnten, weil Kindergärten und Schu- tionen gab es ab 11. März 2020. Die Wann wurde die Zahl der len geschlossen waren, sind in die Landesuntersuchungsanstalt und nie- Mitarbeiter aufgestockt? Kliniken gegangen, um Abstriche zu dergelassene Kollegen haben uns die Das hat noch eine ganze Weile gedau- machen oder haben Kontakte ermittelt. Fälle gemeldet. Schlussendlich begann ert. Meine Mitarbeiter haben täglich So ist eine große Manpower entstan- dann unsere Arbeit: die Kontaktauf- 10 bis 14 Stunden gearbeitet. Zusätz den, für die wir anfangs weder Räume nahme zu den Infizierten und deren liche Mitarbeiter kamen aus anderen noch Technik hatten. Wir haben aus Kontaktpersonen. Das war heftig. Abteilungen des Gesundheitsamtes, Frühstücksräumen und Wartezimmern später dann auch vom Ordnungsamt, Büroräume gemacht. Das ging in kür- Können Sie sagen, wie viele Sozialamt, Lebensmittelüberwachungs zester Zeit und ganz unbürokratisch. Kontaktpersonen Sie pro amt und der Kämmerei. Eine Heraus- Das war eine herausfordernde, aber Infiziertem ermitteln mussten? forderung war die Einweisung der auch spannende Zeit. 16 Ärzteblatt Sachsen 7|2020
CORONA-PANDEMIE Umgang mit Infizierten. Deshalb muss- ten wir im Gesundheitsamt den Bür- gern viel erklären. Das Ministerium hat Telefonkonferenzen durchgeführt und versucht zu koordinieren. Die Zusam- menarbeit in den Kommunen, das heißt mit den niedergelassenen Ärzten, den Krankenhäusern, den Behörden und dem Rettungsdienst lief gut. Richt- schnur für uns waren dabei immer die Vorgaben und Erkenntnisse des RKI. © Anja Schmiedgen-Pietsch Erhält der Öffentliche Gesundheits- dienst durch die Corona-Pandemie eine größere Wertschätzung seitens der Politik? Ja, aber ich befürchte, dass das wieder Eines der „Ermittlerteams“ beim Gesundheitsamt, Landkreis Meißen in Vergessenheit gerät, wenn alles nor- mal läuft. Wenn der wirtschaftliche Druck steigt, wird auf politischer Ebene Zusätzlich habe ich den Krisenstab lei- getestet. Das heißt wir müssen nun die fachliche Meinung der Ärzte zurück- ten dürfen. Diese Aufgabe hat mir der alle Kontaktpersonen ermitteln und gedrängt. Das kann ich gut nachvollzie- Landrat übertragen. Daran beteiligt Quarantäne anordnen. Beim Lock- hen. Aber die Wahrnehmung und Wert- waren alle Entscheidungsträger: Ver- down gab es zwei bis drei Kontaktper- schätzung des Öffentlichen Gesund- waltungsleitung, Technikdezernenten, sonen, nun werden es wieder 30 bis heitsdienstes wird dann wieder sehr Sozialdezernenten, Polizei, Elblandkli 40 Kontaktpersonen sein. Wir haben gering sein. Wenn jedoch etwas von der nikum, Presse, Brand- und Katastro- circa 1.800 Quarantänen ausgespro- Arbeit und der Bedeutung des Öffent phenschutz und Rettungsdienst. An chen. Dazu verschicken wir einen offizi- lichen Gesundheitsdienstes im Be fangs gab es tägliche Krisenstabssit- ellen Bescheid mit Postzustellungsur- wusstsein der Politiker hängen bleiben zungen in denen wir ad hoc Dinge ent- kunde, der verbindlich und nachverfolg- würde, wäre ich schon sehr glücklich. scheiden konnten. bar ist. Die Kontrollhoheit haben wir Als sich die Situation in den Altenhei- aufgeteilt auf Gesundheitsamt, Polizei Was halten Sie von der Corona- men verschärfte, haben wir eine Unter- und Ordnungsamt. Es gab auch viele Warn-App der Bundesregierung? arbeitsgruppe „Altenpflege“ gegründet, E-Mails und Anrufe von Bürgern, die Die App wird nach meiner Einschätzung die Kontakt zu den Altenheimen aufge- Verstöße gegen Quarantäne-Auflagen nicht zielführend sein, denn die eigent- nommen hat. Wir haben mit Freiwil beobachtet und gemeldet haben. liche Risikogruppe wird darin zu wenig ligen von den Wohlfahrtsverbänden erfasst. Eine Entlastung für die Ge (DRK, Malteser, Johanniter) mobile Wie bewerten Sie das Krisen- sundheitsämter sehe ich darin nicht. Testtruppen ausgestattet, die Tests in management zwischen dem den Altenheimen durchgeführt haben. Sächsischen Sozialministerium, Was würden Sie bei einer nächsten Das hat sehr gut funktioniert und wir dem Öffentlichen Gesundheitsdienst Welle/Pandemie anders machen sind den Freiwilligen sehr dankbar, da und anderen Beteiligten? beziehungsweise welche Strukturen das unsere Mitarbeiter nicht hätten Dezentrale und regionale Entscheidun- würden Sie im Gesundheitsamt zusätzlich stemmen können. gen sind gut und sicherlich auch wich- gern vorhalten? tig, aber genauso wichtig sind zentrale Strukturell würde ich die kurzen und Wie ist die aktuelle personelle Situation? Vorgaben vom Ministerium. So lag die unkomplizierten Dienstwege sowie die Jetzt sind die zusätzlichen Mitarbeiter Entscheidungshoheit oft bei den Land- in der Pandemie erkämpfte Technik nicht mehr da. Das bereitet mir beson- kreisen. Durch die kommunale Selbst- und die Räume gern beibehalten. Das ders Sorgen, da es wieder losgeht. Ein verwaltung ergab sich ein sehr unter- Miteinander und die Solidarität unter- Lehrer wurde positiv auf SARS-CoV-2 schiedliches Bild im Vorgehen und beim einander habe ich sehr geschätzt. Ärzteblatt Sachsen 7|2020 17
CORONA-PANDEMIE Am wichtigsten ist jedoch der nach wie vor hohe Bedarf an Personal, zum Bei- spiel müssen im mittleren medizini- schen Personal dringend Hygienefach- kräfte beziehungsweise im ärztlichen Bereich für die Krankenhäuser Hygie- neärzte eingestellt werden. Weiterhin müssen wir für eine bessere Bezahlung für Ärzte im Öffentlichen Gesundheits- dienst kämpfen. Der Verband der kom- munalen Arbeitgeber hat gerade wieder abgelehnt, sich dafür einzusetzen. Nächstes Jahr werden im Gesundheits- amt Landkreis Meißen von elf Arztstel- © Kerstin Thöns len vier vakant sein. Bisher sind die Bewerbungen auf diese Stellen noch sehr überschaubar. Dabei ist der Öffentliche Gesundheitsdienst wirklich Mitglieder des Krisenstabs im Landkreis Meißen unter der Leitung von Dipl.-Med. Petra Albrecht (m.), zu Gast: Thomas de Maizière (MdB) (2.v.r.) ein sehr interessantes und unheimlich abwechslungsreiches Fachgebiet und nicht nur in Pandemiezeiten. Die Kolle- erhalten, denn sonst kann keiner für Ohne ärztliche Kompetenz ist eine gen können sich gern bei einer Hospi- uns Fachärzte für das Öffentliche Pandemie nicht zu bewältigen. tation im Gesundheitsamt selbst davon Gesundheitswesen weiterbilden. Dies überzeugen. Es ist unbedingt notwen- ist besonders im Hinblick auf die Ärzte Das Gespräch führte Dr. med. Uta Katharina Schmidt-Göhrich, dig, Ärzte mit Weiterbildungsbefugnis mit Weiterbildungsbefugnis problema- Vorsitzende des Redaktionskollegiums in jedem der 13 Gesundheitsämter zu tisch, die in Ruhestand gehen. „Ärzteblatt Sachsen“ Anzeige 12. Netzwerktreffen „Ärzte für Sachsen“ 23. September 2020 | 16.00 - 19.00 Uhr Wasserkraftwerk Mittweida // Was wir bieten: Neue Förderungen und Modellprojekte // Wie wir arbeiten: Arbeitsmodelle Heute // Was wir wollen: Junge Ärzte in Sachsen Anmeldung: info@aerzte-fuer-sachsen.de | 0351 8267 136 Weitere Infos: www.aerzte-fuer-sachsen.de 18 Ärzteblatt Sachsen 7|2020
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