DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN - Die Deutsche Anpassungsstrategie - Stadt Regensburg
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impressum IMprEssuM Herausgeber: Bundesministerium für umwelt, Naturschutz und reaktorsicherheit (Bmu) R E R Christine Feix, Almut Nagel, Jürgen schulz, Thomas stratenwerth (Bmu) Gestaltung: design idee, büro für gestaltung, erfurt Druck: S Abbildungen: Titelseite: Klaus Westermann/Caro S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S stand: märz 2009 1. Auflage: 10.000 exemplare 2
iNHALT 04 1. KLIMAsCHuTZ uND ANpAssuNG AN DEN KLIMAWANDEL – DIE ZWEI säuLEN DEr DEuTsCHEN KLIMApoLITIK 10 2. DEr MENsCH BEEINFLussT DAs KLIMA 2.1 Bereits verändert: das weltweite Klima 12 2.2 Klimawandel in Deutschland 14 2.3 mit unsicherheiten umgehen 18 20 3. DIE FoLGEN DEs KLIMAWANDELs – WAs KANN GETAN WErDEN? 3.1 Auswirkungen auf Natur und Gesellschaft 22 U Bauwesen 26 Wasserhaushalt, Küsten- und meeresschutz 27 Boden 30 Biologische Vielfalt 31 Landwirtschaft 35 Wald- und Forstwirtschaft 36 Fischerei 37 E Finanzwirtschaft 39 Verkehr 40 I Tourismuswirtschaft 42 3.2 raum- und regionalplanung sowie Bevölkerungsschutz 43 3.3 Die Vielfalt der regionen 45 3.4 Klimaschutz und Anpassung – möglichst beides verbinden 47 48 4. GEWussT WIE – ForsCHuNG HILFT ANpAssuNG 56 5. ANpAssuNG GLoBAL - DEr DEuTsCHE BEITrAG 5.1 Was unternimmt die Weltgemeinschaft? 58 5.2 Was unternimmt die Bundesregierung? 58 60 6. DEr WEG ZuM AKTIoNspLAN 6.1 informieren 62 6.2 Viele Akteure beteiligen 63 66 Glossar 68 informationen im internet 3
Das Klima ändert sich weltweit – von Treibhausgasen verringert sung vorsorgen: Gesellschaft und und damit auch die Lebensbedin- werden, allen voran durch die Natur sollten durch bereits abseh- gungen der Menschen. Wenn es Industrieländer. bare Änderungen so wenig wie nicht gelingt, den globalen Klima- möglich beeinträchtigt werden. wandel zu dämpfen, rechnen Ex- Doch der Klimawandel hat be- Wichtig ist deshalb, deren Ver- perten mit weit reichenden Folgen reits begonnen. Selbst wenn es ge- wundbarkeit (siehe Glossar – Ver- für Umwelt, Gesellschaft und Wirt- lingt, das 2-Grad-Ziel zu erreichen, wundbarkeit) zu verringern und schaft. Deshalb verfolgt Deutsch- wird vieles nicht mehr sein wie sie dabei zu unterstützen, sich land gemeinsam mit den Mitglied- vorher. Ökologische, soziale und flexibel auf die neue Lage einstel- staaten der Europäischen Union wirtschaftliche Folgen sind bereits len zu können. Auch die Chancen, (EU) das Ziel, den Anstieg der glo- heute in vielen Regionen spürbar die sich für einige Bereiche durch balen Durchschnittstemperatur und werden voraussichtlich in den Klimawandel ergeben, dürfen zu begrenzen. Maximal zwei Grad den kommenden Jahren weiter nicht verspielt werden. So können Celsius gegenüber dem vorindus- zunehmen. zum Beispiel im Tourismus, der triellen Temperaturniveau halten Landwirtschaft und der Umwelt- Experten für akzeptabel, um die Um die Schäden möglichst gering technik neue Möglichkeiten ent- Folgen beherrschbar zu halten. zu halten, müssen wir erstens den stehen. Wer rechtzeitig und in an- Um das zu erreichen, muss welt- Klimaschutz weiter voranbringen. gemessener Weise handelt, etwa weit der klimaschädliche Ausstoß Zweitens müssen wir durch Anpas- durch vorausschauendes Planen 6 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
und Bauen, verhindert nicht allein vermeidbare Schäden. Er bewahrt auch kommende Generationen da- vor, einen ungleich größeren Auf- wand treiben zu müssen, um das- selbe Ergebnis zu erzielen. Bei alledem ist eindeutig: Anpas- sungsmaßnahmen können Klima- schutz nicht ersetzen. Steigen die Temperaturen im Treibhaus Erde, steigen auch die Kosten für An- passungsmaßnahmen. Umgekehrt gilt aber auch: Gelangen weniger schädliche Klimagase in die Atmo- sphäre, hilft das, die Anpassungs- kosten gering zu halten. Insofern sind Klimaschutz und Anpas- sung an den Klimawandel un- trennbar miteinander verbun- den: Sie sind zwei Seiten einer Medaille und bilden die beiden tragenden Säulen der deutschen Klimapolitik. Während es beim Klimaschutz eine bezifferbare Zielgröße gibt – nämlich die Menge der Treib- hausgas-Emissionen, die gemin- dert werden muss –, ist das Ziel von Maßnahmen zur Anpassung Das sind komplexe Anforderun- gegeneinander abgewogen wer- weniger leicht fassbar: hier gilt es, gen, bei denen nicht nur eine den. häufig wird der Ursprungs- die Verwundbarkeit natürlicher, Vielzahl von Akteuren und Ent- plan dann umgeschrieben werden gesellschaftlicher und ökonomi- scheidungsebenen eine Rolle spie- müssen. Aus diesem Grund ist es scher Systeme zu verringern. Au- len. Es gibt auch Wechselwirkun- notwendig, dass alle Beteiligten ßerdem soll deren Fähigkeit ge- gen zwischen unterschiedlichen wissen, was die anderen tun und fördert werden, sich auf neue Ver- Sektoren wie etwa der Land- und welche Ziele sie verfolgen. Nur hältnisse einzustellen. der Wasserwirtschaft, so dass der dann können Konflikte erkannt Nutzen für einen Bereich zu uner- und ausgeräumt werden. Gerade wünschten Nebenwirkungen an- weil das Problem so vielschichtig derswo führen kann. Die Wech- ist, ist es unbedingt notwendig, selwirkungen müssen daher nicht strukturiert vorzugehen und für nur aufgedeckt, sondern auftre- Transparenz zu sorgen. tende Vor- und Nachteile auch KLIMASChUTZ UND ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL – DIE ZWEI SÄULEN DER DEUTSChEN KLIMAPoLITIK 7
Die Bundesregierung Die Bundesregierung diese Gefahren eintreten? Erkennt- weist den Weg im Dialog nisse und Informationen müssen demzufolge verständlich aufbe- Einen solch strukturierten Pro- Die Folgen des Klimawandels zu reitet, gut zugänglich und gezielt zess will die Bundesregierung mit bewältigen ist eine gesamtgesell- abrufbar sein. Außerdem sollte der Deutschen Anpassungsstrate- schaftliche Aufgabe, entsprechend klar sein, welche Gegenmaßnah- gie (DAS) fördern. Mit ihrer Un- liegt die Verantwortung auf vie- men möglich sind und wer jeweils terschrift unter die Klimarahmen- len Schultern. Die Deutsche An- zuständig ist. konvention hatte sie sich 1992 passungsstrategie soll den Pro- auch verpflichtet, einen nationa- zess strukturieren und aufzeigen, Bei der Frage, wie sich das welt- len Anpassungsplan zu entwickeln wo der Bund Schwerpunkte setzt. weite Klima ändern wird, stützt und fortlaufend zu aktualisieren. Auch die Bundesländer sind be- sich die Bundesregierung derzeit reits in unterschiedlichen Berei- auf die Vorhersagen, die der Welt- Die Bundesregierung versteht die chen aktiv, in einigen Ländern klimarat IPCC (Intergovernmental Deutsche Anpassungsstrategie liegen schon handlungsleitlinien Panel on Climate Change) 2007 in als Rahmen in einem mittelfristi- vor (siehe „Informationen im In- seinem vierten Sachstandsbericht gen Prozess, bei dem Bund, Län- ternet“, Seite 70/71). Die Bundesre- veröffentlicht hat. Wie es für ein- der, Kommunen und viele weitere gierung schlägt mit der Deutschen zelne Regionen aussehen wird, ist gesellschaftliche Akteure zusam- Anpassungsstrategie vor, wie der dagegen noch weitaus weniger mentragen, wo und wie gehandelt Dialog gestaltet werden kann. klar. Dennoch lassen sich inzwi- werden muss, um spätere Schäden schen auch hier Trends beschrei- zu vermeiden. Darauf aufbauend ben, weil unterschiedliche Model- sollen konkrete Maßnahmen ent- lierungen zu ähnlichen Ergebnis- Weiterforschen und sen kommen. wickelt und umgesetzt werden. bereits handeln Andere europäische Staaten ge- Der vorliegende Bericht zeigt in hen ähnlich vor, und auch die EU- Wer planen und vorsorgen soll, einer zusammenfassenden Be- Kommission hat für April 2009 ein braucht umfassende Informatio- standsaufnahme, welche Konse- Weißbuch zum Thema Anpassung nen. Das gilt für Privatleute, Wis- quenzen für Mensch, Wirtschaft angekündigt. Im Weißbuch sollen senschaftler/innen, Unternehmer/ und Umwelt erwartet werden. Da- – aufbauend auf den Grundgedan- innen, Verwaltungsmitarbeiter/ bei wird deutlich, dass noch er- ken des Grünbuchs der EU-Kom- innen und Politiker/innen glei- heblicher Forschungsbedarf be- mission vom Juni 2007 – Aufga- chermaßen. Damit sie Anpassungs- steht. Doch auch wenn heute die ben und handlungsmöglichkeiten maßnahmen an den Klimawandel Rechnung vielfach mit mehreren auf der Ebene der Europäischen entwickeln können, sind sie auf Unbekannten gemacht werden Union konkretisiert werden. fundierte und fortlaufend aktuali- muss, ist Abwarten keine option. sierte Forschungsergebnisse an- Um vorzusorgen, müssen Anpas- Auf dem Weg der Anpassungsstra- gewiesen: Welche Änderungen sungsmaßnahmen jetzt angegan- tegie orientiert sich die Bundesre- kommen auf bestimmte Regionen gen werden. Wichtig dabei ist, sie gierung an den folgenden Grund- zu, welche Gefahren drohen, und so flexibel anzulegen, dass sie bei sätzen. wie wahrscheinlich ist es, dass einer großen Spannbreite von Kli- 8 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
mafolgen funktionieren und an International Verant- ist der Einfluss auf die Wande- spätere Erkenntnisse und Erforder- rungs- oder Migrationspolitik un- nisse angepasst werden können. wortung übernehmen mittelbar. Die Deutsche Anpas- sungsstrategie setzt sich auch mit In vielen Teilen der Welt wird diesen Fragen auseinander. sich der Klimawandel weit folgen- Maßschneidern – schwerer auswirken als in Deutsch- am besten vor Ort land. Gleichzeitig sind die Mög- lichkeiten, sich zu wappnen – ins- Nachhaltigkeit und An- Für manche Branchen und Regio- besondere für die Menschen in passung ergänzen sich nen Deutschlands eröffnet der Kli- Entwicklungsländern – viel gerin- mawandel neue Chancen, andere ger als bei uns. Deshalb ist Anpas- Die Deutsche Anpassungsstrategie werden vor schwierige herausfor- sung ein zunehmend wichtiger As- ist Teil der Nachhaltigkeitspolitik derungen gestellt. Entsprechend pekt der bilateralen und interna- der Bundesregierung und darin müssen auch die Anpassungsmaß- tionalen Zusammenarbeit. Neben eingebettet. Anpassung und Nach- nahmen ganz unterschiedlich aus- der weltweiten Reduzierung der haltigkeit ergänzen sich inhaltlich. fallen. oft wissen die Leute vor ort Treibhausgas-Emissionen steht das Besonders offensichtlich ist dies am besten, was genau für ihren Thema Anpassung bei den inter- beim Thema „Klima und Energie“ Fall sinnvoll ist, während die Bun- nationalen Klimaverhandlungen – einem der vier Schwerpunkte desebene hier vorwiegend unter- inzwischen ganz oben auf der Pri- im aktuellen Fortschrittsbericht stützend und flankierend wirken oritätenliste. der Bundesregierung zur Nationa- kann. Deshalb setzt die Bundesre- len Nachhaltigkeitsstrategie. Doch gierung darauf, die Eigenverant- Auch in der entwicklungs-, sicher- auch für andere Politikfelder ist wortung und die Anpassungskapa- heits- und umweltpolitischen Zu- die Deutsche Anpassungsstrategie zitäten vor ort zu stärken. sammenarbeit spielt der Anpas- ein wichtiger Faktor. Dazu zählt sungsaspekt inzwischen eine zent- der Erhalt der biologischen Viel- rale Rolle. Wenn mehr Menschen falt oder die Förderung ländlicher aufgrund zunehmender Stürme Räume, um nur zwei Beispiele zu Mehrere Fliegen und Überschwemmungen oder nennen. mit einer Klappe aufgrund von häufigeren Dürren dauerhaft ihre heimat verlassen, Anpassungsmaßnahmen sollten kosteneffizient sein und ihr Auf- wand in vernünftigem Verhältnis zu den Risiken stehen, die sie absi- chern. Außerdem sollten sie nicht isoliert entwickelt werden, son- dern möglichst gleichzeitig noch weitere sinnvolle Ziele verfolgen. Denn was dem einen nützt, kann dem anderen schaden. Deshalb müssen alle Maßnahmen stets im Blick behalten, dass sie auch Aus- wirkungen auf andere Lebens- und Wirtschaftsbereiche haben kön- nen. Bestenfalls lässt sich bei recht- zeitigem Austausch eine Lösung finden, die für alle gut oder zumin- dest für niemanden schlecht ist. KLIMASChUTZ UND ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL – DIE ZWEI SÄULEN DER DEUTSChEN KLIMAPoLITIK 9
menschliche Einflüsse zurück. Vor decken schrumpfen weltweit, der 2.1 Bereits verändert: allem seit 1950 zeigt die Trendkur- Meeresspiegel stieg im 20. Jahr- das weltweite Klima ve steil nach oben. Auf der Nord- hundert um durchschnittlich halbkugel lagen die Durchschnitts- 17 Zentimeter. temperaturen in der zweiten Jahr- In den vergangenen 100 Jahren ist hunderthälfte sehr wahrscheinlich es auf der Erde wärmer geworden. höher als während jedes anderen Das erwartet der Seit Anfang des 20. Jahrhunderts 50-Jahr-Zeitraums in den vergan- stieg die globale Jahresmitteltem- genen 500 Jahren. Wahrscheinlich Weltklimarat peratur um 0,74 Grad Celsius (°C). überstiegen sie sogar die Werte Der Weltklimarat, der auch unter der letzten 1300 Jahre oder sogar Entlässt die Menschheit weiter un- seiner englischen Abkürzung IPCC eines noch längeren Zeitraumes. gebremst klimaschädliche Gase in bekannt ist, führt das mit „sehr (Quelle: Intergovernmental Panel die Atmosphäre, erwarten Wissen- hoher Wahrscheinlichkeit“ – das on Climate Change, IPCC 2007, schaftlerinnen und Wissenschaft- heißt mit einer Wahrscheinlich- SPM WG I, S.10, dt. Fassung) ler einen Temperaturanstieg bis keit von mehr als 90 Prozent – auf Gebirgsgletscher und Schnee- Entwicklung der Durchschnittstemperaturen 1850 - 2005 (Abbildung 1) so entwickelten sich weltweit die Durchschnittstemperaturen von 1850 bis 2005 (blaue Linie). Der lineare Trend seit 1850 (schwarze Linie), seit 1900 (gelbe Linie) und seit 1950 (rote Linie) wird immer steiler. Die Trendkurve (polynomische Anpassung der Zeitreihe) zeigt den dramatischen Anstieg seit ende der siebziger Jahre (schwarze Kurve). Datenquellen: www.metoffice.gov.uk/hadobs sowie Deutscher Wetterdienst (DWD) 12 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – die Deutsche Anpassungsstrategie
Auch die Stärke und die Vertei- lung der Niederschläge werden sich sehr wahrscheinlich ändern: Während es in höheren Breiten vermutlich feuchter wird, regnet es in den meisten subtropischen Landregionen weniger. Damit zum Ende des Jahrhunderts um schmilzt weiter, und einige Model- würde sich ein Trend fortsetzen, 1,8 bis 4,0 Grad Celsius (°C) – eini- le gehen davon aus, dass es in der der bereits zu beobachten ist. ge Experten halten sogar 6,4 Grad zweiten hälfte unseres Jahrhun- Celsius für möglich. derts während des Sommers fast Darüber hinaus berechnen die Kli- ganz verschwindet. Unter ande- mamodelle voraus, dass hitzewel- Am wärmsten wird es vermutlich rem dadurch könnte der Meeres- len, lokale Starkniederschläge und über dem Festland und in den spiegel steigen – bis zum Jahr Wirbelstürme häufiger und noch Polarregionen. Das arktische Eis 2100 um 18 bis 59 Zentimeter. heftiger werden könnten. Erwärmung der Erdoberfläche – szenarien (Abbildung 2) so stark erwärmt sich die erdoberfläche in den szenarien A2, A1B und B1 (siehe Glossar – sres-szenarien). Wären die Treibhausgas-emissionen auf dem Niveau des Jahres 2000 eingefroren worden, wäre die orange Linie zu erwarten gewesen. Die grauen Balken rechts zeigen die wahrscheinliche Bandbreite des Temperaturanstiegs, wie sie die sechs sres- szenarien prognostizieren (ipCC 2007). DER MENSCh BEEINFLUSST DAS KLIMA 13
2.2 Klimawandel wurde in Mecklenburg-Vorpom- wesentlich voller werden als frü- in Deutschland mern nur ein Plus von 0,4 Grad Celsius gemessen. her, ist es im Juli und August durchschnittlich trockener. Zwar registrierten die Forscherinnen Seit 1901 ist die Durchschnittstem- Zudem regnet es inzwischen mehr. und Forscher in den Wintermona- peratur in Deutschland um knapp Um etwa neun Prozent nahmen ten ebenfalls mehr Niederschläge 0,9 Grad Celsius (°C) gestiegen. die Niederschläge seit Anfang des – doch das ist wegen der großen Von 1990 bis 1999 registrierten 20. Jahrhunderts zu, haben die Me- Unterschiede von Jahr zu Jahr sta- die Meteorologen das wärmste teorologinnen und Meteorologen tistisch noch nicht eindeutig. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. festgestellt. Besonders feucht war es Bei alldem gibt es regional große Vor allem im Südwesten Deutsch- in den vergangenen 15 Jahren – mit Unterschiede. So nahm die Gesamt- lands zeigten die Thermometer nur vier Ausnahmen. regenmenge vor allem in West- höhere Werte – im Saarland wa- deutschland in den letzten Jahren ren es durchschnittlich 1,2 Grad Während heutzutage die Regen- zu, während sie sich in ostdeutsch- Celsius mehr im Jahr. Dagegen tonnen im Frühjahr bis zum Juni land kaum verändert hat. Aller- Entwicklung der Durchschnittstemperaturen 1961 - 1990 in °C (Abbildung 3) so entwickelte sich die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland (blaue Kurve), der lineare Trend (orange Linie) und die Trendkurve (gestrichelte rote Linie). Der mittelwert der Jahre 1961 bis 1990 gilt als referenzwert, um Abweichungen zu berechnen (rosa Linie). Quelle: DWD, 2007, www.dwd.de/presse 14 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
dings regnet es dort im Winter mehr – und im Sommer weniger. In Deutschlands Zukunft blicken Und wie geht es weiter? Die glo- werden auch Verfahren zur Re- res räumliches Gitter mit Abstän- balen Klimamodelle sind zu grob- gionalisierung eingesetzt. Einige den von bisher minimal zehn Kilo- maschig, um daraus genaue regio- übertragen beobachtete Klima- metern. Für Deutschland werden nale Vorhersagen abzuleiten. Min- informationen von Klimastationen heute die vier regionalen Klima- destens 120 Kilometer breit ist die in die Zukunft, andere verfeinern modelle REMo, CLM, WETTREG horizontale Gitterweite, manch- die weltweiten Berechnungen und STAR (siehe Glossar – Regio- mal betragen die Abstände sogar mit hilfe von physikalisch-nume- nales Klimamodell) genutzt. mehr als 200 Kilometer. Deshalb rischen Verfahren auf ein kleine- Erwärmung der Erdoberfläche in °C – szenarien (Abbildung 4) so ändert sich nach Berechnungen der regionalmodelle remO und WeTTreG die Jahres- mitteltemperatur in Deutschland in den szenarien A2, A1B und B1 (siehe Glossar – sres- szenarien) – verglichen mit dem mittelwert aus den Jahren 1961 bis 1990. Das Globalmodell eCHAm 5 liefert die eingangsdaten. DER MENSCh BEEINFLUSST DAS KLIMA 15
Welchen Temperaturanstieg die Jahren des Jahrhunderts könnten derts in den Mittelgebirgsregio- zwei regionalen Klimamodelle es dann sogar 1,5 bis 3,5 Grad nen von Rheinland-Pfalz, hessen (REMo und WETTREG) für mehr sein als im Referenzzeitraum und im Nordosten Bayerns bis zu Deutschland erwarten, zeigt Ab- 1961 bis 1990. 70 Prozent mehr Wasser vom him- bildung 4. Die Klimawissenschaft- mel kommen könnte. lerinnen und -wissenschaftler ha- Besonders deutlich könnte sich ben dabei jeweils mit den gleichen der Klimawandel bei den Nieder- Die Vergleichsstudien von WETT- drei Emissionsszenarien des Welt- schlägen bemerkbar machen. Ver- REG und REMo nehmen an, dass klimarats gerechnet, so dass die mutlich bleiben die Mengen zwar das Thermometer künftig an drei- Ergebnisse vergleichbar sind. Der aufs Jahr gerechnet einigermaßen mal so vielen Tagen über 30 Grad Trend ist eindeutig: Es wird sehr konstant. Doch im Sommer kann zeigen könnte wie zwischen 1961 wahrscheinlich insbesondere im es künftig bis zu 40 Prozent weni- und 1990 (siehe www.umwelt- Winter wärmer. Um wie viel Grad ger regnen. Davon besonders stark bundesamt.de/klimaschutz/index. hängt vor allem davon ab, wie betroffen könnte erneut der Süd- htm). Außerdem erwarten die Ex- stark die Menschheit das Treib- westen sein. Der Winter könnte perten, dass Wolkenbrüche künf- haus Erde weiter anheizt. Die Ex- dagegen – je nach Modell – null tig noch mehr Regen bringen perten rechnen im Jahresdurch- bis 40 Prozent mehr Niederschlag könnten als heute. Bei Stürmen schnitt mit einem Plus von 0,5 bis bringen. Das Modell WETTREG sind sie sich noch zu unsicher, um 1,5 Grad Celsius für den Zeitraum geht sogar davon aus, dass in den klare Aussagen zu treffen. 2021 und 2050. In den letzten 30 Wintern zum Ende dieses Jahrhun- Vergleich der Modellrechnungen: Jahresmitteltemperatur (Abbildung 5) so ändern sich laut den regionalen Klimamodellen remO, CLm, WeTTreG und sTAr die jähr- lichen Durchschnittstemperaturen, wenn die menschheit so viele Klimagase ausstößt wie im szenario A1B. Die oberen Bilder zeigen die Berechnungen für die periode 2021 bis 2050, die Bilder unten für den Zeitraum 2071 bis 2100. Der Nullpunkt errechnet sich wieder aus dem referenzzeitraum 1961 bis 1990. Modellvergleich: Jahresmitteltemperatur für 2021/2050 änderung im Vergleich zu 1961/1990 für 2071/2100 Emissionsszenario A1B Datenquelle: remO: mpi-m i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / CLm: mpi-m/maD i.A. des BmBF, 2007 / WeTTreG: meteo research i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / sTAr: piK potsdam, 2007 16 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
Modellvergleich: Mittlere Niederschlagsmenge im sommer (Abbildung 6) S Modellvergleich: mittlere Niederschlagsmenge – sommer für 2021/2050 änderung im Vergleich zu 1961/1990 für 2071/2100 Emissionsszenario A1B Datenquelle: remO: mpi-m i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / CLm: mpi-m/maD i.A. des BmBF, 2007 / WeTTreG: meteo research i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / sTAr: piK potsdam, 2007 Modellvergleich: Mittlere Niederschlagsmenge im Winter (Abbildung 7) Modellvergleich: mittlere Niederschlagsmenge – Winter für 2021/2050 änderung im Vergleich zu 1961/1990 für 2071/2100 Emissionsszenario A1B Datenquelle: remO: mpi-m i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / CLm: mpi-m/maD i.A. des BmBF, 2007 / WeTTreG: meteo research i.A. des umweltbundesamtes, 2006 / sTAr: piK potsdam, 2007 DER MENSCh BEEINFLUSST DAS KLIMA 17
2.3 mit unsicherheiten Um mit diesen Unsicherheiten umzugehen und dabei handlungs- Wie geht die Bundes- umgehen fähig zu bleiben, wurden Emissi- regierung vor? onsszenarien vereinbart, die der „Prognosen sind schwierig, beson- Weltklimarat definiert hat. Diese Die Bundesregierung wird bei ders wenn sie die Zukunft betref- Szenarien beschreiben mögliche ihren Planungen und Entschei- fen“, soll schon der Schriftsteller Entwicklungen der menschlichen dungen die Spannbreiten und Un- Mark Twain gesagt haben. Wer Gesellschaft und unserer Umwelt. sicherheiten einkalkulieren und über die Zukunft spricht, hat stets Sie bilden die Randbedingungen sich nicht auf einzelne Modell- Unsicherheiten zu berücksichti- für die Klimamodellierung. Doch ergebnisse stützen. Eine Zusam- gen. Bei den globalen und regi- klar ist: Die Modelle können immer menschau von verschiedenen Mo- onalen Klimamodellen bedeutet nur Annäherungen an die Wirk- dellierungsergebnissen wird die das: Mehrere schwer abzuschät- lichkeit sein, denn das echte Klima Basis für Entscheidungen bieten. zende Faktoren könnten sich letzt- ist weitaus komplizierter. Sämtliche Der globale Wandel vollzieht sich endlich gegenseitig ausgleichen – Faktoren des Systems „Klima“ abzu- durch gesellschaftliche Än-de- oder auch aufaddieren. bilden ist unmöglich. rungen und den Klimawan- del sehr rasch. Daher ist es künftig Wie viele Treibhausgase künftig Je ferner man in die Zukunft blickt nicht mehr sinnvoll, von der Ver- in die Atmosphäre gelangen wer- und je kleiner der regionale Aus- gangenheit auf die Zukunft zu den, hängt von vielen Einflüssen schnitt ist, desto unsicherer wer- schließen, wie es bisher ausreich- ab und ist insofern nicht vorher- den die Prognosen. Dagegen er- te. Wahrscheinliche und mögliche sagbar. hier spielt hinein, wie sich höht sich die Wahrscheinlichkeit, Entwicklungen müssen jetzt mit- Bevölkerung, Wirtschaft und Ener- die Wirklichkeit zu treffen, wenn bedacht werden. Die Bundesre- giepreise entwickeln, wie das Land mehrere Modelle übereinander ge- gierung wird Anpassung so anle- genutzt wird und inwieweit sich legt werden können. In Deutsch- gen, dass sie auch bei unterschied- Technologien für geringen Treib- land gibt es immerhin vier Regi- lichen Entwicklungen des Klimas hausgas-Ausstoß durchsetzen kön- onalmodelle, mit denen jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr nen. Auch ist derzeit nicht sicher drei Emissionsszenarien durchge- Ziel erreicht. zu bestimmen, wie klimawirksam rechnet wurden. Weitere Berech- verschiedene Treibhausgas-Emissi- nungen werden folgen. onen tatsächlich sind. 18 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
So sollte künftig geplant werden – zum Beispiel in der Wasserwirtschaft Zu bevorzugen sind Maßnahmen, schließlich sind synergien anzu- die flexibel sind und bei denen streben – also zu nutzen, dass un- nachgesteuert werden kann. so terschiedliche faktoren zusam- sollte der technische hochwasser- menwirken und eine Maßnahme schutz – zum beispiel durch Dei- in unterschiedlichen bereichen che – durch hochwasservorsorge eine gewünschte Wirkung bringt. ergänzt werden. Dazu gehört, in Dem Wasser mehr raum zu ge- überschwemmungsgefährdeten ben, indem flächen von bebauung bereichen hochwasserangepasst oder Versiegelung freigehalten zu bauen, regenwasser zu versi- werden, fördert beispielsweise die ckern und hochwasser-Warnsys- Grundwasserneubildung. Zugleich teme einzurichten. trägt dies aber auch dazu bei, dass ein hochwasser nicht noch zusätz- außerdem sollte gefördert wer- lich durch den direkten abfluss den, was extremereignisse wie von versiegelten flächen genährt hoch- und niedrigwasser abmil- wird oder dass keine zusätzlichen dert. Dies ist möglich, wenn alte Werte wie häuser oder unterneh- flussarme wieder angeschlossen men in Überschwemmungsgebie- oder Deiche rückverlegt werden. ten angesiedelt werden. Donau mit altem Flussarm Der Mensch beeinflusst Das KliMa 19
Die FOLGeN Des KLimAWANDeLs – WAs KANN GeTAN WerDeN? 20
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Der Klimawandel zeigt sich bedingt zu berücksichtigen. Die in vielfältiger Form Auswirkungen des Klimawandels müssen gesamtheitlich betrachtet ˘ Manche Veränderungen durch den Klimawandel entwickeln und Lösungen ebenso erarbeitet sich stetig und sind daher überwiegend mittelfristig spürbar: Bäu- werden. Orientierungspunkt sollte me blühen zeitiger im Jahr, und Vögel brüten früher. In vielen Re- dabei stets die Nachhaltigkeit sein, gionen müssen die Menschen im Winter bereits weniger heizen. das heißt solche Lösungen zu fin- den, die gleichzeitig für Natur, Ge- ˘ Starkregen, Stürme und Sturmfluten, extreme Hitze- und lange sellschaft und Wirtschaft zukunfts- Trockenperioden werden voraussichtlich häufiger und extremer fähig sind. auftreten als früher und können zu mehr Hoch- oder Niedrig- wasser, Waldbränden und Hitzestress führen. ˘ Schließlich ist mit einer zunehmenden Klimavariabilität (sie- 3.1 Auswirkungen auf he Glossar – Klimavariabilität) zu rechnen. Das bedeutet, dass die Natur und Gesellschaft zeitlichen und räumlichen Schwankungen des Klimas zunehmen. Auch das kann kurzfristig enorme Schäden verursachen, wenn Der Klimawandel kann vielfältige Dürren beispielsweise in so kurzen Abständen auftreten, dass sie Auswirkungen haben. Bisher kön- Land- und Forstwirtschaft überfordern. nen diese Folgen oft nur qualita- tiv – also nicht mit messbaren Da- ten – beschrieben oder aber durch Modellannahmen vorhergesagt werden. Um Veränderungen nach- Die Folgen des Klimawandels sind von anderen langfristigen Verän- zuweisen, ist deshalb ein auf Dau- regional sehr unterschiedlich und derungen, zum Beispiel der Be- er angelegtes Klimafolgen-Monito- können sich negativ, aber durch- völkerungsentwicklung oder der ring notwendig. Ob Anpassungs- aus auch positiv auswirken. An- Siedlungsstruktur. Da sich solche maßnahmen erfolgreich sind, lässt haltende Trockenperioden bedro- Faktoren auch wechselseitig be- sich ebenfalls nur durch zuverläs- hen einerseits Ernten, andererseits einflussen, gilt es, dies in den ver- sige Datenreihen kontrollieren. gedeihen aufgrund neuer klimati- schiedenen Politikbereichen un- scher Bedingungen jetzt auch Sor- ten, für die es vorher zu nass oder zu kalt war. An der deutschen Nord- und Ostseeküste wird mit durchschnittlich höheren Tempe- raturen gerechnet, und die Touris- musbranche geht von einer länge- ren Saison aus. Gleichzeitig ist die Wintersaison in den Alpen durch Schneemangel gefährdet, andere Arten des Tourismus geraten hier in den Blickpunkt. Wie sich Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt entwickeln, hängt allerdings nicht allein vom Kli- mawandel ab, sondern ebenso 22 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSCHE ANPASSUNGSSTRATEGIE
Bundesländer haben ein Biomonitoring- System entwickelt Unter der Federführung von Schleswig-Holstein, Baden-Württem- berg und Hessen haben die Bundesländer ein Klima-Biomonito- ring-System entwickelt. Es soll zum einen helfen, dass Frühwarn- signale wahrgenommen werden. Zum anderen können Verbän- de oder andere Interessierte Datensammlungen und Auswertun- gen nutzen, um damit anschließend weiterzuarbeiten. Unsere Gesundheit Das Konzept wurde im Jahr 2006 mit allen Bundesländern, dem Durch den Klimawandel können Umweltbundesamt, dem Bundesamt für Naturschutz und dem möglicherweise sowohl Infektio- Deutschen Wetterdienst abgestimmt. Die erprobten und abgesi- nen als auch nicht übertragbare cherten Beobachtungsmethoden sind eine solide und gut geeig- Krankheiten wie Herz-Kreislauf- nete Grundlage für die Praxis. In mehreren Bundesländern lau- Erkrankungen und Allergien zu- fen bereits konkrete Projekte. nehmen. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass mehr Menschen verletzt werden, wenn extreme Wärmeres Klima kann auch dazu starben allein in Deutschland rund Wetterereignisse – wie Stürme und führen, dass sich zum Beispiel die 7.000 Menschen an Herzinfarkt, Hochwasser – häufiger auftreten. „asiatische Tigermücke“ bei uns Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nie- etabliert – sie überträgt unter an- renversagen, Atemwegsproblemen derem das Dengue-Fieber. Auch und Stoffwechselstörungen als Fol- Infektionen breiten der durch Sandmücken übertrage- ge der hitzebedingten Belastungen. sich aus ne Krankheitserreger der Leishma- niose wurde bereits nachgewiesen. An der Ostseeküste und in Binnen- In einem milden Klima können seen fördern milde Temperaturen, sich nicht nur bereits vorhandene verknüpft mit Nährstoffanreiche- Krankheitserreger besser ausbrei- Extremwetter und nicht rungen, die Blüte giftiger Blaual- ten. Auch bisher in Deutschland übertragbare Krankheiten gen. Durch den Kontakt mit den nicht heimische Erreger könnten Blaualgen können nicht nur Haut-, sich hier neu ansiedeln. Bei stei- Starkniederschläge, Hochwasser, Magen- und Darmirritationen, genden Temperaturen verderben Stürme, Lawinen und Erdrutsche sondern unter Umständen sogar Lebensmittel außerdem schneller können Menschen verletzen oder schwere Gesundheitsschäden an und führen so häufiger zu Magen- sogar töten. Im Hitzesommer 2003 der Leber auftreten. Darm-Infektionen – etwa durch Salmonellen. Bereits vorhandene Krankheitser- reger, die sich möglicherweise in einem milderen Klima besser aus- breiten, sind Hantaviren, die von Nagetieren, oft durch Rötelmäu- se, übertragen werden. Eine An- steckung beispielsweise über die Ausscheidungen der Tiere kann zu Fieber bis hin zu Nierenversa- gen führen. Ein anderes Beispiel sind Borrelien oder Frühsommer- Meningo-Enzephalitis-Viren (FSME- Viren), deren Überträger Zecken sind. Diese finden bei wärmeren Jahrestemperaturen günstigere Le- bensbedingungen vor. DIE FOLGEN DES KLIMAWANDELS – WAS KANN GETAN WERDEN? 23
Weiterhin möglich wäre als Folge aufgrund einer verstärkten Son- nur die bestehenden Überwa- des Klimawandels ein weiterer An- neneinstrahlung erhöhen. Nicht chungssysteme anzupassen, son- stieg allergischer Erkrankungen, zuletzt beeinträchtigen auch ne- dern es geht auch darum zu ver- insbesondere aufgrund einer ver- gative Veränderungen von Erho- stehen, wie sich klimasensitive änderten Verteilung von Pollen. lungsräumen und des Stadtklimas Krankheitserreger oder deren Das Bundesministerium für Ernäh- das Wohlbefinden. Inwieweit aller- Überträger bei uns verhalten und rung, Landwirtschaft und Verbrau- dings die Erwärmung der Atmo- ausbreiten. Darauf aufbauend cherschutz hat 2007 einen Akti- sphäre tatsächlich einen Einfluss müssen die Expertinnen und Ex- onsplan gegen Allergien gestartet, auf nicht übertragbare Krankhei- perten überlegen, wie sie solche um den Alltag von Allergikerinnen ten in Deutschland hat oder in Zu- Infektionen besser erkennen kön- und Allergikern zu erleichtern. kunft haben wird, ist zum jetzigen nen, wie sie infizierte Menschen hier ist allen voran das vom Julius- Zeitpunkt noch unbekannt. am besten behandeln und ob sich Kühn-Institut (JKI) koordinierte möglicherweise Impfstoffe entwi- Programm Ambrosia zu nennen ckeln lassen. (siehe www.jki.bund.de/ambrosia). Vorsorge braucht Information Bei den nicht übertragbaren Krank- Es ist auch mit einem verstärkten heiten ist zu beachten, dass sie in Auftreten von Atembeschwerden Um Gefahren durch eingeschlepp- der Regel nicht allein den Folgen zu rechnen, die durch bodenna- te Krankheitserreger in den Griff des Klimawandels zugeschrieben hes ozon während sommerlicher zu bekommen, müssen Fachbehör- werden dürfen. Auch der persön- hochdruck-Wetterlagen begüns- den und Forschungsinstitutionen liche Lebensstil und das eigene tigt werden. Darüber hinaus könn- zusammenarbeiten und gemein- Gesundheitsverhalten wie Ernäh- te sich das Risiko für hautkrebs sam vorsorgen. Dabei sind nicht rungs- und Bewegungsgewohnhei- ten, Tabak- und Alkoholkonsum oder die Lärmbelastung im Wohn- gebiet beeinflussen die individuel- le Gesundheit. Um die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit abschätzen und wirksame Maß- nahmen ergreifen zu können, gilt es daher, gezielt Daten zu erheben und diese auszuwerten sowie die wichtigen Ergebnisse an Fachleu- te und die Öffentlichkeit zu ver- mitteln. Bund und Länder sollten darüber hinaus sowohl die Bevölkerung allgemein sowie einzelne Risiko- gruppen – wie Kinder und Ältere – als auch Multiplikatoren wie das medizinische Personal, Pflegekräf- te und die Beschäftigten im Kata- strophenschutz über grundsätz- Vorsorgeuntersuchung gegen Hautkrebs 24 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
liche Vorsorgemöglichkeiten ge- Menschen zu Schaden kommen. wie „Kälteinseln“. Deshalb sollten genüber Folgen des Klimawandels Der Deutsche Wetterdienst (DWD) Kommunen darauf verzichten, Frei- informieren. Zum Beispiel sollte informiert die Länder und bei Be- flächen durch neue Straßen, Park- verstärkt darüber aufgeklärt wer- darf auch die Landkreise über be- plätze und häuser zu versiegeln. den, wie hitzeschäden am besten vorstehende hitzeperioden oder zu vermeiden sind. Das Robert- drohenden Starkregen. Damit die Darüber hinaus müssen insbeson- Koch-Institut beschäftigt sich im Nachrichten rechtzeitig in Kran- dere Krankenhäuser sowie Pflege- Auftrag des Bundes mit diesen Fra- kenhäusern, Kindertagesstätten und und Seniorenheime dafür sorgen, gen. Darüber hinaus werden die beim Katastrophenschutz ankom- dass ihre Gebäude ausreichend Auswirkungen des Klimawandels men, muss der Informationsfluss gegen Kälte und hitze gedämmt im Aktionsprogramm Umwelt und noch weiter verbessert werden. sind und sie über klimafreund- Gesundheit (APUG) aufgegriffen. liche – also möglichst passive – Dieses Aktionsprogramm wird von Kühlmöglichkeiten verfügen. den drei Bundesministerien getra- Gesundheit braucht gen, die für Umwelt, Gesundheit eine gute Umgebung und Verbraucherschutz zuständig sind (www.apug.de). Insbesondere Architektur sowie Stadt- und Land- die Information der Öffentlichkeit schaftsplanung haben einen gro- und eine verbesserte Zusammen- ßen Einfluss darauf, ob sich die arbeit der zuständigen Stellen sind Wärme – vor allem in bebauten zentrale Zielsetzungen des Pro- Gebieten – staut. Um hitzestress gramms. zu verhindern, sollten insbesonde- re in Ballungszentren offene, un- Gut funktionierende Frühwarn- verbaute Frischluftkorridore exis- systeme mindern die Risiken, dass tieren. Auch Grünanlagen wirken DIE FoLGEN DES KLIMAWANDELS – WAS KANN GETAN WERDEN? 25
Niedrigenergiehaus in Nordrhein-Westfalen S 26 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
Wasserhaushalt, Küsten- und Meeresschutz Der Wasserhaushalt in Deutsch- land könnte künftig auf vielfälti- ge Weise vom Klimawandel be- troffen sein: Es ist mittelfristig mit Veränderungen bei den Wasser- mengen und der Gewässergüte zu rechnen. Veränderte Regen- und Schneemengen übers Jahr führen Deichbau an der Elbe zu veränderten Grundwasserstän- den und veränderten Abflussmen- gen. Ändert sich der Wasserstand in den Flüssen und Bächen, beein- Folgen für den Wasserhaushalt flusst das außerdem die Wasser- ˘ Häufigere und heftigere Starkniederschläge werden erwar- qualität – was wiederum wegen tet. Das Hochwasserrisiko steigt damit voraussichtlich. Und wenn der Fische und anderer Lebewe- es künftig weniger schneit, fließen die winterlichen Niederschläge sen wie auch hinsichtlich der Auf- rascher ab. Auch Sturmfluten könnten zunehmen. bereitung von Trinkwasser zu be- achten ist. Hinzu kommt ein wahr- ˘ Aufgrund der prognostizierten zunehmenden, meist sommer- scheinlich steigendes Risiko durch lichen Trockenheiten könnten Flüsse und Bäche häufiger wenig Extremereignisse wie Hochwas- Wasser führen. Frühere Schneeschmelzen in den Alpen verrin- ser, Sturmfluten oder Dürren. Und gern in Rhein und Donau den Ausgleich der Niedrigwasserzeiten schließlich könnten sich dadurch während der Sommermonate. Neben ökologischen Schäden sind die bereits bestehenden regiona- auch Probleme für die Kühlwasserversorgung und die Schifffahrt len Unterschiede, wie viel Wasser zu erwarten. zur Verfügung steht, verstärken. ˘ Die Wasserqualität von Grund- und Oberflächenwasser ist be- Das Zusammenspiel der Gewässer- droht. Starkregen und Hochwasser können Pestizide, Dünger, In- nutzungen ist komplex. Folglich dustriechemikalien und Krankheitserreger aus Kanalisationen in sind auch die Erfordernisse viel- Gewässer schwemmen. fältig, wie sich Wasserwirtschaft, Hochwasser- und Küstenschutz an ˘ Wenn sich die Flüsse und Seen erwärmen, sinkt ihr Sauerstoff- den Klimawandel anpassen müs- gehalt. Für darin lebende Tiere und Pflanzen bedeutet dies Stress sen. Für den Vollzug zuständig – zusätzlich zum ohnehin schon niedrigen Wasserstand. Außer- sind für alle diese Bereiche die dem lösen sich bei höheren Temperaturen leichter Schadstoffe, Bundesländer. die vorher an Sedimente gebunden waren. ˘ Es ist nicht auszuschließen, dass es zeitlich und regional be- grenzt zu Engpässen bei der Trinkwasserversorgung kommt. Auch ein höherer Aufwand bei der Aufbereitung ist einzukalkulieren. DIE FOLGEN DES KLIMAWANDELS – WAS KANN GETAN WERDEN? 27
Flussgebiete sprechende Maßnahmenprogram- lichst gut umzusetzen. Ferner ko- bewirtschaften me zu entscheiden hat, sollte auf- ordiniert der Bund die deutsche grund der bestehenden Unsicher- Position in den internationalen Die europäische Wasserrahmen- heiten diejenigen Alternativen Flussgebieten, an denen Deutsch- richtlinie hat zum Ziel, den guten wählen, die bei unterschiedlichen land Flächenanteile besitzt – Do- Zustand aller Gewässer zu errei- Klimafolgen gut und sicher funk- nau, Rhein, oder, Ems, Elbe, Maas chen. Dazu ist eine integrierte Be- tionieren und die die natürliche und Mosel. Der Bund unterstützt wirtschaftung von Flussgebieten Anpassungsfähigkeit der Gewäs- zudem die Länder durch die Ge- festgelegt, die sowohl den Schutz ser erhalten oder stärken. Dazu meinschaftsaufgabe „Verbesse- als auch die Nutzungen der Ge- gehört zum Beispiel, Auen zu re- rung der Agrarstruktur und des wässer einbezieht – auch über naturieren oder Rückhalteflächen Küstenschutzes“ (GAK), damit Staatsgrenzen hinweg. ob die be- für hochwasser auszuweisen. Ein sie Maßnahmen im Binnenland reits bestehenden Monitoring-Pro- wichtiger Schritt in Richtung An- und an der Küste umsetzen kön- gramme der Wasserrahmenrichtli- passung soll mit dem neuen Was- nen. Darüber hinaus fördert der nie ausreichen, die Auswirkungen serhaushaltsgesetz gemacht wer- Bund Küstenschutzmaßnahmen, des Klimawandels auf die Gewäs- den. In dem Gesetz soll festgelegt die durch den Klimawandel not- ser zu erfassen, muss noch geprüft werden, dass eine Mindestwasser- wendig werden, im Zeitraum von werden. Die ebenfalls europäische führung in Flüssen und Bächen 2009 bis 2025 mit zusätzlichen hochwasserrisiko-Managementricht- gewährleistet werden muss. Das 380 Millionen Euro. linie hat zum Ziel, die Risiken, die könnte auch dazu führen, dass die durch Überflutungen und hochwas- Entnahme von Wasser zeitweise ser entstehen können, zu verringern eingeschränkt wäre. Infrastruktur anpassen und Schäden zu mindern. Der Bund unterstützt Forschungs- Wie angemessene Kanalsysteme, Wer in den Flussgebieten über vorhaben, um die Wasserrahmen- Wasserspeicher und Anlagen zur Bewirtschaftungspläne, hochwas- richtlinie und die hochwasser- Trinkwasseraufbereitung künftig sermanagementpläne und ent- risiko-Managementrichtlinie mög- aussehen, hängt von vielen Fakto- ren ab. Neben dem Klimawandel ist auch zu beachten, wie sich die Bevölkerung entwickelt oder wie künftig die Landflächen genutzt werden. Ziel muss es sein, zu ver- meiden, dass in Trockenzeiten Versorgungsengpässe auftreten, das Wasser verkeimt oder Misch- kanalisationen, die häusliche Ab- wässer und Abfluss von versiegel- ten Flächen abführen, bei Starkre- gen überlaufen. Um das zu verhin- dern, sieht der Entwurf des neu- en Wasserhaushaltsgesetzes vor, dass Niederschlagswasser künftig ortsnah versickert, verrieselt oder über eine Kanalisation ohne Ver- mischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet wird. Talsperren und Rückhaltebecken 28 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
Küstenschutz auf der insel sylt speichern nicht nur Trinkwasser, sondern erzeugen oft auch Strom. Außerdem lassen sich mit ihnen die Wasserstände talabwärts regu- lieren, so dass Niedrig- und hoch- wassersituationen ausgeglichen werden können. Damit auch in Zeiten des Klimawandels all das möglich bleibt, müssen Talsperren entsprechend zeitlicher und räum- licher Anforderungen betrieben werden. Wasser effizient nutzen Insgesamt wird es in Deutschland auch künftig genug Wasser geben. gen können. Die Bundesregierung Auch hier greifen europäische und Allerdings kann es in manchen Ge- kann die unterschiedlichen Akteu- nationale Aktivitäten ineinander: genden vorkommen, dass es eine re und die Bevölkerung allgemein Im Juli 2008 trat die europäische Weile lang zu wenig Grundwasser informieren. Im besten Fall aber Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie oder oberflächenwasser gibt, um stellen die Gemeinden und Städte in Kraft. Deutschland hat im okto- gleichzeitig alle Nutzer zufrieden vor ort fest, wo es konkrete Gefah- ber 2008 die Europäische Meeres- zu stellen. In diesen Fällen kann es renstellen gibt. Und sie informie- schutzstrategie durch eine Natio- sinnvoll sein, die Nachfrage bes- ren Bürgerinnen, Bürger und Be- nale Strategie für die nachhaltige ser zu koordinieren. Grundsätzlich triebe darüber, was sie beitragen Nutzung und den Schutz der Mee- sollten Unternehmen und Kraft- können, um diese Gefahren vor- re konkretisiert. Zentrales Anlie- werke für ihre Produktion oder die sorglich zu entschärfen, und was gen dabei ist, alle Politikbereiche Kühlung prüfen, ob Techniken ver- sie bei Starkregen am besten tun einzubeziehen, die in irgendeiner wendet können, die Wasser effizi- sollten. Darüber hinaus können Form die biologische Vielfalt im ent verwenden, oder ob beispiels- Satzungen vorschreiben, Rückstau- Meer beeinträchtigen. weise Regenwasser für Produkti- klappen für Gebäudeanschlüsse onsabschnitte in der Industrie ge- einzubauen. Auch kann es erfor- Darüber hinaus arbeitet Deutsch- nutzt werden kann. Auch in der derlich sein, die Kanalisation um- land im Rahmen der internationa- Landwirtschaft existieren längst zubauen, um Überflutungen zu len Zusammenarbeit zum Schutz Methoden für eine verlustarme Be- verhindern. von Nordostatlantik (oSPAR) und wässerung. Außerdem kann gerei- ostsee (hELCoM) seit Jahren da- nigtes und mikrobiologisch ein- ran, dem Klimawandel in der Mee- wandfreies Abwasser auf Felder ge- Meere weltweit schützen resschutzpolitik Rechnung zu tra- bracht werden. gen. Die Bundesregierung drängt Das Treibhausgas Kohlendioxid in darauf, gut geführte und ausrei- der Atmosphäre ist ein Grund da- chend große Schutzgebiete einzu- Vorsorge gegen Hoch- für, dass die Meere wärmer wer- richten. Weil Tiere und Pflanzen wasser unterstützen den, versauern und der Meeres- dort vor beeinträchtigenden Akti- spiegel ansteigt. hierdurch wer- vitäten geschützt werden, können Starkregen lässt sich weder verhin- den Ökosysteme verändert und sie dort besser überleben, obwohl dern noch lässt sich die genaue viele Arten beeinträchtigt. Alle die Auswirkungen des Klimawan- Zeit oder der exakte ort vorhersa- Maßnahmen, die den Treibhaus- dels hier ansonsten genauso hoch gen, wann und wo der Starkregen gasausstoß reduzieren, dienen da- sind. Bund und Länder haben im niederprasselt. oft bleibt ein Stra- mit auch dem Meeresschutz. Sie Rahmen von hELCoM und oSPAR ßenzug weiter entfernt vollkom- sind auch deshalb besonders not- bereits mehrere Regionen be- men trocken. Deshalb ist es wich- wendig, weil die Meeres-Ökosyste- nannt, die zum Netzwerk gut ge- tig, im Vorfeld zu klären, wie sich me insbesondere durch Fischerei führter Meeresschutzgebiete ge- die Leute im Fall von kurzfristi- und Stoffeinträge ohnehin schon hören werden, so wie es auf dem gen Überschwemmungen am bes- stark belastet sind. Weltnachhaltigkeitsgipfel in Jo- ten verhalten und wie sie vorsor- hannesburg 2002 beschlossen wur- de. Bis 2010 sollen diese Rückzugs- gebiete eingerichtet sein. DIE FoLGEN DES KLIMAWANDELS – WAS KANN GETAN WERDEN? 29
Boden Den Boden beobachten Wie sich Böden entwickeln und was dort wächst, hängt sehr stark Wer Veränderungen des Bodens feststellen will, muss regelmäßig vom Klima ab. Mit dem Klimawan- messen. Jahrzehntelange Datenreihen sind notwendig, um Klima- del können Starkregen zunehmen, folgen zu dokumentieren. Auch für die Erfolgskontrolle braucht die Temperatur steigt an. Und fe- man ein solches Monitoring. gen starke Stürme übers Land, be- einflusst das nicht nur den Nähr- Die Qualität von Böden wird schon seit längerem ermittelt – etwa stoff- und Wasserkreislauf, son- durch die „Bodenzustandserhebung Wald“ (BZE II) oder die Bo- dern auch die Millionen von Mik- denschätzung. Deren Untersuchungsergebnisse liefern eine wich- roorganismen, die sich in jedem tige Informationsgrundlage, wenn es zu erforschen gilt, wie sich streichholzschachtelgroßen Stück ein bestimmtes Klima auf den Boden auswirkt und welche Anpas- Erde befinden – und damit Hu- sungsmaßnahmen sinnvoll sind. Allerdings sind die unterschiedli- musbildung, Kohlenstoffbindung chen Monitoring-Systeme bisher noch wenig vernetzt und die Da- und Erosion. Wird das Land und ten nicht immer vergleichbar. Bund und Länder sollten gemein- der Boden standortangepasst ge- sam dafür sorgen, dass sich das ändert. nutzt, kann das negative Effekte durch den Klimawandel begren- Darüber gilt es gezielt weiterzuforschen. Um regional passgenaue zen. Das Bundesministerium für Lösungen zu ermöglichen, muss die Wissenschaft prozessorien- Bildung und Forschung hat daher tierte Modelle entwickeln, die aufdecken, wie das Zusammenspiel einen neuen Förderschwerpunkt von Klimaveränderungen, Landnutzung und Boden aussieht (sie- „Nachhaltiges Landmanagement“ he unter „Das Land nachhaltig nutzen“, Seite 54). eingerichtet. Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Naturschutz und Raumplanung beeinflussen stark, wie der Boden genutzt wird und wie er dadurch beschaffen ist. Um angemessene Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu entwickeln, wer- den geeignete Daten benötigt. Damit sich verschiedene Nutzer nicht in die Quere kommen, disku- tieren Bund und Länder Schutzzie- le und Anpassungsstrategien und schließen sowohl Vertreterinnen und Vertreter der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft als auch des Na- turschutzes sowie der Atmosphä- ren- und Klimaforschung in ihre Arbeiten ein. So sollen bestmögli- che Lösungen, die alle Belange an- gemessen berücksichtigen, entwi- ckelt werden. 30 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSCHE ANPASSUNGSSTRATEGIE
Biologische Vielfalt Menschen eingeschleppte Arten wachsende Rohstoffe und der Bau ausbreiten. von Verkehrswegen konkurrieren Der Klimawandel hat die biologi- mit Naturschutzräumen um knap- sche Vielfalt (siehe Glossar – Biolo- Negative Folgen sind besonders pe Flächen. hier wird es darauf gische Vielfalt) oder Biodiversität für viele Pflanzen und Tiere der ankommen, dass die Bundesregie- in den letzten Jahren bereits verän- Gebirgs- und Küstenregionen zu rung, aber auch staatliche Akteure dert: Sardinen leben in der Nord- erwarten: Wer bereits oben lebt, wie Länder und Kommunen sowie see, Vogel- und Fischschwärme kann nicht in noch höhere Lagen nichtstaatliche Akteure die Ziele verschieben ihre Reisezeiten und ausweichen. Dauerhafte Überflu- der Nationalen Strategie zur biolo- -ziele. Manche Arten breiten sich tung und Erosion gefährden das gischen Vielfalt sowie des Bundes- aus, andere werden seltener oder Wattenmeer. Und auch für Arten, naturschutzgesetzes konsequent verschwinden – was wieder Folgen die sich auf Feuchtgebiete oder verfolgen. Darüber hinaus sorgen hat für andere. Kurzum: Die vielfäl- kleinräumige Sonderstandorte spe- viele nationale und internationale tigen Abhängigkeiten in Ökosyste- zialisiert haben oder über eine ge- Gesetze dafür, dass weniger Schad- men wandeln sich. ringe Anpassungsfähigkeit verfü- und Nährstoffe in die Ökosysteme gen, sieht es schlecht aus. gelangen, weil viele Tier- und Pflan- Wissenschaftlerinnen und Wis- zenarten nicht damit zurechtkommen. senschaftler schätzen, dass in den Neben den unmittelbaren Effek- nächsten Jahrzehnten durch Kli- ten des Klimawandels wird sich maänderungen bis zu 30 Prozent auch die Landnutzung verändern der derzeit in Deutschland leben- – und das wirkt sich wiederum den Tier- und Pflanzenarten aus- stark auf Lebensräume aus. Neue sterben. Gleichzeitig werden sich Deiche, eine Ausweitung der land- natürlich zuwandernde oder von wirtschaftlichen Flächen für nach- DIE FoLGEN DES KLIMAWANDELS – WAS KANN GETAN WERDEN? 31
Synergien suchen Gene hinzukommen. Zum ande- meinsame Arbeitsgruppe des Bun- ren müssen Tiere und Pflanzen desumweltministeriums und des Synergien anzustreben heißt zu ausweichen können, wenn sich Bundesministeriums für Verkehr, nutzen, dass unterschiedliche Fak- die Bedingungen in einer Region Bau und Stadtentwicklung be- toren zusammenwirken und eine für sie verschlechtern. Wer die Le- schäftigt sich bereits heute damit, Maßnahme in unterschiedlichen bensräume einer Art, die Biotope, wie sich das umsetzen lässt. Ge- Bereichen eine gewünschte Wir- verbindet, trägt deshalb dazu bei, plant ist außerdem, in dieser Fra- kung bringt. Demzufolge sollten dass sich natürliche Systeme an- ge enger mit den Nachbarstaaten Bund und Länder prüfen, wo sich passen und stärken können. Die zu kooperieren. gegenseitig ergänzendes Zusam- Einrichtung solcher Vernetzungen menwirken von Naturschutz, Kli- ist Sache der Bundesländer. Sie maschutz und Klimaanpassung sollten hier sowohl eng mit Akteu- Schutzgebiete weiter- nutzen lässt, um die Biodiversität ren vor ort als auch auf EU-Ebene entwickeln zu erhalten. So speichern Feucht- zusammenarbeiten. gebiete oder Moore nicht nur Koh- Bund und Länder sollten analysie- lendioxid (Co2), sondern puffern Nach wie vor werden aber immer ren, wie das bestehende Schutzge- bei Starkregen auch Überschwem- noch weitere Flächen bebaut und bietssystem an die Anforderungen mungen ab. In diese Richtung zie- natürliche Verbindungen von Bio- durch den Klimawandel angepasst len zum einen die Nationalen Stra- topen gekappt. Siedlungs-, Infra- werden kann. Das Schutzgebiets- tegien zur biologischen Vielfalt struktur- und Verkehrsplanungen system Natura 2000 bietet bereits und zur Nachhaltigkeit, zum ande- müssen hier umsichtiger werden. Rückzugs- und Anpassungsräu- ren aber auch die Pläne der Kom- Zurzeit läuft ein Forschungspro- me an Land und im Meer als auch mission der Europäischen Union jekt, das im Jahr 2009 ein Konzept nutzungsfreie Gebiete und leistet (EU) und des EU-Parlaments, den erstellen soll, um die Vernetzung somit einen wichtigen Beitrag, um Verlust der biologischen Vielfalt von Lebensräumen bei der Pla- negative Auswirkungen des Klima- bis 2010 zu stoppen. Das Bundes- nung überregionaler Straßen bes- wandels auf die biologische Viel- ministerium für Ernährung, Land- ser zu berücksichtigen. Eine ge- falt zu verringern. wirtschaft und Verbraucherschutz hat darüber hinaus konkrete Maß- nahmen vorgeschlagen, wie die Agrobiodiversität, das heißt die biologische Vielfalt der Landwirt- schaft, erhalten und nachhaltig genutzt werden kann. Lebensräume verbinden Viele Arten brauchen ausreichend Platz, um auf Dauer bestehen zu können. Zum einen schrumpft auf engem Raum die genetische Viel- falt innerhalb der Arten, weil die Lebensgemeinschaft einer Art nur klein sein kann und keine frischen 32 DEM KLIMAWANDEL BEGEGNEN – DIE DEUTSChE ANPASSUNGSSTRATEGIE
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