Public Governance - Institut für den ...

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Institut für den öffentlichen Sektor

                  Public

                                                                            AUSGABE FRÜHJAHR 2021
                  Governance
                    ZEITSCHRIFT FÜR ÖFFENTLICHES MANAGEMENT

                   Verwaltung digital – doch wer macht’s?

                   Gastkommentar
                   Dr. Markus Richter
                   Staatssekretär im Bundesministerium
                   des Innern, für Bau und Heimat

                   Verwaltung in Krisenzeiten – Auswirkungen
                   der Pandemie auf den öffentlichen Dienst

                   Bürokratismus – Ursachen und Lösungs-
                   vorschläge

                   Neuorientierung für die Unternehmens-
                   ­beteiligungen im Bereich des Bundes

                   Gefördert durch

© 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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INHALT

     Editorial
3    Die Krise bleibt – nicht die einzige Herausforderung

     Gastkommentar
4    Digital gegen die Krise: IT-Fachkräfte dringend benötigt

     Schwerpunktthema
6    Verwaltung digital – doch wer macht’s?
9    Über das Projekt: IT-Fachkräfte im öffentlichen Sektor

     Im Fokus
12   Verwaltung in Krisenzeiten – Auswirkungen der Pandemie auf den öffentlichen Dienst
15   Blitzumfrage – Öffentliche Finanzen in der Corona-Krise: Die Pandemie trifft besonders die Kommunen

     Standpunkt
16 	Bürokratismus – Ursachen und Lösungsvorschläge

19 	Neuorientierung für die Unternehmens­beteiligungen im Bereich des Bundes

      ktuelles aus Verwaltungswirtschaft
     A
     und öffentlichen Unternehmen
22   Corona-Krise
     Öffentliche Verwaltung gibt sich gutes Zeugnis in der Krise (und Weiteres)
23Corporate Governance
	Bundesunternehmen sollen beim Frauenanteil im Vorstand Vorbild sein (und Weiteres)
24   Digitalisierung
     IT-Sicherheitsgesetz 2.0: BSI wird gestärkt (und Weiteres)
26 	Öffentliche Finanzwirtschaft
     Fast 2,2 Billionen Euro – öffentliche Schulden erreichen Höchststand (und Weiteres)
   Haushalts- und Rechnungswesen
27	
     Entlastung für Kommunen in NRW: Das neue NKF-COVID-19-Isolierungsgesetz (und Weiteres)
   Verwaltungsmodernisierung
28	
     Studie der Hertie School: Neuer Schwung durch „Querwechsler”
   Nachhaltigkeit
28	
     Klimaschutzfinanzierung trotz Haushaltsnotlage – neuer Leitfaden für Kommunen (und Weiteres)
   Gesundheitswirtschaft
28	
     Bundesministerium für Gesundheit fördert Investitionen zur Digitalisierung der Kliniken
   Recht und Steuern
29	
     Jahressteuergesetz erleichtert Gemeinnützigkeit von Service­gesellschaften (und Weiteres)
   ÖPNV
30	
     ÖPNV: Veränderte Kunden­nachfrage durch Corona-Krise

     In eigener Sache
30   Deutschlandweite Übersicht von GovTech-Start-ups (und Weiteres)

     Service
31   Abonnement PublicGovernance, Impressum, Ansprechpartner

                                                                                    © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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EDITORIAL

Die Krise bleibt – nicht die einzige
Herausforderung
                                                                            chenden europaweiten Vergleiche zei-         erklärt in ihrem Standpunkt Ursachen
                                                                            gen dies seit Jahren – hat in Deutschland    für Bürokratiebelastungen und schlägt
                                                                            deutlichen Nachholbedarf. Die Krise hat      Lösungen vor, die Unternehmen insbe-
                                                                            das noch klarer sichtbar gemacht.            sondere in Krisenzeiten entlasten könn-
                                                                                                                         ten. Stefan Ramge, Ministerialdirektor
                                                                            Die Digitalisierung ist aber nur auf den     und Leiter der Abteilung Beteiligungen,
                                                                            ersten Blick eine Angelegenheit von          Bundesimmobilien und Privatisierungen
                                                                            In­frastruktur, Technologie und Daten. Vor   im Bundesfinanz­ministerium, beschäftigt
                                                                            allem ist sie eine Frage des Organisa­       sich mit dem neuen Public Corporate
                                                                            tionswandels sowie von entsprechend          Governance Kodex des Bundes und stellt
                                                                            dafür bereiten und ausgebildeten Men-        dessen Regelungen in unserer Zeitschrift
                                                                            schen. Wer aber kann diese Aufgabe           vor.
                                                                            schultern – brauchen wir dafür mehr Per-
                                                                            sonal, möglicherweise speziell ausgebil-     Unserem wissenschaftlichen Leiter, Prof.
                                                                            dete Fachkräfte? Und falls ja, wie viele?    Dr. Gerhard Hammerschmid, verdanken
                                                                                                                         wir einen Einblick in die unmittelbare
                                                                            Diese Fragen hat sich auch das Institut      Krisenbewältigung der öffentlichen Ver-
                                                                            für den öffentlichen Sektor gestellt und     waltung. Sein Beitrag beruht auf Ergeb-
                                                                            deshalb gemeinsam mit der Wirtschafts-       nissen einer Studie unter Verwaltungs­
                                                                            universität ESMT Berlin eine Analyse         organisationen.
                                                                            zum IT-Fachkräftebedarf im öffentlichen
                                                                            Sektor auf Basis der Umsetzung des           Wir freuen uns über Ihr Interesse an
                                                                            Onlinezugangsgesetzes (OZG) durch­ge­        unserer Zeitschrift und wünschen Ihnen
Auch im Jahr 2021 bleibt die Corona-                                        führt. Unser herzlicher Dank gilt dem Pro-   eine spannende Lektüre – sowie weiter-
Krise die drängendste vorherrschende                                        jektteam der ESMT Berlin. Die Er­geb­        hin beste Gesundheit!
Aufgabe für Staat und Verwaltung. Die                                       nisse der Analyse finden Sie im Schwer-
akute Krisenbewältigung – sei es die Im-                                    punktbeitrag dieser Ausgabe.
plementierung der Impfstrategie oder die
Auszahlung der Staatshilfen – fordert nun                                   Wir freuen uns ganz besonders, dass
schon seit über zwölf Monaten alle                                          Dr. Markus Richter, Staatssekretär im        Ulrich Maas
Kräfte. Dabei bleiben zugleich die länger-                                  Bundesinnenministerium und Beauftrag-        Vorsitzender
fristigen Herausforderungen erhalten, mit                                   ter der Bundesregierung für Informa­         Institut für den öffentlichen Sektor e.V.
denen die öffentliche Hand auch über                                        tionstechnik, in seinem Gastkommentar
das hoffentlich baldige Ende der Pande-                                     aufzeigt, welche Maßnahmen der Bund
mie hinaus umgehen muss.                                                    aktuell unternimmt, um dem Bedarf an
                                                                            IT-Personal und IT-Weiterbildung ange-
Während bei der großen Aufgabe unse-                                        messen zu begegnen. An dieser Stelle
rer Zeit, der Eindämmung des Klimawan-                                      danken wir ihm herzlich für seinen hoch-
dels, die krisenbedingten Einschränkun-                                     aktuellen Beitrag.
gen von Wirtschaft und Verkehr sogar zu
einer Entlastung beim Ausstoß von CO2                                       Mit Stolz und großem Dank an zwei
führen, ist bei der Digitalisierung ein                                     weitere außerordentlich sachkundige,
deutlich erhöhter Druck festzustellen.                                      profilierte Persönlichkeiten möchten wir
Der digitale Wandel ist durch die Corona-                                   in dieser Ausgabe auf weitere Beiträge
Pandemie sogar noch beschleunigt und                                        aus externer Feder verweisen: Dr. Gisela
verstärkt worden. Die Digitalisierung der                                   Meister-Scheufelen, Vorsitzende des
öffentlichen Verwaltung – die entspre-                                      Normenkontrollrats Baden-Württemberg,

                                                                                                                                      PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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GASTKOMMENTAR

Digital gegen die Krise: IT-Fachkräfte
dringend benötigt
„Wir sind bund“ – das ist das Motto und der Name der laufenden Kampagne des Stellen- und Aus­
bildungsportals der Bundesverwaltung, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
entwickelt hat. Mit vier bunten Sprechblasen in geometrischen Formen hinterlegt ist der Schrift-
zug seit Beginn des Jahres in Werbespots und auf Plakaten zu sehen. „Wir sind bund“ ist nur ein
Beispiel für die vielen Kampagnen und Projekte der Bundesverwaltung, die junge Menschen wie
auch Menschen mit Berufserfahrung ansprechen, um sie für den öffentlichen Dienst zu gewin-
nen. In vielen Bereichen wird Nachwuchs gesucht, ganz besonders aber liegt der Fokus immer
wieder auf IT-Fachkräften.

                                                           Der IT-Fachkräftemangel ist ein Problem,     gesamte Struktur lässt jedoch auch
                                                           mit dem die Bundesverwaltung nicht           noch Baustellen sichtbar werden. Diesen
                                                           alleine dasteht. Eine Umfrage des Digital-   widmet sich seit 2019 die vom Digital­-
                                                           verbands Bitkom e.V. stellte Ende 2020       ka­
                                                                                                          binett eingesetzte interministerielle
                                                           fest, dass in Deutschland über alle Bran-    Arbeitsgruppe „Personal in der Digitalen
                                                           chen – außer dem öffentlichen Sektor –       Verwaltung (PersDiV)“.
Quelle: Henning Schacht

                                                           verteilt 86.000 Stellen für IT-Fachkräfte
                                                           unbesetzt sind. Für den Bundesdienst         In mehreren Unterarbeitsgruppen be-
                                                           alleine fehlen bis zum Jahr 2023 bis zu      trachtet die AG PersDiV gezielt Themen
                                                           23.000 IT-Fachkräfte. Um künftig mit         wie die Gewinnung von Schlüsselfach-
                                                           Arbeitgebern aus der Privatwirtschaft        kräften, die Diversifizierung von Abschlüs-
                                                           konkurrieren zu können, muss die Bun-        sen und neue Arbeitsweisen. Zudem hat
                    Dr. Markus Richter                     desverwaltung sich nicht nur gut nach        sie den Aufbau einer Arbeitgebermarke
                    Staatssekretär im Bundesministerium    außen präsentieren. Sie muss auch in         Bund angeregt, der inzwischen in die
                    des Innern, für Bau und Heimat sowie   sich selbst investieren sowie innovativer    Federführung des BMI übergegangen
                    Beauftragter der Bundesregierung für   und agiler werden.                           ist. Ein weiterer Schwerpunkt der AG
                    Informationstechnik                                                                 liegt auf der Stärkung digitaler Kompe-
                                                           Dem IT-Fachkräftemangel begegnen             tenzen in der Bundesverwaltung. Gerade
                                                           Für eine verstärkte Gewinnung und            dies spielt eine wichtige Rolle, denn
                                                           Bewerbung von IT-Fachkräften ist die         neben der Gewinnung von neuem Perso-
                                                           gesamte Struktur des öffentlichen Diens-     nal ist es essenziell, auch in die Digital-
                                                           tes als Arbeitgeber zu betrachten. Der       kompetenzen des Bestandspersonals zu
                                                           öffentliche Dienst bietet viele Vorteile.    investieren und die Ausbildung von Digi-
                                                           Sicherheit, flexible Arbeitsmodelle, Auf-    talkompetenzen in die dualen Studien-
                                                           stiegsmöglichkeiten und umfassende           gänge der Hochschulen des Bundes zu
                                                           Fortbildungsangebote sind dabei nur          integrieren.
                                                           einige Beispiele. Gerade in den letzten
                                                           Jahren konnten zum Beispiel durch eine       Digitalkompetenzen ausbauen
                                                           Reihe tarif- und besoldungsrechtlicher       Der Kompetenzaufbau in der Bundesver-
                                                           Verbesserungen und Flexibilisierungen        waltung durch allgemeine berufsbeglei-
                                                           für das Bestandspersonal sowie für           tende Fortbildungen – insbesondere der
                                                           die Fachkräftegewinnung wichtige Fort-       Fortbildung von Nachwuchskräften und
                                                           schritte erzielt werden. Der Blick auf die   Führungskräften sowie der Fortbildung

PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
                                                                                                                 © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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GASTKOMMENTAR 5

im internationalen Bereich – ist Aufgaben-                                  Arbeitswelt und durch die Einführung          rungen. Doch während häufig über Infra-
schwerpunkt der Bundesakademie für                                          neuer, moderner Arbeitsformen (New            struktur und Verwaltungsdienstleis­   tun­
öffentliche Verwaltung (BAköV). Diese                                       Work), aber auch durch andere Entwick-        gen diskutiert wird, dürfen wir die Men-
hat in Bezug auf die Digitalisierung drei                                   lungen, zum Beispiel im Bereich der           schen dahinter nicht vergessen. Dafür ist
zentrale Kompetenzgebiete identifiziert:                                    Nachhaltigkeit, berücksichtigen. Offen-       die Bundesverwaltung innovativer, agiler
Fachliche Kompetenzen, soziale Kompe-                                       heit für Innovationen, Kreativität, Flexi­-   und effizienter zu gestalten: Personal­
tenzen und sogenannte Selbstkompeten-                                       bi­lität und Selbstständigkeit kann nicht     gewinnung – wie durch die „Wir sind
zen. Die fachlichen Kompetenzen umfas-                                      erzwungen werden. Ein Fortbildungsan-         bund“-Kampagne und die Ausbildungs-
sen dabei Fähigkeiten, wie die Potenziale                                   gebot, das diese Werte vorlebt, kann          gänge der Hochschulen des Bundes –
der Digitalisierung für den eigenen Ar-                                     viele Beschäftigte an neue Arbeitswei-        und Personalentwicklung – wie durch die
beitsbereich nutzbar zu machen, nicht                                       sen heranführen. Vorreiter hierfür ist die    Fort­bildungsangebote der BAköV im
digitalisierte Geschäftsprozesse in digi-                                   Digitalakademie für die Bundesverwal-         Rahmen der Digitalakademie – spielen
tale Prozesse umzuwandeln und Daten                                         tung. Sie ist Teil der BAköV und wird ab      hier eine zentrale Rolle. Nur eine Verwal-
aus unterschiedlichen Quellen zu ana­                                       Ende Mai 2021 allen Beschäftigten des         tung, deren Personal offen für Innovation
lysieren, zu bewerten, miteinander zu                                       Bundes zur Verfügung stehen.                  und neue Arbeitsweisen ist, wird den
verknüpfen und für die eigene Arbeit auf-                                                                                 Herausforderungen der Zukunft erfolg-
zubereiten. Zu sozialen Kompetenzen                                         Die Digitalakademie                           reich begegnen können. Daher müssen
gehören Fähigkeiten wie die Initiierung,                                    Die Digitalakademie wird zunächst als         wir es schaffen, Räume zu kreieren, in
Steuerung und aktive Mitgestaltung von                                      Onlineportal starten, auf dem Fortbil-        denen die Beschäftigten sich mit den
Change-Prozessen oder die agile und                                         dungsangebote für verschiedene Ziel-          Möglichkeiten der digitalen Transforma-
zielorientierte Führung von Mitarbeiterin-                                  gruppen und Aufgabenbereiche zur Ver-         tion auseinandersetzen und Innovation
nen und Mitarbeitern. Auch zählen die                                       fügung gestellt werden. Diese Angebote        erleben können. So können insbeson-
Fähigkeiten dazu, Mitarbeitende zu ei-                                      werden sukzessive weiter ausgebaut.           dere Kreativität und die Offenheit gegen-
nem engagierten Team zu formen, beim                                        Die Digitalakademie wird so zum einen         über neuen Technologien gefördert wer-
Einsatz technischer Kommunikations­                                         digitale Lernformate wie Webinare, elek-      den. Sie bilden die Grundvoraussetzung
mittel Empathie und Wertschätzung zu                                        tronische Lernprogramme und Lern­             für einen Innovationswillen und die Be-
zeigen sowie den richtigen Kommuni­      -                                  videos und zum anderen dann aber auch         reitschaft, sich neue Digitalkompetenz
ka­tionsweg für die jeweilige Situation                                     Präsenzveranstaltungen wie Seminare           anzueignen.
zu wählen. Selbstkompetenzen sind un-                                       und Workshops umfassen.
ter anderem die Fähigkeit, sich selbst zu                                                                                 Nicht nur aufgrund des Fachkräfte­­man­
reflektieren, sich ständig weiterzuent­                                     Ergänzend zu den Vorhaben der Digi­tal­       gels, sondern insbesondere aus der
wickeln und sich auf neue Arbeitsformen                                     akademie wird zudem zurzeit durch             Motivation heraus, die Arbeitswelt von
einzulassen.                                                                den IT-Planungsrat der eGov-Campus,           morgen mitzugestalten, ist es essenziell,
                                                                            eine verwaltungsübergreifende digitale        in die Stärkung der Digitalkompetenzen
Der digitale Wandel geht mit neuen An-                                      Hochschulplattform für „eGovernment –         aller Beschäftigten zu investieren. Denn
forderungen einher. Die BAköV zielt daher                                   Verwaltungsinformatik“, aufgebaut. Im         eines ist sicher: Die Digitalisierung bietet
auf punktgenaue Fortbildungen, die den                                      Gegensatz zur Digitalakademie liegt der       enorme Chancen für den Fortschritt in
konkreten Bedarf der und des Einzelnen                                      Fokus des eGov-Campus auf den Hoch-           vielen Lebensbereichen. Diese gilt es zu
treffen. Dazu werden aufgabenbezogene                                       schulen und somit auf der Ausbildung.         ergreifen und zu realisieren.
Anforderungsprofile in den Behörden
entwickelt, die bereits die künftigen Ver-                                  Die Digitalisierung stellt die Bundes­­
                                                                                                                 -
änderungen durch die Digitalisierung der                                    ver­waltung vor gewaltige Herausforde-

                                                                                                                                     PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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6

SCHWERPUNKT THEMA

Verwaltung digital – doch wer macht’s?
Bis Ende 2022 sollen Bund, Länder und Kommunen ihre Verwaltungsleistungen über Onlinepor-
tale auch digital anbieten. Allein mit der Entwicklung und erstmaligen Implementierung digitaler
Prozesse ist es dabei nicht getan. Die digitalen Lösungen müssen langfristig betrieben, regelmä-
ßig gewartet und aktualisiert werden. Schätzungen zeigen nun, dass zur Realisierung dieses
Projekts insgesamt 46.600 IT-Fachkräfte benötigt werden. Von diesen müssten mindestens 33.000
direkt bei der öffentlichen Verwaltung angesiedelt sein, da nicht alle IT-Aufgaben von externen
Dienstleistern übernommen werden sollten. Dies entspricht rund 75 Prozent der gesamten IT-
Personalressourcen in der öffentlichen Verwaltung.

                                  Erstmals wurde der Personalbedarf geschätzt, den die öffentliche Verwaltung zur
                                  Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) benötigt. Eine Projektgruppe aus
                                  MBA-Studenten der European School of Management and Technology (ESMT) in
                                  Berlin hat gemeinsam mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und dem
                                  Institut für den öffentlichen Sektor den Bedarf an IT-Fachkräften für die Entwicklung,
                                  Implementierung und nachfolgende Wartung der 575 OZG-Leistungsbündel, die Teil
                                  des OZG-Digitalisierungsprogramms sind, geschätzt.1 Das Schätzmodell (siehe Info-
                                  kasten auf Seite 9) legt für die Phasen der Entwicklung und Implementierung einen
                                  Realisierungszeitraum von insgesamt fünf Jahren zugrunde, analog zu der Frist von
                                  circa fünf Jahren, die der Gesetzgeber für die Umsetzung des OZG eingeräumt hat
                                  (2017 bis 2022). Unberücksichtigt bleibt der bislang in der Praxis realisierte Fort-
                                  schritt der OZG-Umsetzung: So wurden beispielsweise einzelne OZG-Leistungen
                                  bereits entwickelt und sind in ausgewählten Gebieten digital verfügbar, etwa der
                                  Onlineantrag für Elterngeld. Vorrangig wurde der Gesamtbedarf für die vollständige
                                  Realisierung des OZG-Digita­     lisierungsprogramms ermittelt. Immerhin steht ein
                                                           Großteil der OZG-Umsetzung noch aus, nämlich die flächen­
Für das Digitalisierungsprogramm des OZG werden deckende Implementierung aller Onlineleistungen.2
    schätzungsweise 46.600 IT-Fachkräfte benötigt
                                                                Gemäß den Kalkulationen der ESMT-Projektgruppe benötigen
                                         Bund, Länder und Kommunen insgesamt rund 46.600 IT-Fachkräfte, um alle OZG-
                                         Leistungen flächendeckend in der deutschen Verwaltung umzusetzen und um in der
                                         Lage zu sein, diese regelmäßig zu warten und zu aktualisieren. Phase 1, die Entwick-
                                         lung, kann dabei zentral und mit vergleichsweise sehr geringem Personalbedarf
                                         erfolgen. Für Phase 2, die Implementierung in allen Gebietskörperschaften, ist der
                                         Personalbedarf bereits deutlich größer. Dabei gründet die Kalkulation auch hier auf
                                         der Annahme, dass sich die Länder und Kommunen bei der Implementierung an den
                                         zentral entwickelten Musterprozessen orientieren. Phase 3, der laufende Unterhalt und
                                         die Wartung der digitalen Verwaltungsleistungen, müsste allerdings weitgehend
                                         dezen­tral erfolgen, das heißt in den Verwaltungsorganisationen von Bund, Ländern
                                         und Kommunen. Sie erfordert deshalb mit geschätzt über 30.000 IT-Fachkräften den
                                         höchsten Personaleinsatz.

                                         1   Die Umsetzung des Projekts „Portalverbund“, das ebenfalls Bestandteil des OZG ist, bleibt bei den vorliegenden Kalkulationen unberücksichtigt.
                                         2   Laut Angaben des OZG-Dashboards des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sind bereits über die Hälfte der OZG-Leistungen
                                             ver­fügbar. Eine Leistung gilt aber bereits als digital „verfügbar“, sobald sie in nur einer Kommune den Reifegrad 2 erreicht hat. Reifegrad 2 bedeutet,
                                             dass grundsätzlich ein Onlineantrag verfügbar ist, aber möglicherweise noch nicht alle Nachweise rechtsverbindlich übermittelt oder Bescheide
                                             digital zugestellt werden können. Das aktuelle OZG-Dashboard kann unter www.onlinezugangsgesetz.de eingesehen werden.

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                                                                                                                                           © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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SCHWERPUNKTTHEMA 7

Abbildung: Geschätzter Personalbedarf (IT-Fachkräfte) zur Umsetzung des
OZG-Digitalisierungsprogramms auf allen Verwaltungsebenen

50.000                                                                       32.500        46.600            46.600
                                                                                                                          Ein Großteil des Personalbedarfs in
40.000                                                                                                                    der Entwicklungs- und Implementierungs-
                                                                                                                          phase könnte an externe (IT-)Dienstleister
                                                                                                                          ausgelagert werden.
30.000                                                                                                       33.300

20.000
                                                              13.800

10.000

                            300
         0
                     Entwicklung                     Implementierung        Wartung        Gesamt     Unter Berücksichtigung
                      (Phase 1)                         (Phase 2)           (Phase 3)                    von Outsourcing

Quelle: Institut für den öffentlichen Sektor e.V. auf Basis von Berechnungen der ESMT Berlin (2021)

IT-Fachkräftebedarf auch nach Aufgabenauslagerung sehr hoch
Ein Großteil der Entwicklung und der Implementierung (Pilotierung) der digitalen Pro-
zesse im Rahmen des OZG wurde bereits an externe (IT-)Dienstleister ausge­lagert.
Doch nicht alle Aufgaben können extern vergeben werden und sollten auch aus
strate­gischen Gründen innerhalb der eigenen Verwaltungsorganisation verbleiben.
Hierzu dürften mindestens die langfristige Bereitstellung, Wartung und Aktualisie-
rung der digitalen Verwaltungsdienste zählen. Unter der Annahme, dass die Verwal-
tung „digital souverän“ bleiben will, dürfte sie sich bei der längerfristigen Aufrechter-
haltung ihrer digitalen Infrastruktur nicht in die Abhängigkeit von externen Dienstleis-
tern begeben. Um ausreichend eigene Expertise aufzubauen, sollten daher auch in
der Entwicklungs- und Implementierungsphase zumindest die Managementfunktio-
nen in der jeweiligen Organisation verbleiben.

Unter Berücksichtigung dessen sinkt bei der Auslagerung eines Großteils der Auf­
gaben in der Entwicklungs- und Implementierungsphase der geschätzte Personal­
bedarf für die öffentliche Verwaltung im Berechnungsmodell der ESMT von ins­gesamt
46.600 auf 33.000 IT-Fachkräfte (vergleiche Abbildung). Damit bleibt der Personal-
bedarf groß, denn gemäß dem vorliegenden Modell entfällt der größte Bedarf auf die
Phase der regelmäßigen Wartung und Aktualisierung. Selbst unter Berücksich­tigung
von Verwaltungskooperationen auf kommunaler Ebene werden für diese Phase
schätzungsweise über 30.000 IT-Fachkräfte benötigt (vergleiche Abbildung) – Per­
sonal, das langfristig nicht ausgelagert werden sollte.

Neugestaltung der Prozesse notwendig
Nutzerorientierung ist das zentrale Paradigma der OZG-Implementierung. Laut
IT-Planungsrat sollen nicht allein die analogen Antragsprozesse digital „übersetzt“
werden. Vielmehr sollen die Prozesse stärker an die Bedürfnisse der Nutzer, das
heißt der Bürger, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeiter, angepasst werden.
Mithilfe agiler Methoden werden die nutzerorientierten Prozesse in Digitalisierungs-
laboren entwickelt. So beruhen die hier vorgestellten Kalkulationen der ESMT auf
der Annahme, dass die Entwicklungsteams mit der Scrum-Methode arbeiten und
dass neben einem Scrum-Master auch UX-/UI-Spezialisten Teil des Teams sind. Der
Bedarf an diesen besonderen Projektmanagement-Kenntnissen stellt über die
Re­krutierung von IT-Personal hinaus nochmals erhöhte Anforderungen an die Perso-
nalsuche.

                                                                                                                                          PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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8 SCHWERPUNKTTHEMA

                                          Digitalisierungsprogramm beansprucht 75 Prozent des IT-Personals
                                          Aktuell sind laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit rund 28.500 sozialversiche-
                                          rungspflichtig Beschäftigte in Informatik- und anderen IKT-Berufen im öffentlichen
                                          Sektor tätig.3 Hinzu kommen Beamte im IT-Bereich. Da für diese keine Statistik vor-
                                          liegt, wird näherungsweise die „Beamtenquote“ des Personals im öffentlichen Dienst
                                          herangezogen. Diese betrug zuletzt 36 Prozent.4 Demnach ist einschließlich der Be-
                                          amten von rund 44.500 IT-Fachkräften in der öffentlichen Verwaltung auszugehen.

                                     Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass die Zahl der IT-Fachkräfte im
                                     öffentlichen Dienst in den vergangenen fünf Jahren um etwa 5 Prozent pro Jahr ge-
                                     stiegen ist.5 Ein Großteil der heutigen IT-Personalressourcen war demnach schon vor
                                     Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes im Jahr 2017 vorhanden. So ist davon
                                                            auszugehen, dass die meisten dieser Beschäftigten bereits
            Aktuelle Personallücke bei IT-Fachkräften mit anderen Aufgaben als der Umsetzung des OZG befasst
                         schätzungsweise fünfstellig sind. Als weitere Beispiele der Verwaltungsdigitalisierung kön-
                                                            nen die Umsetzung der E-Akte, der E-Rechnung oder der
                                     E-Vergabe genannt werden. Auch für die Bereitstellung der IT-Infrastruktur und die
                                     Gewährleistung der IT-Sicherheit wird Personal benötigt. Die Umsetzung des OZG-
                                     Digitalisierungsprogramms ist ein zusätzliches Projekt, für das vor dem Hintergrund
                                     der geschilderten Berechnungen allein mindestens 75 Prozent des gesamten ver­
                                     fügbaren IT-Personals im öffent­lichen Sektor gebraucht werden. Das vorhandene
                                     Personal dürfte dafür nicht aus­reichen, es ist von einer fünfstelligen Lücke bei den
                                     IT-Fachkräften auszugehen. Nach Aussagen des zuständigen Staatssekretärs fehlen
                                     allein im Bundesdienst bis zum Jahr 2023 bis zu 23.000 IT-Fachkräfte.6

                                          Woher sollen neue IT-Fachkräfte kommen? Der Wettbewerb ist hart
                                          Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit schließen rund 26.000 Informatikstu-
                                          denten pro Jahr ihr Studium erfolgreich ab.7 Hinzu kommen laut Prüfungsstatistik der
                                          Industrie- und Handelskammer jährlich etwa 1.000 erfolgreich abgeschlossene Prü-
                                          fungen zur/zum Informatikkauffrau/-mann. Gemessen an der Gesamtzahl der sozial-
                                          versicherungspflichtig beschäftigten IT-Fachkräfte in Deutschland arbeiten davon
                                          aber nur gut 3 Prozent in der öffentlichen Verwaltung.8 Unterstellt man eine ähnliche
                                          Quote für die Berufswahl der Absolventen, so hätten pro Jahr nur circa 800 IT-Absol-
                                          venten mit (Fach-)Hochschulabschluss oder erfolgreicher Ausbildung zur/zum Infor­
                                          matikkauffrau/-mann Interesse an einer Tätigkeit im öffentlichen Sektor.

                                          Doch längst nicht alle Positionen können mit wenig erfahrenen Absolventen besetzt
                                          werden. Absolventen ohne Berufserfahrung könnten gemäß des Rechenmodells der
                                          ESMT etwa die Hälfte der Positionen für Entwickler, UX-/UI-Spezialisten, den IT-Sup-
                                          port und die Unterstützung bei der Implementierung übernehmen. Etwa 70 Prozent
                                          des gesamten Personalbedarfs sollten auf Basis der Annahmen im hier vorgestellten
                                          Modell jedoch mit erfahrenem Personal besetzt werden. Bei erfahrenen IT-Fachkräf-
                                          ten ist der Wettbewerb mit dem Privatsektor noch deutlich größer. Laut einer Unter-
                                          suchung des Branchenverbands Bitkom gab es Ende 2020 in der Gesamtwirtschaft
                                          (exklusive Landwirtschaft und öffentlicher Sektor) 86.000 unbesetzte Stellen für IT-
                                          Fachkräfte. Knapp zwei Drittel der untersuchten Unternehmen rechnen in den kom-
                                          menden Jahren mit einer weiteren Verschärfung der Situation.9

                                          3   Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach ausgeübter Tätigkeit (43 Informatik- und andere IKT-Berufe)
                                              nach ausgewählten Wirtschaftszweigen WZ 2008; Auswertung für „84 Öffentliche Verwaltung“; Zeitreihe 2015 –2020 zum Stichtag 30.6.2020;
                                              Auswertung auf Anfrage
                                          4   dbb beamtenbund und tarifunion (2019): Zahlen Daten Fakten, S. 10 ff. (Anteil der Beamten an den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, ohne Richter
                                              und Soldaten)
                                          5   Vgl. Fußnote 3
                                          6   Siehe Gastkommentar von Staatssekretär Dr. Markus Richter auf S. 4 in dieser Ausgabe: „Digital gegen die Krise: IT-Fachkräfte dringend benötigt“
                                          7   Bundesagentur für Arbeit (2019): Blickpunkt Arbeitsmarkt IT-Fachleute, S. 16; Zahlen für das Jahr 2017, basierend auf Angaben des Statistischen
                                              Bundesamts
                                          8   Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach ausgeübter Tätigkeit (43 Informatik- und andere IKT-Berufe)
                                              nach ausgewählten Wirtschaftszweigen WZ 2008; Stichtag 30.6.2020; Auswertung auf Anfrage
                                          9   Bitkom e. V., Pressemitteilung vom 16.12.2020: 86.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte (Bitkom Research befragte 856 Geschäftsführer und Personal-
                                              leiter von Unternehmen ab drei Mitarbeitern aller Branchen, ohne Landwirtschaft und öffentlichen Sektor.)

PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
                                                                                                                                         © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
Public Governance - Institut für den ...
SCHWERPUNKTTHEMA 9

       Über das Projekt: IT-Fachkräfte im öffentlichen Sektor
       Mit dem Ziel, den gesamten IT-Personalbedarf für die Um-             2. Phase: Implementierung in den Verwaltungen von Bund,
       setzung des Digitalisierungsprogramms des Online­zugangs­            Ländern und Kommunen
       gesetzes (OZG) zu ermitteln, haben MBA-Studenten der
                                                                            Anzahl der zu implementierenden Prozesse: 2.163
       ESMT Berlin in Zusammenarbeit mit der KPMG AG Wirt-
                                                                            Gemäß Umsetzungskatalog des IT-Planungsrats von 2018
       schaftsprüfungsgesellschaft und dem Institut für den öffent-
                                                                            entfallen davon
       lichen Sektor im Zeitraum von November bis Dezember 2020
                                                                            – 358 Typ 1-Leistungen auf die Bundesebene (Multiplikator: 1)
       ein Berechnungsmodell entwickelt. Ergänzt wurden die
                                                                            – 23 Typ 5-Leistungen auf die kommunale Ebene (Multipli­ka­
       Kalkulationen um Analysen des Arbeits- und Ausbildungs-
                                                                               tor: 5.100; dies entspricht der Anzahl der Meldebehörden
       marktes für IT-Fachkräfte.
                                                                               als Näherungswert für die Anzahl eigenständiger Kommu-
       Das Berechnungsmodell wurde in drei Phasen unterteilt                   nalverwaltungen)
       und basiert auf folgenden Annahmen:                                  – 1.782 Typ 2/3/4-Leistungen auf die Länderebene oder
                                                                               kommunale Ebene; basierend auf Informationen des Dach-
       1. Phase: Design und Entwicklung der digitalen Prozesse
                                                                               verbands der kommunalen IT-Dienstleister in NRW lassen
       Anzahl der zu digitalisierenden Prozesse: 2.163                         sich diese Leistungen wie folgt aufteilen:
       Das OZG besteht aus 575 Leistungsbündeln, die einzelne                 • 45 Prozent bzw. 802 auf Länderebene (Multiplikator: 16)
       Prozesse aus dem LeiKa (Leistungskatalog der öffentlichen              • 16 Prozent bzw. 285 auf die kreisfreien Städte und Land-
       Verwaltung) zusammenfassen. Insgesamt beinhaltet der                       kreise (Multiplikator: 401)
       LeiKa rund 6.000 Leistungen und Verrichtungen (Verrichtun-             • 39 Prozent bzw. 695 auf die kreisangehörigen Städte und
       gen beschreiben konkrete Ver­fahrensabläufe und werden im                  Gemeinden (Multiplikator: 4.990; dies entspricht der
       LeiKa unter anderem nach Zielgruppen aufgegliedert). Ge-                   Anzahl der Meldebehörden abzüglich der 107 kreisfreien
       mäß dem OZG-Umsetzungskatalog des IT-Planungsrats von                      Städte und drei Stadtstaaten)
       2018 bleiben abzüglich der Verrichtungen insgesamt 2.163
                                                                            Teamzusammensetzung und Kapazität: Durchschnittlich
       Leistungen, die von Bund, Ländern und Kommunen erbracht
                                                                            5,2 VZÄ implementieren 100 Prozesse in vier Monaten
       werden.
                                                                            Benötigt werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den
       Eine aktuellere Leistungsübersicht in dieser Form ist nicht          folgenden Profilen: IT-Fachkräfte für die Implementierung,
       verfügbar, die Anzahl der Prozesse hat sich seit dem Jahr            ein Umsetzungsmanager sowie anteilig ein Programm-
       2018 aber tendenziell erhöht. Daher handelt es sich bei die-         Manager, der für bis zu fünf Teams zuständig ist.
       sem Berechnungsmodell um eine konservative Schätzung.
                                                                            Projektdauer: fünf Jahre
       Weitere Annahme für die Kalkulation: Die Prozesse werden
                                                                            3. Phase: Wartung und Aktualisierung
       zentral entwickelt und anschließend in der Fläche imple­
       mentiert.                                                            Anzahl der zu wartenden Prozesse und Multiplikatoren:
                                                                            Vergleiche Phase 2
       Teamzusammensetzung und Kapazität: Durchschnittlich
       9,5 Vollzeitäqui­valente (VZÄ) entwickeln fünf Prozesse in vier      Teamzusammensetzung und Kapazität:
       Monaten                                                              Ein VZÄ Systemadministrator, zwei VZÄ Support-Mitarbeiter
       Benötigt werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit                 sowie anteilig ein Datenspezialist und ein Teammanager
       den folgenden Profilen: Entwickler, UX-/UI-Spezia­lis­ten, ein       warten im Schnitt circa 450 einzelne Prozesse.
       Scrum-Master (anteilig), ein Product Owner sowie anteilig
                                                                            Projektdauer: laufend
       ein Softwarearchitekt, ein Produktmanager sowie Analysten
       für Leistung und Barrierefreiheit.                                   Wir bedanken uns bei dem Projektteam der ESMT Berlin für
                                                                            die gute Zusammenarbeit: Givi Dzamashvili, Tamar Kobaladze,
       Projektdauer: fünf Jahre
                                                                            Huyen Nguyen und Aparajith Raman.

                                                                                                              PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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10 SCHWERPUNKTTHEMA

                                            IT-Fachkräfte suchen Entwicklungsmöglichkeiten und Innovationskultur
                                         Um die Präferenzen von IT-Fachkräften einschätzen zu können, hat das Projektteam
                                         der ESMT im November 2020 ein Stimmungsbild eingeholt. Befragt wurden 28 IT-
                                         Fachkräfte, die in Deutschland tätig sind, und 37, die in anderen Ländern arbeiten. Sie
                                         haben im Schnitt drei Jahre Berufserfahrung; 26 Prozent verfügen über Arbeitserfah-
                                                                rung im öffentlichen Sektor. Die drei wichtigsten Kriterien bei
                      Öffentlicher Sektor bei Gehalt und der Berufswahl sind für diese Gruppen die Entwicklungsmög-
                           Innovations­kultur im Nachteil lichkeiten, Anerkennung und interessante Aufgaben. Insbeson-
                                                                dere bei den Entwicklungsmöglichkeiten schneidet der öffent-
                                         liche Sektor als Arbeitgeber im Vergleich zur Privatwirtschaft aber schlecht ab. Keiner
                                         der befragten IT-Fachkräfte, die in Deutschland tätig sind, und nur 3 von 37 Befragten,
                                         die in anderen Ländern arbeiten, präferieren in diesem Aspekt den öffentlichen Sek-
                                         tor. Auch bei weiteren Punkten wie der Innovationskultur und den Gehaltsstrukturen
                                         schneidet der Privatsektor deutlich besser ab – und zwar mit jeweils über 90 Prozent
                                         Zustimmung insbesondere bei den in Deutschland beschäftigten IT-Fachkräften.

                                            Lösungsansätze: Die öffentliche Verwaltung muss an Attraktivität
                                            gewinnen
                                            Der öffentliche Sektor muss sich in erster Linie als Arbeitgeber gegenüber der Privat-
                                            wirtschaft behaupten. Schon beim Thema Recruiting sollte die öffentliche Ver­wal­tung
                                            stärker auf die Gewohnheiten der Zielgruppe eingehen und die Stellen über Social-
                                            Media-Portale bzw. digitale Jobportale vermarkten. Die vorab erwähnte Befragung
                                            hat gezeigt, dass sich die IT-Fachkräfte in erster Linie auf Onlineplatt­formen wie
                                            LinkedIn, Indeed oder Xing informieren. Auch die Geschwindigkeit beim Einstel-
                                            lungsprozess muss sich erhöhen.

                                    Bei den Kriterien für die Berufswahl bleiben die Spielräume der öffentlichen Verwal-
                                    tung hinsichtlich Vergütung und Entwicklung durch das Tarifsystem bzw. die Besol-
                                    dungsstrukturen eingeschränkt. Die Bundesverwaltung will zwar auf Grundlage
                                    eines im Jahr 2019 verabschiedeten Gesetzes mit einer Prämie in Höhe von bis zu
                                                            80.000 Euro für IT-Fachkräfte attraktiver werden10, diese Maß-
       Öffentliche Verwaltung muss gezielter für sich nahme allein wird aber nicht ausreichen und gilt zudem nicht
          werben und eigene Vorteile klar benennen für alle Verwaltungsebenen. Daher sollten noch stärker die po-
                                                            sitiven Aspekte der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder
                                    die Vorteile eines Beamtenstatus in den Vordergrund gerückt werden. Entsprechend
                                    den in der oben erwähnten Befragung genannten Kriterien sollten die Gemeinwohl­
                                    orientierung und eine damit einhergehende Anerkennung einer Tätigkeit für den öf-
                                    fentlichen Sektor betont werden. Im Sinne des Aspekts „interessante Aufgaben“
                                    sollte ebenfalls die gesellschaftliche Relevanz in den Vordergrund gestellt werden.

                                            Vor allem aber muss das Arbeitsumfeld in den Behörden der öffentlichen Verwaltung
                                            attraktiver werden. Hierzu zählen die IT-Ausstattung und digitale Infrastruktur oder
                                            die räumliche Gestaltung des Arbeitsplatzes genauso wie die Arbeitsweise. Agile
                                            Arbeitsformen und Räume für Innovation müssen noch flächendeckender Einzug in
                                            Behörden halten. Eine positive Auswirkung infolge der Corona-Pandemie ist auch im
                                            öffentlichen Sektor die gestiegene Flexibilität hinsichtlich mobilem bzw. ortsunab-
                                            hängigem Arbeiten und flexiblere Kern- bzw. Regelarbeitszeiten.11 Dies gilt es im Hin-
                                            blick auf die Rekrutierung von IT-Fachkräften zu bewahren und – wo nötig – weiter
                                            auszubauen.12 Der Einsatz mobiler Rechner, der Zugang über VPN-Verbindungen
                                            und Technologien zur virtuellen Zusammenarbeit sind dafür Grundvoraussetzungen.
                                            Gerade in den Kommunalverwaltungen fehlt es aber oftmals an der entsprechenden
                                            digitalen Infrastruktur. Laut einer Befragung aus dem November 2020, die Bitkom und

                                            10   Gesetz zur Modernisierung der Strukturen des Besoldungsrechts vom 9.12.2019, in Kraft getreten am 1.1.2020
                                            11   BCG und Hertie School Centre for Digital Governance (2020): Die Verwaltung als Gewinnerin der Corona-Krise? Ergebnisse der Befragung von
                                                 Führungskräften im öffentlichen Sektor, S. 23. Wir berichten über die Studie in dieser Ausgabe, siehe S. 22–23
                                            12   Vgl. Thiersch, K. et al. (2019): Arbeitgeber(un)attraktivität der öffentlichen Verwaltung für IT-Nachwuchskräfte. In: Verwaltung & Management, 25. Jg.,
                                                 Heft 1, S. 28 – 36. Eine Befragung unter Studentinnen und Studenten der Informatik zeigt, dass die Möglichkeit für Home-Office und flexible Arbeits­
                                                 zeiten zu den am häufigsten genannten Leistungen zählen, die von einem Arbeitgeber angeboten werden sollten.

PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
                                                                                                                                           © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
SCHWERPUNKTTHEMA 11

der Deutsche Städtetag beauftragten, ist die Möglichkeit zur Arbeit im Home­office
bei der Hälfte der Kommunen kategorisch ausgeschlossen.13 Begründet wird dies
unter anderem mit fehlendem technischen Know-how.14 Damit aber kein „Henne-Ei-
Pro­blem“ entsteht, sollte die öffentliche Verwaltung mit den bereits verfügbaren
Personalressourcen im IT-Bereich und mit Unterstützung externer IT-Dienstleister
oder Berater kurzfristig die infrastrukturellen Voraussetzungen
schaffen, um künftig für IT-Fachkräfte attraktiver zu werden.   Raum für Innovation und flexible
                                                                                                                           Arbeitsformen schaffen
Maßnahmen, junge Menschen und insbesondere mehr junge
Frauen für ein Infor­matikstudium oder eine Ausbildung im IT-Bereich zu motivieren –
hierzu zählt zum Beispiel die viel diskutierte Forderung nach häufigerem und besse-
rem Informatik­unterricht in den Schulen –, können unterstützend wirken.

Öffnen für IT-Expertise von außen
Zusätzlich sollte sich die Verwaltung verstärkt nach außen öffnen. So gilt der öffent­
liche Dienst in Deutschland weiterhin als sehr „geschlossen“, es dominiert das Lauf-
bahnsystem mit strengen Zugangsvoraussetzungen, das wenig Mobilität zwischen
öffentlichem und privatem Sektor zulässt.15 „Querwechsler“, die vom privaten in den
öffentlichen Sektor wechseln, könnten dort aber Veränderungsprozesse vorantreiben
und sich mit Methodenkompetenz und spezifischem Fachwissen gerade in Quer-
schnittsbereichen, wie unter anderem auch der IT bzw. Verwaltungsdigitalisierung,
einbringen.16
                                                                                                                           Querwechsler aus der Privatwirtschaft
Nicht zuletzt müssen auch vermehrt ausländische Fachkräfte                                                                 können eine Chance darstellen
im IT-Bereich angeworben werden. Denn die in diesem Bei-
trag dargestellten Zahlen zeigen, dass der IT-Fachkräftebedarf in der öffentlichen
Verwaltung angesichts der großen Lücke im Privatsektor kaum mit dem Angebot auf
dem heimischen Arbeitsmarkt gedeckt werden kann.

Ressourcen bündeln – vor allem auf kommunaler Ebene
Eine Blitzumfrage unter Verwaltungsexperten, die das Institut für den öffentlichen
Sektor im Jahr 2019 durchführte, zeigt, dass nur ein Viertel der Befragten damit rech-
net, dass sich ihre Institution bzw. Gebietskörperschaft bei der OZG-Umsetzung an
den zentral erarbeiteten Musterprozessen orientieren wird. Die Mehrheit gehe davon
aus, dass neben den Prozessen aus den Entwicklungsgemeinschaften von Bund,
Ländern und Kommunen auch individuelle digitale Prozesse entwickelt würden.17
Dies würde den Personalbedarf im IT-Bereich zusätzlich erhöhen. Denn die hier prä-
sentierten Kalkulationen gehen von einer flächendeckenden Implementierung zent-
ral entwickelter digitaler Prozesse aus.

Daher sollte viel mehr auf Synergien sowie Zusammenarbeit, Erfahrungsaustausch
und gegenseitiges Lernen gesetzt werden. IT-Dienstleister wie zum Beispiel auf
kommunaler Ebene die AKDB in Bayern oder KISA in Sachsen bzw. auf Landes-
ebene BITBW (Baden-Württemberg) bündeln dabei Expertenwissen in öffentlicher
Hand und ermöglichen eine IT-Konsolidierung.18 Die Aufgaben sind groß, doch die
Ressourcen knapp. Statt ihre jeweils eigenen Prozesse zu entwickeln, erscheint es
sinnvoller, dass sich die Gebietskörperschaften und Behörden auf die angespannte
Personal­situation konzentrieren.
                                                                                                 Franziska Holler, Ferdinand Schuster

13    Bitkom und Deutscher Städte- und Gemeindebund (2020): Corona hat in Kommunen einen Digitalisierungsschub ausgelöst. Befragung zur
      Digitali­sierung der Kommunen in der Corona-Krise. Verfügbar unter www.bitkom-research.de. Wir berichten über die Umfrage in dieser Ausgabe,
      siehe S. 24 –25
14    Ebenda
15    Gerhard Hammerschmid und Thurid Hustedt (2020): Querwechsler als Impulsgeber für die Verwaltung von morgen. Kurzstudie über Potenzial,
      Kompetenzen und Erfahrungen von Querwechslern, S. 6. Wir berichten über die Studie in dieser Ausgabe, siehe S. 28
16    Ebenda, S. 16 ff.
17    PublicGovernance Sommer 2019: Blitzumfrage: Planmäßige OZG-Umsetzung bis 2022 wird skeptisch gesehen, S. 30
18    Vgl. zu kommunalen IT-Dienstleistern: Alexander Fricke et. al (2020): Service- und Produktorientierung als Strategie für IT-Service-Provider der
      öffentlichen Hand. In: PublicGovernance Herbst/Winter 2020, S. 17–19

                                                                                                                                                         PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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12

IM FOKUS

Verwaltung in Krisenzeiten – Auswirkungen
der Pandemie auf den öffentlichen Dienst
Für Verwaltungsbehörden ist die Bewältigung der durch die Pandemie ausgelösten Herausforderun­
gen, ebenso wie für viele Unternehmen, ein außergewöhnlicher Stresstest. Verwaltungsbeschäftigte
aller Verwaltungsebenen mussten innerhalb kürzester Zeit auf einen Krisenmodus umschwenken,
um gleichzeitig ihre Arbeitsfähigkeit und Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger sowie für
die Wirtschaft aufrechtzuerhalten.

Krisenstäbe wurden eingerichtet, Hilfs-         Sechstel der Befragten auch deutliche          dabei ein starkes West-Ost-Gefälle:
pakete geschnürt, digitale Lösungen ent-        Leistungseinbußen wahr.                        Die Funktionsfähigkeit der Verwaltun-
wickelt und auch das mobile Arbeiten        2.	Die Arbeitsbelastung der Verwaltung            gen in den westdeutschen Bundes-
wurde massiv vorangetrieben. Doch ist           ist klar angestiegen. Rund 40 Prozent          ländern wurde deutlich besser bewer-
es den Verwaltungen auf Bundes-, Lan-           der Befragten sehen eine höhere oder           tet als in den meisten ostdeutschen
des- und Kommunalebene gelungen,                wesentlich höhere Arbeitsbelastung.            Bundesländern.
leistungsfähig zu bleiben und wie haben         Auf kommunaler Ebene beträgt dieser        5.	Die Nutzung von digitalen Verwal-
die Beschäftigten in den Verwaltungs­           Wert sogar 50 Prozent.                         tungsservices hat insbesondere unter
organisationen die Corona-Krise bislang     3.	Rund ein Viertel der Beschäftigten             den jüngeren Alterskohorten zuge-
erlebt? Wie haben Bürgerinnen und Bür-          wurde im Schnitt mit anderen Auf­              nommen, aber die Erfahrung der Nut-
ger die Verwaltung bisher wahrgenom-            gaben betraut, in den Kommunen war             zerinnen und Nutzer ist sehr durch-
men? Was ist gelungen und wo besteht            es sogar mehr als ein Drittel. Beide           wachsen. Insgesamt hat rund ein
noch Handlungsbedarf? Diesen Fragen             Ergebnisse bestätigen, dass die Kom-           Fünftel der Bürgerinnen und Bürger
ist die Studie der Beratungsagentur             munen die Hauptlast der Corona-                im Vergleich zu der Zeit vor der Pande-
Next:Public in Kooperation mit dem Cen-         Pandemie tragen und damit das Rück-            mie verstärkt Gebrauch von digitalen
tre for Digital Governance an der Hertie        grat der Pandemiebekämpfung sind.              Verwaltungs­  services gemacht. Fast
School und mit weiteren Praxispartnern          Gleichzeitig sind sie aber gerade im           die Hälfte sieht die Qualität der digita-
sowie dem dbb Beamtenbund und Tarif-            Hinblick auf digitale Ausstattung und          len Verwaltungsleistungen allerdings
union nachgegangen.                             Möglichkeiten zu Homeoffice deutlich           kritisch.
                                                schlechter gestellt als Bundes- oder       6.	Trotz hoher Unzufriedenheit mit digita-
Leistungsfähigkeit der Verwaltung               Landesbehörden.                                len Angeboten der Verwaltung plant
während der Pandemie insgesamt              4.	Die Außensicht der Bürgerinnen und             mehr als ein Drittel der Bürgerinnen
positiv bewertet                                Bürger fällt deutlich kritischer aus als       und Bürger, digitale Dienstleistungen
Die Ergebnisse der Studie spiegeln die          die Innensicht der Verwaltungsmitar-           der Verwaltung stärker zu nutzen –
Vielfalt der einschneidenden Veränderun-        beiterinnen und -mitarbeiter. Wenn-            hier vor allem jüngere Alterskohorten
gen in der Arbeitsweise der Verwaltung          gleich fast die Hälfte der befragten           und diejenigen mit höheren Bildungs-
wider. Die Studie gewährt Einblicke so-         Bürgerinnen und Bürger die Verwal-             abschlüssen. Allerdings tendieren wei-
wohl in die Innensicht der Verwaltung als       tung auch in der Corona-Krise als funk-        terhin über 40 Prozent der Befragten
auch in die Außensicht der Bürgerinnen          tionsfähig wahrgenommen hat, sieht             eher dagegen. Für die Zukunft wün-
und Bürger. Diese lassen sich zu sechs          rund ein Drittel der Befragten die Ver-        schen sich gemäß der Studie viele
zentralen Ergebnissen zusammenfassen:           waltung als weniger (27 Prozent) oder          Bürgerinnen und Bürger, verstärkt per
                                                gar nicht (9 Prozent) funktions­fähig.         E-Mail, Kontaktformular oder Online-
1.	Der Großteil der Mitarbeiterinnen und       Berücksichtigt man nur diejenigen, die         dienst mit der Verwaltung kommuni-
    Mitarbeiter sieht die Leistungsfähig-       2020 tatsächlich Kontakt zur Verwal-           zieren zu können. Allerdings bleibt der
    keit der eigenen Verwaltung ange-           tung hatten (60 Prozent), verstärkt            Termin vor Ort für knapp 40 Prozent
    sichts der Corona-Krise insgesamt           sich das Bild (44 Prozent positiv ver-         der Befragten auch zukünftig wichtig.
    positiv. Allerdings nimmt rund ein          sus 41 Prozent negativ). Auffallend ist

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                                                                                                    © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
IM FOKUS 13

      Abbildung: Veränderungen, die Mitarbeitende der Verwaltung nach der Pandemie
      bewahren möchten (Mehrfachnennungen möglich)
                                                                      0%        25 %                         50 %                                        75 %                  100 %

       Stärkere Möglichkeit zu Homeoffice                                                                                                                                 87
                                                                                                                                                                                       kämpften mit Server- und Netzwerk­
                         Arbeitszeitflexibilisierung                                                                                                                 80
                                                                                                                                                                                       problemen und mussten mangelhafte
           Flexible Kommunikationsformate                                                                                                                                              IT-Ausstattung mit dem Einsatz privater
                                                                                                                                         54
                      ersetzen Dienstreisen                                                                                                                                            Technik kompensieren. Angesichts die-
                                     Videokonferenzen                                                                    50                                                            ser Schwierigkeiten und Begleitumstände
                                                                                                                                                                                       wird das Thema Homeoffice dennoch
         Onlinekommunikation mit Bürgern                                                                                                                                               insgesamt sehr positiv gesehen. Auffällig
                                                                                                     38
                      und Unternehmen
                                                                                                                                                                                       ist, dass 83 Prozent der befragten Mitar-
                                                   Sonstiges                5                                                                                                          beitenden für die Zeit nach Corona den
                                                                                                                                                                                       klaren Wunsch nach der Möglichkeit zur
      Quelle: Next:Public (2020): Verwaltung in Krisenzeiten, S. 44                                                                                                                    mobilen Arbeit äußerten, knapp gefolgt
                                                                                                                                                                                       von Arbeitszeitflexibilisierung (80 Pro-
                                                                                                                                                                                       zent). Die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter
Corona als Beschleuniger von                                                     Der Wechsel zum Homeoffice wurde                                                                      im Homeoffice fühlten sich im Gegen-
Homeoffice                                                                       zudem von erheblichen Herausforderun-                                                                 satz zu ihren Kolleginnen und Kollegen,
Die Studienergebnisse zeigen einen                                               gen begleitet. Die Hälfte der Befragten                                                               die vor Ort arbeiteten, besser informiert
sprunghaften Bedeutungsanstieg mobi-                                             beklagt neben technischen Hürden auch                                                                 und schätzten ihre Arbeitsbelastung ge-
len Arbeitens angesichts der Pandemie.                                           Herausforderungen in Bezug auf den                                                                    ringer ein. So hatten viele Verwaltungen
Allerdings legen die Ergebnisse auch of-                                         Austausch mit den Arbeitskolleginnen                                                                  neue Formate eingeführt – wie etwa täg-
fen, dass der Verwaltung der Übergang                                            und -kollegen sowie die Vereinbarkeit                                                                 liche oder wöchentliche Telefonkonferen-
ins Homeoffice nur teilweise gelungen                                            von Beruf und Familie während des Lock-                                                               zen, die zu einer Verbesserung des fach­
ist. Rund die Hälfte aller befragten Ver-                                        downs. Knapp zwei Drittel der Befragten                                                               lichen Austausches führten.
waltungsmitarbeiterinnen und -mitarbei-
ter war bereits während der ersten Pan-
demiewelle überwiegend im Home­office                                                  Studiendesign
tätig: Im Bund waren dies 67 Prozent, in                                                                             Die Studie stellt eine einmalige Bestandsaufnahme der
den Ländern 55 Prozent und in den Kom-                                                                               Innen- und Außensicht von Behörden dar und basiert
munen allerdings nur 37 Prozent. Gleich-                                                                             auf einer umfassenden Befragung von jeweils rund
zeitig musste jeder Vierte trotz Lock-                                                                               5.000 Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern
down täglich an den Arbeitsplatz und für                                                  Verwaltung in Krisenzeiten

                                                                                                                     aller Verwaltungsebenen sowie von Bürgerinnen und
                                                                                         Eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen der
                                                                                         Corona-Pandemie auf den Öffentlichen Dienst

knapp zwei Drittel galt dies zumindest                                                                               Bürgern. Sie wurde im Sommer 2020 durchgeführt.
regelmäßig. Im Kontrast dazu steht die                                                                               Ergänzend wurden 25 qualitative Interviews mit Exper-
Privatwirtschaft, die im zweiten Quartal                                                 Content Sponsoren
                                                                                                                     tinnen und Experten durchgeführt, um Handlungsemp-
                                                                                                                                               Ideelle Sponsoren

2020 rund 60 Prozent ihrer Angestellten                                                                              fehlungen abzuleiten. Die Studie ist zugleich die erste
zumindest teilweise das mobile Arbeiten                                                  Medienpartner
                                                                                                                     umfassende empirische Analyse zum Thema Home­
                                                                                                             Wissenschaftliche Partner         Eine Initiative von

ermöglicht hat – im Vergleich zu knapp                                                                               office in der deutschen Verwaltung. Sie wurde von der
40 Prozent vor der Pandemie, so ein                                                                                                           www.nextpublic.de

                                                                                                                     Beratungsagentur Next:Public in Zusammenarbeit mit
wesentliches Ergebnis der Randstad-ifo-                                                dem Centre for Digital Governance an der Hertie School als wissenschaftlichem
Personalleiterbefragung.1                                                              Partner (Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid) durchgeführt und von zahlreichen Pra-
                                                                                       xispartnern sowie dem dbb Beamtenbund und Tarifunion unterstützt. Folgende
Zentraler Grund für die holprige Umstel-                                               drei Methoden und Datenquellen wurden verwendet:
lung ist die Tatsache, dass Homeoffice
bzw. mobiles Arbeiten vor der Corona-                                                  1.	Onlinebefragung der Verwaltung: 4.832 Verwaltungsmitarbeiterinnen und
Krise in der öffentlichen Verwaltung nur                                                   -mitarbeiter in Deutschland beantworteten 39 Fragen im Zeitraum von Juli bis
ansatzweise umgesetzt war: 45 Prozent                                                      August 2021 (45 Prozent auf Bundesebene, 31 Prozent auf Länderebene und
der befragten Beschäftigten hatten vor                                                     24 Prozent aus den Kommunen). Insgesamt 25 Prozent aller Befragten über alle
2020 schlicht keine Möglichkeit dazu –                                                     Verwaltungsebenen hinweg waren Führungskräfte.
56 Prozent auf kommunaler Ebene ge-                                                    2.	Onlinebefragung der Bürger: Eine repräsentative Befragung von 5.000 Personen
genüber 30 Prozent auf Bundesebene.                                                        in Deutschland durch den Partner Civey im Juli 2020. Die Befragung umfasste
Die Pandemie hat das grundlegend geän-                                                     zehn Fragen zur allgemeinen Wahrnehmung der Verwaltung und zu digitalen
dert: Für knapp ein Drittel der Befragten,                                                 Verwaltungsleistungen.
die aktuell überwiegend im Homeoffice                                                  3.	Interviews mit Experten: Vertiefende Interviews mit 25 ausgewählten Expertin-
arbeiten, war vor der Pandemie mobiles                                                     nen und Experten der öffentlichen Verwaltung aus unterschiedlichen Positio-
Arbeiten noch keine Option.                                                                nen, Organisationen und Verwaltungsebenen zur Interpretation der Befragungs-
                                                                                           ergebnisse und zur Entwicklung von Handlungsempfehlungen.
1     ifo Institut (2020): Randstad-ifo-Personalleiterbefragung, 3.8.2020 –
      Homeoffice und Digitalisierung unter Corona (2. Quartal 2020), unter:
                                                                                       Download der Studie: www.nextpublic.de/studie-verwaltung-in-krisenzeiten
      www.ifo.de, zuletzt abgerufen am 15.3.2021

                                                                                                                                                                                                  PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
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14 IM FOKUS

Implikationen für die Zukunft der             men innerhalb weniger Tage in den Län-        Kollaborationslösungen definiert, Tools
Verwaltungsdigitalisierung                    dern digital zur Verfügung gestellt.          empfiehlt und nicht zuletzt maßge-
Die Studie bestätigt einen deutlichen                                                       schneiderte Lösungen aufbaut.
Digitalisierungsschub durch die Corona-       Handlungsempfehlungen
Pandemie und sieht einen entschei-            Um Homeoffice und Digitalisierung auch        3. Personal und Führung: Führungs-
denden Beitrag der Digitalisierung zur        nach der Corona-Krise als „neue Norma-        kräfte in der Verwaltung sollten mobiles
Krisenresilienz der Verwaltung. In den        lität“ zu etablieren, formuliert die Studie   Arbeiten zur „neuen Normalität“ machen
ergän­zen­den Experteninterviews wurde        folgende Handlungsempfehlungen:               und zum organisationskulturellen Wan-
festgestellt, dass die Corona-Krise mit                                                     del in Richtung stärkerer Digitalisierung
einer zunehmenden Innovations- und            1. Förderung der digitalen Befähi-            beitragen. Dazu gehört, langwierige
Experimentierfreude in der Verwaltung         gung: Kommunalbehörden sollten im             An­tragsprozesse zu überdenken und
einhergeht und sich dadurch die Rah-          Rahmen eines „Digitalpakt Verwaltung“         Dienstvereinbarungen anzupassen. Im
menbedingungen für die Digitalisierung        stärker digital befähigt werden. Als          Zuge dessen sollten bewährte Neuerun-
eindeutig verbessert haben. Im Vergleich      Hauptlastenträger der Pandemiebe-             gen wie flexible Arbeitszeitmodelle und
zum Status quo vor 2020 wird nun ver-         kämpfung kommt ihnen besondere Auf-           Präsenzzeiten beibehalten werden. Darü-
stärkt auf Cloud-Lösungen, Homeoffice,        merksamkeit zu. Außerdem zeigte sich,         ber hinaus ist eine agile und menschen-
Datenportale, Videokonferenzen und an-        dass viele Kommunen vergleichsweise           zentrierte Führungskultur erforderlich,
dere digitale Tools gesetzt.                  innovationsoffen sind und bereits digitale    die hohe Kommunikationskompetenz und
                                              Impulse gesetzt haben, an die verstärkt       Empathie voraussetzt. Diese Schritte
Im Gegensatz zu diesen positiven Befun-       angeknüpft werden sollte. Ein entspre-        sind zudem im Sinne der Arbeitgeber­
den legt die Studie auch grundlegende         chendes Bund-Länder-Förderprogramm            attraktivität notwendig, da ins­be­sondere
Defizite bei der Veränderungsfähigkeit, der   könnte gezielt die IT-Ausstattung, die ge-    jüngere Bewerberinnen und Bewerber
verwaltungsinternen Digitalisierung sowie     eignete technische Infrastruktur, Cloud-      Flexibilität und Homeoffice einfordern.
bei Onlinedienstleistungen für Bürgerin-      Lösungen, die digitalen Kompetenzen
nen und Bürger offen. Bei den befragten       der Beschäftigten und Konzepte zur agi-       4. Fokus auf die Nutzer: Alle digitalen
Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitar-       len Verwaltung fördern.                       Verwaltungsservices für Bürger und Un-
beitern bestehen zudem Zweifel hinsicht-                                                    ternehmen sollten nutzerfreundlicher ge-
lich einer nachhal­tigen Wirkung der Ver-     2. Verwaltungsdigitalisierung: Seitens        staltet werden. Sobald die Nutzererfah-
änderungen. Dies gilt insbesondere in         des Bundes und der Länder sollte die          rung positiv ist, zeigen sich Bürgerinnen
Bezug auf schnellere Entscheidungsfin-        interne Verwaltungsdigitalisierung kon-       und Bürger deutlich offener, zukünftig
dung. Und gerade einmal 50 Prozent der        sequent vorangetrieben werden. Dies           mehr digitale Verwaltungsservices zu
Befragten wünschen sich, Videokonfe-          betrifft insbesondere die Einführung der      nutzen. Die Nutzungswahrscheinlichkeit
renzen auch in der Zeit nach der Krise bei-   E-Akte, gilt aber auch in Bezug auf die       kann zudem durch rechtliche Vereinfa-
zubehalten. Die Beibehaltung der Online-      Fachverfahren. Die Länder haben im            chungen, wie der Authentifizierung über
kommunikation mit Bürgerinnen und Bür-        Rahmen ihrer E-Government-Gesetze             Benutzername/Passwort statt über den
gern sowie mit Unternehmen nach der           bisher keine Pflicht zur E-Akte auf den       neuen Personalausweis, erhöht werden.
Krise befürworten sogar nur 38 Prozent        Weg gebracht. Diese ist allerdings eine       Auch mittels niedrigschwelliger Ange-
(vergleiche Abbildung auf Seite 13).          Grundvoraussetzung, um sowohl mobi-           bote wie etwa die Onlineterminvergabe
                                              les Arbeiten als auch digitale Verwal-        im Bürgeramt ohne Registrierung ließe
Trotz Unzufriedenheit und Vertrauensver-      tungsservices für Bürgerinnen und Bür-        sich der digitale Einstieg fördern.
lusten in digitale Verwaltungsangebote        ger sowie für Unternehmen zu ermög­
ist mehr als ein Drittel der Bürgerinnen      lichen. Dazu müssen die Investitionen in      5. Weiterentwicklung von Services:
und Bürger bereit, (bessere) digitale         leistungsfähige Netz- und IT-Infrastruktu-    Während der OZG-Umsetzung unter
Verwaltungsservices künftig stärker zu        ren verstärkt werden. Die notwendigen         Pandemiebedingungen sollte auf eine
nutzen. Dies gilt vor allem für jüngere       Investitionen umfassen beispielsweise         bedarfsorientierte Priorisierung des Aus-
Jahrgänge. Es gibt aber auch positive         stabile Zugriffsmöglichkeiten auf leis-       baus digitaler Verwaltungsservices ge-
Erfahrungen: Als Good Practice auf Län-       tungsstarke Server- und Netzwerkinfra-        achtet werden. Ein zentraler Vorschlag ist
derebene erwähnt die Studie den Frei-         strukturen, Glasfaseranschlüsse, Telefon-     daher, solche digitalen Leistungen vor-
staat Bayern, der durch eine Ausnahme-        kapazitäten und VPN-Kanäle. Auf dieser        rangig zu behandeln, die eine hohe Nach-
genehmigung die digitale An-, Ab- und         Grundlage lässt sich dem Wunsch nach          frage und einen hohen Publikumsverkehr
Ummeldung eines Kraftfahrzeugs über           Homeoffice sowie nach digitalen Bürger-       aufweisen – wie etwa die Kfz-Anmel-
das Internet vereinfachte. Dadurch konnte     und Unternehmensservices begegnen.            dung, wo es in der Pandemie bisher häu-
die komplizierte Authentifizierung mit        Des Weiteren ist im Sinne der Vernet-         fig zu Engpässen und langen Wartezei-
der eID-Funktion des Personalausweises        zung und des Austausches mit anderen          ten gekommen ist.
abgelöst werden. Vielfach wurde auch          Verwaltungen der Aufbau eines ebenen-                    Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid,
die Antragstellung für Sofort­  hilfen für    übergreifenden „Digital Work Teams“                                        Tim Hildebrandt,
Soloselbstständige und kleine Unterneh-       denkbar, das verbindliche Standards für                                Hertie School, Berlin

PUBLIC GOVERNANCE Frühjahr 2021
                                                                                                    © 2021 Institut für den öffentlichen Sektor e.V. Alle Rechte vorbehalten.
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