Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen

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59. Aktion

Projekte 2017|2018
Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt

Wasser                              Frauen                                  Kinder und Jugendliche
Die Regenmacher                     Gemeinsam stark                         Raus aus der Sklaverei
Im Norden Perus fällt kaum          In Uganda schürfen viele Frauen         In Indien müssen Millionen
Niederschlag. Eine Organisation     unter Lebensgefahr Gold. Ein Pro-       Minderjährige arbeiten. Die Bewe-
hilft Kleinbauernfamilien, ihre     jekt bildet sie weiter und fördert      gung zur Rettung der Kindheit
Felder zu bewässern.     Seite 16   ihren Zusammenhalt.          Seite 44   setzt sich für sie ein.  Seite 50
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Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,

fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugang zu
sauberem Wasser. Die Wassernot trifft vor allem die Armen in
Afrika, Asien und Lateinamerika: die Bewohnerinnen und
Bewohner der städtischen Slums, aber auch Kleinbauernfami-
lien in abgelegenen ländlichen Regionen. Da sie keine andere
Wahl haben, benutzen sie oft verunreinigtes Wasser zum
Trinken und Kochen. Die Folge sind Durchfälle und andere
Erkrankungen. Mehrere Millionen Kinder und Erwachsene
sterben jährlich daran. Aber damit nicht genug: Weil die
Menschen ihre Felder nicht bewässern können und der Regen
infolge des Klimawandels immer häufiger ausbleibt, drohen
vielerorts auch Hunger und Mangelernährung.

Gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen setzt sich Brot
für die Welt in vielen Ländern dieser Erde dafür ein, dass auch
die Armen genügend sauberes Wasser zur Verfügung haben.
Drei Beispiele dafür finden Sie in diesem Heft: In Kenia unter-
stützen wir die Menschen dabei, mit unkonventionellen Metho-
den Regenwasser zu sammeln (S. 10). In Peru helfen wir,
effiziente und kostengünstige Bewässerungssysteme zu errich-
ten (S. 16). Und in Vietnam fördern wir den Bau von Wasser-
tanks und Latrinen (S. 20).

„Wasser für alle“ lautet das Motto der 59. Aktion von Brot für
die Welt. Denn wir sind davon überzeugt: Wasser ist ein Gemein-
gut, das allen zusteht.

Ihre

Pfarrerin Cornelia füllkrug-weitzel
Präsidentin Brot für die Welt

                                                              2017 | 2018 Projekte   3
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Inhalt
                                                                                                     62       Russland
                                                                                                     Nach vorne schauen
                                                                                                     Menschen, die mit HIV und Aids
                                                                                                     leben, werden oft ausgegrenzt und
                                                                                                     geächtet. Die Organisation Nowoje
                                                                                                     Wremja bietet betroffenen Frauen

                           38       Honduras
                                                                                                     und Kindern Unterstützung.

                           Zurück ins Leben
                           Jedes Jahr versuchen zehntausende
                           Menschen ohne gültige Papiere in die USA
                           zu gelangen. Die meisten werden aufgegrif-
                           fen und zurückgeschickt. Die Scalabrini-
                           Schwestern helfen ihnen beim Neuanfang.

                                   56 Ecuador
                                   Die Umweltrebellen

                                                                                                          44
                                   Die Erdölförderung im nördlichen Amazonas-
                                   gebiet birgt große Gefahren. Die Organisation
                                                                                                                     Uganda
                                   Acción Ecológica betreibt Aufklärung und
                                   zeigt Alternativen auf.                                                Gemeinsam stark
                                                                                                          Um das Überleben ihrer Familien
                                                                                                          zu sichern, graben viele Frauen
                                                                                                          ohne Fachkenntnisse nach Gold.

                                                    16
                                                                                                          Die Organisation ECO bildet die
                                                              Peru                                        Frauen weiter und fördert ihren
                                                                                                          Zusammenhalt.
                                                    Die Regenmacher
                                                    Der Norden des Andenlandes leidet unter
                                                    großer Trockenheit. Die Organisation
                                                    CICAP unterstützt Kleinbauernfamilien
                                                    dabei, Bewässerungssysteme zu errichten.

    Editorial                                3
    Meldungen                                6
    59. Aktion                               8
    Wasser für alle

    Auf Fels gebaut                         10   Eine saubere Lösung                 20    Schule ohne Schranken               32
    Kenia Die Anglikanische Kirche               Vietnam Das Rote Kreuz stattet            Simbabwe Die Jairos Jiri Asso-
    verschafft den Menschen Zugang               arme Familien im Mekong-Delta             ciation lässt Kinder mit und ohne
    zu sauberem Trinkwasser.                     mit Regenwassertanks aus.                 Behinderung Seite an Seite lernen.

    Die Regenmacher                         16   Interview zum                             Zurück ins Leben                    38
    Peru CICAP unterstützt Klein-                Schwerpunkt Wasser                  24    Honduras Die Scalabrini-Schwes-
    bauernfamilien dabei, Bewässe-               „Auch wir müssen unseren                  tern helfen gescheiterten Auswande-
    rungssysteme zu errichten.                   Beitrag leisten“                          rern beim Neuanfang.

                                                 Die Saat geht auf                   26    Gemeinsam stark                     44
                                                 Nepal Die Organisation United             Uganda Die Organisation ECO
                                                 Mission to Nepal hilft Kleinbauernfa-     bildet Kleinschürferinnen weiter
                                                 milien dabei, ihre Erträge zu steigern.   und fördert ihren Zusammenhalt.

4   Projekte 2017 | 2018
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
26 Nepal
                                                      Die Saat geht auf
                                                      Das Erdbeben vor zwei Jahren hat die Not der
                                                      Menschen noch verschärft. Eine christliche
                                                      Hilfsorganisation unterstützt Kleinbauern-
                                                      familien dabei, ihre Erträge zu steigern.

                                                                                  20        Vietnam
                                                                                  Eine saubere Lösung
                                                                                  Viele Menschen im Mekong-Delta sind
                                                                                  gezwungen, verschmutztes Flusswasser zu
                                                                                  trinken. Die Folge sind Durchfälle und andere
                                                                                  Erkrankungen. Das Rote Kreuz stattet arme
                                                                                  Familien mit Regenwassertanks aus.

              10         Kenia
                                                                              50 Indien
                                                                              Raus aus der Sklaverei
              Auf Fels gebaut                                                 Immer noch schuften Millionen Jungen
              Viele Frauen verbringen täglich Stunden damit,                  und Mädchen unter sklavenähnlichen
              Wasser aus weit entfernten Quellen zu holen.                    Bedingungen. Die Bewegung zur Rettung
              Die Anglikanische Kirche verhilft den Men-                      der Kindheit befreit arbeitende Kinder und
              schen zu einer besseren Trinkwasserversorgung.                  hilft ihnen, ein neues Leben zu beginnen.

     32        Simbabwe
     Schule ohne Schranken
     Kinder mit Behinderung haben meist keine
     Chance auf Schulbildung. Die Jairos Jiri
                                                                                 In diesen Ländern ist Brot für die Welt aktiv.
     Association lässt sie Seite an Seite mit nicht
     behinderten Kindern lernen.

Raus aus der Sklaverei               50   Nachberichte                           66   Über uns                              72
Indien Die Bewegung zur Rettung           Kleine Schritte ‒ große Wirkung             Ihre Spende kommt an                  74
der Kindheit hilft arbeitenden Kin-       Vor zwei Jahren berichteten wir             Kontakt/Impressum                      76
dern, ein neues Leben zu beginnen.        ausführlich über diese Projekte in          Materialien                            77
                                          den Ländern des Südens. Was hat             Regionale Ansprechpersonen            78
Die Umweltrebellen                   56   sich seitdem dort getan?
Ecuador Acción Ecológica kämpft
gegen die Erdölförderung im Amazonas-     Aktionen                               68
gebiet und zeigt Alternativen auf.        Gemeinsam engagiert
                                          Mit vielfältigen Veranstaltungen unter-
Nach vorne schauen                   62   stützen Menschen im ganzen Land
Russland Die Organisation Nowoje          Jahr für Jahr Brot für die Welt. Hier
Wremja bietet Frauen und Kindern          stellen wir einige Beispiele vor.
mit HIV und Aids Unterstützung.

                                                                                                            2017 | 2018 Projekte   5
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
Meldungen

                                                                                       Mehr Geld für
                                                                                       Entwicklung
                                                                                             Die Bundesregierung hat
                                                                                       den Etat des Entwicklungsminis-
                                                                                       teriums 2017 um 15 Prozent auf
                                                                                       8,5 Milliarden Euro angehoben.
                                                                                       In einer Stellungnahme begrüßte
                                                                                       die Präsidentin von Brot für die
                                                                                       Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel,
                                                                                       diesen Schritt. Gleichzeitig
                                                                                       warnte sie davor, „die Mittel jetzt
                                                                                       vor allem an Regierungen zu
                                                                                       geben, die bereit und in der Lage
                                                                                       sind, Flüchtlinge zurückzuneh-
                                                                                       men oder von uns wegzuhalten“.
                                                                                       Um den Menschen eine dauer-

    Gauck würdigt Fachkräfte                                                           hafte Perspektive im eigenen
                                                                                       Land zu schaffen, müssten
           Unter dem Motto „Die Welt im Gepäck“ fand im März 2017 in der               vielmehr die strukturellen
    Katholischen Akademie in Berlin ein Ehrentag für zurückgekehrte Entwicklungs-      Ursachen von extremer Armut
    helferinnen und -helfer sowie Friedensfachkräfte statt. An der Veranstal-          und Hunger beseitigt werden.
    tung nahmen rund 200 Rückkehrerinnen und Rückkehrer teil, darunter                 Dazu zählten nicht nur Korrup-
    auch solche, die von Brot für die Welt entsandt worden waren. In seinem            tion und die Verletzung von
    Grußwort würdigte Bundespräsident Joachim Gauck ihr Engagement:                    Menschenrechten, sondern auch
    „Angesichts der steigenden Zahl von Krisen und Konflikten in der Welt              der Klimawandel, fehlende
    brauchen wir mehr Menschen, die Solidarität leben und Verantwortung in             Regeln im Welthandel und
    anderen Teilen der Welt übernehmen – mutige, menschenfreundliche und               Rüstungsexporte, die Gewalt-
    optimistische Menschen wie Sie.“                 Foto Andreas   Schoelzel          konflikte anheizten.

    Fairer Handel
    zeigt Wirkung
           Der Faire Handel trägt
    nicht nur dazu bei, die Lebens-
    und Arbeitsbedingungen in
    Afrika, Asien und Lateinamerika
    zu verbessern. Er hat auch zu
    einem veränderten Bewusstsein
    der Verbraucherinnen und
    Verbraucher in Deutschland
    geführt. Zu diesem Ergebnis
    kommt die Studie „Verändert der
    Faire Handel die Gesellschaft?“,
    die Brot für die Welt mit in
    Auftrag gegeben hatte. Die Studie
    wurde zum Auftakt der Grünen
                                             Demo gegen Agrarkonzerne
    Woche in Berlin an Bundesent-                  Fast 20.000 Menschen haben im Januar 2017 in Berlin für eine
    wicklungsminister Gerd Müller            Wende in der Agrarpolitik demonstriert. Unter dem Motto „Wir haben
    übergeben. „Der Faire Handel ist         Agrarindustrie satt!“ forderten sie die Politik dazu auf, die nachhaltige
    der lebendige Beweis dafür, dass         kleinbäuerliche Landwirtschaft zu stärken. Zudem warnten sie vor den
    der weltweite Handel gerechter           Folgen der geplanten Mega-Fusionen der Agrarkonzerne. Sie würde dazu
    und menschlicher gestaltet               führen, dass drei Großkonzerne – darunter die Bayer AG – rund zwei
    werden kann“, so Klaus Seitz,            Drittel des weltweiten Saatgut- und Pestizidmarktes kontrollieren. Zu der
    Leiter der Abteilung Politik bei         Demonstration hatte ein Bündnis aus rund 100 Organisationen aufgeru-
    Brot für die Welt.                       fen, darunter auch Brot für die Welt.         Foto Hermann    bredehorst

6   Projekte 2017 | 2018
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
Für einen anderen Tourismus
      Anlässlich der weltweit größten Touristikmesse         die Menschen vor Ort stärker einbeziehen. „Momentan
ITB hat Brot für die Welt gemeinsam mit Partnerorgani-       orientiert sich der Tourismus vor allem an den Interes-
sationen aus aller Welt eine grundlegende Trendwende         sen der Reisewirtschaft“, so Antje Monshausen,
im Tourismus gefordert. Dieser müsse sich stärker an         Tourismus-Expertin von Brot für die Welt. „Neben dem
den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung orientieren,       Wohlbefinden der Urlauber müssen die Bedürfnisse der
internationale Menschenrechtsstandards achten sowie          Menschen in den Zielgebieten stärker beachtet werden.“

Keine Waffen in
Kinderhänden!
      Aus Anlass des Red Hand
Days, des weltweiten Aktions-
tages gegen den Einsatz von
Kindern als Soldaten, hat Brot für
die Welt im Februar 2017 zusam-
men mit dem Deutschen Bündnis
Kindersoldaten die Studie
„Kleinwaffen in Kinderhänden –
Deutsche Rüstungsexporte und
Kindersoldaten“ veröffentlicht. Sie
belegt, dass die Bundesrepublik
Deutschland Pistolen und
Gewehre in viele Konfliktregionen
                                          Ehrendoktortitel für
liefert – auch in solche, in denen
Kindersoldaten eingesetzt werden.
                                          Füllkrug-Weitzel
„Kleinwaffen aus deutscher Produk-              Die Hochschule für Landwirtschaft, Technologie und Wissenschaft
tion gelangen immer wieder in             im nordindischen Allahabad hat die Präsidentin von Brot für die Welt,
Gebiete, in denen Gewaltkonflikte,        Cornelia Füllkrug-Weitzel, mit dem Ehrendoktortitel ausgezeichnet. Die
Unterdrückung und Menschen-               christliche Hochschule, 1910 von einem presbyterianischen Missionar und
rechtsverletzungen an der Tages-          engen Mitstreiter Mahatma Gandhis gegründet, widmet sich insbesondere
ordnung sind“, so Andreas                 der Frage, wie eine gesunde Ernährung für alle sicherzustellen ist. „Sie
Dieterich, Referent für Zivile            sind seit vielen Jahren eine unermüdliche Kämpferin für eine nachhaltige
Konfliktbearbeitung bei Brot für          und zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise“, so der Aufsichtsrats-
die Welt. „Ein restriktives Export-       vorsitzende von Brot für die Welt, Bischof Markus Dröge, in seinem
kontrollgesetz ist überfällig, um         Glückwunschschreiben. „Die Ehrendoktorwürde ist eine Anerkennung
das zu unterbinden.“                      und Bestätigung Ihres Wirkens.“                    Foto Brot   für die Welt

    Mit Gentechnik gegen den Hunger?
          Angesichts der angestrebten engeren Koopera-       technologische Lösungen zur Überwindung von
    tion zwischen dem Bundesentwicklungsministerium          Hunger und Armut favorisiere. So wolle sie mithilfe
    und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung warnt Brot       von Gentechnik, Kunstdünger und Pestiziden die
    für die Welt vor dem wachsenden Einfluss privater        Landwirtschaft „modernisieren“. „Es müssen nun
    Geldgeber auf die deutsche Entwicklungszusam-            Standards definiert werden, um möglichen Risiken
    menarbeit. Afrikanische Partnerorganisationen von        und negativen Nebenwirkungen solcher Kooperatio-
    Brot für die Welt kritisieren, dass die Gates-Stiftung   nen vorzubeugen“, so Cornelia Füllkrug-Weitzel,
    oftmals über die Köpfe der Betroffenen hinweg            Präsidentin von Brot für die Welt.

                                                                                                     2017 | 2018 Projekte   7
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
59. Aktion Schwerpunktthema

    Wasser für alle
      Kernthesen zur 59. Aktion von Brot für die Welt

                                           F
    		Jesaja 41, 17-18:                              ast 700 Millionen Menschen weltweit haben

    „	Der HERR sagt: Mein Volk ist                  keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
                                                     Jeder dritte Mensch lebt ohne sanitäre Ein-
     am Verdursten, sie suchen nach                  richtungen. Die Wasserknappheit trifft vor
     Wasser und finden keins; ihre         allem die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas.

     Zunge klebt schon am Gaumen.          Dort sind viele arme Menschen vom städtischen Versor-
                                           gungsnetz abgekoppelt. Noch schlimmer ist die Situation
     Aber ich, der HERR, höre ihren        in ländlichen Regionen: Das knappe Wasser muss dort
     Hilferuf; ich, der Gott Israels,      oft von weit entfernten Quellen geholt werden. Die klein-
     lasse sie nicht im Stich! Auf den     bäuerliche Landwirtschaft leidet unter der Wasserkrise,
                                           und die Ernährungssicherheit ist gefährdet.
     steinigen Höhen lasse ich Wasser
                                               Auch wenn es in einer Region genug Wasser gibt,
     hervorbrechen und im Wüsten-          heißt das nicht, dass alle Menschen dort Zugang dazu
     sand Quellen entspringen. In der      haben. Häufig mangelt es an der nötigen Infrastruktur.
                                           Teilweise ist Wasser so teuer, dass sich arme Menschen
     Steppe sollen sich Teiche bilden,
                                           nicht genug davon leisten können. Und in Regionen, in
     aus dem ausgedörrten Boden soll       denen Konflikte herrschen, wird der Zugang zu Wasser
     Wasser hervorsprudeln.“               oft als Machtmittel missbraucht. Ohne Wasser gibt es
                                           jedoch kein Leben: Wasser, Ernährungssicherheit und
                                           Entwicklung sind untrennbar miteinander verbunden.
                                           Wasser gehört zum täglichen Brot. Es ist ein öffentli-
                                           ches, aber endliches Gut. Für alle Menschen.

                                           Brot für die Welt ist der Überzeugung:

                                               	
                                           1.
                                                Alle Menschen haben ein Recht auf sauberes
                                                  Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung.
                                           Etwa 3,5 Millionen Menschen, fast die Hälfte davon
                                           Kinder, sterben jährlich an den Folgen von Krankhei-
                                           ten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen wer-
                                           den. Im Jahr 2010 haben die Vereinten Nationen das
                                           Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversor-
                                           gung anerkannt. Es berechtigt alle Menschen zu ausrei-
                                           chendem, sauberem und bezahlbarem Wasser für den
                                           persönlichen und häuslichen Gebrauch.
                                               Wir setzen uns dafür ein, dass das Recht auf Wasser
                                           überall umgesetzt wird. Unsere Partnerorganisationen
                                           verteidigen dieses Recht, unterstützen arme und benach-
                                           teiligte Bevölkerungsgruppen beim Bau von Brunnen
                                           und Toiletten und klären über Hygiene auf.

8     Projekte 2017 | 2018
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
Auf Fels gebaut → S. 10
.    	Auch Kleinbauernfamilien müssen Zugang zu
       Wasser haben. Nur so kann sichergestellt wer-
       den, dass alle Menschen satt werden.
                                                            Kenia Mit unkonventionellen Methoden verschafft
                                                            der Entwicklungsdienst der Anglikanischen Kirche
                                                            den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
Die intensive Landwirtschaft verbraucht 70 Prozent
unserer weltweiten Wasservorräte. Große Agrarkonzerne
haben vielerorts riesige Monokulturplantagen errichtet,
die sehr viel Wasser benötigen. Viele Kleinbauernfami-
lien haben dadurch ihren Zugang zu Wasser verloren.
Wenn der Regen infolge des Klimawandels immer häufi-
ger ausbleibt und sie ihr Land nicht bewässern können,
drohen Hunger und Mangelernährung.
    Wir setzen uns dafür ein, dass auch die Rechte der
Menschen vor Ort gewahrt werden. Unsere Partnerorga-
nisationen bekämpfen Land- und Wasserraub durch
internationale Konzerne. Sie fördern kleinräumige und
kostengünstige Wasserspeicher- und Bewässerungssys-
teme, die die Ernährungssicherheit der ländlichen Be-
völkerung direkt verbessern können.

                                                            Die Regenmacher → S. 16
.    	Unser Lebensstil und Konsumverhalten haben
       unmittelbare Auswirkungen auf die globale
       Wasserverfügbarkeit. Wir sollten daher be-
                                                            Peru Die Organisation CICAP unterstützt Kleinbauern-
                                                            familien dabei, durch effiziente Bewässerungssysteme
                                                            ihre Erträge zu steigern.
       wusst einkaufen.
Etwa 20 Prozent des weltweit in der Landwirtschaft ein-
gesetzten Wassers wird in „virtueller“ Form über Pro-
dukte ins Ausland exportiert. Auch nach Deutschland.
Felder für Futtersoja oder Baumwolle werden in vielen
trockenen Regionen aufwändig bewässert. Dieses Was-
ser fehlt für die Versorgung der Menschen vor Ort. Ein
Fünftel der Erdbevölkerung lebt in Regionen, in denen
mehr Wasser verbraucht wird, als wieder in den Kreis-
lauf zurückfließt. So sinkt der Grundwasserspiegel, was
wiederum Trinkwasser-Brunnen versiegen lässt.
    Wir setzen uns dafür ein, dass die Politik den Agrar-
sektor und die Industrie dazu bringt, verantwortungs-
bewusster und nachhaltiger mit der Ressource Wasser
umzugehen. Und wir fordern die Menschen in Deutsch-
land dazu auf, durch den Kauf regionaler und saisona-       Eine saubere Lösung → S. 20
ler Produkte den Import virtuellen Wassers aus den          Vietnam Im Mekong-Delta trinken viele Menschen
trockenen Regionen der Welt zu reduzieren.                  verschmutztes Flusswasser. Das Rote Kreuz stattet arme
                                                            Familien mit Regenwassertanks aus.

                                                                                               2017 | 2018 Projekte   9
Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
Auf Fels gebaut
     Kenia Die Region nördlich und östlich des Mount Kenya ist durch große
     Trockenheit geprägt. Viele Frauen verbringen mehrere Stunden am Tag
     damit, Wasser aus weit entfernten Quellen zu holen. Der Entwicklungsdienst
     der Anglikanischen Kirche verschafft den Menschen Zugang zu sauberem
     Trinkwasser – und setzt dabei auch auf unkonventionelle Methoden.

     Text   KLAUS SIEG      Fotos   JÖRG BÖTHLING

10   Projekte 2017 | 2018
Reportage Wasser

       Mit Steinen hat eine lokale
   Baufirma eine Rinne rund um
     den riesigen Felsen oberhalb
 des Dorfes Gichunguri gemauert.
        So kann das Regenwasser
       in einen Tank geleitet und
              gespeichert werden.

         2017 | 2018 Projekte    11
Reportage Wasser

     „M
                            it verschränkten Armen steht Agnes        Während eine ihrer Töchter auf einem qualmenden
                            Irima vor der Wasserstelle. Entspannt     Holzfeuer den dünnflüssigen Brei aus Sorghummehl
                            schaut sie zu, wie das klare Wasser aus   und Wasser kocht, lehnt Agnes Irima sich gegen den
                            dem Hahn in ihren gelben Kanister         Stamm der Bougainvillea und erzählt von ihrem Leben,
     sprudelt. Seitdem der Entwicklungsdienst der Anglika-            das sich in eine Zeit vor und nach der Einrichtung des
     nischen Kirche in Kenia (Anglican Development Service,           Trinkwassersystems einteilen lässt. Fünf Stunden am
     ADS) mit Unterstützung von Brot für die Welt in ihrem            Tag war die Kleinbäuerin früher mit der Beschaffung
     Dorf Gichunguri eine zuverlässige Versorgung mit                 des Wassers beschäftigt. Um rechtzeitig zu der Wasser-
     Trinkwasser aufgebaut hat, braucht die 44-Jährige sich           stelle am Fluss zu gelangen, musste sie morgens um
     nicht mehr zu sorgen. „Früher hatte ich immer Angst, zu          drei Uhr aufstehen. Zusammen mit anderen Frauen aus
     wenig Wasser für meine Familie zu haben.“ Warum sich             dem Dorf machte sie sich dann lärmend auf den Weg.
     das geändert hat? Agnes Irima zeigt den Berghang hin-            Das schützte sie vor wilden Tieren, vor Pythons oder
     auf. Dort thront ein Felsen von der Größe eines Mehr-            Leoparden. „Noch mehr fürchteten wir aber Überfälle
     familienhauses. Seine über zweitausend Quadratmeter              von Menschen.“ Am größten jedoch war die Angst
     große Oberfläche neigt sich leicht nach unten. Mit Stei-         davor, nach dem anstrengenden Marsch kein Wasser
     nen hat eine lokale Baufirma eine Rinne um den Felsen            mehr vorzufinden. Außerhalb der Regenzeit sind viele
     gemauert. Bei Regen leitet diese das Wasser, das auf             Flüsse am Mount Kenya ausgetrocknet. Die Menschen
     die Oberfläche prasselt, in einen Behälter aus Beton, in         graben dann Löcher in das Flussbett, in denen Wasser
     dem sich Sand und Steine absetzen. Von da aus fließt             zusammenläuft, das sie dann herausschöpfen. Hat das
     es in einen 75 Kubikmeter großen Tank. Dieser speist die         schon jemand vor ihnen getan, braucht es einige Stun-
     Wasserstelle am Fuße des Berges, an der Agnes Irima              den, bis sich wieder Wasser gesammelt hat. „Ich musste
     und die anderen Bewohnerinnen des Dorfes jeden Mor-              es dann mühsam mit einer Schöpfkelle herausholen
     gen ihr Wasser holen. Nur wenige Tage Regen genügen,             oder eine weitere Stunde zur nächsten Wasserstelle
     um den großen Tank zu füllen.                                    laufen.“ Doch das war nicht das einzige Problem: Das
          Der Kanister von Agnes Irima ist voll. Sie schraubt         Wasser in diesen Löchern ist schmutzig, unter ande-
     ihn zu, schlingt den Trageriemen darum und geht in die           rem, weil sich auch Tiere an ihnen bedienen. „Wir hatten
     Hocke. Dann legt sich die Kleinbäuerin den Riemen um             Probleme mit Würmern, erkrankten an der Amöben-
     die Stirn und erhebt sich. Mit festen Schritten läuft sie        ruhr, besonders die Kinder litten häufig an Durchfall“,
     über einen schmalen Pfad aus Geröll und Steinen zum              erinnert sich Agnes und lässt den Blick über das Gewu-
     Hof ihrer Familie. Der Kanister wiegt dreißig Kilogramm.         sel auf dem Hof schweifen. Neben den drei eigenen Kin-
     Für Agnes Irima kein Problem: „Im Vergleich zu früher            dern kümmern sich Agnes Irima und ihr Mann Nephat
     ist das doch eine leichte Übung.“ Früher musste sie fast         Ngui auch noch um die zwei Kinder ihrer verstorbenen
     sieben Kilometer weit laufen, um an Wasser zu kommen.            Schwester. Kinder trinken, wenn sie Durst haben und
     Heute sind es nur noch ein paar Hundert Meter. Am Hof            Wasser vorfinden, egal wie schmutzig es ist. Aber auch
     angelangt, öffnet sie ein quietschendes Gatter aus Holz.         Agnes Irima konnte das Wasser nicht immer abkochen.
     Die groben Bretter sind von der Sonne ausgeblichen.              Wenn sie und die anderen Frauen nach einigen Stunden
                                                                      Fußmarsch an eine Wasserstelle kamen, stürzten sie
     Täglicher Energydrink                                            sich durstig auf das kühle Nass. „Was sollten wir tun?“
     Auf dem Hof kniet Schwiegermutter Dorothee Maira im              Agnes Irima zuckt mit den Schultern.
     Schatten einer großen Bougainvillea. Neben ihr hockt die
     zweieinhalbjährige Urenkelin Peace Celille. Mit rhyth-           „Ich hatte Albträume“
     mischen Bewegungen mahlt die alte Frau auf einem Stein           Das Schlimmste aber waren die Sorge und die ständige
     Mehl aus Sorghum. Die Hirseart ist sehr nährstoffreich.          Anspannung. Wenn Wasser keine Selbstverständlich-
     „Wir stellen daraus unseren täglichen Energydrink her“,          keit ist, beschäftigt es einen vierundzwanzig Stunden
     sagt Agnes Irima und lacht. Dann wird sie wieder ernst:          am Tag. „Ich hatte nachts Albträume, dass ich keines
     „Früher fehlte uns meist das Wasser für die Zubereitung.“        finde“, fährt sie nach einer kurzen Pause fort. „Was wäre

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                                    2      3

1 Früher mussten die Dorf-              2 Jetzt kommt es dank des               3 In einem 30 Kilogramm schweren
bewohnerinnen das Wasser an weit        Regenwassertanks das ganze Jahr         Kanister transportiert Agnes Irima
entfernten Wasserstellen holen.         über aus dem Wasserhahn.                das Wasser nach Hause.

dann aus den Kindern geworden?“ Aber auch wenn sie
Wasser vorfand: Mehr als dreißig Liter konnte sie nicht
                                                                          Zahlen und Fakten
transportieren. Damit musste die vielköpfige Familie
einen Tag lang auskommen – das Waschen von Ge-                            Das Projekt im Überblick
schirr und Wäsche inklusive. Mit Argusaugen wachte                        Projektträger: Anglican Development Service –
Agnes Irima über die Wasservorräte, damit sie auch den     		                              Mount Kenya East (ADS-MKE)
ganzen Tag reichten. „Ich wusste immer ganz genau,                        Spendenbedarf:                       50.000 Euro
wie viele Becher Wasser noch im Kanister waren.“ Alle
tranken zu wenig, hatten Kopfschmerzen, fühlten sich       Der Entwicklungsdienst der Anglikanischen Kirche in der Diö-
schwach und konnten sich nicht konzentrieren.              zese Mount Kenya East wurde 1982 gegründet. Sein Ziel ist es,

    Heute trinken Agnes Irima und ihre Familie mindes-     die Armen und Ausgegrenzten in die Lage zu versetzen, sich
                                                           selbst zu helfen. Das von Brot für die Welt unterstützte Projekt
tens doppelt so viel. Nicht dass sie Wasser im Überfluss
                                                           richtet sich an 2.250 mittellose Familien in fünf Landkreisen,
hätten. Für jeden Kanister bezahlen sie umgerechnet
                                                           die besonders unter den Folgen des Klimawandels zu leiden
fünfzig Eurocent. So werden Instandhaltung und Ausbau
                                                           haben. Sie werden unter anderem durch die Einführung von
der Wasserversorgung finanziert. Trotzdem ist immer
                                                           unterschiedlichen Methoden der Regenwassernutzung sowie
genug da, zum Trinken, für den Sorghumbrei und für die
                                                           durch Schulungen zu standortgerechtem Anbau unterstützt.
Zubereitung des Nationalgerichtes Ugali, das aus Mais-
mehl gekocht wird. „Wir fühlen uns gesund und kräftig,
                                                           Kostenbeispiele:
und die Kinder kommen gut in der Schule mit.“
                                                           Fünf Säcke Zement zum Bau von Wasserbehältern,
                                                           Rinnen oder Tanks:                                      50 Euro
Mehr Zeit für die Landwirtschaft                           20 Kunststoffrohre von jeweils sechs
Genug erzählt. Agnes Irima springt auf. Sie will Erbsen    Metern Länge:		                                        100 Euro
ernten. Auf ihrem kleinen Stück Land baut die Familie      Fünftägiges Training für zwei Personen
Mais, Gemüse und Obst an. Fast alles verbrauchen sie       in nachhaltiger Bewässerung
                                                           und Anbaumethoden:                                     150 Euro
selbst. Seitdem sie sich nicht mehr die Hälfte des Tages
um die Beschaffung von Wasser kümmern muss, hat

                                                                                                         2017 | 2018 Projekte   13
Reportage Wasser

                                                                      4

                                                                      5

                      Stichwort

                     Wasser

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     Fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zu-
     ­gang zu Trinkwasser. Die Wasserknappheit trifft vor allem
     die Länder des Südens. In den Slums Afrikas, Asiens und
     Lateinamerikas sind viele Arme vom städtischen Versor-
     gungsnetz abgekoppelt. Noch schlimmer ist die Situation in
     ländlichen Regionen: Das knappe Trinkwasser muss dort
     oft von weit entfernten Quellen geholt werden. Die Frauen,
     die meist für die Wasserversorgung zuständig sind, benö­ti-
     gen oft Stunden, um ihre Familien mit dem kostbaren Nass
     zu versorgen. Dort, wo die Bewohner keinen Zugang zu
     sauberem Trinkwasser haben, greifen sie notgedrungen auf
     verschmutztes Wasser zurück. Mehrere Millionen Menschen          7
     sterben jährlich an Krankheiten, die durch verunreinigtes
     Trinkwasser ausgelöst wurden.

     Brot für die Welt setzt sich auf verschiedene Arten dafür ein,
     dass Menschen Zugang zu Wasser bekommen:
     •• Wir unterstützen Projekte, in denen die Trinkwasser-
       versorgung vor allem im ländlichen Raum verbessert wird.
     •• Wir engagieren uns für eine sozial gerechte und
       ökologisch nachhaltige Wasserpolitik.

     Denn wir sind der Überzeugung:
     Alle Menschen haben ein Recht auf Wasser.

14   Projekte 2017 | 2018
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4 In diesem 75 m³     5 Derzeit baut ADS        6 In diesem Jahr ist    7 Die Lebensbedin-       8 Hier oben wird
großen Tank wird      zwei weitere Tanks.       der Mais vertrocknet.   gungen der Familie       das Wasser aufge-
das Regenwasser       Auch die Dorfschule       Aber Agnes Irima        haben sich sehr          fangen und dann
gespeichert.          soll davon profitieren.   erntet Erbsen.          verbessert.              weitergeleitet.

Agnes Irima aber nicht nur mehr Zeit für die Landwirt-      fertig sind, soll auch die Dorfschule sich daraus versor-
schaft. Sie verkauft auch einmal in der Woche selbstge-     gen können. Zurzeit müssen die Schülerinnen und
kochten Sorghumbrei auf dem Markt. Schließlich müssen       Schüler mit zwei Bechern Wasser pro Tag auskommen.
sie und ihr Mann, der als Tagelöhner auf Baustellen und         Als alle Erbsenschoten geerntet sind, bringt Agnes
bei anderen Bauern arbeitet, für fünf Kinder die Schul-     Irima sie in den Speicher, ein kleines Holzhaus auf Stel-
und Universitätsgebühren aufbringen.                        zen. Dann setzt sie sich wieder auf den Schemel neben
    Zusammen mit ihrer Schwiegermutter, einigen             dem Baum. Neben ihr hockt Peace Celille und kleckert
Nachbarn und Kindern geht Agnes Irima über das Feld.        Sorghumbrei auf ihr weißes Kleid. Agnes lächelt. „Als
Unter ihren Schritten rascheln vertrocknete Maispflan-      ich in ihrem Alter war, musste ich schon mit meiner Mut-
zen. In der letzten Regenzeit von Oktober bis Dezember      ter Wasser holen gehen.“ Die kleine Agnes hatte wenig
hat es nur wenige Tage geregnet. Die Maisernte fällt        Zeit zum Spielen, und in der Schule war sie zu müde zum
daher für die meisten Bauern aus. Auch für Agnes Irima      Lernen. „Ich bin sehr glücklich, dass meine Enkelin es
und ihren Mann. Doch zum Glück haben die beiden             besser hat.“ Den täglichen Gang mit dem Kanister zur
noch vieles andere angebaut.                                Wasserstelle nimmt Agnes Irima dafür gerne in Kauf.
                                                            Zumal er jetzt nur noch wenige Minuten dauert.
Ein neuer Tank für die Schule
Dürrekatastrophen wie diese treten aufgrund des Klima-            Weitere Informationen und einen Film zu
wandels immer häufiger auf. Damit das Trinkwasser-                diesem Projekt finden Sie ab 1. 9. 2017 unter:
system trotzdem genug für alle Dorfbewohner bereit-               www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/
stellt, baut ADS gerade zwei weitere Tanks. Wenn diese            kenia-wasser

                                                                                                      2017 | 2018 Projekte   15
Reportage Wasser

 Die Sprinkleranlage
 ermöglicht es José Barrios,
 sein Kaffeefeld langsam und
 gleichmäßig zu bewässern.

        Die Regenmacher
        Peru Der Norden des Andenlandes leidet seit jeher unter großer
        Trockenheit. Der Klimawandel hat dieses Problem noch verschärft.
        Die Organisation CICAP unterstützt Kleinbauernfamilien dabei,
        Bewässerungssysteme zu errichten und so ihre Erträge zu steigern.
        Text   THORSTEN LICHTBLAU      Fotos   KATHRIN HARMS

       F
                    asziniert schaut José Barrios auf das zehn       bäuerlicher Landwirtschaft. Ihr größtes Problem ist
                    Zentimeter große, schwarze Plastikteil, das      neben zu kleinen Anbauflächen und unzureichenden
                    sich gleich unter dem Druck des Wassers zu       Kenntnissen über nachhaltige Anbaumethoden die
                    drehen beginnen wird: erst langsam, dann         Trockenheit, die sich in den vergangenen Jahren durch
        immer schneller, bis seine Drehungen mit dem mensch-         den Klimawandel noch verschärft hat. Regnete es frü-
        lichen Auge kaum noch zu erkennen sind. „Bailarina“          her zumindest in den Monaten zwischen Dezember und
        (Tänzerin) nennen die Menschen in Pandachí den Kopf          März, so sind heute oft nur noch im Januar und Febru-
        der Sprinkleranlage, der dafür sorgt, dass die Wasser-       ar Niederschläge zu verzeichnen. Die Erträge der Felder
        tropfen sanft und gleichmäßig auf jeden Zentimeter           sind entsprechend gering, viele Kinder in der Region
        Boden in einem Umkreis von neun Metern fallen. „Als          sind unter- und mangelernährt.
        ob es regnen würde“, sagt Barrios ein wenig ungläubig
        und stolz zugleich.                                          Saftig grüne Pflanzen
               Pandachí ist ein abgelegenes Andendorf im Norden      José Barrios baut auf eineinhalb Hektar Land Bohnen,
        Perus. 72 Familien wohnen hier auf rund 2.000 Metern         Mais, Kartoffeln, Erbsen, Kaffee, Quinoa, Süßkartoffeln,
        Höhe in einfachen Hütten aus Lehmziegeln und Well-           Bananen, Orangen und Granatäpfel an. Dass er heute
        blech. Fast alle von ihnen leben von traditioneller klein-   am Ende eines langen Arbeitstages am Rande seines

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1 CICAP-Mitarbeiter Jimmy Guerrero          2 Dazu wurden Kunststoffrohre vom            3 Davon profitiert auch Familie Barrios.
hat Barrios geholfen, das Bewässerungs-     Wasserrückhaltebecken oberhalb des           Josés Frau Rosa erntet inzwischen sehr
system zu errichten.                        Dorfes zu den Feldern verlegt.               viel mehr als früher.

        Kaffeefeldes stehen und in aller Ruhe dabei zusehen
        kann, wie seine saftig grünen Pflanzen langsam nass
                                                                                     Zahlen und Fakten
        werden, hat er den Mitarbeitenden von CICAP zu ver-
        danken, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt.                     Das Projekt im Überblick
        Die Landwirtschaftsfachleute kamen erstmals 2015 nach
                                                                                     Projektträger:         Centro de Investigación,
        Pandachí, um den Menschen im Dorf ihre Hilfe anzu-                                      Capacitación, Asesoría y Promoción
        bieten. Doch anfangs schlug ihnen vor allem Skepsis                                                                 (CICAP)
        entgegen: „Wir hatten schlechte Erfahrungen mit ande-                        Spendenbedarf:                    82.000 Euro
        ren Hilfsorganisationen gemacht“, erzählt Barrios. „Die
        kamen nur ein einziges Mal zu uns, zeigten uns mit            Die Organisation CICAP (Zentrum für Forschung, Ausbildung,
        schönen Videos, was wir alles besser machen können,           Beratung und Förderung) wurde 1981 gegründet. Ihr Ziel ist es,
        und ließen sich dann nicht mehr blicken.“ Bei CICAP           durch die effiziente Nutzung von vorhandenen Wasserressour-
        war das anders: „Deren Mitarbeitern war kein Weg zu           cen zur Ernährungssicherheit der armen Landbevölkerung
        weit. Sie gingen mit uns zu unseren weit verstreuten          beizutragen sowie die chronische Unter- und Mangelernährung
        Feldern, auch wenn sie dafür zwei Stunden Fußmarsch           bei Kindern zu reduzieren. Das von Brot für die Welt unter-

        in Kauf nehmen mussten. Sie gaben uns Saatgut und             stützte Projekt richtet sich an 400 Kleinbauernfamilien im

        organischen Dünger. Sie halfen uns, ein Gewächshaus           Distrikt Kañaris im Norden Perus. Sie erhalten unter ande-
                                                                      rem Unterstützung bei der Errichtung von Bewässerungssys-
        zu bauen, in dem wir selbst Gemüse, Obstbäume und
                                                                      temen sowie beim Anbau und der Vermarktung von Quinoa,
        Kaffeesträucher ziehen können. Und sie zeigten uns, wie
                                                                      Erbsen und Kaffee.
        man auf biologische Art Schädlinge bekämpft.“
            Vor allem unterstützten sie die Kleinbauernfamilien
                                                                      Kostenbeispiele:
        jedoch dabei, ein einfaches, aber funktionierendes Bewässe-
                                                                      5 kg Quinoa-Samen
        rungssystem zu errichten. Denn: „Ohne Wasser geht hier
                                                                      (reichen für einen Hektar Land):                      70 Euro
        gar nichts“, sagt Barrios und blickt auf den trockenen
                                                                      20 Sprinkler (helfen fünf Bauernfamilien,
        Boden unter seinen Füßen. Zunächst setzten die Bauern         ihre Felder effizient zu bewässern):                 150 Euro
        ein vor Jahren vom Staat errichtetes, aber inzwischen         100 Kunststoffrohre von je fünf Metern
        heruntergekommenes Rückhaltebecken wieder instand.            Länge (zur Bewässerung von vier Parzellen
        Dann legten sie Rohre zu ihren 100-150 Meter entfernten       à 0,25 Hektar):		                                    300 Euro

        Feldern. Zum Schluss erhielt jede Familie vier Sprinkler.

                                                                                                                  2017 | 2018 Projekte   17
4

     4 Auch der vierjährige Neiser weiß schon,
     wie wichtig Hygiene ist.

     5 Gemeinsam befreien die Mitglieder des
     Bewässerungskomitees das Wasserbecken
     von Schmutz und Laub.

     6 Dank des Projektes schaut Familie Barrios
     optimistisch in die Zukunft.

                                                       5

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18   Projekte 2017 | 2018
Reportage Wasser

„Die helfen nicht nur, Wasser zu sparen“, erklärt Jimmy     „Wir haben auch gelernt, wie wir besser als Eheleute
Guerrero, Diplom-Landwirt und Wasser-Experte von            zusammenleben können. Auch ein Mann kann kochen,
CICAP. „Die Bauern müssen auch kaum Zeit für die Bewässe-   Geschirr spülen und Wäsche waschen. Warum sollte er
rung aufwenden.“ Sein Kaffeefeld lässt José Barrios zum     das also nicht tun?“
Beispiel nur alle 14 Tage zwölf Stunden lang über Nacht
beregnen. Dazu muss er nur den Sprinkler aufstellen und     Gemeinsam stark
den Wasserhahn öffnen – so wie heute. Zufrieden macht       Nach dem Frühstück verabschiedet sich der Kleinbauer
sich der Kleinbauer bereits nach Einbruch der Dämme-        von Frau und Kindern. Er hat sich mit seinem Schwager
rung auf den Heimweg.                                       Florencio Tantarico und den anderen Mitgliedern des
                                                            Bewässerungskomitees von Pandachí am Dorfausgang
Gesundes Korn                                               verabredet. Gemeinsam wollen sie die neuralgischen
Am nächsten Morgen ist Familie Barrios wie immer            Punkte des im letzten Jahr installierten Bewässerungs-
früh auf den Beinen. Während Tochter Analí, 10, und         systems inspizieren. Ausgerüstet mit Schaufeln, Spitz-
Sohn Neiser, 4, schon vor dem Haus spielen, steht Josés     hacken und Macheten machen sich die 16 Männer im
Ehefrau Rosa in der Küche und bereitet das Frühstück        Gänsemarsch auf den Weg. Auf schmalen Pfaden geht
zu. In einer großen Eisenpfanne brät sie Omelettes, die     es immer bergan.
mit Zwiebeln, Knoblauch und frischen Kräutern gewürzt           Nach einer Viertelstunde zeigt sich das erste kleine
sind. Der Duft erfüllt die ganze Hütte. Sohn Neiser be-     Problem: Aus einer zementierten Wasserentnahmestelle
kommt außerdem seine Lieblingsspeise: ein Schälchen         tritt Wasser aus, ein Verbindungsrohr hat sich gelöst. Mit
Milch mit Quinoa. Wie gesund dieses traditionelle An-       vereinten Kräften heben die Männer den Zementblock
denkorn ist und wie man es zubereiten kann, hat Rosa        an und machen das Rohr fest. Verschwitzt, aber zufrieden
erst durch das Projekt erfahren. „Als wir das erste Mal     setzt sich der Tross danach wieder in Bewegung. Nach
hierher kamen, wies Neiser deutliche Anzeichen von          einer Dreiviertelstunde ohne weitere Zwischenfälle ist
Mangelernährung auf “, erinnert sich Milagros Gonzales,     schließlich das Ziel des Fußmarschs erreicht: das beto-
die bei CICAP für die Themen Gesundheit und Geschlech-      nierte Wasserbecken etwas unterhalb eines kleinen Was-
tergerechtigkeit zuständig ist. Inzwischen ist der Kleine   serfalles. Die Männer befreien das Becken von Schmutz
putzmunter. „Ich weiß gar nicht, wo wir heute ohne          und Laub, reinigen das Abflusssieb, lassen das dreckige
CICAP stehen würden“, sagt Rosa, bevor sie ihre Kinder      Wasser ablaufen. Danach ist das Wasser, das über die
zum Essen ruft. Dass die zuvor noch ihre Hände mit          Rohre auf ihre Felder läuft, wieder glasklar.
Wasser und Seife waschen, versteht sich inzwischen fast         „Früher hat jeder von uns nur an sich gedacht“,
von selbst.                                                 sagt José Barrios. „Durch CICAP haben wir gelernt,
    Unterdessen hat Ehemann José im Nebenraum               dass wir uns zusammentun müssen, wenn wir etwas
den Tisch gedeckt. Er unterstützt seine Frau nicht nur      erreichen wollen.“
heute im Haushalt – auch wenn er deshalb den Spott des
einen oder anderen Nachbarn ertragen muss. Doch das         → Weitere Infos zum Projekt ab 1. 9. 2017 unter:
stört den 36-Jährigen nicht: „Von CICAP haben wir nicht       www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/
nur Tipps für die Landwirtschaft bekommen“, sagt er.          peru-bewaesserung

                                                                                                      2017 | 2018 Projekte   19
Dank der Regenwassertanks
 des Roten Kreuzes haben
 die Menschen in Than Tan
 nun das ganze Jahr über
 sauberes Wasser.

20     Projekte 2017
                2015 | 2016
                       2018
Reportage Wasser

Eine saubere Lösung
Vietnam Viele Menschen im Mekong-Delta haben keinen Zugang zu
sauberem Wasser. Sie sind gezwungen, verschmutztes Flusswasser zu
trinken. Die Folge sind Durchfallerkrankungen und andere gesundheit-
liche Probleme. In der Provinz Ben Tre stattet das Rote Kreuz arme
Familien mit Regenwassertanks aus.
Text   UTE DILG   Fotos   CHRISTOf KRACKHARDT

S
           chnell lässt Lam Kim Phuong etwas Wasser in      dient. „Damit keine Blätter oder sonstiger grober
           zwei rosa Plastikschüsseln laufen. Ihre beiden   Schmutz mit in den Tank laufen“, erklärt der 42-jährige
           achtjährigen Zwillinge sind gerade aus der       Familienvater. Vor dem Kochen und Trinken kocht Lam
           Schule gekommen. „Wascht euch die Hände“,        das Regenwasser noch einmal ab. „So sind wir auf der
sagt sie und reicht ihnen die Schüsseln. „Danach gibt es    sicheren Seite“, sagt sie. „Das habe ich bei einem der
Essen.“ Auf dem blanken Holztisch steht bereits ein         Workshops des Roten Kreuzes gelernt.“
Topf mit dampfender Hühnersuppe. Zubereitet hat Lam             Vo Van Tuan ist einer der freiwilligen Rotkreuz-Mit-
Kim Phuong sie mit Regenwasser: „Das ist viel sauberer      arbeiter, die den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern
als das Flusswasser, das wir früher zum Kochen benutzt      erklären, dass sie ihr Wasser aufbereiten und abkochen
haben“, berichtet sie. Die 37-Jährige ist froh über den     müssen, um es trinkbar zu machen. „Viele Leute wissen
grauen Betontank, in dem die fünfköpfige Familie seit       das nicht und werden dann krank“, erklärt er. Seit drei
zwei Jahren Wasser zum Trinken und Kochen sammelt.          Jahren führt der 64-Jährige Workshops zu den Themen
„Wir sind inzwischen alle gesünder“, sagt sie. „Und die     Wasser und Umweltschutz durch. Dazu kommen regel-
Kinder haben keinen Durchfall mehr.“                        mäßige Hausbesuche. Dafür wurden er, 15 weitere Frei-
       Lam Kim Phuong und ihr Mann Duong Thanh              willige sowie die Vorsteher der 12 Ortsteile von Thanh
Phong leben mit ihren drei Söhnen in Thanh Tan, einer       Tan von Mitarbeitenden des Roten Kreuzes geschult.
Gemeinde im Mekong-Delta, unweit der südvietnamesi-
schen Provinzhauptstadt Ben Tre. Die Familie gehört         Die Umwelt sauber halten
zu den 105 Haushalten, die in den vergangenen drei          Heute haben sich etwa 15 Frauen und Männer aus der
Jahren mit finanzieller Unterstützung von Brot für die      Nachbarschaft in einem kleinen Unterstand am Flussufer
Welt einen Regenwassertank zur Verfügung gestellt be-       versammelt. Sie schieben einige Stühle zusammen und
kommen haben. Mitarbeitende des Roten Kreuzes infor-        machen es sich unter dem Dach aus getrockneten Kokos-
mierten die Eheleute über das Angebot. „Da haben wir        blättern bequem. „Willkommen zu unserem Workshop“,
uns gleich beworben“, sagt Lam.                             begrüßt Vo Van Tuan die Gruppe. „Wir wollen heute über
                                                            Mülltrennung reden – und weshalb sie wichtig ist.“ Schritt
Auf der sicheren Seite                                      für Schritt erläutert Tuan den Menschen, dass sie den
Bald darauf kamen zwei Handwerker. Sie brachten Sand        Biomüll vom anderen Abfall trennen und dann in einer
und Zement mit. „Unsere beiden Kleinen sind den Bau-        eigens dafür ausgehobenen Grube sammeln sollen. Dort
arbeitern nicht von den Fersen gewichen“, erinnert sich     kann er verrotten und dann als Kompost dienen. „Bitte
Lam schmunzelnd. „Sie sind sehr neugierig.“ Während         werft den Biomüll nicht einfach in den Garten“, erklärt
die Handwerker den Betontank hochzogen, brachte ihr         Tuan weiter. „Dort fängt er an zu stinken und zieht Mos-
Mann eine neue Dachrinne am Haus an. Jetzt läuft das        kitos an, die gefährliche Krankheiten wie Dengue-Fieber
Wasser von der Regenrinne durch ein Rohr in den Tank.       übertragen können. Außerdem sollte das Loch für die
An der Verbindungsstelle zwischen Rinne und Rohr            Abfälle nicht zu nahe an Flussläufen, Kanälen oder Tei-
sickert es durch ein Stück Baumwollstoff, das als Sieb      chen liegen. Denn sie könnten das Wasser verschmutzen.

                                                                                                     2017 | 2018 Projekte   21
Reportage Wasser

     „Wir müssen unsere Gewässer und unsere Umwelt sauber          barfüßigen Waten im Wasser. Knapp drei Jahre später
     halten“, schärft er den Anwesenden ein. „Schließlich wol-     sind diese Krankheiten in Thanh Tan Geschichte. „Wir
     len wir gesund bleiben!“                                      sehen sie kaum noch. Es ist wirklich ein Rückgang um
          Auch Duong Thanh Phong und Lam Kim Phuong                fast hundert Prozent“, freut sich die Ärztin.
     haben eine Grube für ihren Biomüll im Garten ausgeho-             Lam hat unterdessen in einer Blechwanne Seifen-
     ben. Hinter ihrem Holzhaus, das mit einigen Kokospal-         lauge angesetzt. Sie kauert auf dem Boden neben ihrem
     men umsäumt ist, führt ein Steg über einen Kanal – eine       „Wäscheständer“ – einem Ast, den sie zwischen zwei
     etwas wacklige Konstruktion aus drei Baumstämmen.             Kokospalmen befestigt hat. Dort hängen einige frisch
     Dahinter befindet sich der Ziegenstall. Vor einem Jahr        gewaschene Hemden. Gründlich weicht sie die T-Shirts
     hat das Ehepaar einen Kleinkredit aufgenommen und             ihrer beiden Achtjährigen in der Lauge ein. „Helft mir
     davon sechs Ziegen gekauft: fünf Weibchen und ein             ein bisschen“, ermuntert sie ihre Jungs. „Aber rührt den
     Männchen. Sie sollen den Grundstock für ein sicheres          Wasserhahn am Regenwassertank nicht an“, fügt sie
     Einkommen bilden. Drei der Ziegen sind bereits trächtig.      mahnend hinzu. „Nicht, dass etwas ausläuft. Regen-
          Momentan lebt die Familie vor allem von dem, was         wasser ist kostbar.“
     Duong als Tagelöhner verdient. Meist verdingt er sich
     als Lastenträger. Er schultert Säcke mit Kokosnüssen          → Weitere Infos zum Projekt ab 1. 9. 2017 unter:
     und trägt sie vom Fähranleger zu einer nahe gelegenen            www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/
     Fabrik, in der die Früchte verarbeitet werden. Viel Geld         vietnam-trinkwasser
     verdient er damit nicht. „Wir ziehen deshalb noch Hüh-
     ner auf für andere Leute, die noch weniger Platz haben“,
     sagt Lam. So kommt die Familie über die Runden. Sie
     hofft, dass die Ziegenzucht noch etwas zusätzliches
                                                                                   Zahlen und Fakten
     Geld einbringt: Geld für die Bildung der Kinder.
                                                                                   Das Projekt im Überblick
     Mit Chlor versetzt
                                                                                   Projektträger:        Ben Tre Red Cross (BTRC)
     Am Nachmittag schaltet Duong die kleine Elektropumpe
                                                                                   Spendenbedarf:                      117.000 Euro
     der Familie ein. In einem dicken Strahl spritzt eine bräun-
     liche Flüssigkeit aus dem Schlauch in einen der hohen
                                                                   Das 1946 gegründete Rote Kreuz Vietnams folgt den Prinzipien
     Tonkrüge neben dem Hintereingang des Hauses. Es ist
                                                                   des Internationalen Roten Kreuzes: Menschlichkeit, Unpartei-
     Flusswasser. Die Familie benutzt es immer noch zum
                                                                   lichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit. In der
     Wäschewaschen und Duschen. Denn das Volumen des               Provinz Ben Tre setzt sich die Organisation insbesondere für
     Regenwassertanks reicht für diese Zwecke nicht aus.           die Förderung von Frauen und Kindern, die Reduzierung der
     Damit die Kinder keine Ausschläge bekommen, wie das           Armut sowie die Verbesserung der Gesundheitsversorgung
     früher oft der Fall war, versetzt Lam es mit Chlor. Da-       ein. Das von Brot für die Welt unterstützte Projekt richtet sich
     nach muss das Wasser einige Tage stehen. Erst dann            an 2.300 Menschen in der Gemeinde Thanh Tan. Sie erhalten
     kann es bedenkenlos verwendet werden.                         Unterstützung beim Bau von Regenwassertanks und Latrinen

          „Reinigt das Wasser, bevor ihr es nutzt. Kocht es ab,    und werden über Gesundheitsrisiken durch den Gebrauch von

     bevor ihr es trinkt!“ Es ist wie ein Mantra, das Rotkreuz-    verschmutztem Wasser aufgeklärt.

     Ärztin Vo Thi Thuy immer wiederholt. Auch bei der kos-
     tenlosen Sprechstunde, die sie mit ihrem Team alle drei       Kostenbeispiele:

     Monate in Thanh Tan anbietet. Bis zu 120 Patientinnen         Workshop zum Sammeln von Regenwasser
                                                                   für 30-40 Teilnehmer/innen:                              40 Euro
     und Patienten kommen pro Termin. „Als wir mit unserer
                                                                   Bau eines Regenwassertanks:                             140 Euro
     Arbeit hier begannen, litten die meisten Leute unter
     Krankheiten, die mit verschmutztem Wasser zusammen-           Vierteljährlicher Gesundheitscheck
                                                                   für ca. 120 Patientinnen und Patienten:                  178 Euro
     hängen“, erzählt die 34-Jährige. Durchfall etwa oder Krät-
     ze, Wurmerkrankungen oder schmerzende Füße vom

22   Projekte 2017 | 2018
2

                1 Nach der Schule waschen sich Lam Kim
                Phuongs Zwillinge zuerst die Hände.

                2 Über ihre Dachrinne leitet die Familie das
                Regenwasser in einen Betontank.

                3+4 Duong Thanh Phong füllt Flusswasser in
                einen Tonkrug. Nachdem Lam es mit Chlor
                gereinigt hat, benutzt sie es zum Waschen der
                Wäsche. Ihre Söhne helfen.

                5 Hinter dem Haus führt ein Steg über den
                Kanal. Dort befindet sich der Ziegenstall.

                6 Ärztin Vo Thi Thuy ist zufrieden. Kaum
                noch jemand im Dorf erkrankt aufgrund von
                verunreinigtem Wasser.
        1

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5   6
Interview

     „Auch wir müssen unseren
      Beitrag leisten“
      Fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem
      Wasser. Was sind die Ursachen? Welches die Folgen? Und was kann man
      dagegen tun? Ein Gespräch mit Andrea Müller-Frank, Referentin für das
      Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt.

      Was sind die Ursachen des Wassermangels?                    dazu, dass die Menschen Wasser zum Waschen, Kochen
      Andrea Müller-Frank — Da gibt es eine ganze Reihe.          und Trinken benutzen, das durch Fäkalien verunreinigt
      An erster Stelle ist die massive Ausweitung der intensi-    ist. Die Folgen sind Durchfallerkrankungen, die oft sogar
      ven Bewässerungslandwirtschaft in den vergangenen           lebensbedrohlich sind. Mehrere Millionen Menschen
      Jahrzehnten zu nennen: 70 Prozent der weltweiten            sterben jährlich an Krankheiten, die durch verschmutz-
      Wasserentnahmen gehen auf ihr Konto. Ihretwegen             tes Wasser ausgelöst wurden. Bei Kindern unter fünf
      sind große Flüsse – wie der Indus in Pakistan oder der      Jahren sind Durchfallerkrankungen sogar die zweithäu-
      Gelbe Fluss in China – zu schmalen Rinnsalen gewor-         figste Todesursache. Zudem leben die meisten Menschen
      den, die kaum noch das Meer erreichen. Vielerorts gibt      in den Ländern des Globalen Südens von der Landwirt-
      es nur noch Monokulturplantagen, die sehr viel Wasser       schaft. Wenn Kleinbauernfamilien ihr Land nicht bewäs-
      benötigen. Daher kommt es heute vermehrt auch in            sern und Viehhirten ihre Tiere nicht tränken können,
      eigentlich wasserreichen Regionen zu akuter Wasser-         drohen Hunger und Mangelernährung.
      not: zum Beispiel in Brasilien oder Indien.                     Die Wassernot wird jedoch nicht nur durch ver-
      Welche Ursachen gibt es noch?                               schmutztes Wasser vergrößert, sondern auch durch
      AMF — Natürlich spielt auch der Klimawandel eine            seine ungerechte Verteilung.
      Rolle. Er hat zur Folge, dass extreme Dürren zuneh-         Was meinen Sie damit?
      men. Vom Horn von Afrika bis an die Südspitze des           AMF — In vielen afrikanischen Ländern sind strate-
      Kontinents sind aktuell Millionen Menschen auf Hilfe        gische Wasserressourcen inzwischen in den Händen
      angewiesen, weil sie im zweiten Jahr in Folge ihre          ausländischer Investoren. Gezielt erwerben sie Lände-
      Felder nicht bestellen können. Gleichzeitig steigt der      reien mit exzellenten, oftmals ganzjährigen Wasser-
      Meeresspiegel, was in küstennahen Regionen dazu             vorkommen. Diese nutzen sie für den Anbau von
      führt, dass die Süßwasservorkommen versalzen und
      Landwirtschaft unmöglich wird. Und auch das Schmel-
      zen der Gletscher führt zu Versorgungsengpässen. In
      Peru zum Beispiel ist der Gletscher, der die Hauptstadt
      Lima mit sauberem Wasser versorgt, seit 1997 um ein            Die industrielle
      Viertel geschrumpft.                                           Landwirtschaft (l.)
      Und außerdem?                                                  benötigt sehr viel
      AMF — In vielen Regionen der Welt wird die Wassernot           Wasser. Kleinbauern
                                                                     und -bäuerinnen steht
      noch dadurch verschärft, dass Seen, Flüsse und Grund-
                                                                     dadurch immer
      wasser verschmutzt sind. Schuld daran ist zum einen
                                                                     weniger zur Verfügung.
      die Industrie, die die Abwässer von Fabriken und Berg-
      werken oft ungefiltert weiterleitet. Aber auch die in der
      Landwirtschaft eingesetzten Pestizide und Düngemittel
      tragen dazu bei. Schließlich ist häufig auch die fehlende
      Abwasserentsorgung ein großes Problem: Sie führt

24    Projekte 2017 | 2018
Nahrungsmitteln, die dann ins Ausland exportiert wer-
den. Häufig verliert die einheimische Bevölkerung da-
durch den Zugang zu Land und Wasserquellen. Dieses
Phänomen, das als Landgrabbing bzw. Wassergrabbing
bekannt ist, gibt es auch in Lateinamerika. Hier bauen
große Agrarkonzerne zum Beispiel Zuckerrohr oder Euka-
lyptus an – Pflanzen mit einem außerordentlich hohen
Wasserbedarf. In Brasilien stehen deshalb die Wasserpe-
gel zahlreicher Stauseen schon heute auf historischem
Tiefstand. Darunter leiden nicht nur Menschen auf dem
Lande, sondern auch in Städten wie São Paulo. Hier
gibt es oftmals tagelang kein Wasser und es kommt zu
sozialen Spannungen.
Was muss geschehen, um die Wasserknappheit zu
überwinden?
AMF — Zunächst einmal muss der hohe Wasserver-
brauch der Landwirtschaft reduziert werden. Denn bis-
lang gehen rund 50 Prozent des eingesetzten Wassers in
ineffizienten Bewässerungssystemen verloren. Wichtig
ist aber auch, dass die Lage in Regionen mit Wasser-         Andrea Müller-Frank ist Referentin für das Recht

knappheit nicht noch durch den Anbau wasserintensiver        auf Nahrung bei Brot für die Welt.

Erzeugnisse für den Export verschärft wird. Auch müs-
sen Kleinbauernfamilien stärker gefördert werden, die
Regenfeldwirtschaft betreiben. Viele Projekte von Brot    landwirtschaftliche Wassernutzung in vielen Ländern
für die Welt zeigen, dass auch sie durch ressourcenspa-   besser reguliert werden. Bevor Land an Investoren ver-
rende Anbaumethoden ihre Erträge steigern können:         kauft wird, muss sichergestellt sein, dass der Zugang zu
zum Beispiel, indem sie Terrassen und Wälle bauen,        sauberem und bezahlbarem Wasser für alle Menschen
dürreresistentere Pflanzen anbauen, schattenspenden-      erhalten bleibt. Brot für die Welt und seine Partnerorga-
de Bäume einsetzen oder Regenwasser sammeln. Doch         nisationen unterstützen Kleinbauern- und Fischerfami-
alles Wassersparen ist letztlich vergeblich, wenn nicht   lien, Viehhirten und Indigene deshalb dabei, ihre Rechte
auch die Wasser- und Landrechte der Menschen ge-          gegenüber Investoren, Politik und Verwaltung sowie in
schützt werden.                                           internationalen Entscheidungsgremien zu verteidigen.
Was heißt das konkret?                                    Und was können wir tun?
AMF — Um die Trinkwasserversorgung und die Ernäh-         AMF — Deutschland ist hinter den USA zweitgrößter
rungssicherheit nachhaltig zu gewährleisten, muss die     Importeur von virtuellem Wasser weltweit, das heißt von
                                                          Wasser, das für die Erzeugung von Agrar- und Industrie-
                                                          gütern verbraucht wird. Alleine 20 Prozent des in
                                                          Deutschland benutzten Papiers stammen aus brasiliani-
                                                          schen Eukalyptusplantagen, die vor Ort die Wassernot
                                                          erhöhen. Die deutsche Politik muss sich daher im Rah-
                                                          men der Nachhaltigkeitsagenda auf internationaler
                                                          Ebene stärker dafür einsetzen, dass Unternehmen, die
                                                          für den deutschen Markt produzieren, verantwortlich mit
                                                          den vorhandenen Ressourcen umgehen und die Menschen-
                                                          rechte achten. Aber auch wir als Verbraucherinnen und
                                                          Verbraucher sollten überlegen, wie wir unseren Wasser-
                                                          fußabdruck reduzieren können: zum Beispiel, indem wir
                                                          unseren Papierverbrauch verringern – oder unseren
                                                          Fleischkonsum. Denn ein Drittel des weltweit in der
                                                          Landwirtschaft eingesetzten Wassers wird dazu benötigt,
                                                          Futtermittel herzustellen. Äßen wir weniger Fleisch, wür-
                                                          de der Wasserverbrauch deutlich gesenkt – und dadurch
                                                          auch die Wassernot.

                                                          Interview Thorsten    Lichtblau

                                                                                                   2017 | 2018 Projekte   25
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