Projekte 2017|2018 59. Aktion - Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt - bei der Diakonie Sachsen
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59. Aktion Projekte 2017|2018 Berichte und Reportagen aus der Arbeit von Brot für die Welt Wasser Frauen Kinder und Jugendliche Die Regenmacher Gemeinsam stark Raus aus der Sklaverei Im Norden Perus fällt kaum In Uganda schürfen viele Frauen In Indien müssen Millionen Niederschlag. Eine Organisation unter Lebensgefahr Gold. Ein Pro- Minderjährige arbeiten. Die Bewe- hilft Kleinbauernfamilien, ihre jekt bildet sie weiter und fördert gung zur Rettung der Kindheit Felder zu bewässern. Seite 16 ihren Zusammenhalt. Seite 44 setzt sich für sie ein. Seite 50
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die Wassernot trifft vor allem die Armen in Afrika, Asien und Lateinamerika: die Bewohnerinnen und Bewohner der städtischen Slums, aber auch Kleinbauernfami- lien in abgelegenen ländlichen Regionen. Da sie keine andere Wahl haben, benutzen sie oft verunreinigtes Wasser zum Trinken und Kochen. Die Folge sind Durchfälle und andere Erkrankungen. Mehrere Millionen Kinder und Erwachsene sterben jährlich daran. Aber damit nicht genug: Weil die Menschen ihre Felder nicht bewässern können und der Regen infolge des Klimawandels immer häufiger ausbleibt, drohen vielerorts auch Hunger und Mangelernährung. Gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen setzt sich Brot für die Welt in vielen Ländern dieser Erde dafür ein, dass auch die Armen genügend sauberes Wasser zur Verfügung haben. Drei Beispiele dafür finden Sie in diesem Heft: In Kenia unter- stützen wir die Menschen dabei, mit unkonventionellen Metho- den Regenwasser zu sammeln (S. 10). In Peru helfen wir, effiziente und kostengünstige Bewässerungssysteme zu errich- ten (S. 16). Und in Vietnam fördern wir den Bau von Wasser- tanks und Latrinen (S. 20). „Wasser für alle“ lautet das Motto der 59. Aktion von Brot für die Welt. Denn wir sind davon überzeugt: Wasser ist ein Gemein- gut, das allen zusteht. Ihre Pfarrerin Cornelia füllkrug-weitzel Präsidentin Brot für die Welt 2017 | 2018 Projekte 3
Inhalt 62 Russland Nach vorne schauen Menschen, die mit HIV und Aids leben, werden oft ausgegrenzt und geächtet. Die Organisation Nowoje Wremja bietet betroffenen Frauen 38 Honduras und Kindern Unterstützung. Zurück ins Leben Jedes Jahr versuchen zehntausende Menschen ohne gültige Papiere in die USA zu gelangen. Die meisten werden aufgegrif- fen und zurückgeschickt. Die Scalabrini- Schwestern helfen ihnen beim Neuanfang. 56 Ecuador Die Umweltrebellen 44 Die Erdölförderung im nördlichen Amazonas- gebiet birgt große Gefahren. Die Organisation Uganda Acción Ecológica betreibt Aufklärung und zeigt Alternativen auf. Gemeinsam stark Um das Überleben ihrer Familien zu sichern, graben viele Frauen ohne Fachkenntnisse nach Gold. 16 Die Organisation ECO bildet die Peru Frauen weiter und fördert ihren Zusammenhalt. Die Regenmacher Der Norden des Andenlandes leidet unter großer Trockenheit. Die Organisation CICAP unterstützt Kleinbauernfamilien dabei, Bewässerungssysteme zu errichten. Editorial 3 Meldungen 6 59. Aktion 8 Wasser für alle Auf Fels gebaut 10 Eine saubere Lösung 20 Schule ohne Schranken 32 Kenia Die Anglikanische Kirche Vietnam Das Rote Kreuz stattet Simbabwe Die Jairos Jiri Asso- verschafft den Menschen Zugang arme Familien im Mekong-Delta ciation lässt Kinder mit und ohne zu sauberem Trinkwasser. mit Regenwassertanks aus. Behinderung Seite an Seite lernen. Die Regenmacher 16 Interview zum Zurück ins Leben 38 Peru CICAP unterstützt Klein- Schwerpunkt Wasser 24 Honduras Die Scalabrini-Schwes- bauernfamilien dabei, Bewässe- „Auch wir müssen unseren tern helfen gescheiterten Auswande- rungssysteme zu errichten. Beitrag leisten“ rern beim Neuanfang. Die Saat geht auf 26 Gemeinsam stark 44 Nepal Die Organisation United Uganda Die Organisation ECO Mission to Nepal hilft Kleinbauernfa- bildet Kleinschürferinnen weiter milien dabei, ihre Erträge zu steigern. und fördert ihren Zusammenhalt. 4 Projekte 2017 | 2018
26 Nepal Die Saat geht auf Das Erdbeben vor zwei Jahren hat die Not der Menschen noch verschärft. Eine christliche Hilfsorganisation unterstützt Kleinbauern- familien dabei, ihre Erträge zu steigern. 20 Vietnam Eine saubere Lösung Viele Menschen im Mekong-Delta sind gezwungen, verschmutztes Flusswasser zu trinken. Die Folge sind Durchfälle und andere Erkrankungen. Das Rote Kreuz stattet arme Familien mit Regenwassertanks aus. 10 Kenia 50 Indien Raus aus der Sklaverei Auf Fels gebaut Immer noch schuften Millionen Jungen Viele Frauen verbringen täglich Stunden damit, und Mädchen unter sklavenähnlichen Wasser aus weit entfernten Quellen zu holen. Bedingungen. Die Bewegung zur Rettung Die Anglikanische Kirche verhilft den Men- der Kindheit befreit arbeitende Kinder und schen zu einer besseren Trinkwasserversorgung. hilft ihnen, ein neues Leben zu beginnen. 32 Simbabwe Schule ohne Schranken Kinder mit Behinderung haben meist keine Chance auf Schulbildung. Die Jairos Jiri In diesen Ländern ist Brot für die Welt aktiv. Association lässt sie Seite an Seite mit nicht behinderten Kindern lernen. Raus aus der Sklaverei 50 Nachberichte 66 Über uns 72 Indien Die Bewegung zur Rettung Kleine Schritte ‒ große Wirkung Ihre Spende kommt an 74 der Kindheit hilft arbeitenden Kin- Vor zwei Jahren berichteten wir Kontakt/Impressum 76 dern, ein neues Leben zu beginnen. ausführlich über diese Projekte in Materialien 77 den Ländern des Südens. Was hat Regionale Ansprechpersonen 78 Die Umweltrebellen 56 sich seitdem dort getan? Ecuador Acción Ecológica kämpft gegen die Erdölförderung im Amazonas- Aktionen 68 gebiet und zeigt Alternativen auf. Gemeinsam engagiert Mit vielfältigen Veranstaltungen unter- Nach vorne schauen 62 stützen Menschen im ganzen Land Russland Die Organisation Nowoje Jahr für Jahr Brot für die Welt. Hier Wremja bietet Frauen und Kindern stellen wir einige Beispiele vor. mit HIV und Aids Unterstützung. 2017 | 2018 Projekte 5
Meldungen Mehr Geld für Entwicklung Die Bundesregierung hat den Etat des Entwicklungsminis- teriums 2017 um 15 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro angehoben. In einer Stellungnahme begrüßte die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, diesen Schritt. Gleichzeitig warnte sie davor, „die Mittel jetzt vor allem an Regierungen zu geben, die bereit und in der Lage sind, Flüchtlinge zurückzuneh- men oder von uns wegzuhalten“. Um den Menschen eine dauer- Gauck würdigt Fachkräfte hafte Perspektive im eigenen Land zu schaffen, müssten Unter dem Motto „Die Welt im Gepäck“ fand im März 2017 in der vielmehr die strukturellen Katholischen Akademie in Berlin ein Ehrentag für zurückgekehrte Entwicklungs- Ursachen von extremer Armut helferinnen und -helfer sowie Friedensfachkräfte statt. An der Veranstal- und Hunger beseitigt werden. tung nahmen rund 200 Rückkehrerinnen und Rückkehrer teil, darunter Dazu zählten nicht nur Korrup- auch solche, die von Brot für die Welt entsandt worden waren. In seinem tion und die Verletzung von Grußwort würdigte Bundespräsident Joachim Gauck ihr Engagement: Menschenrechten, sondern auch „Angesichts der steigenden Zahl von Krisen und Konflikten in der Welt der Klimawandel, fehlende brauchen wir mehr Menschen, die Solidarität leben und Verantwortung in Regeln im Welthandel und anderen Teilen der Welt übernehmen – mutige, menschenfreundliche und Rüstungsexporte, die Gewalt- optimistische Menschen wie Sie.“ Foto Andreas Schoelzel konflikte anheizten. Fairer Handel zeigt Wirkung Der Faire Handel trägt nicht nur dazu bei, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Afrika, Asien und Lateinamerika zu verbessern. Er hat auch zu einem veränderten Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland geführt. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Verändert der Faire Handel die Gesellschaft?“, die Brot für die Welt mit in Auftrag gegeben hatte. Die Studie wurde zum Auftakt der Grünen Demo gegen Agrarkonzerne Woche in Berlin an Bundesent- Fast 20.000 Menschen haben im Januar 2017 in Berlin für eine wicklungsminister Gerd Müller Wende in der Agrarpolitik demonstriert. Unter dem Motto „Wir haben übergeben. „Der Faire Handel ist Agrarindustrie satt!“ forderten sie die Politik dazu auf, die nachhaltige der lebendige Beweis dafür, dass kleinbäuerliche Landwirtschaft zu stärken. Zudem warnten sie vor den der weltweite Handel gerechter Folgen der geplanten Mega-Fusionen der Agrarkonzerne. Sie würde dazu und menschlicher gestaltet führen, dass drei Großkonzerne – darunter die Bayer AG – rund zwei werden kann“, so Klaus Seitz, Drittel des weltweiten Saatgut- und Pestizidmarktes kontrollieren. Zu der Leiter der Abteilung Politik bei Demonstration hatte ein Bündnis aus rund 100 Organisationen aufgeru- Brot für die Welt. fen, darunter auch Brot für die Welt. Foto Hermann bredehorst 6 Projekte 2017 | 2018
Für einen anderen Tourismus Anlässlich der weltweit größten Touristikmesse die Menschen vor Ort stärker einbeziehen. „Momentan ITB hat Brot für die Welt gemeinsam mit Partnerorgani- orientiert sich der Tourismus vor allem an den Interes- sationen aus aller Welt eine grundlegende Trendwende sen der Reisewirtschaft“, so Antje Monshausen, im Tourismus gefordert. Dieser müsse sich stärker an Tourismus-Expertin von Brot für die Welt. „Neben dem den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung orientieren, Wohlbefinden der Urlauber müssen die Bedürfnisse der internationale Menschenrechtsstandards achten sowie Menschen in den Zielgebieten stärker beachtet werden.“ Keine Waffen in Kinderhänden! Aus Anlass des Red Hand Days, des weltweiten Aktions- tages gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten, hat Brot für die Welt im Februar 2017 zusam- men mit dem Deutschen Bündnis Kindersoldaten die Studie „Kleinwaffen in Kinderhänden – Deutsche Rüstungsexporte und Kindersoldaten“ veröffentlicht. Sie belegt, dass die Bundesrepublik Deutschland Pistolen und Gewehre in viele Konfliktregionen Ehrendoktortitel für liefert – auch in solche, in denen Kindersoldaten eingesetzt werden. Füllkrug-Weitzel „Kleinwaffen aus deutscher Produk- Die Hochschule für Landwirtschaft, Technologie und Wissenschaft tion gelangen immer wieder in im nordindischen Allahabad hat die Präsidentin von Brot für die Welt, Gebiete, in denen Gewaltkonflikte, Cornelia Füllkrug-Weitzel, mit dem Ehrendoktortitel ausgezeichnet. Die Unterdrückung und Menschen- christliche Hochschule, 1910 von einem presbyterianischen Missionar und rechtsverletzungen an der Tages- engen Mitstreiter Mahatma Gandhis gegründet, widmet sich insbesondere ordnung sind“, so Andreas der Frage, wie eine gesunde Ernährung für alle sicherzustellen ist. „Sie Dieterich, Referent für Zivile sind seit vielen Jahren eine unermüdliche Kämpferin für eine nachhaltige Konfliktbearbeitung bei Brot für und zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise“, so der Aufsichtsrats- die Welt. „Ein restriktives Export- vorsitzende von Brot für die Welt, Bischof Markus Dröge, in seinem kontrollgesetz ist überfällig, um Glückwunschschreiben. „Die Ehrendoktorwürde ist eine Anerkennung das zu unterbinden.“ und Bestätigung Ihres Wirkens.“ Foto Brot für die Welt Mit Gentechnik gegen den Hunger? Angesichts der angestrebten engeren Koopera- technologische Lösungen zur Überwindung von tion zwischen dem Bundesentwicklungsministerium Hunger und Armut favorisiere. So wolle sie mithilfe und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung warnt Brot von Gentechnik, Kunstdünger und Pestiziden die für die Welt vor dem wachsenden Einfluss privater Landwirtschaft „modernisieren“. „Es müssen nun Geldgeber auf die deutsche Entwicklungszusam- Standards definiert werden, um möglichen Risiken menarbeit. Afrikanische Partnerorganisationen von und negativen Nebenwirkungen solcher Kooperatio- Brot für die Welt kritisieren, dass die Gates-Stiftung nen vorzubeugen“, so Cornelia Füllkrug-Weitzel, oftmals über die Köpfe der Betroffenen hinweg Präsidentin von Brot für die Welt. 2017 | 2018 Projekte 7
59. Aktion Schwerpunktthema Wasser für alle Kernthesen zur 59. Aktion von Brot für die Welt F Jesaja 41, 17-18: ast 700 Millionen Menschen weltweit haben „ Der HERR sagt: Mein Volk ist keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jeder dritte Mensch lebt ohne sanitäre Ein- am Verdursten, sie suchen nach richtungen. Die Wasserknappheit trifft vor Wasser und finden keins; ihre allem die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Zunge klebt schon am Gaumen. Dort sind viele arme Menschen vom städtischen Versor- gungsnetz abgekoppelt. Noch schlimmer ist die Situation Aber ich, der HERR, höre ihren in ländlichen Regionen: Das knappe Wasser muss dort Hilferuf; ich, der Gott Israels, oft von weit entfernten Quellen geholt werden. Die klein- lasse sie nicht im Stich! Auf den bäuerliche Landwirtschaft leidet unter der Wasserkrise, und die Ernährungssicherheit ist gefährdet. steinigen Höhen lasse ich Wasser Auch wenn es in einer Region genug Wasser gibt, hervorbrechen und im Wüsten- heißt das nicht, dass alle Menschen dort Zugang dazu sand Quellen entspringen. In der haben. Häufig mangelt es an der nötigen Infrastruktur. Teilweise ist Wasser so teuer, dass sich arme Menschen Steppe sollen sich Teiche bilden, nicht genug davon leisten können. Und in Regionen, in aus dem ausgedörrten Boden soll denen Konflikte herrschen, wird der Zugang zu Wasser Wasser hervorsprudeln.“ oft als Machtmittel missbraucht. Ohne Wasser gibt es jedoch kein Leben: Wasser, Ernährungssicherheit und Entwicklung sind untrennbar miteinander verbunden. Wasser gehört zum täglichen Brot. Es ist ein öffentli- ches, aber endliches Gut. Für alle Menschen. Brot für die Welt ist der Überzeugung: 1. Alle Menschen haben ein Recht auf sauberes Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung. Etwa 3,5 Millionen Menschen, fast die Hälfte davon Kinder, sterben jährlich an den Folgen von Krankhei- ten, die durch verunreinigtes Wasser übertragen wer- den. Im Jahr 2010 haben die Vereinten Nationen das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversor- gung anerkannt. Es berechtigt alle Menschen zu ausrei- chendem, sauberem und bezahlbarem Wasser für den persönlichen und häuslichen Gebrauch. Wir setzen uns dafür ein, dass das Recht auf Wasser überall umgesetzt wird. Unsere Partnerorganisationen verteidigen dieses Recht, unterstützen arme und benach- teiligte Bevölkerungsgruppen beim Bau von Brunnen und Toiletten und klären über Hygiene auf. 8 Projekte 2017 | 2018
Auf Fels gebaut → S. 10 . Auch Kleinbauernfamilien müssen Zugang zu Wasser haben. Nur so kann sichergestellt wer- den, dass alle Menschen satt werden. Kenia Mit unkonventionellen Methoden verschafft der Entwicklungsdienst der Anglikanischen Kirche den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die intensive Landwirtschaft verbraucht 70 Prozent unserer weltweiten Wasservorräte. Große Agrarkonzerne haben vielerorts riesige Monokulturplantagen errichtet, die sehr viel Wasser benötigen. Viele Kleinbauernfami- lien haben dadurch ihren Zugang zu Wasser verloren. Wenn der Regen infolge des Klimawandels immer häufi- ger ausbleibt und sie ihr Land nicht bewässern können, drohen Hunger und Mangelernährung. Wir setzen uns dafür ein, dass auch die Rechte der Menschen vor Ort gewahrt werden. Unsere Partnerorga- nisationen bekämpfen Land- und Wasserraub durch internationale Konzerne. Sie fördern kleinräumige und kostengünstige Wasserspeicher- und Bewässerungssys- teme, die die Ernährungssicherheit der ländlichen Be- völkerung direkt verbessern können. Die Regenmacher → S. 16 . Unser Lebensstil und Konsumverhalten haben unmittelbare Auswirkungen auf die globale Wasserverfügbarkeit. Wir sollten daher be- Peru Die Organisation CICAP unterstützt Kleinbauern- familien dabei, durch effiziente Bewässerungssysteme ihre Erträge zu steigern. wusst einkaufen. Etwa 20 Prozent des weltweit in der Landwirtschaft ein- gesetzten Wassers wird in „virtueller“ Form über Pro- dukte ins Ausland exportiert. Auch nach Deutschland. Felder für Futtersoja oder Baumwolle werden in vielen trockenen Regionen aufwändig bewässert. Dieses Was- ser fehlt für die Versorgung der Menschen vor Ort. Ein Fünftel der Erdbevölkerung lebt in Regionen, in denen mehr Wasser verbraucht wird, als wieder in den Kreis- lauf zurückfließt. So sinkt der Grundwasserspiegel, was wiederum Trinkwasser-Brunnen versiegen lässt. Wir setzen uns dafür ein, dass die Politik den Agrar- sektor und die Industrie dazu bringt, verantwortungs- bewusster und nachhaltiger mit der Ressource Wasser umzugehen. Und wir fordern die Menschen in Deutsch- land dazu auf, durch den Kauf regionaler und saisona- Eine saubere Lösung → S. 20 ler Produkte den Import virtuellen Wassers aus den Vietnam Im Mekong-Delta trinken viele Menschen trockenen Regionen der Welt zu reduzieren. verschmutztes Flusswasser. Das Rote Kreuz stattet arme Familien mit Regenwassertanks aus. 2017 | 2018 Projekte 9
Auf Fels gebaut Kenia Die Region nördlich und östlich des Mount Kenya ist durch große Trockenheit geprägt. Viele Frauen verbringen mehrere Stunden am Tag damit, Wasser aus weit entfernten Quellen zu holen. Der Entwicklungsdienst der Anglikanischen Kirche verschafft den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser – und setzt dabei auch auf unkonventionelle Methoden. Text KLAUS SIEG Fotos JÖRG BÖTHLING 10 Projekte 2017 | 2018
Reportage Wasser Mit Steinen hat eine lokale Baufirma eine Rinne rund um den riesigen Felsen oberhalb des Dorfes Gichunguri gemauert. So kann das Regenwasser in einen Tank geleitet und gespeichert werden. 2017 | 2018 Projekte 11
Reportage Wasser „M it verschränkten Armen steht Agnes Während eine ihrer Töchter auf einem qualmenden Irima vor der Wasserstelle. Entspannt Holzfeuer den dünnflüssigen Brei aus Sorghummehl schaut sie zu, wie das klare Wasser aus und Wasser kocht, lehnt Agnes Irima sich gegen den dem Hahn in ihren gelben Kanister Stamm der Bougainvillea und erzählt von ihrem Leben, sprudelt. Seitdem der Entwicklungsdienst der Anglika- das sich in eine Zeit vor und nach der Einrichtung des nischen Kirche in Kenia (Anglican Development Service, Trinkwassersystems einteilen lässt. Fünf Stunden am ADS) mit Unterstützung von Brot für die Welt in ihrem Tag war die Kleinbäuerin früher mit der Beschaffung Dorf Gichunguri eine zuverlässige Versorgung mit des Wassers beschäftigt. Um rechtzeitig zu der Wasser- Trinkwasser aufgebaut hat, braucht die 44-Jährige sich stelle am Fluss zu gelangen, musste sie morgens um nicht mehr zu sorgen. „Früher hatte ich immer Angst, zu drei Uhr aufstehen. Zusammen mit anderen Frauen aus wenig Wasser für meine Familie zu haben.“ Warum sich dem Dorf machte sie sich dann lärmend auf den Weg. das geändert hat? Agnes Irima zeigt den Berghang hin- Das schützte sie vor wilden Tieren, vor Pythons oder auf. Dort thront ein Felsen von der Größe eines Mehr- Leoparden. „Noch mehr fürchteten wir aber Überfälle familienhauses. Seine über zweitausend Quadratmeter von Menschen.“ Am größten jedoch war die Angst große Oberfläche neigt sich leicht nach unten. Mit Stei- davor, nach dem anstrengenden Marsch kein Wasser nen hat eine lokale Baufirma eine Rinne um den Felsen mehr vorzufinden. Außerhalb der Regenzeit sind viele gemauert. Bei Regen leitet diese das Wasser, das auf Flüsse am Mount Kenya ausgetrocknet. Die Menschen die Oberfläche prasselt, in einen Behälter aus Beton, in graben dann Löcher in das Flussbett, in denen Wasser dem sich Sand und Steine absetzen. Von da aus fließt zusammenläuft, das sie dann herausschöpfen. Hat das es in einen 75 Kubikmeter großen Tank. Dieser speist die schon jemand vor ihnen getan, braucht es einige Stun- Wasserstelle am Fuße des Berges, an der Agnes Irima den, bis sich wieder Wasser gesammelt hat. „Ich musste und die anderen Bewohnerinnen des Dorfes jeden Mor- es dann mühsam mit einer Schöpfkelle herausholen gen ihr Wasser holen. Nur wenige Tage Regen genügen, oder eine weitere Stunde zur nächsten Wasserstelle um den großen Tank zu füllen. laufen.“ Doch das war nicht das einzige Problem: Das Der Kanister von Agnes Irima ist voll. Sie schraubt Wasser in diesen Löchern ist schmutzig, unter ande- ihn zu, schlingt den Trageriemen darum und geht in die rem, weil sich auch Tiere an ihnen bedienen. „Wir hatten Hocke. Dann legt sich die Kleinbäuerin den Riemen um Probleme mit Würmern, erkrankten an der Amöben- die Stirn und erhebt sich. Mit festen Schritten läuft sie ruhr, besonders die Kinder litten häufig an Durchfall“, über einen schmalen Pfad aus Geröll und Steinen zum erinnert sich Agnes und lässt den Blick über das Gewu- Hof ihrer Familie. Der Kanister wiegt dreißig Kilogramm. sel auf dem Hof schweifen. Neben den drei eigenen Kin- Für Agnes Irima kein Problem: „Im Vergleich zu früher dern kümmern sich Agnes Irima und ihr Mann Nephat ist das doch eine leichte Übung.“ Früher musste sie fast Ngui auch noch um die zwei Kinder ihrer verstorbenen sieben Kilometer weit laufen, um an Wasser zu kommen. Schwester. Kinder trinken, wenn sie Durst haben und Heute sind es nur noch ein paar Hundert Meter. Am Hof Wasser vorfinden, egal wie schmutzig es ist. Aber auch angelangt, öffnet sie ein quietschendes Gatter aus Holz. Agnes Irima konnte das Wasser nicht immer abkochen. Die groben Bretter sind von der Sonne ausgeblichen. Wenn sie und die anderen Frauen nach einigen Stunden Fußmarsch an eine Wasserstelle kamen, stürzten sie Täglicher Energydrink sich durstig auf das kühle Nass. „Was sollten wir tun?“ Auf dem Hof kniet Schwiegermutter Dorothee Maira im Agnes Irima zuckt mit den Schultern. Schatten einer großen Bougainvillea. Neben ihr hockt die zweieinhalbjährige Urenkelin Peace Celille. Mit rhyth- „Ich hatte Albträume“ mischen Bewegungen mahlt die alte Frau auf einem Stein Das Schlimmste aber waren die Sorge und die ständige Mehl aus Sorghum. Die Hirseart ist sehr nährstoffreich. Anspannung. Wenn Wasser keine Selbstverständlich- „Wir stellen daraus unseren täglichen Energydrink her“, keit ist, beschäftigt es einen vierundzwanzig Stunden sagt Agnes Irima und lacht. Dann wird sie wieder ernst: am Tag. „Ich hatte nachts Albträume, dass ich keines „Früher fehlte uns meist das Wasser für die Zubereitung.“ finde“, fährt sie nach einer kurzen Pause fort. „Was wäre 12 Projekte 2017 | 2018
1 2 3 1 Früher mussten die Dorf- 2 Jetzt kommt es dank des 3 In einem 30 Kilogramm schweren bewohnerinnen das Wasser an weit Regenwassertanks das ganze Jahr Kanister transportiert Agnes Irima entfernten Wasserstellen holen. über aus dem Wasserhahn. das Wasser nach Hause. dann aus den Kindern geworden?“ Aber auch wenn sie Wasser vorfand: Mehr als dreißig Liter konnte sie nicht Zahlen und Fakten transportieren. Damit musste die vielköpfige Familie einen Tag lang auskommen – das Waschen von Ge- Das Projekt im Überblick schirr und Wäsche inklusive. Mit Argusaugen wachte Projektträger: Anglican Development Service – Agnes Irima über die Wasservorräte, damit sie auch den Mount Kenya East (ADS-MKE) ganzen Tag reichten. „Ich wusste immer ganz genau, Spendenbedarf: 50.000 Euro wie viele Becher Wasser noch im Kanister waren.“ Alle tranken zu wenig, hatten Kopfschmerzen, fühlten sich Der Entwicklungsdienst der Anglikanischen Kirche in der Diö- schwach und konnten sich nicht konzentrieren. zese Mount Kenya East wurde 1982 gegründet. Sein Ziel ist es, Heute trinken Agnes Irima und ihre Familie mindes- die Armen und Ausgegrenzten in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen. Das von Brot für die Welt unterstützte Projekt tens doppelt so viel. Nicht dass sie Wasser im Überfluss richtet sich an 2.250 mittellose Familien in fünf Landkreisen, hätten. Für jeden Kanister bezahlen sie umgerechnet die besonders unter den Folgen des Klimawandels zu leiden fünfzig Eurocent. So werden Instandhaltung und Ausbau haben. Sie werden unter anderem durch die Einführung von der Wasserversorgung finanziert. Trotzdem ist immer unterschiedlichen Methoden der Regenwassernutzung sowie genug da, zum Trinken, für den Sorghumbrei und für die durch Schulungen zu standortgerechtem Anbau unterstützt. Zubereitung des Nationalgerichtes Ugali, das aus Mais- mehl gekocht wird. „Wir fühlen uns gesund und kräftig, Kostenbeispiele: und die Kinder kommen gut in der Schule mit.“ Fünf Säcke Zement zum Bau von Wasserbehältern, Rinnen oder Tanks: 50 Euro Mehr Zeit für die Landwirtschaft 20 Kunststoffrohre von jeweils sechs Genug erzählt. Agnes Irima springt auf. Sie will Erbsen Metern Länge: 100 Euro ernten. Auf ihrem kleinen Stück Land baut die Familie Fünftägiges Training für zwei Personen Mais, Gemüse und Obst an. Fast alles verbrauchen sie in nachhaltiger Bewässerung und Anbaumethoden: 150 Euro selbst. Seitdem sie sich nicht mehr die Hälfte des Tages um die Beschaffung von Wasser kümmern muss, hat 2017 | 2018 Projekte 13
Reportage Wasser 4 5 Stichwort Wasser 6 Fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zu- gang zu Trinkwasser. Die Wasserknappheit trifft vor allem die Länder des Südens. In den Slums Afrikas, Asiens und Lateinamerikas sind viele Arme vom städtischen Versor- gungsnetz abgekoppelt. Noch schlimmer ist die Situation in ländlichen Regionen: Das knappe Trinkwasser muss dort oft von weit entfernten Quellen geholt werden. Die Frauen, die meist für die Wasserversorgung zuständig sind, benöti- gen oft Stunden, um ihre Familien mit dem kostbaren Nass zu versorgen. Dort, wo die Bewohner keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, greifen sie notgedrungen auf verschmutztes Wasser zurück. Mehrere Millionen Menschen 7 sterben jährlich an Krankheiten, die durch verunreinigtes Trinkwasser ausgelöst wurden. Brot für die Welt setzt sich auf verschiedene Arten dafür ein, dass Menschen Zugang zu Wasser bekommen: •• Wir unterstützen Projekte, in denen die Trinkwasser- versorgung vor allem im ländlichen Raum verbessert wird. •• Wir engagieren uns für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Wasserpolitik. Denn wir sind der Überzeugung: Alle Menschen haben ein Recht auf Wasser. 14 Projekte 2017 | 2018
8 4 In diesem 75 m³ 5 Derzeit baut ADS 6 In diesem Jahr ist 7 Die Lebensbedin- 8 Hier oben wird großen Tank wird zwei weitere Tanks. der Mais vertrocknet. gungen der Familie das Wasser aufge- das Regenwasser Auch die Dorfschule Aber Agnes Irima haben sich sehr fangen und dann gespeichert. soll davon profitieren. erntet Erbsen. verbessert. weitergeleitet. Agnes Irima aber nicht nur mehr Zeit für die Landwirt- fertig sind, soll auch die Dorfschule sich daraus versor- schaft. Sie verkauft auch einmal in der Woche selbstge- gen können. Zurzeit müssen die Schülerinnen und kochten Sorghumbrei auf dem Markt. Schließlich müssen Schüler mit zwei Bechern Wasser pro Tag auskommen. sie und ihr Mann, der als Tagelöhner auf Baustellen und Als alle Erbsenschoten geerntet sind, bringt Agnes bei anderen Bauern arbeitet, für fünf Kinder die Schul- Irima sie in den Speicher, ein kleines Holzhaus auf Stel- und Universitätsgebühren aufbringen. zen. Dann setzt sie sich wieder auf den Schemel neben Zusammen mit ihrer Schwiegermutter, einigen dem Baum. Neben ihr hockt Peace Celille und kleckert Nachbarn und Kindern geht Agnes Irima über das Feld. Sorghumbrei auf ihr weißes Kleid. Agnes lächelt. „Als Unter ihren Schritten rascheln vertrocknete Maispflan- ich in ihrem Alter war, musste ich schon mit meiner Mut- zen. In der letzten Regenzeit von Oktober bis Dezember ter Wasser holen gehen.“ Die kleine Agnes hatte wenig hat es nur wenige Tage geregnet. Die Maisernte fällt Zeit zum Spielen, und in der Schule war sie zu müde zum daher für die meisten Bauern aus. Auch für Agnes Irima Lernen. „Ich bin sehr glücklich, dass meine Enkelin es und ihren Mann. Doch zum Glück haben die beiden besser hat.“ Den täglichen Gang mit dem Kanister zur noch vieles andere angebaut. Wasserstelle nimmt Agnes Irima dafür gerne in Kauf. Zumal er jetzt nur noch wenige Minuten dauert. Ein neuer Tank für die Schule Dürrekatastrophen wie diese treten aufgrund des Klima- Weitere Informationen und einen Film zu wandels immer häufiger auf. Damit das Trinkwasser- diesem Projekt finden Sie ab 1. 9. 2017 unter: system trotzdem genug für alle Dorfbewohner bereit- www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/ stellt, baut ADS gerade zwei weitere Tanks. Wenn diese kenia-wasser 2017 | 2018 Projekte 15
Reportage Wasser Die Sprinkleranlage ermöglicht es José Barrios, sein Kaffeefeld langsam und gleichmäßig zu bewässern. Die Regenmacher Peru Der Norden des Andenlandes leidet seit jeher unter großer Trockenheit. Der Klimawandel hat dieses Problem noch verschärft. Die Organisation CICAP unterstützt Kleinbauernfamilien dabei, Bewässerungssysteme zu errichten und so ihre Erträge zu steigern. Text THORSTEN LICHTBLAU Fotos KATHRIN HARMS F asziniert schaut José Barrios auf das zehn bäuerlicher Landwirtschaft. Ihr größtes Problem ist Zentimeter große, schwarze Plastikteil, das neben zu kleinen Anbauflächen und unzureichenden sich gleich unter dem Druck des Wassers zu Kenntnissen über nachhaltige Anbaumethoden die drehen beginnen wird: erst langsam, dann Trockenheit, die sich in den vergangenen Jahren durch immer schneller, bis seine Drehungen mit dem mensch- den Klimawandel noch verschärft hat. Regnete es frü- lichen Auge kaum noch zu erkennen sind. „Bailarina“ her zumindest in den Monaten zwischen Dezember und (Tänzerin) nennen die Menschen in Pandachí den Kopf März, so sind heute oft nur noch im Januar und Febru- der Sprinkleranlage, der dafür sorgt, dass die Wasser- ar Niederschläge zu verzeichnen. Die Erträge der Felder tropfen sanft und gleichmäßig auf jeden Zentimeter sind entsprechend gering, viele Kinder in der Region Boden in einem Umkreis von neun Metern fallen. „Als sind unter- und mangelernährt. ob es regnen würde“, sagt Barrios ein wenig ungläubig und stolz zugleich. Saftig grüne Pflanzen Pandachí ist ein abgelegenes Andendorf im Norden José Barrios baut auf eineinhalb Hektar Land Bohnen, Perus. 72 Familien wohnen hier auf rund 2.000 Metern Mais, Kartoffeln, Erbsen, Kaffee, Quinoa, Süßkartoffeln, Höhe in einfachen Hütten aus Lehmziegeln und Well- Bananen, Orangen und Granatäpfel an. Dass er heute blech. Fast alle von ihnen leben von traditioneller klein- am Ende eines langen Arbeitstages am Rande seines 16 Projekte 2017 | 2018
1 3 2 1 CICAP-Mitarbeiter Jimmy Guerrero 2 Dazu wurden Kunststoffrohre vom 3 Davon profitiert auch Familie Barrios. hat Barrios geholfen, das Bewässerungs- Wasserrückhaltebecken oberhalb des Josés Frau Rosa erntet inzwischen sehr system zu errichten. Dorfes zu den Feldern verlegt. viel mehr als früher. Kaffeefeldes stehen und in aller Ruhe dabei zusehen kann, wie seine saftig grünen Pflanzen langsam nass Zahlen und Fakten werden, hat er den Mitarbeitenden von CICAP zu ver- danken, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Das Projekt im Überblick Die Landwirtschaftsfachleute kamen erstmals 2015 nach Projektträger: Centro de Investigación, Pandachí, um den Menschen im Dorf ihre Hilfe anzu- Capacitación, Asesoría y Promoción bieten. Doch anfangs schlug ihnen vor allem Skepsis (CICAP) entgegen: „Wir hatten schlechte Erfahrungen mit ande- Spendenbedarf: 82.000 Euro ren Hilfsorganisationen gemacht“, erzählt Barrios. „Die kamen nur ein einziges Mal zu uns, zeigten uns mit Die Organisation CICAP (Zentrum für Forschung, Ausbildung, schönen Videos, was wir alles besser machen können, Beratung und Förderung) wurde 1981 gegründet. Ihr Ziel ist es, und ließen sich dann nicht mehr blicken.“ Bei CICAP durch die effiziente Nutzung von vorhandenen Wasserressour- war das anders: „Deren Mitarbeitern war kein Weg zu cen zur Ernährungssicherheit der armen Landbevölkerung weit. Sie gingen mit uns zu unseren weit verstreuten beizutragen sowie die chronische Unter- und Mangelernährung Feldern, auch wenn sie dafür zwei Stunden Fußmarsch bei Kindern zu reduzieren. Das von Brot für die Welt unter- in Kauf nehmen mussten. Sie gaben uns Saatgut und stützte Projekt richtet sich an 400 Kleinbauernfamilien im organischen Dünger. Sie halfen uns, ein Gewächshaus Distrikt Kañaris im Norden Perus. Sie erhalten unter ande- rem Unterstützung bei der Errichtung von Bewässerungssys- zu bauen, in dem wir selbst Gemüse, Obstbäume und temen sowie beim Anbau und der Vermarktung von Quinoa, Kaffeesträucher ziehen können. Und sie zeigten uns, wie Erbsen und Kaffee. man auf biologische Art Schädlinge bekämpft.“ Vor allem unterstützten sie die Kleinbauernfamilien Kostenbeispiele: jedoch dabei, ein einfaches, aber funktionierendes Bewässe- 5 kg Quinoa-Samen rungssystem zu errichten. Denn: „Ohne Wasser geht hier (reichen für einen Hektar Land): 70 Euro gar nichts“, sagt Barrios und blickt auf den trockenen 20 Sprinkler (helfen fünf Bauernfamilien, Boden unter seinen Füßen. Zunächst setzten die Bauern ihre Felder effizient zu bewässern): 150 Euro ein vor Jahren vom Staat errichtetes, aber inzwischen 100 Kunststoffrohre von je fünf Metern heruntergekommenes Rückhaltebecken wieder instand. Länge (zur Bewässerung von vier Parzellen Dann legten sie Rohre zu ihren 100-150 Meter entfernten à 0,25 Hektar): 300 Euro Feldern. Zum Schluss erhielt jede Familie vier Sprinkler. 2017 | 2018 Projekte 17
4 4 Auch der vierjährige Neiser weiß schon, wie wichtig Hygiene ist. 5 Gemeinsam befreien die Mitglieder des Bewässerungskomitees das Wasserbecken von Schmutz und Laub. 6 Dank des Projektes schaut Familie Barrios optimistisch in die Zukunft. 5 6 18 Projekte 2017 | 2018
Reportage Wasser „Die helfen nicht nur, Wasser zu sparen“, erklärt Jimmy „Wir haben auch gelernt, wie wir besser als Eheleute Guerrero, Diplom-Landwirt und Wasser-Experte von zusammenleben können. Auch ein Mann kann kochen, CICAP. „Die Bauern müssen auch kaum Zeit für die Bewässe- Geschirr spülen und Wäsche waschen. Warum sollte er rung aufwenden.“ Sein Kaffeefeld lässt José Barrios zum das also nicht tun?“ Beispiel nur alle 14 Tage zwölf Stunden lang über Nacht beregnen. Dazu muss er nur den Sprinkler aufstellen und Gemeinsam stark den Wasserhahn öffnen – so wie heute. Zufrieden macht Nach dem Frühstück verabschiedet sich der Kleinbauer sich der Kleinbauer bereits nach Einbruch der Dämme- von Frau und Kindern. Er hat sich mit seinem Schwager rung auf den Heimweg. Florencio Tantarico und den anderen Mitgliedern des Bewässerungskomitees von Pandachí am Dorfausgang Gesundes Korn verabredet. Gemeinsam wollen sie die neuralgischen Am nächsten Morgen ist Familie Barrios wie immer Punkte des im letzten Jahr installierten Bewässerungs- früh auf den Beinen. Während Tochter Analí, 10, und systems inspizieren. Ausgerüstet mit Schaufeln, Spitz- Sohn Neiser, 4, schon vor dem Haus spielen, steht Josés hacken und Macheten machen sich die 16 Männer im Ehefrau Rosa in der Küche und bereitet das Frühstück Gänsemarsch auf den Weg. Auf schmalen Pfaden geht zu. In einer großen Eisenpfanne brät sie Omelettes, die es immer bergan. mit Zwiebeln, Knoblauch und frischen Kräutern gewürzt Nach einer Viertelstunde zeigt sich das erste kleine sind. Der Duft erfüllt die ganze Hütte. Sohn Neiser be- Problem: Aus einer zementierten Wasserentnahmestelle kommt außerdem seine Lieblingsspeise: ein Schälchen tritt Wasser aus, ein Verbindungsrohr hat sich gelöst. Mit Milch mit Quinoa. Wie gesund dieses traditionelle An- vereinten Kräften heben die Männer den Zementblock denkorn ist und wie man es zubereiten kann, hat Rosa an und machen das Rohr fest. Verschwitzt, aber zufrieden erst durch das Projekt erfahren. „Als wir das erste Mal setzt sich der Tross danach wieder in Bewegung. Nach hierher kamen, wies Neiser deutliche Anzeichen von einer Dreiviertelstunde ohne weitere Zwischenfälle ist Mangelernährung auf “, erinnert sich Milagros Gonzales, schließlich das Ziel des Fußmarschs erreicht: das beto- die bei CICAP für die Themen Gesundheit und Geschlech- nierte Wasserbecken etwas unterhalb eines kleinen Was- tergerechtigkeit zuständig ist. Inzwischen ist der Kleine serfalles. Die Männer befreien das Becken von Schmutz putzmunter. „Ich weiß gar nicht, wo wir heute ohne und Laub, reinigen das Abflusssieb, lassen das dreckige CICAP stehen würden“, sagt Rosa, bevor sie ihre Kinder Wasser ablaufen. Danach ist das Wasser, das über die zum Essen ruft. Dass die zuvor noch ihre Hände mit Rohre auf ihre Felder läuft, wieder glasklar. Wasser und Seife waschen, versteht sich inzwischen fast „Früher hat jeder von uns nur an sich gedacht“, von selbst. sagt José Barrios. „Durch CICAP haben wir gelernt, Unterdessen hat Ehemann José im Nebenraum dass wir uns zusammentun müssen, wenn wir etwas den Tisch gedeckt. Er unterstützt seine Frau nicht nur erreichen wollen.“ heute im Haushalt – auch wenn er deshalb den Spott des einen oder anderen Nachbarn ertragen muss. Doch das → Weitere Infos zum Projekt ab 1. 9. 2017 unter: stört den 36-Jährigen nicht: „Von CICAP haben wir nicht www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/ nur Tipps für die Landwirtschaft bekommen“, sagt er. peru-bewaesserung 2017 | 2018 Projekte 19
Dank der Regenwassertanks des Roten Kreuzes haben die Menschen in Than Tan nun das ganze Jahr über sauberes Wasser. 20 Projekte 2017 2015 | 2016 2018
Reportage Wasser Eine saubere Lösung Vietnam Viele Menschen im Mekong-Delta haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Sie sind gezwungen, verschmutztes Flusswasser zu trinken. Die Folge sind Durchfallerkrankungen und andere gesundheit- liche Probleme. In der Provinz Ben Tre stattet das Rote Kreuz arme Familien mit Regenwassertanks aus. Text UTE DILG Fotos CHRISTOf KRACKHARDT S chnell lässt Lam Kim Phuong etwas Wasser in dient. „Damit keine Blätter oder sonstiger grober zwei rosa Plastikschüsseln laufen. Ihre beiden Schmutz mit in den Tank laufen“, erklärt der 42-jährige achtjährigen Zwillinge sind gerade aus der Familienvater. Vor dem Kochen und Trinken kocht Lam Schule gekommen. „Wascht euch die Hände“, das Regenwasser noch einmal ab. „So sind wir auf der sagt sie und reicht ihnen die Schüsseln. „Danach gibt es sicheren Seite“, sagt sie. „Das habe ich bei einem der Essen.“ Auf dem blanken Holztisch steht bereits ein Workshops des Roten Kreuzes gelernt.“ Topf mit dampfender Hühnersuppe. Zubereitet hat Lam Vo Van Tuan ist einer der freiwilligen Rotkreuz-Mit- Kim Phuong sie mit Regenwasser: „Das ist viel sauberer arbeiter, die den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern als das Flusswasser, das wir früher zum Kochen benutzt erklären, dass sie ihr Wasser aufbereiten und abkochen haben“, berichtet sie. Die 37-Jährige ist froh über den müssen, um es trinkbar zu machen. „Viele Leute wissen grauen Betontank, in dem die fünfköpfige Familie seit das nicht und werden dann krank“, erklärt er. Seit drei zwei Jahren Wasser zum Trinken und Kochen sammelt. Jahren führt der 64-Jährige Workshops zu den Themen „Wir sind inzwischen alle gesünder“, sagt sie. „Und die Wasser und Umweltschutz durch. Dazu kommen regel- Kinder haben keinen Durchfall mehr.“ mäßige Hausbesuche. Dafür wurden er, 15 weitere Frei- Lam Kim Phuong und ihr Mann Duong Thanh willige sowie die Vorsteher der 12 Ortsteile von Thanh Phong leben mit ihren drei Söhnen in Thanh Tan, einer Tan von Mitarbeitenden des Roten Kreuzes geschult. Gemeinde im Mekong-Delta, unweit der südvietnamesi- schen Provinzhauptstadt Ben Tre. Die Familie gehört Die Umwelt sauber halten zu den 105 Haushalten, die in den vergangenen drei Heute haben sich etwa 15 Frauen und Männer aus der Jahren mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Nachbarschaft in einem kleinen Unterstand am Flussufer Welt einen Regenwassertank zur Verfügung gestellt be- versammelt. Sie schieben einige Stühle zusammen und kommen haben. Mitarbeitende des Roten Kreuzes infor- machen es sich unter dem Dach aus getrockneten Kokos- mierten die Eheleute über das Angebot. „Da haben wir blättern bequem. „Willkommen zu unserem Workshop“, uns gleich beworben“, sagt Lam. begrüßt Vo Van Tuan die Gruppe. „Wir wollen heute über Mülltrennung reden – und weshalb sie wichtig ist.“ Schritt Auf der sicheren Seite für Schritt erläutert Tuan den Menschen, dass sie den Bald darauf kamen zwei Handwerker. Sie brachten Sand Biomüll vom anderen Abfall trennen und dann in einer und Zement mit. „Unsere beiden Kleinen sind den Bau- eigens dafür ausgehobenen Grube sammeln sollen. Dort arbeitern nicht von den Fersen gewichen“, erinnert sich kann er verrotten und dann als Kompost dienen. „Bitte Lam schmunzelnd. „Sie sind sehr neugierig.“ Während werft den Biomüll nicht einfach in den Garten“, erklärt die Handwerker den Betontank hochzogen, brachte ihr Tuan weiter. „Dort fängt er an zu stinken und zieht Mos- Mann eine neue Dachrinne am Haus an. Jetzt läuft das kitos an, die gefährliche Krankheiten wie Dengue-Fieber Wasser von der Regenrinne durch ein Rohr in den Tank. übertragen können. Außerdem sollte das Loch für die An der Verbindungsstelle zwischen Rinne und Rohr Abfälle nicht zu nahe an Flussläufen, Kanälen oder Tei- sickert es durch ein Stück Baumwollstoff, das als Sieb chen liegen. Denn sie könnten das Wasser verschmutzen. 2017 | 2018 Projekte 21
Reportage Wasser „Wir müssen unsere Gewässer und unsere Umwelt sauber barfüßigen Waten im Wasser. Knapp drei Jahre später halten“, schärft er den Anwesenden ein. „Schließlich wol- sind diese Krankheiten in Thanh Tan Geschichte. „Wir len wir gesund bleiben!“ sehen sie kaum noch. Es ist wirklich ein Rückgang um Auch Duong Thanh Phong und Lam Kim Phuong fast hundert Prozent“, freut sich die Ärztin. haben eine Grube für ihren Biomüll im Garten ausgeho- Lam hat unterdessen in einer Blechwanne Seifen- ben. Hinter ihrem Holzhaus, das mit einigen Kokospal- lauge angesetzt. Sie kauert auf dem Boden neben ihrem men umsäumt ist, führt ein Steg über einen Kanal – eine „Wäscheständer“ – einem Ast, den sie zwischen zwei etwas wacklige Konstruktion aus drei Baumstämmen. Kokospalmen befestigt hat. Dort hängen einige frisch Dahinter befindet sich der Ziegenstall. Vor einem Jahr gewaschene Hemden. Gründlich weicht sie die T-Shirts hat das Ehepaar einen Kleinkredit aufgenommen und ihrer beiden Achtjährigen in der Lauge ein. „Helft mir davon sechs Ziegen gekauft: fünf Weibchen und ein ein bisschen“, ermuntert sie ihre Jungs. „Aber rührt den Männchen. Sie sollen den Grundstock für ein sicheres Wasserhahn am Regenwassertank nicht an“, fügt sie Einkommen bilden. Drei der Ziegen sind bereits trächtig. mahnend hinzu. „Nicht, dass etwas ausläuft. Regen- Momentan lebt die Familie vor allem von dem, was wasser ist kostbar.“ Duong als Tagelöhner verdient. Meist verdingt er sich als Lastenträger. Er schultert Säcke mit Kokosnüssen → Weitere Infos zum Projekt ab 1. 9. 2017 unter: und trägt sie vom Fähranleger zu einer nahe gelegenen www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/ Fabrik, in der die Früchte verarbeitet werden. Viel Geld vietnam-trinkwasser verdient er damit nicht. „Wir ziehen deshalb noch Hüh- ner auf für andere Leute, die noch weniger Platz haben“, sagt Lam. So kommt die Familie über die Runden. Sie hofft, dass die Ziegenzucht noch etwas zusätzliches Zahlen und Fakten Geld einbringt: Geld für die Bildung der Kinder. Das Projekt im Überblick Mit Chlor versetzt Projektträger: Ben Tre Red Cross (BTRC) Am Nachmittag schaltet Duong die kleine Elektropumpe Spendenbedarf: 117.000 Euro der Familie ein. In einem dicken Strahl spritzt eine bräun- liche Flüssigkeit aus dem Schlauch in einen der hohen Das 1946 gegründete Rote Kreuz Vietnams folgt den Prinzipien Tonkrüge neben dem Hintereingang des Hauses. Es ist des Internationalen Roten Kreuzes: Menschlichkeit, Unpartei- Flusswasser. Die Familie benutzt es immer noch zum lichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit. In der Wäschewaschen und Duschen. Denn das Volumen des Provinz Ben Tre setzt sich die Organisation insbesondere für Regenwassertanks reicht für diese Zwecke nicht aus. die Förderung von Frauen und Kindern, die Reduzierung der Damit die Kinder keine Ausschläge bekommen, wie das Armut sowie die Verbesserung der Gesundheitsversorgung früher oft der Fall war, versetzt Lam es mit Chlor. Da- ein. Das von Brot für die Welt unterstützte Projekt richtet sich nach muss das Wasser einige Tage stehen. Erst dann an 2.300 Menschen in der Gemeinde Thanh Tan. Sie erhalten kann es bedenkenlos verwendet werden. Unterstützung beim Bau von Regenwassertanks und Latrinen „Reinigt das Wasser, bevor ihr es nutzt. Kocht es ab, und werden über Gesundheitsrisiken durch den Gebrauch von bevor ihr es trinkt!“ Es ist wie ein Mantra, das Rotkreuz- verschmutztem Wasser aufgeklärt. Ärztin Vo Thi Thuy immer wiederholt. Auch bei der kos- tenlosen Sprechstunde, die sie mit ihrem Team alle drei Kostenbeispiele: Monate in Thanh Tan anbietet. Bis zu 120 Patientinnen Workshop zum Sammeln von Regenwasser für 30-40 Teilnehmer/innen: 40 Euro und Patienten kommen pro Termin. „Als wir mit unserer Bau eines Regenwassertanks: 140 Euro Arbeit hier begannen, litten die meisten Leute unter Krankheiten, die mit verschmutztem Wasser zusammen- Vierteljährlicher Gesundheitscheck für ca. 120 Patientinnen und Patienten: 178 Euro hängen“, erzählt die 34-Jährige. Durchfall etwa oder Krät- ze, Wurmerkrankungen oder schmerzende Füße vom 22 Projekte 2017 | 2018
2 1 Nach der Schule waschen sich Lam Kim Phuongs Zwillinge zuerst die Hände. 2 Über ihre Dachrinne leitet die Familie das Regenwasser in einen Betontank. 3+4 Duong Thanh Phong füllt Flusswasser in einen Tonkrug. Nachdem Lam es mit Chlor gereinigt hat, benutzt sie es zum Waschen der Wäsche. Ihre Söhne helfen. 5 Hinter dem Haus führt ein Steg über den Kanal. Dort befindet sich der Ziegenstall. 6 Ärztin Vo Thi Thuy ist zufrieden. Kaum noch jemand im Dorf erkrankt aufgrund von verunreinigtem Wasser. 1 3 4 5 6
Interview „Auch wir müssen unseren Beitrag leisten“ Fast 700 Millionen Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Was sind die Ursachen? Welches die Folgen? Und was kann man dagegen tun? Ein Gespräch mit Andrea Müller-Frank, Referentin für das Recht auf Nahrung bei Brot für die Welt. Was sind die Ursachen des Wassermangels? dazu, dass die Menschen Wasser zum Waschen, Kochen Andrea Müller-Frank — Da gibt es eine ganze Reihe. und Trinken benutzen, das durch Fäkalien verunreinigt An erster Stelle ist die massive Ausweitung der intensi- ist. Die Folgen sind Durchfallerkrankungen, die oft sogar ven Bewässerungslandwirtschaft in den vergangenen lebensbedrohlich sind. Mehrere Millionen Menschen Jahrzehnten zu nennen: 70 Prozent der weltweiten sterben jährlich an Krankheiten, die durch verschmutz- Wasserentnahmen gehen auf ihr Konto. Ihretwegen tes Wasser ausgelöst wurden. Bei Kindern unter fünf sind große Flüsse – wie der Indus in Pakistan oder der Jahren sind Durchfallerkrankungen sogar die zweithäu- Gelbe Fluss in China – zu schmalen Rinnsalen gewor- figste Todesursache. Zudem leben die meisten Menschen den, die kaum noch das Meer erreichen. Vielerorts gibt in den Ländern des Globalen Südens von der Landwirt- es nur noch Monokulturplantagen, die sehr viel Wasser schaft. Wenn Kleinbauernfamilien ihr Land nicht bewäs- benötigen. Daher kommt es heute vermehrt auch in sern und Viehhirten ihre Tiere nicht tränken können, eigentlich wasserreichen Regionen zu akuter Wasser- drohen Hunger und Mangelernährung. not: zum Beispiel in Brasilien oder Indien. Die Wassernot wird jedoch nicht nur durch ver- Welche Ursachen gibt es noch? schmutztes Wasser vergrößert, sondern auch durch AMF — Natürlich spielt auch der Klimawandel eine seine ungerechte Verteilung. Rolle. Er hat zur Folge, dass extreme Dürren zuneh- Was meinen Sie damit? men. Vom Horn von Afrika bis an die Südspitze des AMF — In vielen afrikanischen Ländern sind strate- Kontinents sind aktuell Millionen Menschen auf Hilfe gische Wasserressourcen inzwischen in den Händen angewiesen, weil sie im zweiten Jahr in Folge ihre ausländischer Investoren. Gezielt erwerben sie Lände- Felder nicht bestellen können. Gleichzeitig steigt der reien mit exzellenten, oftmals ganzjährigen Wasser- Meeresspiegel, was in küstennahen Regionen dazu vorkommen. Diese nutzen sie für den Anbau von führt, dass die Süßwasservorkommen versalzen und Landwirtschaft unmöglich wird. Und auch das Schmel- zen der Gletscher führt zu Versorgungsengpässen. In Peru zum Beispiel ist der Gletscher, der die Hauptstadt Lima mit sauberem Wasser versorgt, seit 1997 um ein Die industrielle Viertel geschrumpft. Landwirtschaft (l.) Und außerdem? benötigt sehr viel AMF — In vielen Regionen der Welt wird die Wassernot Wasser. Kleinbauern und -bäuerinnen steht noch dadurch verschärft, dass Seen, Flüsse und Grund- dadurch immer wasser verschmutzt sind. Schuld daran ist zum einen weniger zur Verfügung. die Industrie, die die Abwässer von Fabriken und Berg- werken oft ungefiltert weiterleitet. Aber auch die in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide und Düngemittel tragen dazu bei. Schließlich ist häufig auch die fehlende Abwasserentsorgung ein großes Problem: Sie führt 24 Projekte 2017 | 2018
Nahrungsmitteln, die dann ins Ausland exportiert wer- den. Häufig verliert die einheimische Bevölkerung da- durch den Zugang zu Land und Wasserquellen. Dieses Phänomen, das als Landgrabbing bzw. Wassergrabbing bekannt ist, gibt es auch in Lateinamerika. Hier bauen große Agrarkonzerne zum Beispiel Zuckerrohr oder Euka- lyptus an – Pflanzen mit einem außerordentlich hohen Wasserbedarf. In Brasilien stehen deshalb die Wasserpe- gel zahlreicher Stauseen schon heute auf historischem Tiefstand. Darunter leiden nicht nur Menschen auf dem Lande, sondern auch in Städten wie São Paulo. Hier gibt es oftmals tagelang kein Wasser und es kommt zu sozialen Spannungen. Was muss geschehen, um die Wasserknappheit zu überwinden? AMF — Zunächst einmal muss der hohe Wasserver- brauch der Landwirtschaft reduziert werden. Denn bis- lang gehen rund 50 Prozent des eingesetzten Wassers in ineffizienten Bewässerungssystemen verloren. Wichtig ist aber auch, dass die Lage in Regionen mit Wasser- Andrea Müller-Frank ist Referentin für das Recht knappheit nicht noch durch den Anbau wasserintensiver auf Nahrung bei Brot für die Welt. Erzeugnisse für den Export verschärft wird. Auch müs- sen Kleinbauernfamilien stärker gefördert werden, die Regenfeldwirtschaft betreiben. Viele Projekte von Brot landwirtschaftliche Wassernutzung in vielen Ländern für die Welt zeigen, dass auch sie durch ressourcenspa- besser reguliert werden. Bevor Land an Investoren ver- rende Anbaumethoden ihre Erträge steigern können: kauft wird, muss sichergestellt sein, dass der Zugang zu zum Beispiel, indem sie Terrassen und Wälle bauen, sauberem und bezahlbarem Wasser für alle Menschen dürreresistentere Pflanzen anbauen, schattenspenden- erhalten bleibt. Brot für die Welt und seine Partnerorga- de Bäume einsetzen oder Regenwasser sammeln. Doch nisationen unterstützen Kleinbauern- und Fischerfami- alles Wassersparen ist letztlich vergeblich, wenn nicht lien, Viehhirten und Indigene deshalb dabei, ihre Rechte auch die Wasser- und Landrechte der Menschen ge- gegenüber Investoren, Politik und Verwaltung sowie in schützt werden. internationalen Entscheidungsgremien zu verteidigen. Was heißt das konkret? Und was können wir tun? AMF — Um die Trinkwasserversorgung und die Ernäh- AMF — Deutschland ist hinter den USA zweitgrößter rungssicherheit nachhaltig zu gewährleisten, muss die Importeur von virtuellem Wasser weltweit, das heißt von Wasser, das für die Erzeugung von Agrar- und Industrie- gütern verbraucht wird. Alleine 20 Prozent des in Deutschland benutzten Papiers stammen aus brasiliani- schen Eukalyptusplantagen, die vor Ort die Wassernot erhöhen. Die deutsche Politik muss sich daher im Rah- men der Nachhaltigkeitsagenda auf internationaler Ebene stärker dafür einsetzen, dass Unternehmen, die für den deutschen Markt produzieren, verantwortlich mit den vorhandenen Ressourcen umgehen und die Menschen- rechte achten. Aber auch wir als Verbraucherinnen und Verbraucher sollten überlegen, wie wir unseren Wasser- fußabdruck reduzieren können: zum Beispiel, indem wir unseren Papierverbrauch verringern – oder unseren Fleischkonsum. Denn ein Drittel des weltweit in der Landwirtschaft eingesetzten Wassers wird dazu benötigt, Futtermittel herzustellen. Äßen wir weniger Fleisch, wür- de der Wasserverbrauch deutlich gesenkt – und dadurch auch die Wassernot. Interview Thorsten Lichtblau 2017 | 2018 Projekte 25
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