KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online

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KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
Österreichische Post AG, MZ 02Z031731M, ÖGB-Verlag, Johann-Böhm-Pl. 1, 1020 Wien, Retouren an PF 100 1350 Wien

4 / 2021                                                                                      MAGAZIN DER GEWERKSCHAFT GPA

   KINDERGARTEN-
   PROTEST S. 4

Ein Widerstandskämpfer im Porträt S. 20
7 Tipps für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung S. 24

GPA.AT | KOMPETENZ-ONLINE.AT                                                                                             1
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 4 / 2021

INHALT

4                                          8                                        20
COVERSTORY                                 KOLLEKTIVVERTRAGSHERBST                  PORTRÄT
Die Arbeitsbedingungen in Kindergärten     Trotz schwieriger Rahmenbedingun-        Freiheitskämpfer, Antifaschist, Kommu-
und Horten sind für die Beschäftigten      gen konnten wir im Handel und in der     nist, Journalist, Gewerkschafter. Ernst
nicht mehr zumutbar. Wir haben Betrof-     Metallindustrie herzeigbare Ergebnisse   Fettner wurde heuer 100 Jahre alt. Ein
fene gefragt, woran es hapert.             bei den Kollektivvertragsverhandlungen   wahrer Held im Porträt.
                                           erkämpfen.

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3 EDITORIAL                                13 STRESS MACHT KRANK                    22 WORTE REICHEN NICHT!

                                                                                                                               Foto: Titelseite: Edgar Ketzer, Seite 4: Lucia Bauer, Seite 8: Daniel Gürtler, Seite 20: Nurith Wagner-Strauss
                                              Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass        Was es im Sozial-, Gesundheits-,
4 SCHLUSS MIT LUSTIG                          Stress und Arbeitsdruck stark            Pflege- und (Elementar-)
    Warum die Beschäftigten in den            zugenommen haben.                        Bildungsbereich jetzt braucht.
    Kindergärten jetzt auf die Straße
    gehen.                                 14 STRESS ERFOLGREICH                    24 ERFOLGREICH GEHALT
                                              ABBAUEN                                  VERHANDELN.
8 KOLLEKTIVVERTRAGSHERBST                     9 Tipps für weniger Stress               7 Tipps, wie du dich gut auf eine
    Die Gehälter im Handel und der            in der Arbeit                            Gehaltsverhandlung vorbereiten
    Metallindustrie steigen spürbar an.                                                kannst.
                                           15 FOTOGRAMM
10 BILDMELDUNG                                                                      26 ARBEITSRECHT
    Protest im Gesundheitsbereich          16 STEUERREFORM                             Wir erklären dir, wer haftet, wenn im
                                              Die Steuerreform im                      Job ein Schaden passiert.
11	ARBEITSLOSENGELD RAUF                     ArbeitnehmerInnencheck
    Der Politologe Emmerich Talos                                                   28 DATENSCHUTZ
    über seine Gründe, das Volksbegeh-     18 KURZMELDUNGEN                            Eine Studie zeigt, wie Beschäftigte
    ren für ein höheres Arbeitslosengeld                                               digital überwacht werden.
    zu unterstützen.                       20 EIN KÄMPFER WIRD 100
                                              Der Widerstandskämpfer,               30 GPA-WOHNBAUVEREINIGUNG
                                              Journalist und Gewerkschafter            ALL EYES ON YOU!
                                              Ernst Fettner im Porträt                 "DAS WILDE LEBEN" am Goldberg

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KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
EDITORIAL

                              MIT UNS IST
                              ZU RECHNEN!

                              ZUR PERSON:            Zum Leidwesen von uns allen bestimmt im-              Dass das Wiederanspringen der Wirtschaft
                              Martin Panholzer ist   mer noch das Coronavirus unseren Alltag. Die          in diesem Jahr für die Beschäftigen zu einem
                              Leiter der Abteilung   notwendigen Maßnahmen haben neuerlich                 enormen Anstieg von Stress und Arbeitsdruck
                              Öffentlichkeitsar-
                                                     schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirt-             geführt hat, darauf haben wir in einer Aktions-
                              beit in der GPA und
                              Chefredakteur          schaft und unsere Arbeitswelt. Eine Beschäftig-       woche hingewiesen und das auch mit einer
                              der KOMPETENZ.         tengruppe, die schon vor der Pandemie enorm           aktuellen IFES-Studie untermauert. Was wir in
                                                     unter Druck stand, ist der Sozial-, Gesundheits-      dieser Situation von ArbeitgeberInnen und Po-
                                                     und Pflegebereich. Die Zustände dort sind             litik erwarten und was du selbst tun kannst, um
                                                     alarmierend, immer mehr Beschäftigte denken           deinen Stress abzubauen, erfährst du in dieser
                                                     daran, ihren Job an den Nagel zu hängen. Was          Ausgabe ab Seite 13.
                                                     die Betroffenen von der Politik erwarten, darü-
                                                     ber berichten wir in dieser Ausgabe der KOM-          In diesem alles andere als einfachen Herbst
                                                     PETENZ ab Seite 22.                                   verhandeln wir für hunderttausende Beschäf-
                                                                                                           tigte neue Kollektivverträge. Wir konnten trotz
                                                     „Es reicht!“, das artikulierten auch die Beschäf-     schwieriger Rahmenbedingungen herzeigba-
                                                     tigten der privaten Wiener Kindergärten und           re Ergebnisse erkämpfen. Mehr dazu findest du
                                                     Horte bei einer öffentlichen Betriebsversamm-         auf Seite 8.
                                                     lung im Oktober für bessere Arbeitsbedingun-
                                                     gen und mehr Ressourcen. „Die Zeit der braven         Wir wünschen allen unseren Mitgliedern schö-
                                                     Tanten ist vorbei, mit uns wird man auch in Zu-       ne, erholsame Festtage und einen guten Jah-
                                                     kunft rechnen müssen!“, hieß es auf der Ver-          reswechsel. Gerade jetzt sollten alle erkennen,
                                                     sammlung im Wiener Votivpark, die vorerst nur         dass Solidarität nicht nur ein Schlagwort ist,
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                                                     unterbrochen wurde. Was die Beschäftigten             sondern konkrete Handlungen erfordert.
                                                     jetzt von der Politik erwarten, verraten wir dir in
                                                     unserer Coverstory ab Seite 4.                                                MARTIN PANHOLZER

                                                                                                                                                              3
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 4 / 2021

           SCHLUSS MIT LUSTIG

           Mehr als 5.000 Beschäftigte aus Kindergärten und Horten hielten am 12. Oktober in Wien im Votivpark eine
           öffentliche Betriebsversammlung ab.

           Die Arbeitsbedingungen in Kindergärten sind für die Beschäftigten
           nicht mehr zumutbar. Diesen Herbst gingen nun tausende Betroffene
           auf die Straße.
                                                                                                                      Foto: Lucia Bauer

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COVERSTORY

                     E
                            s ist ein unerträgliches Maß erreicht“, sagt Ste-   nInnen und BetreuerInnen sowohl der privaten als auch
                            phanie Veigl. Sie ist in der GPA für die Beschäf-   öffentlicher Kinderbildungseinrichtungen die Gruppen
                            tigten in Kindergärten zuständig. PädagogIn-        und gingen auf die Straße. Einmal laut zu sein, war das
                     nen, AssistentInnen und BetreuerInnen würden seit          Ziel, und dieses wurde erreicht. „Es war wichtig, dass
                     Jahren auf ihre unzumutbaren Arbeitsbedingungen            einmal im öffentlichen Raum sichtbar gemacht wurde,
                     hinweisen. Doch es passiere nichts. Die Coronakrise        welche Missstände es da gibt“, so Veigl.
                     habe den Druck auf die österreichweit rund 63.000 Be-
                     schäftigten – 73 Prozent von ihnen arbeiten für priva-     „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt
                     te Träger, 27 Prozent in Einrichtungen der öffentlichen    werde“, hatte eine Protesteilnehmerin in Plakatform
                     Hand – noch weiter erhöht. Wenn man mit PädagogIn-         mitgebracht. Hier gilt es auf alle Fälle anzusetzen, be-
                     nen und AssistentInnen spricht, weiß man auch warum:       tont auch Veigl. Die Bezahlung müsse nicht nur besser,
                     einerseits muss mehr auf Hygiene geachtet werden, es       sondern österreichweit einheitlich werden. Derzeit gibt
                     sind Türklinken, Tischflächen, Toiletten noch öfter als    es diesbezüglich einen Fleckerlteppich zwischen Bun-
                     sonst zu desinfizieren. Andererseits werden die Kinder     desländern und Trägern. Das ist auch in Bezug auf die
                     nun bereits an der Türe entgegengenommen. Nun zie-         Rahmenbedingungen so, etwa die Gruppengrößen, der
                     hen nicht mehr die Eltern ihre Kinder beim Bringen und     Erwachsenen-Kind-Schlüssel oder die Abgeltung von
                     Abholen an und aus, auch das muss nun vom Personal         Vorbereitungszeit. Ein Bundesrahmengesetz und ein
                     der Kindergärten und -gruppen übernommen werden.           einheitlicher Kollektivvertrag wären hier Lösungsan-
                     Mehr Beschäftigte gibt es aber nicht, im Gegenteil.

                     » Wir wollen endlich die 1,2 Mil-
                     liarden Euro sehen, die vor 4 Jah-
                     ren schon paktiert waren«
                     Barbara Teiber

                     Der Druck ergibt sich nämlich nicht nur durch zusätz-
                     liche Arbeit. MitarbeiterInnen fehlen an allen Ecken und
                     Enden und jene, die in der Gruppe stehen, möchten ei-
                     gentlich pädagogische Arbeit leisten. De facto schaffen
                     sie es aber gerade einmal, die Kinder zu betreuen und        GPA-Vorsitzende Barbara Teiber bei der Demo im Oktober
                     dafür zu sorgen, dass sich niemand verletzt. GPA-Vorsit-
                     zende Barbara Teiber ist es daher auch wichtig, darauf
                     hinzuweisen: „Ein Kindergarten ist eine Bildungsein-       sätze. Zur Anwendung kommen könnte etwa der bereits
                     richtung und keine Betreuungseinrichtung.“ Viel zu oft     existierende Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft, der
                     müssten Beschäftigte in Kindergärten hören, „ihr spielt    aber noch nicht von allen Trägern angewandt werde.
                     ja nur den ganzen Tag“. Dem sei aber nicht so.
                                                                                Insgesamt braucht es mehr Mittel der öffentlichen Hand
                     Damit in den Kindergärten aber auch pädagogisch ge-        für die Elementarpädagogik. „Wir wollen endlich die 1,2
                     arbeitet werden kann, braucht es mehr Personal und         Milliarden sehen, die vor 4 Jahren schon paktiert wa-
                     insgesamt bessere Rahmenbedingungen, wie Veigl             ren“, fordert die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. Die
                     betont. Zentral sind da die Gruppengröße und der Er-       damalige SPÖ-ÖVP-Regierung hatte 2016 unter Kanz-
                     wachsenen-Kind-Schlüssel. Die GPA tritt dafür ein, dass    ler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
                     künftig in eine Kindergartengruppe nur mehr 18 bis 20      einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem
                     Mädchen und Buben gehen. Bei unter Dreijährigen soll-      ersten Geburtstag für jedes Kind und mehr finanzielle
                     ten es überhaupt nur acht bis zehn Kinder sein.            Mittel für den Ausbau des Bereichs Elementarpädago-
                                                                                gik geplant. Kein Wunder, dass nicht nur die Beschäfi-
                     Kinder würden hier die bestmögliche Förderung ver-         tigten, sondern auch viele Eltern empört reagierten als
                     dienen – und die Eltern müssten sich auf eine gute Be-     im Zuge der Chat-Affäre bekannt wurde, dass Sebas-
                     treuung verlassen können, sagt Veigl. Gleichzeitig müs-    tian Kurz das hintertrieben hatte. Und warum? Er gönnte
                     sen aber eben auch die Arbeitsbedingungen für die          dem SPÖ-Kanzler diesen inhaltlichen Erfolg nicht. Politik
Foto: Edgar Ketzer

                     Beschäftigten passen. Lange haben sie gezögert, ihre       also auf dem Rücken von Millionen Kindern, Eltern und
                     Arbeit niederzulegen und darauf lautstark hinzuweisen.     Beschäftigten. ●
                     Diesen Herbst aber schlossen PädagogInnen, Assiste-                                                       ALEXIA WEISS

                                                                                                                                              5
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 4 / 2021

JASMIN BERGER, 37
Kinderbetreuerin in einer Kinderkrippe in der Steiermark

„Ich arbeite in einer Gruppe mit derzeit elf Kindern von einem bis drei Jahren. Es gibt eine Päda-
gogin und zwei Betreuerinnen. Manche Kinder können noch nicht gehen, fast alle müssen noch
gewickelt werden. Wenn wir in den Garten gehen, stehe ich teilweise mit zwei Kinderwägen an
der Rutsche oder Schaukel, um zu sichern. In diesem Alter braucht jedes Kind Hilfe. Mindestens
eine Betreuerin ist dann immer mit einem Kind drinnen, um es zu wickeln oder umzuziehen.
Das ist auch im Gruppenraum so – eigentlich wollen wir pädagogische Arbeit leisten, aber das
ist meistens nicht möglich. An manchen Tagen ist man einfach nur froh, wenn man die Kinder
wieder heil an ihre Eltern übergibt. Und gleichzeitig schieben einige Eltern immer mehr an Ver-
antwortung an uns ab. Ein Beispiel: Eine Mutter gibt das Kind mit Schnuller in der Gruppe ab
und sagt, nehmt ihm den Schnuller weg. Das sind aber Dinge, die zu Hause passieren müssen.“

SABRINA BRANDAUER, 25
Elementarpädagogin und Leiterin einer Kindertagesstätte in Kärnten

„In der Kita arbeiten wir mit ein- bis dreijährigen Kindern. Theorie und Praxis zeigen, wie wichtig
es ist, mit jungen Kindern bedürfnisorientiert zu arbeiten. Einst war die Kita eine Aufbewah-
rungsanstalt, nun ist beziehungsweise soll sie ein Ort der Bildung, Entwicklung und des Wach-
sens sein. Der aktuelle Betreuungsschlüssel und die Gruppengrößen ermöglichen es uns aber
nicht, den Kindern gerecht zu werden. Eine Herausforderung bedeutet auch die gesellschaft-
liche Veränderung. Kulturen treffen aufeinander, wodurch viele Kinder die deutsche Sprache
nicht kennen und uns kaum verstehen können. Andere benötigen aufgrund von Beeinträchti-
gungen oder Entwicklungsverzögerungen erhöhte Aufmerksamkeit. Ohne ärztliche Diagnose
bekommt man kein zusätzliches Personal und unter drei Jahren wird selten eine solche Diag-
nose gestellt. Wir müssen immer mehr bewältigen, ohne dass die Rahmenbedingungen – der
Betreuungsschlüssel, die Gruppengröße oder die Bezahlung – verändert werden. Gleichzeitig
müssen wir aber zu 100 Prozent belastbar sein. Unter dreijährige Kinder benötigen sehr viel
Nähe und verstehen noch nicht, was es bedeutet kurz zu warten. ‚Wenn ich dich brauche, dann
sofort!’ und dabei kommen mindestens fünf Kinder auf eine Person zugleich.“

                                                                                                      Fotos unten: Lucia Bauer, Fotos oben: privat

Mehr Geld, mehr Anerkennung und kleinere Gruppen waren die zentralen
Forderungen der protestierenden PädagogInnen und AssistentInnen.

6
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
COVERSTORY

                BIANCA SCHATZ, 45
                Mehr als zehn Jahre Assistentin in einem Kindergarten in Oberösterreich,
                heute Betriebsrätin
                „Wir haben ein Strukturproblem. Es fehlt an Personal und gleichzeitig sind zu viele Kinder in
                den Gruppen. Wenn KollegInnen krank werden, muss man immer kompensieren, es gibt kaum
                SpringerInnen. Dann steht man nicht selten alleine in der Gruppe. Ich habe mir dann immer
                den Platz im Gruppenraum gesucht, von dem aus ich alles überblicken kann. Gleichzeitig ist
                man nervös und hofft, dass jetzt kein Kind Hilfe beim Toilettengang braucht. Man kann ja dann
                die anderen Kinder nicht alleine lassen. Das ist eine absolute Stresssituation. Man möchte ei-
                gentlich Zeit haben für die Kinder, möchte zum Beispiel ein Buch vorlesen. Aber man ist nur
                hin- und hergerissen. Viele KollegInnen können daher nach einigen Jahren nicht mehr. Sie sind
                überfordert und völlig ausgebrannt.“

                CHRISTINA BRUCKBAUER, 31
                Elementarpädagogin und Krabbelstubenleiterin in Oberösterreich

                „Unser Haus ist klein, wir haben nur eine Krabbelstube mit zwölf Kindern. Wir sind insgesamt
                drei Personen, für meine Leitungstätigkeit stehen mir offiziell zwei Stunden in der Woche zur
                Verfügung. Das reicht natürlich nicht, ich nehme mir oft Arbeit mit nach Hause. Ich arbeite Voll-
                zeit, die zwei Helferinnen je 25 Stunden, wobei derzeit eine Helferin mit fünf Stunden mehr zur
                Pädagogin aufgestuft wurde. Die Gruppe ist aber von 6.30 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet, Freitag
                von 6.30 Uhr bis 15.00 Uhr. Um diese Zeiten abzudecken, ist vor allem zu den Randzeiten oft nur
                eine Person in der Gruppe. Wir brauchen grundsätzlich mehr Personal. Und gleichzeitig sehe
                ich auch als Leiterin den eklatanten Personalmangel. Viele steigen nach der Ausbildung in der
                BAFEP nicht mehr in den Beruf ein. Sie sehen, dass der Betreuungsschlüssel nicht passt, dass
                man immer mehr Kinder bekommt, das Gehalt nicht stimmt. Für uns bedeutet das, dass wir uns
                oft drei Mal überlegen, ob wir zum Beispiel mit den Kindern in den Garten gehen und sie in
                der Sandkiste gatschen und matschen lassen. Die Kinder lieben das und sie brauchen es, aber
                wenn man nur zu zweit ist, fehlen helfende Hände.“

                                                                                                     icht !
                                                                                                Es re
                                               • Mehr Gehalt
                  DIE GPA                      • Mehr Personal
                  FORDERT:                     • Kleinere Gruppen
                                               • Besseren Erwachsenen-Kind-Schlüssel
                                               • Bezahlte Vor- und Nachbereitungszeit
                                               • Einheitliche Arbeitsbedingungen in ganz Österreich
                                               • Ein Entlohnungssystem für Beschäftigte in allen Bundesländern
                                               • Ausreichend Finanzierung
                                               • Österreichweit einheitliche Ausbildung für AssistentInnen
Fotos: privat

                                                                                                                             7
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
KOMPETENZ 4 / 2021

ZWISCHEN KRISE
UND ZUKUNFT
Die Kollektivvertragsab-
schlüsse in diesem Herbst
wurden erst nach zähen
Verhandlungen und Kampf-
maßnahmen möglich.
Speziell beim Handel saß
auch die Pandemie mit
am Verhandlungstisch.

Die Gewerkschaft GPA verhandelt jeden
Herbst Kollektivverträge für etwa 700.000
Beschäftigte in ganz Österreich. Neben
dem Metallerkollektivvertrag, der nach
wie vor eine Art Leitfunktion hat, ist der
Handelskollektivvertrag für fast eine hal-
be Million Beschäftigte überhaupt der
größte Kollektivvertrag im Land.

In der Metallindustrie verhandelt die GPA
gemeinsam mit der Produktionsgewerk-
schaft Pro-GE für etwa 190.000 Beschäf-
                                             Bei den Metaller-Warnstreiks wurde die Triesterstraße, eine Hauptverkehrsstraße in Wien, blockiert.
tigte. Schon zum zehnten Mal in Folge ist
es den Gewerkschaften gelungen, trotz
der Auflösung der Verhandlungsge-            tigte bekundeten im Vorfeld der Ver-                      der Kampfbereitschaft der Kolleginnen
meinschaft der ArbeitgeberInnen, einen       handlungen ihre Unterstützung für die                     und Kollegen in den Betrieben und ein
einheitlichen Kollektivvertrag der Metall-   gewerkschaftlichen Forderungen auf                        starkes Lebenszeichen gewerkschaftli-
industrie, der Bergwerke und eisener-        der Online-Plattform dubistgewerk-                        cher Solidarität“, so der Verhandlungs-
zeugenden Industrie sowie der Gas- und       schaft.at.                                                führer der Gewerkschaft GPA, Karl Dürt-
Wärmeversorgungsunternehmen zu er-                                                                     scher.
reichen.                                     PLUS 3,55 PROZENT
                                                                                                       GROSSE UNTERSCHIEDE IM HANDEL
KRÄFTIGES LEBENSZEICHEN                      Alle Beschäftigten in der Metallindustrie,
                                             der Bergwerke und eisenerzeugenden                        Konnte man in der Metallbranche von
Vorangegangen sind dem Ergebnis sehr         Industrie sowie der Gas- und Wärme-                       einer Überwindung der Krise reden, so
langwierige und schwierige Verhandlun-       versorgungsunternehmen erhalten 3,55                      stellte sich die Situation im Handel ganz
gen, die in Warnstreiks Anfang Novem-        Prozent mehr Lohn und Gehalt. Die Lehr-                   anders dar. Zum einen gibt es Bereiche,
ber gipfelten. Die Lohn- und Gehalts-        lingseinkommen werden mit bis zu 6,74                     wie den Lebensmittelhandel, die auch
erhöhung im Coronajahr 2020 endeten          Prozent noch weitaus stärker erhöht.Der                   in der Pandemie kräftig verdienten, zum
nach einer Runde mit der Abgeltung           Abschluss bedeutet angesichts der für                     anderen kämpfen etwa der Textil- und
der Inflationsrate. Nachdem die Metall-      die Kollektivvertragsverhandlung rele-                    der Schuhhandel nach wie vor mit den
                                                                                                                                                   Foto: Daniel Gürtler

branche im vergangenen Jahr wieder           vanten durchschnittlichen Inflation der                   negativen Folgen der Pandemie. Diesen
hervorragende Gewinne schrieb, war           letzten 12 Monate von 1,9 Prozent einen                   Unterschieden galt es Rechnung zu tra-
die Erwartungshaltung zu Recht groß.         kräftigen Reallohnzuwachs. „Der Ab-                       gen, wollte man einen einheitlichen Kol-
Tausende BetriebsrätInnen und Beschäf-       schluss war auch ein großartiger Beweis                   lektivvertrag weiterentwickeln. Mit dem

8
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
KOLLEKTIVVERTRAG

Abschluss in der vierten Runde am 24.       allem Frauen im Lebensmittelhandel.          gungen in hunderten Handelsbetrieben
November ist dies gelungen.                 Das Recht der Beschäftigten ihre Teilzeit    Betriebsversammlungen stattgefunden
                                            aufzustocken, dürfen künftig die betrieb-    haben“, so der Verhandlerin der GPA,
HÖHERES EINSTIEGSGEHALT UND                 lichen Sozialpartner regeln.                 Anita Palkovich.
NACHTZUSCHLÄGE
                                            2,8 PROZENT PLUS FÜR LEHRLINGE               „Mit den Abschlüssen haben wir ge-
Von der Anhebung der Einstiegsgehäl-                                                     zeigt, dass sich die Beschäftigten auch
ter auf 1.800 Euro profitieren etwa ein     Die Lehrlingseinkommen steigen um            in schwierigen Zeiten auf die Gewerk-
Drittel der Handelsangestellten. Sie er-    durchschnittlich 2,8 Prozent plus Digita-    schaftsbewegung verlassen können. Es
halten eine Gehaltserhöhung von 3,45        lisierungsbonus von 100 Euro für techni-     war eine Kombination aus Verantwor-
Prozent. Die restlichen Beschäftigten       sches Equipment. Voraussetzung ist, dass     tungsbewusstsein und Entschlossenheit,
erhalten 2,55 Prozent, was immer noch       die Hard- bzw. Software bei österreichi-     die unsere Stärke ausmacht. Jetzt hoffen
deutlich über der zugrundeliegenden         schen Händlern gekauft wird.                 wir, dass wir nach der Pandemie nicht
Inflationsrate von 2,1 Prozent liegt. Der                                                mehr über Kurzarbeit und Krisenmaß-
Durchschnitt ergibt 2,8 Prozent. Gleich-    „Mit dem Abschluss haben wir unsere          nahmen, sondern wieder über die öko-
zeitig konnten auch Ungerechtigkeiten       Ziele weitgehend erreicht. Es ist eine Mi-   nomische Basis für ein besseres Leben in
beseitigt werden. Ab 1. Jänner 2022 gibt    schung aus Zukunfts- und Krisendeal ge-      einer hoch entwickelten Wirtschaft reden
es endlich auch im Handel einen Nacht-      worden. Der neuerliche Lockdown Ende         können“, so der Bundesgeschäftsführer
zuschlag von 50 Prozent für diese belas-    November hat es für uns nicht leichter       der Gewerkschaft GPA, Karl Dürtscher. ●
tende Arbeit - so wie in anderen Bran-      gemacht. Umso erfreulicher ist es, dass
chen auch. Profitieren werden davon vor     trotz dieser schwierigen Rahmenbedin-                         MARTIN PANHOLZER

DIE ABSCHLÜSSE IM DETAIL:

    KOLLEKTIVVERTRAGS-                                                KOLLEKTIVVERTRAGS-
    ABSCHLUSS                                                         ABSCHLUSS
    HANDEL                                                            METALL

  ● Einstiegsgehälter steigen auf 1.800 Euro:                       ● IST-Löhne und -Gehälter steigen um 3,55 Prozent.
    Das bedeutet ein Plus von 3,45 Prozent für ein                  ● KV-Löhne und -Gehälter steigen um 3 Prozent.
    Drittel aller Beschäftigten.                                    ● Mindestlohn/Mindestgrundgehalt neu:
  ● Alle anderen erhalten 2,55 Prozent mehr.                          2.089,87 Euro (für die Gas/Wärme: 2.141,23 Euro)
  ● Ab 1. Jänner 2022 gilt ein Nachtzuschlag von                    ● Erhöhung der kollektivvertraglichen Zulagen um
    50 Prozent, wie in anderen Branchen.                              3 Prozent, innerbetriebliche, im Kollektivvertrag
  ● Die Lehrlingseinkommen steigen um                                 genannte Zulagen, werden um 3,55 Prozent erhöht.
    durchschnittlich 2,8 Prozent                                    ● Aufwandsentschädigungen steigen um 2,5 Prozent.
    Digitalisierungsbonus von 100 Euro.                             ● Lehrlingseinkommen steigen um 6,74 Prozent im
  ● Möglichkeit der Stundenaufstockung bei                            1. Lehrjahr, um 4,27 Prozent im 2. Lehrjahr, um 5,61
    regelmäßiger Mehrarbeit per Betriebsvereinbarung                  Prozent im 3. Lehrjahr und um 5,63 Prozent im
  ● Geltungstermin: ab 1. Jänner 2022                                 4. Lehrjahr.
                                                                    ● Geltungstermin: ab 1. November 2021

                                                                                                                               9
KINDERGARTEN-PROTEST S. 4 - KOMPETENZ-online
PFLEGEPROTEST

     Tausenden Auszubildenden und Beschäftigten aus dem Gesundheitsbereich reicht es. Sie demonstrierten am 9. November 2021 für bessere
     Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege und Betreuung.

     PFLEGEAUSBILDUNG MUSS
     BEZAHLT WERDEN.
     Alle reden vom Pflegekollaps, aber die Regierung tut
     nichts um den Pflegeberuf attraktiver zu machen.
     Was für PolizistInnen oder LokführerInnen Normalität ist, bleibt in der Pflege bisher nur ein Wunschtraum: eine bezahlte
     Ausbildung. Ohne finanzielle Unterstützung durch Eltern sei es kaum möglich die Ausbildung zu machen, erzählen die
     jungen Menschen auf der Demonstration. QuereinsteigerInnen seien gezwungen wieder zu den Eltern zu ziehen oder
     am Wochenende zusätzlich zu jobben. Viele halten das nicht durch und brechen ihr Studium ab, weil Geld fehlt. Und das
     alles, während uns die Pflegekräfte ausgehen.
                                                                                                                                           Foto: Christian Hofmann

     Den Auszubildenden und den Beschäftigten im Gesundheitsbreich reicht es jetzt. Mehr als 4.000 Menschen gingen am 9.
     November 2021 auf die Straße um für eine österreichweite Ausbildungsoffensive, eine sofortige Pflegereform und für die
     sofortige Auszahlung des Covid-Bonus zu demonstrieren. ●

10
INTERVIEW

                              „ARBEITSLOSENGELD RAUF“

                              Die Initiative „Arbeitslosengeld rauf!“ will für ihr Volksbegehren mindestens
                              100.000 Unterstützungserklärungen sammeln. Im Interview erklärt Mitinitia-
                              tor Emmerich Tálos, wieso das Thema Arbeitslosigkeit uns alle etwas angeht.

                              KOMPETENZ: Warum will die Regierung gerade                Mit Sicherheit nicht! Mit einem degressiven Modell
                              jetzt den Druck auf Arbeitslose erhöhen?                  wird erstens der Druck auf die Betroffenen enorm er-
                              EMMERICH TÁLOS: Die Pandemie hat uns gezeigt,             höht und zweitens das Leistungsniveau für einen Teil
                              dass es auch in Österreich unter bestimmten Bedin-        der Arbeitslosen gekürzt. Das heißt, die Problematik,
                              gungen eine Massenarbeitslosigkeit geben kann.            die wir heute haben, würde nur noch verschärft. Mit
                              Vor eineinhalb Jahren waren es mehr als 500.000 Er-       einer im internationalen Vergleich sehr niedrigen
                              werbslose. Es ist erfreulich, dass aktuell die Zahl der   Nettoersatzrate von 55 Prozent steht für viele erwerbs-
                              Arbeitslosen sinkt, aber ich finde es ungeheuerlich,      arbeitslose Menschen das Problem der Verarmung
                              bei einem Stand von ca. 340.000 Betroffenen davon zu      unmittelbar vor der Tür. Wenn Arbeitsminister Martin
                              reden, dass das Problem schon weitgehend gelöst ist.      Kocher davon ausgeht, dass ein degressives Arbeits-
                              Es sinkt zwar die Arbeitslosigkeit insgesamt, aber die    losengeldmodell einen höheren Arbeitsanreiz biete,
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              Zahl der Langzeitarbeitslosen kaum.                       wird dabei eine Frage vergessen: warum sind die-
                                                                                        se Stellen offen? Wenn ich furchtbare Arbeitsbedin-
                              Die Regierung plant, dass Arbeitslosenbezüge mit          gungen anbiete, dann läuft das nicht. Warum sollen
                              der Dauer der Arbeitslosigkeit sinken sollen, ein so-     sich Menschen solchen Bedingungen unterwerfen?
                              genanntes degressives Arbeitslosengeld. Könnte            Mit einem degressiven Modell werden nicht mehr
                              das ein ein wirksames Mittel sein?                        Arbeitsplätze geschaffen, nicht offene Stellen besetzt,

                                                                                                                                                         11
KOMPETENZ 4 / 2021

           sondern es wird der Druck auf die Arbeitslosen er-        sich das Parlament damit befassen muss. Das schafft
           höht, weniger gute Arbeitsplätze zu akzeptieren.          auch Öffentlichkeit. Damit könnten wir deutlich ma-
           Und zugleich wird für einen Teil der Erwerbslosen die     chen, dass das Anliegen für die materielle Verbesse-
           materielle Sicherung noch prekärer als sie schon jetzt    rung von Arbeitslosen von vielen geteilt wird. Je mehr
           ist.                                                      Unterstützung wir haben, desto mehr Druck können
                                                                     wir auf politisch Verantwortliche ausüben. Ohne die-
           Was bedeutet das konkret?                                 sen Druck wird‘s nicht laufen!
           Ein Beispiel: Viele Frauen verdienen in Teilzeit kaum
           mehr als 800 Euro. Schon mit einer Nettoersatz-           Wieso solidarisieren Sie sich persönlich, als emeri-
           rate von 55 Prozent reicht das nicht zum Überleben.       tierter Professor, eigentlich mit Arbeitslosen? Da ist
           Eine Untersuchung des Momentum Instituts hat ge-          doch eine beträchtliche sozioökonomische Distanz
           zeigt, dass 9 von 10 befragten Arbeitslosen von Ver-      vorhanden ...
           armung bedroht sind. Wenn die Nettoersatzrate noch        In sozialer und ökonomischer Hinsicht gibt es diese
           weiter abgesenkt wird, erhöht sich damit das Armuts-      Distanz zweifellos. Aber ich habe mein Wissenschaft-
           risiko.                                                   erleben zu einem großen Teil der sozialen Entwicklung
                                                                     und dem Sozialstaat gewidmet. Von daher ist es für
           Mit dem Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“            mich eine Selbstverständlichkeit, mich auch mit Ar-
           möchten Sie genau an dieser Situation etwas än-           beitslosigkeit und Arbeitslosen zu befassen. In diesem
           dern. Was sind Ihre Forderungen?                          Zusammenhang sind AktivistInnen an mich herange-
           Mit der Pandemie gingen eine Reihe von Problemen          treten, ob ich bei einem Volksbegehren mitmachen
           einher, nicht nur wirtschaftliche, auch soziale Proble-   möchte. Und das mache ich sehr gerne, da ich damit
           me wie die enorm gestiegene Erwerbslosigkeit, das er-     meine wissenschaftliche Arbeit auch politisch umset-
           höhte Risiko der Verarmung. In unserem Volksbegeh-        zen kann. Das ist das Gute am Status eines Menschen
           ren steht die Verbesserung der materiellen Situation      im formellen Ruhestand: ich kann mir immer aussu-
           von Erwerbslosen im Fokus. Daher fordern wir erstens      chen, was ich mache! ●
           die Anhebung der Nettoersatzrate auf mindestens 70                                         JOHANNES GRESS
           Prozent. Zweitens wollen wir, dass die Zumutbarkeits-
           bestimmungen, die vor allem unter Schwarz-Blau
           restriktiver wurden, entschärft werden. Und drittens      ZUR PERSON:
           treten wir dafür ein, dass es weiterhin Zuverdienst-      Emmerich Tálos, geb. 1944, ist emeritierter Professor
           möglichkeiten für Betroffene gibt, weil für viele das     für Politikwissenschaft und Mitinitiator des Volksbe-
           Arbeitslosengeld ohnehin nicht reicht.                    gehrens „Arbeitslosengeld rauf!“. Er veröffentlichte
                                                                     mehrere Bücher zum österreichischen Sozialstaat,
           Die Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent           zu welchem er über mehrere Jahrzehnte forschte.
           würde etwas mehr als eine Milliarde Euro kosten. Ist
           das in der jetzigen Situation zu stemmen?
           Was ist in dieser Situation alles gestemmt worden!
           Wenn ich nur daran denke, wie viele Unterstützungs-
           leistungen Unternehmen im Vergleich dazu bekom-             VOLKSBEGEHREN UNTERSTÜTZEN
           men haben. Für 340.000 erwerbslose Menschen würde           Du bist für ein höheres Arbeitslosengeld?
           damit die materielle Sicherheit verbessert werden. Auf      Dann unterstütze das Volksbegehren
           Wirtschaftsseite wird es als selbstverständlich erach-      "Arbeitslosengeld rauf" mit deiner Unter-
           tet, dass Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen         schrift: www.arbeitslosengeld-rauf.at
           Situationen mit beträchtlichen Förderungen unter-
           stützt werden. Aber wenn Arbeitslose, deren Geld oh-        SPENDENAUFRUF
           nehin nicht reicht, eine Anhebung fordern, dann auf         Die Arbeit des Volksbegehrens
           einmal wäre das nicht zu stemmen. Das ist zu stem-          „Arbeitslosengeld rauf!“ wird rein durch
           men! Es ist eine Frage des politischen Wollens – nicht      Spenden finanziert. Du kannst das
           des ökonomischen Könnens!                                   Volksbegehren durch eine Spende
                                                                       unterstützen:
           Was ist das Ziel des Volksbegehrens?                        IBAN: AT45 3477 7000 0627 7099
           Derzeit haben wir ca. 18.000 Unterstützungserklärun-        BIC: RZOOAT2L777
           gen. Inklusive Eintragungswoche wollen wir mindes-
           tens auf 100.000 kommen! Das würde bedeuten, dass

12
ARBEITSSTRESS

STRESS MACHT KRANK
Wie Arbeitsdruck aktiv bekämpft werden kann.

D
          ie Wirtschaft hat in den letz-     Belastung, auf deren Grundlage in allen         mehr, sich über Stressursachen klarzu-
          ten Monaten wieder deutlich        Betrieben passende Maßnahmen zur                werden und diese möglichst an der Wur-
          an Fahrt aufgenommen. Damit        Vermeidung krankmachender Arbeits-              zel zu bekämpfen. Der/Die Vorgesetzte
verbunden steigen Arbeitsmenge und           bedingungen festzulegen sind, müssen            sollte hier auch Ansprechperson sein,
Leistungsdruck. Gleichzeitig sind so gut     BetriebsrätInnen übrigens in allen Pha-         schließlich hat er/sie auch die Verant-
wie alle Branchen von Personalknapp-         sen beteiligt werden. Ratsam ist es für         wortung, gesunde Arbeitsbedingungen
heit betroffen. Für die ArbeitnehmerIn-      BetriebsrätInnen jedenfalls, sich einen         sicherzustellen. Warnsignale des Körpers
nen führt dies zu mehr Stress und einer      Überblick über die Stressbelastung im           sind jedenfalls ernstzunehmen. Vor allem
Vielzahl von negativen Auswirkungen          Betrieb zu verschaffen. Die Betrachtung         bei länger andauernden Beeinträchti-
auf die körperliche wie auch psychische      der Arbeitszeitsituation, der Pausenkultur      gungen, wie Schlafstörungen, oder Kon-
Gesundheit. Beschäftigte berichten im-       oder der Krankenstände im Betrieb kann          zentrationsschwierigkeiten, sollte eine/n
mer öfter, dass Stress und Arbeitsdruck      hier Orientierung geben.                        ÄrztIn konsultiert werden und dabei auch
gerade in letzter Zeit enorm zugenom-                                                        die beruflichliche Belastung zur Sprache
men haben. Ihre Einschätzungen wur-          Aber auch einzelne ArbeitnehmerInnen            kommen. Unterstützung im Betrieb er-
den durch eine Umfrage von IFES be-          müssen sich mit anhaltendem Stress              halten ArbeitnehmerInnen auch vom/
stätigt: 35 Prozent der Befragten gaben      nicht abfinden. Wichtig dabei: Stress und       von der betrieblichen Arbeitsmedizine-
hier unter anderem an, dass sie dem          Überforderung sind meistens Anzeichen           rIn, dem/der BetriebsrätIn, oder der Si-
bestehenden Arbeitsdruck nicht bis zur       für zu hohe Anforderungen und fehlen-           cherheitsvertrauensperson. ●
Pension standhalten werden können.           de Ressourcen. Die Suche nach Defiziten
                                             bei sich selbst führt nicht weiter. Es bringt                     ISABEL KOBERWEIN
BESSERER GESUNDHEITSSCHUTZ

Dadurch zeigt sich der enorme Hand-

                                                  STEIGENDER
lungsbedarf bei Gesundheitsschutz und
vor allem Stressprävention. Zwar ist die
Verantwortung der ArbeitgeberInnen für
den Schutz der psychischen Gesundheit
ihrer Beschäftigten sogar gesetzlich ver-
                                                  ARBEITSDRUCK
ankert, praktische Maßnahmen gibt es
aber viel zu selten. Dabei würden sich           80 Prozent der Befragten stimmen zu,
solche auch für die Betriebe rechnen,
                                                 dass der Druck auf die Beschäftigten immer
beispielsweise durch weniger Kranken-
stände und die Vermeidung ungewoll-              größer wird.
ter Fluktuation. Gefordert ist aber auch
die Politik insgesamt. Wenn es ein Ziel

                                                                                              80%
ist, dass die Menschen gesund ihr Pen-
sionsalter erreichen können und der an-
dernfalls eintretende volkswirtschaftliche
Schaden verhindert werden soll, muss
rasch gegensteuert werden.

BetriebsrätInnen können einiges zur Ver-
besserung der Stresssituation ihrer Kolle-
gInnen beitragen. Nicht zuletzt können
sie in Richtung der ArbeitgeberInnen
Druck aufbauen, damit diese für Entlas-
tung und gesunde Arbeitsbedingungen
sorgen. Im Rahmen der gesetzlich vor-
geschriebenen Evaluierung psychischer

                                                                                                                                   13
KOMPETENZ 4 / 2021

9 TIPPS
FÜR WENIGER STRESS
Wir sagen dir, was du deinem Stress am Arbeitsplatz
entgegensetzen kannst.

1. SUCHE DEFIZITE NICHT                     4. FORDERE PAUSEN EIN UND MACH              7. GEHE NICHT KRANK IN DIE
BEI DIR SELBST.                             SIE AUCH.                                   ARBEIT.

Stress und Überforderung sind zumeist       Pausen sind wichtige Unterbrechungen,       Das Recht auf Krankenstand ist gesetzlich
Anzeichen für zu hohe Anforderungen         die für Entlastung und Erholung sorgen.     verankert. Trotzdem gibt es gar nicht so
und fehlende Ressourcen. Du solltest da-    Nach 6 Stunden hast du das Recht auf        wenige Menschen, die trotz Erkrankung
her nicht an deiner eigenen Leistungs-      eine halbe Stunde Arbeitspause. Kürzere     arbeiten gehen. Die Gründe dafür sind
fähigkeit zweifeln, sondern dir vor allem   und dafür häufigere Pausen sollten je-      oftmals, KollegInnen nicht in Stich lassen
Klarheit über die Stressursachen ver-       doch generell im Arbeitsablauf möglich      zu wollen. Vermeide es trotz allem, krank
schaffen.                                   sein. Bleibt dir im Alltag so gut wie nie   in die Arbeit zu gehen. Du gefährdest
                                            Zeit zum Abschalten und Pause machen,       deine Gesundheit und auch die deiner
2. NIMM WARNSIGNALE DEINES                  solltest du deine/n Vorgesetzte/n darauf    KollegInnen. Übrigens: Auch im Homeof-
KÖRPERS ERNST.                              hinweisen oder auch deine/n Betriebs-       fice gilt das Recht auf Krankenstand.
                                            rätIn, ArbeitsmedizinerIn, Sicherheits-
Anhaltender Stress schlägt sich auf die     vertrauensperson um Unterstützung er-       8. WENDE DICH AN DEINE/N
Gesundheit und führt zu körperlichen        suchen.                                     BETRIEBSRÄT/IN.
und seelischen Beschwerden. Anzeichen
sind z.B. Schlafstörungen, Schwierig-       5. NIMM DEINEN URLAUB.                      BetriebsrätInnen haben weitreichende
keiten beim Konzentrieren, aber auch                                                    Mitbestimmungsmöglichkeiten in allen
Verspannungen oder Magenproble-             Wir brauchen Urlaub, um uns vom Ar-         Fragen der Gesundheit und Sicherheit
me. Du solltest solche Anzeichen nicht      beitsstress zu regenerieren und um rich-    bei der Arbeit. Sie können dich persönlich
einfach übergehen. Wende dich jeden-        tig abschalten zu können. Daher ist es      beraten, aber auch gegenüber deiner
falls an eine/n ÄrztIn. Unterstützung       wichtig, den Jahresurlaub auch regel-       Führungskraft Maßnahmen zur Stress-
erhältst du auch von deinem/r Arbeits-      mäßig zu verbrauchen. Ideal sind min-       reduktion einfordern. BetriebsrätInnen
medizinerIn, deinem/r BetriebsrätIn         destens 2-3 Wochen durchgehender            können darüber hinaus Vereinbarun-
oder von einer Sicherheitsvertrauens-       Urlaub. Aber auch kürzere Auszeiten         gen bewirken, die gesunde Arbeitsbe-
person.                                     können zwischendurch zum Auftanken          dingungen für die gesamte Belegschaft
                                            der Energiereserven wertvoll sein. Zu       zum Ziel haben.
3. SUCHE DAS GESPRÄCH MIT DEI-              bedenken ist, dass der Urlaub Verein-
NER/M VORGESETZTEN.                         barungssache zwischen ArbeitnehmerIn        9. BEI EUCH GIBT‘S KEINEN
                                            und ArbeitgeberIn ist.                      BETRIEBSRAT? GRÜNDE EINEN!
Führungskräfte tragen auch für die psy-
chische Gesundheit ihrer Mitarbeiter-       6. SCHALTE IN DER FREIZEIT HANDY            Die Erfahrungen zeigen, dass es in Un-
Innen Verantwortung. Einige nehmen          UND E-MAIL AUS.                             ternehmen mit Betriebsrat mehr Prä-
diese zu wenig wahr. Wenn Belastungen,                                                  ventionsmaßnahmen und auch mehr
z.B. durch andauernde Anordnung von         Ständige Erreichbarkeit und das damit       Angebote zur betrieblichen Gesund-
                                                                                                                                     Foto: Edgar Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung

Überstunden, fehlende Nachbesetzun-         verbundene Verschwimmen von Arbeit          heitsförderung gibt. Wenn du das Gefühl
gen oder ungleiche Aufgabenverteilung       und Freizeit sind mittlerweile weit ver-    hast, dass es nicht nur dir schlecht mit
Überhand nehmen, solltest du zeitge-        breitete Stressfaktoren. Das Smartphone     der Stressbelastung geht, sondern auch
recht deine/n Vorgesetzte/n auf deine       sollte nach der Arbeit abgeschaltet wer-    andere KollegInnen unter ähnlichen Si-
Situation hinweisen und auch Abhilfe        den. Wenn du im Homeoffice arbeitest,       tuationen leiden, ist die Gründung eines
verlangen.                                  kannst du durch die Festlegung von Er-      Betriebsrates eine gute Überlegung. Wir
                                            reichbarkeitszeiten Klarheit schaffen.      unterstützen dich und deine KollegInnen
                                                                                        dabei in allen Phasen.

14
FOTOGRAMM

                                             STRESS
                                             LASS NACH!
                                             In Betrieben mit Betriebsrat gibt es fast doppelt
                                             so oft Maßnahmen zur Bekämpfung psychischer
                                             Belastungen.
Foto: Edgar Ketzer; Quelle: Ifes-Befragung

                                                  Betriebe mit             Betriebe ohne
                                                  Betriebsrat              Betriebsrat
KOMPETENZ 4 / 2021

DIE STEUERREFORM IM ARBEIT-
NEHMERiNNEN-CHECK

Wir haben die Steuerreform                    Als Maßnahme zur Entlastung der unte-
der Bundesregierung einem                     ren Einkommen ist eine Entlastung bei
                                              der Krankenversicherung geplant. Was
Check unterzogen. Was ist
                                              auf den ersten Blick wie eine sinnvol-
drin für ArbeitnehmerInnen,                   le Entlastung der untersten Einkommen
was bekommen Konzerne?                        aussieht, stellt sich jedoch bei näherer
                                              Betrachtung als Mogelpackung heraus.

SENKUNG DER STEUERSTUFEN                      Dies bestätigt auch eine von der AK in
                                              Auftrag gegebene Studie: Im von der Re-        halts ab. Es ist also nicht mehr jedes Kind
Im österreichischen Steuersystem zahlen       gierung anvisierten Einkommensbereich          gleich viel wert, sondern die Unterstüt-
Beschäftigte, die mehr verdienen, auch        bis 35.000 Euro Jahreseinkommen wer-           zung ist für BesserverdienerInnen größer
mehr Steuern. Zu diesem Zweck gibt            den gut zehn Prozent der geringverdie-         – das ist unlogisch und ungerecht.
es sogenannte Steuerstufen, in die            nenden ArbeitnehmerInnen durch Än-
unterschiedliche Bestandteile des Ge-         derungen bei der Krankenversicherung           DIE STEUER UND DAS KLIMA
halts fallen. Die geringste dieser Steuer-    nicht entlastet.
stufen, der Eingangssteuersatz, wurde                                                        Mit 1. Juli 2022 wird ein CO2-Preis von 30
bereits im Jahr 2020 von 25 Prozent auf       Bei KleinstverdienerInnen unter 10.000         Euro pro Tonne CO2 eingeführt, der bis
20 Prozent gesenkt. Nun werden auch           Euro sind es sogar 15 Prozent. In Summe        2025 auf 55 Euro pro Tonne CO2 ansteigt
die zweite und dritte Steuerstufe gesenkt,    profitieren 230.000 Personen in diesem         (2023: 35 Euro, 2024: 45 Euro, 2025: 55
und zwar jeweils von 35 Prozent auf 30        Bereich überhaupt nicht von dieser Ent-        Euro pro Tonne CO2). Dies bedeutet, dass
Prozent und von 42 Prozent auf 40 Pro-        lastung. Die Treffsicherheitsprobleme er-      der Liter Diesel im ersten Schritt um rund
zent.                                         geben sich unter anderem aus der Tatsa-        9 Cent (inkl. Umsatzsteuer) teurer wer-
                                              che, dass die Sozialversicherung pro Job       den wird, ein durchschnittlicher Haushalt
Was im ersten Moment wie eine große           und Monat abgerechnet wird – und nicht         mit Gasheizung hätte dabei Mehrkosten
Entlastung wirkt, sieht auf den zweiten       pro Person und Jahr, wie die Steuer. So        von rund 120 Euro pro Jahr. Wir sind für
Blick anders aus: Seit 2016 haben die         rutschen auch GeringverdienerInnen in          Maßnahmen, die den Klimawandel be-
ArbeitnehmerInnen durch die kalte Pro-        eine höhere Stufe und fallen rückwirkend       kämpfen. Schlecht ist allerdings, wenn
gression (Gehälter steigen, werden aber       um die Entlastung um.                          niedrige Einkommen besonders belastet
zum Teil durch das Rutschen in höhere                                                        werden.
Steuerstufen aufgefressen) knapp drei         ES IST NICHT MEHR JEDES KIND
Milliarden Euro mehr an Steuern gezahlt.      GLEICH VIEL WERT                               Zum Ausgleich führt die Regierung den
Die neue Steuerreform gibt den Beschäf-                                                      Klimabonus ein. Pro Erwachsenem soll
tigten aber nur 2,4 Milliarden Euro zu-       Ab 1. Juli 2022 wird der Familienbonus         es zwischen 100 Euro und 200 Euro im
rück, also weniger.                           von 1.500 Euro pro Kind und Jahr auf           Jahr geben, je nach Wohnort. Je weiter
                                              2.000 Euro angehoben. Auch der Kinder-         weg von der Stadt und je schlechter aus-
WER MEHR VERDIENT, PROFITIERT                 mehrbetrag wird angehoben, und zwar            gebaut die Öffis, desto höher ist der Kli-
AUCH MEHR                                     von 250 Euro auf 450 Euro pro Kind und         mabonus. Für Kinder gibt es den halben
                                              Jahr. Wir finden eine Unterstützung für        Klimabonus.
Die höchste Entlastung von 1.230 Euro         berufstätige Eltern sinnvoll. Leider gibt es
tritt erst bei einem Bruttogehalt von 6.000   aber rund 180.000 Kinder, die weder vom        Wir hätten es wichtig gefunden, auch
Euro ein. Nicht viele Beschäftigte verdie-    Familienbonus noch vom Kindermehr-             das Pendlerpauschale so umzugestalten,
nen so viel. Bis rund 1.800 Euro Bruttoge-    betrag profitieren. Auch hängt die Höhe        dass es unabhängig vom Gehalt diesel-
halt gibt es überhaupt keine steuerliche      vom Familienbonus, den man dann auch           be Entlastung pro gependeltem Kilome-
Entlastung.                                   wirklich bekommt, von der Höhe des Ge-         ter gibt.

16
STEUERREFORM

MieterInnen können sich in der Regel       müssen, gesenkt wird, finden wir unfair.    WAS BEI DER STEUERREFORM FEHLT?
nicht aussuchen, wie bei ihnen geheizt     Damit zahlen nämlich die Steuerzahle-
wird, müssen aber bei Heizung mit Gas      rInnen (also vor allem ArbeitnehmerIn-      Was in der Steuerreform überhaupt nicht
oder Öl künftig mehr zahlen. Gerechter     nen) die Geschenke für Konzerne.            vorkommt, sind Zukunftsinvestitionen. In
wäre es, wenn VermieterInnen sich an                                                   Gesundheit, Pflege und Bildung braucht
den Kosten des CO2-Preises beteiligen      Von 25 Prozent auf 23 Prozent soll die      es in den nächsten Jahren viel Geld. Die
müssten, damit diese auch einen Anreiz     Körperschaftssteuer schrittweise gesenkt    Regierung hat nicht gezeigt, wie sie die
zum Tausch des Heizungssystems haben.      werden. Davon profitieren aber nur Un-      Steuersenkungen finanzieren und trotz-
Die Mehrbelastung soll durch den Klima-    ternehmen, denen es wirtschaftlich gut      dem Geld für diese wichtigen Zukunfts-
bonus kompensiert werden.                  geht. Durch diese Steuersenkung fehlen      themen übrig haben will. Wenn aber der
                                           dem Staat dann mindestens 750 Millio-       Staat insgesamt nach der Reform zu we-
GROSSZÜGIGE STEUERGESCHENKE                nen Euro pro Jahr – Geld, das wir eigent-   nig Geld hat, dann wird es in den kom-
FÜR KONZERNE                               lich für Projekte wie Pflege, Kinderbe-     menden Jahren entweder zu Steuererhö-
                                           treuung, Klimaschutz oder Infrastruktur     hungen kommen oder wichtige Projekte
Die SteuerzahlerInnen haben Unterneh-      brauchen würden.                            werden nicht finanziert. ●
men in der Pandemie mit viel Steuergeld
gerettet. Für viele machten die Hilfen     Darüber hinaus bekommen Unterneh-                                DANIEL GÜRTLER
mehr aus als die Schäden.                  men noch einen sogenannten Investiti-
                                           onsfreibetrag und der Gewinnfreibetrag
Dass nun die Körperschaftssteuer, also     wird erhöht. Konzerne profitieren also
eine Steuer, die Unternehmen zahlen        sehr stark von dieser Steuerreform.

UNGLEICHE ENTLASTUNG DER GESCHLECHTER BEI DER STEUERREFORM

            Alleinerzieherin Sonja                                            Familienvater Peter
                   verdient                                                        verdient
                        1.900 €                                                        4.500 €
                        brutto/Monat                                                    brutto/Monat

                                     ENTLASTUNG DURCH STEUERREFORM

                      + 319 €                                                 + 1.912 €
                                          davon Familienbonus für 2 Kinder

                         +0€                                                       + 1.000 €
Wer mehr verdient, profitiert auch mehr“ - das ist das Motto der aktuellsten Steuer-Reform.

                                                                                                                            17
KOMPETENZ 4 / 2021

                Wann gilt COVID-19 als Berufskrankheit?

                BERUFSKRANKHEIT. Du hast dich bei der Arbeit mit COVID-19 angesteckt? Unter
                bestimmten Vorausetzungen kann das als Berufkrankheit anerkannt werden.
                Dann hast du Anspruch auf eine berufliche Rehabilitation.

                Wann COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt werden kann:
                •  Die Ansteckung muss mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der Arbeit passiert sein.
                •  Sie muss in einem sogenannten „Listenunternehmen“ passiert sein. Das sind
                   Unternehmen, für die der Gesetzgeber festgehalten hat, dass ein erhöhtes
                   Infektionsrisiko besteht: u.a. Krankenhaus, Kuranstalt, Pflegeheim, Apotheke, Schule,
                   Kindergarten, Justizanstalt. (Die Liste legt der Gesetzgeber fest.)
                •  Auch externe DienstleisterInnen, die sich dort anstecken, fallen unter diese Regel.
                •  Es muss ein (formloser) Antrag bei der Unfallversicherung gestellt werden.

                Mehr zum Thema COVID als Berufskrankheit kannst du hier nachlesen:
                https://bit.ly/COVID_AUVA

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                                                                            g la uben so
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                  zahlun                             ng. Ma                           uch gib
                                                                                                           Foto: Pexels Edward Jenner/Adobe Stock

                             e  h a lt s erhöhu                 tz  li c h e n Anspr
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                                                         ese                             g der
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18
KURZMELDUNGEN

                     Gegen den Fachkräftemangel in der IT-Banche
                                                                                                               Jene, die in der IT-Branche arbeiten, klagen an-
                                                                                                               gesichts von immer mehr KollegInnen, die sich in
                                                                                                               Altersteilzeit befinden, über Arbeitsverdichtung
                                                                                                               und die Gefahr, in ein Burnout zu rutschen, wie
                                                                                                               Julian Sommer-Schmelzenbarth, Betriebsrat in
                                                                                                               einer der österreichweit nur 47 großen IT-Firmen
                                                                                                               (also mit 250 oder mehr MitarbeiterInnen) betont.
                                                                                                               Dieser Generationenwandel – „die Boomer-Jahr-
                                                                                                               gänge gehen langsam in Pension“ – sei ein Teil des
                                                                                                               Problems. Ein anderer Teil sei die Kleinteiligkeit der
                                                                                                               Branche.
                      Julian Sommer-Schmelzenbarth, Betriebsrat im IT Bereich,
                      fordert die Einrichtung eines Ausbildungsfonds.                                          Der von uns vorgeschlagene Ausbildungsfonds
                                                                                                               könnte Unternehmen unterstützen, die Lehrlinge
                     AUSBILDUNGSFONDS. Der IT-Branche fehlen                                                   ausbilden. Andere, die das nicht tun, müssten dafür
                     24.000 Fachkräfte. Wir möchte dem mit einem Aus-                                          in den Fonds einzahlen. Das käme am Ende aber
                     bildungsfonds für die österreichische IT-Wirtschaft                                       allen zu Gute, denn die Branche braucht gut aus-
                     entgegenwirken: Dieser soll Betriebe unterstützen,                                        gebildete Beschäftigte. Gleichzeitig könnten mit
                     die Lehrlinge ausbilden, aber auch Studierenden in                                        Fondsmitteln auch berufstätige Studierende im Be-
                     IT-relevanten Studiengängen unter die Arme grei-                                          reich IT unterstützt werden, um die Abbruchsquoten
                     fen. Etabliert werden sollen zudem neue Studien-                                          in diesen Studiengängen zu senken.
                     gänge im Bereich IT.

                     Steuervermeidung                                                                                                 s  e     t z  neu
                                                                                                                      stelltenge
                     BANKEN. Die Europäische Steuerbeobachtungs-
                                                                                                                A nge               ge s e t z feiert s
                                                                                                                                                        einen
                                                                                                                                                          be-
                     stelle fand bei einer Untersuchung von 36 großen                                                        ellten               noch
                                                                                                                                                gest                      igste
                                                                                                                                    as An                       wicht                         hren
                     Finanzinstituten heraus, dass diese jedes Jahr
                                                                                                                    0 J  A H R E . D
                                                                                                                                               E s  is t  d a s
                                                                                                                                                                           s e it  100 Ja
                                                                                                                 10                    ag   !                     ha    t                    cht.
                     im Schnitt 20 Milliarden Euro, das sind 14 Pro-                                                   . G e burtst            g  e s e  tz und              A  r b eitsre
                                                                                                                  10 0                       r                          t e                        dem
                                                                                                                                   onde                    s gesa
                                                                                                                                                                    m
                                                                                                                                                                                          z aus
                     zent ihrer Gewinne, in Steueroasen verschieben.                                                       nde S              für da                            geset
                                                                                                                   stehe                  g                                 e n
                                                                                                                            dwirk
                                                                                                                                     u  n                        ste   ll t                   rk r
                                                                                                                                                                                                 f ü
                     Darunter sind Kreditinstitute wie z.B. die Deutsche
                                                                                                                    Vorbil                      z  u m    Ange                n d  ardwe
                                                                                                                                       nta    r                 ein   S   t a                bsrät-
                     Bank, HSBC, BNP Parisbas, Banco Santander,                                                             omme                         1965                       betrie
                                                                                                                     Der K             g is   t s e  it
                                                                                                                                                                dung
                                                                                                                                                                           u n  d
                                                                                                                                                                                             Wisse
                                                                                                                                                                                                     n-
                     UniCredit und ERSTE.                                                                                     Verla                    nwen                        n aus
                                                                                                                     ÖGB-                ec    h t s a
                                                                                                                                                                   ris  t I n n e
                                                                                                                                                                                               te il e
                                                                                                                               hre, R                      fte Ju                     entar
                                                                         14 %                                         die Le           is . N   amha               d ie    Komm               u f den
                                                                                                                               Pra   x                          n                          a
                                                                         DER GEWINNE                                   liche                   a  x is  habe               a t u  r sind
                                                                                                                                              r                   udik
                                                           Abn Amroo, Danske

                                                                                                                                   und P                  und J
                                                     Bank, Monte de ei Paschi, Banco

                                                                         IN STEUEROASEN                                  schaft                ratur
                                              Sabadell, Deutsche Baank, Nationwide, Banco

                                                                                                                                         it e                      ht.                                 auch
                                            Santander, DZ Bank, Norrd LB, Bankia BFA, ERSTE,

                                                                                                                                  sst.  L                        c                          ltst du
                                                                                                                                                          ebra
                                         Nordea, Barclays, Handelsbbanken, Nykredit, Realkredit,

                                                                                                                          verfa                     d   g                             r h ä                 a-
                                                                                                                                                                                    e                d aktu
                                     Bayern LB, Helaba, Rabobank, BBVA, HSBC, RBS, BNP Paribas,
                                                                                                                                               a n                       ntar    s
                                                                                                                                   ten St                                                 laufen
                                  ING, SEB Bank, BPCE, Intesa Sanpaolo,
                                                                    aolo, Société Générale, Commerz-
                                                                                            Comm

                                                                                                                           neues                              omme
                                bank, KBC Bank, Standard Chartere  ed, Crédit Agricole, LBBW, Swedbank,
                              Crédit Mutuel, Lloyds, Unicredi, Abn Amro, Danske Bank, Monte dei Paschi,
                                                                                                                                                        e s K                   f e in  e
                                                                                                                                                  fd               riff au
                                                                                                                                     m Kau
                                Banco Sabadell, Deutsche Bank, Nationwide,
                                                                    tionwide, Banco Santa
                                                                                     Santander, DZ Bank,

                                                                                                                            Mit de                        ie Zug
                                Nord LB, Bankia BFA, ERSTE, Nordea,a, Barclays, Handel
                                                                                Handelsbanken, Nykredit,
                            Realkredit, Bayern LB, Helaba, Rabobank,nk, BBVA, HSBC
                                                                               HSBC, RBS, BNP Paribas, ING,
                                                                                                                                               k  s o w
                                                                                                                                    -Boo
                            SEB Bank, BPCE, Intesa Sanpaolo, Société
                                                                   été Générale,
                                                                        Générale Commerzbank, KBC Bank,

                                                                                                                            das E                          nk.
                             Standard Chartered, Crédit Agricole, LBBW, Swedbank,
                                                                           Sw         Crédit Mutuel, Lloyds,

                                                                                                                                                 enba
                                                                                                                                      e Dat
                             Unicredit, Abn Amro, Danske Bank, Monteonte dei
                                                                          d Paschi, Banco Sabadell, Deut-

                                                                                                                                    t                           nen:
                            sche Bank, Nationwide, Banco Santander,der, DZ Bank, Nord LB, Bankia BFA, ERS-

                                                                                                                             lisier
                                                                                                                                                     rmatio
                            TE, Nordea, Barclays, Handelsbanken, Nykredit, Realkredit, Bayern LB, Helaba,
                              Rabobank, BBVA, HSBC, RBS, BNP Paribas, ING, SEB Bank, BPCE, Intesa San-

                                                                                                                                             I n fo                              t
                                                                                                                                        re                            lag.a
                                paolo, Société Générale, Commerzbank, KBC Bank, Standard Chartered,

                                                                                                                              Weite                          gbver
                             Crédit Agricole, LBBW, Swedbank, Crédit Mutuel, Lloyds, Unicredit, Abn Amro,
                             Danske Bank, Monte dei Paschi, Banco Sabadell, Deutsche Bank, Nationwide,
                                                                                                                                                     p  .o e
                                                                                                                                            /sho
                               Banco Santander, DZ Bank, Nord LB, Bankia BFA, ERSTE, Nordea, Barclays,

                                                                                                                               https:/
                               Handelsbanken, Nykredit, Realkredit, Bayern LB, Helaba, Rabobank, BBVA,
                                 HSBC, RBS, BNP Paribas, ING, SEB Bank, BPCE, Intesa Sanpaolo, Société
                                    Générale, Commerzbank, KBC Bank, Standard Chartered, Crédit
                                    Agricole, LBBW, Swedbank, Crédit Mutuel, Lloyds, Unicredit, Abn
                                        Amro, Danske Bank, Monte dei Paschi, Banco Sabadell,
Foto: Edgar Ketzer

                                           Deutsche Bank, Nationwide, Banco Santander, DZ
                                               Bank, Nord LB, Bankia BFA, ERSTE, Nordea,
                                                  Barclays, Handelsbanken, Nykredit,
                                                         Realkredit, Bayern LB,
                                                                Helaba,

                         Quelle: EU-Tax Observatory

                                                                                                                                                                                                                 19
KOMPETENZ 4 / 2021

EIN KÄMPFER IST 100
Ernst Fettner wurde heuer 100 Jahre
alt. Mit dem Buch „Geh’ du voran – Ein
Jahrhundert“ hat er nun sein Leben in
Text und Bildern vorgelegt. Als Jude und
Kommunist von den Nationalsozialisten
verfolgt, musste er Österreich verlassen
und konnte nach Großbritannien flüch-
ten. Als Teil von „Young Austria“ setzte
er sich dort für ein freies Österreich ein
und kehrte schließlich nach dem Krieg
als Soldat der britischen Armee zurück.
Die KOMPETENZ sprach mit dem lang-
jährigen „Volksstimme“-Redakteur
über seinen Antrieb für sein politisches
Engagement und seine Erinnerungen
an die Jahre als Vorstandsmitglied
der JournalistInnengewerkschaft.

Als Verfolgter des NS-Regimes und              hab ich 2,50 Schilling in der Woche be-     Lohndruck ist immer ärger geworden.
Kämpfer für ein unabhängiges Öster-            kommen – als Aspirant in Richtung Ver-      Und für die freien JournalistInnen war es
reich ist Ernst Fettner heute ein wichti-      kauf hätte ich 20 Schilling bekommen        schon damals arg. Ich habe immer ge-
ger Zeitzeuge. Aber eben nicht nur. „Ich       müssen.“                                    sagt: wovon sollen die leben? Ich habe
war 24, als der Krieg aus war. Man kann                                                    mein Gehalt gekriegt, der Kollektivver-
doch nicht über mein Leben schreiben           Das Gefühl, so behandelt zu werden,         trag war gut, ich habe gut verdient. Ich
und mich nur als Zeitzeugen sehen.“ Viel       sollte Jahre später in seine Sozialrepor-   weiß, viele sagen, ich will frei sein, dann
hat er bis 1938 erlebt, viel bis 1945 – aber   tagen einfließen, die er zunächst für den   kann ich schreiben, was ich möchte, aber
eben auch viel in den Jahrzehnten da-          „Volkswille“, später die „Volksstimme“ –    das stimmt ja nicht. Ich muss meine Tex-
nach.                                          beides Medien der KPÖ – schrieb. „Da        te ja auch unterbringen. Und auf Zeile
                                               hab ich auch schon einmal gerne hin-        zu schreiben, das ist schwer verdientes
JUGEND IN WIEN                                 eingefetzt.“ Ungerechtigkeiten zeigte er    Geld. Da ist man nicht stark.“
                                               aber auch als Betriebsratsobmann in der
1921 in Wien geboren, erlebte er rasch         „Volksstimme“ und später als Mitglied       » Für die freien JournalistInnen
den ersten Verlust: die Mutter starb 1926      des Präsidiums der Journalistengewerk-      war es schon damals arg.
und er wuchs im jüdischen Waisenhaus in        schaft auf. Als Vertreter der „Gewerk-
                                                                                           Ich habe immer gesagt:
Baden auf. Im Alter von 14 kehrte er nach      schaftlichen Einheit“ wurde er unter Prä-
Wien zurück und begann eine Lehre zum          sident Günther Nenning Mitglied dieses      wovon sollen die leben?«
„Mieder- und Wäschewarenerzeuger“.             Führungsgremiums.                           Ernst Fettner
In der Schneiderei Baruch Friedländer
hatte er alle Hände voll zu tun – nur das      ÜBERZEUGTER GEWERKSCHAFTER                  Er selbst musste schon in jungen Jahren
                                                                                                                                         Foto: Nurith Wagner-Strauss

Fertigen von Textilien lernte er dort nicht.                                               sehr stark sein. Als die Nazis an die Macht
„Ich war Z’sammrambua und Packlträ-            Und womit hatte er sich damals – Fett-      kamen, war er 17 Jahre alt und arbeitete
ger, ein bissl im Verkauf, gelernt hab ich     ner war bis zu seiner Pensionierung An-     für die Schneiderei Pein im neunten Be-
nichts, auch nicht in der Berufsschule. Es     fang der 1980er Jahre gewerkschaftlich      zirk als Fahrradbote. In der Pogromnacht
war die reinste Ausbeutung. Als Lehrling       engagiert - auseinanderzusetzen? „Der       im November 1938 blieb er mit seinen

20
PORTRÄT

                              Kollegen in den Räumen der Schneide-           werkschaft bei. 1949 heiratete er seine      platz ein zweites Mal in diese Hölle ging,
                              rei. Die Männer wurden aber verraten           erste Frau Hilde, bald kamen die beiden      um darauf hinzuweisen, dass er nicht in
                              und verhaftet. Im Verhör wurden sie ge-        Söhne des Paares zur Welt. Doch Hilde        der vorgegebenen Frist ausreisen könne,
                              fragt, ob sie Kommunisten seien, einer         starb früh an Krebs und Fettner heiratete    da die Beamtenschaft die nötigen Papie-
                              nach dem anderen verneinte – und wur-          später erneut, und zwar seine „Volksstim-    re nicht ausstelle, erzählt Fettner. Es war
                              de niedergeprügelt. Fettner beschloss ja       me“-Kollegin Herta Gisela Felbermayer.       wahrscheinlich dieselbe Chuzpe, die ihn
                              zu sagen – „dabei habe ich damals nicht        Dass er nochmals für ein KPÖ-Medium          dazu brachte, 1939 zu sagen, er sei Kom-
                              einmal gewusst, was das ist, der Kommu-        schreiben sollte, war allerdings in den      munist, oder Jahrzehnte später für seine
                              nismus. Aber mich haben sie dann nicht         1950er Jahren gar nicht klar. Den „Volks-    KollegInnen in der „Volksstimme" eine
                              verprügelt.“ Gefühlt hat Fettner in diesem     wille“ musste er verlassen. Offenbar hat-    kräftige Gehaltserhöhung zu fordern
                              Moment jedenfalls etwas mitgenommen:           te die KPÖ-Führung seine Tätigkeit für       und auch zu erreichen. Man könnte auch
                              dass der Kommunismus etwas Gutes ist.          die britische Armee als problematisch        sagen, Ernst Fettners Motto ist „wer nicht
                              Alles, was Anti-Nazi ist, müsse etwas Gu-      eingestuft. Nach Jobs als Schweißer bei      wagt, der nicht gewinnt.“ ●
                              tes sein.                                      Steyr-Daimler-Puch in Favoriten und Ma-
                                                                             gazin- und Versandleiter bei „Heimpel &                                ALEXIA WEISS
                              FLUCHT NACH ENGLAND                            Besler“ landete er aber doch wieder im
                                                                             Journalismus.
                              Mehrere Wochen blieb er in Haft, wurde
                              auch im Gestapo-Quartier am Morzin-
                              platz verhört. Man entließ ihn schließlich
                              mit der Auflage, das Land zu verlassen.
                              Sein eigentliches Ziel war Israel, zuvor
                              sollte er allerdings in England eine land-
                              wirtschaftliche Ausbildung erhalten. Un-
                              ter diesem Titel erhielt er auch die Auf-
                              enthaltsbewilligung für Großbritannien,
                              wo er aber dennoch interniert wurde. Der
                              Krieg war ausgebrochen und er galt nun
                              als feindlicher Ausländer.

                              In England schloss er sich „Young Aust-
                              ria“ an, einer Bewegung, die für ein frei-
                              es Österreich kämpfte. Fettner und einige
                              andere wollten aber noch mehr tun: als
                              Teil der britischen Armee selbst gegen
                              die Nazis kämpfen. 1943 wurde er Mit-
                              glied der British Army. 1944 landete er
                              mit seiner Einheit in der Normandie, zu
                              Kriegsende war er in in Deutschland in
                              einer Kleinstadt nahe Hannover und das         Zunächst coverte er für die „Volksstim-
                              in der Rolle des Besatzers. In dieser sollte   me“ Niederösterreich-Geschichten, spä-         Ernst Fettner: „Geh’ du voran“
                              er schließlich 1946 nach Österreich zu-        ter schrieb er große Reportagen, immer         Ein Jahrhundert
                              rückkehren: nach Klagenfurt. Dort war er       wieder Reisegeschichten, er berichtete
                              einerseits als Soldat der britischen Armee     1968 aus Prag, kommentierte, schrieb
                              stationiert, dort engagierte er sich aber      über Soziales und Gewerkschaftliches,
                              auch bei der „Freien Österreichischen          was ihn schließlich auch zur Betriebsrats-     Herausgegeben
                              Jugend“ und begann für die KPÖ-Zei-            arbeit und dem Mitwirken in der Journa-        von Jana Waldhör,
                              tung „Volkswille“ zu schreiben.                listInnengewerkschaft brachte. Der SPÖ-        Graz 2021,
                                                                             Kanzler Bruno Kreisky habe ihn einmal          Verlag CLIO
Foto: Nurith Wagner-Strauss

                              REDAKTEUR BEI DER ZEITUNG                      als „Freund-Feind“ bezeichnet, erzählt
                                                                             Fettner.                                       184 Seiten, 25 Euro,
                              Nach seinem Ausscheiden aus der eng-                                                          ISBN 978-3-902542-93-9
                              lischen Armee 1947 wurde er Redakteur          Chuzpe habe er gehabt, als er nach sei-
                              der Zeitung. Damals trat er auch der Ge-       nem Verhör bei der Gestapo am Morzin-

                                                                                                                                                                  21
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