"Der mit dem Jaguar tanzte " - Rhino Resource Center
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Abb. 1: Als größte Katze der neuen Welt kommt der Jaguar (Panthera onca) von Arizona bis Argentinien vor. The jaguar is the largest cat in the Americas, occurring from Arizona to Argentina. (Foto: A. Sliwa) „Der mit dem Jaguar tanzte …“ Gleich drei Jahrestage erinnern 2016 an den zweiten Kölner Zoodirektor Nicolas Funck Ralf Becker „Der Jaguar ist ein tückisches und fal- wir Nicolas Funck (FUNCK, 1875a), von Architekt Karriere gemacht und unter sches, von den Einwohnern sehr gefürch- 1870 bis 1886 zweiter Direktor des Kölner anderem 1929 das Richmodis-Haus am tetes Tier. […] Mir wurde einst ein junger Zoos. Vor 200 Jahren, am 10. Februar Kölner Neumarkt neu erbaut (inklusive Jaguar gebracht, […] den ich auf das sorg- 1816, wurde Nicolas Funck als Sohn einer des Turms mit den beiden Pferdeköpfen, fältigste pflegte. Der kleine Zögling lief alteingesessenen Handwerkerfamilie in die aus einem Fenster hervorschauen!). frei in meinem Zimmer umher. […] All- Luxemburg geboren. Er hatte so viele Ge- mählich aber wurde der Geselle wilder schwister, dass er sich mit einem seiner Das Archiv des Kölner Zoos ist mit und tückischer. Eines Tages wurde ich Brüder angeblich sogar den Vornamen Materialien über Nicolas Funck nicht ge- durch einen heftigen Schmerz an der teilte (HÄSSLIN, 1960). Seit dem Wiener rade überreich bestückt. In der Tat ist die linken Seite des Kopfes aus dem Schlaf Kongress im Jahr zuvor war das Großher- Mappe seiner personenbezogenen Doku- geweckt und traf meinen Zögling im zogtum Luxemburg ein Bundesstaat des mente die dünnste aller Bestände frü- Begriff, mir das Ohr zu zerfetzen. Nur neu gegründeten Deutschen Bundes und herer Direktoren. Häufig stehen nur mit Mühe, und nicht ohne eine Anzahl gleichzeitig über eine Personalunion mit Sekundärquellen (wie Zeitungsberichte, schmerzhafter Klauenhiebe zu empfan- dem Königreich der Vereinigten Nieder- Publikationen etc.) zur Verfügung. Die gen, gelang es mir, des Missetäters hab- lande verbunden. Nach dem Besuch des Rekonstruktion des zeitgenössischen haft zu werden.“ Athenäums in Luxemburg studierte Nicolas Tierbestandes stellt sich vor allem schwie- Funck in Brüssel Architektur. Der Hang rig dar. Zwar ist aus Protokollen überlie- Diese anschauliche Schilderung einer zum „Bauwesen“ scheint sich in der Fami- fert, dass es „Tier-Inventur-Bücher“ gege- „hautnahen“ Begegnung mit dem König lie vererbt zu haben, denn sein Großneffe ben haben muss, diese haben allerdings der südamerikanischen Wälder verdanken Paul Bonatz (1877 − 1956) hat später als die Zeiten anscheinend nicht überdauert. Zeitschrift des Kölner Zoos · Heft 2 / 2016 · 59. Jahrgang 87
1985; PAGEL, RECKEWITZ & SPIE, Zwei weitere Reisen unternahm Nicolas 2010) dem zweiten Kölner Zoodirektor Funck nach Südamerika − von 1841 bis eigene Kapitel gewidmet. 1843 nach Venezuela und Kolumbien und von 1845 bis 1846 nochmals nach Vene- Eine Übersicht der im Kölner Zoo erst- zuela. Dort besuchte er auf Empfehlung malig gehaltenen und nachgezüchteten Alexander von Humboldts die nach ihren Vogel- und Säugetierarten, die auch die Bewohnern benannte Höhle „Cueva del Ära Funck abdeckt, findet sich bei Pagel & Guacharo“ in der Nähe von Caripe in der Spieß (2011). Informationen auch zu ehe- Provinz Cumana, um den von Humboldt maligen Haltungen sind bei den jeweili- und Aimé Bonpland 1799 dort entdeck- gen Tierarten in der Internet-Datenbank ten, von Humboldt 1817 wissenschaftlich „Zootierliste“ (http://www.zootierliste.de) beschriebenen Fettschwalm (Steatornis hinterlegt. Den Administratoren, für die caripensis) − auch als „Guacharo“ be- ich stellvertretend Jirka Schmidt nennen zeichnet − zu beobachten. Es wird berich- möchte, danke ich für viele wertvolle tet, dass Jungvögel kurz vor dem Flügge- Hinweise zu früheren Kölner Haltungen. werden von Einheimischen aus den Nistplätzen in der Höhle aufgesammelt Der vorliegende Beitrag soll ohne An- würden, um aus ihnen durch stunden- spruch auf Vollständigkeit oder gar bio- langes Kochen Öl zu gewinnen, worauf grafische Würdigung einige Stationen der englische Name „oilbird“ basiert. In im Leben und Schaffen Nicolas Funcks mehreren Publikationen beschreibt Abb. 2: Nicolas Funck − von 1870 bis 1886 nachzeichnen. Wichtige Ereignisse aus Funck die Biologie und Morphologie der zweiter Direktor des Kölner Zoos. seiner Kölner Zeit wie neue Bauten oder Fettschwalme, wobei ihm auffiel, dass Nicolas Funck − second director of Cologne die begonnene Zooerweiterung sollen diese Art sich im Unterschied zu allen Zoo from 1870 until 1886. aufgezeigt und die Haltung und Zucht übrigen insektenfressenden Schwalm- (Foto: Arendt Porträtgalerie von bemerkenswerten Tierarten beleuch- artigen (Caprimulgiformes) ausschließ- S. 158 reprint 1972) tet werden, von denen einige auch später lich frugivor ernährt. Anhand unverdau- im Kölner Zoo eine Rolle spielten. ter aufgesammelter Kerne konnten deren Futterpflanzen bestimmt werden Lediglich erhaltene Protokolle von Sit- Auf Humboldts Spuren (ENGLÄNDER, 1985). zungen des Verwaltungsrates oder seiner Kommissionen (solche gab es u. a. für Nicolas Funck blieb nach seinem Studi- In der gleichen Gegend fand Nicolas Tierbewegungen und das Bauwesen) las- um zunächst einmal Belgien verbunden Funck weiterhin eine bis dahin unbe- sen gelegentlich Rückschlüsse auf gehal- (vielleicht hat man ihn deshalb später kannte Landschneckenart, die 1843 von tene und gezüchtete Tierarten zu. Auch fälschlich und oft ein wenig despektier- Pierre Henri Nyst als neue Art beschrie- der Bestand an zeitgenössischen Weg- lich zuweilen den „Belgier“ genannt). ben und Funck zu Ehren Bulimus (heute führern durch den Zoo ist überschaubar. Noch nicht einmal 20 Jahre alt, bekam er Dryptus) funckii genannt wurde (HÄSS- Der älteste aus der Ära Funck erhaltene die Gelegenheit, im Auftrag der bel- LIN & NOGGE, 1985; BREURE, 2011 Zooführer datiert aus 1875 (ANONY- gischen Regierung als Zeichner − auf [vgl. dort Fig. 5]). MUS, 1875). Es handelt sich dabei in den Spuren Alexander von Humboldts − erster Linie um eine Aufzählung der an mehrjährigen naturwissenschaft- Nicolas Funck hat leider sehr wenig über regelmäßig vorhandenen Tierarten in lichen Forschungsreisen nach Süd- und seine Reisen publiziert. Vieles erschien Reihenfolge des Rundweges ohne be- Mittelamerika teilzunehmen, um für erst später in populärwissenschaftlichen schreibende Texte. Dafür sind neben den das naturhistorische Museum in Brüssel Beiträgen oder gar erst lange nach seinem deutschen und lateinischen Namen auch Pf lanzen und Tiere zu sammeln. Ge- Tod als eine Serie von Reise-Berichten in die Bezeichnungen der Tiere in englischer meinsam mit seinen Reisegefährten Jean der luxemburgischen Zeitschrift „Ons und französischer Sprache abgedruckt Jules Linden und Auguste Boniface Hémecht“ (MARSON, 2014). Zuweilen (siehe beispielhaft Abb. 16). Offenbar hat- Ghiesbreght bereiste er von 1835 bis 1837 nutzte er die Gelegenheit, anlässlich einer te man also hier bereits die nach Köln Mittel- und Südamerika und von 1837 bis besonderen Neuerwerbung für den Köl- kommenden Touristen im Blick − und 1840 Kuba und Mexiko (MARSON, ner Zoo seine Erinnerungen an die „wil- einen fremdsprachigen Direktor im 2014). So hat sich denn auch die eingangs den Verwandten“ des Neuankömmlings Haus! Weiterhin liegt die Kopie eines geschilderte Szene mit dem „Ohren ab- mitzuteilen. So war die Ankunft eines nicht datierten (möglicherweise älteren) kauenden“ Jaguar keineswegs im Kölner Nacktkehl-Glockenvogels (Procnias nu- Wegführers vor, die Lothar Schlawe in Zoo, sondern in Mexiko zugetragen. dicollis) im Kölner Zoo für ihn der Anlass, den Anfangsjahren dem Kölner Zoo- Dort wagten sich die drei Reisenden in 1875 in der Zeitschrift „Die Garten- Archiv zur Verfügung stellte, wofür ihm Begleitung des Franzosen Henri Galeotti laube“ seine Begegnungen mit − und vor auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei. aber nicht nur an wilde Tiere, sondern allem die akustischen Eindrücke von − Eine genauere Datierung war bisher noch 1839 auch an die − vermutliche − Erst- Glockenvögeln in Südamerika unter dem nicht möglich. besteigung des höchsten mexikanischen Titel „Glockengeläute im Walde“ sehr Berges (und höchsten Vulkans Nordame- anschaulich und lebhaft zu schildern In der Vergangenheit haben insbesonde- rikas), des über 5.600 m hohen Citlalté- (FUNCK, 1875b). re anlässlich runder Zoojubiläen die Au- petl, der auch unter dem Namen Pico de toren der jeweiligen Jubiläumsbücher Orizaba bekannt ist (HÄSSLIN, 1960; Zurück in Europa wurde Nicolas Funck (HÄSSLIN, 1960; HÄSSLIN & NOGGE, DIAGRE, 2014). 1848 zum Professor für Naturgeschichte 88
Abb. 3: Wegführer von 1875. Titel und Zahlen zum Tierbestand auf Seite 32. Guide book from 1875. Frontispiece and animal inventory on page 32. (Quelle: Archiv Kölner Zoo) und Geographie am Luxemburger Athe- das Ganze sähe aus, „als ob der Ban- näum ernannt. Ein Jahr später (1849) hei- kerott vor der Thür wäre“ (FRIEDEL, ratete er Katharina Reuter, die Tochter 1873). eines bekannten Luxemburger Gastwirts, deren Schwester Anna Reuter seit 1845 Zunächst als stellvertretender und ab mit seinem vormaligen Reisegefährten 1861 dann als Direktor (HÄSSLIN, 1960; Jean Linden verheiratet war (KÜRTEN, MARSON, 2014) begann Funck eine nicht datierte Korrespondenz). Neugestaltung des auch flächenmäßig vergrößerten Geländes. Damit folgte er Im Frühjahr 1857 ging er an den Zoo- gewissermaßen erneut Alexander von logisch-Botanischen Garten nach Brüs- Humboldt nach, der ab etwa 1840 in die sel, der 1851 von der „Société Royale de Vorbereitungen zur Gründung des ersten Zoologie, d’Horticulture et d’Agrement deutschen Zoologischen Gartens in Ber- de la Ville de Bruxelles“ als Tierpark im lin involviert gewesen war (KLÖS et al., englischen Gartenstil mit einer Eisbahn, 1994). Abb. 4: Der Nacktkehl-Glockenvogel (Proc- exotischen Tieren und Gewächshäusern nias nudicollis) sorgt für das „Glockengeläut errichtet worden war. Dort wartete viel Der in den folgenden Jahren gelungene im Walde“. Zeichnung von Ludwig Beck- Arbeit auf ihn, denn nach dem Urteil Neustart, zu dem auch „die Gartenkunst mann. eines Besuchers im Oktober 1856 machte […] nicht wenig beigetragen“ habe, hatte The bare-throated bellbird produces loud der Brüsseler Garten der Hauptstadt schließlich „durch entsprechende Anla- calls like a “bell in the jungle”. Drawing by offenbar wenig Ehre. Von leeren gen auch den Brüsseler Zoologischen Ludwig Beckmann. schmutzigen Käfigen und einer „bettel- Garten zu einem der glänzendsten ge- (Quelle: Archiv Kölner Zoo) haften Unordnung“ war die Rede, und macht“ (FRIEDEL, 1873). 89
Jahr Säugetiere Vögel Reptilien Gesamt Arten Individuen Arten Individuen Arten Individuen Arten Individuen 1871 120 286 330 1.390 2 7 452 1.683 1875 139 294 329 1.098 5 12 473 1.404 1877 146 320 332 1.080 20 77 498 1.477 1878 125 261 341 1.227 8 20 474 1.508 1883 107 249 300 966 6 8 413 1.223 Tabelle 1: Entwicklung des Tierbestandes (Anzahl Arten und Individuen) in ausgewählten Jahren. Animal inventory (number of species and individuals) during selected years. (Quellen: Zool. Garten, Gefiederte Welt, Köln. Zeitung, Isis, Zooführer) Die erzielten Fortschritte müssen indes- Tönen: „Die Resultate, welche Herr In der Tat kann man heute noch einigen sen wohl nicht von Dauer gewesen sein, Goffarth an den seiner alleinigen Pflege „Zeitzeugen“ begegnen, die er pflanzen denn wegen mangelnder Rentabilität anvertrauten, jetzt etwa 150, Vögelchen ließ, so z. B. die Riesen- oder Bergmam- wurde der Zoo 1878 aufgegeben. Das Ge- erzielt, sind wirklich erstaunlich und ste- mutbäume (Sequoiadendron giganteum) lände fiel an die Stadt Brüssel und bildet hen, wenigstens in zoologischen Gärten, an den heutigen Bären-Freianlagen. Aber heute den Parc Léopold. einzig da“ (PAGENSTECHER, 1874a). man würde Funck nicht gerecht, wenn Als Beispiel erwähnte er eine Bachstelze man ihn nur auf den geschickten „Bota- Zoodirektor in Köln (Motacilla alba), die 11 Jahre lang gehal- niker“ reduzierte. ten worden sei. Am 1. Januar 1870 trat Nicolas Funck sein Auf seiner ersten General-Versammlung Amt als zweiter Kölner Zoodirektor an. Über den pädagogischen Wert einer sol- der Aktionäre (die einer heutigen Haupt- Er war allerdings nicht der zweite Leiter chen Vogelhaltung und die mangelhafte versammlung entspricht) am 24. Mai des Zoos! Da sein Vorgänger Bodinus be- Repräsentanz der Biologie im zeitgenös- 1870 stellte sich Nicolas Funck den Akti- reits am 30. September 1869 nach Berlin sischen Schulunterricht bemerkte er onären gleich einmal mit einer detaillier- wechselte, „übernahm der Sekretär des noch, „dass eine Stunde in dieser leben- ten Bestandsaufnahme vor. Die etwa Instituts, Herr Redicker, interimistisch digen Gesellschaft verbracht, mehr leis- 1.300 Tiere der letzten Inventur stellten die Geschäfte der Direction und führte ten kann als ein halbes Jahr solcher Lehre“ einen zu Handelspreisen angenommenen dieselben zu voller Zufriedenheit […], so (PAGENSTECHER, 1874a). Wert von 38 − 40.000 Taler dar. Dies wür- daß trotz des langen Winters keine de einem heutigen Kaufkraftäquivalent Thierverluste eintraten“ (ANONYMUS, Später wurde Nicolas Funck vor allem für von rund 1 Million € entsprechen (BUN- 1870). die gärtnerische Gestaltung des Kölner DESBANK, 2016). Besondere Stärken der Zoos gelobt. Die ursprüngliche Konzep- Sammlung sah Funck bei den Raubtieren, Schon in frühen Jahren zeichnete sich der tion von 1859 des mit der Planung und den Hirschen sowie den Raub-, Stelz- Kölner Zoo durch einen großen Tier- Ausführung beauftragten Kölner Garten- und Schwimmvögeln. Ausbaufähig seien bestand aus (siehe Tabelle 1). Der Jahres- direktors Anton Strauß sah eine durch dagegen die Haltungen der Antilopen, bericht für 1871 erwähnte insgesamt mehrfach gewundene Wege unterglie- Fasane, Papageien und Ziervögel. Zu- 1.683 Tiere in 452 verschiedenen Arten. derte Grünanlage im Landschaftsstil vor, sammenfassend sah er den erst 10 Jahre Insbesondere die Haltung von Vögeln die dem Besucher immer wieder abwech- zuvor gegründeten Kölner Zoologischen (1.390 Individuen in 330 Arten), darunter selnde Parkeindrücke bieten sollte Garten in einer Rangfolge (heute würde zahlreiche Gänsevögel (Anseriformes) (MEYNEN & PAGEL, 2012). Wesent- man wohl von einem „Ranking“ spre- auf den vielen Teichen, aber auch Hühner- liche Aufgabe des neuen Direktors Funck chen) unmittelbar hinter den mehr als und Taubenrassen, gehörte schon traditi- sei es gewesen, „diese auf der gewonne- dreißig Jahre älteren und damals führen- onell zum Erbe des „Geflügelzüchters“ nen Höhe zu erhalten“ (WUNDERLICH, den Tiergärten von London, Amsterdam Bodinus. 1884a). Sein späterer Nachfolger Wun- und Antwerpen. Für dieses Ergebnis sei derlich führte weiter aus: „der umsichtigen Verwaltung und tüchti- Hinzu kam jetzt noch die Pflege aufge- gen Leitung des früheren Directors zu fundener heimischer Singvögel. Heute „Die eigentliche Sorge des Herrn Direktor danken“. Gleichzeitig äußerte er die Er- würde man vielleicht von einer Auf- Funk [sic] richtete sich auf den Garten als wartung, dass durch eine weitere Ent- fangstation sprechen. Wie der Jahresbe- Park und man kann wohl sagen, daß kein wicklung des Gartens ein Stillstand ver- richt 1874 meldete, „… hat unsere Samm- zweiter deutscher Garten dem Cölner an mieden werde (ANONYMUS, 1870). lung der inländischen Vögel […] unter Pracht und Sauberkeit gleichkommt. Be- der speciellen Aufsicht unseres Cassirers, sonders die Pflege der Teppichbeete hat er Um es an dieser Stelle schon vorwegzu- Herrn Goffarth […] sich einen wohlver- stark kultiviert und dadurch dem Garten nehmen − die von seinem Nachfolger dienten Ruf erworben“ (PEILL & FUNCK, einen äußerst freundlichen und gewinnen- einige Jahre später vorgenommene 1875). den Anstrich gegeben. Auch ist die Mehr- Einschätzung war eindeutig weniger zahl der Sträucher mit ihrem wissen- schmeichelhaft: Der Heidelberger Zoologe Professor schaftlichen Namen bezeichnet und so Heinrich Alexander Pagenstecher lobte eine Verbindung von zoologischem und „Funck war ein alter Belgier, ein kleines den Kölner Kassierer in den höchsten botanischem Garten hier angestrebt.“ grauschrumpliges Männchen, das man 90
nie ohne einen zerkauten Zigarren- stummel im Mundwinkel sah. Er war zwar mindestens fünfzehn Jahre in Köln, trotzdem aber so wenig deutsch gewor- den, daß er noch am Tage seines Austritts […], wenn er etwas richtig ausdrücken wollte, das nur so fertig brachte: ‚auf Französisch sagt man …‘ […] Der Teufel mag wissen, wie die Kölner Verwaltung auf diesen Ausländer abgekommen ist.“ (HECK, 1940). Nun, Erinnerungen können zwar heiter und ernst − aber manchmal eben auch falsch sein! Um aber die (rhetorische) Frage Hecks zu beantworten, wie die Köl- ner Verwaltung (gemeint ist hier nicht etwa die städtische Verwaltung, sondern der Verwaltungsrat der Aktiengesell- schaft, der einem heutigen Aufsichtsrat Abb. 5: Restaurationsgebäude von 1871/72 mit Orchesterpavillon (links). Rechts der Konzert- entspricht) auf den luxemburgischen saal von 1895. Zoodirektor eines belgischen Zoos als Restaurant from 1871/72 with orchestra pavilion (left). Concert hall from 1895 on the right. Nachfolger für Bodinus gekommen ist: (Quelle: Archiv Kölner Zoo) Es ist davon auszugehen, dass sich Bodi- nus und Funck persönlich kannten, sei es von den Antwerpener Tierversteigerun- erwähnten ersten General-Versammlung Bereits im Jahresbericht für 1871 sprach gen oder noch früher von Besuchen in im Beisein Funcks, Funck (ANONYMUS, 1872a) von „dem Belgien bei der Vorbereitung der Kölner neuen Restaurations-Gebäude, welches Zoogründung. Vielleicht waren sie auch „… daß die Staats-Regierung die wegen in einem grossartigen Style angelegt wor- befreundet, und es gibt Hinweise darauf, Erbauung eines neuen Restaurations- den ist und an 600 Personen aufnehmen dass Funck als Leiter des Brüsseler Zoos Locals beantragte Actien-Emission (an- kann“. Aus einer im Zoo-Archiv ver- vielleicht sogar den Geflügelzüchter Bo- dere Quellen berichten von einer Emis- wahrten Notiz des Bankhauses Oppen- dinus aus Greifswald als Direktor des neu sion von Prioritäts-Obligationen) aus heim geht hervor, dass der Bau des neuen zu gründenden Kölner Zoologischen formellen Gründen nicht genehmigt ha- Restaurations-Gebäudes 1870 begonnen Gartens vorgeschlagen hat (ANONY- be, daß eine solche aber auch entbehrlich und 1872 eingeweiht wurde. Die Kosten MUS, 1959). So ergab sich vielleicht 1869 geworden sei, [da] die günstige Finanz- betrugen 54.500 Taler und lagen damit die Gelegenheit, einen Gefallen zu erwi- lage des Unternehmens die Bestreitung nur geringfügig über dem ursprüng- dern, indem Bodinus wahrscheinlich sei- der Baukosten aus eigenen Mitteln ge- lichen Budget von 50.000 Talern. Und nerseits Nicolas Funck als seinen Nach- statte“ (ANONYMUS, 1870). zwei Jahre später konnte Professor folger vorschlug (ENGLÄNDER, 1985). Pagenstecher nach einem Besuch im Ob sich die spätere Schließung des Brüs- Doch zunächst drohte noch ganz anderes Oktober 1873 in Köln resümieren: seler Gartens bereits zu diesem Zeitpunkt Unheil. Mit der Kriegserklärung Napole- abzeichnete und einen Wechsel Funcks ons III. an Preußen am 19. Juli 1870 be- „All dem Unstern gegenüber mag der zusätzlich beförderte, bleibt allerdings gann der Deutsch-Französische Krieg, neue Director, Herr Dr. Funck, aus dem Spekulation. der zwar die Festungsstadt Köln nicht landschaftlich reizenden, idyllischen unmittelbar betreffen sollte, aber den Brüsseler Garten übergesiedelt, Anfangs „Die leiblichen Bedürfnisse Verantwortlichen wohl doch einige Sor- manche schwere Stunde durchlebt, man- der Kölner Herren …“ – gen bereitet haben dürfte − schließlich chen Kampf durchkämpft und den Die neue Restauration lag der Zoo ja im Festungsrayon der Stadt Wechsel eher beklagt haben. Aber die und damit im Schussfeld der Kanonen Wacht am Rhein ging zu Ende, Köln Nicolas Funck befand sich bei seinem von Fort X. Rein vorsorglich hatte man schöpfte Athem, […] die Verwaltung, die Amtsantritt als Direktor in einer Situati- beim Vorstand des zoologisch-botani- ihrerseits der Kölner Herren leiblichem on, die neuen Chefs zuweilen bekannt schen Gartens in Den Haag schon einmal Bedürfniss vor Allem gerecht werden sein dürfte. Wichtige und wesentliche angefragt, ob dort eventuell die Tiere des musste, schuf ein brillantes und geräumi- Bauvorhaben waren durch seinen Vor- Kölner Gartens Unterkunft finden könn- ges Restaurationshaus und siehe da, gänger, vor allem aber wohl durch den ten. Die niederländischen Kollegen lehn- wenn man jetzt die Bilanz zieht, hat sich die Richtung eigentlich vorgebenden ten jedoch aus Mangel an Platz und Geld der Waisenknabe zu einem stattlichen Verwaltungsrat, bereits getroffen. Seit ab (ANONYMUS, 1871). Der Vorfriede vielversprechenden Jünglinge entwickelt“ 1865 war der Bedarf an einem neuen, re- von Versailles nach dem Fall von Paris im (PAGENSTECHER, 1874a). präsentativen Gebäude für die Restaura- Februar 1871 sowie vor allem der durch tion immer wieder artikuliert und den Frieden von Frankfurt am 10. Mai Mit den „Kölner Herren“, um deren „leib- schließlich 1869 auch positiv entschieden 1871 offiziell beendete Krieg dürften liche Bedürfnisse“ sich der Zoo vor allem worden. So berichtete der Vorsitzende daher für Erleichterung in Köln gesorgt zu kümmern hatte, sind in erster Linie des Gremiums, Robert Peill, auf der haben. natürlich die Aktionäre gemeint, die 91
in „ihrem“ zoologischen Garten einen Ort des gesellschaftlichen Lebens sahen, einen „Centralpunct des Vergnügens“, wie ihn Caspar Garthe in seinem „Aufruf zur Gründung eines zoologischen Gartens in Köln“ 1857 bezeichnet hatte. Dabei er- schien ein standesgemäßes Restaurant mit guter Küche (und einem gut gefüllten Keller) fast ebenso wichtig zu sein wie ein schöner Park mit netten Tieren. „König Nero“ … und mysteriöse Todesfälle – Das Raubtierhaus Nicolas Funck hatte in der Bestands - auf nahme zu Beginn seiner Amtszeit insbesondere die Sammlung an Raub- tieren gewürdigt, die mit 78 von 271 vor- handenen Säugetieren immerhin 29 % des Bestandes darstellten. Er konnte im Raubtierhaus nahtlos an bestehende Zuchterfolge anknüpfen, wie Professor Pagenstecher im Oktober 1873 bestätigte: Abb. 6: Weiblicher Jaguar (Panthera onca) mit Jungen. Zeichnung von Ludwig Beckmann 1875. „Die Zucht junger Thiere ist in diesem Female jaguar with cubs. Drawing by Ludwig Beckmann 1875. Hause auch unter dem jetzigen Director (Quelle: Archiv Kölner Zoo) eine sehr glückliche gewesen, man hatte in den wenigen Jahren 10 Löwen, 6 Jagu- are und 5 Leoparden, ausser dem Hause Der Bericht zeigt, dass schon zu einem Eine lange Haltungsdauer konnte man 4 Bären, einige Waschbären und Nasen- frühen Zeitpunkt in der Geschichte der auch bei einer anderen Großkatze, dem bären“ (PAGENSTECHER, 1874b). zoologischen Gärten eine lange Hal- Löwen (Panthera leo) verzeichnen. In der tungsdauer und regelmäßige Zuchterfol- Zeitschrift „Isis“ findet sich 1878 folgen- Eine „durchgreifende Vergrösserung des ge einschließlich natürlicher Aufzucht de Meldung: Raubthierhauses“ stand dennoch auf der der Jungen − zumindest bei einigen Tier- Wunschliste (PEILL & FUNCK, 1875). arten − durchaus erzielt wurden. Die „Nero, der König der Thiere in unserm nicht aufgehende Addition der Zahl der Zoologischen Garten, ist verendet. Wer Auch sein „Tanzpartner“ aus Mexiko Jungtiere ist dabei sicher kein Indiz für seit 17 Jahren denselben besuchte, erin- wurde im Kölner Zoo nicht nur gehalten, die mathematischen Fähigkeiten des Au- nert sich des majestätischen schwarz- sondern auch erfolgreich gezüchtet. In tors, sondern wohl dem „Druckfehler- mähnigen Löwen mit dem mächtigen einem Beitrag mit dem Titel „Der Jaguar“ teufel“ geschuldet. Kopfe und dem stolzen Blicke, den für die „Leipziger Illustrirte Zeitung“, dem eine Zeichnung von Ludwig Beck- mann beigefügt war (siehe Abb. 6), schrieb Funck: „Der mit drei seiner Sprößlinge auf unse- rer umstehenden Illustration abgebildete weibliche Jaguar hat elf Jahre im Zoolo- gischen Garten zu Köln gelebt und wäh- rend dieses Zeitraums 18 Junge zur Welt gebracht. Von dieser Zucht sind 14 Stück verkauft worden, 3 sind gestorben und 2 noch lebend im Garten vorhanden [sic]. Das Thier hat sich stets als gute Mutter bewährt, indem es seine Jungen mit der größten Zärtlichkeit behandelte, was bei seinesgleichen nicht immer der Fall ist. Im vergangenen Sommer war es wieder trächtig, wurde jedoch, als die Wurfzeit heranrückte, von Tag zu Tag schwächer, verschmähte die Nahrung und verendete, Abb. 7: Männlicher Löwe (Panthera leo) im Grottenbärenzwinger? Nicht datierte Aufnahme bevor es geworfen hatte. Die Obduction (Beginn des 20. Jahrhunderts?). ergab Bauchwassersucht“ (FUNCK, Male lion in the bear grotto? Undated photograph (early 20th century?). 1875a). (Quelle: Archiv Kölner Zoo) 92
gelangte die Art zum ersten Mal in den Kölner Zoo. Dem Jahresbericht ist zu entnehmen: „Angekauft wurden […] drei Hyänenhunde (zur Zeit noch die Einzi- gen auf dem Kontinent)“ (ANONYMUS, 1872). Im Jahr darauf schrieb Funck in einem Beitrag für die „Leipziger Illustrir- te Zeitung“: „Die drei Exemplare […] ha- ben sich durch ihr munteres Wesen längst den Beifall aller Besucher erwor- ben“ (FUNCK, 1873a). Neben Beobach- tungen zum Fressverhalten („Die Gier dieser Tiere übertrifft die aller bekannten Säugetiere.“) stellte er insbesondere zwei Aspekte heraus. Zum einen beschrieb er die Besonderheiten der Stimme, die er „mit den kreischenden Tönen vergleich[t], die durch Räder auf ungeschmierten höl- zernen Achsen hervorgebracht werden“. Zum anderen bemerkte er „die Anhäng- lichkeit, die sie gegenseitig füreinander haben. Der natürliche Trieb zum gesell- Abb. 8: Die ersten Afrikanischen Wildhunde (Lycaon pictus) 1871 im Zoologischen Garten schaftlichen Leben ist bei ihnen so ausge- Köln. Zeichnung von Ludwig Beckmann. bildet, daß Isolirung für sie gefährlich The first African wild dogs 1871 at Cologne Zoo. Drawing by Ludwig Beckmann. sein würde“. Dementsprechend vergesell- (Quelle: Archiv Kölner Zoo) schaftete Funck ein überzähliges Männ- chen denn auch mit einer Bluthündin (Haushundrasse), die sogar „Herrin im der Herr Graf von Fürstenberg-Stamm- Interessant erscheint im Zusammenhang Haus“ geworden sei. heim im Jahre 1861 dem Garten als Ge- mit „Neros Todesanzeige“ die in dem Bei- schenk überwies. Da er damals 5 Jahre alt trag geäußerte Annahme, dass Löwen im Funck schloss seinen Bericht mit einem war, so hat er, was beim Löwen in der Freiland deutlich älter werden als in Hinweis auf vorangegangene Haltungen Gefangenschaft zu den Seltenheiten zählt, Menschenhand − und dann auch noch in Hamburg („ein Paar vor sechs bis sie- ein Alter von 22 Jahren erreicht; in der gleich 30 Jahre. Dieses Alter dürfte kaum ben Jahren, von denen das Weibchen Freiheit bringt er es auf 30 Jahre. Mit je ein Löwe in Afrika erreicht haben. Für zwölf Junge warf“), London („ein einzel- Nero und 2 Löwinnen wurden im gan- Haltungen in Menschenhand gibt Weigl nes Männchen vor drei Jahren“) und Ber- zen 40 Junge gezogen“ (ANONYMUS, (2005) ein Höchstalter von 26 Jahren und lin („hat kürzlich ein Männchen und 1878). 10 Monaten an. Ein männlicher Löwe, der zwei Weibchen erworben“). 1959 ausgewachsen in den Kölner Zoo Im ersten Wegführer durch den Kölner kam, hatte nach einer nachweislichen Die Haltungsdauer dieser ersten Kölner Zoo erwähnte Bodinus (1864b) ein Haltung von 24 Jahren und 3 Monaten Wildhunde bleibt indessen vage. Bereits „prächtiges Löwenpaar aus dem nörd- bei seinem Tod am 7. März 1984 ein ge- im Jahresbericht für 1872 wird der Ab- lichen Africa“, das als „wahrhaft fürst- schätztes Alter von 27 Jahren (NOGGE, gang durch Tod von zwei „Hyänen-Hun- liches Geschenk“ nach Köln gekommen 1985; WEIGL, 2005). den“ gemeldet (FUNCK, 1873b). Es muss sei. Es liegt nahe, dass Nero einer dieser aber − mindestens − einen nicht doku- „Löwen der Berberei“ war, wie man den Zu Funcks Zeiten war der Afrikanische mentierten Zugang in den folgenden Jah- Berberlöwen (Panthera leo leo) damals Wildhund oder Hyänenhund (Lycaon ren gegeben haben, denn im März 1881 nannte. Die Unterart unterscheidet sich pictus) wohl noch über weite Teile Afri- erwähnte Gronen eine Nachzucht dieser von den Löwen südlich der Sahara und kas südlich der Sahara (mit Ausnahme Art für den Kölner Zoo, auch wenn diese gilt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts der tropischen Wälder) verbreitet. Seit- letztendlich nicht erfolgreich war, denn als ausgestorben. Bei Nero scheint die her haben Lebensraumfragmentierung, er schrieb: „Die vier jungen Hyänenhun- Herkunft aus dem nördlichen Afrika Mensch-Tier-Konflikte und Infektions- de haben nur kurze Zeit ihr Dasein wahrscheinlich, wenngleich durch Quel- krankheiten für eine stetige und teilweise geniessen können; sie wurden bereits len nicht belegt ist, woher der Graf von dramatische Abnahme der Bestände ge- am Abend ihres Geburtstages von ihrer Für stenberg-Stammheim das Löwen- sorgt. Die IUCN schätzt die aktuelle Po- leiblichen Mutter verspeist“ (GRONEN, paar tatsächlich bezogen hat. Bei ande- pulation auf etwa 6.600 Individuen, ver- 1881). ren in den Zoologischen Gärten und teilt auf mehrere Subpopulationen Menagerien des 19. und 20. Jahrhunderts (WOODROFFE & SILLERO-ZUBIRI, Dieser erste (Teil-)Erfolg bei der Zucht gezeigten „Berberlöwen“ dürfte der 2012). Afrikanischer Wildhunde im Kölner Zoo Name oft eher als Marketinginstrument sollte nicht der letzte bleiben. Jahre später für einen imposanten Phänotyp denn Bereits 1871 − und damit deutlich früher wurde die Art wieder gehalten − und als gesicherter Herkunftsnachweis ver- als bei Marsden et al. (2013) angegeben, diesmal mit größerem Erfolg. So schrieb wandt worden sein (BLACK et al., die eine erstmalige Haltung in Deutsch- der damalige Assistent Friedrich Zeller: 2010). land für das Jahr 1902 erwähnen − „Die Aufzucht junger Hyänenhunde 93
gelang in zoologischen Gärten bisher Über die zunächst beobachteten Sympto- dürfte allerdings retrospektiv nur schwer sieben Mal, davon vier Mal im Kölner me und den weiteren Verlauf der Krank- zu bestätigen sein. Zoo. Insgesamt wurden hier in vier heit, die eingeleiteten Maßnahmen und Jahren 63 (!) Hyänenhunde geboren …“ schließlich den Versuch, durch Inokula- Acht Jahre später, im Mai 1879, kam es (ZELLER, 1959), die in der Regel von tion (Einimpfung) infektiösen Materials noch einmal zu einer Reihe ungeklärter Haushundammen aufgezogen wurden der erkrankten Löwin auf ein Pony die Todesfälle im Raubtierhaus. „Im Laufe (ZELLER, 1958). Rotzkrankheit nachzuweisen, berichtete einer einzigen Woche verendeten zwei Nicolas Funck sehr ausführlich in einem Gepards, ein Puma, ein Leopard und ein Die Raubtierhaltung blieb jedoch auch Beitrag für die Zeitschrift „Der Zoo- prachtvoller Königstiger …“ (BÖLSCHE, von Rückschlägen nicht verschont. Wie logische Garten“ (FUNCK, 1872). Zu- 1879a). Bei den meisten Tieren wurden der Jahresbericht für 1871 meldete, „wur- sammenfassend bemerkte er: „Dieser Krämpfe und bei dem Tiger eine „eigent- de das Raubthierhaus von einer gefährli- Impfversuch setzte demnach […] das hümliche Geschwulst“ beobachtet. Man chen Seuche heimgesucht. Derselben er- Vorhandensein der Rotzkrankheit […] vermutete damals eine absichtliche Ver- lagen in wenigen Tagen die beiden jungen ausser Zweifel und ist in wissenschaft- giftung und setzte eine Belohnung von Löwen, der alte Königstiger und bald licher Beziehung insofern von Interesse, 300 Mark für sachdienliche Hinweise aus, darauf die alte Löwin“ (ANONYMUS, als er darthut, dass das Rotz-Contagium wenngleich nach dem Bericht Bölsches 1872b). Als Ursache wurde der Rotz (Mal- durch Uebertragung auf das Katzen- auch „zur Fütterung verwandtes, irgendwie leus) vermutet, eine bakterielle Infek- geschlecht nichts von seinem Character krankes Fleisch“ als mögliche Todesursa- tionskrankheit, die durch den Erreger und seiner Intensität verliert und zur wei- che nicht ausgeschlossen werden konnte. Burkholderia mallei verursacht wird und teren Fortpflanzung wohl geeignet ist.“ primär Equiden befällt. Während die Epilog für eine „Dame“ … Krankheit in Westeuropa heute nicht Funck sah sich wahrscheinlich zu dieser und Funcks „tanzende Marie“ − mehr beobachtet wird, zitiert Behlert je- detaillierten Darstellung auch deshalb Das Elefantenhaus doch einen Bericht von 1973 über das veranlasst, weil nach seiner Aussage „die- Auftreten einer Rotzenzootie bei Löwen se Krankheit bisher nur unter Einhufern Im Jahr 1871 hatte der Kölner Zoo einen in einem Zoo in Italien, verursacht durch bemerkt worden ist“ (FUNCK, 1872). Es weiteren schweren Verlust zu verzeich- eingeführtes Pferdefleisch (BEHLERT, gibt jedoch frühere Hinweise auf Rotzin- nen. Dieser betraf den ersten Kölner 1985). Ob als Vektor der 1871 ausgebro- fektionen bei Großkatzen. „1832 verlor Elefanten, der seit 1864 im Garten gelebt chenen Krankheit das Fleisch rotziger Hermann van Aken in Pilsen fast seinen und durch seinen Auftritt beim Kölner Pferde oder eine sonstige Ansteckung ganzen Raubtierbestand durch Rotz“ Abgeordneten-Fest 1865 auch für politische verantwortlich war, blieb offen und war (RIEKE-MÜLLER & DITTRICH, 1999), Schlagzeilen gesorgt hatte (HÄSSLIN & nicht mehr zu ermitteln (FUNCK, 1872). und Pagenstecher erwähnte im Zusam- NOGGE, 1985). Es gibt allerdings − außer Da das Fleisch rotzkranker Pferde von menhang mit der Kölner Rotzinfektion, dem zeitlichen Zusammentreffen − keinen dem der gesunden Tiere nicht zu unter- dass diese „Krankheit 1865 den Stolz der Hinweis darauf, dass er an der im gleichen scheiden sei, sah Funck in eigenen Menagerie Kreuzberg [sic − hiermit dürf- Jahr bei den Großkatzen aufgetretenen Schlachtereien ein mögliches Mittel, sich te er die Wandermenagerie von Gottlieb Rotzkrankheit gestorben war, wie gele- vor Ansteckungen zu schützen. Spätere Christian Kreutzberg meinen], [unter gentlich vermutet wurde (vgl. PAGEL, Lieferverträge mit Pferdemetzgern (vgl. anderem] sechs Löwen […] wegraffte“ RECKEWITZ & SPIE, 2010). Protokoll Verwaltungsrat 5. Dezember (PAGENSTECHER, 1874a; vgl. auch 1883) lassen eine Umsetzung dieser Emp- EYRICH, 1872). Ob in allen genannten Über dieses Tier und die mögliche Todes- fehlung in Köln jedoch bezweifeln. Fällen der Befund Rotz korrekt war, ursache berichtete Pagenstecher Anfang Abb. 10: Giraffen- und Antilopenhaus von 1863 mit dem Anbau (rechts) für Elefanten, Nashörner und Giraffen von 1874. Aufnahme aus dem Jahr 1959 mit Elenantilopen (Taurotragus oryx) und Asia- Abb. 9: Ein weibliches Panzernashorn (Rhinoceros unicornis) kam 1872 tischen Elefanten (Elephas maximus) auf den Freianlagen. in den Kölner Zoo. Zeichnung von Ludwig Beckmann. Giraffe and antelope house from 1863 with the annex for elephants, A female Indian rhinoceros arrived at Cologne Zoo in 1872. Drawing rhinos and giraffes completed in 1874. The photograph taken in 1959 by Ludwig Beckmann. depicts eland antelopes and Asian elephants on the moated enclosures. (Quelle: Archiv Kölner Zoo) (Foto: Werner Stangenberg − Quelle: Archiv Kölner Zoo) 94
Oktober 1873 anlässlich seines Besuches Mit den „indischen Geschwistern“ sind in Köln: die am 26. April 1872 von Jamrach in London erworbenen Asiatischen Elefan- „Dann lief auch des Elephanten, des allge- ten (Elephas maximus) Bella, die bis zum meinen Lieblings, Uhr ab, ein schmerz- Dezember 1910 im Kölner Zoo lebte, so- lich empfundner, wenn auch nicht unvor- wie ein bis heute namenlos gebliebenes hergesehener Fall, denn zu seiner Höhe Tier, über dessen Tod in der „Kölnischen von 8½ Fuss war er nicht gekommen, Zeitung“ anlässlich des Jahresberichtes ohne dass seine Tage hoch wurden und 1881 eine kurze Meldung erschien, ge- jetzt kaute er so ziemlich auf den letzten meint. Zähnen. Seine ausgestopfte Haut und sein Gebein, sorgsam präparirt, schmü- Im gleichen Jahr, und zwar ebenfalls am cken unser Heidelberger Museum und 26. April, konnte Nicolas Funck sogar − erhalten sein Andenken. Jener ist auch zum ersten Mal in der Geschichte des stiller Theilnehmer an einer Fortschritts- Kölner Zoos − ein Nashorn erwerben, medaille der Wiener Ausstellung [hier ist wiederum bei Jamrach in London. Es die Wiener Weltausstellung von 1873 ge- handelte sich um ein junges weibliches meint], wo er in Photographie vertreten Panzernashorn (Rhinoceros unicornis). war; auch das Herz, dessen Verfettung das Thier getödtet, ist nunmehr entfettet Für diese Neuerwerbungen wurde das Abb. 11: Afrikanischer Steppenelefant (Loxo- und sammt dem geräumigen Magen Antilopen- und Giraffenhaus 1874 um donta africana) während des Hochwassers und andern Theilen sauber aufgestellt“ einen Anbau erweitert (und in Elefanten- 1882 im Elefantenhaus. Zeichnung in der (PAGENSTECHER, 1874a). haus umbenannt). Hierüber berichtete „Leipziger Illustrirten Zeitung“. der Vorsitzende des Verwaltungsrates Peill: African elephant in the elephant house during Wenn die von Pagenstecher getroffenen the flood 1882. Newspaper illustration. Feststellungen über die „letzten Zähne“ „Die Arbeiten, welche wir im vergangenen (Quelle: Archiv Kölner Zoo) und die „hohen Tage“ nicht bloße Speku- Jahre vorgenommen haben, waren von lationen sind, würden sie bei einem ange- ziemlicher Bedeutung und sind zum nommenen Wechsel zum letzten Backen- Theil noch in der Vollendung begriffen. überraschenden Eindruck auf mich ge- zahn (M3) mit 35 bis 40 Jahren auf ein Unter diesen erwähnen wir vorzugsweise macht hat, wie jener Hirscheber zu Rot- beachtliches Alter des Kölner Elefanten den Anbau des Giraffenhauses, welcher terdam“ (FUNCK, 1882). hindeuten, wozu denn auch die Angaben nebst den äussern Umzäunungen und zu Größe und Gewicht passten. Da das Wasser-Bassins einen Kostenaufwand Bei den Tieren, die 1876 aus Amsterdam Tier aber „nur“ sieben Jahre in Köln lebte, von circa 16- bis 17,000 Thlr. erfordert“ angeboten worden waren und die Funck wurde anscheinend ein ausgewachsener (PEILL & FUNCK, 1875). sofort kaufte, könnte es sich im Hinblick Elefant 1864 aus Ceylon importiert. Da auf die angegebene Herkunft („Celebes- üblicherweise junge oder jungerwach- Ein Jahr später, nach einem vorhandenen Inseln“) um Sulawesi-Hirscheber (Baby- sene Elefanten zu dieser Zeit nach Euro- Tierbestandblatt aus Wunderlichs Amts- rousa celebensis) gehandelt haben. Nach pa gelangten, mag dies zwar ungewöhn- zeit im Mai 1875, zog auch der erste Afri- Aussage des Verkäufers, eines Schiffs- lich, gleichwohl aber nicht unmöglich kanische Elefant (Loxodonta africana) in kapitäns, der offenbar über Ortskennt- sein. dieses Haus ein, von dem Heck später nisse verfügte, seien „die Hirscheber auf sagte, er sei „wohl das grösste und schöns- gewissen Inseln etwas größer […] als auf Im zweiten Teil seines Besuchsberichtes te Exemplar seiner Art, das jetzt noch anderen“ (FUNCK, 1882). Diese Beob- gab Pagenstecher auch einen Hinweis auf in einem Zoologischen Garten existirt“ achtung ist vor dem Hintergrund der das Geschlecht dieses ersten Kölner Ele- (HECK, 1888). heute vorgenommenen Unterteilung der fanten, das bei früheren Berichten wohl Hirscheber in (mindestens) drei Arten meist im Dunkeln geblieben war: „Einer der eigenthümlichsten Reprä- interessant (GROVES & GRUBB, 2011; sentanten des Schweinegeschlechtes“ MEIJAARD, D’HUART & OLIVER, „Im Elephantenhause wachsen die vor zwei (FUNCK, 1882) gelangte 1876 nach Köln. 2011). Jahren erworbenen indischen Geschwis- In einem Brief an den Herausgeber des ter wacker heran, sie haben die halbe Höhe „Zoologischen Gartens“ vom 29. Oktober Seit 1866 lebten auch Zebras im Kölner der verstorbenen Dame erreicht, jedoch 1876 teilte Funck mit, „dass unser Gar- Zoo (Tierbestandsblatt), die ebenfalls im noch einen ziemlichen Weg zu deren Ge- ten kürzlich in den Besitz eines Paares Elefantenhaus untergebracht waren. Die wicht von 8000 Pfunden. Wir wissen da- Hirscheber, Babirussa, gekommen ist, ersten beiden Kölner Zebras kamen je- von zu erzählen, welch‘ schweres Stück die aus den Celebes-Inseln stammen. doch nicht etwa aus Afrika, sondern vom Arbeit sie nach dem Tode starken Man- Seit 16 Jahren ist kein Repräsentant die- Main an den Rhein. Der Hengst wurde nesarmen, Hebebäumen und Flaschen- ses Genus in den Zoologischen Gärten am 30. Mai 1866 (als vermutliche deut- zügen bot“ (PAGENSTECHER, 1874b). vertreten gewesen“ (FUNCK, 1876). sche Erstzucht) und die Stute rund ein Jahr später im Zoologischen Garten Damit ist es auch fraglich, ob die Abbil- Funck hatte wohl 1860 in Rotterdam Frankfurt geboren (SCHMIDT, 1866; dung eines stoßzahntragenden Elefanten zum ersten Mal einen Hirscheber gese- 1867). In den zeitgenössischen Wegfüh- bei Pagel, Reckewitz & Spieß (2010) wirk- hen und schilderte diese Begegnung spä- rern (vgl. Abb. 16) wurden sie als Burchell- lich diese erste Kölner Elefantenkuh dar- ter so: „Ich gestehe, daß außer dem Nil- Zebra oder Dauw (Equus quagga burchel- stellt. pferd nie irgend ein Thier einen ähnlich lii) bezeichnet. Eine bei diesen Zebras 95
Abb. 12: Weißschwanz-Gnu (Connochaetes gnou) im Zoologischen Abb. 13: Südliches Streifengnu (Connochaetes taurinus) mit Jungtier Garten Köln. Zeichnung von Ludwig Beckmann. 1982 im Zoologischen Garten Köln. Black wildebeest at Cologne Zoo. Drawing by Ludwig Beckmann. Blue wildebeest with calf 1982 at Cologne Zoo. (Quelle: Archiv Kölner Zoo) (Foto: Alfred Koch − Quelle: Archiv Kölner Zoo) beobachtete mehr oder weniger aus- „Meine Aufmerksamkeit wird sich nun- Diese Erwartung sollte sich gut 100 Jahre geprägte Streifung der Beine, insbeson- mehr einigen, in unserem Garten noch später erfüllen. Am 17./18. Mai 1978 ge- dere bei dem am 26. April 1867 gebore- karg vertretenen Specialitäten zuwenden, baren alle drei in Köln lebenden Weib- nen weiblichen Tier (SCHMIDT, 1867; nämlich denen der Antilopen und aus- chen binnen 24 Stunden jeweils ein Jung- WUNDERLICH, 1884c), könnte als Hin- tralischen Beutelthiere. Durch die Ver- tier (ZIMMERMANN, 1980). weis auf eine andere Unterart oder aber grösserung des Elephantenhauses, wel- lediglich als Indiz für die bei Steppen- ches seit einigen Tagen vollendet ist, Kaum eine Antilope wird so sehr mit zebras charakteristischen, individuell bieten sich uns, nachdem die Elephanten, Afrika identifiziert wie das Gnu. Jeder, verschiedenen Streifenmuster interpre- Giraffen und das Rhinoceros in den neu- der die Bilder aus Bernhard Grzimeks tiert werden. Bei ihnen gab es vermutlich en Anbau hinüber gebracht worden Film „Serengeti darf nicht sterben“ noch 1878 zum ersten Mal in der Geschichte sind, mehrere schöne Räume zum Unter- vor Augen hat, mag dies bestätigen. Da- des Kölner Zoos ein Fohlen (ANONY- bringen einiger interessanten Antilopen- bei gibt es „das Gnu“ nicht. Traditionell MUS, 1879). Arten dar“ (PEILL & FUNCK, 1875). wurden zwei Arten, das Streifengnu (Connochaetes taurinus) und das Weiß- Das bereits erwähnte Panzernashorn leb- Über eine ganz besonders bemerkens- schwanz-Gnu (Connochaetes gnou), un- te 28 Jahre − bis zum 24. Oktober 1900 − werte Art, die auch später im Kölner Zoo terschieden, wobei einige Unterarten in Köln und wurde unter dem Namen noch für Aufsehen sorgen sollte, berich- des ersteren bei Anwendung eines phy- Schöne Marie bekannt. Von dieser tete wiederum Pagenstecher: logenetischen Artkonzeptes als eigen- „Funck’schen Marie“ wird berichtet, dass ständige Arten angesehen werden sie „häufig in den Nachmittagsstun- „Wir berühren von den Wiederkäuern zu- (GROVES & GRUBB, 2011). den eine Anwandlung von Tanz- und letzt, obwohl unseren erstaunten Augen Springlust bekam. Diese heitere Stim- fast zuerst geboten, die, nachdem die Es ist davon auszugehen, dass beide mung mündete dann stets in gymnasti- frühern Versuche in Moskau unglücklich Arten auch in der Ära Funck noch sehr schen Kundgebungen“ (FUNCK, 1873c). ausgegangen waren, bisher kaum irgend zahlreich vorkamen, in den Zoologi- Tanzende „Mariechen“ haben eben in wo wieder vertreten gewesenen Saiga- schen Gärten dieser Zeit galten sie jedoch dieser Stadt eine lange − und vielgestal- Anti lopen, deren Köln jetzt drei Stück, als ausgesprochene Seltenheiten − und tige − Tradition. einen wahren Schatz, besitzt“ (PAGEN- sind es heute wieder, zumindest wenn STECHER, 1874b). man die Situation in Deutschland zu „Ein wahrer Schatz“ … und eine Grunde legt. Hier ist das Südliche Strei- „vertauschte“ Oryx − Die Antilopen Der Bericht Pagenstechers vom Oktober fengnu (C. [t.] taurinus) nämlich aktuell 1873 stellt den ersten Nachweis über die nur noch in sieben Haltungen vertreten − Wenn auch das Giraffen- und Antilopen- Haltung der Saiga-Antilope (Saiga tatari- und das Östliche Weißbartgnu (C. [t.] haus nach der Erweiterung in Elefanten- ca) im Kölner Zoo dar und schließt albojubatus) sowie das Weißschwanz- haus umbenannt worden war (wovon mit folgender Annahme: „Da unter den Gnu (C. gnou) werden überhaupt nicht dann später auch der steinerne Kopf ei- Thieren ein Männchen und unser Kli- mehr gehalten (ZOOTIERLISTE, 2016). nes Afrikanischen Elefanten über dem ma ziemlich passend für die Thiere ist, Eingang zeugte), sollten die ursprüngli- werden wir nicht allein die Vollendung Umso bemerkenswerter ist es, dass 1871 chen Namensgeber auch weiterhin nicht der auffälligen Nasenform, die beim gleich beide Arten in den Kölner Zoo ge- zu kurz kommen. Nicolas Funck steckte Manne stärker hervortritt, sondern wohl langten. Vom Streifengnu ist dies durch daher seine weiteren Ziele im Bericht für auch glückliche Nachzucht erwarten den Jahresbericht für 1871 (ANONYMUS, das Jahr 1874 wie folgt ab: dürfen.“ 1872b) belegt, vom Weißschwanz-Gnu 96
kann aus einem Beitrag in der „Leipziger und nach 24 Stunden seinen Leiden erle- Sein Vergleich mit der „Steppenkuh“ Illustrirten Zeitung“ vom 5. Juli 1873 ge- gen“ (PEILL & FUNCK, 1875). Bei der oder der „Leucoryx“ bedarf vielleicht in- schlossen werden, dass die Tiere seit min- Sektion wurden eine Nähnadel im Peri- sofern der Erläuterung, als dass sich hin- destens zwei Jahren im Zoo gehalten cardium sowie drei verrostete Nägel ter diesen Namen die Säbelantilope (Oryx wurden. Dort findet sich auch eine recht in den Eingeweiden gefunden. Ob eine dammah) verbirgt − und nicht etwa die anschauliche Beschreibung dieses Tieres: „Frevelthat“ die Ursache war, konnte nicht Arabische Oryx (Oryx leucoryx). Über die ermittelt werden. uneinheitliche Verwendung des Namens „Beim ersten Anblick scheint es, als wäre leucoryx und die daraus entstehende dieses Wesen aus verschiedenen Theilen Nicolas Funck konnte noch mit einer wei- Verwirrung um die korrekte Zuordnung anderer Thiere zusammengesetzt. Der teren Antilopenart aufwarten, die offen- ist an anderer Stelle berichtet worden Rumpf und Hals eines kleinen Pferdes, bar nur selten in den Handel kam. Es (DOLAN, 1976). Zum Verständnis sei der Schwanz eines Maulthiers mit lan- handelte sich um eine männliche Men- daher hier nur angeführt, dass Peter Simon gen weißen Haaren besetzt, schöne auf- desantilope oder Addax (Addax nasoma- Pallas den Namen „Antilope leucoryx“ der rechtstehende Mähne, die Beine eines culatus) „von der Größe eines kleinen von ihm „entdeckten“ Arabischen oder Hirsches, der Kopf eines Ebers und die Esels“, die etwa um 1871/72 „direct aus Weißen Oryx gab (PALLAS, 1771), wäh- Hörner des Kapbüffels bilden die einzel- Senegambien“ in den Kölner Zoo gelangte rend die Säbelantilope zuerst von Philipp nen Theile dieses merkwürdigen Quod- (FUNCK, 1873c). In einem Beitrag für Jakob Cretzschmar als „Antilope Dam- libets“ (ANONYMUS, 1873). die „Leipziger Illustrirte Zeitung“ be- mah der Araber“ in einer (40 Wörter um- schrieb er diese Antilope wie folgt: fassenden) Fußnote seiner Einleitung Die beiden Kölner Exemplare müssen „Säugethiere“ zu Eduard Rüppells „Atlas sehr publikumsattraktiv gewesen sein „Wie Brehm richtig bemerkt, schließt sich zu der Reise im Nördlichen Afrika, Erste und wurden zeitweise selbst im Winter diese Gattung am nächsten der Oryx- Abtheilung Zoologie“ beschrieben wurde lediglich in einem ungeheizten Holzge- gruppe an, deren Hauptrepräsentant die (CRETZSCHMAR, 1826). Irgendwie − bäude gehalten. Wenn man damals vom bekanntere Steppenkuh (Oryx leucoryx) vermutlich, weil man die beiden Arten „gemeinen“ Gnu sprach, so war in der Re- ist, unterscheidet sich aber von dieser für identisch hielt und in diesem Fall gel diese Art gemeint, die auch unter dem durch ihre plumpere, massivere Gestalt der ältere Name Priorität hätte − wurde wissenschaftlichen Namen Catoblepas sowie durch ihre dreimal schraubenartig Pallas‘ Name auf die Säbelantilope über- (auch Catablepas) gnu bekannt war. Sie gewundenen und kürzern, nicht so weit tragen (LICHTENSTEIN, 1826), die dürfte seinerzeit auch häufiger aus Süd- nach hinten gezogenen Hörner, die mehr schließlich oft auch lediglich als „die Leu- afrika importiert worden sein, bis die Aehnlichkeit mit denen der Kuduantilo- coryx“ bezeichnet wurde (vgl. hierzu Bestände aufgrund der starken Bejagung pe (Strepsiceros Capensis) und der Indi- auch die frühen Bände des „Zoologi- zusammenbrachen. Erst später wurde schen Antilope (Ant. cervicapra) haben“ schen Gartens“). das „gestreifte“ oder „blaue“ Gnu, damals (FUNCK, 1873c). als Catoblepas gorgon bezeichnet, die im Für den Kölner Zoo wird die Haltung ei- Tierhandel häufiger auftretende (sprich Funck schloss seinen Bericht mit einer ner Säbelantilope erstmals im Wegführer „gemeinere“) Art. Bemerkung zum damaligen „Handling“ von 1866 erwähnt: „Die Säbel-Antilope, des Tieres: „Wie die Leucoryx, ist auch die Antilope leucoryx, zeichnet sich durch Das „schöne und seltene blaue Gnu“ ist Addaxantilope bösartiger Natur, und kein ihre langen säbelförmig gebogenen Hör- dann im Oktober 1874 „plötzlich erkrankt Wärter wagt es, ihr zu nahe zu kommen.“ ner aus und bewohnt das östliche mittlere Abb. 14: Eine männliche Mendesantilope (Addax nasomaculatus) kam 1871/72 direkt aus Senegambien in den Kölner Zoo. Nach der Natur Abb. 15: Die letzte männliche Säbelantilope (Oryx dammah) 1965 im gezeichnet von Ludwig Beckmann. Zoologischen Garten Köln. A male Addax arrived 1871/72 directly from Senegambia at Cologne The last male scimitar-horned oryx 1965 at Cologne Zoo. Zoo. Drawing by Ludwig Beckmann. (Quelle: Archiv Kölner Zoo) (Quelle: Archiv Kölner Zoo) 97
Abb. 16: Auszug (Seiten 18 − 19) aus dem Wegführer von 1875. Extract (pages 18 − 19) from the guide book of 1875. (Quelle: Archiv Kölner Zoo) Africa. Unser Thier hat leider seinen Nach den vorliegenden Quellen gibt es „Unter den verschiedenen Känguruarten, Hauptschmuck, die langen Hörner, bei dagegen keinen Hinweis darauf, dass die welche der Zoologische Garten [Köln] seinem früheren Eigenthümer, einem eigentliche Arabische oder Weiße Oryx seit seiner Entstehung besaß, hat sich na- Menageriebesitzer, verloren“ (BODINUS, (Oryx leucoryx) überhaupt jemals im mentlich das Benetti’sche Känguru (Hal- 1866). Im Wegführer von 1875 findet sich Kölner Zoo gehalten wurde. maturus Benetti) wiederholt und regel- als Besatz des „Elephanten- und Antilo- mäßig fortgepf lanzt“ (BECKMANN, penhauses (Nro. 18)“ folgender Eintrag: Dem „Teufel“ einen „Bären“ 1864). Durch die Abschaffung der Hunde „Säbel- oder Leucoryx-Antilope − Antilope aufgebunden …? stand immerhin ein günstiger Platz für Leucoryx − Afrika“ (ANONYMUS, 1875). einen neuen Känguru-Park zur Verfü- Zu den vernachlässigten Spezialitäten im gung (PEILL & FUNCK, 1875). Über erste Zuchterfolge in den Jahren Kölner Zoo zählte Funck (siehe oben) 1877 und 1881 berichtete Wilhelm Böl- auch die Beuteltiere. Der Wegführer von Im Wegführer von 1875 taucht unter den sche (BÖLSCHE, 1877a; 1881) in der 1875 (siehe Abb. 3) listet gerade einmal Bewohnern des Kleinen Raubtierhauses Zeitschrift „Isis“. Der am 1. März 1881 sechs Exemplare in fünf Arten. Zumin- (Nro. 16) als letzter Eintrag eine „Bären- geborene männliche Nachwuchs blieb dest bei den Kängurus (Familie Macro- Beutelratte, Dasyurus Ursinus […] − später als neuer Zuchtbock bis zu seinem podidae) konnte sein Vorgänger aber Australien“ auf. Der deutsche Name mag Tod am 25. September 1895 im Kölner schon frühe Haltungs- und Zuchterfolge auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich Zoo und wurde hier Vater von mindes- verzeichnen (BODINUS, 1861; 1864a). In klingen, aber wie so oft hilft die latei- tens acht Jungtieren (Tierbestandsblatt). der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ nische Bezeichnung weiter. Die Gattung Aus den regelmäßigen Nachzuchten stan- Nr. 1114 vom 5. November 1864 erschien Dasyurus bezeichnet in der Familie der den auch in der Folgezeit immer wieder eine Zeichnung des Malers Ludwig Beck- Raubbeutler (Dasyuridae) die Beutelmar- Tiere auf der Verkaufsliste, die in jenen mann, die eine Bennett-Känguru-Mutter der, während das Epitheton specificum Jahren zu den „stattlichsten unter den (Notamacropus r. rufogriseus) mit ihrem „ursinus“ mit Sicherheit auf etwas „bären- deutschen Gärten gehörte“ (HECK, 1888). Beuteljungen darstellte. Dazu schrieb er: artiges“ hinweist, allerdings in keiner 98
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