Der Schutt muss weg Fachgerecht entsorgt: Das geschieht mit dem Ausbruch des Tunnelbaus in Lausanne - SBB Cargo
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Das Schweizer Logistikmagazin 2 | 2019 Der Schutt muss weg Fachgerecht entsorgt: Das geschieht mit dem Ausbruch des Tunnelbaus in Lausanne. Ab Seite 4
BLICKFANG Ein buntes Zeichen für die Umwelt Der Noah-Train ist jener farbenfrohe Güterzug, den die Koalition Rail Freight Forward lanciert hat, um ein Zeichen für die Verkehrsverlagerung zu setzen. Ziel der Koalition: Bis 2030 sollen dreissig Prozent der Güter in Europa mit der Impressum Bahn transportiert werden. Heute sind es achtzehn Prozent. Den SBB-eigenen Das Logistikmagazin von SBB Cargo erscheint dreimal pro Jahr in Deutsch, Französisch Container – hier im Bild und gestaltet von einem Street-Art-Künstler – haben die und Italienisch. CEOs der beteiligten Bahnunternehmen an der Fachmesse «transport logistic» Redaktion SBB Cargo: Brigitte Hager, Anouk Ilg, Peter Imfeld, Lea Meyer, Tamara Ritter, im Juni 2019 in München signiert. Miriam Wassmer Konzept und Realisation: Infel AG, Zürich Redaktion: Alexander Jacobi, Michelle Russi Projektleitung: Bärbel Jördens Gestaltung: Murielle Drack Weitere Infos zur «transport logistic» München auf dem Blog: Übersetzungen: UGZ Übersetzer Gruppe Zürich GmbH, Zürich Druck: Hertig + Co. AG, Lyss tiny.cc/rff_d Redaktionsadresse: SBB Cargo, Redaktion Logistikmagazin «cargo», Bahnhofstrasse 12, 4600 Olten, cargomagazin@sbbcargo.com Gesamtauflage: 5000 Exemplare Das Copyright liegt bei SBB Cargo. Der Abdruck von Artikeln ist mit Quellenangabe gestattet. Foto: Anouk Ilg Bitte schicken Sie ein Belegexemplar an die Redaktionsadresse. Gratisabonnement auf www.sbbcargo.com/de/abonnement. Abonnieren Sie das «cargo»- Magazin schweizweit kostenlos oder lesen Sie die Onlineversion unter www.sbbcargo.com. Adressänderungen oder Löschung des Abonnements bitte an cargomagazin@sbbcargo.com. 2 SBB Cargo 2 | 2019
INHALT 4 –11 Logistik-Fokus: Baulogistik Ennet dem Röstigraben: SBB Cargo verantwortet die Ver- und Entsorgung der grossen Tunnelbaustelle zwischen Lausanne und Prilly im Kanton Waadt. Einblicke in einen spannenden und komplexen Geschäftsbereich. Editorial 12 –15 Auf einen Blick Der «Ausbauschritt 2035» bringt dem Schienengüterverkehr viele Vorteile. Unsere Übersicht zeigt, wo und wie von den Plänen des Bundes profitiert wird. Automatisch in die Zukunft 20 – 23 Gipfeltreffen Automatisierung als a Nicht erst seitdem Jugendliche lautstark auf den «Weckruf» für den Güter- Klimaschutz aufmerksam machen, ist ökologi- verkehr: Nicolas Perrin und sche Nachhaltigkeit ein zentrales Anliegen für Peter Füglistaler im grossen SBB Cargo und ihre Kunden. Seit Kurzem werden Interview. wöchentlich bis zu 760 Paletten Coca-Cola-Fla- schen per Bahn durch die Schweiz gefahren. Bisher wurden sie per LKW transportiert. Mehr dazu im Heft. Um gegenüber der Strasse auch weiterhin kon- kurrenzfähig zu bleiben, sind Innovationen beim 16 – 19 Kundensicht Rollmaterial unumgänglich. Seit Mai 2019 ver- Weltbekannt: Die Camion kehren gut 100 Güterwagen und 25 Loks mit Transport AG und SBB der automatischen Kupplung – ein europäisches Cargo haben mit Coca-Cola Novum. Über das Zusammenspiel zwischen einen namhaften Kunden Bahn, Industrie und Behörde erfahren Sie mehr in für sich gewonnen. der Rubrik «Gipfeltreffen» mit Nicolas Perrin, CEO SBB Cargo, und Peter Füglistaler, Direktor Bundesamt für Verkehr. Diesen Sommer hat SBB 24– 27 Innovation 28 Schotter Cargo ausserdem den Prototyp eines viel leichte- Ist neu immer bes- Aktuelles aus der Logistik- ren und modular einsetzbaren Güterwagens branche – häppchenweise präsentiert: Mehr zum «5L next – nächste Genera- ser? Bei SBB Cargo serviert wie immer. tion Güterwagen» und zu den Projekten rund auf jeden Fall. Zahl- um Automation und Digitalisierung ab Seite 24. reiche Innovations- 29 Objekt projekte verhelfen Hammerhart! Weshalb Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre. bei der technischen Zugs- dem Unternehmen kontrolle auch analoge Lea Meyer zu einem Facelift. Hilfsmittel zum Einsatz Leiterin Kommunikation SBB Cargo Wir stellen sie vor. kommen. SBB Cargo 2 | 2019 3
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Im Herzen einer Grossbaustelle Das Bahnunternehmen Lausanne–Echallens–Bercher (LEB) baut einen Tunnel zwischen Lausanne-Chauderon und Union-Prilly. SBB Cargo ist für den Abtransport des Ausbruchs verantwortlich – und nimmt uns mit auf eine Tour zur Grossbaustelle. Text: Charly Veuthey Fotos: Fred Merz 4 SBB Cargo 2 | 2019
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK 525 Meter hinter dem Eingang des Tridel-Tunnels befindet sich das Zentrum des Geschehens. E s ist 16.15 Uhr an diesem Mitt- entlanglaufenden Druckleitung sind sätzliche Sicherheitsmassnahme dient woch im Mai 2019. Wie fast je- Farbmarkierungen angebracht. ein Wagen als Puffer zwischen den fünf den Tag seit dem 18. Oktober Wir befinden uns 525 Meter hinter Transportwagen und der Lokomotive. 2018 geht Jean-François Turrian (62) zu dem Eingang des 3,8 Kilometer langen So kann der Stromabnehmer in Kontakt den Gleisen des Bahnhofs Sébeillon in Tridel-Tunnels. Dieser ging 2007 in Be- mit der Leitung bleiben, und die Lok ist Lausanne. Der Rangierlokführer über- trieb, um den in der Region gesammel- vor Steinen geschützt, die von den Wa- nimmt die Steuerung der «Spreiten- ten Müll nach La Sallaz in die Verbren- gen kollern könnten. bach», einer Re 620-Lokomotive. Beglei- nungsanlage Tridel zu transportieren. tet wird er von Rangierarbeiter Simon Nun dient er auch dem Abtransport des Chambettaz (21). Ausbruchs des nahe gelegenen neuen «Wir haben Um 16.21 Uhr geht’s los: Zuerst wer- den die Wagen angehängt, dann kommt Tunnels zwischen den Bahnhöfen Union-Prilly und Lausanne-Chauderon. das Fachwissen.» eine umfassende Bremskontrolle und Der Abtransport des Ausbruchs beginnt Éric Wichoud, schliesslich erfolgt der Wechsel auf erst um 16 Uhr, weil der Tunnel zuvor Baustellenverantwortlicher bei SBB Cargo Gleis 248 in Richtung Tridel-Tunnel. Fast für den Mülltransport genutzt wird – den ganzen Tag war der Zug abgestellt. ebenfalls ausgeführt von SBB Cargo. Jetzt aber befährt er Gleise mit einem Die Leitung ist grün. Es ist 16.42 Uhr. für Züge aussergewöhnlich starken Ge- Sicherheit geht vor Der Zug ist bereit. Die Bauarbeiter brin- fälle von 50 Promille. Simon Chambet- Ein Rangierarbeiter schaltet nun die gen ein Förderband mit einer Kapazität taz sagt: «Wegen der schweren Ladung, 15 000-Volt-Leitung aus. Das zuständi- von 400 Tonnen pro Stunde in Position. die wir befördern werden, müssen wir ge Eisenbahnunternehmen Lausanne– Das über den Tag im Tunnel ausgebro- sicher sein, dass alle Bremsen wirklich Echallens–Bercher (LEB) hat einen chene Gestein kommt an. Der erste Wa- einwandfrei funktionieren.» Streckentrenner mit einem manuellen gen wird beladen. Bei jeder Rangierbewegung tau- Schalter eingebaut, damit der Strom un- schen sich der Rangierlokführer und sein terbrochen und die Fahrleitung ober- Von der Bahnlösung überzeugt Begleiter mit der Betriebszentrale Lau- halb der fünf Wagen geerdet werden SBB Cargo erhielt von LEB den Auftrag sanne aus, die das Netz fernverwaltet kann. «Für die Sicherheit des Zugteams für den Transport und das Recycling des und die Gleise öffnet. Mit seinen fünf und der Personen, welche die Wagen Ausbruchs aus dem Tunnel, der zwi- Wagen wird der Zug rückwärts zum beladen, ist das extrem wichtig», sagt schen den Bahnhöfen Union-Prilly und Tridel-Tunnel manövriert. Der junge Éric Wichoud. Er ist seitens SBB Cargo Lausanne-Chauderon (siehe Kasten Mann übernimmt quasi die Funktion für die Baustelle verantwortlich und be- Seite 8) entsteht. Bis zum Abschluss der der Augen des Lokführers. Über Funk gleitet uns auf der Reportage. Wichoud Arbeiten 2020 sollen insgesamt 200 000 gibt er Anweisungen. Der Zug hält an. erklärt, dass die Leitung grün aufleuch- Tonnen Bauschutt – 120 000 Kubikme- Die beiden Männer arbeiten sehr prä- tet, wenn sie unterbrochen ist, und rot, ter – befördert werden. Am 10. Mai 2019 zis. Am Boden und auf einer den Tunnel wenn sie unter Spannung steht. Als zu- waren es bereits 56 000 Tonnen. 6 SBB Cargo 2 | 2019
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Bloss keine Zeit verlieren: Sobald alles bereit ist, werden die Wagen beladen. Die Ladung besteht grössten- teils aus Erde. Das Gestein wurde bereits abtransportiert. Die Arbeiter schützen sich vor dem Staub. SBB Cargo 2 | 2019 7
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Für den Abtransport des Ausbruchmaterials per Zug wurden enorme Anlagen installiert. Eine strategische Baustelle Das Bahnunternehmen ren mehrere Ausbruch- Lausanne–Echallens– fronten am Tunnel, der in Bercher (LEB) verbindet einer Tiefe von fünfzehn den Gros-de-Vaud mit bis dreissig Metern ver- der Agglomeration Lau laufen wird. Die Tunnel- sanne. Der Bau des Tun- breite von zehn Metern nels zwischen den Bahn- ermöglicht den Bau höfen Union-Prilly und einer Doppelspur, damit Lausanne-Chauderon sich zwei Züge kreuzen ist Teil eines wichtigen können. Die Inbetrieb- Entwicklungsplans. nahme ist für Ende 2020 Dieser umfasst die Infra- geplant, die Arbeiten struktur, die Fahrzeug- zur Neugestaltung der flotte und das Angebot. Oberfläche werden Die öffentliche Hand 2021 abgeschlossen sein. investiert 136 Millionen Franken in den Tunnel- bau. An drei Stellen boh- www.t-l.ch/le-tunnel-du-leb Jean-François Turrian ist passionierter Eisenbahner. 8 SBB Cargo 2 | 2019
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Hier wird gebaut Union-Prilly Um den Tridel-Tunnel für den Abtrans- port zu nutzen, wurde ein fünfzig Me- ter langer Stollen von der Baustelle bis zu den Gleisen gegraben. Der von der siebzehn Meter höher gelegenen Bau- Mathias-Mayor stelle entfernte Ausbruch wird in ein Zwischensilo mit 480 Kubikmeter Fas- sungsvermögen geschüttet. Das För- derband übernimmt die letzten fünfzig Bestehendes Trassee Parc de la Brouette Meter bis zum Zug. Oberirdische Anlagen Warum man sich für die Bahn Unterirdische Ausbruchfronten Lausanne-Chauderon Bereits ausgebrochene Abschnitte lösung entschieden hat, erklärt Michael Ausstehende unterirdische Abschnitte Chatelan, Projektleiter bei den Trans- ports publics de la région lausannoise (TL): «Wir wollten den Tridel-Tunnel nutzen und suchten eine Bahnlösung, die vom Ausbruch bis zur Deponie reicht. Auf diesem Gebiet hat SBB Cargo viel Fachwissen. Die technische Heraus- forderung einer Beladung in starkem Gefälle meisterten die Verantwortlichen nehmen, das den Zuschlag erhalten hat, Die Umsetzung einer solch massge- gekonnt. Im Vergleich zu Lastwagen be- musste für das Förderband erheblich in- schneiderten Lösung ist eine tolle Vi- deutet diese Lösung sicher Mehrkosten, vestieren», sagt Chatelan. sitenkarte für die Zukunft.» Auch Éric doch sie verbessert das Projekt. Alle wa- Erfreut über den Auftrag ist auch Wichoud lobt die Zusammenarbeit mit ren von der Lösung überzeugt: Gemein- Jacques Cottet, Key Account Manager dem Unternehmen Infra Tunnel, den den, Kanton und Partner. Die Anwohner Baulogistik der Region West bei SBB TL und allen übrigen Partnern. werden weniger gestört, und die Umwelt Cargo. «Wir haben in der Westschweiz wird geschont.» bereits ähnliche Aufträge für Abtrans- Auf «Tutu» ist Verlass porte ausgeführt, und als uns das Ingeni- Der erste Wagen ist beladen. In knapp Mit Lastwagen nicht machbar zehn Minuten hat das Förderband Heute werden auf der Baustelle pro Tag 57 Tonnen Schutt abgeladen. Während bis zu 55 Lastwagenfahrten vermieden. «Eine tolle sich der zweite füllt, erzählt Jean- Michael Chatelan betont: «Auch wenn man vom Umweltaspekt absieht: Tech- Visitenkarte.» François Turrian: «Seit 32 Jahren bin ich Lokführer. Wenn alles gut läuft, beende nisch gesehen wären wir gar nicht in der Jacques Cottet, ich meine Karriere mit diesem Tunnel.» Key Account Manager bei SBB Cargo Lage, den Ausbruch mit Lastwagen ab- Er schwärmt von «seiner» Lokomotive: zuführen. Im Tunnel bohren parallel «Sie ist Jahrgang 1975 und hat viel Kraft. vier Maschinen. Ein Baukran hätte nicht Geradeaus kann sie 2500 Tonnen ziehen, die Kapazität, das ganze Material weg- eurbüro Monod-Piguet kontaktiert hat, und sie hat eine sehr hohe Bremskraft. zubringen. Auch den Verkehr der Fahr- passte es auf Anhieb. Es gab mehrere Für die Arbeit in diesem Gefälle brau- zeuge könnten wir nicht bewältigen.» Optionen, aber bei der Tridel-Lösung chen wir das dringend. Ich liebe diese Lo- Die Bauherrschaft hatte strikte An- konnten wir unser Fachwissen ein- komotive, denn sie ist pure Mechanik.» forderungen an das Unternehmen ge- bringen. Für das ganze Westschweizer Éric Wichoud kann auf Turrian stellt, das den Auftrag für den Tunnelbau Team von SBB Cargo ist das ein echter zählen. «Zum Glück ist er dabei. Seine gewinnen wollte. Zusätzlich musste es Erfolg. Auch von der Erfahrung unse- Erfahrung ist wertvoll. Und er lebt die optimale Funktion des Förderbands rer Deutschschweizer Kolleginnen die Leidenschaft für den Beruf. ‹Tutu› gewährleisten. «Infra Tunnel, das Unter- und Kollegen konnten wir profitieren. – so nennen ihn alle – kennt sich aus. SBB Cargo 2 | 2019 9
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Endstation: Steinbruch Le Lessus Am nächsten Morgen um 7.40 Uhr steht der Zug bereits im Steinbruch Le Lessus. Es ist der 92. Zugverband seit Beginn der Bohrungen. Er hat ohne Lok ein Ge- wicht (Ladung + Wagengewicht) von 1399,72 Tonnen. 906,72 Tonnen Aus- bruch waren es am Tag unseres Besuchs auf der LEB-Baustelle. Die für die Entla- dung zuständigen Mitarbeitenden ran- gieren den Zug über die letzten 600 Me- ter, wo der Ausbruch in eine grosse Grube gekippt wird. «Das», sagt Éric Wi- «Wesentlich choud, «ist ein grosser Vorteil. So kön- für das Geschäft» Zuerst hatten wir vier Wagen pro Fahrt nen acht bis neun Wagen auf einmal geplant. Er war es, der herausfand, dass entleert werden, ohne Rangieren.» auch fünf gehen.» Um 8.12 Uhr beginnt das Ausladen «Die Baulogistik hat für SBB Heute läuft die Beladung wie am der Erde. Ein Stück weiter hinten sieht Cargo eine grosse Bedeutung, Schnürchen – im Gegensatz zum Vortag, man den Hügel, der aus dem LEB-Aus- denn sie trägt wesentlich zum als das Ausbruchmaterial wegen der bruch gewachsen ist. John Briquet (27) positiven finanziellen Ergebnis Feuchtigkeit im Silo steckengeblieben vertritt die fünfte Generation im Stein- des Unternehmens bei. Wir be- ist. Sobald ein Wagen voll ist, platzie- bruch. Er erklärt: «Der Ausbruch der wegen uns in einem komplexen ren Turrian und Kollege Chambettaz LEB-Baustelle ist hochwertig, und wir Umfeld und machen mehr, als gemeinsam den nächsten unter dem wollen ihn nutzen. Derzeit warten wir nur Züge von A nach B zu fahren. Förderband. Natürlich ist Präzision un- auf die kantonale Bewilligung für eine Für Bauherren und Unter- abdingbar. Wenn man mit bereits vier Anlage, mit der wir ihn durchsieben nehmen sind wir der einzige vollen Wagen den fünften falsch posi und waschen können. Dann wird da Ansprechpartner in sämtlichen tioniert, wird der Zug zu schwer und raus Kies.» Sein Vater Luc arbeitet seit Anliegen der Materialversor- kann nicht mehr geschoben werden. 1991 Vollzeit im Steinbruch und ist gung und -entsorgung auf den Mit dem Gewicht der Wagen und der dessen Leiter. Er betont: «Dem Gesetz Baustellen. Diese Reduktion Ladung hat die Lokomotive bereits nach ist alles, was in einer Deponie an- auf nur eine Schnittstelle ermög- etwa 720 Tonnen am Haken. Der Mitar- kommt, als rezykliertes Material anzu- licht unseren Kunden eine bes- beiter, der das Förderband bedient, mel- sehen, aber das entspricht nicht der Rea- sere Ver- und Entladeplanung det, heute seien zwanzig Wagen nötig. lität. Wir haben eine Million Tonnen und stabilere Materialtrans- Das Team wird also vier Touren machen. Ausbruchmaterial aus dem Lötschberg porte. Zudem erhöht sie die bearbeitet und zu Primärmaterial auf- Transparenz bezüglich Verant- Vorbereitung für Tag 2 gewertet.» wortlichkeiten im gesamten Es ist 18 Uhr. Der fünfte Wagen ist voll. Bis zu dreissig Wagen kommen täg- Logistikprozess.» Tutu kontaktiert die Zentrale und mel- lich in der Deponie an. Für einen um- det die Abfahrt aus dem Tunnel. Drei fassenden Kundenservice muss SBB Stefan Heeb ist Senior Key Account Manager Baulogistik bei SBB Cargo. weitere Züge fahren am Abend hin und Cargo sich auf das Unternehmen ver- zurück. Am Schluss sind es «nur» sieb- lassen können. «Le Lessus nimmt auch zehn Wagen. Sobald alle in Sébeillon an- den SBB-Schotter aus der ganzen West- gekommen sind, wird der Zug für den schweiz und unsere Wagen aus der Ver- folgenden Tag zusammengestellt und brennungsanlage Tridel auf. Die Zusam- das Total der Betriebszentrale gemeldet. menarbeit ist hervorragend. Im Winter So weiss der Lokführer im Linienbe- können wir den Aushub unserer Genfer trieb, der den Zug zur Deponie Le Les- Baustellen nicht mehr im Neuenbur- sus fährt, was er hinter sich herzieht. Für gersee deponieren, da die Fische dann die zwei Kameraden endet der Tag nach laichen. Auch dann können wir auf Le einer umfassenden Bremskontrolle. Lessus zählen», sagt Éric Wichoud. 10 SBB Cargo 2 | 2019
LOGISTIK-FOKUS: BAULOGISTIK Tiefer geblickt Éric Wichoud ist bei SBB Cargo Foto: Charly Veuthey für Logistik und Überwachung von Grossbaustellen zuständig. Heute sind wir in der West- schweiz aktiver denn je, denn von den 160 Wagen, die «Die Bahnlösung SBB Cargo für diese Arbeiten steht hoch im Kurs» zur Verfügung stehen, sind 77 in der Westschweiz auf den Ein nachhaltiger Baustellen der LEB und des Steinbruch Welche Rolle spielen Arbeiten Étang-Quartiers in Genf im wie jene in Lausanne für das Einsatz. Geschäft von SBB Cargo? Le Lessus wurde 1930 ge- Vor einem Jahr hat SBB Cargo Welche Projekte stehen in gründet und war bis 2000 ein entschieden, verstärkt bei Gross- den nächsten Jahren an? Steinbruch. Nach Ablauf der bauprojekten tätig zu werden. Wir haben zwischen fünfzehn Konzession musste das Un- Wir haben speziell für diesen Be- und zwanzig Baustellen im ternehmen den Hügel von reich ein Team zusammenge- Visier. Jüngst trafen wir uns zu Saint-Triphon wiederherstel- stellt. Unser Ziel ist der Verkauf einer Sitzung über die zu- len. So wurde der Steinbruch eines umfassenden Logistik künftigen Arbeiten des Tief- zum Recyclingunternehmen angebots mit Transport und einer bahnhofs Genève-La-Praille für Gesteinsmaterialien mit schlüsselfertigen Entsorgungs bis 2024. Für die Erneuerung vierzehn Angestellten. lösung. Um Projekte auf eine des Bahnhofs Lausanne ha- Luc Briquet, Besitzer des Bahnlösung auszurichten, arbei- ben wir ein Konzept mit einer Steinbruchs Le Lessus, sagt: ten wir ab der Vorkonzeption Plattform in Lausanne-Sébeil- «Heute ist es unser Ziel, mit mit Ingenieuren zusammen. Im lon. Wir sind im Gespräch mit dem verfügbaren Platz so gut konkreten Fall des LEB-Tunnels dem Bundesamt für Strassen wie möglich umzugehen. bezahlen uns die Transports pu- und dem Kanton Neuenburg Sechzig Prozent des Materi- blics de la région lausannoise über die Umfahrungsstrecken als, das zu uns kommt, werden einen Pauschalpreis pro Tonne, von La Chaux-de-Fonds und aufgewertet und wiederver- der alle Dienstleistungen ein- Le Locle: Sie möchten eine wendet.» Die Geschäftslei- schliesst. Bahnlösung für den Abtrans- tung widmet sich speziell der port des Ausbruchs ohne regionalen Flora und Fauna, Ist der Markt günstig? Verschärfung der Stausituation veranstaltet Konzerte und Die Nachfrage steigt. Die Schweiz durch zusätzliche Lastwagen. Aufführungen und bringt baut viel, um den öffentlichen Wir verfolgen ausserdem bald einen Comic über nach- Verkehr und die Umfahrung gros- mehrere Immobilienprojekte haltige Entwicklung heraus. ser Städte zu fördern. Angesichts in der ganzen Westschweiz. der Volumen, die von Gross- baustellen abtransportiert werden müssen, und der Bestrebungen der öffentlichen Hand zur Vermin- derung von Lastwagentrans- porten liegen alle Vorteile bei uns. Dies umso mehr, als wir auch Lösungen für die Lieferung von Baumaterial bieten können. SBB Cargo 2 | 2019 11
AUF EINEN BLICK Mehr Tempo für Güter Der von der Schweiz geplante «Ausbauschritt 2035» beim Schienenverkehr zielt auch auf den Güterverkehr: Dieser soll schneller werden und zudem vom Rangierbahnhof Basel Personenverkehr weniger Einschränkungen erfahren. Region Basel Text: Alexander Jacobi Infografik: Pia Bublies Lausanne – Rangier- bahnhof Limmattal –5% Massnahmen Güterverkehr Beispiele für Fahrzeit verkürzungen Lausanne – Rangier- bahnhof Limmattal Reduktion der Einschränkun- se Standard-Trassen – 16 % ch gen morgens und abends Region -A durch den Personenverkehr Express-Trassen st Bielersee % Fahrzeitver- O t- kürzungen es W Erhöhung der Transport geschwindigkeit Region Mittelland Region Lausanne Nord Ausbau der Kapazität auf Lausanne einzelnen Abschnitten Triage Region Wallis Unterschiedliche Trassen für den Güterverkehr Genf Lausanne – Sitten – 10 % Sitten Standard-Trassen Express-Trassen Angestrebte Durch- 60 km/h schnittsgeschwindigkeit 80 km/h 100 km/h Höchstgeschwindigkeit 120 km/h 750 m Maximale Zuglänge 400 m 1600 t Maximales Zuggewicht 800 t Harmonisierung der Züge: zuerst die schnelleren, dann die langsameren langsamste Kategorie SBB CFF FFS Cargo Standard- Regio- S-Bahn Güterzüge SBB CFF FFS Cargo Express 12 SBB Cargo 2 | 2019
AUF EINEN BLICK Potenzial der Automatisierung Region Region Zürich Unterland Thurtal Rangierbahnhof Limmattal – Gossau Dichtere Signale – 25 % höhere Kapazität der Strecke Gossau SG Rangierbahnhof Limmattal – Gossau Rangier- bahnhof – 10 % Region Limmattal St. Gallen Anzeige Idealgeschwindigkeit Region im Lokomotivführerstand Zentralschweiz höhere Energieeffizienz Region Graubünden Region Tessin Interaktive Karte mit Detailangaben zu allen Strecken: sbb-step2035.ch/de/gueterverkehr Taktfahrplan für Express-Güterzüge Halbstundentakt Stundentakt 1⁄ 1h 2 h • Zürich – Lausanne • Genf – Lausanne • Zürich – Gossau SG schnellste Kategorie Express- Inter- Inter- Güterzüge SBB CFF FFS Cargo Regio City SBB Cargo 2 | 2019 13
AUF EINEN BLICK D er Bau und die Finanzierung der Bahn- infrastruktur obliegen in der Schweiz der Eidgenossenschaft – nicht einzel- nen Bahngesellschaften. Im Rahmen des «Strategi- schen Entwicklungsprogramms Bahninfrastruk- Gossau SG – schnelle Verbindungen vorgesehen. Im Kernbereich – zwischen Zürich und Lausanne – ist ein Halbstundentakt für Expressverkehr vorge- sehen. Des Weiteren wird der Güterverkehr auch in den Hauptverkehrszeiten des Personenver- tur» schlägt der Bundesrat dem Parlament den kehrs – insbesondere im Raum Zürich – weit weni- CHF «Ausbauschritt 2035» vor. Dieser sieht Investitio- CH ger eingeschränkt als bisher. nen im UmfangC H von rund 12 Milliarden Franken F Auf der West-Ost-Achse bildet SBB Cargo F vor. das Rückgrat des Binnengüterverkehrs, da Gross- CH kunden mit ihren Verteilzentren in diesem Wirt- schaftsraum angesiedelt sind. Dementsprechend F Investitionen von rund CHF CHF baut SBB Cargo das Angebot für ihre Kunden im CH CHF 12 Mrd. CHF Systemwagenladungsverkehr und im kombinier- F CH F Franken ten Verkehr aus. CHF Unterschiedliche Trassen für den Güterverkehr CHF Im Rahmen des Ausbauschritts 2035 werden auf Dank dem Ausbauschritt 2035 profitiert der Schie- der West-Ost-Achse zwei Express-Trassen einge- nengüterverkehr von primär drei Massnahmen: richtet (vgl. Seite 12/13). Dies wird vor allem durch • Reduktion der Einschränkungen morgens betriebliche Massnahmen erreicht. Bauliche Mass- und abends durch den Personenverkehr nahmen wie Überholgleise braucht es nur wenige. • Erhöhung der Transportgeschwindigkeit Neben dem oben erwähnten Halbstundentakt • Ausbau der Kapazität einzelner Abschnitte zwischen Zürich und Lausanne gibt es einen Stun- Verbesserungen beim Rollmaterial hingegen ge- dentakt zwischen Genf und Lausanne sowie zwi- hören in die Verantwortung der einzelnen Bahn- schen Zürich und Gossau SG. unternehmen und sind nicht Teil des Ausbau- Die Express-Trassen werden von Express- schritts 2035. Güterzügen befahren. Diese können aufgrund ihrer Maximalgeschwindigkeit von 120 Kilome- Verkehrsprognosen: starke Zunahme tern pro Stunde mit den schnelleren Personen- Von 1980 bis 2010 hat der Güterverkehr auf der zugskategorien mithalten. Gemäss Ausbauschritt Schiene – gemessen in Tonnenkilometern – um 2035 ist – entsprechend ihrer Geschwindigkeit – 42 Prozent zugenommen. Für die Zeit von 2010 bis die nachstehende Abfolge von Personen- und Gü- 2040 wird eine weitere Zunahme um 45 Prozent terzügen vorgesehen: erwartet. Dies hat das Bundesamt für Raument- wicklung berechnet; es schreibt dabei die Entwick- 1. InterCity lungen der Vergangenheit (Wachstum von Bevöl- 2. InterRegio kerung und Wirtschaft) fort. 3. Express-Güterzüge + 45 % 4. RegioExpress 5. Standard-Güterzüge + 42 % 6. S-Bahn (wegen vieler Halte am langsamsten) Dank dieser Zugfolge ergibt sich eine Harmoni- sierung der Züge: zuerst die schnelleren, dann die langsameren. Damit kommen sich die Express- 1980 2010 2010 2040 Güterzüge und die schnellen Personenzüge nicht in die Quere. Es gibt also weniger Überholmanöver Schnellere Verbindungen für den Güterverkehr durch Personenzüge und weniger Wartezeiten für Beim Personenverkehr geht es vordringlich darum, Güterzüge. Damit erhöht sich die Kapazität einer die Überlast auf einzelnen Strecken zu entschär- Strecke deutlich. fen; eine Verkürzung der Reisezeit steht nicht im Vordergrund. Beim Güterverkehr ist das anders: Er Potenzial der Automatisierung ausschöpfen soll schweizweit schneller werden. Insbesondere Um die bestehende Infrastruktur effizienter zu nut- sind auf der West-Ost-Achse – zwischen Genf und zen, setzt die SBB auf mehr Automatisierung. So 14 SBB Cargo 2 | 2019
AUF EINEN BLICK Tiefer geblickt Was ist eine Trasse? Eine Trasse (auch Fahrplan-Trasse genannt) ist die Berechtigung, eine bestimmte Strecke des Bahnnetzes zu fix definierten Zeiten mit einem spezifischen Zug (Länge, Gewicht, Profil, Geschwindigkeit) zu befahren. Bei den Trassen für den Güterverkehr wird unterschieden zwischen Standard-Trassen und Express-Trassen: Standard- Express- Trassen Trassen Philipp Buhl ist Leiter Netz entwicklung Güterverkehr bei Angestrebte Durchschnittsgeschwindigkeit 60 km/h 80 km/h SBB Infrastruktur. Höchstgeschwindigkeit 100 km/h 120 km/h Maximale Zuglänge 750 m 400 m Maximales Zuggewicht 1600 t 800 t «Schneller, aber trotzdem bezahlbar» werden im Rahmen des Ausbauschritts 2035 die Welches ist für den Güter- Signale dichter gestellt, damit mehr Zugabschnitte verkehr das Ziel des entstehen. Da pro Abschnitt aus Sicherheitsgrün- Ausbauschritts 2035? den immer nur ein einziger Zug unterwegs sein Der Schienengüterverkehr muss darf, führen mehr Abschnitte zu mehr Zügen, die schneller werden. Nur so kann er hintereinanderfahren. Dies erhöht die Kapazität. gegenüber der Strasse konkur- renzfähig bleiben. Fahrzeit verkürzen Aufgrund des Ausbauschritts 2035 wird sich die Wie soll das erreicht werden? Fahrzeit der Güterzüge um durchschnittlich zehn In erster Linie gehen wir die bis zwanzig Prozent verkürzen. In der Karte auf betriebliche Seite an, das heisst, Seite 12/13 sind Beispiele für einige Strecken auf- wir verbessern die Fahrpläne. geführt. Erst in zweiter Linie und nur wo nötig bauen wir die Infrastruk- Wie geht es weiter? tur aus. Da Infrastrukturbauten teuer sind, wird der Güterver- parlamentarische kehr dank diesem Vorgehen be- Beratung zahlbar bleiben. Wie wird sichergestellt, dass eventuell Anpassungen sich Personen- und Güter verkehr nicht gegenseitig be- hindern? Vorschlag des Parlament Bundesrats eventuell Die Express-Güterzüge werden (Ende Oktober 2018) Referendum und mit den schnellen Personen Volksabstimmung zügen mithalten können. Damit reduzieren wir die Anzahl Über- holmanöver. Dies wirkt beschleu- nigend und erhöht die Kapazität einer Strecke. SBB Cargo 2 | 2019 15
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KUNDENSICHT Ein weltbekanntes Produkt auf die Bahn geholt SBB Cargo und die Camion Transport AG machen einmal mehr gemeinsame Sache: Seit diesem Frühjahr sind sie für die Distribution von Coca-Cola in mehrere Regionen der Schweiz zuständig – ein weiterer Meilenstein in der langjähri- gen Zusammenarbeit der beiden Transportunternehmen. Text: Michelle Russi Fotos: Gian Marco Castelberg I Die Camion st es etwas Essbares? Sind es Gefah- hat Thomas Omelko, Niederlassungslei- rengüter? Oder etwas so Unspekta- ter Getränkelogistik bei Camion Trans- kuläres wie Haushaltspapier? Wer port am Standort Rümlang. Da Omelko Transport AG einen Güterzug von SBB Cargo vorbei früher selbst für die Coca-Cola Hellenic in Zahlen fahren sieht, mag sich fragen, was sich eigentlich so alles in diesen Bahnwagen stapelt. Des Rätsels Lösung ist nicht ein- «Coca-Cola legt 1925 fach, so viel jedoch sei verraten: Seit Mitte Mai 2019 befindet sich in einigen wie wir viel Wert auf gegründet Wagen ein Produkt, das wir alle bestens Nachhaltigkeit.» kennen. Die Rede ist von Coca-Cola, je- nem Getränk, das 1886 in den USA zum Thomas Omelko, Niederlassungsleiter Getränkelogistik 1400 ersten Mal ausgeschenkt wurde und Mitarbeitende seit 1936 auch hier in der Schweiz pro- duziert wird. Bottling Company (HBC) Schweiz tätig Die Neuverkehre mit Coca-Cola war, kennt er das Unternehmen bestens 14 werden von der Camion Transport AG und konnte entsprechend gut zwischen Standorte in der koordiniert. Seit 1996 arbeitet SBB Cargo den Parteien vermitteln. Nach ersten ganzen Schweiz, mit dem traditionsreichen Transport- Gesprächen vor rund zwei Jahren, einer Hauptsitz in Wil SG und Logistikunternehmen im Stückgut intensiven Planungsphase und ersten bereich zusammen. Per LKW werden die Pilotfahrten Ende 2018 fährt SBB Cargo Getränke von der Abfüllanlage im zür- nun wöchentlich 190 Paletten mit Pro- 630 cherischen Brüttisellen in das Waren dukten von Coca-Cola von Rümlang in Fahrzeuge lager von Camion Transport in Rümlang die Migros-Regionalzentren. Während gebracht, wo der Umschlag auf die Gü- Promotionsphasen sind es bis zu 760 Pa- terwagen von SBB Cargo stattfindet. letten pro Woche, auf das Jahr hochge- 170 000 m2 Diese transportieren die Paletten in rechnet ergibt dies 22 000 Paletten mit Lagerfläche neun verschiedene Regionallager der 160 verschiedenen Produkten der Coca- Migros in der ganzen Schweiz. Cola HBC Schweiz. Bei SBB Cargo freut man sich nicht Ø 7500 Hoffen auf weitere Firmen nur über die Neuverkehre an sich, son- Sendungen pro Tag Bei den Verhandlungen zwischen Mig- dern auch über den prominenten Kun- ros, Coca-Cola, SBB Cargo und Camion den. «Coca-Cola ist eine Topmarke, und Transport eine wichtige Rolle gespielt wir versprechen uns eine Sogwirkung SBB Cargo 2 | 2019 17
KUNDENSICHT 14 256 000 Liter SBB Cargo befördert über 14 Mio. Liter Coca-Cola pro Jahr. Das entspricht 95 040 Badewannen 221,2 40-Fuss-Standardcontainern 3,8 olympischen Schwimmbecken 18 SBB Cargo 2 | 2019
KUNDENSICHT Coca-Cola, so weit das Auge reicht: Thomas Omelko (rechts) führt Marcel Roth durch das Getränkelager in Rümlang. von diesen neuen Transporten», betont Omelko einen Grund. Gefordert seien Marcel Roth, Key Account Manager «Wir hoffen, dass insbesondere die Planer, die jeweils viel beim Bahnunternehmen. Er hofft, dass andere Firmen dem Beispiel folgen, andere Firmen dem stärker vorausdenken müssten. Zu Be- ginn der neuen Partnerschaft mit Coca- wenn sie sehen, dass das Ganze funktio Beispiel folgen.» Cola galt es zudem, die Interessen aller niert. Roth ist zuversichtlich, schliesslich involvierten Parteien zu berücksichtigen Marcel Roth, arbeiten SBB Cargo und Camion Trans- Key Account Manager bei SBB Cargo und die verschiedenen IT-Systeme auf- port seit Jahren eng und erfolgreich zu- einander abzustimmen – keine simple sammen: Alleine in den letzten sieben Aufgabe. Mittlerweile aber, davon ist Key Jahren hat die Transportmenge, die SBB und Stelle in Dietlikon ZH und Vals GR. Account Manager Marcel Roth von SBB Cargo für Camion Transport fährt, um 95 Prozent aller Zutaten von Coca-Cola Cargo überzeugt, stimmt es für alle Be- rund dreissig Prozent zugenommen. stammen von Schweizer Lieferanten, teiligten: «Gemeinsam konnten wir eine «Camion Transport ist ein Partner, auf so zum Beispiel der Zucker, die Kohlen- für alle vorteilhafte Lösung finden.» den wir uns verlassen können.» Auch säure und das Trinkwasser. für das Rangierteam von SBB Cargo, Nachhaltigkeit ist auch für Camion das einen sehr straffen Zeitplan hat, fin- Transport ein zentraler Faktor. Das Fami- det Roth nur lobende Worte: «Unser lienunternehmen verfolgt mit seinem Rangierteam vor Ort leistet hervorra- Programm «Eco Balance» seit 2010 das gende Arbeit. Dessen täglicher Effort Ziel, Ökonomie und Ökologie mit ver- bei Wind und Wetter ist essenziell für schiedenen Massnahmen im Gleich- die reibungslose Gesamtabwicklung des gewicht zu halten. Was das konkret Geschäfts.» bedeutet? «Wir nutzen beispielsweise alternative Antriebssysteme für unsere Eine Lösung, die für alle stimmt Fahrzeuge sowie den Nachtsprung mit Ebenfalls zufrieden mit der neuen Lö- der Bahn, um unsere Güter über Nacht sung ist die Camion Transport AG, die zu transportieren», erklärt Omelko. den schweizweiten Transport von Coca- Überhaupt setzt das Unternehmen stark Cola-Produkten bereits im Februar 2017 auf die Kooperation mit der Bahn: Aktu- übernommen hat. Man sei sehr stolz, für ell erfolgen rund zwei Drittel seiner Gü- einen so prestigeträchtigen Kunden tertransporte auf der Schiene. fahren zu dürfen, lässt Niederlassungs- Unternehmen von einer Bahnlö- leiter Thomas Omelko verlauten. «Aus- sung zu überzeugen, ist allerdings nicht serdem legt Coca-Cola wie wir viel immer einfach. «Auf der Strasse ist man Wert auf Nachhaltigkeit.» Seit 1936 pro- viel flexibler als auf der Schiene, deshalb duziert Coca-Cola HBC Schweiz über sind kurzfristige Änderungen bei Bahn- achtzig Prozent ihrer Getränke an Ort lösungen nur bedingt möglich», nennt SBB Cargo 2 | 2019 19
REPORTAGE GIPFELTREFFEN «Eine Pioniertat für die Zukunft des Güterverkehrs» Die automatische Kupplung ist für Peter Füglistaler (Bundesamt für Verkehr) und Nicolas Perrin (SBB Cargo) mehr als eine Innovation. Ein Gespräch über Automatisierungen, Strahlkraft und finanzielle Gewinne im Eisenbahnverkehr. Interview: Ruedi Eichenberger Fotos: Daniel Winkler 20 SBB Cargo 2 | 2019
GIPFELTREFFEN Endlich in Action: Mitte Mai 2019 wurde die auto- matische Kupp- lung den Medien präsentiert. Das Bundesamt für Verkehr beteiligt sich substanziell am Einstieg von SBB Cargo in die automatische Kupplung. Warum dies? Peter Füglistaler: Unsere Innovationsbeiträge leiten sich aus dem Auftrag ab, der Wirtschaft eine leis- tungsfähige Transportlogistik zur Verfügung zu stellen. Die automatische Kupplung macht die Produktion auf der Schiene wesentlich effizienter. Das hilft SBB Cargo, wettbewerbsfähig zu sein. Der Anfang ist ziemlich bescheiden – ein Pilot- betrieb mit 100 Güterwagen und 25 Lokomotiven im kombinierten Verkehr zwischen fünf Termi- nals. Wo liegt das wahre Potenzial? kaum verändert und drohen bei weiterem Stillstand Nicolas Perrin: Für einen Praxistest unter Echt- die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Last- bedingungen ist ein begrenzter Pilotbetrieb ideal. wagen zu verlieren. Das Automatisierungsprojekt Ziel ist eine breitere Anwendung im Binnenver- ist ein Weckruf: Bahn und Bund investieren in die kehr, auch im Nachtnetz und mit einzelnen Kun- Zukunft des Binnengüterverkehrs auf der Schiene. den. Wir sehen ein grosses Potenzial, wirtschaftlich und marktmässig. Zudem sagen wir offen: Wir wollen einen Stein Richtung Europa werfen und «Wir Bahnen haben eine europäische Entwicklung anstossen. Innovationen zu wenig Die Schweiz trägt die automatische Kupplung vorangetrieben.» nach ganz Europa: Das hört sich ambitioniert an. Nicolas Perrin, Füglistaler: Keine falsche Bescheidenheit! Die CEO SBB Cargo Schweiz hat die Neat gebaut, die LSVA erfunden, die lärmarmen Güterwagen durchgesetzt. Sie gilt in Europa verkehrspolitisch als Vorreiterin und Was haben die Kunden von SBB Cargo davon? punkto Eisenbahn als Vorbild. Sie ist hoch aner- Perrin: Sie können signifikant raschere Transporte kannt und glaubwürdig. Wir bieten ein gutes Um- erwarten. Das Handling am Zug mit Rangieren feld für Innovationen und haben schon andere und Zugvorbereitung ist bis heute aufwändig und Entwicklungen wie die europäische Zugsicherung braucht viel Zeit. Allein eine halbe Stunde Zeit- und -steuerung angestossen. Die automatische ersparnis fällt in der kleinen Schweiz ins Gewicht. Kupplung ist eine weitere Pioniertat für die Zu- Immer mehr Kunden fordern von uns raschere kunft des Schienengüterverkehrs mit Strahlkraft. Abläufe, zum Beispiel für Paket-, Stückgut- oder Perrin: Entscheidend ist: Bahn und Behörde span- Lebensmitteltransporte. nen dabei zusammen. Dieser gemeinsame Mut zeichnet uns als Bahnland aus. Die automatische Wohin fliesst der Rationalisierungsgewinn? Kupplung ist ein zentrales Element. Es folgen Perrin: Zweierlei treibt uns an. In den nächsten aber noch weitere Schritte zur Teilautomatisierung Jahren gehen 400 langjährige Mitarbeiter in Pen- auf der «letzten Meile», nämlich die automatische sion, die nicht leicht zu ersetzen sind. Zudem Bremsprobe und ein Kollisionswarnsystem. Dies wollen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern. rationalisiert und beschleunigt die Produktion. Mit neuen Technologien können wir Logistik- ketten beschleunigen und so neue Märkte gewin- Steht es dem Bund zu, dafür Risikokapital ein- nen. Für die nötigen Investitionen brauchen wir zuschiessen? ein stabileres Ergebnis. Füglistaler: Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich vor, Füglistaler: Ich stehe Gewinnen im Eisenbahn Innovationen zu fördern. Ich sehe die Kupplung verkehr skeptisch gegenüber, doch für SBB Cargo nicht isoliert, sondern als Impuls für weitere Tech- sind sie nötig. Nur so kann sie investieren und nologieschritte im Güterverkehr. Die Güterwagen wachsen. Ein angemessener Gewinn ist hier im haben sich in den vergangenen hundert Jahren Interesse des Bundes. SBB Cargo 2 | 2019 21
GIPFELTREFFEN Die Gesprächspartner Was lief im Schienengüterverkehr in den letzten Jahren schief? Füglistaler: Er hatte zu viele schlechte Geschichten – Abbau, verschiedene Neuausrichtungen, Defi- zite, kaum technischer Fortschritt. Um Kunden zu gewinnen, braucht SBB Cargo neues Vertrauen. Nur mit längerfristigem Vertrauen in die Bahn neh- men die Kunden die nötigen eigenen Investitio- nen auf sich – zum Beispiel in Wechselbehälter oder Verladeanlagen. Perrin: «Wir verbessern das System»: Das ist ein positives Signal an alle Beteiligten – Kunden, Politik und das eigene Personal. In der Rückschau darf Kritik durchaus sein. Sie geht an uns und an die ganze Branche: Wir Bahnen haben Innovationen zu wenig vorangetrieben, und die Eisenbahnindu- strie zeigte sich im Gütersektor auch nicht sehr initiativ. Mehrere Elemente im laufenden Pilot- projekt kommen denn auch von branchenfrem- Peter Füglistaler (59, rechts im Bild) ist seit zehn den Zulieferern. Jahren Direktor des Bundesamts für Verkehr, der Aufsichtsbehörde über den öffentlichen Verkehr und den Güterverkehr. Davor war er in Kaderpositionen «Die Schweiz gilt verkehrs- bei der SBB tätig, nämlich als Leiter der Unterneh- politisch als Vorreiterin mensplanung, als Generalsekretär und als Finanz- chef der Infrastruktur. Füglistaler hat an der Hoch- in Europa.» schule St. Gallen in Volkswirtschaft doktoriert. Peter Füglistaler, Direktor Bundesamt für Verkehr Nicolas Perrin (60) leitet SBB Cargo seit 2007 und gehörte bis Ende 2018 der SBB-Konzernleitung an. Er ist diplomierter Bauingenieur ETH und arbeitet seit Der Pilotbetrieb betrifft den Wagenladungs- 1987 bei den Bundesbahnen. verkehr. Bei Blockzügen sind das Rangieren und damit die automatische Kupplung weniger wichtig. Liegt die Zukunft nicht eher dort? Perrin: Es braucht weiterhin beide Systeme und es profitieren beide. Langen Ganzzügen bringt die Parlament. Die Strasse könnte gar nicht den ganzen automatische Bremsprobe sogar mehr Zeiterspar- Verkehr bewältigen. Wir sind überzeugt, dass der nis als Wagenladungen. Die automatische Kupp- Binnengüterverkehr auf der Schiene im Wettbe- lung nützt ihnen, weil sie leichtere Wagen ermög- werb und ohne Subventionen bestehen kann. licht, den Kräftefluss verbessert und höhere Perrin: Die Rahmenbedingungen des Bundes sind Tempi zulässt. gut und bleiben es hoffentlich auch. Auch wir wollen Binnengüterverkehr unternehmerisch be- Im Binnenverkehr besitzt die Bahn keinen treiben. Unternehmergeist erzeugt das beste Verlagerungsauftrag. Was will der Bund trotzdem Angebot. Wo die Bahn stark ist, entwickeln wir von ihr? Verkehr auch mit Kantonen und Gemeinden. Füglistaler: Auch ohne expliziten gesetzlichen Ver- lagerungsauftrag ist es ein klares politisches Ziel, Der Strassentransport leidet unter Staus, er- den Marktanteil der Schiene hoch zu halten. Die hebt manchmal sogar Stauzuschläge und be- parlamentarischen Verhandlungen zum Güter- klagt einen Chauffeurmangel. Ist die Stärke der transportgesetz lassen daran keinen Zweifel, und Schiene eher das Produkt momentaner wir rapportieren den Schienenanteil jährlich dem Schwächen der Strasse? 22 SBB Cargo 2 | 2019
GIPFELTREFFEN Peter Füglistaler sieht in Schiene und Strasse heut- zutage «kaum mehr Rivalen». Füglistaler: Dies sehe ich nicht so. Die Bahn ist Perrin: Auslösendes Element waren die beiden Pilot- keine Restgrösse. Sie ist genügend stark, um sich betriebe. Sie zeigten, dass auf Kundenseite die im Markt zu behaupten. Schiene und Strasse sind Flexibilität grösser ist als angenommen. Manche kaum mehr Rivalen. Die Kunden wollen einfach Kunden erkannten neue Möglichkeiten und Lösungen für ihre Transportbedürfnisse. Chancen für neue Logistikkonzepte. Wir sprachen Perrin: Die Verkehrsinfrastruktur ist ein knappes mit vielen Kunden und kamen zum Schluss, dass Gut, für den Schienen- wie für den Strassentrans- rasches Handeln für sie selber besser ist als eine port. Wir haben den grossen Systemvorteil, dass lange Übergangsphase. die Belastung der Schiene dank Fahrplänen bere- chenbar ist. Dagegen ist unsere Logistik oft kom- Gefällt Ihnen dies, Herr Füglistaler? plizierter. Der Ausbauschritt 2030/35 enthält ge- Füglistaler: Nicht gefallen hat mir, dass die Ankündi- zielte Vorhaben für den Güterverkehr und sichert gung von Abbauplänen in den letzten Jahren die Trassen für alle Verkehre. Branche wiederholt verunsichert hat. Optimierun- gen zusammen mit den Kunden sind eigentlich Weshalb treibt der Bund die Öffnung von SBB selbstverständlich. In einer eigenwirtschaftlichen Cargo für Dritte voran und will dem Güterbereich SBB Cargo ist dies eine Daueraufgabe. Wir schrei- im SBB-Konzern mehr Selbständigkeit geben? ben ihr auch nicht vor, wie ihr Bedienkonzept aus- Füglistaler: Weil wir eine starke Güterbahn wollen. sehen soll und in welche Täler sie fahren muss. Der integrierte Konzern hat viele Vorteile, doch Das ist ihre eigene Verantwortung. SBB Cargo wurde darin zunehmend Verlierer. Die Beteiligung Dritter und ein externes Präsidium Wo wollen Sie SBB Cargo in fünf Jahren sehen? im Verwaltungsrat können einen deutlichen Mehr- Füglistaler: Als ein Unternehmen, das jedes Jahr wert bringen und SBB Cargo agiler handeln lassen. Marktanteile im Binnengüterverkehr gewonnen SBB Cargo wird indes mehrheitlich ein staatseige- hat. Es erwirtschaftet jedes Jahr einen hübschen nes Unternehmen bleiben. Gewinn und verwendet ihn für Investitionen. Und Perrin: Wir bleiben Teil der SBB-Familie und des das Ausland schaut neidisch auf uns, weil wir als Gesamtsystems Bahn. Unsere Strukturen müssen Erste die automatische Kupplung eingeführt haben. aber einfacher und die Entscheidungswege kürzer Perrin: Als die Bahn, die dank richtiger Produkte, sein. Auch unsere Kunden sind vielfach Familien- Unternehmertum und Innovation nicht mehr ums unternehmen, die rasch entscheiden können. Überleben kämpft, sondern für die Schweizer Logistik eine entscheidende Rolle spielt. Ich messe Auf Tempo macht SBB Cargo bereits beim es daran, ob die nächste Generation sagen wird: Einzelwagenladungsverkehr. Sie wollen die Mit der Automation haben sie das Richtige getan. Überprüfung des Bediennetzes schon drei Jahre früher als geplant abgeschlossen haben. Wie kommt das? SBB Cargo 2 | 2019 23
INNOVATION Das grosse Automatisieren Facelifting einmal anders: Der in die Jahre gekommene Schienengüterverkehr in der Schweiz braucht dringend eine Verjüngungskur. Dafür besorgt sind mehrere Innovationsteams von SBB Cargo mit teils sehr umfangreichen Projekten. Text: Michelle Russi Illustration: Pia Bublies W er nicht an die Zukunft Um den von Konfuzius vorhergesagten denkt, wird bald grosse «grossen Sorgen» vorzubeugen, inves- Sorgen haben.» Das Zitat tiert SBB Cargo bereits seit Längerem des chinesischen Philosophen Konfu in innovatives, intelligentes Rollmate- zius – obwohl lange vor unserer Zeit rial und in die Automation von Betriebs- entstanden – könnte die Situation von abläufen. Als erste Güterbahn Europas SBB Cargo nicht treffender umschrei- treibt SBB Cargo beispielsweise den ben. Das Bahnunternehmen sorgt schon Einsatz der automatischen Kupplung heute aktiv dafür, dass es morgen nicht und die Einführung der automatischen vor zu grossen Problemen steht. Einer- Bremsprobe voran. Zusammen mit dem seits ist der Schienengüterverkehr stark Kollisionswarnsystem bilden die beiden unter Druck. Die Wettbewerbsfähigkeit Innovationen den sogenannten Ein-Per der Strasse dürfte weiter zunehmen, sonen-Betrieb. Dieser ist zentral für den Elektrofahrzeugen und selbstfahrenden von SBB Cargo angestrebten teilauto- Autos sei Dank. Ausserdem machen di- matisierten Bahnbetrieb. gitale Lösungen und verbesserte Logis tikprozesse den Warentransport auf der Strasse künftig noch schneller und effizi- enter. Andererseits muss sich SBB Cargo als Arbeitgeberin dem demografischen Wandel stellen und sich auf den Genera- tionenwechsel vorbereiten. Weil Berufe wie Rangierer und Lokführer bei jungen Arbeitnehmenden wenig beliebt sind, droht ein Personalmangel. Diesen gilt es ebenso aufzufangen wie die prognos- tizierte Zunahme an Güterströmen in- folge der wachsenden Bevölkerung. 24 SBB Cargo 2 | 2019
INNOVATION Ein-Personen-Betrieb 1. Automatische Kupplung Ausgangslage: Das Rangieren von Güterwagen kostet viel Geld und Zeit und ist in seiner heutigen Form sehr in- effizient. Zudem ist die Arbeit für die Rangierspezialisten körperlich anstren- gend und wenig ergonomisch. 2. Automatische Bremsprobe Ausgangslage: Für die manuelle Bremsprobe läuft ein technischer Kon- Ziel: Mit der automatischen Kupp- trolleur heute zweimal den Zug entlang lung werden Wagen und Lokomotiven und prüft, ob sich die Bremsen ord- automatisch zusammengehängt. Das ge nungsgemäss anlegen und lösen lassen. schieht durch langsames Zusammen- Bei einem 500 Meter langen Zug dauert schieben der Wagen. Zum Entkuppeln dieser Vorgang bis zu vierzig Minuten. ist nur ein Handgriff nötig, ein Kabelzug wird dabei manuell betätigt. Das neue System beschleunigt den Rangiervor- gang und erhöht die Sicherheit für das Rangierpersonal. Aktueller Stand: Seit Mai 2019 sind Ziel: In Zukunft werden der techni- 100 Wagen und 25 Lokomotiven mit sche Zustand der Fahrzeuge durch Sen- der automatischen Kupplung im Regel soren überprüft und der Bremsstatus per betrieb unterwegs. Die Züge transpor- Funk an den Lokführer übermittelt. Die tieren Güter im kombinierten Verkehr Bremsprobe dauert statt vierzig noch zwischen dem Hub in Dottikon und den rund zehn Minuten. Zusammen mit dem Terminals in Dietikon, Oensingen, Re- Kollisionswarnsystem auf der Rangier- nens, Cadenazzo und Lugano Vedeggio lok – einer mit visuellen und akustischen sowie nach Biasca und Mendrisio. Signalen weiterentwickelten Funkfern- steuerung – soll die Zugvorbereitung dann mit nur noch einem Mitarbeiter möglich sein. Daumen hoch! Aktueller Stand: Seit Sommer 2019 wird die automatische Bremsprobe ge- Die ersten Wochen nach Einführung der auto- testet. Die Inbetriebnahme mit allen matischen Kupplung in den Regelbetrieb sind Sicherheitsfunktionen ist für Frühjahr nach Plan verlaufen. Die Verkehre sind stabil, 2020 vorgesehen. die Kunden erhalten ihre Waren pünktlich. Not- wendige technische Anpassungen zur Optimie- Die Umrüstung der Loks und Wagen rung sind bereits adressiert und werden laufend auf die neuen Systeme kostet SBB Cargo vorgenommen. Auch die Mitarbeiterinnen und rund 15 Millionen Franken. 9 Millionen Mitarbeiter, die täglich mit dem neuen System Franken oder sechzig Prozent der Inves- arbeiten, haben grösstenteils positiv auf die titionskosten steuert das Bundesamt für Innovation reagiert. SBB Cargo hat im Vorfeld Verkehr (BAV) bei. Für dessen Direktor viel Zeit und Energie in die Schulung von rund Peter Füglistaler steht fest, dass das Pilot- 200 Mitarbeitenden investiert. projekt keine Schweizer Sonderlösung SBB Cargo 2 | 2019 25
INNOVATION bleiben, sondern als Vorbild für andere europäische Güterbahnen dienen soll. «Es ist klar unsere Ambition, das gute Beispiel in ganz Europa zu etablieren», sagte Füglistaler anlässlich der offiziellen Einführung der automatischen Kupp- lung Anfang Mai 2019. Und Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo, sprach gar von einem historischen Vorhaben: «Ich hoffe, dass wir damit für den Schienen- güterverkehr Geschichte schreiben.» Bei der Entwicklung der automatischen Kupplung und der automatischen Bremsprobe setzt SBB Cargo auf die Zu- sammenarbeit mit europäischen Part- nern (Unternehmen wie Voith, PJM, VTG und den beiden Güterbahngesell- schaften Rail Cargo Austria und Merci- Neue Prüflogik talia). Wenn sich die neuen Systeme im Ausgangslage: Güterwagen müssen Regelbetrieb bewähren, dürfen sich die täglich auf verschiedene Merkmale Kunden von SBB Cargo in Zukunft kontrolliert werden. Heute erfolgt die über schnellere und stabilere Trans- technische Kontrolle ausschliesslich porte freuen. Zudem lanciert das Bahn- manuell. Bei Änderung der Ladung sind unternehmen ein neues, umfassendes sogar mehrere Kontrollgänge pro Tag Kundenportal (siehe Seite 27). Weitere vorgeschrieben. Innovationsprojekte sind die Projekte Ziel: Streckenseitig installierte An- «Kollisionswarnsystem» und «Neue lagen wie Sensoren und Kameras (Way- Prüflogik». side Intelligence) sowie intelligente Elemente an den Güterwagen selbst 3. Kollisionswarnsystem (Asset Intelligence) sollen den aktuel- Ausgangslage: Die Zugabfertigung len Wagenzustand so umfassend dar- erfolgt heute meistens durch zwei Mit- stellen, dass eine systematische ma- arbeitende. Ein Mitarbeiter verantwor- nuelle Prüfung vor jeder Abfahrt des tet den Rangierbetrieb, während ein an- Zuges nicht mehr notwendig ist. Allfäl- derer die Lokomotive fährt. lige Schäden können dann bequem vom Computer aus überprüft und dokumen- tiert werden. Aktueller Stand: Seit Herbst 2017 ist eine erste Pilotanlage installiert. Das System wird laufend weiterentwickelt, Ziel: Künftig soll der Fahrweg auf Ende 2019 geht das erste digitale Con- der Seite der Rangierlok mit Funkfern- trol-Center in den Testbetrieb. steuerung, Sensortechnik und Bildüber- tragung kontrolliert werden. Dadurch kann der Betrieb teilautonom erfolgen. Das Kollisionswarnsystem ist – ne- ben der automatischen Kupplung und Bremsprobe – die dritte Komponente für den Ein-Personen-Betrieb. Aktueller Stand: Im Herbst 2019 stehen funktionale Tests an. 26 SBB Cargo 2 | 2019
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