Treiber des Verkehrswachstums
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Umweltbundesamt 06.10.03 Dr. Hedwig Verron Treiber des Verkehrswachstums Der folgende Bericht setzt sich mit der Frage der Verkehrsentstehung auseinander. Er ver- sucht, den Stand des Wissens zu diesem Thema aufzuarbeiten und zusammenfassend dar- zustellen. Als wesentliche Treiber der Verkehrsentstehung werden die Siedlungsentwicklung, Handel und Produktion, sowie der Freizeit- und Urlaubsverkehr untersucht. Ziel ist es, den aktuellen Handlungs- und Forschungsbedarf zur Strategie der Verkehrsvermeidung zu kon- kretisieren. Nicht immer lassen sich Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung strikt trennen. So konnte zum Beispiel die heutige Siedlungsstruktur nur durch die Verlagerung des Verkehrs zum Automobil entstehen. Wenn heute versucht wird, neue Siedlungen so zu gestalten, dass sie auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossen werden können, liegt darin auch ein verkehrsvermeidender Aspekt. Umgekehrt schafft die räumliche Mi- schung von Nutzungen die Voraussetzung für den Erhalt des oder den Zuwachs beim Fuß- gänger- und Fahrradverkehr. Das Thema Verkehrsverlagerung soll hier jedoch nur gestreift und nicht umfassend aufgearbeitet werden. 1. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen: die räumliche Verteilung von Quelle und Ziel beeinflusst den Verkehrsaufwand Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in Deutschland sind in den letzten Jahrzehnten im- mer weiter auseinandergerückt. Die Siedlungsfläche hat sich sehr stark ausgebreitet, die Landschaft wurde mehr und mehr zersiedelt. Dies ging Hand in Hand mit der Zu- nahme des motorisierten Straßenverkehrs. Einerseits wäre diese Siedlungsentwick- lung ohne das Auto nicht möglich gewesen, andererseits trug das kontinuierliche Siedlungswachstum zum Verkehrswachstum wesentlich bei. Um Verkehr durch kürze- re Wege zu vermeiden, sind daher dichtere, kompakte bauliche Strukturen und eine stärkere Nutzungsmischung von Wohnen, Arbeiten und Versorgen anzustreben. Mit der Umsetzung des Leitbildes der dezentralen Konzentration, das den Siedlungsdruck im Umland der Städte in Siedlungsschwerpunkten mit guter Versorgungsstruktur zu bündeln sucht, werden Wegelängen reduziert und die Chancen für die Erschließung durch Öffentliche Verkehrsmittel erhöht. Siedlungsflächen weiten Die Veränderung der Siedlungsstruktur seit den 60er Jahren sich aus wird durch verbesserte Verkehrsangebote und niedrige Trans- portkosten begünstigt. Am Anfang dieser Entwicklung siedel- ten vor allem Wohnungsbau und Gewerbe an den Stadtrand oder ins Stadtumland um. Es folgten die großen Einzelhan- delseinrichtungen und seit den 90er Jahren verstärkt auch Büroarbeitsstätten und andere Dienstleistungen. Nach wie vor ist die Konzentration des Handels und des Dienstleistungsge- b i d I tädt h h Gl i h iti h t di ä li
werbes in den Innenstädten hoch. Gleichzeitig hat die räumli- che Verflechtung auf regionaler Ebene zugenommen. Konzentration im Einzel- handel Seit Jahren ist im Einzelhandel ein Konzentrationsprozess im Gang, der mit einer Abnahme der Anzahl der Geschäfte ein- hergeht. So hat sich die Anzahl der Selbstbedienungs- Geschäfte im Lebensmittelhandel zwischen 1970 und 1990 fast halbiert. Im gesamten Bundesgebiet und ganz extrem in den neuen Ländern haben sich außerhalb der Stadtgebiete große Einzelhandelsmärkte niedergelassen. Die Standorte bieten in der Regel eine schlechte bis gar keine ÖPNV- Anbindung, dagegen gute Pkw-Erschließung und große Park- plätze. Flächenansprüche stei- Sowohl im Wohnungs- als auch im Gewerbebau weisen die gen neuen Standorte erheblich niedrigere städtebaulichen Dichten auf. Flächenansprüche steigen, sowohl beim Wohnen als auch im Gewerbe. Vor 50 Jahren hatte jeder Bürger im Durchschnitt 15 m2 Wohnfläche zur Verfügung, heute sind es 42. Das Ei- genheim mit Garten ist für viele die erstrebenswerteste Wohn- form. Ein Einfamilienhaus nimmt pro Wohnung eine fast 8 mal so große Grundstücksfläche in Anspruch wie ein Mehrfamili- enhaus. Im Einzelhandel verläuft die Entwicklung auf insge- samt niedrigerem Niveau ähnlich: Trotz abnehmender Zahl der Unternehmen steigt der Flächenverbrauch des Handels. Auch Industrie und Gewerbe werden flächenintensiver, wobei hier vor allem der Trend zur eingeschossigen Bauweise von Be- deutung ist. Die zurückgelegten Ent- Die Ausbreitung der Nutzungen über größere Flächen impli- fernungen wachsen ziert bereits eine Erhöhung der zurückzulegenden Distanzen. Stadtrandwanderung einerseits und Konzentration von Ar- beitsplätzen in den Innenstädten andererseits förderten das Wachstum des Berufsverkehrs. Der Verkehrsaufwand im Be- rufsverkehr hat zwischen 1976 und 1999 von 123 Mrd. Perso- nenkilometern auf 204 Mrd. Personenkilometer um zwei Drittel zugenommen. Durch den neuen Trend der Umsiedlung von Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben aus den Städten in die Region nimmt der Verkehrsaufwand im Berufsverkehr nicht notwendig ab, vielmehr werden die Verkehrsbeziehungen komplexer. Obwohl eine gewisse Dezentralisierung auf Seiten der Arbeitsplätze stattfindet, arbeiten zunehmend weniger Er- werbstätige an ihrem Wohnort. Der Anteil der Erwerbstätigen, die mehr als 25 km vom Arbeitsplatz entfernt wohnen, hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Der Autoverkehr nimmt Der größte Teil des Pendlerverkehrs entfällt auf das Auto. Der zu Pkw-Verkehrsaufwand nahm von 1976 bis 1999 um 80% zu. Sowohl die geringe Siedlungsdichte der neuen Wohngebiete als auch die Ungleichgewichtigkeit der Verkehrsströme (mor- gens auspendeln, abends einpendeln der Wohnbevölkerung) machen eine Erschließung mit dem ÖPNV schwierig. Die Konzentration auf Gebiete mit reiner Wohnfunktion ist maß- geblich sowohl für die Erzeugung motorisierten Verkehrsauf- wands insgesamt als auch speziell des motorisierten Individu- alverkehrs verantwortlich.1 Der Anteil der Fußwege am Ver- 2
kehrsaufkommen ist in 1- und 2-Familienhausgebieten nach- weislich geringer als in Gebieten mit Mehrfamilienhäusern2. Konzentration und Verlagerung im Einzelhandel führen zu einer deutlichen Zunahme des Einkaufsverkehrs. Wie auch im Berufsverkehr ist der Verkehrsaufwand im Einkaufsverkehr von 1976 bis 1999 um zwei Drittel gewachsen. Sowohl die Anzahl der Einkaufswege als auch die zum Einkaufen zurück- gelegten Distanzen haben um jeweils etwa 30% zugenom- men. Der Anteil der Fußwege ist von knapp der Hälfte aller Einkaufswege auf noch etwa 40% gesunken, während der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) von 33% auf 43% angestiegen ist. Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) hat die Auswirkungen der räumlichen Struktur des Einzelhandels auf 3 Verkehr und Umwelt in der Region Halle-Leipzig untersucht. Sowohl gegenüber innerstädtischen Einkaufsgelegenheiten als auch gegenüber nicht-integrierten großflächigen Standor- ten in der Region schneiden die Stadtteilzentren in der Um- weltbilanz wegen ihres hohen Anteils kurzer, nicht- motorisierter Einkaufswege am besten ab. Die innerstädti- schen Einkaufsgelegenheiten hingegen stehen wegen der langen Anfahrtswege und des hohen Pkw-Anteils nur an zwei- ter Stelle. Um den Zersiedlungstendenzen entgegenzuwirken, müssten erhebliches Potential der Neuansiedlungen verstärkt innerhalb der Gemeinden erfolgen. Innenentwicklung vor- Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIFU) im handen Auftrag des UBA hat ein erhebliches Potential für die Innen- entwicklung ermittelt4. So könnte zum Beispiel im Großraum Hannover zwei Drittel des Bedarfs an Wohnungsneubau bis 2010 im Innenbereich ohne Inanspruchnahme von zusätzli- chen Landschaftsflächen gedeckt werden. Auch bei hoher Baudichte lässt sich eine gute Wohnqualität und sogar garten- bezogenes Wohnen realisieren. Es ist vor allem der hohe Flä- chenbedarf für das Parken und für die MIV-Erschließung, der einer ausreichenden Versorgung mit Grün- und Freiflächen in dichter Bebauung entgegensteht. Somit stellt ein möglichst niedriger MIV-Anteil bereits ein wesentliches Element des Flä- chensparens dar. Instrumente zur Minde- Wie in vielen anderen Bereichen haben sich die Transportkos- rung des Flächen- ten auch als wichtiger Faktor für die Siedlungsentwicklung verbrauchs erwiesen. Mit der Einführung der Ökosteuer auf Mineralöl hat die Bundesregierung eine besonders wichtige Maßnahme um- gesetzt, um den Zersiedlungsprozess zu bremsen. Eine Wei- ...Fortführung der Öko- terführung der Ökosteuer in maßvollen Schritten ist geboten. steuer Die in dieser Hinsicht kontraproduktive Entfernungspauschale sollte deutlich gesenkt werden, da Fernpendler, die von relativ niedrigen Immobilienpreisen am Stadtrand oder im Umland profitieren, steuerlich begünstigt werden. Es ist zu prüfen, ob die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für den Weg zur Arbeit längerfristig ganz abgeschafft oder allenfalls auf soziale Härtefälle beschränkt werden kann. ...Neuversiegelungs- Durch die Umwandlung der Grunderwerbssteuer in eine Neu- steuer versiegelungs- oder Neubesiedelungssteuer könnte die Inan- spruchnahme neuer Flächen für Siedlungszwecke erheblich 3
spruchnahme neuer Flächen für Siedlungszwecke erheblich gedämpft werden.5 Ein weiterer Anreiz zum Flächensparen ...Flächensteuer könnte durch eine an Bodenwert und –fläche orientierte Grundsteuer oder durch die Umwandlung der Grundsteuer in ...Flächenkontingentie- eine Flächennutzungssteuer gesetzt werden6. rung und Handel mit Nut- Wesentlich gezielter als mit der Flächensteuer würde der Flä- zungsrechten chenverbrauch durch eine Flächenkontingentierung vermindert werden. Dafür müssten verbindliche Mengenziele für den Flä- chenverbrauch festgelegt werden. Den Kommunen würden Flächenkontingente zugewiesen. Die Handlungsmöglichkeiten ...Förderung der Innen- der Kommunen könnten auch bei einer solchen Strategie er- entwicklung halten bleiben, wenn Flächennutzungsrechte zwischen den Kommunen gehandelt werden können.7 Städte müssen wieder zu attraktiven Wohnstandorten werden. Vor allem müssen die Städte ihren Bewohnern die Qualitäten bieten, die die Wegzügler heute außerhalb suchen. Die Belas- tung der Städte durch den Verkehr ist hierbei ein wichtiges ...Stadterneuerung Kriterium. Der Autoverkehr muss zurückgedrängt werden, so dass den Bewohnern, insbesondere Kindern, mehr Bewe- gungsraum im Außenbereich bleibt. Stadtzentren und Stadttei- le müssen im Zuge der Stadterneuerung aufgewertet werden, um auch für die mittleren und oberen Schichten der Gesell- schaft attraktive Wohnungen zu bieten. Die Städtebauförde- rung des Bundes sollte sich auf die Ertüchtigung des Woh- nungsbestandes - einschließlich des Wohnumfelds - konzentrieren8. Bisher ist allerdings offen, wie der Verdrängung von Wohnen aus den Stadtzentren Einhalt geboten werden kann. In der Konkurrenz um den Standort Innenstadt ist das Wohnen in der Regel unterlegen, da mit Wohnungen in den Zentren weniger ...Stärkung von Stadtteil- Einnahmen erzielt werden als mit gewerblichen Nutzungen, v. zentren a. Dienstleistungen. Eine in Stadtteilen mit jeweils eigenen Zentren gegliederte städtische Organisation bietet die besten Voraussetzungen der Verkehrsvermeidung. Dass neu entwickelte Stadteilzent- ren als Einkaufsorte funktionsfähig sind, wurde in einer Studie 9 im Auftrag des UBA am Beispiel Leipzig-Grünau demonstriert. Die vorgeschlagene Strategie sucht vor allem, den Standort besser zu vermarkten sowie seine Attraktivität als Einkaufsort zu verbessern. Hierzu kann die autoarme Gestaltung, die Er- höhung der Fußgängerfreundlichkeit und Verbesserung der Erreichbarkeit mit Fahrrad und ÖPNV beitragen. Damit wird ...Rückbau von Einkaufs- den Parkplatzvorteilen der Einkaufszentren ein qualitativ ande- zentren auf der grünen res Mobilitätsangebot entgegengesetzt. Diese Strategie lässt Wiese nur mit hohen Ent- sich auch zur Stärkung der Innenstadt als Einkaufsort gegen- schädigungszahlungen über den Einkaufszentren außerhalb einsetzen. Ein Rückbau möglich der bestehenden nicht-integrierten Einkaufszentren ist einer juristische Expertise zufolge nicht oder nur mit hohen Ent- 10 schädigungszahlungen möglich . Als strategischer Ansatz bleibt daher nur die Lenkung der weiteren Entwicklung durch Stärkung von Stadtteilzentren und Innenstädten als Einkauf- sorte. Zur Unterstützung der Planung verkehrsmindernder ...Umgestaltung der Einkaufsstandorte wurde im Auftrag des UBA ein Instrument Wohnungsbauförderung zur Umweltbilanzierung für Einzelhandelsstandorte entwickelt, 4
das planungsvorbereitend eingesetzt werden kann. 11 Die direkte Wohnungsbauförderung durch Bund und Länder geht seit Jahren zurück. Angesichts des aller Voraussicht nach, von örtlichen Ausnahmen abgesehen, ausreichenden Wohnungsangebots ist eine Ausweitung der Förderung in grö- ßerem Umfang nicht notwendig. Wo Förderung noch stattfin- det, sollte sie sich an raumstrukturellen Kriterien orientieren. So wird zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen der Eigenheim- bau im Ballungskern oder am Ballungsrand stärker gefördert als außerhalb. Geförderte Mietwohnungen dürfen nur im Um- kreis von 1,5 km um die Haltepunkte des SPNV errichtet wer- den.12 Eine Umgestaltung der Eigenheimzulage nach Kriterien des sparsamen Umgangs mit Siedlungsflächen lässt einen nen- nenswerten Effekt erwarten. Sie sollte sich auf den Erwerb von Wohnungen im Bestand und Maßnahmen zum Ausbau und zur Modernisierung beschränken. Einsparungen in diesem ...Stärkung der regiona- Bereich könnten der Städtebauförderung zu Gute kommen.13 len Ebene Grundsätzlich sollten freistehende Einfamilienhäuser im Neu- bau nicht mehr gefördert werden.14 Vor allem von Seiten des DIFU wurde wiederholt auf die Not- wendigkeit hingewiesen, die regionale Ebene politisch und verwaltungsmäßig zu stärken. Als wesentliches Hindernis für eine an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Siedlungsentwick- lung hat sich die Konkurrenz der Gemeinden um Gewerbean- siedlungen und um Einwohner erwiesen. Dies ist der wichtigs- te Grund dafür, dass die Vorgaben z.B. aus dem Baugesetz- buch zum sparsamen Umgang mit Boden nicht richtig zum Tragen kommen. Das Raumordnungsgesetz hat die Voraus- setzung für die Aufstellung von regionalen Flächennutzungs- plänen geschaffen. Probleme der Konkurrenz der Kommunen um die Ansiedlung von Gewerbebetrieben und Einwohnern sind damit aber nur dann zu lösen, wenn das Instrument auch eingesetzt wird. Des Weiteren repräsentieren die Träger der Regionalplanung, z.B. die Kreise, nicht unbedingt die Verflech- tungsräume, in denen eine abgestimmte Planung notwendig ist. Zweckverbände oder Kooperationsverträge sind nur be- dingt in der Lage, Interessenkonflikte der Beteiligten zu lösen. Die Schaffung von demokratisch legitimierten regionalen Ge- bietskörperschaften, die sich an den realen Verflechtungsräu- men orientieren, wie z.B. die „Region Hannover“, und über eigene Einnahmen verfügen, dürften demgegenüber weit günstigere Voraussetzungen für eine abgestimmte Siedlungs- entwicklung bieten.15 Es liegen eine ganze Reihe von Vorschlägen vor, wie auf die Fazit Siedlungsentwicklung Einfluss genommen werden kann. Die dargestellten fiskalischen Instrumente und Anreize sind bei entsprechender Ausgestaltung in der Lage, die Neuinan- spruchnahme von Flächen für Siedlungszwecke zu vermin- dern, die Wiedernutzung von gewerblichen Brachflächen oder Konversionsflächen zu fördern und die bauliche Dichte zu er- höhen. Zur Steuerung konkreter Ansiedlung hingegen, also 5
der Konzentration der Siedlungsentwicklung auf Siedlungs- schwerpunkte, der Zuordnung zu ÖPNV-Knotenpunkten und im Gegenzug der Freihaltung von Natur- und Landschaftsflä- chen, sind entsprechend zentral einsetzbare Instrumente nicht vorhanden. Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung, Raum- ordnungsgesetz und Bundesnaturschutzgesetz geben einen Rahmen vor, der die Ziele einer nachhaltigen Siedlungsent- wicklung unterstützt. So hat die Bundesregierung mit der No- vellierung des Bundesnaturschutzgesetzes die Rahmenbedin- gungen für den Erhalt von Biotopflächen verbessert. Die Aus- weisung von Biotopflächen, Schutzgebieten und Flächen mit ökologischer Vorrangfunktion obliegt jedoch den Ländern, die Freihaltung von Naturvorrangflächen den Gemeinden. Handlungsbedarf Forschungs- und Handlungsbedarf besteht vor allem bei • der Prüfung des Instruments Flächenkontingentierung • der Schaffung eines neuen gesellschaftlichen Leitbilds vom Wohnen • der Entwicklung und Kommunikation guter Beispiele für Innenentwicklung und attraktives städtisches Wohnen • der Entwicklung und Kommunikation ÖPNV-gestützter Siedlungsentwicklung16 • der Unterstützung der Planung mit Handbüchern zur ver- kehrsarmen Siedlungsentwicklung17 • der Entwicklung von Modellen zur Prozessbegleitung bei der Erschließung von Siedlungsflächen. 2. Wirtschaft und Handel: Auslöser für Verkehr Güterverkehr ist unverzichtbar, um die Menschen mit Waren und Dienstleistungen und Unternehmen mit Rohstoffen und Vorprodukten zu versorgen. Der Güterverkehr ist eine wichtige Voraussetzung für ein breites Güterangebot und eine arbeitsteilige Pro- duktion. Überregionaler Handel und Arbeitsteilung sind aber nur dann wirtschaftlich effizient und unter Umweltschutzgesichtspunkten vertretbar, wenn die Produktions- kostenunterschiede zwischen verschiedenen Standorten größer sind als die mit dem Transport verbundenen Kosten. Diese realen Kosten des Gütertransports umfassen neben den Kosten für Fahrzeuge, Kraftstoffe und Personal auch Kosten der Infrastruk- turnutzung, Umweltbelastungen, Unfallrisiken und andere externe Kosten. Tatsächlich wird ein Großteil der durch den Verkehr entstehenden Kosten nicht vom Verursacher getragen und spielt daher bei der Planung und Kalkulation von Gütertransporten keine Rolle. Dies ist eine wesentliche Ursache dafür, dass aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu viel Güterverkehr stattfindet. 6
Güterverkehr wächst In den letzten 10 Jahren ist der Güterverkehrsaufwand pro schneller als Brutto- Einheit des Bruttosozialprodukts um etwa ein Viertel angestie- sozialprodukt gen. Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt diesen Trend umzukehren. Drei Indikatoren aus der laufenden Statistik können zur Be- schreibung des Wachstumstrends herangezogen werden: Das Verkehrsaufkommen, gemessen in Tonnen, die Transportwei- te in Kilometern und als Resultat der Verkehrsaufwand, ge- messen in Tonnenkilometern. Sowohl das Verkehrsaufkom- men als auch der Verkehrsaufwand im Güterverkehr haben seit 1960 deutlich zugenommen. Die auf der Straße zurückge- legten Entfernungen haben sich im Durchschnitt mehr als ver- doppelt, wobei der größte Wachstumsschub in den 90er Jah- ren erfolgt ist. Auch mit Eisenbahn und Binnenschiff werden die Güter über weitere Entfernungen transportiert. Welche Indikatoren sind richtig ? Wahrscheinlich wird das tatsächliche Verkehrsaufkommen durch die Orientierung der Messgröße am Gewicht unter- schätzt. Viele Güter sind im Lauf der Jahre leichter geworden. Darüber hinaus verlagert sich die Güterproduktion zu Waren mit einer höheren Wert-Gewicht-Relation. Das heißt mit glei- ...mit gleicher Tonnage cher Tonnage werden mehr Güter und höhere Werte transpor- mehr Güter und höhere tiert. Auch die Verpackungsmaterialien sind leichter und Werte gleichzeitig voluminöser geworden. Eine Untersuchung aus England zeigt, dass die mittlere Auslastung von Lkw bezogen auf das Gewicht bei etwa 55%, bezogen auf das Volumen jedoch bei knapp 80% liegt.18 Ursachen des Wachs- Bei der Analyse der Ursachen des Güterverkehrswachstums tums ist es sinnvoll, zunächst grob zwischen der Ausweitung der Handelsbeziehungen einerseits und Veränderungen in der Produktion andererseits zu unterscheiden. Treiber für ersteres ...Ausweitung der Han- sind die europäische Integration, die Erschließung von Osteu- delsbeziehungen ropa und schließlich die weltweite Globalisierung. Anschaulich ist diese Entwicklung im deutlich beschleunigten Anstieg des Güterverkehrs in Deutschland nach dem Fall der Mauer zu beobachten.19 Hinzu kommt ein Trend zur Zentralisierung der Lagerhaltung. ...Zentralisierung der Dezentrale Lager in Kundennähe werden aufgegeben zuguns- Lagerhaltung ten eines großflächigen Nabe-Speichen-Systems. Durch den Wegfall einer Lagerstufe werden Kosten eingespart. Diese Einsparungen sind höher als die zusätzlichen Transportkosten aufgrund der mit dem neuen Distributionssystem verbundenen längeren Wege. ... mehr oder weniger Verkehr durch eCom- Durch die Ausweitung des elektronischen Handels werden merce ? private Einkaufsfahrten durch zunehmenden Lieferverkehr ersetzt oder zum Teil auch nur ergänzt. Der Einsatz von e- Commerce im Unternehmensbereich führt nach Meinung der meisten Experten zu Veränderungen in der Wertschöpfungs- kette und der Logistikstrukturen. Ob das zu einer Erhöhung oder Reduzierung des Verkehrsaufwands führt, ist unklar. Die- se Frage wird zur Zeit vom Fraunhofer Institut Integrierte Schaltungen zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirt- schaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesministeriums 7
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) in ausge- wählten Branchen untersucht.20 ...Verringerung der Fer- tigungstiefe Der zweite Faktor bezieht sich auf die zunehmende Arbeitstei- lung zwischen Unternehmen. Produzenten greifen für ihre ei- gene Produktion zunehmend auf Vorprodukte anderer Unter- nehmen zurück. Damit verringert sich die Fertigungstiefe in der Produktion. Seit 1970 steigt der Anteil an Vorleistungen am Produktionswert im produzierenden Gewerbe stetig an. Dieser Trend zeigt sich in allen Wirtschaftsbereichen außer im Handel und in der Land- und Forstwirtschaft. Im gesamten Durchschnitt ist dies jedoch kaum sichtbar, weil gleichzeitig der Dienstleistungssektor mit unterdurchschnittlichen Vorleis- tungsquoten, an Bedeutung gewinnt.21 Die Arbeitsteilung der Unternehmen kann zu erheblichen Transportwegen führen. Im 3.500 km für einen Jo- berühmt gewordenen Beispiel vom Erdbeerjoghurt kommen ghurt von der Herstellung der einzelnen Lebensmittelkomponenten über die Verpackung und deren Herstellung bis zum Verzehr 3.500 Kilometer zusammen.22 Eine Gesamtbilanz der so zu- stande kommenden Transporte gibt es nicht. Entsprechende Analysen für alle Güter wären sehr aufwändig. Ein weiterer verkehrsbeeinflussender Faktor der wirtschaftli- chen Entwicklung ist der zunehmende Anteil von Dienstleis- tungen an der gesamten Wertschöpfung. Diese wirkt sich, zumindest was den Güterverkehr angeht, dämpfend, d.h. im Sinne einer Entkopplung auf das Verkehrswachstum aus. Dreh und Angelpunkt des Verkehrswachstums im Güterver- Transaktionskosten kehr sind die Transaktionskosten. Hierzu gehört neben den sinken Kosten für den Transport z.B. auch der Kommunikations- und Organisationsaufwand. Letzterer ist durch die modernen Kommunikationsmöglichkeiten erheblich gesunken. Auch die Transportkosten nehmen ab, zumindest auf der Straße. Nach einer französischen Studie haben sich die Transportkosten zwischen 1978 und 1993 im französischen Straßengüterfern- verkehr um 38% reduziert. Die Gründe liegen beim sinkenden Flottenverbrauch, sinkenden Reparaturkosten, Erhöhung der Einsatzzeiten der Fahrzeuge und Zeitersparnissen durch den Ausbau der Infrastruktur.23 Diese Ergebnisse sind in der Ten- denz auf Deutschland übertragbar. Ein großer Teil der durch den Transport von Gütern verursach- ten Schäden und Belastungen wird nicht von den Verursa- chern getragen, d.h. ein großer Teil der Transportkosten wird Externe Kosten des externalisiert. Die durch den Güterverkehr verursachten exter- Güterverkehrs: nen Kosten für Deutschland werden auf jährlich knapp 35 Mrd. 35 Mrd. € Euro geschätzt.24 Dass die Kosten des Verkehrs zu niedrig sind, weil ein Großteil der verursachten Lasten externalisiert werden, ist inzwischen weitgehend anerkannt. Dass dies eine echte Wohlfahrtseinbuße darstellt, ist jedoch wenig präsent, weil der Wohlfahrtsbegriff trotz aller Bemühungen immer noch weitgehend auf die ökonomische Leistung verengt ist. Die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“ hält hinsichtlich der ökonomischen Auswirkungen des globali- sierungsbedingten Verkehrswachstums einen zweischneidigen Befund fest. Die mit der Senkung der Transportkosten verbun- 8
dene Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung führe zwar zu einer generellen Steigerung der Wohlfahrt, im ökonomi- schen Sinn, jedoch seien die damit verbundenen Verkehrszu- wächse und die damit verbundenen Belastungen nicht analog verteilt. Als Haupttransitland ist Deutschland besonders betrof- fen. Die durch die Globalisierung erreichte Wohlfahrtssteige- rung in den Nachbarländern kann durchaus mit verkehrsbe- dingten Wohlfahrtseinbußen in Deutschland verbunden sein. Dasselbe kann auch auf regionaler Ebene gelten. Der Verkehrsaufwand ist nicht bei allen Gütergruppen gleich Verkehrsintensive Gü- groß. Hohen Verkehrsaufwand erzeugen Güter, die in großen tergruppen Mengen anfallen oder über weite Entfernungen transportiert werden oder beides. Fast die Hälfte des gesamten Güterver- kehrsaufkommens sind Steine und Erden. Diese werden aber nur über kurze Entfernungen transportiert und machen des- ...Fahrzeuge, Maschinen, halb nur 15% des Güterverkehrsaufwands aus. Über 20% des Halb- und Fertigwaren gesamten Güterverkehrsaufwands geht auf Fahrzeuge, Ma- schinen, Halb- und Fertigwaren zurück. Güter in dieser Kate- gorie werden besonders weit transportiert. Hier werden auch noch weit über dem Durchschnitt liegende Zuwachsraten er- wartet.25. Ebenfalls sehr weit transportiert werden Eisen, Stahl und NE-Metalle. Da diese Güter nur ein verhältnismäßig ge- ringes Aufkommen haben, fallen sie beim Verkehrsaufwand insgesamt nicht sehr ins Gewicht. Mehr als 15% des Verkehrsaufwands machen land- und fort- ...Nahrungs- und Futter- wirtschaftliche Produkte, Nahrungs- und Futtermittel aus. Ins- mittel besondere bei den Nahrungsmitteln zeigt sich ein Trend zu wachsender Verkehrsintensität, d.h. ein Trend zu steigendem Verkehrsaufwand pro produzierter Menge. Dieser Trend wird sich auch weiter fortsetzen. Ursachen sind die zunehmende Veredelung von Nahrungsmitteln, der höhere Verpackungs- aufwand, Veränderungen in der Produktions- und Lieferstruk- tur sowie geänderte Konsumgewohnheiten.26. Bei einigen Produkten ist die Entwicklung besonders drastisch. So hat sich die Transportmenge alkoholfreier Getränke zwischen 1970 und 1990 von 1,9 Mio. Tonnen auf 8 Mio. Tonnen vervier- facht.27 In der EU gehen nach einer Analyse der OECD sogar knapp 30% des gesamten Güterverkehrsaufwands auf land- wirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel zurück.28 Das DIW hat einen auf die Menge der produzierten Güter be- zogenen Index der Transportintensität berechnet. Danach hat Transportintensität um die Transportintensität (Tonnenkilometer pro Tonne Produkt) 40% gestiegen zwischen 1970 und 1988 im Durchschnitt um 40% zugenom- men. Dies trifft auf alle Gütergruppen mit Ausnahme der festen mineralischen Brennstoffe zu. Überdurchschnittlich groß ist das Wachstum bei den Fahrzeugen, Maschinen, Halb- und Fertigwaren. Hier gab es eine Zunahme um 80%. Bei den Nahrungs- und Genussmitteln um fast 60%.29 1960 teilte sich der gesamte Güterverkehrsaufwand zu annä- hernd gleichen Teilen auf Lkw, Bahn und Binnenschiff auf. Bahn und Schiff transportierten zwar kleinere Mengen, aber straßenaffine Güter sie legten wesentlich weitere Entfernungen zurück. 2001 liegt nehmen besonders zu der Anteil des Lkw bei 70%, auf Bahn und Schiff entfallen 15% und 13%. Bei den Massengütern, bei denen der Transportan- 9
teil von Bahn und Binnenschiff besonders hoch ist, wurde be- reits in der Vergangenheit ein Rückgang beobachtet. Dieser Trend wird sich noch fortsetzen. Damit erklären sich die Ver- luste von Bahn und Binnenschiff jedoch nur zum Teil, denn auch innerhalb eines Güterbereichs hat es Verlagerungen zum Straßenverkehr gegeben, deren Rolle in Zukunft eher noch zunehmen wird30. Minderungspotentiale Im Auftrag des UBA hat das IFO Institut für Wirtschaftsfor- schung untersucht, inwieweit in der Regionalisierung von Wirt- schaftskreisläufen ein Potential zur Verkehrsvermeidung vor- handen ist.31 Die Studie stellt die Zusammenhänge zwischen ...Verminderung des regionaler Spezialisierung der Produktion, Produktivität und Austauschs gleicharti- Transportvolumen dar. Hochspezialisierte Regionen weisen ger Produkte eine höhere Produktivität und hohe Transportströme auf. Aus ökonomischer Sicht ist es kontraproduktiv, der Spezialisierung entgegenzuwirken, um Verkehr zu reduzieren. Ein Potential zur Verkehrsreduzierung, das nicht mit ökonomischen Wachs- tumszielen in Konflikt steht, lässt sich dagegen beim Handel mit gleichartigen Produkten (intraindustriellen Handel) zwi- schen gleichrangigen Regionen ausmachen. Hier handelt es sich um Güter, die zueinander nahe Substitute sind. Der phy- sische Charakter der Güter und die Produktionsverfahren un- terscheiden sich nur geringfügig. In den betreffenden Regio- nen sind die Fertigkeiten vorhanden, die gehandelten Güter selbst zu produzieren, und es gibt keine Faktorpreisunter- schiede zwischen den Regionen, d.h. keine Region kann das Produkt wesentlich billiger herstellen. Ursache dafür dass die- se Produkte überregional Absatzmärkte finden, ist der Wunsch nach Vielfalt. Eine Analyse der intraindustriellen Handelsströ- me auf dem Gebiet der alten Bundesländer zeigt, dass diese nicht so sehr zwischen benachbarten Verkehrsregionen son- dern eher über mittlere Distanzen verlaufen. Der Anteil des intraindustriellen Handels über mittlere Distanzen ist mit 60% des gesamten Handelsvolumens innerhalb des betrachteten Gebiets recht hoch. Damit ist grundsätzlich ein nennenswertes Potential zur Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen vor- handen, dessen Realisierung nicht im Widerspruch zur Steige- rung des wirtschaftlichen Wohlstands steht. Auf der Grundlage mehrerer Studien hat das UBA das Ver- ...Regionalvermarktung kehrsvermeidungspotential durch eine Stärkung der Regional- vermarktung auf 5% geschätzt. Vor allem für landwirtschaftli- che Produkte können regionale Märkte mit Aussicht auf Erfolg geschaffen oder ausgeweitet werden. Inzwischen sind zum Teil mit Förderung des UBA mehr als 300 Regionalinitiativen entstanden. Das UBA unterstützt die Vernetzung der Initiati- ven32, fördert die Erarbeitung von Informationsmaterialien 33 und hat den Wettbewerb „natürlich regional!“ im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts „Netze knüpfen – Zeichen setzen“ des NABU mit dem Deutschen Verband für Landschaftspflege DVL initiiert.34 Inwieweit die bisherigen Initiativen tatsächlich zu Verkehrsein- sparungen im größeren Rahmen geführt haben, kann derzeit nicht gesagt werden. Im großen und ganzen ist die Regional- vermarktung bisher eine Nische geblieben und wird von eini- 10
gen auch bereits wieder tot gesagt35. Eine größer angelegte staatliche Förderung der Regionalvermarktung mit dem Ziel der Verkehrsvermeidung ist zur Zeit nicht möglich, da sie dem EU-Wettbewerbsrecht widerspricht. Nur im Zusammenhang spezifischer Qualitätsmerkmale können regionale Produkte beworben werden. Die Möglichkeiten einer Forcierung der Regionalvermarktung, Ausräumung wettbewerbsrechtlicher Bedenken und Möglichkeiten der Nutzung des Transportar- guments bei der Vermarktung müssten genauer untersucht werden. Instrumente Das wichtigste Instrument zur Verminderung der Transportin- tensität ist die Erhöhung der Transportkosten. Allerdings ist der Transportanteil am Produktionswert relativ gering, er liegt ...Transportpreis- für die meisten Güterbereiche unter 2%. Das heißt Transport- erhöhung kostenerhöhungen müssen relativ massiv sein, um merklich Wirkung zu zeigen. Das DIW hat für den Straßengüterfernver- kehr bei einer Transportpreiserhöhung um 60% einen Rück- gang des Transportaufkommens um 2% und des Transport- aufwands um 5% errechnet. Die stärksten Veränderungen ergaben sich bei vorbearbeiteten Baumaterialien, Nahrungs- mitteln und Verbrauchsgütern.36 Das Institut für Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik, IWW, hat in einer Untersuchung zur Lkw-Maut erhebliche Ver- kehrsvermeidungspotentiale identifiziert. Bei einer Mauthöhe von 20 Cent/km und einem Gewichtszuschlag für Lkw ab 18 t in Höhe von 5 Cent/km ist beim Güterfernverkehr mit Ver- kehrsvermeidungsreaktionen in einer Größenordnung von etwa 3% der Lkw-Fahrleistungen zu rechnen. Dieses Potential kann sich bei einer Maut nach dem Schweizer Modell, wo die Lkw-Maut auf dem gesamten Straßennetz für Lkw ab 3,5 t gilt und von 69 Cent pro Kilometer im Jahr 2005 auf 1,05 € / km im Jahr 2010 ansteigt, auf bis zu 15% erhöhen. Bei den Spedi- tionsgütern lassen sich Fahrleistungsreduktionen vor allem durch die Verbesserung der Fahrzeugauslastung aufgrund verbesserter Disposition beim Einsatz der Fahrzeuge erzielen. Beim Güterverkehr über lange Strecken kann Verkehr durch optimierte Lagerplanung und Zulieferpolitik vermieden werden. Durch gezielte Ansiedlung von Herstellern zusammenpassen- ...Clusterbildung der Produktkomponenten könnte der verkehrserzeugenden Wirkung der abnehmenden Fertigungstiefe entgegengesteuert werden. Die räumliche Nähe der Produzenten von Vor- und Teilprodukten erspart Transport- und Transaktionskosten und kann daher auch aus Sicht der Unternehmen interessant sein. Gleichzeitig kann eine solche gezielte Ansiedlungspolitik zur Regionalentwicklung beitragen, wie ein Beispiel aus der Stei- ermark zeigt. Durch intensive Betreuung und Beratung der beteiligten Kommunen und der ansiedlungswilligen Unterneh- men der holzverarbeitenden Industrie ist dort sowohl eine ver- kehrsarme Zuordnung von Sägewerk und Weiterverarbeitung als auch eine Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft gelun- gen.37 Da Cluster eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und besondere 11
Exportstärke aufweisen, führen sie andererseits zur Auswei- tung der Absatzmärkte. Bisher fehlt es an Daten, die eine Ab- wägung zulassen, ob die bei der Produktion eingesparten Transporte überwiegen. Gegebenenfalls wären Produktgrup- pen oder Produktionsbereiche zu identifizieren, bei denen sich die Clusterbildung unter Verkehrsvermeidungsaspekten be- sonders lohnt. …betriebliches Nach einem vom UBA erstellten Leitfaden zum betrieblichen Umweltmanagement Umweltmanagement38 können durch die Erhöhung des Aus- lastungsgrads der Lkw bis zu 20% und durch eine Optimierung der Tourenplanung bis zu 10% der Fahrleistungen eingespart werden. Diese Verkehrsaspekte werden im betrieblichen Um- weltmanagement bisher jedoch eher selten berücksichtigt. ...Verkehrsauswirkungs Staatliche Maßnahmen, Gesetze und Verordnungen, die nicht prüfung direkt mit Verkehr zu tun haben, können sich dennoch auch auf den Verkehr auswirken. Das IFEU-Institut für Energie und Umweltforschung hat daher im Auftrag des Bundesverkehrs- ministeriums Möglichkeiten einer Verkehrsauswirkungsprüfung untersucht39 und einen Katalog von Prüffragen entwickelt.40 In der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung war die Verkehrsauswirkungsprüfung für Gesetze und Verord- nungen des Bundes seit 1995 vorgesehen. In der Gemeinsa- men Geschäftsordnung der Bundesministerien von 2000 ist diese Klausel nicht mehr enthalten. In der jetzigen Fassung ist das BMVBW zu beteiligen, wenn Auswirkungen auf den Ver- kehr zu erwarten sind.41 Eine Prüfung der Auswirkungen nach einem bestimmten Verfahren wird nicht vorgegeben. Im Auftrag des UBA wurden Verkehrsauswirkungsprüfungen mit dem Ziel der Quantifizierung der Effekte an ausgewählten Beispielen vorgenommen.42 Unter anderem wurde die Ge- meinschaftsaufgabe Förderung der regionalen Wirtschafts- struktur untersucht. Die Förderung kann Unternehmen zu Pro- duktionsauslagerungen veranlassen. Die Verlagerung von Teilbereichen der Fertigung in Gebiete mit Höchstförderung kann betriebswirtschaftlich rentabel sein. Dadurch wird zusätz- lich Verkehr erzeugt. Um Verkehrserzeugungseffekte zu mini- mieren, sollten bei der Gewährung von Fördermitteln einige Voraussetzungen gegeben sein. Z.B. könnte die Förderung an eine Zertifizierung nach EMAS oder ISO 14.000 gebunden werden. Auch könnte die Bildung regionaler Unternehmensnetzwerke durch Ansiedlung von Zulieferern und Dienstleistern bevorzugt gefördert werden. Die Bindung der Förderung an Betriebe für den überregionalen Markt sollte überdacht werden. Auch in anderen Studien wurde gezeigt, dass staatliche Maß- nahmen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Europä- ischen Integration auch das Verkehrswachstum fördern.43 Ins- besondere die Maßnahmen zur Regionalförderung, mit denen wirtschaftliche Disparitäten ausgeglichen werden und struktur- schwache Räume in ihrer Wirtschaftskraft gestärkt werden sollen, sollten hinsichtlich ihrer verkehrserzeugenden Wirkun- gen überprüft werden. Hier fehlt es bisher an Konzepten, wie die gewünschten strukturpolitischen Effekte mit weniger Ver- kehr zu erreichen sind. Der Abbau von Handelshemmnissen wirkt implizit verkehrser- 12
zeugend, da dadurch die Transaktionskosten für den Güter- verkehr gesenkt werden. Da die Ausweitung der Handelsbe- ziehungen als politisches Ziel nicht in Frage steht, müssen gezielt die umweltschonenden Verkehre gestärkt werden, um wenn schon nicht das Güterverkehrswachstum insgesamt, so wenigstens das die Umwelt am stärksten belastende Straßen- güterverkehrswachstum zu bremsen. Fazit / Handlungsbedarf Ein Fazit im Sinne des bisher Erreichten lässt sich in Bezug auf den Güterverkehr kaum ziehen. Mit der Ökosteuer und der Einführung der Lkw-Maut sind wichtige Weichen gestellt wor- den. Um wirksam zu werden, müssen beide Instrumente fort- geführt und ausgebaut werden. Vorrangig angegangen wer- den sollten notwendige Reformen staatlichen Handelns, so- weit dadurch Verkehr unnötig erzeugt wird. In einem For- schungsvorhaben des Umweltbundesamtes sollen hierfür kon- krete Vorschläge erarbeitet werden. Weitere wichtige Themen sind • Förderung des betrieblichen Umweltmanagements: Hilfe- stellung bei der Aufdeckung betrieblicher Verkehrseinspar- und –verlagerungspotentiale, • Untersuchung der Bedingungen für die Einführung und Vermarktung eines Transportlabels für Endprodukte, • Entwicklung von Modellen zur Prozessbegleitung bei der Ansiedlung von Betrieben, • Untersuchung des Verkehrsvermeidungspotentials von Clustern unter Berücksichtigung aller Verkehrsströme in der jeweiligen Region. 3 Freizeit und Urlaub: abhängig vom gesellschaftlichen und in- dividuellen Lebensstil Fast die Hälfte des Verkehrsaufwands in Deutschland entfällt auf Freizeit- und Ur- laubsverkehr. Davon wurden im Jahre 2000 mehr als 350 Mrd. Personenkilometer mit Pkw erbracht, das sind ist auch etwa die Hälfte des gesamten Pkw-Verkehrsaufwands. Der Freizeit- und Urlaubsverkehr ist damit das wichtigste Verkehrssegment und kann bei Überlegungen zur Minderung der Umweltbelastung durch Verkehr nicht außer Acht gelassen werden. Freizeitverkehr... Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil ist der Freizeitver- kehr (ohne Urlaubsverkehr) in den letzten knapp 25 Jahren nicht überdurchschnittlich gewachsen, er hat jedoch ebenso 13
wie die anderen Verkehrsarten stetig zugenommen. Hinter dem Begriff Freizeitverkehr verbirgt sich ein Konglome- rat unterschiedlichster Zwecke, über deren Entwicklung im einzelnen nichts bekannt ist, weil entsprechende Verlaufsda- ten nicht erhoben werden. Das macht die Suche nach den Ursachen des Verkehrswachstums im Freizeitverkehr schwie- rig. Nach einer UBA-Studie sind etwa 30% aller Freizeitwege We- 30% aller Freizeitwege ge zur Pflege sozialer Beziehungen. Etwa ebenso groß ist der dienen sozialen Bezie- Anteil von Cafe-, Kneipen- und Restaurantbesuchen, sowie hungen von kulturellen und sportlichen Aktivitäten. Spaziergänge ma- chen 18%, Spazierfahrten und Ausflüge nur 5% der Freizeit- wege aus.44 Interessant ist ein Vergleich des Verkehrsaufwands der einzel- nen Zwecke. Für Besuche bei Familienangehörigen und Ver- wandten werden überdurchschnittlich lange Wege zurückge- legt. Dass Familienangehörige alle am gleichen Ort oder in der Region wohnen, gehört längst der Vergangenheit an. Erwach- sene Kinder lassen sich nicht dort nieder, wo sie aufgewachsen sind und wo Eltern und Geschwister wohnen, sondern ziehen dorthin, wo sie Arbeit oder einen Partner finden. Gleichzeitig sind die familiären Bindungen immer noch hoch. Mit der Er- werbstätigkeit der Frauen und der zunehmend geforderten Mobilität von Arbeitnehmern wächst auch die Zahl getrennt lebender Paare, die sich z.B. am Wochenende besuchen. Letz- teres ist ein relativ neuer Trend in der Organisation der sozia- len Bindungen in der Gesellschaft. Welche Größenordnung ihm zukommt, ob es sich um vorübergehende Phasen in den indivi- duellen Biographien oder um dauerhafte neue Formen des Zusammenlebens handelt, ist offen. Tagesausflüge werden zwar eher selten unternommen, die zurückgelegten Entfernungen sind jedoch relativ weit. Dies wird auch durch eine andere Untersuchung des UBA bestätigt, die Tagesausflüge sind ent- darüber hinaus zeigt, dass für die Tagesausflüge mehr als für fernungsintensiv und be- alle anderen Freizeitaktivitäten das Auto benutzt wird, nämlich vorzugen das Auto in 80% der Fälle. 45 Der Nahbereich hat in der Freizeit eine große Bedeutung. Im Jahre 2000 wurden über 40 % aller Freizeitwege zu Fuß oder mit dem Fahrrad unternommen. Dies war auch schon Mitte der Über 40 % aller Freizeit- 70er Jahre nicht wesentlich anders. Eine Untersuchung der wege erfolgen zu Fuß o- Leipziger Innenstadt als Freizeitstandort46 bestätigt die Hypo- der mit dem Fahrrad these, dass Siedlungsdichte und Nutzungsmischung auch für den Freizeitverkehr bedeutsam sind. Letztlich ist die richtige Mischung von Wohnen, Einkaufsmöglichkeiten, Freiflächen, Gastronomie und Kultur ausschlaggebend. Ein Einfluss der Zufriedenheit mit der Wohnung oder dem Wohnumfeld ließ sich in der Studie nicht feststellen. Ebenso wenig ist der Besitz eines Gartens ein Anlass zu weniger oder kürzeren Wegen in der Freizeit. Andererseits deuten die Ergebnisse des UBA- Modellprojekts „Autoarmes Wohnen im Bestand“ 47 ebenso wie die Ergebnisse des bereits in den 80er Jahren durchgeführten großen Modellprojekts zur „Flächenhaften Verkehrsberuhi- gung“48 darauf hin, dass ein autoarmes Wohnumfeld zur stär- keren Nutzung einlädt und zu größerer Wohnzufriedenheit 14
keren Nutzung einlädt und zu größerer Wohnzufriedenheit führt. Bisher spielt das Flugzeug im Freizeitverkehr noch keine große Kurzreisen mit Flugzeug Rolle. Flugreisen als Kurzreisen im Freizeitverkehr machen im im Kommen Jahr 2000 noch nicht einmal 1% der Wege aus. Von der Seite des Flugverkehrs her betrachtet zeigt sich aber seit 1998 ein deutlicher Wachstumstrend. Im Jahr 2000 machten Freizeitrei- sen 6% der Flugreisen aus, 1996 waren es erst 2%. Der Freizeitverkehr ist wegen seines Umfangs ein umweltpoli- Fazit / Handlungsbedarf tisch bedeutsames Segment. Auch für einen Freizeitverkehr der kurzen Wege ist die Nahversorgung wichtig. Eine gute Nutzungsmischung, mit Angeboten aus Gastronomie, Kultur, Sport und Naherholungsmöglichkeiten hilft, den hohen Anteil der nicht-motorisierten Verkehrsmittel im Freizeitverkehr zu erhalten oder auszubauen. Die Erschließung nahe liegender Ausflugsangebote trägt dazu bei, das Entfernungswachstum zu begrenzen. Darüber hinaus liefern die vorliegenden Arbeiten wenig konkrete Ansatzpunkte für die Verkehrsvermeidung im Freizeitverkehr. Sehr viel deutlicher sind die Einflussmöglichkeiten dagegen beim Modal Split. Eine gezielte Ergänzung der Angebote des ÖPNV zur Deckung der Freizeitbedürfnisse kann zu nennens- werten Verlagerungen führen. Für die Förderung von Touris- mus und Freizeitangeboten in der Region in Verbindung mit ...Verbreitung guter Bei- einer Verbesserung des ÖV-Angebotes und dessen Vermark- spiele tung sind Modellvorhaben ein geeignetes Instrument. Mit der Rahmensetzung zur Finanzierung des ÖPNV hat die Bundes- regierung die Möglichkeit, auf die Angebotsqualität des ÖPNV einzuwirken. Bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Ange- bote sind die Handlungsmöglichkeiten auf Bundesebene je- doch beschränkt. Mit der Durchführung von Modellvorhaben können lokal begrenzt Beispiele realisiert werden, die dank intensiver Kommunikation der Ergebnisse in gewissem Umfang auch Schule machen. Die in dem Forschungsvorhaben „Mobili- tätsstile in der Freizeit“49 entwickelten Maßnahmen bilden eine gute Basis für einen Praxistest. Die Zeiträume, bis solche Kon- zepte in größerem Umfang umgesetzt werden, sind jedoch sehr lang, wenn es überhaupt gelingt. Die Ergebnisse der Poli- tikwissenschaften zur Unterstützung einer schnelleren Verbrei- tung von Innovationen sollten hierfür stärker nutzbar gemacht werden. Die Realisierung von Verbesserungsmaßnahmen ließe sich ...Evaluation von Maß- effizienter gestalten und der Umsetzungsprozess unter Um- nahmen ständen erleichtern, wenn das Potential einzelner Maßnahmen im Voraus besser eingeschätzt werden könnte. Hierzu ist eine konsequente Evaluierung bisheriger und laufender Aktivitäten notwendig. Bezüglich der Freizeit-Flugreisen fehlen genauere Informatio- ...Untersuchung der Frei- nen über die Reiseziele (Deutschland, Europa, nicht- zeit Flugreisens europäisches Ausland), Reisezwecke („nach New York zum Einkaufen“) und Klientel. Ebenso wenig ist bekannt, in welchem Maß es sich dabei um zusätzliche Reisen oder um verlagerte 15
Bahn- oder Autoreisen handelt. Insofern kann über die Grö- ßenordnung der Umweltbelastung nichts genaues gesagt wer- den, können keine Strategien zur Steuerung der Entwicklung erarbeitet werden. Urlaubsverkehr... Der Urlaubsverkehr wird In der Statistik von „Verkehr in Zahlen“ macht der Urlaubsver- unterschätzt kehr 7% des gesamten Verkehrsaufwands in Deutschland aus. Dieser Anteil würde an sich keine besondere Aufmerk- samkeit auf dieses Verkehrssegment rechtfertigen. Allerdings zeigt der ausgewiesene Anteil die vom Urlaubsverkehr ausge- henden Umweltbelastungen nur unzureichend an, weil nur der auf oder im Falle des Flugverkehrs über dem Territorium Deutschlands zurückgelegte Anteil berücksichtigt wird (sog. Territorialprinzip). Anders als bei den anderen Verkehrszwe- cken ist jedoch gerade im Urlaubsverkehr der Anteil der im Ausland erbrachten Kilometer (sog. Inländerprinzip) besonders hoch, und es ist auch nicht davon auszugehen, dass die im Ausland von Deutschen erbrachten Kilometer durch nach Deutschland gerichtete Urlaubsverkehre aus anderen Staaten ausgeglichen werden. Einen Hinweis auf die Größenordnung der Untererfassung gibt der Vergleich der in „Verkehr in Zah- len“ nach dem Territorialprinzip dokumentierten Personenki- lometer im Luftverkehr mit den im UBA-Modell TREMOD nach dem Inländerprinzip erfassten Zahlen: ersteres weist für 2001 42 Mrd. Pkm aus, letzteres 140 Mrd. Pkm. Immer mehr Reisen... Die Anzahl der Urlaubsreisen hat bezogen auf die Bevölke- rungszahl seit 1976 fast um 60% zugenommen. Im Jahr 2001 blieb nicht einmal mehr jeder dritte Urlauber in Deutschland, der Marktanteil außereuropäischer Ziele lag bei mehr als ...ins Ausland 13%50. Von den Auslandsreisen bringen die Fernreisen die größten Umweltbelastungen mit sich. Nach einer Studie des Öko-Instituts im Auftrag des UBA machen Fernreisen keine 10% der privaten Auslandsreisen aus, sind aber für die Hälfte aller Treibhausgasemissionen der Auslandsreisen verantwort- lich.51 Gleichzeitig wird für den Ferntourismus ein überdurch- schnittliches Wachstum erwartet (+86% bis 2010). Der erwarte- te Zuwachs bei den Urlaubsreisen ist dieser Studie zufolge zum großen Teil auf Zweit- und Drittreisen zurückzuführen. Der Trend geht zu häufigeren, dafür aber kürzeren Urlaubsreisen. Die Zahl der Urlaubsreisenden wird dagegen nicht mehr so stark zunehmen. Die Bedeutung des Flugzeugs als Reiseverkehrsmittel wächst. Reiste 1990 jeder Fünfte Urlauber mit dem Flugzeug, war es im ...und mit dem Flugzeug Jahr 2000 bereits jeder Dritte. Der Urlaubsverkehr ist der Hauptmotor des Flugverkehrswachstums. Im Jahre 2000 machten Urlaubsreisen knapp 60% aller Flugreisen aus. Zwi- schen 1990 und 2000 wuchs der Urlaubsverkehr mit dem Flug- zeug um mehr als das Zweieinhalbfache und damit deutlich stärker als der Geschäftsreiseverkehr.52 Mit den Billigfliegern hat sich ein neuer Wachstumsmarkt etab- 16
liert. Mit billigen Angeboten wird versucht, neue Kundenpoten- tiale zu erschließen. Mit Erfolg: 2002 wurden bereits von 2,2 Mio. Reisenden Billigflieger genutzt, das Potential wird auf 19 Mio. geschätzt53. Nach aktuellen Pressemeldungen erwartet allein der Flughafen Hahn in diesem Jahr 2,3 Mio. Passagie- re54. Die Analyse der neuesten Entwicklung zeigt, dass die Anzahl der Urlaubsreisen 2002 gegenüber 2001 leicht rückläufig ist55. Trendwende nicht in Dabei verzeichnen Inlandsreisen einen leichten prozentualen Sicht Anstieg, während der Anteil der Fernreisen deutlich und der Anteil der Flugreisen leicht zurückgegangen ist. Hier schlagen sich sowohl die schwierige konjunkturelle Lage als auch die Furcht vor Terroranschlägen nieder. Dramatische Veränderun- gen hat es trotz allem jedoch nicht gegeben. Ein Ende des Wachstums ist nicht zu erwarten. Als Ansatzpunkte zur Verminderung der Umweltbeeinträchti- Ansatzpunkte zum Han- gung, insbesondere des Klimas, bieten sich die Beeinflussung deln der Zielwahl, der Urlaubshäufigkeit und der Verkehrsmittelwahl an. Die Eisenbahn hat im Urlaubsverkehr Anteile verloren. Sie wird von immer weniger Urlaubern genutzt. Über die Hälfte aller Urlaub mit der Bahn Urlaubsreisen werden mit dem Auto gemacht, ein Drittel mit dem Flugzeug. Die Bahn könnte bei Reisen in Deutschland und das benachbarte Ausland durchaus eine gleichwertige oder sogar die bessere Alternative sein. Wichtig ist dabei neben einem attraktiven Angebot der Bahn selbst (günstige Tarife insbesondere für Familien und Gruppen, bequemes Reisen, günstige Verbindungen, bequeme Fahrradmitnahmemöglich- keiten, komfortabler und günstiger Gepäckversand) der Erhalt der Mobilität am Urlaubsort (gutes öffentliches Verkehrsange- bot, Mietwagenservice, Fahrradverleih). Seit Dezember 2002 hat die Bahn die Tarife für Familien- und Gruppenreisen deutlich verringert und damit eine wichtige Vor- ...günstige Familientarife aussetzung für die verstärkte Nutzung im Freizeit- und Ur- laubsverkehr geschaffen. Die Bahn zusammen mit den großen Umweltverbänden bietet mit dem Projekt „Fahrtziel Natur“ ein spezielles Angebot für ...Fahrtziel Natur Urlauber und Erholungssuchende. Erklärtes Ziel dieser Koope- ration ist es, mehr Freizeitverkehr auf die Schiene zu bringen sowie die Akzeptanz gegenüber den großen Schutzgebieten zu fördern. "Fahrtziel Natur" bringt inzwischen 15 Regionen mit ausgewiesenen Schutzgebieten (Nationalparke, Biosphärenre- servate und Naturparke) im Wortsinn und im übertragenen Sinn "näher". Um die Bahn auch dem ganz gewöhnlichen Urlauber wieder ...mehr zielgruppenspezi- nahe zu bringen, müssten zielgruppenspezifische Angebote fische Angebote schaffen entwickelt und vermarktet werden. Nicht nur Bahn-Pauschal- reisen (alles inklusive) sondern auch Angebote, die die Anreise mit der Bahn mit einem flexiblen Mobilitätsangebot vor Ort kombinieren (Fahrrad, Mietwagen, ÖPNV-Ticket) könnten er- folgversprechend sein. ...Fahrradmitnahme unbe- Unbefriedigend sind immer noch die Fahrradmitnahmemög- f ß 17
friedigend lichkeiten. Bisher fehlt ein Konzept zur gezielten Erschließung des (wachsenden) Potentials an Fahrradtouristen. Die Reise- angebote sind hier auf vielen Relationen unattraktiv. Die Bahn experimentiert mit wechselnden Angeboten, die die Kunden verunsichern. Die Beeinflussung der Zielwahl bei Urlaubsreisen erscheint demgegenüber erheblich schwieriger. Es gibt jedoch durchaus Nähere Urlaubsziele vielversprechende Ansatzpunkte. So suchen laut SPIEGEL ONLINE am 30.7.03 vor allem auch jüngere Urlauber neuer- dings zunehmend die Exotik im eigenen Land: „Die Generation Golf kennt Gomera längst besser als den Spreewald – und ...Exotik im eigenen Land entdeckt gerade deshalb das Erholungsziel um die Ecke.“ Schwer kalkulierbare Risiken, Überfüllung und stressige Anrei- sen schrecken die Urlauber ab. Dazu kommt: „Die Reiseindust- rie hat die meisten Ziele so glatt geschliffen, dass sie kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Flugzeug, Shuttle- ...mehr komfortable Un- Service, Hotel und Strand - alles gleich, am Ende weiß der terkünfte Urlauber kaum noch, ob er in Antalya, Djerba oder Palma war.“ Mit einer Verbesserung des Komforts ließen sich nach Ansicht von Experten noch viel mehr Urlauber in Deutschland gewin- nen. Beispielhaft: das BMBF- In dem vom BMBF geförderten Verbundvorhaben „Innovative Projekt INVENT Vermarktungskonzepte nachhaltiger Tourismusangebote (IN- VENT)“ soll u.a. die Möglichkeit der Substitution von Fernreisen durch Reisen in Europa untersucht werden. Gemeinsam mit den Praxispartnern AMEROPA-Reisen GmbH und der DB Reise&Touristik AG sowie in Kooperation mit dem Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verband (DRV) sollen dafür an ausgesuchten Beispielen gezielte zielgruppenspezifische Tourismusangebote für den Pauschal- und Massenmarkt ent- wickelt, vermarktet und evaluiert werden. Zur Stärkung des umweltfreundlichen Tourismus in Deutsch- Die Umweltdachmarke land haben Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium Viabono die Initiative zur Einführung einer Umweltdachmarke mit dem Namen "Viabono – Reisen natürlich genießen" ergriffen. Sie wurde gemeinsam mit Tourismus-, Umwelt-, Verbraucher- und Kommunalverbänden entwickelt und soll umweltfreundlichen Tourismus vermarkten. Die Umweltdachmarke will Beherber- gungsunternehmen, Kommunen und Naturparken, die sich durch ihr Engagement für Umwelt- und Verbraucherschutz auszeichnen, Wettbewerbsvorteile verschaffen. Ihr Ziel ist die Erhöhung entsprechender Angebote. Den Reisenden soll mit einer Marke für alle touristischen Segmente die Suche nach umweltorientierten Angeboten erleichtert werden. Der Urlaubsverkehr ist aus Umweltsicht vor allem wegen der Fazit / Handlungsbedarf großen Bedeutung des Flugzeugs als Reisemittel und der Zu- nahme der Fernreisen relevant. Da der Urlaub als wichtiges Element der Lebensqualität angesehen wird, sollte politische Einflussnahme in diesem Bereich vor allem Wert auf positive Angebote und deren Vermarktung legen. • Eine Evaluierung der bisher geschaffenen Angebote ist unbedingt notwendig, um eine sichere Grundlage für weite- re Projekte und Strategien zu schaffen. 18
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