DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE

    Augsburg, München, Saarbrücken
                2007

       Caritas-Verband für     Integration durch Sprache e.V.
      die Diözese Trier e.V.
DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
INHALTSVERZEICHNIS

1. Einführung
   1.1   EQUAL
   1.2   SEPA in EQUAL II
   1.3   Beschreibung der Standorte
         1.3.1 Bayern
         1.3.2 Saarland
   1.4   Sprachförderung in SEPA in EQUAL II
   1.5   Berichtsziele

2. Sprachvermittlung: Methodische und didaktische Aspekte
   2.0   Einführung
   2.1   Merkmale der Zielgruppe
   2.2   Lernen
   2.3   Lerninhalte
   2.4   Fossilierung
   2.5   Tests und Prüfverfahren im Bereich DaZ
   2.6   Problematisierung GER
   2.7   Gefahren und Probleme
   2.8   Folgerungen
   2.9   Ausblick

3. Transnationale Kooperation – Know-how Transfer
   3.1   Rahmenbedingungen
   3.2   Transnationale Aktivitäten
         3.2.1 Projektbesuche
         3.2.2 Fortbildung für tschechische Lehrkräfte in Prag
         3.2.3 Besuch der tschechischen Partner beim Bundesamt für Migration und
               Flüchtlinge (BAMF)
   3.3   Fazit der transnationalen Kooperation

4. Folgerungen
   4.1   Sprache als Schlüssel zur Teilhabe
         4.1.1 Die wissenschaftliche Sichtweise
         4.1.2 Politische Einordnung
   4.2   Spracherwerb – aber wie?
   4.3   Fazit

5. AutorInnen
DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

1. Einführung                                          Wohnen und Migration der Stadt München
                                                       um nichtstaatliche Träger, die sich mehr-
Petra Barth, Hermann Schönmeier                        heitlich aus Wohlfahrtsverbänden und ein-
                                                       getragenen Vereinen der Migrationssozial-
1.1 EQUAL                                              arbeit zusammensetzen.

Die aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte        Die von beiden EPs verfolgten Ziele der
Gemeinschaftsinitiative EQUAL hat das Ziel, neue       Verbesserung der Ausbildungs- und Ar-
Wege zur Bekämpfung von Diskriminierungen und          beitssituation von AsylbewerberInnen und
Ungleichheiten von Arbeitenden und Arbeitsuchen-       anderen Flüchtlingen mit unsicherem Auf-
den auf dem Arbeitsmarkt zu erproben. Innovative       enthalt sind nicht vollständig deckungs-
Handlungsstrategien und Methoden sollen nachhal-       gleich mit den Politiken der Bundesregie-
tig in der Praxis verankert und in die arbeitsmarkt-   rung oder der beiden Landesregierungen.
politischen Regelwerke eingebracht werden.             Beide EPs fordern von der Politik wesent-
                                                       lich mehr an Teilhabe der AsylbewerberIn-
EQUAL wird als „Werkstatt“ für die gemeinschafts-      nen an Qualifizierung und Arbeit als die
weite Weiterentwicklung der verfügbaren arbeits-       Politik derzeit bereit ist zuzugestehen.
markt- und berufsbildungspolitischen Instrumente
verstanden. EQUAL ergänzt damit die allgemeinen        Beide EPs wollen in EQUAL II ihre bisher-
ESF-Ziele um die Aspekte Transnationalität und         igen Erfahrungen gemeinsam nutzen,
Innovation. Das Programm verfolgt einen experi-        um noch systematischer und noch stär-
mentellen Entwicklungsansatz zur Beseitigung von       ker produktorientiert vorzugehen. Dabei
Ungleichheiten und Diskriminierungen auf dem Ar-       versprechen sie sich von den unterschied-
beitsmarkt. Neue Konzepte der Berufsbildungs- und      lichen Bedingungen in den urbanen Be-
Arbeitsmarktpolitik sollen entwickelt und erprobt      reichen (Augsburg, München) und dem
werden. Gleichzeitig gilt es, die Erfahrungen und      ländlichen Bereich der Landesaufnahme-
Ergebnisse über „Mainstreaming“-Prozesse zu ver-       stelle Lebach im Saarland zusätzlichen Er-
breiten, zu verallgemeinern und in die künftige Po-    kenntnisgewinn bei der Umsetzung ihres
litik und Praxis zu integrieren.                       Arbeitsprogramms hinsichtlich der Arbeits-
                                                       marktpotenziale von AsylbewerberInnen
Bei der Bekämpfung von Diskriminierungen und           und Flüchtlingen. Die verschiedenen Part-
Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt orientiert sich    nerInnen erwarten durch die Kooperation
EQUAL an den Schwerpunkten der Europäischen            einen erheblichen Mehrwert.
Beschäftigungsstrategie: Verbesserung der Be-
schäftigungsfähigkeit, Entwicklung des Unterneh-       SEPA in EQUAL II setzt einen umfassen-
mergeistes, Förderung der Anpassungsfähigkeit der      den Empowermentprozess um.
Unternehmen und ihrer Beschäftigten sowie Förde-
rung der Chancengleichheit von Frauen und Män-         Die TeilnehmerInnen
nern. Hinzu kommt in EQUAL ein Schwerpunkt zur
Unterstützung von Asylbewerberinnen und Asylbe-          • werden hinsichtlich der Programm-
werbern.                                                   möglichkeiten beraten
                                                         • durchlaufen einen    psychologischen
                                                           Beratungsprozess
1.2 SEPA in EQUAL II
                                                         • nehmen an Kompetenzbilanzierung
                                                           und Bewerbertraining teil
SEPA in EQUAL II ist der Zusammenschluss von
zwei Entwicklungspartnerschaften (EPs) der EQUAL         • erhalten intensiven Sprachunterricht
I - Phase: FLUEQUAL aus Bayern mit den Stand-            • können berufliche Qualifizierungs-
orten Augsburg und München und der Saarländi-              maßnahmen durchlaufen.
schen Entwicklungspartnerschaft Asylbewerber und
Flüchtlinge (SEPA). In beiden Fällen handelt es sich     • Jugendliche können ihre schulische
bei den operativen AkteurInnen bis auf das Amt für         Qualifizierung verbessern

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

 • Traumatisierte Flüchtlinge werden durch beruf-     SEPA in EQUAL II - Standorte
   liche Qualifizierung und psychologische Bera-
   tung stabilisiert.                                 1.3 Beschreibung der Standorte
 • Je nach rechtlicher Situation erfolgt eine Inte-
   grations- oder Reintegrationsberatung.             1.3.1 Bayern
 • Flankierende Maßnahmen steigern die Wirk-          Das Bayerische Staatsministerium für Ar-
   samkeit des Programms.                             beit und Sozialordnung, Familie und Frau-
                                                      en ist für die Aufnahme, die landesweite
Die zur Erreichung der Ziele geplanten Maßnahmen      Verteilung sowie die Unterbringung und
unterscheiden sich aufgrund der Vorarbeiten in        soziale Versorgung der AsylbewerberIn-
EQUAL I in Bayern und im Saarland. Darüber hinaus     nen zuständig.
wird die Entwicklungspartnerschaft verschiedene
Produkte erstellen, die national und transnational    Vom Freistaat Bayern wurden am
in den Mainstreamingprozess eingebracht werden        31.12.2005 zwei Aufnahmeeinrichtungen
sollen.                                               mit 1.000 Plätzen betrieben. Neben den
                                                      Aufnahmeeinrichtungen werden in den 7
                                                      Regierungsbezirken insgesamt 175 staatli-
                                                      che Gemeinschaftsunterkünfte mit 21.099
                                                      Plätzen unterhalten.

                                                      Zum Stichtag 31.12.2004 wurden in Bay-
                                                      ern
                                                        • 5.472 AsylbewerberInnen im Verfah-
                                                          ren,
                                                        • 12.165 weitere Leistungsberechtig-
                                                          te nach dem Asylbewerberleistungs-
                                                          gesetz (z. B. endgültig abgelehnte
                                                          AsylbewerberInnen mit oder ohne
                                                          Duldung, ausreisepflichtige Auslän-
                                                          derInnen, Kriegs-und Bürgerkriegs-
                                                          flüchtlinge sowie
                                                        • 451 Asylberechtigte und Personen mit
                                                          Abschiebeschutz (in Gemeinschafts-
                                                          unterkünften)
                                                      untergebracht.

                                                      Nach dem Zuwanderungsgesetz ist sowohl
                                                      für SpätaussiedlerInnen als auch für Aus-
                                                      länderInnen die Teilnahme an einem In-
                                                      tegrationskurs vorgesehen. Damit die
                                                      TeilnehmerInnen dieser Kurse einen nach-
                                                      haltigen Erfolg erzielen können, stellen
                                                      Bund und Länder als freiwillige Leistung
                                                      die unterstützende Integrationsbegleitung
                                                      sicher. Ziel der Migrationserstberatung ist
                                                      es, den Integrationsprozess gezielt in die
                                                      Wege zu leiten, zu steuern und zu beglei-
                                                      ten.

                                                      Durch ein zeitlich befristetes (grundsätz-

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

lich maximal dreijähriges) bedarfsorientiertes mi-     (2) Standort München
grationsspezifisches Erstberatungsangebot sol-
len die MigrantInnen zu selbständigem Handeln in       (2.1) Statistische Angaben
allen Angelegenheiten des täglichen Lebens befähigt
werden. Dieses Beratungsangebot wird von Bera-         In der Landeshauptstadt München lebten
tungsstellen der Wohlfahrtsverbände vorgehalten.       zum 31.12.05 insgesamt 20.416 Flücht-
                                                       linge. Darunter fallen

(1) Standort Augsburg                                    • 3.749 geduldete Personen,
                                                         • 1.914 AsylbewerberInnen,
Wie aus den Zahlen der Regierung von Schwaben
ersichtlich ist, ging die Zahl der AsylbewerberInnen     • 6.122 Flüchtlinge nach §25, Abs. 2
und Geduldeten in Augsburg Stadt und Land im               AufenthG (ehemals § 51 AuslG), und
Vergleich zu Juni 2005 deutlich zurück. Auch der           außerdem
Trend ist deutlich rückläufig. Die Regierung von         • 6.310 Kontingentflüchtlinge
Schwaben ist zuständig für die Unterbringung von
AsylbewerberInnen und geduldeten Flüchtlingen.           • 2.321 Asylberechtigte

Es handelt sich bei den folgenden Zahlen sowohl        Nach telefonischer Auskunft der Regierung
um die Flüchtlinge in den Gemeinschaftsunterkünf-      von Oberbayern lebten im Oktober 2006
ten für Asylbewerber (GU) als auch um die dezen-       im Münchner Stadtgebiet 69 UMF (unbe-
tral untergebrachten Flüchtlinge.                      gleitete minderjährige Flüchtlinge), davon
                                                       waren 43 in Einrichtungen der Jugendhil-
                                                       fe untergebracht, der Rest lebte in so ge-
                         Juni 2005      Juni 2006
                                                       nannten Gemeinschaftsunterkünften.

Kapazität der GUs             1.318            991     In den letzten Jahren ist die Zahl der
                                                       Flüchtlinge auch in München drastisch
Belegung in GUs                 684            455     gesunken. Am 31.12.2002 lebten noch
                                                       24.909 Flüchtlinge in München. Während
                                                       im Leistungsbezug nach AsylbLG zum
Dezentral unterge-                                     31.12.2002 noch 8.272 Personen stan-
                                417            383
brachte Flüchtlinge                                    den, waren es im November 2006 nur
                                                       noch 3.621 Personen.
Flüchtlingszahlen
                             1.046             938
insgesamt                                              Obwohl die Flüchtlingszahlen immer weiter
                                                       zurückgehen, hat sich die Lebenssituation
                                                       der Flüchtlinge nicht verbessert. In Bayern
Von Juni 2005 bis Juni 2006 schloss die Regierung      ist die Unterbringung von Leistungsbe-
von Schwaben Asylunterkünfte und verringerte die       rechtigten nach AsylbLG in staatlichen Un-
Kapazität um 327 Plätze. In diesem Zeitraum ging       terkünften zwingend vorgeschrieben. Die
die Zahl der in Asylunterkünften untergebrachten       Flüchtlinge in München verteilen sich auf
AslybewerberInnen und Geduldeten von 684 um            eine Erstaufnahmeeinrichtung, in der sie
229 Personen auf 455 zurück. Die Zahl der dezen-       nach Asylantragsstellung ca. drei Monate
tral untergebrachten AsylbewerberInnen und Ge-         verbleiben, und auf 18 staatliche Gemein-
duldeten ging von 417 um 34 Personen auf 383           schaftsunterkünfte. Nur 367 Personen, die
zurück. Insgesamt verringerte sich die Anzahl der      im Leistungsbezug nach AsylbLG stehen,
AsylbewerberInnen und Geduldeten Flüchtlinge in        besitzen in München die Erlaubnis, in ei-
Augsburg Stadt und Land von 1046 um 208 Perso-         ner Privatwohnung zu wohnen.
nen auf 938 (Rückgang um 10,32%).

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

(2.2) Wohnsituation                                    Aufenthalt in Deutschland haben sie die
                                                       Möglichkeit, eine Arbeitserlaubnis bei der
Die Unterbringung in sog. Gemeinschaftsunter-          zuständigen Ausländerbehörde zu bean-
künften erfolgt in Mehrbettzimmern, die von zwei       tragen, unterliegen dann aber einer Nach-
bis vier Personen bewohnt werden. Für jede Person      rangigkeit beim Arbeitsmarktzugang. Die
steht im Normalfall nicht mehr als ca. 6 qm Wohn-      Flüchtlinge müssen einen Arbeitgeber fin-
raum zur Verfügung. Die Gemeinschaftsunterkünfte       den, der ihnen bestätigt, sie anstellen zu
sind mit Gemeinschaftsküchen und Gemeinschafts-        wollen. Die Agentur für Arbeit prüft dann,
waschräumen ausgestattet. Die Bewohner erhalten        ob gem. § 39 des Aufenthaltsgesetzes für
Geldleistungen nach AsylbLG, was einem Betrag          diese Beschäftigung kein Deutscher oder
von ca. 40 Euro entspricht. Der notwendige Bedarf      bzw. EU-Ausländer zur Verfügung steht.
an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Ge-
sundheits- und Körperpflege und Gebrauchsgütern
des Haushalts wird durch Sachleistungen gedeckt.
Die Ernährung wird in München durch die Vertei-
lung von Lebensmittelpaketen zwei mal wöchent-
lich gewährleistet, die an bestimmten Tagen und
zu einer festgelegten Uhrzeit abzuholen sind. Die
Landeshauptstadt München ist für den Barbetrag
(Taschengeld), Kleidung, Leistungen bei Krankheit
nach § 4 AsylbLG und sonstigen Leistungen nach §
6 AsylbLG zuständig, die Regierung von Oberbay-
ern für die Bereitstellung der Unterkunft und der
Essens- und Hygienepakete.

An der „Zwangsunterbringung“ der Flüchtlinge wird
hauptsächlich kritisiert, dass in den Gemeinschafts-   Vielen geduldeten Personen, die über
unterkünften ein menschenwürdiges Leben nicht          Jahre hinweg einer festen Beschäftigung
möglich ist.                                           nachgingen, wurde seit Inkrafttreten des
                                                       neuen Zuwanderungsgesetzes aufgrund
Die Flüchtlinge verbleiben in der Regel mehrere        mangelnder Mitwirkungspflicht bei der
Jahre in den Gemeinschaftsunterkünften. Nur falls      Klärung der Identität die Arbeitserlaub-
sich ihr Aufenthaltsstatus verfestigt, ist ein Umzug   nis entzogen. Ein Großteil der geduldeten
(evtl. in eine Privatwohnung oder in ein städtisches   Personen erhält, wenn überhaupt, eine Ar-
Notquartier) gestattet. Die Betreuung der Bewoh-       beitserlaubnis für nur zwei bis vier Stun-
ner in den Unterkünften erfolgt stundenweise durch     den am Tag. Wenngleich die Arbeitsmarkt-
Sozialpädagogen der Wohlfahrtsverbände. Eine in-       situation, zumal was den Billiglohnsektor
tensive und individuelle Betreuung der in den Un-      anbelangt, in München relativ gut ist und
terkünften lebenden UMFs kann nicht gewährleistet      die Flüchtlinge nach eigenen Aussagen in
werden.                                                der Lage sind, eine Beschäftigung zu fin-
                                                       den, sind sie in vielen Fällen einem sowohl
Der Vollzug des AsylbLG erfolgt in München der-        rechtlichen und als auch faktischen Ar-
zeit dezentral in den zehn regionalen Sozialbürger-    beitsverbot unterworfen.
häusern. In den Sozialbürgerhäusern sind 15 mut-
tersprachliche Sprachvermittler im Einsatz, die bei    (2.4) Gesundheitliche Situation von
Verständigungsschwierigkeiten hinzugezogen wer-              Flüchtlingen
den können.
                                                       Im Jahr 2005 waren allein bei Refugio
(2.3) Arbeitsmarktzugang                               München, Beratungs- und Behandlungs-
                                                       zentrum für Flüchtlinge und Folteropfer,
Asylbewerber und Geduldete unterliegen zunächst        insgesamt 496 Klienten in Behandlung.
einem einjährigen Arbeitsverbot. Nach einem Jahr       Davon waren 352 Erwachsene, 124 Kin-

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

der und 24 UMFs (vgl. Jahresbericht Refugio 2005).      besonderer Bedeutung sind, herausge-
Die Erfahrungen aus der Beratung mit 114 Klien-         geben. Auf der Homepage der Stelle für
ten beim TP Profi /AWM und eine Studie der Uni-         Interkulturelle Arbeit und Migration der
versität Konstanz aus dem Jahre 2005 stützen die        Landeshauptstadt München findet sich ein
Vermutung, dass Flüchtlinge in hohem Maße von           Adressenverzeichnis aller migrationsrele-
psychischen Problemen und posttraumatischen Be-         vanten Angebote in München.
lastungsstörungen betroffen sind. So klagt ein gro-
ßer Anteil der KlientInnen in der Beratung beim TP      (2.6) Sprache und Bildung
des AWM, über gesundheitliche Beschwerden wie
Schwindel, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwie-         Für Personen, die noch im Asylverfahren
rigkeiten und Schlafstörungen aufgrund der bela-        sind, für Geduldete und für alle sonstigen
stenden Wohnsituation und aufgrund von Kriegs-          ausreisepflichtigen Personen ist recht-
und Fluchterlebnissen                                   lich keine Sprachförderung und berufliche
                                                        Qualifizierung vorgesehen, da ein Integra-
(2.5) Unterstützungsstrukturen für                      tionsprozess in die Aufnahmegesellschaft
      Flüchtlinge in München                            nicht gewünscht ist. Allerdings ist in der
                                                        Beratung beim AWM eine hohe Nachfra-
In München existiert eine große Anzahl an sozialen      ge nach Deutschkursangeboten festzu-
Einrichtungen, Organisationen und Initiativen, die      stellen, da Deutschsprachkenntnisse eine
sich mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunk-          wichtige Voraussetzung für den Zugang
ten für die rechtlichen und sozialen Belange der        zum Arbeitsmarkt bedeuten. Aufgrund der
Flüchtlinge engagieren. Dazu zählen die ethnischen      Abhängigkeit vom AsylbLG ist es den mei-
Communities (ca. 174 Vereine, Organisationen und        sten Flüchtlingen nicht möglich, sich selbst
Initiativen von MigrantInnen), die häufig als Erstan-   einen Deutschsprachkurs zu finanzieren.
laufstelle für Flüchtlinge dienen und eine erste Ori-
entierung in der neuen Lebenssituation anbieten.
Ein bereites Spektrum an Dienstleistungen für die
unterschiedlichsten Problemlagen der Flüchtlinge
bieten die Wohlfahrtsverbände, die Kommune, freie
Träger, Initiativen und kirchliche Einrichtungen an.

    Im Bereich Gesundheit bestehen mehrere
    Beratungsangebote, die sich um die medizini-
    schen und psychischen Belange der Flüchtlinge
    kümmern, z.B. Refugio München, der psycho-
    logischen Beratungsdienst für Muslime, Donna
    Mobile, um nur einige zu nennen. Im Bereich
    Asylverfahren und Recht sind besonders
    zwei Einrichtungen zu erwähnen: Die Koordi-         In München gibt es ein begrenztes Angebot
    nationsgruppe Asyl von amnesty international        von sehr kostengünstigen oder kostenlo-
    und das Forum „Rechtshilfe für AusländerInnen       sen Sprachkursangeboten für Flüchtlinge,
    München e.V.“ Auf politischer Ebene engagie-        die keinen Zugang zu den Regelangebo-
    ren sich zahlreiche Organisationen für die Ver-     ten haben. Diese Angebote sind nur Dank
    besserung der Situation von Flüchtlingen. Dazu      (Teil-)Finanzierung durch die Landeshaupt-
    gehören u.a. die Flüchtlingsräte (Bayerischer       stadt München möglich, oder da Organi-
    Flüchtlingsrat, Münchner Flüchtlingsrat) die Ka-    sationen Gelder über Stiftungen akquirie-
    rawane und das Bündnis gegen Rassismus.             ren und mit ehrenamtlichen Lehrkräften
                                                        wie z.B. Studenten des Studienganges
Der Ausländerbeirat der Landeshauptstadt München        Deutsch als Fremdsprache arbeiten.
hat eine Broschüre mit allen Adressen von Vereinen,
Gruppen, Initiativen, Verbänden, Beratungsstellen,      Von 113 TN im Projekt beim AWM verfü-
die für MigrantInnen und ihr soziales Umfeld von        gen nahezu 40% über eine Schulbildung

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

von mindestens zehn Jahren. An diesen Bildungs-       zu Akteuren des Arbeitsmarktes gelingt es
hintergrund anzuknüpfen wird dadurch erschwert,       den Projektverantwortlichen bei T.E.S.A.
dass schulische und berufliche Qualifizierungsmaß-    einen hohen Prozentsatz der TN in Arbeit
nahmen für Flüchtlinge nur in einem sehr gerin-       oder Ausbildung zu vermitteln und ihnen
gen Umfang existieren. Von einigen Wohlfahrtsver-     damit eine langfristige berufliche Perspek-
bänden und der Rückkehrberatungsstelle „Coming        tive und die Chance auf ein unabhängiges
Home“ bei der Landeshaupt Stadt München werden        Leben in Deutschland bzw. im Heimatland
z.B. Computerkurse angeboten, wobei die Teilnah-      zu eröffnen.
me in einigen Fällen auf die Gruppe der U25 be-
schränkt ist. Sowohl was das Sprachkursangebot
als auch Qualifizierungsmaßnahmen angelangt ist       1.3.2 Saarland
das Angebot für erwachsene Flüchtlinge deutlich
ungünstiger als für minderjährige Flüchtlinge oder    (1) Statistischer Überblick
die Gruppe der U25.
                                                      In     saarländischen    Landesgemein-
                                                      schaftsunterkünften (LGUs) lebten am
(2.7) SEPA-Programm in München                        1.02.2002 noch 2.093 Personen, im Früh-
                                                      jahr des Jahres 2004 waren es nur noch
                          Die SEPA-Teilprojekte in    rund 1.600 Personen, die Leistungen
                          München (T.E.S.A) haben     nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
                          es sich zur Aufgabe ge-     (AsylbLG) bezogen. Seit Sommer 2004
                          macht, die Situation von    existiert nur noch eine solche Landesun-
                          Flüchtlingen mit unsiche-
                          rer Bleibeperspektive in
                          München hinsichtlich ih-
                          res Zugangs zu Schule,
Bildung und Arbeit zu verbessern. Die Angebote der
Projektpartner bei T.E.S.A. bestehen aus

  • intensiver Sprachförderung, schulanalogem Un-
     terricht, Schulabschlüssen (HASA/QUALI)
  • beruflichen Qualifizierungsbausteinen im kauf-
    männischen und handwerklichen Bereich (Fach-
    theorie und Fachpraxis)
  • Betriebspraktika
                                                      terkunft in Lebach, so dass diese Flücht-
  • Unterstützung bei der Suche nach einem Aus-       linge alle zentral in einer saarländischen
    bildungs- oder Arbeitsplatz                       Unterkunft leben. Rund 2.000 waren im
  • Kompetenzbilanzierung und Empowerment             Jahr 2004 darüber hinaus dezentral un-
                                                      tergebracht.
  • Förderung der kreativen Ausdruckmöglichkeiten
    im Theaterprojekt
                                                      Ferner lebt eine größere Anzahl von Asyl-
  • intensive sozialpädagogische Begleitung und       berechtigten über das Saarland verteilt.
    Betreuung                                         Rund 46 % der in Lebach untergebrach-
                                                      ten Flüchtlinge befinden sich noch im lau-
Trotz zurückgehender Flüchtlingszahlen ist die        fenden Verfahren, 53 % sind abgelehnte
Nachfrage nach den Projektangeboten bei T.E.S.A.      AsylbewerberInnen mit Duldungsstatus.
höher als die zur Verfügung stehenden Plätze.         Lediglich ein Prozent verfügt über eine
                                                      Aufenthaltsbefugnis.
Dank der guten Beziehungen der T.E.S.A.-Partner
zur Ausländerbehörde, zur Agentur für Arbeit und      Die Zugangszahlen von AsylbewerberIn-

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

nen sind weiter zurückgegangen. Während 1995             gesehen die Ausnahme. ExpertInnen ma-
noch 1.943 Zugänge verzeichnet wurden, waren es          chen jedoch darauf aufmerksam, dass
im Jahr 2000 nur noch 1.423, im Jahr 2003 noch le-       Frauen - insbesondere kurdische Frauen -
diglich 887. Insgesamt 788 Asylanträge wurden im         oftmals über ein vergleichsweise geringes
Jahr 2003 bearbeitet. In 2006 kamen von Januar bis       Bildungsniveau verfügen, z.T. auch nicht
September insgesamt 262 neue AsylbewerberInnen           alphabetisiert sind.
ins Saarland. In der Statistik wird nicht unterschie-
den nach Neuantragsteller, Folgeantragsteller und
neugeborene Kinder (die nicht in der LAST leben,
sondern bei ihren Eltern in den Gemeinden).

(2) Lebenssituation von Flüchtlingen und
    AsylbewerberInnen

Die Wohnsituation unterscheidet sich grundsätz-
lich darin, ob Flüchtlinge zentral in der LGU unterge-
bracht sind - was seit 1994 die Regel ist - oder aber
dezentral in den Kommunen leben. In der LGU leben
69 % der BewohnerInnen dort länger als ein Jahr          Das Interesse an Sprachkursen ist seitens
(darunter 11 % länger als fünf Jahre). Als Kritik an     vieler Flüchtlinge sehr groß. Dies steht im
der zentralen Unterbringung wird immer wieder die        deutlichen Gegensatz zur deutschen Ge-
Dichte der Belegung sowie die damit einhergehen-         setzgebung, die keinerlei Sprachkurse für
de Einschränkung der Lebensqualität der Bewohne-         diese Zielgruppe vorsieht. Von großem
rInnen genannt (z.B. Wegfall der Privatsphäre, für       Wert sind daher die von verschiedenen
SchülerInnen kaum Raum zum Lernen etc.).                 Wohlfahrtsverbänden kostenlos angebo-
                                                         tenen Sprachkurse.
Die Versorgung der Flüchtlinge wird vom Sachlei-
stungsprinzip bestimmt, d.h. ihr notwendiger Be-         (4) SEPA-Programm Saarland
darf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung,
Gesundheits- und Körperpflege sowie Gebrauchs-           Die Arbeitsmarktlage im Saarland ist
und Verbrauchsgütern des Haushalts werden durch          deutlich ungünstiger als in Augsburg und
Sachleistungen gedeckt. Am meisten Diskussions-          München und somit der Zugang zum Ar-
stoff bergen diesbezüglich die Essenspakete, die         beitsmarkt für AsylbewerberInnen und
zweimal wöchentlich ausgegeben werden.                   Flüchtlinge ungleich schwieriger. Die Teil-
                                                         projekte im Saarland setzen daher ver-
Zur gesundheitlichen Situation wird von in Le-           stärkt auf folgende Aktivitäten:
bach ansässigen ÄrztInnen angegeben, dass Flücht-
linge nicht in auffallendem Maße kränker sind als          • Förderung von Jugendlichen beim Ab-
der Durchschnitt der Bevölkerung. Traumatisierte             schluss ihrer schulischen Grundausbil-
Flüchtlinge befinden sich bei dem ansässigen Psych-          dung,
iater bzw. der Tagesklinik des St. Nikolaus Hospitals
                                                           • Förderung deutscher Sprachkenntnis-
in Behandlung oder suchen die psychologische Be-
                                                             se, um den Flüchtlingen Lernchancen
treuung des DRK auf.
                                                             in der deutschen Umwelt zu ermögli-
                                                             chen,
(3) Bildungs- und Sprachniveau
                                                           • Vermittlung beruflicher Qualifikatio-
Auf der Basis von 90 Flüchtlingsbiografien wurde             nen und Arbeitsmarktzugang über
ermittelt, dass die Mehrzahl der Befragten über ein          zusätzliche Praktika, damit beruflich
mittleres Bildungsniveau verfügt und in der Hei-             wichtige Sekundärtugenden in der be-
mat die Schule besucht hat. Flüchtlinge, die keinen          trieblichen Realität eingeübt werden
Schulbesuch vorweisen können, sind insgesamt                 können,

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DEUTSCH FÜR FLÜCHTLINGE - Augsburg, München, Saarbrücken 2007
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

  • psychologische und sozialpädagogische Bera-       ermöglichen, eigene Handlungsziele zu
    tung und Begleitung, um die negativen Effekte     verwirklichen, z.B. in Teilbereichen der
    des Lagerlebens und der ungewissen Lebenssi-      allgemeinen und berufsbezogenen Quali-
    tuation abzumildern.                              fikation, wie etwa der Fähigkeit Textver-
                                                      arbeitung, Tabellenkalkulation am PC zu
Die zurückgegangen Zugangszahlen von Asylbe-
                                                      beherrschen oder dem Erwerb konkreter
werberInnen im Saarland (s.o.) haben zwischen-
                                                      beruflicher Fertigkeiten und Kenntnisse.
zeitlich auch insofern Konsequenzen für die Pro-
                                                      Die aus solchen Erfahrungen abgeleiteten
grammduchführung als parallel dazu auch die Zahl
                                                      Erfolge in der Verwirklichung von selbst
der InteressentInnen für die von SEPA angebotenen
                                                      und fremdgesetzten Zielen sind ein Ge-
Qualifizierungsmaßnahmen zurückgeht. Am wenig-
                                                      genpol zu der verordneten Untätigkeit der
sten betroffen von diesem Trend sind die Angebote
                                                      AsylbewerberInnen und leisten einen Bei-
für SchülerInnen, am stärksten die Angebote der
                                                      trag zu einer generalisierten allgemeinen
beruflichen Qualifizierung.
                                                      Handlungsfähigkeit (Empowerment).

                                                      Den Schlüssel für den erfolgreichen Ein-
                                                      stieg in diese Lernprozesse vermittelt der
                                                      Sprachunterricht

                                                        • einmal als Voraussetzung für Lernen
                                                          und Lebensbewältigung in Deutsch-
                                                          land und
                                                        • zum anderen als Voraussetzung für
                                                          berufsbezogene Fortbildung.

                                                      Aufgrund der unterschiedlichen Arbeits-
                                                      marktbedingungen im Saarland einerseits
                                                      und in Augsburg und München anderer-
1.4 Sprachförderung in SEPA in EQUAL II               seits liegt der Schwerpunkt der Sprach-
                                                      förderung im Saarland stärker auf der
Empowerment wird im EQUAL-Kontext definiert als       Sprache als Voraussetzung für Lernen und
„Prozess der Mobilisierung von Ressourcen und der     Lebensbewältigung in Deutschland, wäh-
Entwicklung eigener Fähigkeiten mit dem Ziel, die     rend in den beiden bayerischen Standor-
eigene Zukunft aktiv mitzugestalten. … Empower-       ten Sprachunterricht verstärkt als Voraus-
ment ist eines der Grundprinzipien von EQUAL.“ Die    setzung für berufsbezogene Fortbildung
betroffenen Personen sollen darin unterstützt und     vermittelt wird.
dazu befähigt werden, Kontrolle über ihr Leben zu
erhalten und sich die dazu notwendigen Ressourcen
zu beschaffen bzw. die vorhandenen Ressourcen zu
stärken. Im Rahmen von SEPA in EQUAL II bedeu-
tet dies die Stärkung oder Wiederherstellung von
Handlungsfähigkeit von AsylbewerberInnen und
Flüchtlingen mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Empowerment als zentrale Querschnittsaufgabe von
SEPA wird umgesetzt in Maßnahmen der Teilprojek-
te und in teilprojektübergreifenden Maßnahmen:
Ziel ist Erhalt, Wiederherstellung und Stärkung der
Handlungsfähigkeit der ProgrammteilnehmerIn-
nen im Rahmen eines umfassenden, entwicklungs-
bezogenen Lernprozesses. Dieser soll der Person

                                              -8-
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

1.5 Berichtsziele                                         Ziel dient im Besonderen die Material-
                                                          sammlung „Toolbox Sprachunterricht
Der vorliegende Bericht verfolgt die nachstehend          im Asylbereich“.
genannten Ziele:

(1) Beschreibung von Verfahren/Methoden/didak-        (5) Der hier vorliegende Bericht wendet
    tischen Schritten zur Sprachförderung der spe-        sich vor allem auch an den Politikbe-
    ziellen Zielgruppe der AsylbewerberInnen und          reich (vertikales Mainstreaming), da
    geduldeten Flüchtlinge sowie von Gemeinsam-           dieser für die Beschränkungen verant-
    keiten mit Zielgruppen von MigrantInnen.              wortlich zeichnet, die die Lern- und Ar-
                                                          beitsbedingungen für AsylbewerberIn-
                                                          nen und Flüchtlinge erheblich einengt.
(2) Beschreibung des auf Spracherwerb abzielen-           Die vorgenommenen Einschränkun-
    den Knowhow-Transfers an ein neues EU-Mit-            gen haben dazu beigetragen, das poli-
    gliedsland im Rahmen von EQUAL II (Tschechi-          tische Ziel der deutlichen Begrenzung
    en).                                                  der Zuwanderung zu verwirklichen.
                                                          Die damit verbundenen Nebenwirkun-
                                                          gen (z.B. Abhängigkeit von sozialen
(3) Auf der Basis der unter 1. und 2. gemachten           Leistungen, Demotivierung, Verlust
    Erfahrungen sowie der Erfahrungen anderer             der Fähigkeit für sich selbst sorgen zu
    Entwicklungspartnerschaften:    Formulierung          können) sind jedoch so hoch, dass bei
    von Folgerungen für das horizontale und ver-          den zwischenzeitlich eingetretenen
    tikale Mainstreaming. Bei der Formulierung            Veränderungen der Rahmenbedingun-
    von Folgerungen gehen wir von folgenden Prä-          gen (durch Verschiebung der Außen-
    missen aus:                                           grenzen der EU radikale Abnahme der
                                                          Zugangszahlen von AsylbewerberIn-
                                                          nen) eine Revision solcher Beschrän-
    •   Selbstbestimmte und eigenverantwortliche          kungen sinnvoll und möglich scheint.
        BürgerInnen sind das Idealbild für Men-
        schen in unserer Gesellschaft.
    •   Um diesem Idealbild nahe zu kommen,
        müssen auch Zuwanderer die deutsche
        Sprache soweit beherrschen, dass sie in der
        Lage sind, den Anforderungen eines Lebens
        in Deutschland gerecht zu werden und am
        gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
    •   Voraussetzung für einen möglichst erfolg-
        reichen Verlauf dieses Prozesses ist ein an
        die besonderen Merkmale dieser Zielgrup-
        pe angepasster Sprachunterricht.

(4) Die fachlichen Erkenntnisse eines derartigen
    Sprachunterrichts für AsylbewerberInnen und
    geduldete Flüchtlinge sollen anderen Institu-
    tionen zur Verfügung gestellt werden, die sich
    gleichfalls mit der Sprachförderung von Flücht-
    lingen und MigrantInnen befassen. Die LeiterIn-
    nen solcher Einrichtungen und andere Sprach-
    lehrerInnen können dann entscheiden, wieweit
    sie von den Erfahrungen Gebrauch machen
    können (horizontales Mainstreaming). Diesem

                                              -9-
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

2. Sprachvermittlung: Methodische                       Die Frage, was gelernt werden soll in ei-
                                                        nem bestimmten zeitlichen Rahmen, der
   und didaktische Aspekte
                                                        objektive Sprachbedarf, sollte sich mög-
                                                        lichst mit dem subjektiven Sprachbe-
Sabine Steinacher
                                                        darf, also dem, was die TN selbst lernen
                                                        wollten, decken. Das Grobziel der Projek-
2.0 Einführung
                                                        te, nämlich Deutschunterricht bzw. die be-
                                                        darfsgerechte kommunikative Sprachkom-
Im Rahmen des EQUAL-Projekts SEPA wurden an             petenz, die wiederum die Grundlage bildet
drei Standorten Sprachkurse für Asylbewerberinnen       für den Erwerb der Handlungskompetenz,
und –bewerber durchgeführt, deren Ziel nicht nur        sollte zunächst in Feinziele untergliedert
die erfolgreiche Vermittlung von Deutsch als Zweit-     und anschließend danach beurteilt wer-
sprache war, sondern darüber hinaus die parallele       den, ob diese realistisch, überschaubar
Erstellung von innovativem Unterrichtsmaterial, die     und notwendig sind.
Auswertung und Evaluation von bestehendem Ma-
terial sowie der Versuch, Qualitätskriterien zu ent-    Wie sieht aber eigentlich „guter“ Deutsch-
wickeln bzw. Standards zu setzen.                       unterricht aus, was sollte dieser beinhal-
                                                        ten und woran wird der Erfolg gemessen?
Welchen Anteil hat die Beherrschung der Sprache         Sprachenlernen besteht nicht nur aus Wör-
für MigrantInnen: Dient das Lernen der deutschen        tern und Grammatik, sondern ist vielmehr
Sprache „nur“ der Lebensbewältigung oder ist es         ein mehrdimensionaler komplexer Vor-
Voraussetzung für die berufliche Fortbildung? För-       gang: Neben der funktionellen Dimensi-
dert es das Empowerment und behebt somit das            on, in der es um formale Korrektheit geht,
Gefühl der Sprachlosigkeit und Handlungsunfähig-        existieren noch andere, nämlich die kul-
keit in einer Gesellschaft? Ist Sprache der Schlüssel   turelle Dimension, die Fähigkeit, Sprache
zur Integration oder nur ein Teilelement, das ohne      in Kontexten adäquat zu verstehen und zu
den Abbau von Schranken durch die Mehrheitsge-          benutzen, sowie die kritische Dimensi-
sellschaft allenfalls partiell wirksam wird?            on, sich aktiv und kompetent in ein Um-
                                                        feld einzubringen - neben Kommunikation
Der Vermittlung der deutschen Sprache als Zweit-        also Partizipation. Diese drei Dimensionen
oder Fremdsprache kam innerhalb der EP SEPA in          wiederum beinhalten viele Kompetenzen:
beinahe allen TP eine besondere Rolle zu, der Kon-      neben der sozialen die Sprachhandlungs-
text, die Rahmenbedingungen und die Gestaltung          kompetenz, die Diskurskompetenz so-
waren jedoch sehr unterschiedlich. Die Lernziele        wie die strategische Kompetenz (verbale
orientierten sich daran, ob es ein Folgeangebot gab     und nonverbale Kommunikation) und das
(etwa berufliche Qualifizierung, Schulabschluss)          interkulturelle Lernen (Wahrnehmung,
oder an pragmatischen Vorgaben, z.B. wie die Ka-        Sensibilisierung und Reflexion – mit dem
pazitäten der TP hinsichtlich personeller und ma-       Lernziel Toleranz).
terieller Ausstattung beschaffen waren, wie viele/
welche TN (TeilnehmerInnen) sich für einen Kurs         Dieser Fülle von Anforderungen kann im
interessierten.                                         Unterricht entsprochen werden durch or-
                                                        ganisierte Lernerfahrungen als Kreislauf
Die Theorie der zu vermittelnden zielorientierten       von konkreten Erfahrungen auf verschie-
Lerninhalte, die Didaktik, beschränkte sich dabei       denen Ebenen: über Reflexion zur Anwen-
nicht nur auf Deutsch als Fremd- oder Zweitspra-        dung des Gelernten in der Praxis, woraus
che, sondern beinhaltete neben dem interkulturel-       wieder neue Erfahrungen entstehen und
len Lernen Bereiche der sozialen und beruflichen         so weiter. Das Lernen und die Entwick-
Orientierung. Die Zielgruppen erforderten eine be-      lung von Verstehensstrategien in Kombi-
sondere Methodik, die Art der Unterrichtsgestal-        nation mit der erweiterten Erfahrung sind
tung, die Organisation des Unterrichts sowie das        Schlüsselqualifikationen, die helfen das
System der Vermittlung orientierten sich an den         Lernen zu organisieren und in seiner Kom-
Bedürfnissen und Voraussetzungen der TN.                plexität schrittweise anzuwenden, wie z.B.

                                               - 10 -
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

im Bereich Lese- oder Hörverstehen zu unterschei-      petenz zu begreifen, sondern als einzig
den zwischen globalem und selektivem Verstehen:        wichtige Sprache zu deklarieren1, kann be-
Lernungewohnte TN müssen langsam herangeführt          sonders für Kinder von MigrantInnen eine
werden an Textarbeit, die Ermunterung Hilfsmittel      verhängnisvolle Entwicklung initiieren. Die
wie Lexika zu benutzen, kann ins Gegenteil umschla-    (relativ neue) Bezeichnung Zweitsprache
gen (wenn begeistert jedes Wort nachgeschlagen         konnotiert ja bereits, dass es sich nicht
wird) und muss ergänzt werden durch Strategien,        nur um eine Fremdsprache handelt, son-
sich den Sinn zu erschließen, ohne jedes einzelne      dern um eine Sprache, der neben der Mut-
Wort zu verstehen. Auf der Bedeutungsebene, wenn       tersprache eine sehr wichtige wenn nicht
es darum geht, einer grammatikalischen Form eine       existentielle Bedeutung zukommt.
Bedeutung zuzuordnen, die beim Gesprächspartner
eine bestimmte Wirkung erzielt, kann als Beispiel      Ein politisches Spannungsfeld scheint sich
die Höflichkeitsform (Anrede mit Sie statt du) sowie    zu eröffnen, in dem unterschieden wird
der Gebrauch von Redewendungen aus dem Alltag          zwischen oben und unten, gebildet und
dienen. Wird auf einer Behörde die falsche Anrede      bildungsfern, arm und reich. DaZ wird im
gebraucht in Kombination mit (unhöflich empfun-         Gegensatz zu DaF oftmals außerschulisch2,
denen) kurzen Befehlssätzen, ruft Sprache mitun-       ungesteuert und somit unter erschwerten
ter die „falsche“ Reaktion hervor. In Kombination      Bedingungen erworben, mitunter entste-
mit nonverbalen Kommunikationsmitteln, wie Au-         hen jene „Fließend-Falschsprecher“, die
genkontakt vermeiden, ist der Misserfolg beinahe       sich zwar im Alltag verständigen kön-
vorprogrammiert. Die kritische und die kulturelle      nen, aber nur ungern von ihren bereits
Dimension wirken hier weitaus stärker als die funk-    fossilierten3 Fehlern trennen – haben sie
tionelle (ob ein falscher Artikel oder eine falschen   Strukturen und Regeln doch unter großer
Endung benutzt wird), und dies gilt es im Unterricht   Anstrengung selbst erworben. Das neu
für DaF oder DaZ zu betonen.                           Gelernte funktioniert daher oftmals nur im
                                                       isolierten Kontext, z.B. im Klassenzimmer,
Die Tatsache, dass MigrantInnen in Deutschland le-     nicht jedoch in spontanen kommunikati-
ben und arbeiten, dass sie die neue Sprache anders     ven Situationen.
lernen als Kinder oder Jugendliche eine Fremdspra-
che (in ihrem Heimatland, in ihrer Muttersprache,      Dass wir es dennoch mit Mehrsprachig-
in der Schule), die Bedeutung des Faktors Migration    keit4 zu tun haben, wird oft vergessen und
für den Fremd- oder Zweitsprachenerwerb ist erst       unterschätzt, was auch daran liegen kann,
seit kurzem Gegenstand der Forschung, ebenso wie       dass unterschiedliche Maßstäbe in der Be-
die Tatsache, dass Deutsch als Fremdsprache            wertung existieren - innerhalb Europas.
(DaF) sich von Deutsch als Zweitsprache (DaZ)          Dass gerade Migrantinnen und Migranten
unterscheidet. Eine Fremdsprache wird meist ge-        viele Sprachen auf relativ hohem Niveau
lernt in einem gesteuerten Prozess, die Zweitspra-     „nur“ mündlich beherrschen, liegt oft dar-
che dagegen wird erworben in einem „natürlichen“       an, dass es für diese Sprachen keine oder
Prozess. Während Lernen im Rahmen von Erfahrun-        geringe schriftliche Traditionen gibt (vgl.
gen in einem geschützten Kommunikationsbereich         Kurdisch). Es müssen daher Wege der Do-
(Klassenzimmer) zu formaler Bewusstheit und Kor-       kumentation gefunden werden wie Spra-
rektheit führt, wird die Zweitsprache meist durch      chenportfolios.5
Erfahrungen im Umgang mit der Zielkultur erwor-
ben – und hat von Anfang an existentielle Bedeu-
tung. Bis jetzt existieren kaum Forschungsergeb-       2.1 Merkmale der Zielgruppe
nisse zum ungesteuerten Erwerb der Schriftsprache
und nicht selten werden gesellschaftspolitische In-    „Im Exil ist alles ungewöhnlich. Das Exil ist
teressensgegensätze mit dem Verweis auf kulturel-      ein Ozean von chaotischen Informationen. Der
le Faktoren interpretiert oder überformt: Migration    Mangel an Redundanzen dort erlaubt nicht,
wird zum „Problemherd“, Negativentwicklungen           diesen Informationsschwall als sinnvolle Bot-
werden bewertet ohne nach den Ursachen zu fra-         schaften zu empfangen. Das Exil ist da unge-
gen. Deutsch dabei nicht als Erweiterung der Kom-      wöhnlich, unbewohnbar (…)“ 6

                                              - 11 -
PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

Im Verlauf der Projekte stellte sich immer wieder      mit Behörden wurden immer wieder the-
heraus, dass die Rahmenbedingungen der Asylbe-         matisiert und wirkten sich wenig förderlich
werberInnen, die Tatsache, dass dieser Gruppe die      auf den Unterrichtsverlauf aus. Dem ent-
Partizipation, der Zugang zu Fortbildungen oder        gegenzuwirken durch klare Anforderungen
zum Arbeitsmarkt verweigert werden, es erschwer-       und einen verlässlichen, herausfordernden
ten, bestehende Konzepte eines praxisnahen und         Tagesablauf war ein begleitendes Merkmal
motivierenden Unterrichts zu übernehmen. Wel-          der Deutschkurse.
chen Anteil hat die Beherrschung der „Zielspra-
che Deutsch“, wenn die Handlungsfähigkeit einge-       Die Definition von Integrationshinder-
schränkt ist und es wenig Gelegenheiten gibt, das      nissen und –motiven und die Frage,
Gelernte anzuwenden?7 Die ungünstige Ausgangs-         wie Integration als Prozess und Eigen-
situation der TN schafft soziale Distanz und nicht     initiative angeregt werden kann, steht
selten führt Sprachnot zu Rollenunsicherheit und       am Anfang und schnell wird die wichtige
Statusverlust (wenn beispielsweise in einer Familie    Schnittstellenfunktion des DaZ-Unterrichts
die Kinder besser Deutsch sprechen als die Eltern).    offensichtlich – die aber auch wahrgenom-
Im Sinne von Empowerment sind professionelle An-       men werden muss.
gebote zur Qualifizierung zielführender als „Misch-
formen“, die ausgehend von einer angenommenen          Die Tatsache, dass es Gemeinsamkeiten
Hilfebedürftigkeit sozialpädagogische Ansätze be-      zwischen den Zielgruppen „MigrantInnen“
wusst in den Deutschunterricht integrieren.            und „AsylbewerberInnen“ gibt, soll nicht
                                                       über die Unterschiede hinwegtäuschen.
Durch das Bereitstellen klarer struktureller Rah-      Besonders was die Qualifizierung der Mit-
menbedingungen (geschützter Unterrichtsraum,           arbeiterInnen (MA) angeht, ist hier neben
kleine Lerngruppen, qualifizierte MA, speziell er-      der Belastbarkeit die interkulturelle Kom-
stelltes Curriculum) werden Möglichkeiten zur Ver-     petenz ein wichtiger Faktor in der Arbeit
änderung der eigenen Situation angeboten. Sprach-      mit Menschen aus anderen Kulturen, die
liche Handlungsfähigkeit als Weg aus der Isolation     in Deutschland nicht willkommen oder an-
ist eines der Lernziele, für das die TN selbst die     erkannt sind. Es erfordert viel Toleranz,
Verantwortung übernehmen können und müssen.            Offenheit und Sensibilität im Umgang mit
                                                       Verhaltensweisen und Denkansätzen, ein-
Die Kernfrage ist jedoch, wann ein Projekt erfolg-     fache Diskussionen im Unterricht etwa
reich ist und wie dieser Erfolg gemessen werden        über Religion können zur Belastungsprobe
kann. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Zusammen-      werden für Menschen, die ihr Herkunfts-
setzung der jeweiligen Gruppe, neben Persönlich-       land verlassen mussten weil sie wegen
keitsmerkmalen ist hier die spezielle Lebenssitua-     ihrer Glaubensrichtung verfolgt wurden.8
tion zu nennen und die Auswirkung derselben auf        Den AsylbewerberInnen wurden Ver-
Schlüsselqualifikationen (wie sich organisieren, sich   stehensleistungen abgefordert, die ihre
informieren, entscheiden, im Team arbeiten usw.),      Identität in Frage stellen, durch das Ler-
aber auch auf jene als typisch deutsch bezeichne-      nen einer Sprache werden sie mit neuen
ten „Sekundärtugenden“ wie Zuverlässigkeit und         oder anderen Werten konfrontiert, die ihre
Pünktlichkeit.                                         eigenen in Frage stellen. Dieser mögliche
                                                       Identitätskonflikt kann zum Lernhindernis
Heterogenität, was Alter, Herkunft, Vorbildung und     werden, wenn die Sprache als Träger ei-
Motivation betrifft, dürfte ein Merkmal sein, das      nes Wertesystems abgelehnt wird.
auch in Integrationskursen zu beobachten ist und
daher ein Gruppenmerkmal der TN mit Fluchter-          Ein weiteres, funktionales Lernhinder-
fahrung bzw. AsylbewerberInnen. Die Frage, ob es       nis ist die so genannte Fossilierung, ein
Gründe für flüchtlingsspezifischen Deutschun-            Problem, das in Regelkursen ebenso häu-
terricht gibt, stand nicht im Vordergrund, vielmehr    fig auftaucht wie bei AsylbewerberInnen,
galt es zu reagieren auf eine spezifische Zielgruppe,   die schon lange in Deutschland leben, die
deren Bedürfnisse und Hemmnisse. Externe „Stö-         Sprache aber bisher nicht systematisch
rungen“ wie Abschiebedrohungen oder Probleme           gelernt haben. Lernhemmende Umstände

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PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

(kein Raum oder wenig Rückzugsmöglichkeiten für          In Augsburg kristallisierten sich als Er-
konzentriertes Lernen usw.) sind zusätzliche Ver-        folgsfaktoren für diese Zielgruppe neben
stärker. Hier können bereits kleine Änderungen wie       der straffen Organisation10 das Angebot ei-
die Schaffung neuer, äußerer Bedingungen dazu            ner Qualifizierung, einer Perspektive nach
beitragen, Probleme zu lösen.                            dem Deutschkurs heraus, in Verbindung
                                                         mit einem ganzheitlichen Konzept, das
     In Augsburg und auch in München wurde eine          eine niedrigschwellige sozialpädagogische
     Nachmittagsbetreuung durch Freiwillige Mitarbei-    Betreuung durchgehend garantierte11 und
     terinnen (FWMA) und Mitarbeiter eingerichtet, wo    bewusst außerschulische Lernsituationen
     in geeigneter Umgebung Sprachkontakte gepflegt
                                                         als ergänzendes Angebot etablierte.
     oder einfach die Hausaufgaben gemacht werden.
     Die FWMA wurden stets durch eine MA des Projekts
     betreut, durch standardisierte Kommunikationsfor-   2.2 Lernen
     men wie Übergabeprotokolle wurde gewährleistet,
     dass diese außerunterrichtliche Übungsform effek-   „Wenn sich die Erkenntnisse der Lehr-Lernfor-
     tiv und sinnvoll ergänzend zum Vormittagsunter-     schung allgemein wie der Sprachlernforschung
     richt eingesetzt wird.9                             speziell aus den letzten Jahren überhaupt auf
                                                         einen Nenner bringen lassen, so ist es…die
Organisatorische oder logistische Konzepte dürfen        Erkenntnis, dass Lernen ein außerordent-
nicht unterschätzt werden, wenn es um das Gelin-         lich individueller Vorgang ist, dass Lerngrup-
gen einer Maßnahme geht. Klare Regeln und Ab-            pen durch eine zunehmende Heterogenität
                                                         gekennzeichnet sind und dass Lernprozesse
sprachen, das Einhalten von Vereinbarungen, for-
                                                         dann besonders gut funktionieren, wenn nicht
mulierte Ziele – und das am besten in schriftlicher      nur auf individuelle Lernvoraussetzungen und
Form, tragen dazu bei, die Akzeptanz bei den TN          – dispositionen, sondern auch auf individuelle
zu steigern. Neben der Wertschätzung der eigenen         Zielsetzungen Rücksicht genommen wird.“12
Person entsteht eine professionelle Arbeitsatmo-
sphäre, ohne dass der Faktor Empathie auf Seiten         Im Rahmen der innerhalb des SEPA-Ver-
der Mitarbeiterinnen darunter leidet. Die strikte        bundes gesteckten Ziele, Qualitätsstan-
Trennung von Hilfsangeboten und Qualifizierung,           dards zu entwickeln und Standards zu set-
das Klassenzimmer als geschützter Raum mit ei-           zen, bilden theoretische Kenntnisse über
genen Regeln sowie eine stringente Durchführung          Lernen im Allgemeinen und Spracherwerb
angekündigter Aktionen schafft Transparenz und           im Besonderen eine wichtige Grundlage.
erleichtert auch einer extrem benachteiligten Ziel-      Lernen als Prozess, der Erwerb von
gruppe den erfolgreichen Abschluss einer Maßnah-         Wissen oder Fähigkeiten durch Studium,
me.                                                      Übung oder Unterricht, ablesbar an den
                                                         Verbesserungen der Leistungen, findet auf
Die Anforderungen an eine Kursleiterin sind durch-       drei verschiedenen, miteinander verbun-
gehend hoch: Die Ansprüche an sich und die Ler-          denen Ebenen statt: auf der kognitiven,
nenden sollte man sich bewusst machen, die eige-         der emotionalen und der Verhaltensebe-
ne Belastungssituation und Methoden des Umgangs          ne. „Echtes“ Lernen bezieht alle drei Ebe-
damit reflektieren, wenn nötig Etappenziele definie-       nen mit ein: Mit Stäbchen essen lernt man
ren sowie Techniken zur Selbstevaluation entwik-         durch eine mündliche oder schriftliche An-
keln.                                                    leitung, die Wirkung ist jedoch nur anhal-
                                                         tend, wenn man gerne mit Stäbchen isst
Inwiefern sind nun aber äußere Rahmenbedingun-           oder zumindest einen Vorteil darin sieht.
gen das Ergebnis einer gewachsenen Struktur und
sind diese aus Erfahrungen gewonnenen Erkennt-           Ein Kind lernt Sprachen anders und schein-
nisse übertragbar? Wie können Erfolgsfaktoren, die       bar leichter als Erwachsene13, am Ende der
aus einer „Institutskultur“ entstanden sind (z.B.        Pubertät entsteht ein repliziertes Sprach-
Trägerkooperation mehrerer Partner) übersetzt            verhalten gemäß der sozialen Umgebung
werden auf Kurse in Unterkünften, durchgeführt           (der Wortschatz kann variieren zwischen
von Wohlfahrtsverbänden, deren Aufgabe originär          600 und mehreren tausend Wörtern). Kin-
ganz andere sind als Deutschunterricht?                  der erwerben mit der Muttersprache aber

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PRODUKTGRUPPE 2 - BERICHT

auch eine soziale Identität, über die ein erwach-     Die Lehr- und Lernziele im Fremd- oder
sener Zweitsprachenlerner bereits verfügt und um      Zweitsprachenunterricht können in drei
deren Verlust er/sie fürchten könnte im Fall einer    Teile gegliedert werden: neben dem Er-
Assimilation. Dass mit dem Erlernen einer neuen       werb von Wissen (kognitiv) spielen auch
Sprache unter bestimmten Bedingungen der Faktor       Einstellungen (affektiv) und Haltungen
Angst vor dem Verlust der sozialen Identität eine     eine Rolle ebenso wie sprachpraktische
Lernblockade darstellen kann, ist ein relativ neu-    Fertigkeiten („skills“). Der Erfolg beim
er Gedanke, der besonders für MigrantInnen mit        Erlernen einer neuen Sprache kann nur
Fluchterfahrung von Bedeutung sein könnte.            bedingt durch Messen der allgemeinen
                                                      Intelligenz vorausgesagt werden, eine
Im täglichen Unterricht stehen einer oftmals gro-     Sprachbegabung oder Sprachlernneigung
ßen lexikalischen Kompetenz bei den TN erhebliche     ist nur schwer messbar und auf solche
grammatikalische Mängel gegenüber (z.B. bewus-        Ergebnisse kann im Alltag so gut wie nie
stes Vereinfachen oder Weglassen von Endungen)        zurückgegriffen werden. Natürlich gibt
und es stellt sich die Frage, wie dieser Diskrepanz   es verschiedene Typen von Lernenden,
durch adäquate Methodik und Didaktik entgegen-        die demzufolge unterschiedliche Metho-
gewirkt werden kann, wie im Prozess „Lernen“ vor-     den fordern oder brauchen. So kann z.B.
handene Kompetenzen integriert werden können.         Grammatik nicht nur über Regeln, sondern
Sprache dient der Orientierung in der Umwelt, sie     durch Übung vermittelt werden – Spra-
beinhaltet individuelle und kollektive Erfahrungen,   che nicht als kognitive Leistung sondern
ermöglicht aber auch überhaupt erst die Aneignung     als praktische Fertigkeit. Oder es kann
von Wissen. Wenn es um Sprachenlernen geht, kön-      über den Gebrauch, also die Anwendung
nen Lernende die Zielsprache in einem kreativen       in kommunikativen Situationen, auf den
Prozess über den Einsatz von Strategien erschlie-     Alltagsgebrauch einer Sprache vorbereitet
ßen, wenn sie über bestimmte intellektuelle Struk-    werden – mit wenig Regeln und authen-
turen verfügen, die es ihnen erlauben, Regeln zu      tischen Texten. Doch gerade im Hinblick
konstruieren, zu erproben und gegebenenfalls wie-     auf bereits fossilierte Fehler ist vielleicht
der zu verwerfen. Sprache findet immer in einem        doch im Besonderen das Bereitstellen ei-
Kontext statt, Kommunikation ist nichts anderes als   nes transparenten Systems notwendig.
die Aushandlung von Bedeutungen zwischen zwei
Kommunikationspartnern – darum ist das Erlernen       Es gibt Lerner, die hauptsächlich im Kon-
einer Fremd- oder Zweitsprache eine besondere         text, also assoziativ lernen und dabei
Herausforderung.                                      ganzheitlich vorgehen. Eine andere Grup-
                                                      pe kann dagegen ohne Kontext lernen,
Lernen kann auf Zufall beruhen oder das Ergeb-        da sie über Möglichkeiten der induktiven
nis eines geplanten Prozesses sein. Verschiedene      Regelerkennung verfügt und analytisch
Faktoren spielen zusammen wie Lernalter, Art des      vorgeht. Der holistische Lerntyp ist oft
Erwerbs, Lernbedingungen wie Intensität/Qualität      personenbezogen und kommunikativ ori-
des Unterrichts, kommunikative Wichtigkeit, Ge-       entiert, sammelt Daten aus einer Sprache
dächtnis, Leichtigkeit der Verarbeitung, Zugang zu    und wendet diese risikobereit beim Spre-
neuem Material, Antrieb. Neben biologischen Gege-     chen an. Der analytische Lerntyp dage-
benheiten spielt auch das bis dahin erworbene Wis-    gen ist eher unabhängig vom Lernfeld und
sen, die Vorbildung, eine Rolle, denn dieses Wis-     bevorzugt deskriptive Analysen – Lernen
sen bildet die Grundlage für neues Wissen in einem    statt (zufälliges) Erwerben. Korrektes
unendlichen Prozess. Zum Können einer Sprache         Sprechen ist oftmals wichtiger als flüssi-
gehört mehr als Kenntnis der Grammatik. Sprach-       ges Kommunizieren und Risiken werden
kompetenz ist ein Profil, in dem es neben der Be-      eher vermieden. Wie können nun diese
schreibung der Fertigkeiten und des Wissens auch      Erkenntnisse sinnvoll in die Praxis einge-
um den erfolgreichen Sprachgebrauch geht und der      hen? Sollen Lerner klassifiziert werden,
neben sprachlichem Wissen auch soziokulturelles       um ihnen dann in homogenen Gruppen
Wissen und Diskurswissen umfasst.                     den ihnen adäquaten „Stil“ anzubieten?
                                                      Was passiert, wenn die Lerngruppe aber

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extrem heterogen ist im Hinblick auf Alter, Her-            möglichkeiten in Bezug auf Lerninhalte in
kunft, Vorbildung und kognitive Fähigkeiten? Wie            den Unterricht einzubauen.
können Erkenntnisse über Lernstil oder Lerntyp in
die tägliche Arbeit einfließen?                              Lernberatung als integrativer Bestandteil
In der Erfahrung hat sich gezeigt, dass die affekti-        und über die Einstufung oder Bewertung
ven Lernfaktoren, also die Motivation, eine große           oder Fehleranalyse hinaus kann helfen,
Rolle spielen. Es mag durchaus sein, dass begab-            Konzepte gemeinsam zu erstellen, diese
te Lehrerinnen und Lehrer mit einer entsprechen-            in den Alltag zu überführen, die zu erler-
den Persönlichkeit intuitiv die richtigen Methoden          nende Sprache greifbarer machen. Oft ist
wählen, ebenso ist es denkbar, dass es immer eine           es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass
Teilmenge geben wird, die mit großem Erfolg lernt,          die Vorstellung einer Sprachlernklasse als
während einer anderen dieser Erfolg versagt bleibt.         geschlossene Gruppe, die sich im Gleich-
Wenn es aber darum geht, Qualität zu sichern und            schritt vom gemeinsamen Start zum ge-
den Lernern den ihnen passenden Unterricht zu               meinsame Ziel bewegt, realitätsfern ist,
bieten, erweisen sich theoretische Kenntnisse über          vielmehr suchen einzelne TN ihre unter-
Lernen im Allgemeinen und Spracherwerb im Be-               schiedlichen Wege (auch Um- oder Abwe-
sonderen als notwendige Hilfestellung, um nicht in          ge) in unterschiedlichem Tempo.
alltäglichen Problemen zu verharren. Wenn bei TN
eine intrinsische, also integrative Motivation              Die Kernfrage bleibt allerdings: Wann
vorhanden ist, d.h. ein Bedürfnis zur Identifikation         funktionieren Lernprozesse gut und wann
mit der Zielsprache und deren Kultur, kann diese            weniger gut? Welche Faktoren können/
leichter aufrecht erhalten werden, auch oder gera-          müssen berücksichtigt werden, welche
de weil sie längerfristig angelegt ist.14                   können beeinflusst werden? Wie können
                                                            alle Dimensionen des Lernens (funktionel-
     In einem Sprachkurs für Flüchtlinge wird man häu-      le, kulturelle und kritische) berücksichtigt
     fig auf eine utilitaristische Herangehensweise an       werden? Evident ist, dass Sprachunter-
     das Thema Sprachenlernen treffen, TN die nur so-       richt sich keinesfalls auf die funktionelle
     viel lernen wollen wie sie aktuell brauchen, eine      Dimension beschränken darf, auch wenn
     Art „Überlebensdeutsch“. Dieser instrumentellen
                                                            dieser unter außergewöhnlich erschwerten
     Motivation kann man aber auch durch bestimm-
     te Konzepte entgegenkommen, wie z.B. durch ein         Bedingungen durchgeführt wird. Erleich-
     modulares Kurssystem, kleinschrittige Lernziele,       tert wird der Lernprozess, wenn neben
     zielgruppenorientierten Tests statt standardisierten   dem Deutschkurs auch andere Angebote
     Leistungsmessungen, zirkuläres statt lineares Cur-     existieren (wie z.B. in Augsburg im Quif-
     riculum. So können neben regelmäßigen schriftli-       Kurs die anschließende berufliche Qualifi-
     chen Zwischentests so genannte Sprachstandsbe-         zierung im Handwerk oder im Hotel- und
     obachtungen durchgeführt werden, die eventuell         Gaststättenbereich), und wenn permanent
     ein Motivationstief auffangen können, indem klar       eine professionelle sozialpädagogische
     wird, dass sich die Fertigkeiten Sprechen und Hö-      Betreuung dazu führt, Probleme nicht im
     ren durchaus verbessert haben. Darin wird neben
                                                            Unterricht thematisieren zu müssen.
     der formalen Richtigkeit die kommunikative Kom-
     petenz erfasst, ob ein TN sich mit dem zur Ver-
     fügung stehenden Wortschatz frei äußern kann,          Auch die Dauer und die Intensität der
     Grad der Verständlichkeit und Angemessenheit,          Deutschkurse spielen eine Rolle besonders
     die soziale Kompetenz (Verhalten gegenüber ande-       im Hinblick auf Motivation und Lernerper-
     ren TN, hilfsbereit, fähig zur Gruppenarbeit), aber    sönlichkeit. So kann in einem längerfristig
     auch Aussprache (Satzakzent und Wortakzent,            angelegten Kurssystem eher an „Proble-
     Verständlichkeit).                                     men“ gearbeitet werden (Pünktlichkeit,
                                                            Zuverlässigkeit etc.) und das benannte
In der Praxis hilft es oft, kleine Ziele setzen (nicht      bzw. gemeinsam vereinbarte Ziel15 kann
„perfekt Deutsch sprechen“) und den TN dabei hel-           dazu dienen, eine Perspektive zu gewin-
fen, sich daran auszurichten, motivationsfördernde          nen.
Maßnahmen, entdeckendes, handelndes und selbst-
gesteuertes Lernen in Form von Mitbestimmungs-              Bereits gemachte Lernerfahrungen, Lern-

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