Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort

 
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Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Das MARCHIVUM
Mannheims neuer Geschichtsort
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Das MARCHIVUM –
Mannheims neuer Geschichtsort
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Diese Festschrift wurde aus Fördermitteln
des Bundesprogramms Nationale Projekte
des Städtebaus erstellt.
                                            Das MARCHIVUM
                                            Mannheims neuer Geschichtsort

                                            Festschrift zur Eröffnung des MARCHIVUM
                                            am 17. und 18. März 2018

                                            Herausgegeben von Ulrich Nieß und Andreas Schenk
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Grußwort der geschäftsführenden                                                                     Grußwort des Oberbürgermeisters
Bundesministerin

Mit dem Programm „Nationale Projekte des         schich­te ist ein in dieser Dimension einzig­ar­   Kommunalarchive gelten seit jeher als               unserer Stadt – verwandelt sich in einen Ort
Städtebaus“ unterstützt das Bundesbau­           tiges und vorbildhaftes Projekt, von dem auch      Gedächtnisse ihrer Städte. Das gilt auch für        des dauerhaften Bewahrens, der Begegnung
ministerium seit 2014 herausragende Projekte     in Zukunft positive Impulse für die Entwicklung    Mannheim. Hier jedoch nahm das Stadt­               und der Offenheit. Für diese Metamorphose
der Baukultur und des Städtebaus in Deutsch­     des Stadtteils zu erwarten sind. Damit haben       archiv, neben der klassischen Aufgabe des           strahlen geradezu symbolhaft die beiden
land. Inzwischen haben wir mehr als 100          wir ein wichtiges Ziel unseres Bundespro­          Sammelns und Bewahrens, stets eine höchst           obersten, gläsernen Stockwerke in die Um­-
Projekte in 86 Kommunen in ganz Deutschland      gramms „Nationale Projekte des Städtebaus“         aktive Rolle in der Vermittlung sowie der           gebung aus. Das MARCHIVUM hat zweifellos
mit rund 300 Millionen Euro Bundes­mitteln       erreicht.                                          Forschung in den Bereichen Stadtgeschichte          das Potenzial, zu einer Veränderung des
 gefördert.                                         Ich wünsche dem Marchivum die gebühren­         und Erinnerungskultur ein. Ohne Erinnern            Stadtteils beizutragen und neue Impulse zu
    Eines dieser sogenannten Premium­projekte    de Aufmerksamkeit bei allen Einwohnerinnen         bekanntlich keine Zukunft. Denn zum Zusam­          setzen. Die Aufnahme des Umbaus in das
ist der Umbau des ehemaligen Luftschutz­­        und Einwohnern und den Gästen der Stadt.           menhalt einer offenen Stadtgesellschaft             Förderprogramm des Bundes „Nationale Pro-
 bunkers Ochsenpferch zum Sitz des Mann­                                                            gehört die Aufarbeitung der eigenen NS-             jekte des Städtebaus“ würdigt gerade diesen
heimer Stadtarchivs. Wir haben dieses innova­                                                       Geschichte ebenso wie die positiven Momen­          Aspekt. Mein Dank gilt daher dem Bund
tive und beispielhafte Stadtent­­wicklungs-                                                         te unserer Demokratie- und Stadtgeschichte.         für großzügige Fördermittel.
­projekt im Jahr 2015 auf Empfehlung einer                                                          Das neue Gebäude bietet dem Archiv nun                 Als der Gemeinderat 2014 einstimmig
 unabhängigen und interdisziplinär besetzten                                                        beste Möglichkeiten, diese Aufgabe weiter­          den Weg für das MARCHIVUM ebnete und
 Jury in das Programm aufgenommen und für                                                           zuführen, ja weiterzudenken und völlig neue         2016 der Startschuss für den Bunkerumbau
 die Erweiterung und den Umbau des früheren      Dr. Barbara Hendricks                              Formate in der Vermittlungsarbeit zu wagen.         fiel, standen gewaltige Aufgaben an. Dank
 Luftschutzbunkers insgesamt 6,6 Millionen       Geschäftsführende Bundesministerin für Umwelt,     Diese zielen insbesondere auch auf einen            der hervorragenden Zusammenarbeit aller
                                                 Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
 Euro bereitgestellt.                                                                               lebendigen Austausch mit den Schulen und            Beteiligten konnten sie nicht nur im äußerst
    Damit hat dieses „unbequeme“ Denkmal aus                                                        Bildungseinrichtungen. Es gilt, junge Menschen      engen Zeit- und Kostenrahmen, sondern
 der NS-Zeit eine sinnvolle Nutzung gefunden.                                                       zu überzeugen, wie wichtig es aus histori­scher     auch als bedeutender Beitrag zur Baukultur
 Es ist zu einem Speicher der Mannheimer                                                            Erfahrung ist, sich aktiv für eine humane, die      unserer Stadt bewältigt werden. Dafür gilt
 Geschichte und zu einer Kultureinrichtung mit                                                      Grundrechte verteidigende Stadt­ge­sellschaft       es, Dank und Anerkennung auszusprechen,
 Strahlkraft und Impuls­wirkung für das ganze                                                       einzusetzen. Das Archiv bleibt dabei unver­         vor allem der GBG – Mannheimer Wohnungs­
 umliegende Quartier geworden.                                                                      zichtbares Gedächtnis unserer Stadt, wird           gesellschaft, der Schmucker und Partner
    Mit dem Einzug des Stadtarchivs wird auch                                                       aber zugleich zu einer lebendigen Stätte des        Planungsgesellschaft, den involvierten städt­-
 eine NS-Dokumentationsstätte ein­gerichtet.                                                        Forschens, Lernens und Erlebens. Der neue           ischen Fachbereichen und Eigenbetrieben
 Beides zusammen macht die Stadt­geschichte                                                         Name MARCHIVUM ver­deutlicht diese                  und nicht zuletzt den Mitarbeiterinnen und
 umfassend erlebbar und kann deshalb als                                                            konsequente Weiter­entwicklung.                     Mitarbeitern des MARCHIVUM. Ihnen wünsche
 ein gutes Bespiel dafür gelten, dass ein                                                              Das neue Haus der Stadtgeschichte und            ich auf ihrem weiteren Weg alles Gute und
 geschichtlich belastetes Denkmal zu einem                                                          Erinnerung bietet aber auch neue Perspek­           viel Erfolg, und ihrem Haus positive Auf-
 lebendigen Ort der Kultur, der Bildung und                                                         tiven für Mannheims bevölkerungsreichsten           nahme und viele Besucherinnen und Besucher.
 der Forschung werden kann. Diese Trans­                                                            Stadtteil, wo die offene Stadtgesellschaft
 formation ist auch am Gebäude selbst gelun­                                                        sich immer wieder aufs Neue beweisen muss:
 gen, indem der Hochbunker architek­tonisch                                                         die Neckarstadt-West. Das Gebäude selbst
 aufgewertet und städtebaulich in das                                                               ist spektakulär, weil es die Hierarchien gerade­-
 Quartier Neckarstadt-West eingebunden                                                              zu umstürzt. Eine bisher als problematisch
 werden konnte.                                                                                     empfundene Immobilie, ausgerechnet der
    Der Umbau des einst größten Hochbunkers                                                         größte Hochbunker – ein mahnendes, be­-             Dr. Peter Kurz
 in Mannheim zu einem Haus der Stadtge­                                                             drohlich wirkendes, unbequemes Denkmal              Oberbürgermeister
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Grußwort des Bauherrn                                                                      Vorwort

Die Geschichte und das Bauen in Mannheim          Von der Neckarstadt aus wird das MAR­    2014 fasste der Gemeinderat den einstim­             So imposant die Ausmaße des Bunkers
bzw. der Aufbau der Stadt Mannheim sind         CHIVUM die Stadtgeschichte einer breiten   migen Beschluss, Mannheims größten Hoch­          auch sind, so war doch eine bauliche Erweite­
die Themen, die das MARCHIVUM und               Öffentlichkeit zugänglich machen und       bunker für das Stadtarchiv umzubauen.             rung des Gebäudes unerlässlich. Für die
die GBG seit ihrer Gründung zu Beginn des       mit historischen Themen sowie modernen     Die Stadtspitze, allen voran Oberbürger­          Büroräume, das Digitalisierungszentrum, die
20. Jahrhunderts miteinander verbinden.         Veranstaltungs- und Darstellungsformaten   meister Dr. Peter Kurz und Kulturbürgermeis­      Lesesäle und den Veranstaltungssaal wurden
   Dabei haben sich die Wege der städtischen    dafür sorgen, dass das multikulturelle     ter Michael Grötsch, hatten für dieses klare      auf den Stahlbetonbau zwei neue Stockwerke
Unternehmen vielfach gekreuzt, wenngleich       Mannheim als Heimat begreifbar wird.       Votum höchst engagiert geworben. Ihnen            aufgesetzt. Nach gut dreijähriger Planungs-
sich erst seit den 80er Jahren eine zuneh­                                                 gilt daher das erste Wort des Dankes. Mit         und Bauzeit präsentiert sich der fensterlose
mend engere Beziehung entwickelt hat.                                                      dem Beschluss war die Entscheidung für eine       Bunker nun mit einem gläsernen, zweige­
Damals wurde begonnen, Bauakten, Pläne,                                                    ungewöhnliche Lösung gefallen. Denn drin­         schossigen Aufbau, der bei abendlicher Be-
Fotografien aus dem historischen Archiv der                                                gend war eine Baulichkeit gesucht, nachdem        leuchtung weit in die Umgebung strahlt.
GBG an die Fachleute des Stadtarchivs                                                      am bisherigen Standort massive Sicherheits­       Die Fassade des früheren Luftschutzbaus hat
zu übergeben. Diese Praxis wird auch noch                                                  probleme aufgetreten waren. Den Bunker            einen attraktiven neuen Farbanstrich er­halten,
heute fortgeführt.                                                                         kannten wir bereits gut, nutzten ihn als Außen-   der Vorplatz ist großzügig erweitert und in
   Als langjähriges Mitglied des Mannheimer     Dipl.-Kfm. Karl-Heinz Frings               depot. Warum dieses Bauwerk also nicht            unmittelbarer Nähe sind Parkplätze entstan­
Architektur- und Bauarchiv e. V. durfte die     Geschäftsführer der GBG                    als neues Domizil nutzen? Genügend Platz          den. Durch den Umbau ist ein Ort geschaffen
GBG einen immer tieferen Eindruck in die                                                   war dort ja nicht nur für die umfang­reichen      worden, in dem Mannheims Geschichte auf
akribische Arbeit der Mitarbeiterinnen und                                                 Archivalien vorhanden, sondern auch für           geradezu ideale Weise dauerhaft bewahrt,
Mitarbeiter des heutigen MARCHIVUM                                                         Ausstellungszwecke, insbesondere auch zur         erforscht und vermittelt werden kann. Noch
erlangen. Diese exzellente Fachlichkeit wurde                                              NS-Geschichte. Und wo könnte ein Ort mahn­        sind die stadtgeschichtliche Ausstellung
auch genutzt und die letzte große Chronik                                                  enden Erinnerns besser geschaffen werden          und das NS-Dokumentations­zentrum nicht
der GBG anlässlich ihres 75jährigen Bestehens                                              als in einem symbolbehafteten Bauwerk             eröffnet. Sie werden im Laufe des nächsten
durch das Stadtarchiv begleitet.                                                           aus dieser dunklen Zeit?                          Jahres ihrer Bestimmung übergeben und den
   Wenngleich historisch geprägt, ging die                                                    Gewiss, der Bunker rettete im Zweiten          Bunker endgültig zu einem leben­digen Lern-,
Zusammenarbeit der beiden Gesellschaften                                                   Weltkrieg vielen Menschen in Mannheim das         Forschungs- und Erlebnisort machen, in
weit über die Dokumentation der Vergangen­                                                 Leben. Aber er war Teil der menschenver­          der Geschichte und Erinnerung in all ihrer
heit hinaus. Zukunftsthemen wurden von                                                     achtenden Kriegslogik eines verbrecherischen      Vielfalt erfahrbar wird.
den beiden Unternehmen schon früh in An-                                                   Systems, die Millionen Unschuldiger den Tod          Das Gebäude hat durch diesen Umbau eine
griff genommen, so unterstützten die                                                       gebracht hatte. Nach 1945 diente der Bunker,      erstaunliche Metamorphose erfahren. Einst
Mitarbeiter des damaligen Stadtarchivs die                                                 nach einer kurzen Periode als Gefangenen­         ein abweisender grauer Klotz, signalisiert er
GBG bei dem frühen Digitalisierungsprozess –                                               lager, zunächst als Ersatz für verloren gegan­    nun Offenheit und lädt zum Besuch ein.
dem Anlegen elektronischer Akten.                                                          genen Wohnraum, dann wurde er unter               Ein neues städtebauliches Wahrzeichen ist
   Revanchieren darf sich die GBG nun                                                      dem Vorzeichen des Zivilschutzes zum ABC-         ent­standen, ein lange Zeit unbeachteter Ort
als stolzer Bauherr des neuen MARCHIVUM.                                                   Bunker aufgerüstet. Nun beherbergt er das         verschafft sich im Stadtbild eindrucksvoll
Dieses Bauwerk bildet nicht nur aufgrund                                                   MARCHIVUM – ein Name, der zunächst                Geltung. Dies ist in erster Linie den Architek­
seiner inhärenten Geschichte als Bunker einen                                              Irritation auslöste. Doch ganz bewusst haben      ten zu verdanken. Die in Mannheim über
Leuchtturm in der Mannheimer Architektur                                                   wir uns diesen neuen Namen gegeben, weil          vier Generationen hinweg verwurzelte
und Stadtgeschichte. Er wurde sozusagen von                                                hier weit mehr als ein klassisches Kommunal­      Planungsgesellschaft Schmucker und Partner
‚Mannheimern‘ für Mannheimerinnen und                                                      archiv entsteht.                                  zeichnete nicht nur für die Planung und
Mannheimer gemacht.                                                                                                                          Ausführung des Umbaus verantwortlich,
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
sondern war es auch, die überhaupt erst die        in den Bauämtern, insbesondere des Fach­         auch die schulpädagogischen Angebote.
Idee für die Umwidmung des Bunkers zum             bereichs Stadtplanung und Städtebau. Neben       Wenn 2019 die stadtgeschichtliche Ausstel­
neuen Sitz des MARCHIVUM hatte. Deshalb            dessen Leiter Klaus Elliger war es insbeson­     lung und das NS-Dokumentationszentrum
gilt es, Andreas und Peter Schmucker nicht         dere Frau Architektin Ruth Scheurer, die den     eröffnen, wird Mannheims wechselvolle
nur für ihr gutes Auge bei der Planung zu          Umbau mit ihrer Sachkompetenz und mit            Geschichte in multimedialen und interaktiven
danken, sondern auch dafür, dass sie sich so       Leidenschaft begleitete.                         Präsentationen völlig neu erlebbar sein.
überzeugend für das Projekt eingesetzt                Von der Planung bis zur Fertigstellung           Allen Beiträgern dieser Festschrift danke
haben. Zu danken ist gleichermaßen ihrem           gab es manche Hürden zu überwinden,              ich sehr, stellvertretend Dr. Andreas Schenk
Team, das die Realisierung so engagiert und        Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu        und Silvia Köhler, die damit den Blog
fachkundig begleitete. Stellvertretend für         übernehmen, die auch uns viel Zeit und           (www.marchivum-blog.de) zum krönenden
alle sei hier besonders Jörg Deffner erwähnt.      Geduld abverlangt haben. So stellte allein der   Abschluss führen, sowie den Gestaltern
Und ohne die statisch komplexen Berechnun­         komplexe Umzug eine strategische Heraus­         Leonie Rapp und Tobias Becker.
gen von Prüfingenieur Felix Späh wäre die          forderung dar, da er während der Bauarbeiten        Es ist zu wünschen, dass das MARCHIVUM
Optimierung der Magazinbelegung niemals            durchzuführen und zugleich der Dienst­           viel Zustrom und Zuspruch erfährt – und
möglich geworden.                                  betrieb aufrecht zu erhalten war. Für das Team   weit über Mannheim hinaus strahlt.
   Als ein Bauherr gesucht wurde, zögerte          des MARCHIVUM bedeutete dies eine mit-
die GBG – Mannheimer Wohnungsbaugesell­            unter hohe Belastung. Stellvertretend gilt der
schaft keine Sekunde. Dank gilt deshalb            besondere Dank hierbei an meinen Stell­
besonders dem langjährigen Geschäftsführer         vertreter Dr. Harald Stockert.
der GBG, Wolfgang Bielmeier, und seinem               2015 wurde der Umbau zum MARCHIVUM
Nachfolger Karl-Heinz Frings. Seitens der          in das Förderprogramm des Bundes Nationale
GBG betreute vor allem Marcus Schäffner auf        Projekte des Städtebaus aufgenommen –
das Fachkundigste den Aus- und Umbau.              mit der stolzen Summe von 6,6 Millionen Euro.    Prof. Dr. Ulrich Nieß
Auch ihm sei herzlich gedankt. Die Zusammen­       Es ist das erste Bauprojekt in Mannheim, das     Stadtdirektor MARCHIVUM
arbeit zwischen Architekten und Bauherr            derart ausgezeichnet und gefördert wurde.
auf der einen Seite sowie dem MARCHIVUM            Mein Dank gilt hier der Bundesministerin
und weiteren städtischen Fachbereichen             Dr. Barbara Hendricks. Die Förderung ihres
auf der anderen verlief stets zielorientiert und   Ministeriums war uns ein zusätzlicher An­
engagiert: Alle Beteiligten verstanden die         sporn. Schließlich soll das MARCHIVUM
Aufgabe als Chance, einen neuen magischen          wie ein Leuchtturm in die Umgebung hinein­
Ort zu schaffen, der gleichermaßen durch           wirken, den Stadtraum aufwerten und posi­
seine Funktionalität, sein inneres und äußeres     tive Impulse setzen. Die Grundlagen sind nun
Erscheinungsbild und seine städtebauliche          gelegt. Nun heißt es, das Haus mit Leben
Einmaligkeit anzieht. Dass dies gelungen           zu füllen. Angebote dazu sind schon reichlich
ist, ist auch dem eigenen Planlenkungsteam         vorhanden: Der Friedrich-Walter-Saal im
zu verdanken. Dr. Christoph Popp und               6. Obergeschoss kann für Vorträge, Tagungen,
Dr. Andreas Schenk vom MARCHIVUM haben             Workshops und andere Veranstaltungen
mit nie nachlassendem Elan das Projekt auf         genutzt und in den Lesesälen können Archi­
unserer Seite vorangetrieben, stets unter­         valien und Digitalisate eingesehen werden.
stützt von den Kolleginnen und Kollegen            Ein zentrales Anliegen des MARCHIVUM sind
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Essays                                             Dokumentation

Vom Stadtarchiv Mannheim                      14   Die Geschichte des Bunkers und          44
zum MARCHIVUM                                      anderer Luftschutzbauten
Ulrich Nieß, Christoph Popp, Andreas Schenk        Andreas Schenk

Vom Bunker zum MARCHIVUM                      22   Etappen des Bunkerumbaus               118
Peter Schmucker                                    Silvia Köhler, Andreas Schenk

Zur Statik des ehemaligen                     30
Weltkriegsbunkers
Felix Späh

Das MARCHIVUM als                             36
städte­bauliche Aufgabe
Ruth Scheurer

                                                   Baudaten und Projektbeteiligte         150
                                                   Förderer und Sponsoren des MARCHIVUM   151
                                                   Quellen, Literatur- und Bildnachweis   152
                                                   Impressum                              152
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Essays
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Vom Stadtarchiv                Exakt 111 Jahre nach seiner Gründung im Jahr                                                                           Das Alte Kaufhaus in N 1, Foto von 1910.
                               1907 hat das Stadtarchiv Mannheim eine neue,
Mannheim                       spannende Wegmarke erreicht. Erstmals verfügt
zum MARCHIVUM                  es über ein eigenes, auf seine Bedürfnisse ein­
                               gerichtetes Gebäude. Und in diesem Gebäude
                               wird es zukünftig auch eine stadtgeschichtliche
                               Ausstellung und ein NS-Dokumentationszentrum
                               vorhalten, sich zum Haus der Stadtgeschichte
                               und Erinnerung erweitern. Die Ausstellungen
                               sollen den Besucherinnen und Besuchern einen
                               multimediale Erlebnis- und Lernort bieten. Es
Ulrich Nieß, Christoph Popp,   etabliert sich damit eine neue Einrichtung in
Andreas Schenk                 Mannheim, die gleichermaßen Bildung, Kultur
MARCHIVUM                      und Forschung in sich vereint. Konsequenter­
                               weise wurde deshalb der angestammte, auf ein
                               bestimmtes Profil zugeschnittene Namen auf­
                               gegeben. Das Kunstwort MARCHIVUM soll
                               Neugier wecken und die Palette der Möglichkei­
                               ten andeuten.
                                  Das neue Gebäude ist außen wie innen spek­
                               takulär. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet
                               Mannheims größter Hochbunker eine solche
                               Wandlung erleben würde? Es war ein mutiger
                               wie visionärer Weg, der beschritten wurde und
                               der noch vor wenigen Jahren undenkbar schien.
                               Das Stadtarchiv war im Collini-Center gut ein­
                               gerichtet, hatte helle Vortrags- und Lesesäle
                               und war damit Teil und Vorzeigeeinrichtung des
                               Rathauskomplexes. 2013 kam es aber im Büro­
                               trakt des Collini-Centers im Abstand von nur          Nach seiner Gründung 1907 hatte das Stadt­      Ein zweiter Förderverein, der sich jetzt Freun­
                               wenigen Wochen zu zwei schweren Wasserschä­        archiv seinen Sitz zunächst im zum Rathaus um­     deskreis MARCHIVUM nennt, wurde 1997 ins
                               den im Haus, die auch die Räume des Stadtar­       funktionierten Alten Kaufhaus in N 1. Ein promi­   Leben gerufen.
                               chivs betrafen. Zwar hielten sich die Schäden in   nenter Platz im Herzen der Stadt, der dem             Nach dem Krieg fristete das Stadtarchiv zu­
                               den Magazinräumen in engen Grenzen, aber sie       Archiv während des Zweiten Weltkriegs aller­       nächst im Rathaus in E 5 ein eher kümmerliches
                               mussten als klare Warnung verstanden werden.       dings zum Verhängnis wurde. Denn in der Bom­       Dasein, zumal es dort nur einen Teil seiner Akten
                               Archivalien sind Unikate – einmal verloren, kön­   bennacht vom 5. auf den 6. September 1943 fiel     und Sammlungen unterbringen konnte. Weitere
                               nen sie kaum bis gar nicht ersetzt werden. So      das barocke Gebäude in Schutt und Asche. Mit       Teile lagerten in Nebenräumen des Herschel­
                               galt es, möglichst rasch einen anderen Standort    ihm gingen zum Beispiel auch die städtischen       bads in U 3 und in einem provisorischen Depot
                               zu finden. Denn das Collini-Center, 1972–1975      Bauakten verloren, was 1989 zum Anlass genom­      in der Steubenstraße. Die Lagerräume an diesen
                               als zeittypischer Stahlbetonbau errichtet, konn­   men wurde, als Förderverein des Stadtarchivs       drei Standorten waren für das Archivgut alles
                               te die sichere Lagerung der umfangreichen          das Mannheimer Architektur- und Bauarchiv          andere als ideal.
                               Sammlungen und Bestände des Stadtarchivs           (MAB) zu gründen. Ziel des MAB war und ist es,        Umso bedeutender war der Umzug Anfang
                               nicht mehr garantieren; seine komplette Sanie­     eine Ersatzüberlieferung aufzubauen, um bau­       der 1990er Jahre in das Collini-Center. Sämtli­
                               rung stand nicht zur Disposition. Erneut stellte   geschichtliche Unterlagen aus den Büros der        che Büro-, Arbeits- und Magazinräume konnten
                               sich für das Gedächtnis der Stadt Mannheim die     Architekten und Baugesellschaften oder den         nun im 1. und 2. Obergeschoss des Bürogebäu­
                               Standort- und damit auch die Perspektivenfrage.    Nachlässen von Haus­eigen­tümern zu sammeln.       des konzentriert werden. Erstmals verfügte das

                                                                            14    Essays                                                                                                         15
Das MARCHIVUM Mannheims neuer Geschichtsort
Das Alte Kaufhaus nach der Zerstörung im                                                                       war der Vorschlag von Schmucker und Partner,
                                                                    Zweiten Weltkrieg, Foto von 1945.
                                                                                                                                                                                   den Hochbunker zum neuen Sitz des Stadtar­
                                                                                                                                                                                   chivs aus- und umzubauen. Rasch wurde deut­
                                                                                                                                                                                   lich, dass dieser Standort, obwohl er am Rand
                                                                                                                                                                                   der Neckar­stadt-West in einem über viele Jahre
                                                                                                                                                                                   städtebaulich und stadtplanerisch vernachläs­
                                                                                                                                                                                   sigten Areal liegt, die einmalige Chance bietet,
                                                                                                                                                                                   die Angebote des Stadtarchivs weiterzuentwi­
                                                                                                                                                                                   ckeln.
                                                                                                                                                                                      Denn seit vielen Jahren widmet sich die Insti­
                                                                                                                                                                                   tution nicht nur der klassischen Aufgabe des
                                                                                                                                                                                   Archivierens, etwa des Sammelns und Bewah­
                                                                                                                                                                                   rens von städtischen Verwaltungsakten und an­
                                                                                                                                                                                   deren stadtgeschichtlich bedeutenden Doku­
                                                                                                                                                                                   menten. Vielmehr wurde geforscht, wurden
                                                                                                                                                                                   regelmäßig Seminare, Vorträge und Führungen
                                                                                                                                                                                   angeboten, stadtgeschichtliche Publikationen
                                                                                                                                                                                   veröffentlicht oder etwa das Stadtinformations­
                                                                                                                                                                                   system STADTPUNKTE aufgebaut. Auch schul­
                                                                                                                                                                                   spezifische Veranstaltungen fanden ihren Platz.
                                                                                                                             Magazinraum im Herschelbad, Foto von 1973.            In enger Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte

Stadtarchiv über einen großen Lesesaal für die    scheidung fiel, im Hochbunker in der Neckar­
stadtgeschichtliche Forschung und einen wei­      stadt-West ein Außendepot für digitalisiertes
teren Raum für die Bauakteneinsicht. Im Erd­      und deshalb im Original selten benötigtes Ar­
geschoss wurde der nach dem Gründer des           chivgut einzurichten.
Stadtarchivs benannte Friedrich-Walter-Saal          Noch dachte niemand an einen vollständigen
ein­gerichtet, in dem regelmäßig Vorträge rund    Umzug des Archivs in den Bunker, geschweige
um Mannheims Stadtgeschichte stattfinden          denn an eine Aufstockung des Gebäudes für
konnten. Das Collini-Center schien bis zu den     Arbeitsplätze, Lesesäle und Friedrich-Walter-
Ereignissen des Jahres 2013 als Sitz des Stadt­   Saal. Stattdessen stand nach den Wasserschä­
archivs geradezu als ideal, dies nicht zuletzt    den im Collini-Center zunächst einmal die Idee
auch wegen seiner verkehrsgünstigen Lage,         eines Neubaus auf den frei werdenden Konver­
wenngleich sich im Lauf der Jahre in den Ma­      sionsflächen im Raum. Bei näherer Analyse
gazinen auch räumliche Enge bemerkbar mach­       zeigten sich meist deutliche Standortnach­teile
te. Durch den konti­nuierlichen Zuwachs an        und kristallisierten sich unterschiedliche Nut­
Archivalien stießen die Lagerflächen mehr und     zungsvorstellungen bei Gesprächen mit poten­
mehr an ihre Grenzen, so dass 2008 die Ent­       tiellen Investoren heraus. Umso überzeugender                              Das Bürogebäude des Collini-Centers, Foto von 2004.

MARCHIVUM                                                                                                      16   Essays                                                                                                       17
Sandhofen, dem Historischen Institut der Uni­              dung mit den Reiss-Engelhorn-Museen eine            Es ist daher nur konsequent, den eingeschla­     Forschens. Deshalb wurde bei der Planung nicht
versität Mannheim und anderen Akteuren ge­                 erste stadtgeschichtliche Ausstellung, die bis   genen Weg weiterzuverfolgen. Das MARCHI­            nur auf attraktive Innenräume Wert gelegt, son­
hörte dabei stets die Aufarbeitung der Ge­                 Ende 2015 im Alten Zeughaus zu sehen war. Ge­    VUM ist der ideale Ort, um Mannheims Stadt­         dern auch auf die Aufwertung der Umgebung
schichte des Nationalsozialismus und seiner                rade deshalb konnte sich das Stadtarchiv den     geschichte und Erinnerungskultur zu präsen-         des Gebäudes. Der Vorplatz wurde attraktiviert,
Opfergruppen zu den zentralen Handlungsfel­                Namenszusatz „Institut für Stadtgeschichte“      tieren. Dazu dienen die stadtgeschichtliche Aus­    in der angrenzenden Bunsenstraße ein Mitarbei­
dern. Zudem erstellte das Stadtarchiv in Verbin­           selbstbewusst zulegen.                           stellung im Erdgeschoss und das NS-Dokumen­         ter- und Besucherparkplatz geschaffen. Ein Bür­
                                                                                                            tationszentrum im 1. Obergeschoss. Beide werden     gerbeteiligungsverfahren bot hierzu wertvolle
                                                                                                            in zeitgemäßer multimedialer Form als interak­      Anregungen. Manches aber ist hier noch zu tun.
                                                                                                            tive Forschungs-, Lern- und Erlebnisbereiche        So würde das im Rahmen eines städtebaulichen
                                                                                                            konzipiert sein. Dazu werden digitalisierte Foto­   Wettbewerbs konzipierte Licht­band an der Jung-
                                                                                                            grafien, Filme und andere Dokumente aus den         buschbrücke eine weitere Aufwertung darstel­
                                                                                                            Beständen des Archivs genutzt. Im NS-Doku­          len. Auch sind noch Ideen für die Ansiedlung von
                                                                                                            mentationszentrum können die Besucherinnen          gastronomischen und weiteren kultur- oder kre­
                                                                                                            und Besucher an Recherche-Stationen den Bio­        ativwirtschaftlichen Einrichtungen umzusetzen,
                                                                                                            grafien von Opfern und Tätern des Nationalso­       die gemeinsam mit dem Fachbereich Stadtpla­
                                                                                                            zialismus nachspüren. In Verbindung mit den         nung ausgearbeitet werden.
                                                                                                            Schulen haben Jugendliche die Möglichkeit,             Dies alles sind positive Anzeichen, dass der
                                                                                                            sich mit Inhalten beider Ausstellungsbereiche       nun abgeschlossene Bunkerumbau nicht nur dem
                                                                                                            aktiv auseinanderzusetzen. Dafür wird es einen      früheren Stadtarchiv neue Perspektiven bietet,
                                                                                                            speziell ausgestatteten Seminarraum geben.          sondern auch, wie erhofft, dem Stadtteil neue
                                                                                                            Selbstverständlich steht auch die wechselvolle      Impulse verleiht. Als Leuchtturm jedenfalls wirkt
                                                                                                            Geschichte des Bunkers im Fokus. Und schließ­       das MARCHIVUM allein schon durch das ein­
                                                                                                            lich wird es einen Raum für Wechselausstellun­      drucksvoll umgestaltete Gebäude mit seinen
                                                                                                            gen auch für andere Akteure geben. Die Pla­         beiden neuen Stockwerken. Möge es mit seinen
                                                                                                            nungen für all diese Einrichtungen laufen auf       Angeboten auch im Innern helle Leuchtpunkte
                                                                                                            Hochtouren – mit dem Ziel der Eröffnung im          für Mannheim und die Region setzen!
                                                                                                            Laufe des Jahres 2019.
                                                                                                               Schon jetzt steht der Archivbereich des MAR­
                                                                                                            CHIVUM zur Verfügung, mit ihm auch die Lese­
                                                                                                            säle und der neue Friedrich-Walter-Saal, die vom
                                                                                                            obersten Stock des Gebäudes einen eindrucks­
                                                                                                            vollen Blick auf Mannheim und sogar bis nach
                                                                                                            Ludwigshafen bieten. In den Lesesälen hat jeder
                                                                                                            Interessierte die Möglichkeit, stadtgeschicht­
                                                                                                            liche Themen oder die eigene Familiengeschich­
                                                                                                            te zu erforschen, während andere Mannheims
                                                                                                            Bauakten einsehen möchten. Der Friedrich-Wal­
                                                                                                            ter-Saal steht, wenn er nicht für eigene Veran­
                                                                                                            staltungen des MARCHIVUM benötigt wird,
                                                                                                            auch Dritten, zum Beispiel für Workshops und
                                                                                                            Kon­ferenzen, offen. Die Magazine in den frühe­
                                                                                                            ren Bunkergeschossen sind für die Öffentlich­
                                                                                                            keit nicht zugänglich, können aber im Rahmen
                                                                                                            von Führungen besichtigt werden.
                                                                                                               Das MARCHIVUM versteht sich als offenes
     Rollregalanlage in den Magazinräumen des MARCHIVUM,
     Foto von 2017.                                                                                         Haus der Begegnung, des Erlebens, Lernens und

MARCHIVUM                                                                                             18    Essays                                                                                            19
Das MARCHIVUM – Mannheims neuer Geschichtsort, Foto vom Januar 2018.
Vom Bunker zum                               Heute liegt der öffentliche Fokus in erster Linie       Von dieser Erkenntnis bis zum heutigen MAR­         Liegenschaften. Kann keine sinnvolle Nutzung er­
                                             auf Neubauten. Gesellschaftliche Wahrnehmung,        CHIVUM war es allerdings ein weiter Weg: Ers­          reicht werden, wird es vielfach nicht gelingen, ein
MARCHIVUM                                    aber auch Förderungen und Bauordnungen be­           te Konzepte wurden entwickelt, um Nutzer und           Denkmal auf Dauer zu erhalten. Doch findet die
                                             schränken sich ebenfalls in erster Linie auf de­     Stadtverwaltung, Bürgermeister und Gemeinde­           Denkmalpflege im Zusammenwirken mit Sponso­
                                             ren Errichtung. Eine Haltung, die weder wirt­        räte für das Projekt zu gewinnen, und es gelang,       ren, Architekten und Restauratoren immer wieder
                                             schaftlich noch energetisch sinnvoll ist und den     die Entscheidungsträger für das künftige Stadt­        Lösungen zum Erhalt und zur Nutzung, und zwar bei
                                             unterschiedlichen Qualitäten unseres Gebäude­        archiv in diesem städtebaulich doch sehr schwie­       vertretbaren Eingriffen in die Denkmalsubstanz.“ ¹
                                             bestands nicht gerecht wird.                         rigen Umfeld zu begeistern. Die Problematik am
                                                Nun macht eine Umgestaltung meist nur bei         Standort wurde dabei nicht negiert, sondern als        Was hatten wir anderes im Sinn? Wir hatten eine
                                             geringen Eingriffen in den Bestand wirklich Sinn,    Chance betrachtet. Das gesellschaftliche Enga-         ideale, respektvolle und mit kleinen Eingriffen
                                             gerade bei solch widerspenstigen Strukturen wie      ge­ment an genau dieser Stelle ist für die Neckar­     zu erreichende Umnutzung vorgestellt und den­
Peter Schmucker                              einem Hochbunker, aber welche Weiternutzung          stadt-West von großer Bedeutung und tritt ne­          noch kein Gehör gefunden. So machte sich eine
Schmucker und Partner Planungsgesellschaft   bietet sich schon für einen solchen Typus an?        gativen Entwicklungen im Stadtteil baulich aber        Delegation aus Vertretern der Stadt und des Ar­
                                                Natürlich lässt sich mit erheblichen Eingrif­     auch durch die der Bildung verpflichteten Nut­         chitekten auf, um die Leitung der Landesdenk­
                                             fen jedes beliebige Nutzungsprofil auch in eine      zung entgegen.                                         malpflege in Karlsruhe von der Sinnhaftigkeit
                                             scheinbar ungeeignete Immobilie pressen. Bei­           Die Begeisterung hat erfreulicherweise bis          unseres Unterfangens zu überzeugen. Nach lan­
                                             spiele gibt es hierfür genug und Fenster lassen      heute angehalten, sie wurde aber gerade zu Be­         gen Verhandlungen wurde eine Lösung gefun­
                                             sich mit entsprechendem Aufwand auch in eine         ginn auf eine harte Probe gestellt, da es im Vor­      den, die meines Erachtens als beispielhaft gelten
                                             Bunkerwand schneiden. Eine ideale Wiederver­         feld schwierigste Verhandlungen gab, die ele­          darf und der sich heute sicher auch die Vertreter
                                             wendung sieht jedoch anders aus.                     mentar für die geplante Umnutzung waren und            der Denkmalpflege guten Gewissens anschlie­
                                                Das Büro Schmucker hat in den letzten Jahren      die ohne das große Engagement von Nutzer und           ßen können.
                                             mit Projekten wie dem Speicher 7 oder der Alten      Bauherr wohl nicht erfolgreich verlaufen wären;           Eingriffe in den Bestand wurden minimiert,
                                             Brauerei eine besondere Expertise bei derartigen     ein außergewöhnliches Engagement, das uns              die beiden aufgesetzten neuen Etagen setzen
                                             Projekten erworben und dabei erkannt, dass die       die gesamte Planungs- und Bauzeit begleitet hat        sich, wie auch die Einbauten im Innern, deutlich
                                             sinnvolle Weiternutzung nur bei einem Erkennen       und das mir in meinem beruflichen Schaffen so          vom nationalsozialistischen Erbe ab, sind zumin­
                                             der Potenziale des einzelnen Gebäudes gelingen       noch nie begegnet ist.                                 dest theoretisch reversibel. Diese Kontraste
                                             kann. Wir planen mit den Gebäuden, nicht ge­            Die Mannheimer Bunker stehen gänzlich un­           wurden exakt herausgearbeitet. Sie waren der
                                             gen sie, lesen und denken uns vielmehr in sie hin­   ter Denkmalschutz, dem Ochsenpferchbunker              Leitfaden, der für den gesamten Entwurf die
                                             ein, um sie mit Hilfe unseres architektonischen      wurde und wird dabei höchste Bedeutung be­             Grundlage bildete. Nur ein ehrlicher Umgang mit
                                             Baukastens zukunftsfähig zu machen.                  scheinigt. Allein, die Meinungen, wie mit dem          der baulichen Historie und ein klares Absetzen
                                                Aus heutiger Sicht ist die Umnutzung des          historischen Erbe umzugehen sei, gingen weit           der neuen Gebäudeteile ermöglichen die heute
                                             Ochsenpferchbunkers zum MARCHIVUM abso­              auseinander. Die Denkmalpflege lehnte zu­              erlebbare Qualität. Ein Gefüge mit eigenem
                                             lut naheliegend. Der Bunker war in den vergan­       nächst jede Veränderung der Gebäudehülle ab,           Charakter, der sich so bei einem reinen Neubau
                                             genen Jahren in einem guten Zustand gehalten         was nach unserem Dafürhalten nicht dem Geist           niemals zeigen würde.
                                             worden, die Qualitäten der großen thermischen        des Denkmalschutzgedankens entspricht und                 Eine richtige Konzeption kann deutliche Kos­
                                             Masse hatten sich bereits bei der Nutzung als        von dieser in der Regel auch anders vertreten          teneinsparungen gegenüber einem Neubau er­
                                             Lager gezeigt: Die raumklimatische Konstanz,         wird:                                                  reichen – und dies bei höchster architektoni­
                                             die wichtigste Eigenschaft eines Stadtarchivs, er­                                                          scher Qualität. Abriss und Neubau wären hier
                                             reicht das massive Gebäude schon ohne aufwän­        „Weitere Aufgaben sind die Erhaltung der Denk­         aber ohnehin nicht möglich gewesen. Die Alter­
                                             dige und energieintensive Technik. Das Thema          male in ihrer originalen Substanz und ihre Nutzung.   native für die Stadt wäre, ohne sinnvolle Weiter­
                                             Sicherheit ist eine weitere positive Grundeigen­      Es geht nicht darum, die Denkmale in Museen um­       nutzung, eine zum Leerstand verdammte Immo­
                                             schaft dieses Bauwerks: Man kann sich kaum ein        zuwandeln. Vielmehr sollen sie möglichst in ihrem     bilie und ein teurer Neubau auf der grünen
                                             Szenario vorstellen, bei dem das Archivgut nicht      Umfeld erhalten und genutzt werden. Das gilt          Wiese gewesen. Dies konnte von uns derart
                                             optimal verwahrt ist – das Gedächtnis der Stadt       nicht nur für Kirchen, Klöster und Schlösser, son­    anschaulich dargelegt werden, dass der Ge­
                                             wird heute ebenso gut geschützt wie die da-           dern vor allem für Wohnhäuser, Bauernhöfe, Hand­      meinderat zu einem einstimmigen Ergebnis pro
                                             mals Schutzsuchenden des Zweiten Weltkriegs.          werksgebäude, Industrieanlagen und militärische       MARCHIVUM kommen konnte, der sich auch

                                                                                           22     Essays                                                                                                23
Grundriss des Erdgeschosses.            Grundriss des 6. Obergeschosses.

Grundriss des 5. Obergeschosses.        Längsschnitt.

MARCHIVUM                          24   Essays                             25
Mit dem Erreichen dieser Meilensteine war                Baukörpers sollte dabei nicht durch störende
                                                                                                                             der Weg nun endlich für die weitere Planung                 Elemente wie Sonnenschutz oder Versprünge
                                                                                                                             frei: Die beiden vorhandenen Haupttreppen­                  beeinträchtigt werden.
                                                                                                                             häuser ermöglichten durch ihre Dimensionie­                    Der heute sichtbare Fassadenaufbau ist
                                                                                                                             rung den Verzicht auf die zentrale Treppe zu­               mehrschalig: Die äußere Prallscheibe ist hinter­
                                                                                                                             gunsten zweier Aufzugsanlagen. Eine Erweiter-               lüftet und zum Teil bedruckt. Dies erreicht zum
                                                                                                                             ung nach oben war an dieser Stelle von den Er­              einen den gewünschten optischen Effekt, er­
                                                                                                                             bauern vorgesehen worden, um nach dem ver­                  möglicht aber zum anderen, die Fenster ohne
                                                                                                                             meintlich gewonnenen Krieg eine Weiternut­                  hohe Schallbelästigung durch den vorbeiflie­
                                                                                                                             zung zu ermöglichen. Zu diesem Zweck hatte                  ßenden Verkehr zu öffnen und den Sonnenschutz
                                                                                                                             man einen massiven Deckel vorgesehen, den wir               auch bei höchsten Windgeschwindigkeiten ver­
                                                                                                                             mit relativ geringem Aufwand entfernen konn­                lässlich steuern zu können. Ein temporäres Ver­
                                                                                                                             ten – „relativ“ im Verhältnis zum Schneiden von             schatten ist für die Arbeit des Archivs unerläss­
                                                                                                                             1,40 m dicken und stark bewährten Bunkerde­                 lich, ein natürliches Lüften erhöht auch bei einer
                                                                                                                             cken!                                                       mechanischen Lüftung die Nutzerakzeptanz.
                                                                                                                                Der architektonische Grundgedanke, auf den                  Die in groben Pixeln dargestellten Wolken auf
                                                                                                                             Bunker eine lichte, helle Konstruktion aufzu­               der Fassade überspielen dabei transparente und
                                                                                                                             setzen und dabei alle Anforderungen an einen                opake Flächen-Einbauten und reduzieren die
                                                                                                                             optimalen Arbeitsplatz hinsichtlich Energetik,              Aufheizung des Scheibenzwischenraums am
                                                                                                                             Belichtung, Schallschutz usw. zu erreichen,                 Tag. Nachts sind sie elementarer Bestandteil des
                                                                                                                             machten eine recht aufwendige Fassadenkons­                 Lichtkonzepts, das aus einer Kombination von
                                                                                                                             truktion nötig. Die Vision eines homogenen                  direkter wie indirekter Be- und Ausleuchtung
                                                                                                                                                                                         besteht. Die Nachtwirkung wurde von uns von
                                                                                                                                                                                         Beginn an paritätisch behandelt.
                                                                                                                                                                                            Obwohl solche Szenarien immer zuerst digital
                                                                                                                                                                                         entwickelt werden, können verwertbare Ergeb­
                                                                                                                                                                                         nisse nur mit einem 1:1 Modell, einem Mockup,
                                                                                                                                                                                         eines kompletten Fassadenmoduls erzielt wer­
     Visualisierungen vor Baubeginn: Ansichten bei Tag und mit abend­l icher Beleuchtung.                                                                                                den. Dieses wurde im Vorfeld vom Fassadenbau­
                                                                                                                                                                                         er gebaut. Auch die Bemusterung der Fassade,
der Bund mit einer bis dato einmaligen Förder­                            schossdecken waren hier nur für menschliche                                                                    gerade aber der verschiedenen möglichen Be­
höhe des Programms „Nationale Projekte des                                Lasten von maximal 500 kg/m² ausgelegt.                                                                        leuchtungsarten, erfolgte gemeinsam mit Bau­
Städtebaus“ anschließen konnte. Die Richtig­                                 Trotz umfangreicher Untersuchungen der                                                                      herrn und Nutzer. Beim Druck wurde lange um
keit der städtischen Entscheidung wird damit in                           Gutachter und innovativer Berechnungsverfah­                                                                   Dichte und Verteilung gerungen, die Nutzer
Gänze bestätigt, und da das Projekt im Zeit- und                          ren des Statikers der immerhin gut bewährten                                                                   immer mit eingebunden: Im Ergebnis wurde die
Kostenrahmen abgeschlossen werden konnte,                                 Decken waren die Vorgaben von 8 kN/m² zu­                                                                      Verteilung im Bereich von Sitz- bis Stehhöhe
können wir an dieser Stelle die These widerlegen,                         nächst nicht zu erreichen, womit die Sinnhaftig­                                                               stark reduziert, um Bedenken hinsichtlich man­
dass öffentliche Bauten niemals den finanziellen                          keit unserer Konzeption essentiell in Frage ge­                                                                gelnder Transparenz zu zerstreuen.
Vorgaben genügen.                                                         stellt wurde. Erst das Entfernen des Verbund-                                                                     Die Nachhaltigkeit des Nutzungskonzepts
   Der konsequenten Nutzung als Archiv stan­                              estrichs brachte den erhofften Durchbruch und                                                                  hinsichtlich der grauen Masse sollte auch in der
den jedoch weitere Schwierigkeiten entgegen:                              ermöglichte, die gewünschten Laufkilometer                                                                     technischen Ausstattung ihre Entsprechung
Die Lagerung musste, wie zuvor im Collini-Cen­                            Regal unterzubringen. Ohne diesen Rückbau                                                                      finden. Mit dem Wärmetauscher im Hauptab-
ter, in Rollregalen in hoher Konzentration und                            hätte man zwar den aktuellen Bestand an Archiv­                                                                wasser­kanal verfügt das MARCHIVUM über
daraus resultierenden hohen Deckenlasten un­                              gut unterbringen können, die Zukunftsfähigkeit                                                                 grüne Referenztechnik, die der Eigenbetrieb
tergebracht werden. So massiv die Gebäudehül­                             benötigte aber erhebliche Reserven, die schließ­                                                               Stadtent­wässerung mit diesem Baustein weiter
                                                                                                                                      Blick von der Bürgermeister-Fuchs-Straße auf das
le eines Bunkers auch ist, die eigentlichen Ge­                           lich auch nachgewiesen werden konnten.                      MARCHIVUM (Visualisierung).                        vorantreibt. In Kombination mit der Nutzung

MARCHIVUM                                                                                                              26    Essays                                                                                                    27
entsteht, welches das Selbstverständnis, aber            Dem Fördergeber, der die Qualität der Kon­
                                                                                                           auch die Innovationskraft unserer Stadt über die      zeption und die Bedeutung des MARCHIVUM
                                                                                                           Region hinaus transportieren wird.                    für den Stadtteil erkannte und mit einer solch
                                                                                                              Die Realisierung eines solchen Vorhabens ist       hohen Summe unterstützte. Und nicht zuletzt
                                                                                                           immer Mannschaftssport. Ich darf mich daher           sind unsere Planungspartner, die ausführenden
                                                                                                           sehr herzlich bei denen an der Planung wie Aus­       Firmen, aber auch das Team des Büro Schmucker
                                                                                                           führung Beteiligten bedanken: An erster Stelle        zu nennen, die dieses Projekt von der Vision in
                                                                                                           ist hier das Stadtarchiv–Institut für Stadtge­        die Wirklichkeit umgesetzt haben, auch ihnen
                                                                                                           schichte zu nennen, Herrn Prof. Dr. Nieß, der         gilt mein Dank.
                                                                                                           das MARCHIVUM couragiert durch alle Instan­              Im Namen meines Unternehmens wünsche
                                                                                                           zen begleitete und ohne dessen Unterstützung          ich dem Haus viel Erfolg, den Mitarbeitern des
                                                                                                           dieses Haus nicht hätte realisiert werden kön­        Hauses eine inspirierende Arbeitsatmosphäre
                                                                                                           nen, den Herren Dr. Popp, Dr. Schenk und Dr.          und dem Stadtteil eine positive Entwicklung, die
                                                                                                           Stockert für deren engagierten Einsatz, aber          mit dem MARCHIVUM gerade begonnen hat.
                                                                                                           auch dem gesamten Team des MARCHIVUM.
     Glasfassaden nachts mit Fassadenbeleuchtung und                                                          Danken darf ich auch unserem Bauherrn, der         1   Zitiert aus „Auftrag der Denkmalpflege“.
     Bedruckung (Visualisierung).
                                                       entwickelt hatten. Fassadenbänder sollten als       GBG Mannheim, für die immer vertrauensvolle,
                                                       Auflager für eine Steinverkleidung dienen, um       sachorientierte Zusammenarbeit, die in dieser
                                                       das Gebäude in eine steinerne Ordensburg zu         Form keine Selbstverständlichkeit darstellt.
                                                       verwandeln. Diese Planungen aus dem „1000jäh­       Mein Dank gilt unserem Oberbürgermeister,
                                                       rigen Reich“ wurden von uns nicht umgesetzt.        Herrn Dr. Peter Kurz, und unserem Bürgermeis­
                                                          Der sperrende Anstrich wurde entfernt, um        ter Quast für deren großen Einsatz, gerade für
                                                       die Außenwände wieder atmen lassen zu können.       ihren Einsatz beim Erreichen der Förderung des
                                                       Unter der Beschichtung aus den 80er Jahren          Bundes, den Bürgermeistern Specht, Grötsch,
                                                       hatten sich durch auffrierende Staunässe Schä­      Kubala und Dr. Freundlieb sowie den Mitglie­
                                                       den am Beton gezeigt. Der neue Anstrich auf         dern des Gemeinderats, die den Bauverlauf im­
                                                       Silikatbasis ist diffusionsoffen und kommt in       mer interessiert begleiteten.
                                                       seiner Farbgebung dem Original wieder deut­
                                                       lich näher. In Kombination ergibt sich ein sauber
                                                       ablesbarer Kontrast aus massivem Unterbau
                                                       und betont leichtem Neubau.
                                                          Wenn heute der Besucher im 6. Obergeschoss
                                                       ankommt, erlebt er diesen Schnitt auch im In­
                                                       nern: Während im Eingangsbereich immer noch
                                                       authentische Bunkeratmosphäre vorhanden ist,
                                                       hier kombiniert mit zeitgenössischen Einbau­
                                                       ten für den Museumsbetrieb, herrscht in den
     Musterfenster in der Produktionshalle.            neuen Etagen eine transparente, helle Atmo­
                                                       sphäre, die Ausblicke über die Stadt und weiter
der Fernwärme konnte hier eine funktional her­         in die gesamte Region ermöglicht.
vorragende, ökologische wie wirtschaftliche               Diese Transparenz ist entscheidend für das
Lösung entwickelt werden.                              MARCHIVUM und die Wahrnehmung der vielen
   Das Stadtarchiv hatte uns früh mit histori­         Pendler, die dieses große Haus trotz seiner pro­
schen Entwurfszeichnungen versorgt. Hier wur­          minenten Lage erst jetzt in seiner Bedeutung
de ersichtlich, dass die Erbauer dezidierte Vor­       wahrnehmen. Ich bin mir sicher, dass damit an
stellungen zur Weiternutzung nach dem Krieg            dieser Stelle eine Wegmarke, ein Torgebäude                  Foyer im 6. Obergeschoss (Visualisierung).

MARCHIVUM                                                                                            28    Essays                                                                                               29
Zur Statik des                Bunker gelten allgemein als sehr stabile Gebäu­     Das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss wer­               wurden. Zu Beginn der Planungs- und Umbau­
                              de. Das sind sie natürlich auch, wenn man ledig­    den für Ausstellungen genutzt, was für die De­             arbeiten war daher weder bekannt, wie die Stahl­
ehemaligen                    lich die äußere Struktur betrachtet. Bunker ha­     cken über dem Untergeschoss sowie dem Erd­                 betonkonstruktion der Zwischendecken des Bun­
Weltkriegsbunkers             ben sehr dicke Wände, tragfähige Fundamente
                              und natürlich ein sehr stabiles Dach. Als Schutz­
                                                                                  geschoss noch zu verhältnismäßig normalen
                                                                                  Lastansätzen führt. Das 2., 3. und 4. Oberge­
                                                                                                                                             kers dimensioniert worden waren, noch welche
                                                                                                                                             Materialien beim Bau zur Verfügung gestanden
                              raum müssen insbesondere ihre Dächer in der         schoss werden aber als Archiv genutzt und                  hatten. Um dies festzustellen, mussten umfang­
                              Lage sein, die verheerende Wirkung von Bom­         mussten deshalb mit Rollregalen ausgestattet               reiche Untersuchungen durchgeführt werden.
                              bentreffern zu kompensieren.                        werden. Hierbei ergaben sich Lasten, die in nor­              Es galt die Beton- und Stahlgüte des vorhan­
                                 Hochbunker, von denen im Mannheim im             malen Gebäuden bzw. auf normalen Geschoss­                 denen Materials durch die Entnahme von Bau­
                              Laufe des Zweiten Weltkrieges einige gebaut         decken nicht auftreten. Die grundlegende Fra­              teilen und deren Untersuchung im Labor zu
                              wurden, haben aber im Inneren ihre Besonder­        ge, die zunächst geklärt werden musste, war, ob            bestimmen. Auch die Abmessungen der Konst­
Felix Späh                    heiten. Die einzelnen Zwischendecken sind nor­      die vorhandenen Zwischendecken des Bunkers                 ruktion mussten überprüft und die im Beton
Ingenieurbüro Bräuer + Späh   male Deckenkonstruktionen, die lediglich zur        in der Lage, sind die Lasten aus einer Archivnut­          einbetonierten Betonstähle in Lage und Durch­
                              Aufnahme von Personen ausgelegt wurden. Zur         zung aufzunehmen.                                          messer ermittelt werden.
                              schnellen Nutzung der Schutzräume, aber auch
                              zur schnellen Evakuierung waren in jedem Bun­
                              ker mehrere Treppenhäuser zwingend erforder­
                              lich.
                                 Die Umnutzung dieser sehr zweckgebunde­
                              nen Bauwerke stellt jeden Planer vor schwierige
                              Aufgaben. Die Statik spielt dabei eine zentrale
                              Rolle. So auch beim Umbau des Hochbunkers in
                              der Neckarstadt-West zum MARCHIVUM.
                                 Die Nutzung der vorhandenen Stockwerke als
                              Büroraum scheiterte am Fehlen von Fenstern,
                              die aus den mehr als 1,0 m dicken Außenwänden
                              herausgesägt werden müssten. Das ist tech­
                              nisch zwar möglich, aber neben den hohen Kos­
                              ten ist die Belichtung durch 1,0 m tiefe Fenster
                              eher dürftig. Also war es naheliegend, die erfor­
                              derlichen Büroräume durch eine Aufstockung
                              auf das Dach des Bunkers zu verlegen und die
                              vorhandenen Ebenen anderweitig zu nutzen.
                              Die Aufstockung des Bunkers um zwei zusätzli­
                              che lichtdurchflutete Stockwerke war aus stati­
                              scher Sicht einfach. Die mehr als 1,40 m starke
                              Dachdecke aus Stahlbeton ist in der Lage, die
                              zusätzlichen Lasten der Aufstockung in die vor­              Querschnitt durch den Bunker, Bauplan von 1942.
                              handene Tragstruktur abzutragen. Das Gewicht
                              der Dachdecke übersteigt die Lasten aus der
                              Aufstockung um das Vielfache. So ergaben sich          Bei vielen vor 1945 erstellten Gebäuden sind               Letzteres erwies sich als durchaus schwierig.
                              durch die Konstruktion des Bestandes nur we­        im Allgemeinen keine statischen Planunterla­               Da der Betonstahl im Beton nicht sichtbar ist,
                              nige Zwangspunkte für die Architektur der Auf­      gen mehr vorhanden, weil ein großer Teil der               kann er zerstörungsfrei nur durch elektromag­
                              stockung.                                           archivierten Planunterlagen im Krieg verloren              netische Verfahren oder Röntgenverfahren be­
                                 Als deutlich schwieriger erwiesen sich stati­    gegangen ist. Bei den Bunkern kommt hinzu,                 stimmt werden. Diese Verfahren liefern aber
                              schen Anforderungen im Inneren des Bunkers.         dass sie in Zeiten größten Mangels realisiert              lediglich Ergebnisse, die einer Kalibrierung und

                                                                            30    Essays                                                                                                  31
Interpretation bedürfen. Diese zerstörungsfreie      bauer auch bei einem schweren Bombentreffer
Untersuchung brachte zutage, dass die verwen­        mit einer teilweisen Zerstörung des Daches einen
dete Baustahlbewehrung sehr uneinheitlich ver­       totalen Zusammenbruch der Konstruktion über
legt worden war. Offensichtlich hatte man aus        alle Stockwerke vermeiden wollten. Der Aufent­
Gründen des Materialmangels an Stellen mit           halt im obersten Stockwerk war insofern also
gleichen Deckenkonstruktionen unterschiedli­         während eines Bombenangriffes nicht risikofrei.
che Bewehrungsstäbe verwendet. Auch lagen in         Andererseits führten Nachrechnungen zum er­
vielen Bereichen Bewehrungsstäbe übereinan­          freulichen Ergebnis, dass im obersten Stockwerk
der und konnten daher durch die zerstörungs­         des Bunkers Archivlasten bis zu 1.000 kg/m² ein­
freien Verfahren nicht ermittelt werden. Als         gelagert werden können. Deshalb wurden dort
Folge musste an vielen Stellen die Betonstahl­       besonders schwere Bestände, wie die Bibliothek
bewehrung freigelegt werden, was einen erheb­        des MARCHIVUM, untergebracht.
lichen zeitlichen und finanziellen Aufwand be­          Die Untersuchungen und Nachforschungen
deutete. Auch die Nachrechnung der vielen            erbrachten auch ein interessantes baugeschicht­
unterschiedlichen Bereiche gestaltete sich da­       liches Ergebnis. Denn beim Bau des Bunkers
durch erheblich aufwendiger als anfänglich ge­       wurde die Stahlsorte St 52 verwendet, die ledig­
                                                                                                                   Das Bunkerdach vor dem Umbau.
plant.                                               lich in den Jahren 1932 bis 1943 Verbreitung
   Durch diese Untersuchungen ergaben sich           fand. Sie zeichnet sich seinerzeit durch eine sehr
folgende interessante Ergebnisse: Die Decke des      hohe Festigkeit aus.
3. Obergeschosses ist wesentlich stabiler ausge­        Die Nachrechnung der übrigen Zwischende­
bildet als alle darunterliegenden Decken. Dies ist   cken ergab eine zulässige Belastbarkeit aller Be­
offensichtlich dadurch begründet, dass die Er­       reiche von maximal 500 kg/m². Zusätzlich wurde

     Raum im 4. Obergeschoss vor dem Umbau.                                                                        Abbrucharbeiten auf dem Bunkerdach.

MARCHIVUM                                                                                          32     Essays                                         33
Nach den positiven statischen Ergebnissen       konnten schließlich Bilder von drei Bombentref­
                                                                                                             aus der Planungsphase konnte mit der Realisa­      fern gefunden werden, wodurch der zunächst
                                                                                                             tion des Projektes begonnen werden. Allerdings     unbegreifliche Schaden erklärbar wurde. Offen­
                                                                                                             stellte der Bunker gerade auch im Rohbau die       sichtlich hat der Bunker damals die Belastung
                                                                                                             ausführenden Firmen sowie die Statik vor be­       durch die drei Bombentreffer abtragen können.
                                                                                                             sondere Aufgaben. Der Abbruch der Dachdecke           So war der Umbau zum MARCHIVUM auch
                                                                                                             im Bereich des mittleren Treppenhauses, das für    in statischer Hinsicht eine spannende Abenteu­
                                                                                                             die Aufzuganlage benötigt wurde, musste mit        erreise. Eine Reise zurück in die Zeit, als der
                                                                                                             schwerem Gerät durchgeführt werden. Der An­        Bunker unter den erschwerten Bedingungen des
                                                                                                             blick eines Autokrans sowie eines großen Bag­      Krieges mit modernen Materialien errichtet
                                                                                                             gers auf dem Dach eines Gebäudes ist sicher        wurde und vielen Menschen das Leben rettete,
                                                                                                             nicht alltäglich, für die Statik des Bunkers war   als die Bombenangriffe Teile des Daches beschä­
                                                                                                             das allerdings kein Problem.                       digten und er dennoch stabil stehen blieb. Zu­
                                                                                                                Die bedingt durch die Umnutzung erforder­       rück aber auch in die Nachkriegszeit, als er über
                                                                                                             liche Herstellung von Durchbrüchen in Wänden       viele Jahre zunächst als Wohnbunker diente und
                                                                                                             und Unterzügen musste sich auf die absolut not­    dann infolge des Kalten Krieges zum Atom­
                                                                                                             wendige Anzahl beschränken, da deren Herstel­      schutzbunker wurde. Sicher wird der Bunker die
                                                                                                             lung aufgrund der massiven Konstruktion aber       Lasten aus der neuen Nutzung als MARCHIVUM
                                                                                                             auch aufgrund der eingebauten Bewehrungs­          genauso gut abtragen wie die Lasten, die er im
                                                                                                             stäbe äußerst schwierig und aufwendig ist. Eine    Krieg aushalten musste.
                                                                                                             umfassende Planung aller Öffnungen in enger
                                                                                                             Abstimmung mit den Planungsbeteiligten und
                                                                                                             eine genaue Ausführung vor Ort waren dabei
                                                                                                             zwingend erforderlich, da sonst irreparable
                                                                                                             Schäden an der Konstruktion entstehen können.
                                                                                                             Die Stemmarbeiten des mit viel Betonstahl be­
                                                                                                             wehrten Betons auf engstem Raum im Inneren
                                                                                                             des Bunkers gestalteten sich im Zuge des Um­
                                                                                                             baus als äußerst schwierig. Verwendet wurden
                                                                                                             daher neben schwerem Gerät auch Betonseilsä­
                                                                                                             gen zur Herstellung von Öffnungen.
                                                                                                                Beim Abbruch der Brüstungen auf dem Dach
                                                                                                             des Bunkers kam es zu einem Zwischenfall, der
                                                                                                             nicht abzusehen gewesen war. Beim Stemmen
                                                                                                             durch den großen Bagger löste sich ein mehre­
                                                                                                             re Meter großes Stück der Brüstung, gehalten
                                                                                                             wurde es zwar noch von einzelnen Bewehrungs­
                                                                                                             stäben, andere aber waren am Übergang zum
     Wanddurchbruch im Eingangsbereich des Erdgeschosses.                                                    Dach durchgerostet. Die Begutachtung des
                                                                                                             Schadens ließ keinen Zweifel daran, dass es in
bei der Nachrechnung der vorhandene Platten­                bis zu 624 kg/m² heraufgesetzt werden. Das       diesem Bereich zu einer gewaltigen Lasteinwir­
belag mit einem Gewicht von ca. 100 kg/m² be­               entspricht einer Regalbelegung von maximal       kung gekommen war und sich die nachfolgende
rücksichtigt. Durch das Entfernen des Platten­              250 kg/Regal. Mit dieser Einschränkung zur Be­   Reparatur darauf beschränkt hatte, die Beweh­
belages und unter Berücksichtigung der exakten              legung der Rollregale können die Bestandsde­     rung durch einen Bitumenanstrich zu schützen,
Lage der Regale konnte die maximale Belastbar­              cken ohne weitere Verstärkungsmaßnahmen          was die Korrosion des Materials aber nicht ver­
keit der Decken im Bereich der Rollregale auf               verwendet werden.                                hinderte. Durch Recherche beim Stadtarchiv

MARCHIVUM                                                                                              34    Essays                                                                                           35
Das MARCHIVUM als
städtebauliche Aufgabe

Ruth Scheurer
Fachbereich Stadtplanung

                                                                                  Luftbild MARCHIVUM und Neckarufer, Geltungsbereich des
                                                                                  städtebaulich/künstlerischen Wettbewerbs zur Umgebungsgestaltung.

                           Als mit der Idee, den Parkplatz für das MARCHI-    ein, der im November 2016 zugunsten des Darm-                           dient diese Installation der Wegeleitung vom
                           VUM an die Bunsenstraße in die Nähe des Neck-      städter Architekturbüros netzwerk-architekten                           Parkplatz zum MARCHIVUM, der Gestaltung
                           arufers zu legen, auf die Stadtplanung zugegan-    entschieden wurde.                                                      und auch der Sicherheit in dem Bereich der
                           gen wurde, begannen die Überlegungen zum              Die Kernidee des Wettbewerbsentwurfes war                            Jung­buschbrücke.
                           Umfeld des ehemaligen Ochsenpferchbunkers.         ein 200 m langes farbig hinterleuchtetes Bilder-                           Zum Tag der Städtebauförderung im Mai 2017
                           In einer Analyse der städtischen Situation rund    band aus Aluminium, das sich vom Aufgang der                            entstand die Kunstinstallation von Sabine Kam-
                           um das Bauwerk fielen die vernachlässigten         Jungbuschbrücke an der Bunsenstraße unter der                           merl mit dem Titel „Das ist meine Geschichte“.
                           Räume auf und die zwar attraktive, jedoch auch     Brücke hindurch zum Kreuz­­ungsbereich Bürger-                          Augenpaare leuchteten des Nachts wie aus dem
                           des Nachts nicht ungefährliche Situation am        meister-Fuchs-Straße entwickeln soll und an der                         Bunker heraus in die Stadt, allesamt Augen von
                           Neckarufer. Deshalb wurde zur Vorbereitung         Brückenwand der Ludwig-Jolly-Straße gegen-                              im weitesten Sinne Mannheimer Persönlichkei-
                           eines Wettbewerbes eine Ideenwerkstatt mit         über dem MARCHIVUM enden. Auf der Ober-                                 ten und ein Schriftzug war über den Neckar hin-
                           Bürgern, Schülern, dem Quartiersmanagement         fläche und in das Metall hineingestanzt werden                          weg bis zum Musikpark im Jungbusch zu erken-
                           der Neckarstadt-West und der Polizei durchge-      Mannheimer Motive, Bilder und Schriften. Die                            nen. Das Kunstwerk konnte bis zum Abbau des
                           führt und Ergebnisse den Stadtteil betreffend      Tag- und Nachtwirkung differiert je nach Licht-                         Baugerüsts im Dezember 2017 installiert bleiben.
                           erarbeitet. Diese flossen in die Auslobung eines   situation, die Hinterleuchtung ist mit changie-                         (→ siehe Seite 116 f.)
                           städtebaulich/künstlerischen Wettbewerbes          renden, freundlichen Lichttönen geplant. So

                                                                        36    Essays                                                                                                               37
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