Die Bewirtschaftungsplanung der Wasserrahmenrichtlinie - aktuelle (rechtliche) Praxisfragen und (erste) Antworten - DWA

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Fachbeiträge                                                                                                                            Recht      1

Die Bewirtschaftungsplanung
der Wasserrahmenrichtlinie –
aktuelle (rechtliche) Praxisfragen
und (erste) Antworten
Arbeitsbericht des DWA-Fachausschusses RE-3
„Vollzugsfragen des Wasserrechts“*)

     Zusammenfassung                                                        Abstract
     Der neu gegründete Fachausschuss RE-3 „Vollzugsfragen des              The EU Water Framework Directive’s management
     Wasserrechts“ der DWA hat es sich zur Aufgabe gemacht, regel-          plans – current practical (legal) questions and
     mäßig über praxisrelevante Rechtsfragen zu diskutieren und die         (initial) answers
     Ergebnisse in Form von Arbeitsberichten publik zu machen. So
     soll die Diskussion über die rechtlichen Rahmenbedingungen der
                                                                            Work report from the DWA Technical Committee
     Wasserwirtschaft und ihre Auswirkungen für Betreiber und Voll-         RE-3 Enforcement Issues in Water Legislation
     zugsbehörden nicht nur unter Juristen geführt werden, sondern          The new DWA Technical Committee RE-3 ‘Enforcement Issues in
     in die Mitgliedschaft hineingetragen werden. Der erste Bericht         Water Legislation’ has tasked itself with regularly discussing
     zeigt auf, welche Aspekte der Bewirtschaftungsplanung und der          practical legal issues and making the results public in the form
     Maßnahmenprogramme des 3. Zyklus’ der Wasserrahmenricht-               of work reports. This approach aims to make sure that discus-
     linie die wasserrechtlichen Entscheidungen prägen werden.              sion about the legal framework for the water sector and its
     Schlagwörter: Recht, Vollzug, Wasserrahmenrichtlinie, Bewirtschaf­     rami­fications for operators and enforcement agencies is not ­only
     tungsplan, Maßnahmenprogramm, Rechtsprechung, Grundwasser,             carried out among legal experts but also tackled by the member-
     Oberflächengewässer, Wasserentnahme, Wassergewinnung, Fernwas­         ship. The first report shows which aspects of management plan-
     serversorgung, Abwassereinleitung, Kläranlage, Niederschlagswasser,    ning and the programmes of measures in the third cycle of the
     Talsperre, Mindestwasser
                                                                            Water Framework Directive will shape decisions pertaining to
     DOI: 10.3242/kae2021.03.005                                            water legislation.
                                                                            Key Words: law, enforcement, Water Framework Directive, manage­
                                                                            ment plan, programme of measures, jurisprudence, groundwater, sur­
                                                                            face water, water extraction, water abstraction, district water supply,
                                                                            wastewater discharge, sewage treatment plant, rainwater, dam, mini­
                                                                            mum flow

Der neue DWA-Fachausschuss RE-3
Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) hat sich den guten ökolo­                 sind, um den guten Zustand der Gewässer zu erreichen. In Ein­
gischen und chemischen Zustand der Gewässer zum Ziel ge­                    zelfällen werden nach detaillierter fachlicher Prüfung auch für
setzt. Der vorgegebene Zeitplan hat sich jedoch als zu ambitio­             einige Wasserkörper verminderte Bewirtschaftungsziele festge­
niert erwiesen. Daher hat die Bund/Länder-Arbeitsgemein­                    setzt, die nach derzeitigem Kenntnisstand den guten Zustand
schaft Wasser (LAWA) eine sogenannte „Vollplanung“ durch                    nicht erreichen werden.
die planenden Länder, die über den Zeitraum des 3. Bewirt­                      Der neu gegründete Fachausschuss RE-3 „Vollzugsfragen
schaftungszyklus’ (2027) hinausgeht, beschlossen. Die Vollpla­              des Wasserrechts“ der DWA hat es sich unter anderem zur Auf­
nung soll alle (= voll) Maßnahmen aufzeigen, die erforderlich               gabe gemacht, regelmäßig über praxisrelevante Rechtsfragen
                                                                            zu diskutieren und die Ergebnisse oder auch nur Hinweise für
                                                                            die Mitglieder der DWA in Form von Arbeitsberichten publik zu
*)
     Mitglieder und Gäste des DWA-Fachausschusses RE-3 „Vollzugs­           machen. So soll die Diskussion über die rechtlichen Rahmen­
     fragen des Wasserrechts“ sind: Kirsten Allmann (Wuppertal), Dr. Till   bedingungen der Wasserwirtschaft und ihre Auswirkungen für
     Elgeti [Obmann; Hamm (Westfalen)], Christina Kordes (Kassel),          Betreiber und Vollzugsbehörden nicht nur unter Juristen ge­
     Frank Niesen (Düren), Lukas Oeste (Köln), Daniel Schiebold (Berlin),
     Dr. Katharina Sommerfeldt [Brake (Unterweser)], Martin Völpel          führt, sondern in die Mitgliedschaft hineingetragen werden.
     (Köln), Lena Wertmann (Bonn). – Betreuer in der DWA-Bundes­            Dieser Bericht bildet den Auftakt dazu nach der konstituieren­
     geschäftsstelle: Ass. jur. Christoph Leptien, E-Mail: leptien@dwa.de   den Sitzung am 8. September 2020 in Hamm (Westf.). Er zeigt

www.dwa.de/KA                                                                                    a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3
2      Fachbeiträge                                                                                                          Recht

    auf, welche Aspekte der Bewirtschaftungsplanung und der           dar und bildet die „ausführende Stufe“ der Bewirtschaftungs­
    Maßnahmenprogramme des 3. Zyklus’ die wasserrechtlichen           planung [7].
    Entscheidungen prägen werden.                                         Im Zuge der Gestattung von Gewässerbenutzungen sowie
                                                                      des Gewässerausbaus wird das wasserwirtschaftliche Ermessen
                                                                      (§ 12 Abs. 2 WHG) sowohl von den allgemeinen Bewirtschaf­
    1 Die Wasserrahmenrichtlinie
                                                                      tungszielbestimmungen des Bewirtschaftungsplans als auch
    Im Jahr 2000 wurde die WRRL verabschiedet und die Mitglied­       von den konkreten Maßnahmenkombinationen des Maßnah­
    staaten der Europäischen Union haben sich damit verpflichtet      menprogramms determiniert. Die Wasserbehörden können die
    alle Gewässer, die nicht künstlich oder erheblich verändert       planerischen Vorgaben sowohl in den Zulassungsverfahren
    sind, in einen „guten Zustand“ zu bringen, und für alle erheb­    durch Nebenbestimmungen oder Versagungen wie auch im
    lich veränderten bzw. künstlichen Oberflächenwasserkörper         Rahmen der Überwachung durch nachträgliche Inhalts- und
    (im Folgenden OWK) ein „gutes ökologisches Potenzial und ei­      Nebenbestimmungen, den Widerruf oder Maßnahmen der Ge­
    nen guten chemischen Zustand“ zu erreichen [1]. Ziel ist es       wässeraufsicht umsetzen bzw. unterstützen [8]. Abzugrenzen
    auch, eine Verschlechterung des Zustands aller Gewässer zu        hiervon sind die allgemeinen Anforderungen des Verschlechte­
    verhindern [2]. Diese Ziele galt es in Bewirtschaftungsplänen     rungsverbots sowie des Zielerreichungsgebots (§§ 27, 47
    darzustellen und mittels der Maßnahmenprogramme ur­               WHG), die sich als zwingende Versagungsgründe innerhalb der
    sprünglich bis 2015 (im Rahmen des ersten Bewirtschaftungs­       wasserrechtlichen Zulassung für berichtspflichtige [9] Gewäs­
    zyklus’) zu erreichen. Derzeit befinden wir uns im zweiten Be­    ser (Wasserkörper) nach § 12 Abs. 1 WHG darstellen [10], so­
    wirtschaftungszyklus, an den sich ab 2022 der dritte und –        weit keine Ausnahme (§ 31 WHG) möglich ist.
    nach der WRRL – letzte Zyklus bis 2027 anschließt [3].                Die Rechtsprechung hat sich bereits vertieft mit dem Ein­
                                                                      fluss der Planungsinhalte auf die behördliche Vorhabenzulas­
                                                                      sung auseinandergesetzt. Die erste inhaltliche Entscheidung zu
    2 Bewirtschaftungspläne und Ziele
                                                                      den Bewirtschaftungszielen [11] konnte bei der Überprüfung
    In den Bewirtschaftungsplänen sind die zu erreichenden Ziele,     der wasserbehördlichen Entscheidung darauf verweisen, dass
    aber auch eine aktuelle Bestandsaufnahme der Wasserkörper         der Bewirtschaftungsplan bis dato noch nicht bestand. Mit den
    (Fließgewässer, Seen, Grundwasser und Küstengewässer) fest­       inhaltlichen Vorgaben des Bewirtschaftungsplans hat sich die
    gehalten. Die Bewirtschaftungspläne werden für sogenannte         Rechtsprechung erstmalig im Zusammenhang mit der Staustu­
    Flussgebietseinheiten von den Flussgebietsgemeinschaften          fe Hemelingen auseinandergesetzt [12]. Seitdem finden sich
    (FGG) aufgestellt. Die Bewirtschaftungspläne werden dann          die Normen des § 82 WHG (Maßnahmenprogramm) in 43 Ent­
    auch länder- und staatenübergreifend abgestimmt und erlas­        scheidungen (juris) bzw. des § 83 WHG (Bewirtschaftungs­
    sen. Knapp 8 % der Wasserkörper in Deutschland weisen nach        plan) in 23 Entscheidungen (juris).
    dem ersten Bewirtschaftungszyklus einen guten oder sehr gu­           So macht zum Beispiel das Bundesverwaltungsgericht
    ten ökologischen Zustand auf [4]. Die größte Fraktion der         (BVerwG) in seiner Entscheidung zur Fahrrinnenanpassung
    OWK bilden die Fließgewässer, sodass das Gesamtergebnis in        von Unter- und Außenelbe [13] deutlich, dass die Vorhabenzu­
    erster Linie eine Bewertung dieser widerspiegelt. Für einen       lassung hinsichtlich der Prüfung des Verschlechterungsverbo­
    Großteil der OWK wird von den Möglichkeiten der befristeten       tes sowie des Zielerreichungsgebotes stets an diejenigen Zu­
    Ausnahme bzw. Fristverlängerung (bis maximal 2027) Ge­            standsbewertungen gebunden ist, die der entsprechende Be­
    brauch gemacht. Der chemische Zustand ist aufgrund der soge­      wirtschaftungsplan ausweist. Darüber hinaus ist durch die Ju­
    nannten ubiquitären Schadstoffe in ganz Deutschland (und ei­      dikatur der Einfluss der einzelfallbezogenen Festsetzungen des
    nigen anderen Ländern in Europa) nicht gut. Somit wurden die      Maßnahmenprogramms auf die behördliche Zulassungspraxis
    Ziele nicht („one out, all out“-Regel) bzw. weitestgehend (oh­    verdeutlicht worden. So hat neben dem OVG Sachsen [14]
    ne ubiquitäre Schadstoffe) nicht erreicht. Auch im zweiten Be­    auch das OVG Nordrhein-Westfalen [15] die ermessenleitende
    wirtschaftungszyklus (2015–2021) wurde keine umfassende           Wirkweise des Maßnahmenprogramms auf die Erteilung und
    Verbesserung erreicht. Die Zielsetzungen können erst langfris­    Versagung von Erlaubnissen, Bewilligungen und Genehmigun­
    tig, also voraussichtlich auch erst nach 2027, erreicht werden,   gen bestätigt. Das OVG NRW hatte in diesem Zusammenhang
    teilweise wird deswegen von einer Umsetzungskrise gespro­         über den Anspruch auf die Genehmigung für die Errichtung ei­
    chen [5].                                                         nes Stegs zu urteilen, die im Widerspruch zu den Vorgaben des
                                                                      Maßnahmenprogramms stand: Der auf das Maßnahmenpro­
                                                                      gramm zurückzuführende Umsetzungsfahrplan für das betref­
    3	Bewirtschaftungsplanung und
                                                                      fende Gewässer sah unter anderem den Rückbau von Uferver­
       ­Maßnahmenprogramme in der Rechtsprechung
                                                                      bau und eines Querbauwerks vor. Da die Genehmigung des
    Die Inhalte der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenpro­           Stegs diese Maßnahmenkombination behindert oder teilweise
    gramme haben die behördliche Zulassungspraxis schon in der        unmöglich gemacht hätte, erachtete das OVG die ablehnende
    Vergangenheit wesentlich geprägt [6]. Während den Bewirt­         Zulassungsentscheidung der Behörde als rechtmäßig. Der Steg
    schaftungsplänen die Funktion zukommt, die maßgeblichen           widerspreche der mittels der angesprochenen Maßnahmen zu
    Umweltqualitätsziele, einschließlich der in Anspruch genom­       bewirkenden Verbesserung der für den ökologischen Zustand
    menen Ausnahmen, obligatorisch zu dokumentieren, enthalten        des Bachs bedeutsamen hydromorphologischen Qualitätskom­
    die Maßnahmenprogramme verbindliche Festsetzungen, wel­           ponente „Struktur der Uferzone“.
    che die einzelnen Schritte zur Zielerreichung darlegen. Das           In einem weiteren Fall betonte das BVerwG die Relevanz der
    Maßnahmenprogramm stellt insofern das zentrale Mittel zur         Bewirtschaftungsplanung für die Festlegung von Mindestwas­
    Erreichung der im Bewirtschaftungsplan vorgegebenen Ziele         serführungen [16]. Im konkreten Fall war die Rechtmäßigkeit

    a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3                                                             www.dwa.de/KA
Fachbeiträge                                                                                                                    Recht      3

der Anordnung einer Mindestwasserführung in der Auslei­            Maßnahmenträger, Verbände, Kammern und auch Private mit
tungsstrecke eines Wasserkraftwerks zu beurteilen. Im Zuge         einem Bezug zur Bewirtschaftungsplanung. Inhalt der Runden
dessen hob das Gericht explizit hervor, dass die Mindestwasser­    Tische ist eine breite, umfassende Diskussion und bestenfalls
führung stets unter Einbeziehung der in einem Bewirtschaf­         Abstimmung der zur Zielerreichung erforderlichen Maßnah­
tungsplan festgelegten Ziele und beschriebenen Maßnahmen           men. Ziel ist eine Vereinbarung von Programmmaßnahmen im
für das jeweilige Fließgewässer zu ermitteln ist.                  Konsens bzw., wo dies unmöglich ist, eine Dokumentation un­
    Die Ausführungen der Judikative [17] verdeutlichen die         terschiedlicher Positionen mit dazugehöriger Argumentation.
„ermessenslenkende Funktion“ [18] der Bewirtschaftungspla­         Das Ergebnis der Runden Tische war der Entwurf des Maßnah­
nung (einschließlich der Maßnahmenprogramme) und machen            menprogramms, das anschließend in die formale Öffentlich­
ihren maßgeblichen Einfluss auf die Zulassungspraxis anschau­      keitsbeteiligung gegeben wurde.
lich.                                                                  2020 musste pandemiebedingt die Durchführung der Run­
                                                                   den Tische sehr kurzfristig abgesagt werden. Zuvor waren be­
                                                                   reits mit den Unteren Wasserbehörden und Wasserverbänden
4 Praxis der Bewirtschaftungsplanung
                                                                   Kausalanalysen mit Maßnahmenplanungen durchgeführt wor­
Bewirtschaftungsplanung und Maßnahmenprogramme sind                den. Für die im Monitoring beobachteten Belastungen wurden
seit Einführung der WRRL maßgebend für die Ausübung des            die Verursacher benannt, um dann diejenigen Maßnahmen zu
Bewirtschaftungsermessens. Von diesen Vorgaben kann nur im         setzen, die diese Belastungen beseitigen bzw. zumindest redu­
Rahmen der Ausnahmen nach § 31 WHG abgewichen werden.              zieren sollen. Daneben gab es mit den „Hauptakteuren“ einen
Aber schon im ersten sowie dem laufenden Bewirtschaftungs­         bilateralen Austausch. Während der andauernden Pandemie
zyklus haben sich die Schwierigkeiten im praktischen Umgang        wurden parallel zur regulären Öffentlichkeitsbeteiligung wei­
mit den Bewirtschaftungsplänen/Maßnahmenprogrammen                 tere ergänzende digitale Beteiligungsformate angeboten.
(einige waren sehr konkret ausgeführt, andere dagegen sehr
unkonkret) gezeigt. Einige praktische Beispiele aus der Bewirt­    4.2 Wasserentnahmen
schaftungsplanung des 2. Zyklus finden sich bei Durner [19]
oder Elgeti/Pellengahr [20]. Die praktischen Schwierigkeiten       In der Praxis wird im Angesicht von Wasserknappheit immer
haben verschiedene Folgefragen für Betreiber und Vollzugsbe­       wieder die Frage gestellt, ob bestimmte Zwecke der Wasserge­
hörden aufgeworfen: Wie und was kann schon in die Bewirt­          winnung nicht Vorrang gegenüber anderen Zwecken haben.
schaftungsplanung aufgenommen, wie konkret kann ein Maß­           Die öffentliche Wasserversorgung genießt eine gesetzliche Son­
nahmenprogramm gefasst werden?                                     derstellung im Vergleich zu allen anderen Nutzungen der Ge­
    Aus Sicht des Fachausschusses gilt es, die verschiedenen In­   wässer, vgl. §§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG i. V. m. § 3 Nr. 10 WHG so­
teressen [das jeweilige Land als Verantwortlicher für den guten    wie im Bewirtschaftungsermessen gemäß § 12 Abs. 2 i. V. m.
Zustand nach der WRRL, Wasserbehörden als Bewirtschaf­             § 6 Abs. 1 Nr. 4 WHG [21]. Einige Bundesländer haben sogar
tungsbehörden (Zulassungs- und Aufsichtsfunktion), Gewässer­       einen ausdrücklichen Vorrang der öffentlichen Wasserversor­
unterhaltungs- und -ausbauverpflichtete, Abwasserbeseiti­          gung in den Landeswassergesetzen statuiert (zum Beispiel § 13
gungspflichtige, Trinkwasserversorger, Eigentümer, Landwirt­       Abs. 2 S. 1 Landeswassergesetz Rheinland-Pfalz).
schaft, Fischerei, Umweltverbände, Industrieanlagenbetreiber            Problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang die en­
an Gewässern bzw. Nutzer von Gewässern (Kraftwerke, Stra­          ge Verknüpfung des mengenmäßigen Zustands der Grundwas­
ßen/Eisenbahnen als Infrastruktur, Rohstoffgewinnung, produ­       serkörper mit den sich wandelnden klimatischen Bedingungen
zierendes Gewerbe, Binnenschifffahrt und nicht zuletzt Sport/      dar. Durch die zunehmend trockenen Sommer und die lange
Freizeit)] in die Bewirtschaftungsplanung einzubringen. Hier­      andauernden Hitzeperioden ohne Niederschlag steigt insbe­
zu gibt es in den Ländern verschiedenste Formate. Bei der nun      sondere der Wasserbedarf der Bevölkerung, aber auch der für
im 3. Bewirtschaftungszyklus vorgesehenen „Vollplanung“            die landwirtschaftliche Beregnung. Zugleich werden die
muss sorgfältig die tatsächlich mögliche Zielverwirklichung ge­    Grundwasservorkommen langsamer aufgefüllt als in früheren
prüft werden. Für welche (einzelne) Wasserkörper kann tat­         Jahrzehnten. Es wird angenommen, dass die Neubildung von
sächlich der gute Zustand und gegebenenfalls bis wann mit          Grundwasser langfristig um 20 bis 25 % zurückgeht [22], so­
welchen Maßnahmen erreicht werden, ohne dass diese Pla­            dass Grundwasserentnahme und Grundwasserneubildung
nung gegen fundamentale Prinzipien der WRRL (zum Beispiel          nicht mehr im Gleichgewicht stehen. Auch das Umweltbundes­
Kosteneffizienz von Maßnahmen) oder des Bewirtschaftungs­          amt (UBA) weist auf den steigenden Nutzungsdruck für Was­
ermessens (Auswahl der Maßnahmen) bzw. verfassungsrecht­           serressourcen hin [23]. Wird Grundwasser in größerem Um­
liche Gebote (zum Beispiel Rechtsschutz von Grundstücksei­         fang genutzt (gefördert) als es neu gebildet wird, so wider­
gentümern oder Bewilligungsinhabern gegen verbindliche Pla­        spricht dies den Vorgaben der WRRL, die in den Umweltzielen
nungen/Bestandsschutzfragen) verstößt?                             des Art. 4 Abs. 1 b) ii) WRRL festgehalten sind. Danach
                                                                   ­„schützen, verbessern und sanieren (die Mitgliedstaaten) alle
4.1 Praxisbeispiel „Runde Tische“ Nordrhein-Westfalen               Grundwasserkörper und gewährleisten ein Gleichgewicht zwi-
                                                                    schen Grundwasserentnahme und -neubildung mit dem Ziel, spä-
In Nordrhein-Westfalen hat im ersten und im zweiten Zyklus          testens 15 Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie gemäß den
zur Aufstellung der Bewirtschaftungspläne bereits in einem          Bestimmungen des Anhangs V, vorbehaltlich etwaiger Verlänge-
frühen Stadium eine Beteiligung durch sogenannte Runde Ti­          rungen gemäß Absatz 4 sowie der Anwendung der Absätze 5, 6
sche stattgefunden. Diese Runden Tische sind ein zentrales Be­      und 7, unbeschadet des Absatzes 8 und vorbehaltlich des Artikels
teiligungsinstrument in Nordrhein-Westfalen. Eingeladen ist         11 Absatz 3 Buchstabe j) einen guten Zustand des Grundwassers
die sogenannte Fachöffentlichkeit, das heißt alle Behörden,         zu erreichen“. Die Bezeichnung „guter Zustand“ des Grundwas­

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4      Fachbeiträge                                                                                                            Recht

    sers stellt nach Art. 2 Nr. 19, 20 WRRL „die allgemeine Bezeich­   Grundwasser verbundenen Oberflächengewässer und
    nung für den Zustand eines Grundwasserkörpers auf der             Landökosysteme [29]. Niedersachsen beispielsweise hat hierzu
    Grundlage des jeweils schlechteren Wertes für den mengenmä­        mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirt­
    ßigen und den chemischen Zustand“ dar. Der gute mengenmä­          schaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die „Arbeitshilfe zur
    ßige Zustand des Grundwassers ist ausweislich Tabelle 2.1.2        Berücksichtigung der Bewirtschaftungsziele für Oberflächenge­
    des Anhangs V zur WRRL anhand des Parameters „Grundwas­            wässer im Rahmen von Zulassungsverfahren für Grundwasser­
    serspiegel“ einzustufen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH)        entnahmen“ mit Stand Juni 2020 herausgebracht. Die Arbeits­
    [24] betrachtet die Umweltziele nicht nur als unverbindliche       hilfe betrachtet ausdrücklich nicht die grundwasserabhängigen
    Ziele für die Mitgliedstaaten. Nach Petitum des EuGH handelt       Landökosysteme nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c Grundwasser­
    es sich vielmehr um konkrete Vorgaben, an denen jedes Vorha­       verordnung (GrwV), vielmehr wird der Abfluss im Gewässer
    ben zu messen ist. Die Mitgliedstaaten müssen daher jedes Vor­     durch die Entnahme betrachtet.
    haben untersagen, das eine Verschlechterung des ökologischen           Für das Verschlechterungsverbot wird diskutiert, von wel­
    oder chemischen Zustands bzw. Potenzials eines OWK verur­          cher Entnahmemenge auszugehen ist. Teilweise wird in der
    sachen kann oder die Erreichung des guten Zustands gefähr­         Praxis von durchschnittlichen Entnahmen der letzten 3–10
    det, soweit keine Ausnahmen greifen. Entsprechendes gilt für       Jahre ausgegangen (Ausgangszustand). Da diese meist unter
    das Grundwasser [25]. Im Jahr 2015 mussten 4 % aller Grund­        der maximal zugelassenen Menge liegt, wird ein Prognosezu­
    wasserkörper Deutschlands in einen schlechten mengenmäßi­          stand ermittelt. Der Unterschied zwischen Prognose und Aus­
    gen Zustand eingestuft werden [26]. Zudem kann die Konzen­         gangsstand soll dann die Veränderung sein, die zu bewerten
    tration von Schadstoffen im Grundwasser bei abnehmender            wäre. Juristisch ist diese Frage nicht abschließend geklärt. So
    Wassermenge (und gleichbleibenden Einträgen, etwa aus der          könnte der juristische Standpunkt eingenommen werden, dass
    Landwirtschaft) steigen [27].                                      eine Verschlechterung gemäß der WRRL nur zu prüfen wäre,
        Auch die Beeinflussung von Oberflächengewässern bzw.           wenn zugelassene Entnahmemenge erhöht wird - unabhängig
    grundwasserabhängigen Landökosystemen (gwaLös) durch               von der tatsächlichen Entnahme. Die Arbeitshilfe in Nieder­
    (Trink-)Wasserentnahmen wird als möglicher Zielkonflikt iden­      sachsen scheint von einem anderen rechtlichen Standpunkt
    tifiziert. In einigen Ländern wird über ein Rangverhältnis von     auszugehen.
    Trinkwasser, landwirtschaftlicher Beregnung und Industriewas­          Aufgrund der oft weitreichenden Absenkungsbereiche und
    serversorgung diskutiert. Aus Sicht der Praxis bietet gerade die   der grundsätzlichen Pflicht der Länder (nicht der Wasserent­
    WRRL mit dem Bewirtschaftungsplan und dem Maßnahmen­               nehmer), den guten Zustand herzustellen, ist eine Feststellung
    programm faktisch die Möglichkeit, die Hierarchie von Zwe­         auf der Planungsebene wichtig, ob insbesondere bestehende
    cken der Wasserentnahmen nach politischen, ökologischen            Grundwasserentnahmen die Zielerreichung verhindern. Mit
    und/oder wirtschaftlichen Aspekten ganzheitlich zu prüfen          Blick auf die gwaLös kommt es dabei nicht auf einen potenziel­
    und gegebenenfalls Prioritäten zu setzen oder Gewichtungen         len natürlichen Zustand des Grundwasserstandes ohne Entnah­
    vorzunehmen.                                                       me und eine damit (möglicherweise) einhergehende Biotop­
                                                                       entwicklung an. Maßgebend ist insoweit nur der Istzustand der
    4.2.1	Wasserentnahme aus Grundwasser                              grundwasserabhängigen Biotope, die bestehen und durch die
           oder Oberflächengewässern                                   Entnahmen gefährdet werden.
                                                                           Die Grundlagen können nicht (und müssen auch nicht) in
    Grundwasser, das heißt, alles unterirdische Wasser in der          einem konkreten Genehmigungsverfahren durch den Vorha­
    Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Bo­        benträger ermittelt werden. Wenn auf der Planungsebene kon­
    den oder dem Untergrund steht (Art. 2 Nr. 2 WRRL), ist als         kret ein bestimmter OWK das Ziel durch (überhöhte) Grund­
    Ressource für die Trinkwassergewinnung optimal, da es sich         wasserentnahmen verfehlt, kann (und muss) auf der Planungs­
    durch die Versickerung von Niederschlägen und Oberflächen­         ebene zunächst geprüft werden, ob und gegebenenfalls welche
    wasser immer wieder neu bildet und beim Passieren verschie­        Grundwasserentnahmen eingestellt/vermindert werden kön­
    dener Bodenschichten auf natürliche Art gereinigt und zugleich     nen. Ein vermindertes Bewirtschaftungsziel (§ 30 WHG) für
    mit wertvollen Mineralien angereichert wird. Die Trinkwasser­      den OWK kann aber festgesetzt werden, wenn zum Beispiel zur
    gewinnung aus Grundwasser stellt bei Wasserversorgungsun­          Sicherstellung der Trinkwasserversorgung oder des Rohstoff­
    ternehmen eine geübte Praxis der Ressourcennutzung dar. In         abbaus die Entnahmen zwingend sind. Eine allgemeine Aussa­
    den letzten Jahrzehnten hat sich ferner die Erkenntnis durch­      ge bzw. ein bloßer Verweis auf die Regelungen der WRRL in ei­
    gesetzt, dass Grundwasser als Bestandteil des Wasserkreislaufs     nem Maßnahmenprogramm (dies erfolgte zum Beispiel im
    eine grundlegende Bedeutung zuteil wird, um grundwasserab­         „Niedersächsischen Beitrag zu den Maßnahmenprogrammen
    hängige Feuchtgebiete zu erhalten sowie Mindestabflüsse in         2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein“,
    Gewässern mit Grundwasserkontakt zu sichern. Damit wirkt es        Dezember 2015, S. 79) ist nicht ausreichend (auch wenn dies
    als Puffer in Trockenperioden. Es liefert in den trockenen         die genannte Arbeitshilfe so sieht). Wenn konkret für einen
    ­Jahreszeiten den Basisabfluss für diese Oberflächen­gewässer­   OWK Beeinträchtigungen durch (Grund)Wasserentnahmen
     systeme, also jenes Wasser, das die Flüsse das ganze Jahr hin­    identifiziert wurden und eine Verminderung der Bewirtschaf­
     durch speist. Bei vielen europäischen Flüssen stammen mehr        tungsziele auf der Planungsebene verneint wird, dann muss
     als 50 % des Jahresabflusses aus dem Grundwasser. In Niedrig­     (und kann dies auch erst) der Vorhabenträger den Beitrag „sei­
     wasserperioden kann dieser Anteil auf über 90 % ansteigen         ner“ fortgeführten Wasserentnahme ermitteln. Bei einem neu­
     [28]. Werden die verfügbaren Grundwasservorräte verringert       en Vorhaben (oder erhöhten) Entnahmemengen muss der Vor­
     bzw. verschlechtert sich die chemische Grundwasserbeschaf­        habenträger auch ohne besonders identifizierte Beeinträchti­
     fenheit, so hat dies direkte Auswirkungen auf die mit dem         gungen der OWK die Auswirkungen seines Vorhabens umfas­

    a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3                                                               www.dwa.de/KA
Fachbeiträge                                                                                                                     Recht      5

send beschreiben. Die Behörde kann dann im konkreten                licher Erlaubnis- oder Bewilligungsanträge gelten. So bestimmt
Verfahren und in Abhängigkeit von der Entnahme in Form der          § 33 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG): „Treffen meh-
Fortführung bisheriger Entnahmen oder einer neuen/erhöhten          rere Erlaubnis- oder Bewilligungsanträge auf Zulassung von Ge-
Entnahme prüfen, ob andere Entnahmen im Rahmen des Be­              wässerbenutzungen zusammen, die sich auch bei Festsetzung von
wirtschaftungsermessens (nachträglich) reduziert werden             Bedingungen und Auflagen beeinträchtigen würden, so hat das
müssen oder gegebenenfalls auch die beantragte Entnahme             Vorhaben Vorrang, das den größten Nutzen für das Wohl der All-
ausnahmsweise zugelassen werden kann.                               gemeinheit erwarten lässt. Sind die Vorhaben danach als gleich-
                                                                    wertig zu beurteilen, ist die wirtschaftliche Bedeutung maßge-
4.2.2 Wassergewinnung und Fernwasserversorgung                      bend. Sofern die beabsichtigten Benutzungen auch hiernach
                                                                    gleichstehen, entscheidet die zeitliche Reihenfolge der Anträge.“
In der Wassergewinnung wird diskutiert, ob nicht die ortsnahe       Treffen Anträge auf Zulassung von Gewässerbenutzungen zu­
Versorgung Vorrang vor der Gewinnung für die überörtliche           sammen, die sich auch bei Festsetzung von Nebenbestimmun­
Versorgung beispielsweise in einem Verbundnetz haben soll.          gen ganz oder teilweise gegenseitig ausschließen, so ist somit
    Auf der gesetzlichen Ebene wird zum Beispiel in Nieder­         die Bedeutung der beabsichtigten Benutzung für das Wohl der
sachsen die Bewirtschaftungsplanung zur Definition der Orts­        Allgemeinheit maßgebend. Ausführlicher und differenzierter
nähe genutzt. Zur Konkretisierung des § 50 Abs. 2 S. 1 WHG          regelt Art. 68 BayWG (Bayerisches Wassergesetz) die wasser­
(ortsnahe Wasserversorgung) definiert § 88 Abs. 1 Niedersäch­       wirtschaftliche Konkurrenz: Treffen mehrere Erlaubnis- oder
sisches Wassergesetz (NWG) ein Wasservorkommen als orts­            Bewilligungsanträge zusammen, die sich gegenseitig ausschlie­
nah, wenn das mit dem Wasser versorgte Gebiet zumindest             ßen, so entscheidet „zunächst die Bedeutung der beabsichtigten
teilweise innerhalb der auf die Erdoberfläche übertragenen          Benutzung für das Wohl der Allgemeinheit unter besonderer Be-
Grenzen des Grundwasserkörpers, in dessen Grenzen sich der          rücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen“ (Art.
Ort der Wasserentnahme befindet (Nr. 1), oder eines an den          68 Satz 1 BayWG). Stehen mehrere beabsichtigte Benutzungen
Grundwasserkörper nach Nummer 1 angrenzenden Grundwas­              hiernach einander gleich, so gebührt „zunächst dem Antrag des
serkörpers liegt (Nr. 2). Aufgrund der Größe der Grundwasser­       Gewässereigentümers, sodann demjenigen Antrag der Vorzug, der
körper und der demgegenüber deutlich lokaleren Politik trifft       zuerst gestellt wurde“ (Art. 68 Satz 2 BayWG). Zudem müssen
diese (hydrogeologische) Definition nicht immer auf Verständ­       bei der Vergabe und Beantragung von Wasserrechten sowohl
nis. Die Praxis zeigt immer öfter, dass ein Solidarsystem bei ei­   langfristige Trends als auch Spitzenlasten berücksichtigt wer­
ner Verbundversorgung (wie auch bei vielen anderen ähnli­           den. Derzeit werden bei rückläufigen Wasserverbräuchen Was­
chen Fragen der ungleichen Lastverteilung, zum Beispiel Müll­       serrechte für geringere Entnahmemengen vergeben, wenn die
verbrennung, Deponien, Fernstraßen) in den betroffenen Orten        Wasserrechte nicht voll ausgeschöpft werden. Problematisch
auf lokales Unverständnis über die Lastentragung bzw. sogar         wird dies in Spitzenlastzeiten, wenn die mengenmäßig redu­
(erheblichen) Widerstand trifft.                                    zierten Wasserrechte nicht zur Deckung der kurzfristig entste­
    Neben gesetzlichen Regeln gehört zur Bewirtschaftungspla­       henden, hohen Verbräuche ausreichen. Auch hier kann die Be­
nung eine realistische Bilanzierung der (aller!) einzelnen Ent­     wirtschaftungsplanung durch Aufnahme von Maßnahmen Hil­
nahmen (öffentliche Wasserversorgung, gewerbliches Brauch­          festellungen leisten, wenn entsprechende Abhängigkeiten und
wasser, Landwirtschaft mit Beregnung und Viehhaltung), um           Notwendigkeiten mit aufgenommen werden.
neben den zugelassenen Mengen auch die tatsächlichen Ent­
nahmen zu erfassen.                                                 4.3 Abwassereinleitungen aus Kläranlagen
    Auf der Planungsebene sind sorgfältige Aufnahmen und Be­
wertungen erforderlich, im Fall von Zielverfehlungen für ein­       Über das Abwasser gelangen sogenannte Spurenstoffe in die
zelne Grund- bzw. Oberflächenwasserkörper (mengenmäßiger            Kläranlagen und von dort aus in Gewässer. Bei entsprechen­
bzw. ökologischer Zustand) ist dann auch auf dieser Ebene ge­       dem Schadpotenzial für die Umwelt werden sie auch als Mikro­
gebenenfalls eine angemessene Steuerung (zum Beispiel               verunreinigungen oder Mikroschadstoffe bezeichnet [31]. Zu
Gleichbehandlung durch gleichmäßige prozentuale Entnahme­           den Spurenstoffen gehören tausende anorganische und organi­
mengenreduzierung oder aber gezielte Minderungen einzelner          sche Stoffe und Stoffgruppen, so zum Beispiel Human- und Ve
Benutzungen aufgrund der Entnahmezwecke, des Bedarfs oder           terinärarzneimittelwirkstoffe, Röntgenkontrastmittel, kosmeti­
Auswirkungen) möglich.                                              sche Wirkstoffe, Industrie- und Haushaltschemikalien, Biozide
                                                                    und Pestizide (wobei Kläranlagenemissionen insofern gegen­
4.2.3 Konkurrentenstreit?                                           über der Landwirtschaft als Hauptquelle nachrangig sind) und
                                                                    andere organische Substanzen. Es handelt sich dabei überwie­
Die Nutzungskonflikte bezüglich der Wassergewinnung erfor­          gend um synthetische Substanzen, die in sehr niedrigen Kon­
dern einen Ausgleich der konkurrierenden Nutzungen. Die be­         zentrationen (Mikrogramm pro Liter oder darunter) im Wasser
hördliche Entscheidung kann von existenzieller Bedeutung            gelöst sind. Diese Stoffe können bereits in kleinen Mengen star­
sein, wenn die verfügbaren Wasserressourcen knapp sind und          ke Auswirkungen auf die Umwelt entfalten. Spurenstoffe rü­
wasserwirtschaftliche Vorhaben mehrerer Antragsteller mitein­       cken deshalb zunehmend in den Fokus von Wasserwirtschaft
ander konkurrieren. Das WHG regelt neben § 6 Abs. 1 Nr. 4           und Politik. Um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu
WHG in § 22 WHG bei einem wasserrechtlichen Konkurrenten­           werden, wird darüber nachgedacht, die kommunalen Kläranla­
streit bei Bestandsnutzungen nur, dass die Interessen der Betei­    gen durch zusätzliche Verfahrensstufen aufzurüsten.
ligten, das Wohl der Allgemeinheit und der Gemeingebrauch in            Daneben spielt der Phosphorgehalt im Abwasser eine nicht
die Abwägung einzustellen sind [30]. Alle Landeswassergeset­        nur nachrangige Rolle. Ein erhöhter Phosphorgehalt kann
ze enthalten Bestimmungen, die der Konkurrenz wasserrecht­          nachteilige Auswirkungen auf Grund-, Oberflächen- und Trink­

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6      Fachbeiträge                                                                                                              Recht

    wasser nach sich ziehen. Beispielsweise kann es aufgrund der       streicht, dass Niederschlagswasser, obwohl es dem Ursprung
    wachstumsfördernden Wirkung auf Pflanzen zur sogenannten           nach „einfach vom Himmel fällt“, durchaus eine Relevanz für
    Eutrophierung von Gewässern kommen. Ebenso wie bei erhöh­          die Qualität von Wasserkörpern hat, denen es zugeführt wird.
    ten Nitratgehalten führt dann ein durch übermäßiges Pflanzen­      Dabei formuliert das WHG den Umgang mit Niederschlagwas­
    wachstum hervorgerufener Fäulnisprozess zu einer Sauerstoff­       ser sehr klar: Es soll ortsnah versickert, verrieselt oder direkt
    verarmung im Gewässer. Beispielhaft wird etwa in Branden­          oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutz­
    burg die Einleitung von Phosphor für Kläranlagen der Größen­       wasser in ein Gewässer eingeleitet werden (sofern die weiteren
    klasse 5 [> 6000 kg/d BSB5 (roh)] durch die Erteilung von          in § 55 Abs. 2 WHG genannten Voraussetzungen gegeben
    Einleiterlaubnissen mit Auflagen bzw. den Erlass von nachträg­     sind). Damit wird das Ziel verfolgt, den lokalen Wasserhaushalt
    lichen Auflagen zu bereits bestehenden Einleiterlaubnissen         zu erhalten. Hiermit verbunden sind zwei Zielrichtungen: der
    (bei der Einleitung von Phosphor darf ein Wert von 1,0 mg/l        Erhalt der lokalen Wasserqualität sowie der Erhalt der lokalen
    nicht überschritten werden, Anhang 1C (1) zur AbwVO) be­           Wassermenge. Veränderungen sowohl in der einen wie in der
    grenzt, und ebenfalls in Berlin wurde über eine Nachrüstung        anderen Hinsicht führen zu einer Veränderung des lokalen
    aller Berliner Klärwerke mit einer Filtration zur weitergehen­     Wasserhaushalts und können dem Ziel entgegenstehen.
    den Phosphorentfernung [32] diskutiert.                                Niederschlagswasser als Abwasser im Sinne des § 54 Abs. 1
        In den Bewirtschaftungsplänen der Länder für den zweiten       S. 1 Nr. 2 WHG (gesammelter Abfluss von bebauten oder befes­
    Bewirtschaftungszyklus 2016–2021 [33] zur Umsetzung der            tigten Flächen) kommt dabei mit verschiedenen Oberflächen in
    WRRL wird die Elimination von Spurenstoffen in ausgewählten        Berührung und trägt die dort befindlichen Stoffe (unter ande­
    Kläranlagen als erforderlich für das Erreichen der WRRL-Ziele      rem auch Reifenabrieb) mit. Auch das Abflussregime im Ge­
    angesehen. In dem Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der              wässer wird durch die unterbundene Versickerung in der Flä­
    WRRL wird für Kläranlagen daher die Durchführung von               che und die Sammlung verändert. Niederschlagswasser kann
    Machbarkeitsstudien zur Elimination von Mikroschadstoffen          nicht in jedem Fall und ohne weitere Maßnahmen in ein Ge­
    gefordert. Viele Studien betrachten allerdings nur die standort­   wässer eingeleitet werden. Dies ist jeweils im Rahmen der ein­
    bezogene technische Integration weitergehender Reinigungs­         zelnen Erlaubnisse unter Berücksichtigung des relevanten Re­
    verfahren zur Reduzierung der Spurenstoffeinträge, prüfen je­      gelwerks zu prüfen. Für den Zustand eines gesamten Wasser­
    doch nicht deren Wirksamkeit im Hinblick auf die Konzentrati­      körpers sind einzelne Niederschlagswassereinleitungen selten
    on im Fließgewässer. Für eine konkretisierte Planung zum Um­       ausschlaggebend, ihre Gesamtheit kann das aber sein.
    gang mit Spurenstoffen auf der Ebene von größeren                      Gerade in dicht besiedelten Ballungszentren mit hohem Ver­
    Flusseinzugsgebieten sind folglich weitere Erkenntnisse not­       siegelungsgrad ist die gesetzgeberische Grundidee der ortsna­
    wendig. Zudem bleibt rechtlich betrachtet die Frage zu klären,     hen Versickerung bzw. Einleitung nur schwer vorstell- und um­
    ob die Verankerung derartiger Maßgaben innerhalb von Be­           setzbar. Dabei führt die unmittelbare Versickerung dazu, dass
    wirtschaftungsplänen als ausreichende Rechtsgrundlage ange­        das Wasser vor dem Erreichen des Grundwassers durch die Bo­
    sehen werden kann, um hierauf aufbauend eine zusätzliche           denschichten gereinigt wird und dem lokalen Wasserhaushalt
    vierte Klärstufe einfordern zu können. Diese zusätzliche Klär­     unmittelbar zur Verfügung steht. Stattdessen kommt das auf
    stufe ist nach Vorstellung einiger Akteure eine geeignete Ant­     Dächern, Straßen, Parkplätzen oder sonstigen Flächen sich
    wort auf die zunehmende Belastung der Gewässer mit Spuren­         sammelnde Wasser, das nicht unmittelbar versickern kann,
    stoffen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass       durch die nun notwendige Ableitung längere Zeit mit dem Bo­
    die verschiedenen Techniken weitergehender Behandlungsstu­         den in Kontakt, nimmt den dort liegenden Schmutz auf und
    fen immer nur bestimmte unerwünschte Stoffe aus dem Was­           spült diesen mit. Bei einem hohen Versiegelungsgrad kommt es
    ser entfernen können und es kein Verfahren gibt, dass alle un­     in leistungsschwachen Vorflutern zu erheblichen hydraulischen
    erwünschten Stoffe entfernen kann. Zudem können beispiels­         Stößen. Abhilfe schafft hier eine wasserdurchlässige Boden­
    weise durch das Verfahren der Ozonierung neue Abbauproduk­         oberfläche, wobei auf Versiegelung gänzlich oder teilweise
    te (Metabolite) entstehen, die dann in die Gewässer gelangen       (z.B. Rasengittersteine) verzichtet wird oder wasserdurchlässi­
    können. Das soll durch die Kombination mit einer biologischen      ge Materialien genutzt werden. Solche Maßnahmen werden
    Nachbehandlung oder einer nachgeschalteten Behandlung mit          auch dadurch finanziell begünstigt, dass weniger stark versie­
    Aktivkohle verhindert werden. Die Techniken einer weiteren         gelte Flächen bei der Bemessung der Niederschlagswasserge­
    Klärstufe sind überdies kostenintensiv. Würden die Unterneh­       bühr gänzlich oder teilweise gebührenmindernd berücksichtigt
    men der Abwasserwirtschaft verpflichtet, ihre Kläranlagen          werden.
    (oder auch nur Kläranlagen ab einer bestimmten Größenklas­             Die Vorgaben des Maßnahmenprogramms für die Einlei­
    se) entsprechend zu ertüchtigen, müssten die nicht unerhebli­      tung von Niederschlagswasser werden nach der Vorstellung
    chen Investitions- und die späteren Betriebskosten auf die Ge­     des Programmgebers bei der Zulassung von Einzelmaßnahmen
    bührenzahler umgelegt werden [34].                                 umgesetzt. Bei der Erteilung einer Einleitungserlaubnis ist stets
                                                                       zu prüfen, ob dieser Einleitung wasserwirtschaftliche Gründe
    4.4	Niederschlagswassereinleitungen                               entgegenstehen (§ 57 WHG). Dies wäre der Fall, wenn die Ein­
         und hydraulische Belastung                                    leitung dem Zielerreichungsgebot oder dem Verschlechterungs­
                                                                       verbot zuwiderlaufen würde. Diese recht abstrakten Anforde­
    Die Maßnahmenprogramme des zweiten Bewirtschaftungszy­             rungen, die als wasserwirtschaftliche Grundanforderungen ver­
    klus’ enthalten – wie bereits deren Vorläufer im ersten Bewirt­    standen werden können, werden konkretisiert in der Abwas­
    schaftungszyklus – Anforderungen für den Umgang mit Nieder­        serverordnung [die allerdings (fast) keine Anforderungen an
    schlagswasser, insbesondere im Hinblick auf dessen Einleitung      die Niederschlagswasserbeseitigung stellt], der Oberflächenge­
    in Oberflächengewässer oder in das Grundwasser. Dies unter­        wässerverordnung sowie der Grundwasserverordnung. Bei der

    a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3                                                                www.dwa.de/KA
Fachbeiträge                                                                                                                   Recht      7

Prüfung der Voraussetzungen kann – so das Maßnahmenpro­           Aal oder den Lachs, und hierdurch behördenseitig zusätzliche
gramm Nordrhein-Westfalen – das BWK-Merkblatt 3 über die          Vorgaben für Mindestwasserstände festgelegt werden.
Ableitung von immissionsorientierten Anforderungen an                 Für die Gewährleistung solcher Mindestwasserstände spielt
Misch- und Niederschlagswassereinleitungen unter Berücksich­      die Bewirtschaftung der Talsperren an einigen Fließgewässer­
tigung örtlicher Verhältnisse herangezogen werden [35]. Für       systemen eine zunehmend gewichtige Rolle, um die erforderli­
den dritten Bewirtschaftungszyklus muss allerdings eine An­       chen Abflussmengen durch die Abgabe von Zuschusswasser­
passung erfolgen: Im Dezember 2020 haben BWK und DWA ge­          mengen ganzjährig sicherzustellen. Die Frage der (ökologi­
meinsam zwei Arbeitsblätter zur Niederschlagswasserbeseiti­       schen) Mindestwasserführung wird dabei oft erst durch die Tal­
gung (DWA-A 102/BWK-A 3, Grundsätze zur Bewirtschaftung           sperre verursacht und kann daher im Widerspruch zum
und Behandlung von Regenwetterabflüssen zur Einleitung in         Errichtungszweck (zum Beispiel Trinkwasserversorgung) ste­
Oberflächengewässer – Teil 1: Allgemeines bzw. Teil 2: Emissi­    hen. Die Anforderungen an die Talsperrenbewirtschaftung
onsbezogene Bewertungen und Regelungen) herausgegeben             wachsen dementsprechend, um diesen vielfältigen Ansprüchen
bzw. ein Merkblatt als Entwurf (DWA-M 102-4/BMK-M 3–4:            zu genügen, gegebenenfalls gilt es auch, Prioritäten zu setzen.
Wasserhaushaltsbilanz für die Bewirtschaftung des Nieder­             Vorgaben zur Mindestwasserführung unterhalb einer Tal­
schlagswassers) vorgelegt. Diese Regelungen ersetzen aus tech­    sperre können beispielsweise in Betriebsplänen der Talsperren,
nischer Sicht das im Maßnahmenprogramm NRW 2016–2021              in Staurechten, gesetzlich [39] oder auch in Planfeststellungs­
angesprochene BWK-Merkblatt 3 und sollen eine gemeinsame          beschlüssen enthalten sein. Die Betriebspläne/Zulassungen für
emissions- und immissionsbezogene Bewertung ermöglichen           die Talsperren sind zunächst bestimmt durch Vorgaben zur Ab­
[36]. Dabei sprechen sich die Autoren für eine Abkehr vom         gabe. Die Abgabe kann dabei die gewerblichen oder landwirt­
klassischen Entwässerungssystem, das auf eine vollständige        schaftlichen Nutzungsansprüche in den Blick nehmen oder
Ableitung des Niederschlagswassers ausgerichtet ist, hin zu ei­   auch eine Mindestabgabe bzw. Mindestwasserführung sein, um
ner dezentralen Niederschlagswasserbeseitigung aus. Eine          die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers sicherzustel­
wasserwirtschaftliche Planung allein kann jedoch diese Ziele      len. Zugleich gibt es festgelegte Höchstmengenabgaben, die
nicht erreichen, sondern setzt voraus, dass diese in Abstim­      vor Hochwasser im Unterlauf schützen sollen. In diesem Span­
mung mit der Städte- und Raumplanung erfolgt und dass ar­         nungsfeld können sich daneben auch saisonal begrenzte Abga­
chitektonische Anforderungen berücksichtigt werden. Auch          beerhöhungen, beispielsweise um bestimmte Freizeitnutzun­
dies muss bei der beabsichtigten wasserwirtschaftlichen Voll­     gen unabhängig von den Zielen der WRRL zu befriedigen (Fi­
planung im 3. Bewirtschaftungszyklus berücksichtigt werden.       schereisport, Kanufahren etc.) oder etwa zu dem Zweck, Wan­
   Eine Abkehr von der herkömmlichen Niederschlagswasser­         derfischen den Aufstieg zu erleichtern, befinden.
beseitigung lässt sich in gewachsenen Ballungszentren schwe­          Sollen im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung für eine
rer umsetzen als in dünner besiedelten Regionen. Neu zu er­       Talsperre die Bewirtschaftungsziele der §§ 27 ff. WHG durch
schließende Gebiete können nach diesen Vorgaben geplant           Maßnahmenprogramme (§ 82 WHG) und Bewirtschaftungs­
werden, eine Umsetzung im Bestand ist schwieriger. Spätestens     pläne (§ 83 WHG) konkretisiert werden, kommt hinsichtlich
wenn es um einen hohen finanziellen Aufwand geht, der für         der Mindestwasserführung die Setzung der LAWA-Programm­
entsprechende Maßnahmen, insbesondere solche, um gewach­          maßnahme [40] (PGM) 61 („Maßnahmen zur Gewährleistung
sene Strukturen aufzubrechen, anfallen wird, wird die Frage       des erforderlichen Mindestabflusses“ [41]) in Betracht. PGM
nach der Wirtschaftlichkeit die Handlungsspielräume eingren­      werden nur gewählt, um Defizite abzustellen. Die Bewirtschaf­
zen und damit auch im Rahmen der Bewirtschaftungsplanung          tungsbehörde muss also darlegen können, welches Defizit
zu berücksichtigen sein.                                          durch einen Mindestwasserabfluss im Wasserkörper unterhalb
                                                                  der Talsperre abgestellt werden soll. Häufig wird dies aufgrund
4.5 Talsperren und Mindestwasserführung                           einer schlechten Bewertung der Ökologie (beispielsweise Ver­
                                                                  hinderung des Trockenfallens von Kiesbänken in der Laichzeit
Der Bundesgesetzgeber hat bereits mit der Neufassung des          der Forellen), in extremen Fällen möglicherweise aber auch
WHG im Jahr 2009 in § 33 WHG der großen Bedeutung der             aufgrund des chemischen Zustands veranlasst sein. Dabei dürf­
Mindestwasserführung für die ökologische Funktionsfähigkeit       te davon auszugehen sein, dass bei dem in den meisten Bun­
eines Gewässers Rechnung getragen [37]. Die Vorschrift über       desländern im Rahmen der Setzung von Maßnahmen an den
die Mindestwasserführung gehört damit zu den wichtigen Neu­       Tag gelegten Abstraktionsniveau die konkreten Details der
regelungen der Gewässerbewirtschaftung, die der Erreichung        Maßnahme erst im Rahmen des wasserwirtschaftlichen Voll­
der Bewirtschaftungsziele dienen [38].                            zugs festgelegt werden. Die Entscheidung der Vollzugsbehörde
    In den vergangenen Jahren hat die Gewährleistung einer        zur Mindestwasserführung muss dann ihre wasserwirtschaftli­
Mindestwasserführung noch an Bedeutung gewonnen, da die           che Planungskompetenz und ihr Bewirtschaftungsermessen bei
Problematik der Niedrigwasserführung in den Fließgewässern        der Konkretisierung des Bewirtschaftungsziels und der dafür
im Zusammenhang mit den häufiger auftretenden Trockenzei­         vorgesehenen Umsetzungsmaßnahmen fehlerfrei ausüben.
ten insbesondere in den Sommermonaten verstärkt in den Fo­        Dies kann auch gerichtlich überprüft werden [42].
kus der Gewässerbewirtschaftung gerückt ist. Zugleich stellt          Nicht zuletzt um Transparenz zu schaffen und Akzeptanz zu
die Ökologie im Rahmen der Erreichung der Bewirtschaftungs­       erzielen, sollte die Bewirtschaftungsbehörde die in § 83 Abs. 4
ziele auch entsprechende Anforderungen an die Gewässer bei        WHG sowie in § 85 WHG vorgesehene Öffentlichkeitsbeteili­
Niedrigwasserführung. Dies ist erst recht der Fall, wenn die      gung ernst nehmen (und in den meisten Fällen tut sie dies
ökologischen Anforderungen an eine Mindestwasserführung           auch). Die Bewirtschaftungsplanung wird sich regelmäßig in
zusätzlich dadurch verschärft werden, dass ein Fließgewässer      einem Spannungsfeld divergierender Interessen bewegen. Tal­
zu einer Zielartenkulisse für Wanderfische zählt, etwa für den    sperrenbetreiber als Gewässerbenutzer und (künftige) Maß­

www.dwa.de/KA                                                                       a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3
8      Fachbeiträge                                                                                                               Recht

    nahmenpflichtige sollten von den zuständigen Behörden früh­         tungszyklus zum Ende des Jahres 2027 unterliegen, stellen ho­
    zeitig und umfassend beteiligt werden, da ihr Staurecht hin­        he Anforderungen an die Bewirtschaftungsbehörde zur Festset­
    sichtlich der konkreten Ausgestaltung der Betriebsführung           zung einer erforderlichen Mindestwasserführung.
    ­Gegenstand des Verfahrens sein wird. Daneben sollte die Be­
     wirtschaftungsplanung einen offenen „Stakeholder-Dialog“ mit
                                                                        5 Möglichkeit der weniger strengen Umweltziele
     allen Betroffenen einer Maßnahme zur Mindestwasserführung
     für die einzelnen Flussgebietseinheiten führen, der dann die       Durch Art. 4 Abs. 5 WRRL besteht die Möglichkeit, von den ur­
     Grundlage bildet, die konkurrierenden Nutzungsinteressen in        sprünglichen Zielen abzuweichen und weniger strenge Ziele
     einen Ausgleich zu bringen.                                        festzusetzen, wenn die ursprünglichen Ziele aufgrund der Be­
         Nach § 33 WHG ist „das Aufstauen eines oberirdischen Gewäs-    einträchtigung durch menschliche Tätigkeiten oder der natür­
     sers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem         lichen Beschaffenheit des Gewässers nicht erreichbar sind. § 30
     oberirdischen Gewässer nur zulässig, wenn die Abflussmenge er-     WHG setzt die Festsetzung weniger strenger Ziele unter die
     halten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbunde-   Prämisse, dass eine Zielerreichung nicht oder nur mit unver­
     ne Gewässer erforderlich ist, um den Zielen des § 6 Absatz 1 und   hältnismäßigem Aufwand möglich ist [51]. Ob dies tatsächlich
     der §§ 27 bis 31 zu entsprechen (Mindestwasserführung).“ Das       der Fall ist, muss substantiiert im Bewirtschaftungsplan darge­
     bedeutet, dass „die Mindestwasserführung maßgeblich von den in     legt und begründet werden.
     Bezug genommenen gesetzlichen Bewirtschaftungsrundsätzen und           In den Bewirtschaftungsplänen für den zweiten Bewirt­
     Bewirtschaftungszielen für das betroffene Gewässer ab(hängt)“      schaftungszyklus 2016–2021 wurden (neben einigen Ausnah­
    [43]. Die Regelung zielt in erster Linie auf die Erhaltung der      men für Grundwasserkörper aufgrund des Bergbaus) nur für
    ökologischen Funktionsfähigkeit eines oberirdischen Gewässers       einzelne OWK an der Werra in der Flussgebietseinheit Weser
    ab [44]. Die Mindestwasserführung ist vor allem nach den hy­        sowie für OWK in der Flussgebietseinheit Elbe weniger strenge
    drologischen Gegebenheiten vor Ort und den ökologischen Er­         Umweltziele für den ökologischen Zustand ausgewiesen [52].
    fordernissen im Einzelfall zu bestimmen [45]. Die Norm des
    § 33 WHG ist von den wasserwirtschaftlichen Vollzugsbehörden
                                                                        6 Detaillierungsgrad der M
                                                                                                 ­ aßnahmenprogramme?
    aber unabhängig davon zu berücksichtigen, ob bereits die Be­
    wirtschaftungsplanung eine entsprechende Maßnahme für den           6.1 Detaillierungsgrad im 2. Zyklus
    Wasserkörper im Unterlauf des Gewässers, also unterhalb der
    Talsperre, vorsieht [46]. Dabei sind grundsätzlich auch alte        Die meisten der für 2015 bis 2021 erstellten Maßnahmenpro­
    Rechte nicht „WRRL-fest“, siehe hierzu nur den Katalog für den      gramme weisen unter Rückgriff auf die Maßnahmenschlüssel
    Widerruf alter Rechte in § 20 Abs. 2 WHG [47].                      des LAWA-Maßnahmenkatalogs den Wasserkörpern lediglich
         Die zuständige Bewirtschaftungsbehörde muss demzufolge         Programmmaßnahmen zu [53]. Einzelne Maßnahmenpro­
    Kenntnis über die insoweit erforderliche Abflussmenge haben,        gramme haben durch sogenannte Steckbriefe (die Praxis der
    um einzelne Vorhaben zur Gewässerbenutzung (Aufstauen,              Länder ist heterogen) insofern eine Konkretisierung erfahren,
    Entnehmen oder Ableiten) auf ihre Zulässigkeit hin zu prüfen        dass bestimmten Maßnahmen eine kurze Beschreibung hinzu­
    und gegebenenfalls zu erlauben. § 33 WHG gibt keine Vorga­          gefügt wurde [54]. In Nordrhein-Westfalen wurden die soge­
    ben für ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung der Mindest­        nannten Umsetzungsfahrpläne als Konkretisierung der hydro­
    wasserführung. Bei der Auswahl des konkreten Verfahrens zur         morphologischen Programmmaßnahmen erstellt. Seit 2016
    Ermittlung der Mindestwasserführung kommt der zuständigen           sollen diese gemäß § 74 Wassergesetz Nordrhein-Westfalen als
    Behörde im Rahmen ihres Bewirtschaftungsermessens ein Be­           Grundlage für die koordinierten Maßnahmenübersichten (für
    urteilungsspielraum zu [48]. Es muss geeignet sein, den Vorga­      die hydromorphologischen Maßnahmen) der Gewässerausbau-
    ben aus § 6 Abs. 1 und der §§ 27 ff. WHG Rechnung zu tragen         und -unterhaltungspflichtigen dienen. Die Aufsichtsbehörde
    [49].                                                               kann diese Übersichten beanstanden, wenn ein Pflichtiger er­
         Konkret sind sowohl das Verschlechterungsverbot als auch       forderliche Maßnahmen nicht oder nur verzögert zur Umset­
    das Zielerreichungsgebot dabei von ihr als zwingende Zulas­         zung vorsieht [55]. Wie ausführlich diese Steckbriefe sind und
    sungsvoraussetzungen (§ 12 Abs. 1 WHG) in den Blick zu neh­         welche planerische Aussagekraft sie haben, kann jedoch sehr
    men [50]. Im Rahmen des allgemeinen Bewirtschaftungser­             unterschiedlich ausfallen, und auch sie hinterlassen einen wei­
    messens (§ 12 Abs. 2 WHG) kann die Behörde auf die Regelung         teren Konkretisierungsspielraum.
    des § 10 Abs. 2 WHG zurückgreifen, wonach Erlaubnis und Be­
    willigung keinen Anspruch auf Zufluss von Wasser in einer be­       6.2 Detaillierungsgrad im 3. Zyklus (Entwurf)
    stimmten Menge und Beschaffenheit geben. Allerdings hat sie
    im Rahmen dieses allgemeinen Bewirtschaftungsermessens              Die Entwürfe für den 3. Bewirtschaftungszyklus sind nun ver­
    auch die Bestands- und Investitionsinteressen insbesondere für      öffentlicht. Der Konkretisierungsgrad scheint sich weiter er­
    gewerbliche und landwirtschaftliche Nutzungen zu berücksich­        höht zu haben. Eine weitergehende Analyse konnte im Rahmen
    tigen.                                                              dieses Arbeitsberichtes nicht geleistet werden. Ein aktueller Be­
         Die vielfältigen Nutzungsinteressen und die zugleich vor­      richt zur Umsetzung der WRRL in Deutschland findet sich in
    handenen ökologischen Bewirtschaftungsziele, die im Übrigen         der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage. Im
    mit einem zunehmenden zeitlichen Druck den Fristenregelun­          Interesse der eigenen Anlagen sollten hier die Leser einen Blick
    gen des § 29 WHG bis zum Ablauf des dritten Bewirtschaf­            auf die relevanten Internetseiten werfen und sich beteiligen.

    a Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2021 (68) · Nr. 3                                                                 www.dwa.de/KA
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