DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR

Die Seite wird erstellt Klaus-Peter Geißler
 
WEITER LESEN
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
ExWoSt-Informationen 52/2

 Die
 digitale Stadt
 gestalten
 Erfahrungen aus den
 Planungswerkstätten

 Ein ExWoSt-Forschungsfeld

           Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) ist ein Forschungsprogramm des Bundes-
           ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) betreut vom Bundesinstitut
           für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
Inhalt                  Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

    Ausgabe
    52/2 01/2022

                   03    Einleitung

                   04    Entwicklung der Handreichung

                   06   Auswahl der Praxiskommunen

                   08   Angermünde

                   10 Verwaltungsgemeinschaft Fuchstal

                   12    Hansestadt Lüneburg

                   14 Wilhelmshaven

                   16    Konzeption der Planungswerkstätten

                   18    Erkenntnisse auf methodischer Ebene

                   22    Erkenntnisse auf inhaltlicher Ebene

                   27    Fazit und Ausblick

2                                                        ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                                              Einleitung

   Einleitung                                  Das Forschungsprojekt „Die digitale Stadt gestalten: Eine Handreichung für
                                               Kommunen“ bietet Kommunen im digitalen Wandel eine praxisnahe Unter-
                                               stützung in strategischen und operativen Fragen. Die Handreichung bündelt
                                               Erfahrungen wegbereitender Städte und bezieht die Ausgangslagen und Be-
                                               darfe kleinerer Kommunen ein, die mit ihren digitalen Vorhaben am
                                               Anfang stehen.
                                               Das Projekt ist Teil des Forschungsprogramms „Experimenteller Wohnungs-
                                               und Städtebau“ (ExWoSt) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwick-
                                               lung und Bauwesen (BMWSB). Es wird vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-
                                               und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
                                               (BBR) betreut.

Die Smart City Charta                       Ausgangslage und Forschungsansatz          dann Einsichten in vorläufige Ergebnis-
Die im Jahr 2017 verabschiedete Smart       Einige Kommunen haben bereits be-          se des Prozesses. Ein Schwerpunkt liegt
City Charta definiert Leitlinien für die    gonnen, Digitalkonzepte zu erarbeiten      hierbei auf der Darstellung der metho-
integrierte Stadtentwicklung vor dem        und konkrete Projekte umzusetzen.          dischen Erkenntnisse zur erfolgreichen
Hintergrund der digitalen Transforma-       Vielfach besteht jedoch noch Unsicher-     Durchführung von Online-Workshops
tion. Diese in einem breit angelegten       heit, wie die Möglichkeiten der Digi-      in Smart-City-Strategieprozessen. Einen
Dialogprozess erarbeitete Charta, an        talisierung in kommunales Handeln          weiteren Schwerpunkt bilden inhalt-
welcher Vertreterinnen und Vertreter        integriert werden können. Zahlreiche       liche Erkenntnisse insbesondere dazu,
aus Bund, Ländern, Kommunen, Zivil-         Kommunen verfügen nur bedingt über         wie unterschiedliche Kommunen Digi-
gesellschaft und Wissenschaft mitwirk-      die finanziellen, technologischen und      talisierungsprozesse angehen, inhaltli-
ten, bietet den normativen Rahmen für       personellen Ressourcen, um sich den        che und räumliche Fokusse wählen, das
Smart-City-Projekte in Deutschland.         Fragestellungen der Smart City adäquat     Thema Smart City in bestehende Prozes-
In der kommunalen Praxis zeigt sich         widmen zu können. Zusätzlich ergeben       se der Stadtentwicklung einbetten und
jedoch, dass viele Kommunen Unter-          sich in den Kommunen unterschied-          hierbei an bereits vorhandene Konzepte
stützung dabei benötigen, die erarbei-      liche Handlungsspielräume und Infor-       und Strategien anknüpfen.
teten Leitlinien in konkretes Handeln       mationsasymmetrien zwischen den Be-
zu übersetzen. So stehen unterschied-       teiligten.
lichste Kommunen oft vergleichbaren             Um über Erfolgs- und Risikofaktoren
Herausforderungen gegenüber.                auf dem Weg zu gelungenen Smart-City-
    Das Forschungsprojekt „Die digitale     Konzepten einen interkommunalen
Stadt gestalten“ zielt daher darauf ab,     Transfer von Erfahrungen zu ermögli-
praxisfähige Ansätze zu erarbeiten,         chen, untersuchte das Forschungsteam
die es Akteurinnen und Akteuren aus         in der ersten Projektphase vier Fall-
der kommunalen Praxis in Form einer         studienstädte. Die darauf basierende
Handreichung zur Verfügung stellt. Ziel     erste Version der Handreichung wurde
der Handreichung ist es, einen Bogen        zusammen mit vier Kommunen in Pla-
vom normativen Rahmen der Smart             nungswerkstätten getestet und weiter
City Charta zu konkretem kommunalem         ausgearbeitet. Dieser Überarbeitungs-
Handeln zu schlagen. Die Handreichung       schritt stellt sicher, dass die Kommunen
hilft Kommunen dabei, die Entwicklung       die Handreichung praxisnah nutzen
einer Smart-City-Strategie so zu gestal-    können.
ten, dass sie an bestehende konzeptio-
nelle Vorarbeiten und Prozesse vor Ort      Über dieses Heft
anknüpfen und darauf aufbauend pass-        Dieses Heft stellt Erkenntnisse und Er-
genaue Ziele und Handlungsfelder de-        fahrungen aus dem Projekt „Die digita-
finieren, Smart-City-Projekte initiieren,   le Stadt gestalten: Eine Handreichung
geeignete Organisationsstrukturen ent-      für Kommunen“ vor. Es informiert ein-
wickeln, Risiken abschätzen und Maß-        leitend über den Aufbau der Handrei-
nahmen evaluieren können. Hierbei           chung und stellt als Schwerpunkt die
liefert die Handreichung Vorschläge zur     ausgewählten Praxiskommunen sowie
methodischen Herangehensweise und           die Konzeption der Planungswerkstät-
bietet außerdem inhaltliche Einblicke in    ten unter Covid-19-Pandemie-Bedin-
den Kosmos der Smart City.                  gungen dar. Eine Querauswertung liefert

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                         3
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
Entwicklung der Handreichung                    Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

    Entwicklung der
    Handreichung

Forschungsphasen                            an Erfahrung und personellen Ressour-                 gen von nachhaltiger Stadtentwicklung
Die Entwicklung der Handreichung            cen, um zusätzlich benötigte Mittel zur               und Digitalisierung hin und richtet die
„Die digitale Stadt gestalten“ basiert      Entwicklung einer Strategie oder für                  Umsetzungshilfen zur Erstellung einer
auf zwei wesentlichen Schritten. In der     den Anschub digitaler Projekte einzu-                 Strategie und zur Durchführung digita-
ersten Projektphase untersuchte das         werben. Auch wurde deutlich, dass die                 ler Projekte danach aus.
Forschungsteam in den vier Fallstudien-     kommunalen        Digitalisierungsbestre-
städten Aachen, Arnsberg, Mannheim          bungen nicht zwangsläufig auf die Ziele               Informationen in drei Teilen
und Ravensburg, wie die jeweiligen          der nachhaltigen Stadtentwicklung aus-                Konkret gliedert sich die Handreichung
Kommunen den Erfordernissen, Wir-           gerichtet sind.                                       in drei Teile:
kungen und Risiken der Digitalisierung          In den innerhalb der ersten Projekt-
begegnen. Die Recherche vor Ort wur-        phase betrachteten Fallstudienstädten                     1. Der Kompass richtet sich an In-
de durch eine allgemeine Literatur- und     zeigte sich weiterhin, dass die Initiative            itiatorinnen und Initiatoren auf allen
Projektrecherche im Themenfeld Smart        für Smart-City-Projekte häufig von in-                Verwaltungsebenen, die in ihrer Kom-
City ergänzt. Die Ergebnisse der Analyse-   trinsisch motivierten Schlüsselfiguren                mune das Thema Smart City einbrin-
und Recherchephase sind in der ExWoSt-      ausgeht. Diese tragen das Thema in die                gen und strukturell verankern möch-
Info 52/1 – 04/2021 dokumentiert (abruf-    Verwaltung hinein, planen interne und                 ten. Er widmet sich organisatorischen
bar via Kurzlink: https://t1p.de/zfp1).     externe Kooperationen oder initiieren                 Herausforderungen und rechtlichen
   Mit den Ergebnissen aus der ersten       digitale Projekte und Förderanträge.                  Rahmenbedingungen, die mit dem Auf-
Phase konnte das Team eine vorläufige           An diesen Punkten setzt die Hand-                 gabenfeld Smart City in der Verwaltung
Version der Handreichung „Die digita-       reichung an. Anhand von kompakten                     einhergehen. Dies betrifft beispielswei-
le Stadt gestalten“ entwickeln und mit      Informationen und Praxisbeispielen                    se ein Umdenken von Silo-Strukturen
dieser in die Testphase mit den Praxis-     vermittelt sie niedrigschwellig Wissen                zugunsten einer querschnittsorientier-
kommunen Angermünde, Fuchstal, Lü-          zu Digitalisierungsprozessen für ver-                 ten, fach- und hierarchieübergreifen-
neburg und Wilhelmshaven starten. Ziel      schiedene Zielgruppen innerhalb der                   den Verwaltungsarbeit wie auch neue,
der zweiten Phase war es, den Aufbau        Kommune. Die Handreichung adres-                      durch die Digitalisierung selbst hervor-
und die Inhalte der Handreichung in der     siert vor allem die Gruppe der intrin-                gebrachte Aufgaben und Verantwort-
Arbeit mit Kommunen zu erproben und         sisch motivierten Schlüsselakteure, um                lichkeiten. Diese sind beispielsweise
diese anschließend möglichst praxisnah      sie bei ihren Aktivitäten zu unterstüt-               die digitale Daseinsvorsorge bzw. die
und zielgruppenorientiert aufzuberei-       zen. Darüber hinaus weist die Handrei-                Digitalisierung der Daseinsvorsorge,
ten (siehe Abbildung 1).                    chung explizit auf die Wechselwirkun-                 die Möglichkeiten digitaler Teilhabe

Die erste Testversion
Die Recherche in den Fallstudienstäd-            Analyse der Fallstudienstädte Aachen,       Planungswerkstätten in den Praxiskommunen
ten führte zu Erkenntnissen, die Aufbau,         Arnsberg, Mannheim und Ravensburg        Angermünde, Fuchstal, Lüneburg und Wilhelmshaven

inhaltliche Schwerpunkte und den Duk-
tus der Handreichung wesentlich prä-                                2020                                     2021

gen. Es zeigte sich beispielsweise, dass
derzeit sowohl zwischen Kommunen
unterschiedlicher Größe als auch unter
den Beschäftigten innerhalb der Verwal-
tung einer Kommune Wissensasymme-
trien zum Thema Smart City bestehen.
    Vor allem in kleinen und mittleren          Entwicklung Handreichung                 Testversion                             Finale Version

Kommunen unter 100.000 Einwohne-
rinnen und Einwohnern fehlt es häufig       Abbildung 1: Projektphasen (eigene Darstellung)

4                                                                                               ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                         Entwicklung der Handreichung

                                                                        Risiken
                                                                        abschätzen
                          Handlungsfelder
                                              Ideen generieren
                            bestimmen
oder der souveräne Umgang       mit Daten Form undeiner                          6
                                                         Schritt-für-Schritt-Anleitung
                                                    Projektskizzen                      lungen der Kommune im Bereich Smart
                                               entwickeln
in der Kommune. Zudem reflektiert der unterstützt        dieser zweite Teil der Hand- City fachlich und praktisch zu unter-
Kompass zielgruppenspezifisch, wie      4 reichung sie bei der Erstellung einer mauern. Er verweist auf Beispiele aus
       Visionen und Ziele                                                                             Projekte auswählen
die Digitalisierung
       der Smart City
                       stadtentwicklungs  - Smart-City-Strategie sowie der Umset- der Praxis. Auch       die erprobten Arbeits-
                                                                                                      und priorisieren
politische  Ziele
       definieren unterstützen  kann, wa  - zung       5
                                                  digitaler Projekte. Der  in zwei Be -          7
                                                                                        materialien  der  Planungswerkstätten
rum Smart-City-Konzepte  3 auch kritisch arbeitungszyklen – Strategie und Projekt werden hier als Vorlagen bereitgestellt.
hinterfragt werden müssen und welche – unterteilte idealtypische Ablauf be-
räumlichen Wirkungen von der   Entwicklung
                                  Digitali- inhaltet insgesamt zehnUmsetzung
                                                                       Arbeitsschritte Die finale Handreichung
                                    einer (siehe Abbildung 2).
sierung hypothetisch ausgehen können.                            digitaler
                                                                     Zwar      Projekte
                                                                            bauen   die Die so aufgebaute Testversion der
                                  Strategie einzelnen Schritte jedes Zyklus inhalt- Handreichung bildete den inhaltlichen
   2. Die Umsetzungshilfen richten sich lich und chronologisch aufeinander auf, Leitfaden zur Durchführung der Pla-
                         2
an dieDen   Strategie- Stellen einer Ver- Kommunen können jedoch je nach in- nungswerkstätten
        ausführenden                                                                             8         in Phase zwei. Mit
waltungprozess
           oder planen
                begleitende externe Stel- dividueller SBAusgangslage an verschiede- Hilfe verschiedener Feedback-Formate
                                                                                                      Projekte vorbereiten
len. Dazu gehören beispielsweise alle nen Punkten in die jeweiligen Prozesse wurden Anregungen                und Erkenntnis-
                                                                                                      und umsetzen
Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mit    1- einsteigen.                                  se aus den Praxiskommunen gesam-
arbeiter, die in ihrer täglichen    Arbeit
                            Die Bestands-        Smart-City-                            melt. Diese gesammelten Erkenntnisse
                            analyse              Strategie                       9
mit Aufgaben und Projekten       aus dem       3. Der Wissensspeicher ist als Anhang flossen in die finale Überarbeitung der
                                                 verfassen und
Bereich der Smart City betraut sind. In zu verstehen                         die Hand- Handreichung ein.
                                                           und dient dazu,Evaluation
                                                 überarbeiten
                                                                        durchführen

                                                                      Die Bestands-
                                    Evaluation                        analyse
                                    durchführen                                            Den Strategie-
                                                                                           prozess planen
                                                                        1
                                          9
                                                                                              2
 Projekte vorbereiten                                            Smart-City-Strategie
 und umsetzen            8                               SB      verfassen und überarbeiten

                                                                        Entwicklung                         Visionen und Ziele
                                 Umsetzung
                                                                           einer                     3      der Smart City
                              digitaler Projekte                                                            definieren
                                                                         Strategie

 Projekte auswählen
 und priorisieren        7
                                                                                                4
                                          6                             5                  Handlungsfelder
                                                                                           bestimmen
                                      Risiken                         Ideen generieren
                                      abschätzen                      und Projektskizzen
                                                                      entwickeln

Abbildung 2: Arbeitsschritte zu Strategieerstellung und Projektumsetzung (eigene Darstellung)

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                              5
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
Auswahl der Praxiskommunen                    Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

    Auswahl der
    Praxis-
    kommunen

                                 Übersicht über das methodische Vorgehen im Auswahlprozess

Praxiskommunen                                   33 Kommunen (Dt. Städtetag, Städte- und Gemeindebund, BBSR, BMI)
Vier Kommunen wurden ausgewählt, in                   + 5 Kommunen (ergänzt durch das Projektkonsortium)
denen in konsekutiven Planungswerk-
stätten ein Smart-City-Strategieprozess
                                                                   (Aktuelles) Strategisches Entwicklungskonzept
vor Ort angestoßen und gleichzeitig die
                                                                            vorhanden bzw. in Erstellung
Handreichung getestet werden sollte. In                                         (ISEK, INSEK, STEP, ...)
diesen sogenannten Praxiskommunen
durfte daher noch keine Smart-City-
Strategie vorliegen. Um eine Vielzahl an                                  Abdecken verschiedener Stadt-
unterschiedlichen lokalen Ausgangsla-                                  und Gemeindetypen bzw. Einbezug des
                                                                        kommunalen Entwicklungskontexts
gen und Herausforderungen zu berück-
sichtigen, zielte der Auswahlprozess
darauf ab, möglichst unterschiedliche
Kommunen für die praktische Erpro-                                      Kein Smart-City-Konzept vorhanden
bung der Handreichung zu gewinnen.

Methode zur Auswahl                                                        8 Auswahlkommunen
Die Grundlage für die Auswahl bildete                                    zur gestaffelten Ansprache
eine Liste mit 38 Kommunen, die sowohl
Vorschläge des Deutschen Städtetags
und des Städte- und Gemeindebunds,                                        Planungswerkstätten in
                                                                                4 Kommunen
des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und
Raumforschung (BBSR) und des Bun-
desministeriums des Innern, für Bau Abbildung 3: Übersicht über das methodische Vorgehen im Auswahlprozess
und Heimat (BMI) als auch Ergänzun- (eigene Darstellung)
gen durch das Projektkonsortium ent-
                                     Schematische Darstellung der Auswahlmatrix
hielt. Das Forschungsteam recherchierte
zur weiteren Qualifizierung dieser Vor- Auswahlprozess                                  weisen konnten oder sich in der Ent-
schlagsliste Daten zu den unterschied- Die Auswahl der Praxiskommunen er- wicklung eines solchen befanden. Hier-
lichen Kommunen, wobei insbesondere folgte im Anschluss an die Recherche bei wurden die Kommunen priorisiert,
folgende Informationen als Grundlage auf Grundlage der zuvor erfassten Infor- in denen schon erste Erfahrungen mit
für das weitere Vorgehen dienten:           mationen in mehreren Schritten     (siehe digitalen Projekten vorlagen.
                                                                           wachsend
                                            Abbildung 3).
                                                             Q II
• Einordnung nach Stadt- und Gemein-           Eine erste Sortierung der 38 Kommu- Auswahl Qder  I
                                                                                                    Praxiskommunen
  detyp (Groß-, Mittel-, Kleinstadt und nen erfolgte auf Grundlage einer Matrix, Am Ende des Auswahlprozesses standen
  Landgemeinde)                             in welcher die Kommunen nach ihrer die Kommunen Angermünde, Fuchs-
                                                                                 Demographie und Entwicklung

• Einordnung nach kommunalem Ent- ländlichen oder städtischen Prägung tal, Lüneburg und Wilhelmshaven, die
  wicklungskontext des BBSR                 sowie demographischer und wirtschaft- sowohl die Kriterien erfüllten als auch
                                                                                                                              städtisch

• Vorhandensein eines aktuellen strategi- licher Entwicklung in vier Kategorien Interesse zur Teilnahme am Projekt
                                                    ländlich

  schen Entwicklungskonzepts (z. B. ISEK)   eingeordnet wurden (siehe Abbildung 4). bekundet hatten. Somit konnten eine
• Vorhandensein bzw. Abwesenheit ei- In der folgenden, engeren Auswahl wur- Landgemeinde, eine Kleinstadt und zwei
  ner Smart-City-Strategie                  den nur Kommunen berücksichtigt, Mittelstädte aus den drei Bundesländern
• Bestehende Anknüpfungspunkte zur          die  bisher keine Smart-City-Strategie Bayern, Brandenburg und Niedersach-
  Smart City (z. B. erste Digitalisierungs- vorliegen hatten, dafür aber bereits ein sen zur Teilnahme gewonnen werden
  projekte)                                 strategisches Entwicklungskonzept vor- (siehe Abbildung 5).
                                                               Q III                                                   Q IV

                                                                             schrumpfend
6                                                                                                              ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
DIE DIGITALE STADT GESTALTEN - ERFAHRUNGEN AUS DEN PLANUNGSWERKSTÄTTEN EIN EXWOST-FORSCHUNGSFELD - BBSR
bersicht überDie
              dasdigitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten
                   methodische Vorgehen im Auswahlprozess                                                                           Auswahl der Praxiskommunen

              33 Kommunen (Dt. Städtetag, Städte- und Gemeindebund, BBSR, BMI)
                   + 5 Kommunen (ergänzt durch das Projektkonsortium)

                                   (Aktuelles) Strategisches Entwicklungskonzept
                                            vorhanden bzw. in Erstellung
                                                (ISEK, INSEK, STEP, ...)

                                         Abdecken verschiedener Stadt-
                                      und Gemeindetypen bzw. Einbezug des
                                       kommunalen Entwicklungskontexts

               Mehrwerte für die Praxiskommunen         nungswerkstätten für die Kommunen
               Die Bereitschaft der vier Praxiskommu- dokumentiert und strategische Maß-
                                Kein Smart-City-Konzept
               nen, sich mit personellen                    vorhanden
                                            Ressourcen nahmen    für die weitere Arbeit innerhalb
               konstruktiv und engagiert in den um- der Verwaltung an Smart-City-Themen
               fangreichen und zeitintensiven Testlauf beschrieben. Zweitens erhielten die
               der Handreichung einzubringen, war Kommunen durch eine Bundeszuwen-
                                        8 Auswahlkommunen
               von großem Wert für das Forschungs- dung Gelegenheit dazu, Pilotprojekte zu
                                     zur gestaffelten Ansprache
               vorhaben. Als konkreten Mehrwert realisieren und so praktische Erfahrun-
               hatten die Kommunen im Gegenzug gen in der Umsetzung von Smart-City-
               Gelegenheit, auf zwei Ebenen weiter- Vorhaben zu sammeln.
               führende und praktische Planungswerkstätten
                                             Ergebnisse    Aufinden folgenden Seiten werden die
                                             4 Kommunen
               für sich zu erarbeiten: Erstens  sah der vier Praxiskommunen in Steckbriefen
               konzeptionelle Ansatz der Planungs- vorgestellt. Hierbei werden Ausgangs-
               werkstätten als Ergebnis die Erarbeitung situation und Vorarbeiten sowie die im
               von Grundlagen für ein späteres Smart- Rahmen von „Die digitale Stadt gestal-
               City-Strategiepapier vor. So wurden die ten“ realisierten Pilotprojekte der Kom-
chematische    wesentlichen Ergebnisse
               Darstellung                aus den Pla- munen beschrieben.
                                der Auswahlmatrix

                                              wachsend

                            Q II                                                QI                             Wilhelmshaven
                                                                                                                                   Lüneburg
                                                                                                                                                             Angermünde
                                                 Demographie und Entwicklung

                                                                                      städtisch
                 ländlich

                                                                                                                         Kein Smart-City-Konzept vorhanden

                            Q III                                              Q IV                                                         Fuchstal

                                             schrumpfend

               Abbildung 4: Schematische Darstellung der Auswahlmatrix                            Abbildung 5: Verortung der Praxiskommunen im Bundesgebiet
               (eigene Darstellung)                                                               (eigene Darstellung, ohne Maßstab)

                ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                                                       7
Angermünde                                      Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

    Angermünde                                 Bundesland     Brandenburg

                                              Bevölkerung     15.000 Einwohnerinnen und
                                                              Einwohner
                                                                                                                 Kein Smart-City-Konzept vorhanden

                                                  Stadttyp    Kleinstadt

                                             Stadtentwick-    Integriertes Stadtentwicklungskonzept
                                             lungskonzept     Angermünde 2040: Die Gesamtstadt
                                                              im Blick (2019)

Ausgangslage und konzeptionelle             stärken (4) sowie Angermünde gemein-          Akteurinnen und Akteure aus den Be-
Vorarbeiten                                 sam gestalten (5). Diese Handlungs-           reichen Tourismuswirtschaft, Bildung,
Die Kleinstadt Angermünde liegt zwi-        felder definieren keine sektoralen Silos,     Zivilgesellschaft u. a. hinzugezogen.
schen Berlin und der polnischen Stadt       sondern setzen Schlüsselsektoren im              Als zentrales Ergebnis aus dem Pro-
Stettin im brandenburgischen Land-          Sinne der integrierten Stadtentwicklung       jekt „Die digitale Stadt gestalten“ strebt
kreis Uckermark. Die Stadtfläche beträgt    bereits sinnvoll in Beziehung zueinan-        die Stadt Angermünde die Bündelung
ca. 324 km² und umfasst die Kernstadt       der.                                          der Arbeitsergebnisse aus den Planungs-
sowie 23 Ortsteile. Damit gehört Anger-        Das INSEK identifiziert weiterhin          werkstätten in einem internen Strategie-
münde zu den flächengrößten Kom-            Chancen durch Digitalisierung in den          papier an. Es soll die Kommunikation
munen Deutschlands und liegt in einer       Bereichen Daseinsvorsorge, ortsun-            über Digitalisierung in der Stadtent-
vergleichbaren Größenordnung wie            gebundenes Arbeiten, Verwaltungs-             wicklung sowohl verwaltungsintern als
Bremen oder Dresden. Mit der seit 2007      dienste und Mobilität, allerdings ist eine    auch in der Zusammenarbeit mit exter-
sanierten historischen Altstadt, Struktu-   flächendeckende Breitbandversorgung           nen Kooperationspartnern und -part-
ren des Wohnungsbaus der DDR, einer         noch nicht erreicht. Darüber hinaus           nerinnen erleichtern und unterstützen.
Vielzahl an Einfamilienhausgebieten,        sieht das INSEK auch die Aufstellung          Hierin hält die Stadt Angermünde ihre
der vielfältigen Naturlandschaft und        einer übergeordneten Digitalisierungs-        Position zur Smart City fest und skiz-
ländlich geprägten Gegenden mit re-         strategie als Maßnahme vor. Insgesamt         ziert, welche Smart-City-Projektansätze
gionaltypischen Dörfern zeigt sich eine     sollen digitale Lösungen zukünftig            sich in besonderem Maße dazu eignen,
vielschichtige Raum- und Sozialstruktur     stärker in den Entwicklungsstrategien         die Ziele der integrierten Stadtentwick-
im Gebiet der Kommune. Angermünde           der Stadt berücksichtigt, verwaltungs-        lung zu unterstützen.
wurde im Juli 2019 als Mittelzentrum        internes Know-How aufgebaut und
des Landes Brandenburg festgelegt und       Kompetenzen konsequent eingebettet            Einordnung im Kontext des Gesamt-
nimmt damit eine übergeordnete Rolle        werden. Besonderes Potenzial wird der         vorhabens
in der Region ein.                          Digitalisierung im INSEK als Mittel für       Als Flächengemeinde in einem dünn
   Als wichtiger Meilenstein in der         eine bessere Vernetzung von Kernstadt         besiedelten Raum steht Angermün-
Stadt-entwicklung Angermündes ist das       und Ortsteilen zugeschrieben. Hieran          de strukturellen Herausforderungen
2019 finalisierte integrierte Stadtent-     anknüpfende weitergehende Vorarbei-           gegenüber, die oftmals Lösungen zur
wicklungskonzept (INSEK) „Angermün-         ten im Bereich der Smart City gab es in       Überwindung räumlicher Distanz er-
de 2040“ einzuordnen. Erstmals nimmt        der Kommune zu Projektbeginn jedoch           fordern. Themen wie Nah- und Gesund-
es neben der Kernstadt die gesamte          noch nicht.                                   heitsversorgung in den Ortsteilen sind
Stadtfläche mit den 23 Ortsteilen in                                                      dabei insbesondere für mobilitätsein-
den Blick. Der zugrundeliegende Stra-       Ziele des Smart-City-Prozesses und            geschränkte Menschen entscheidend.
tegieprozess legte großen Wert auf eine     Einbettung vor Ort                            Gleichzeitig gewinnt Angermünde
enge Einbindung von Bürgerinnen und         Vor dem oben skizzierten Hintergrund          durch die gute Anbindung per Regional-
Bürgern und beinhaltete aufsuchen-          galt es im Rahmen der Planungswerk-           bahn nach Berlin und die besonderen
de Dialogformate in allen Ortsteilen.       stätten von „Die digitale Stadt gestalten“    landschaftlichen Qualitäten der Ucker-
Das INSEK definiert die zentralen Ziele     gemeinsam zu erarbeiten, in welchem           mark zunehmend an Attraktivität für
der Stadtentwicklung. Eine Besonder-        Maß und über welche Lösungsansätze            diverse (urbane) Milieus.
heit des INSEK Angermünde 2040 sind         Smart City innerhalb und zwischen den             Wichtig für eine nachhaltige Ent-
seine fünf integrierten Handlungsfel-       Handlungsfeldern zur Umsetzung des            wicklung der Siedlungsräume ist die
der, und zwar: Perspektiven für Gene-       INSEK beitragen kann. Das Kernteam            Ansiedlung von Menschen und Fami-
rationen schaffen (1), Siedlungs- und       der Stadt Angermünde setzte sich aus          lien mit Erstwohnsitz. Diese Zielgruppe
Landschaftsräume nachhaltig weiter-         Mitarbeitenden der Bereiche Stadtpla-         ist oftmals auf eine hochwertige Versor-
entwickeln (2), Die Gesamtstadt ver-        nung und Kommunikation zusammen,              gung mit schnellem Internet angewie-
knüpfen (3), Wirtschaft und Tourismus       punktuell wurde ein Kreis erweiterter         sen, um etwa die räumliche Entfernung

8                                                                                        ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                                       Angermünde

  Pilotprojekt „Angermünde Smart Trampen“
  Als gefördertes Pilotprojekt im Rahmen des ExWoSt-Vorhabens „Die digitale Stadt gestalten“ verfolgte die Stadt Anger-
  münde die Idee, App-gestützte Mitfahrbänke im Stadtgebiet zu etablieren. Diese Maßnahme wird bereits im INSEK vor-
  geschlagen, indem es die bessere Vernetzung der Ortsteile mit der Kernstadt als dringende Aufgabe der Stadtentwicklung
  benennt. Neben der Ermittlung von geeigneten Standorten für die Mitfahrbänke sowie deren Installation entwickelte
  die Stadt in Zusammenarbeit mit einem Dienstleister eine App-Funktion, über die sich Nutzerinnen und Nutzer zum
  (regelmäßigen) Mitfahren verabreden können. Eingebettet wird diese Funktion in eine ebenfalls neu bereitzustellende
  Smart-Village-App. Sie basiert auf einer Open-Source-Lösung, die bereits in zahlreichen anderen brandenburgischen
  Kommunen zum Einsatz kommt. Ziel ist es, die Smart-Trampen-Funktion in ein umfassendes digitales Informations- und
  Kommunikationsangebot der Stadt Angermünde einzubinden, welches zum Beispiel Mobilitätsinformationen bereitstellt
  und über eine Schnittstelle zu Brandenburger Verwaltungsinformationen verfügt. Geprüft wird, ob sich zukünftig auch
  geplante Angebote der Verwaltung, wie der Verleih von Lastenrädern, über die App digital organisieren lassen. Für den
  Launch des neuen Angebots gilt es, durch geschickte Kommunikation eine kritische Masse an Nutzerinnen und Nutzern
  zu mobilisieren. Dafür sind auch Präsenzformate und eine hohe Sichtbarkeit vor Ort angedacht, etwa in Zusammenarbeit
  mit lokalen Kooperationspartnern und -partnerinnen wie der Initiative „Haus mit Zukunft“. Andere Kommunen aus der
  Region, die ähnlichen strukturellen Herausforderungen wie Angermünde gegenüberstehen, zeigten sich bereits interes-
  siert an dem Vorhaben. Die Entwicklung der App auf Grundlage von Open-Source-Prinzipien erleichtert im Erfolgsfall
  einen Transfer.

zum Arbeitsplatz mit neuen Formen
ortsungebundener Arbeit (Homeoffice)
zu kompensieren. Vor diesem Hinter-
grund ermöglichte die Zusammenarbeit
mit Angermünde einen Testlauf der
Handreichung in einem Stadtgebiet mit
großen und gleichzeitig klar definier-
ten Herausforderungen der räumlichen
Entwicklung.
   Die Themen Digitalisierung und
Smart City können wesentlich zur Be-
wältigung dieser (räumlichen) Heraus-
forderungen beitragen. In den ersten
Planungswerkstätten zeigte sich, dass
der Aufbau von Kompetenzen und
Know-How innerhalb der Verwaltung
eine notwendige Voraussetzung und         Abbildung 6: Marktplatz Angermünde (Foto: Stadt Angermünde)
übergeordnete Herausforderung dar-
stellt. Das Aufzeigen von Mehrwerten      sentlich beitragen. Der Prozess vor Ort
digitaler Anwendungen für die Stadtent-   wurde von den beteiligten Personen als
wicklung ist dabei vor allem durch kon-   Chance gesehen, die kommunale Ver-
krete und praxistaugliche Maßnahmen       waltung für digitale Lösungen und An-
möglich. Das o. g. Pilotprojekt „Anger-   sätze im Bereich der Stadtentwicklung
münde Smart Trampen“ kann dazu we-        zu sensibilisieren.

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                        9
Verwaltungsgemeinschaft Fuchstal                 Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

     Verwaltungs-                               Bundesland     Bayern

     gemeinschaft                              Bevölkerung     4.084 Einwohnerinnen und Einwohner
                                                               in Fuchstal; 1.483 in Unterdießen;
     Fuchstal                                                  1.088 in Apfeldorf                                Kein Smart-City-Konzept vorhanden

                                                   Stadttyp    Landgemeinde

                                              Stadtentwick-    Überörtliches integriertes städtebauli-
                                              lungskonzept     ches Entwicklungskonzept (2019)

Ausgangslage und konzeptionelle              gen in verschiedenen Themenfeldern           tionsprozessen, wie dem Wandel von
Vorarbeiten                                  und zeigt gleichzeitig auf, an welcher       Bauern- zu Wohndörfern, der demogra-
Die oberbayerische Gemeinde Fuchstal         Stelle eigenständige, gemeindespezi-         phischen Entwicklung der Bevölkerung
ist eine kreisangehörige Stadt im südli-     fische Lösungsansätze notwendig sind.        und dem Zuzug aus dem Ballungsraum
chen Landkreis Landsberg. Sie besteht                                                     München. Die Kommune sieht smarte
aus den Ortsteilen Leeder, Asch und          Ziele des Smart-City-Prozesses und           Ansätze deswegen auch als Chance, die-
Seestall und bildet mit der Gemeinde         Einbettung vor Ort                           se Herausforderungen zu meistern und
Unterdießen die Verwaltungsgemein-           Die Verwaltungsgemeinschaft Fuchs-           gleichzeitig das Gemeinwohl zu stärken.
schaft Fuchstal. Mit einer Größe von         tal zeichnet sich durch eine Vielzahl an     So soll eine digitale Plattform für E-Go-
ca. 40 km² ist die Landgemeinde so-          Projekten im Bereich der erneuerbaren        vernment-Lösungen entwickelt werden,
wohl flächenmäßig als auch bezüglich         Energieerzeugung aus. In der Vergan-         welche kommunale Dienstleistungen
der Einwohnerinnen und Einwohner             genheit wurden Photovoltaikanlagen           bündelt.
die kleinste der vier Praxiskommunen.        auf allen gemeindeeigenen Gebäuden              Zur Begleitung der Arbeiten im Pro-
Durch die überkommunale Zusammen-            sowie eine kommunale Photovoltaik-           jekt „Die digitale Stadt gestalten“ sowie
arbeit der Verwaltungsgemeinschaft           Freiflächenanlage installiert. Öffentli-     des MPSC-Prozesses wurde in der Kom-
Fuchstal mit Apfeldorf wurde das Thema       che Gebäude werden mittels eines eige-       mune ein kleines Kernteam geschaffen.
Digitalisierung im Rahmen des Projekts       nen Nahwärmenetzes und durch zwei            Das Projekt „Die digitale Stadt gestalten“
„Die digitale Stadt gestalten“ auch inter-   Biogasanlagen versorgt. Auch gibt es         wurde hierbei seitens des Kernteams
kommunal bearbeitet.                         in Fuchstal einen 2016 errichteten Bür-      und der Kommunen genutzt, um eine
    Die digitale Transformation Fuchs-       gerwindpark sowie eine regionale Ver-        erste Sensibilisierung der Verwaltungs-
tals kann auf verschiedenen Vorarbeiten      marktung des erzeugten Stroms. Weitere       beschäftigten für digitale Lösungen und
aufbauen, beispielsweise auf dem über-       Projekte, beispielsweise die Errichtung      Smart-City-Ansätze zu ermöglichen.
örtlichen integrierten städtebaulichen       eines Wärmespeichers, befinden sich          Somit dient es als Ausgangspunkt und
Entwicklungskonzept (ÜISEK) aus dem          aktuell in der Umsetzung. Die Kommu-         Grundlage für die im MPSC geplanten
Jahr 2019. Dies gab die Verwaltungs-         ne sieht Digitalisierungs- und Smart- Ci-    Arbeiten und weitere Projekte vor Ort.
gemeinschaft Fuchstal gemeinsam mit          ty-Prozesse als Möglichkeit, bestehende
den Gemeinden Apfeldorf, Hofstetten          Infrastrukturen besser zu vernetzen,         Einordnung im Kontext des Gesamt-
und Thaining in Auftrag. Im Rahmen           neuartige Lösungsansätze zu realisieren      vorhabens
des Konzepts wurden aktuelle Entwick-        und somit das Ziel voranzutreiben, ein       Die Verwaltungsgemeinschaft Fuchstal
lungen und Herausforderungen der             auf erneuerbaren Energien beruhendes         steht im Projektkontext von „Die digitale
ländlich gelegenen Kommunen erfasst          lokales Energiesystem zu errichten.          Stadt gestalten“ für die Herausforderun-
und übergeordnete Leitlinien und Zie-            Im Bereich der Digitalisierung stieß     gen kleinerer Kommunen im Wandel,
le benannt. Das Konzept umfasst ver-         die Kommune bisher insgesamt aber            die über geringe personelle Ressourcen
schiedene gemeindeübergreifende und          keine größeren Projekte an. Gemein-          in der Verwaltung verfügen und wenig
kooperative Maßnahmen innerhalb der          sam mit Apfeldorf und Unterdießen            Erfahrung in der Umsetzung von Smart-
überörtlichen Handlungsfelder Region,        hat sich Fuchstal im Jahr 2020 aller-        City-Maßnahmen haben. Die kompakte
Landschaft, Siedlungsraum, Kultur-           dings als Teil der interkommunalen           Verwaltungsstruktur hat jedoch auch
landschaft und Bevölkerung, Wirtschaft,      Kooperation „Smart Region A-U-F“             Vorteile. Dort, wo in größeren Kommu-
Wohnen und Gewerbe sowie weitere             erfolgreich im Programm „Modellpro-          nen Dezernatsgrenzen und Zuständig-
Handlungsfelder auf Gemeindeebene            jekte Smart Cities“ (MPSC) des BMI           keitsbereiche erst überwunden werden
(Bauliche Ortsgestaltung; Grünflächen,       beworben. Das zugrundeliegende Leit-         müssen, gibt es hier einen direkten
Umwelt, Energie; Soziale und kulturel-       bild der Kommunen ist dabei, die             Austausch im Rahmen der kleinen Ver-
le Infrastruktur). Hierdurch bietet das      „Zukunft mit dem Erbe zu verbinden“.         waltung sowie teilweise verschiedene
Konzept die Grundlage für die weitere            Die Kommunen in der Region stehen        Posten in Personalunion bekleidende
Koordination interkommunaler Lösun-          aktuell vor verschiedenen Transforma-        Akteurinnen und Akteure. Hierdurch

10                                                                                       ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                    Verwaltungsgemeinschaft Fuchstal

   Pilotprojekt „Städtebau trifft Klimaschutz“
   Aufbauend auf den Erkenntnissen des überörtlichen integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts untersuchte die
   Kommune gemeinsam mit den Kommunen Apfeldorf und Unterdießen, wie der nächste Schritt einer interkommuna-
   len Planungspraxis initiiert werden kann. Hierzu wurden die Möglichkeiten einer Digitalisierung der bisher größtenteils
   analog erfolgenden Bauleitplanung untersucht. Es standen die Zusammenführung der bestehenden Bebauungs- und
   Flächennutzungspläne auf einer gemeinsamen Plattform sowie Möglichkeiten zur digitalen Beteiligung der Träger öf-
   fentlicher Belange im Fokus. Auch sollte eine Digitalisierung vorhandener analoger Daten erfolgen. In einem weiteren
   Baustein erfolgte, anknüpfend an die aktuellen Entwicklungen in der Kommune im Bereich der erneuerbaren Energien,
   eine erste Erprobung der digitalen Bauleitplanung. So konnte das digitalisierte Planwerk für die Gestaltung der loka-
   len Wärmeversorgung genutzt werden, wobei die bestehenden Bebauungspläne die Grundlage einer übergreifenden
   Wärme-Senken-Analyse bildeten.

können Prozesse beschleunigt und, wie
sich am Beispiel der erfolgreich umge-
setzten Vorhaben im Bereich der erneu-
erbaren Energien zeigt, schnell realisiert
werden. Diese starke Umsetzungsorien-
tierung prägt Fuchstal, so dass es auf
konzeptioneller Smart-City-Ebene eher
um die sinnvolle Verknüpfung von ein-
zelnen Lösungen geht. Die im Rahmen
des Smart-City-Prozesses angestoßene
systematische Strategiearbeit kann als
ein Stück Neuland gewertet werden.
    Im Smart-City-Prozess spielt, bedingt
durch den Status als kreisangehörige
Gemeinde, die Abstimmung mit dem
Landkreis eine wichtige Rolle. Gleichzei-
tig bildet die Kooperation mit benach-       Abbildung 7: Überflugbild des Ortsteils Leeder (Foto: Gemeinde Fuchstal)
barten Kommunen und Verwaltungsge-
meinschaften eine wichtige Grundlage
dafür, kleinteilige Insellösungen zu ver-
meiden und Zukunftsaufgaben gemein-
sam zu bewältigen. Hierdurch kann den
begrenzten Skalierungsmöglichkeiten
einzelner Lösungen und Projekte der
kleinen Kommune begegnet werden.

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                          11
Hansestadt Lüneburg                             Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

     Hansestadt                                Bundesland     Niedersachsen

     Lüneburg                                 Bevölkerung     78.000 Einwohnerinnen und Einwohner

                                                  Stadttyp    Große Mittelstadt                                 Kein Smart-City-Konzept vorhanden

                                             Stadtentwick-    Leitbild Lüneburg 2030 (2021), ISEK in
                                             lungskonzept     Vorbereitung

Ausgangslage und konzeptionelle             breiter Beteiligung der Öffentlichkeit        Das Kernteam des Projekts setzte sich
Vorarbeiten                                 und wichtiger Akteurinnen und Akteure,        zusammen aus Mitarbeitenden der
Die Hansestadt Lüneburg ist das wirt-       die strategischen Ziele für die zukünftige    Stadtverwaltung, die in den Bereichen
schaftliche und kulturelle Oberzentrum      Entwicklung der Hansestadt festlegen.         Nachhaltigkeit und Mobilität sowie der
Nordostniedersachsens. Die Stadt liegt          Weiterhin arbeitet die Hansestadt als     Digitalisierung tätig sind. Als Koopera-
in verkehrsgünstiger Lage mit schnellen     Kooperationspartnerin im Forschungs-          tionspartnerin war die Lüneburg Mar-
Verbindungen nach Hamburg und Han-          projekt „Szenarien zur Umsetzung der          keting GmbH im Kernteam vertreten,
nover. Lüneburg ist Universitätsstadt,      UN-Nachhaltigkeitsziele in Stadt- und         die in Lüneburg u. a. für Stadtmarketing
die Studierenden der Leuphana Univer-       Landkreis Lüneburg: Implikationen             und Tourismusförderung zuständig ist.
sität prägen das soziokulturelle Leben      für die Steuerung der Landnutzung“            Zielsetzung war daher ein Strategie-
in besonderem Maße. Eine anhaltend          (SUSTIL) im Verbund mit der Universi-         papier, das neben den üblichen Grund-
positive Bevölkerungsentwicklung stellt     tät. Dabei geht es um die Frage, wie die      lagen wie Bestandsanalyse, Zielsetzung,
die Hansestadt vor die Herausforderung,     UN-Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf          Handlungsfeldern und Smart-City-Pro-
Wohnraum zu schaffen.                       die Bodennutzung, unter Berücksichti-         jekten auch Ansätze und Schritte zur In-
    Die Digitalisierung von intern so-      gung verschiedener Szenarien und den          tegration der Smart City in das geplante
wie extern ausgerichteten Prozessen         vorhandenen Interessenkonflikten, am          Stadtentwicklungskonzept beschreibt.
der Kommunalverwaltung werden in            besten zu erreichen sind.                     Als internes Strategiepapier angelegt,
Lüneburg bereits bearbeitet. Für eine           Zu weiteren laufenden Projekten           soll es die verwaltungsinterne Kommu-
Annäherung an das Thema Smart City          an der Schnittstelle von Digitalisie-         nikation unterstützen und als Diskus-
im Rahmen des Projekts „Die digitale        rung und Stadtentwicklung zählt ein           sionsgrundlage im Austausch mit exter-
Stadt gestalten“ konnte das Projektteam     Forschungsprojekt zur Vorhersage von          nen Partnerinnen und Partnern dienen.
der Hansestadt Lüneburg insbesonde-         Trampelpfaden auf Freiflächen via
re an Ergebnisse und Erfahrungen aus        Algorithmus und Modellierungen so-            Einordnung im Kontext des Gesamt-
verschiedenen Projekten im Bereich          wie eine web-basierte repräsentative          vorhabens
der nachhaltigen Stadtentwicklung an-       Modal-Split-Erhebung. Zudem plant             Die Hansestadt Lüneburg ist eine wach-
knüpfen: So ist die Hansestadt zusam-       die Hansestadt Lüneburg mit der Ein-          sende Stadt in einer strukturschwachen
men mit der Leuphana Universität seit       stellung einer/eines Digitalisierungs-        Region und hat die Chance, strategische
2015 Teilnehmerin am Förderprogramm         beauftragten die personellen Voraus-          Überlegungen zur Smart City direkt in
„Zukunftsstadt 2030+“ des Bundesmi-         setzungen für eine verstärkte Auseinan-       das integrierte Stadtentwicklungskon-
nisteriums für Bildung und Forschung        dersetzung mit dem Thema Smart City           zept in Vorbereitung zu überführen.
(BMBF) und ist seit 2020 eine der acht      zu schaffen.                                  Anders als Kommunen, die ihre Smart-
ausgewählten Projektstädte in der drit-                                                   City-Strategie vom ISEK ableiten, bietet
ten, finalen Phase des Wettbewerbs.         Ziele des Smart-City-Prozesses und            sich hier die Möglichkeit, Digitalisie-
Zudem hat der Rat der Hansestadt be-        Einbettung vor Ort                            rung als Trend, Herausforderung und
schlossen, ein integriertes Stadtentwick-   Die Hansestadt Lüneburg hatte sich im         Chance in das ISEK zu integrieren. Dies
lungskonzept „Lüneburg 2030+“ (ISEK)        Rahmen des Projekts „Die digitale Stadt       gilt sowohl für die Reflexion von Aus-
aufstellen zu lassen. Beide Prozesse        gestalten“ vorgenommen, Grundlagen            wirkungen der Digitalisierung als auch
werden eng miteinander abgestimmt           dazu zu erarbeiten, welche Potenziale         für die Konzeption von Beteiligungs-
und laufen parallel. Die Erarbeitung        und Mehrwerte die Digitalisierung für         und Kommunikationsformaten. Der
des ISEK in der ersten Stufe (Leitbild)     Prozesse der Stadtentwicklung bieten          besondere Fokus von Strategieprozess
erfolgte im Zeitraum Sommer 2020 bis        kann. Besonders im Fokus stand da-            und Praxisprojekt auf die identitäts-
Sommer 2021 mit umfassenden und             bei die Frage, in welchem Maß und auf         stiftende Innenstadt und ihre Funktion
pandemiebedingt vornehmlich digita-         welcher Ebene das ISEK die Chancen            für die Gesamtstadt hatte sich im Zuge
len Beteiligungsformaten. Das ISEK soll     und Risiken der Digitalisierung für die       der Covid-19-Pandemie entwickelt und
voraussichtlich ab 2022, ebenfalls unter    Stadtentwicklung thematisieren wird.          nahm direkten Bezug auf die Auswir-

12                                                                                       ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                                  Hansestadt Lüneburg

  Pilotprojekt „Digitale Innenstadt Lüneburg“
  Das Pilotprojekt der Hansestadt Lüneburg rückte die Innenstadt in den Fokus. Sie ist Lüneburgs gesellschaftliches, kultu-
  relles und wirtschaftliches Zentrum und spielt daher in der Stadtentwicklung eine übergeordnete Rolle. Handel, Gastro-
  nomie, Kultur, touristische Angebote und öffentliche Einrichtungen sind räumlich komprimiert und ergänzen sich ideal.
  Das Zusammenspiel der einzelnen Angebote war dabei in der Vergangenheit immer ein wesentlicher Erfolgsfaktor für
  das intakte Stadtzentrum, doch die Digitalisierung setzt auch die Lüneburger Innenstadt zunehmend unter Druck: Allem
  voran ist der stationäre Einzelhandel bedroht, indem sich die Umsätze vermehrt auf Online-Vertriebswege verschieben
  und damit die Wertschöpfung aus der Innenstadt verschwindet. Die Digitalisierung ist jedoch nicht nur ein Risiko, son-
  dern bietet viele Chancen zur Gestaltung der Innenstadt. Herauszuarbeiten, wie Besuch und Nutzung der Lüneburger
  Innenstadt durch das Zusammenspiel von analogen und digitalen Angeboten attraktiv gestaltet werden können, war zen-
  trales Anliegen des Pilotprojekts „Digitale Innenstadt Lüneburg”. Dabei spielten verschiedene Themenfelder, mit denen
  Besucherinnen und Besucher bzw. Nutzerinnen und Nutzer auf der „Customer Journey” in Kontakt kommen, eine Rolle,
  wie z. B. (digitale) Mobilitäts- oder Informationsangebote. Im Vorhaben wurden die Chancen der Digitalisierung aufge-
  griffen und konkrete digitale Projekte, die die Attraktivität der Lüneburger Innenstadt erhöhen und die Idee der Smart City
  umsetzen, konzipiert. Die Projekte wurden dabei nach Möglichkeit miteinander verzahnt und zu einem Gesamtkonzept
  „Digitale Innenstadt Lüneburg“ verflochten. Beim Vorhaben handelte es sich daher um eine Strategieentwicklung mit
  starkem Praxisbezug zur Fragestellung, wie sich digitale und reale Welten miteinander verbinden lassen. Verschiedene
  Workshopformate waren Mittel, um in Zusammenarbeit mit einem Dienstleister Projektskizzen detailliert auszuarbeiten,
  die dem Rat der Hansestadt zur Umsetzung vorgeschlagen werden können.

kungen der Maßnahmen zur Pandemie-
Eindämmung und deren Folgen für die
Stadtentwicklung. Damit griff die Han-
sestadt ein Thema auf, das gleichzeitig
viele andere Städte in Deutschland auch
weiterhin beschäftigt. Der dezidierte
Fokus auf digital-analoge Lösungs-
ansätze im Kontext einer Smart-City-
Strategie schaffte im Lüneburger Kon-
text die Möglichkeit herauszuarbeiten,
wie sich Smart-City-Lösungen u. a. in
der „Post-Corona-Innenstadt“ gestal-
tend einsetzen lassen.

                                          Abbildung 8: Blick auf den Stint in der Innenstadt (Foto: Hansestadt Lüneburg)

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                             13
Wilhelmshaven                                 Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

     Wilhelmshaven                           Bundesland     Niedersachsen

                                            Bevölkerung     76.000 Einwohnerinnen und Einwohner

                                                Stadttyp    Große Mittelstadt                                  Kein Smart-City-Konzept vorhanden

                                           Stadtentwick-    Integrierter Stadtentwicklungsplan:
                                           lungskonzept     STEP Plus Wilhelmshaven (2015)

Ausgangslage und konzeptionelle           „Die digitale Stadt gestalten“ Diskus-       arbeitung, der Abteilung Geoinforma-
Vorarbeiten                               sionen zur lokalen Ausgestaltung einer       tion, Vermessung und Statistik sowie
Die Stadt Wilhelmshaven ist eine kreis-   Smart City. Ferner gab es somit auch         weiteren kommunalen Akteurinnen
freie Stadt im Nordwesten Deutsch-        Überlegungen bezüglich der einzube-          und Akteuren, beschloss, bei der Er-
lands. Als Oberzentrum bildet die         ziehenden Akteurinnen und Akteure,           arbeitung von Grundzügen einer Smart-
Kommune die zweitgrößte Mittelstadt       wie z. B. bereits sensibilisierte Gruppen    City-Strategie auf den konkreten Bedarf
Niedersachsens.                           und konkrete Ansprechpartnerinnen            zu reagieren, ebenfalls einen Fokus auf
   Wilhelmshaven verfügte zu Pro-         und -partner aus kommunaler Verwal-          den Stadtteil Tonndeich zu legen und
jektbeginn zwar über einzelne digitale    tung, kommunalen Unternehmen, Zivil-         ihn als „smarten“ Vorzeigestadtteil zu
Lösungen im Mobilitätsbereich und         gesellschaft und Hochschule.                 entwickeln.
verschiedene E-Government-Angebo-            Aufbauend auf einem 2015 erstell-            Die sehr heterogene Sozialstruktur
te, eine strategische Herangehenswei-     ten integrierten Stadtentwicklungsplan       des Stadtteils stellt den Sanierungspro-
se an das Themenfeld Smart City gab       (STEP+) gibt es in der Stadt Wilhelms-       zess vor Herausforderungen, so dass
es jedoch bisher nicht. Insbesondere      haven ein bis 2023 fortgeschriebenes         eine umfangreiche Beteiligung der Ak-
innerhalb der Stadtverwaltung fehlte      Handlungsprogramm. Als fachübergrei-         teurinnen und Akteure vor Ort angesto-
es an dezernatsübergreifenden Daten-      fendes Programm sind in diesem sieben        ßen wurde. Da der Beteiligungsprozess
managementsystemen sowie einem            Handlungsfelder der Stadtentwicklung         aufgrund der Pandemie überwiegend
automatisierten Datenfluss. Auch gab      als Grund- und Daueraufgaben sowie           digital durchgeführt werden musste, in
es in der Vergangenheit keine größeren    fünf Leitprojekte der Stadtentwicklung       der Kommune jedoch keine Erfahrun-
Projekte im Bereich Digitalisierung und   als Zukunftsaufgaben besonderer Be-          gen dazu vorlagen, wurde dieser digitale
Stadtentwicklung.                         deutung festgeschrieben. Diese sind für      Partizipationsprozess als Pilotprojekt er-
   Mit dem Ziel, von einzelnen Lösun-     die Stadt Wilhelmshaven wie auch ihre        probt (s. u.).
gen weg und hin zu einer umfassende-      Eigenbetriebe von Bedeutung und de-             Die Ergebnisse aus dem Smart-City-
ren und nachhaltigen Herangehens-         zernatsübergreifend angelegt. Sie sind       Prozess unterstützten somit zum einen
weise an die Digitalisierung der Stadt    auch im Smart-City-Prozess zu berück-        die Sanierungsarbeit im Quartier und
zu kommen, um so gesamtstädtische         sichtigen.                                   ergänzten diese um digitale bzw. smarte
Herausforderungen zu bewältigen, hatte                                                 Elemente und Lösungen. Zum anderen
sich die Stadt Wilhelmshaven Anfang       Ziele des Smart-City-Prozesses und           ermöglichte die Erarbeitung von strate-
2020 auf die BMI-Förderung als „Mo-       Einbettung vor Ort                           gischen Grundlagen auf Stadtteilebene
dellprojekt Smart Cities“ beworben. Im    Die Stadt Wilhelmshaven hat im zent-         es der Kommune, erste Erfahrungen für
Rahmen des Bewerbungsprozesses der        ral gelegenen Stadtteil Tonndeich ein        eine spätere und umfassendere Skalie-
Stadt Wilhelmshaven wurde ein ers-        Sanierungsgebiet eingerichtet. Damit         rung des Prozesses auf die Gesamtstadt
ter Expertenworkshop durchgeführt,        hat sie die Grundlage geschaffen, städ-      zu sammeln.
in dem es um die Ausrichtung einer        tebauliche Missstände im Rahmen der
„Smart City Wilhelmshaven“ und die        Städtebauförderung beseitigen zu kön-        Einordnung im Kontext des Gesamt-
Identifikation erster Fokusthemen ging.   nen. Hierbei sind insbesondere die hohe      vorhabens
Hierbei wurde ein partizipativer Ansatz   verkehrliche Belastung, Leerstände in        Die Stadt Wilhelmshaven steht im Rah-
zur Strategieentwicklung als wichtige     den zentralen Lagen und geringe Auf-         men des Projekts „Die digitale Stadt ge-
Grundlage für einen Smart-City-Prozess    enthaltsqualität im öffentlichen Raum        stalten“ beispielhaft für eine Mittelstadt,
hervorgehoben, in dem nicht nur Tech-     zu adressieren.                              die schon erste Erfahrungen mit einzel-
nologien, sondern auch Menschen ver-         Das kommunale Projektteam in „Die         nen digitalen Projekten sammeln konn-
netzt und zusammengebracht werden         digitale Stadt gestalten“, bestehend         te. Im Rahmen der Smart City sieht sie
sollten.                                  aus Verteterinnen und Vertretern des         insbesondere die strategische Verknüp-
   In der Stadt Wilhelmshaven gab es      Fachbereichs Stadtplanung und Stadt-         fung von Maßnahmen ebenso wie die
daher bereits vor Beginn des Projekts     erneuerung, der städtischen Datenver-        Beteiligung eines breiten Akteurskreises

14                                                                                    ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten                                         Wilhelmshaven

   Pilotprojekt „Zukunft Tonndeich digital“
   Als Pilotprojekt wurde in Wilhelmshaven unter dem Titel „dialog.wilhelmshaven.de“ ein zweistufiger digitaler Beteili-
   gungsprozess im Sanierungsgebiet Tonndeich erprobt. Dieser gab der Öffentlichkeit die Möglichkeit, städtebauliche Plä-
   ne online einzusehen und zu kommentieren. Getestet wurden Potenziale von Erklärvideos oder der Beteiligungsplattform
   der „Ontopica GmbH“. Die Verzahnung dieser digitalen Formate mit analogen Möglichkeiten den Prozess zu bewerben,
   wie Flyern oder der persönlichen Ansprache von Akteurinnen und Akteuren vor Ort, bildete einen weiteren Baustein. Die
   Büros „plan zwei GmbH“ und „Alexander Rudnick Consultants“ begleiteten das Pilotprojekt. Interessierte Akteurinnen
   und Akteure konnten auf der Plattform allgemeine Rückmeldungen zur Planung geben, aber auch konkrete Orte in der
   Plandarstellung kennzeichnen und mit Anmerkungen versehen. Durch die Möglichkeit, auf andere Anmerkungen via
   Kommentarfunktion zu reagieren, wurde zudem ein Austausch zwischen den Beteiligten ermöglicht. Eine erste Beteili-
   gungsphase erfolgte im April 2021. Insgesamt registrierten sich 75 Nutzerinnen und Nutzer für die Plattform, generierten
   53 Vorschläge und reagierten auf andere Vorschläge mit 33 Kommentaren und 75 Vorschlagsbewertungen („Unterstüt-
   zung“; „Neutral“; „Ablehnung“). Insbesondere „Kommentarketten“ bzw. die Reaktion auf Anmerkungen anderer zeigten
   sich als hilfreich zur Einschätzung der Bedarfe im Quartier. Trotz der durch die Pandemie eingeschränkten Möglichkeiten
   stellte der digitale Beteiligungsprozess somit die Teilhabe sicher. Die Kommentare und Anmerkungen waren dabei von
   überwiegend hoher Qualität und konstruktiver Art und wurden im Rahmen der Überarbeitung der Pläne berücksichtigt.
   Eine zweite Phase der Beteiligung erfolgte nach der Einarbeitung der Kommentare.

vor Ort als Grundlage für nachhaltigen
Erfolg an.
    Strukturell bilden insbesondere das
vorhandene Netzwerk innerhalb der
Verwaltung wie auch die im städtischen
Handlungsprogramm            festgelegten
Handlungsfelder eine gute Ausgangs-
situation. Neben der Beteiligung von
Expertinnen und Experten wird die Be-
teiligung von Bürgerinnen und Bürgern
sowie gesellschaftlichen und sozialen
Einrichtungen als wichtige Grundlage
für die Entwicklung von bedarfsorien-
tierten Lösungen vor Ort angesehen.
So gilt es nicht nur, verschiedene Tech-
nologien und Lösungen zu vernetzen,
sondern auch die Menschen in der Stadt      Abbildung 9: Göckerstraße Richtung Norden in Tonndeich (Foto: Stadt Wilhelmshaven)
Wilhelmshaven.
    Insbesondere die Eingrenzung des        quartiersspezifische Frage- und Pro-
Betrachtungs- und Untersuchungs-            blemstellungen. Aufgrund dieser Fo-
raums in „Die digitale Stadt gestalten“     kussierung ließ sich in Wilhelmshaven
auf das Sanierungsgebiet Tonndeich          ferner gut erproben, wie der Smart-
ermöglichte einen stärkeren Fokus auf       City-Prozess auf Ebene eines strukturell
die Beteiligung von Akteurinnen und         herausgeforderten Quartiers gelingt.
Akteuren auf der Quartiersebene und

ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022                                                                                           15
Konzeption der Planungswerkstätten                             Die digitale Stadt gestalten: Erfahrungen aus den Planungswerkstätten

     Konzeption
     der Planungs-
     werkstätten

Zentrale Funktion der Planungswerk- Erkenntnissen über die Arbeit mit der von Smart-City-Projekten Risikoab-
stätten im Rahmen des Projekts war es, Handreichung im Fokus.                                       schätzung (6), Projektauswahl (7), Pro-
die Handreichung in Zusammenarbeit                                                                  jektumsetzung (8) sowie Evaluation (9)
mit den vier Praxiskommunen gemein- Die Handreichung testen                                         flexibel und nicht unmittelbar aufeinan-
sam zu testen und durch das Feedback Um aus den Planungswerkstätten mög- der aufbauend wie bei der Strategieent-
inhaltlich zu präzisieren. Ausgangs- lichst konstruktives Feedback für die wicklung zu thematisieren (siehe auch
punkt für die Gestaltung der Planungs- Handreichung erhalten zu können, er- Abbildung 2, Seite 5).
werkstätten war eine übergreifende, folgte eine enge Orientierung an den
Schematischer
übertragbare       Ablauf der Planungswerkstätten
               Grundkonzeption,     die auf Arbeitsschritten 1-9 inkl. Sonderbau- Die Planungswerkstätten
die verschiedenen Rahmenbedingun- stein (siehe Kapitel „Entwicklung der In der ursprünglichen Konzeption war
gen der Kommunen angepasst werden Handreichung”). Dabei behandelten mit jeder Kommune eine Workshoprei-
konnte. Sie ermöglichte
                Kommunees,1 im Laufe
                                 Kick-Offdes       die
                                                     #1 Planungswerkstätten
                                                              #2        #3        #4die Arbeits- #5 he von#6 vier halbtägigen Workshops vor

Prozesses flexibel auf die unterschiedli- schritte zur Strategieentwicklung Be- Ort vorgesehen. Die Planungswerkstät-

                                                                                                                                                                    Gemeinsamer Abschluss
                                                                                                             Vernetzungstreffen

chen lokalen Erfordernisse
                Kommune 2 und Bedarfe Kick-Off     standsanalyse
                                                         #1       #2 (1), Strategieprozess
                                                                            #3        #4      (2), ten
                                                                                                     #5  fanden
                                                                                                              #6  jedoch in einem Zeitraum
in den Praxiskommunen zu reagieren. Visionen und Ziele (3), Handlungsfelder statt, der wesentlich von den unmittel-
Die Planungswerkstätten
                Kommune 3dienten dabei     Kick-Off(4), Ideen
                                                            #1 und Projektskizzen
                                                                      #2       #3       (5) sowie#4 baren
                                                                                                        #5 Auswirkungen
                                                                                                                 #6         der Covid-19-Pan-
als praxisnahe Methode zur Simulation den Sonderbaustein (SB) Smart-City- demie geprägt war. Anstelle von Vor-
 Testversion                                                                                                                         Finalversion
unterschiedlicher
Handreichung
                   Anwendungsfälle
                Kommune   4                        Strategie schrittweise
                                         der Kick-Off           #1        #2 und #3 aufeinander #4Ort-Workshops
                                                                                                            #5      #6 fanden daher       jeweils
                                                                                                                                    Handreichung
Handreichung, denn mit den vier aufbauend. Die in der Handreichung sechs virtuelle Planungswerkstätten via
Praxiskommunen wurden wie oben vorgeschlagenen Methoden gaben Ori- Videokonferenz und mittels unterstüt-
beschrieben verschiedene 11/2020
                               räumliche entierung für die interaktive und               06/2021                        10/2021
                                                                                              kol- zender digitaler Tools              01/2022
                                                                                                                              statt. Abbildung
und strukturelle Ausgangslagen berück- laborative Bearbeitung der einzelnen 10 stellt den schematischen Ablauf der
sichtigt.                                          Arbeitsschritte.                                 Planungswerkstätten nach der pande-
   Neben der Unterstützung der Kom-                   Organisatorische Aspekte und in- miebedingten Anpassung dar.
munen bei der Erarbeitung von Grund- haltliche Schwerpunkte in einzelnen                                Die Durchführung der Planungs-
lagen für eine Smart-City-Strategie stand Kommunen machten es notwendig, die werkstätten erfolgte in den unterschied-
Schematischer
also               Ablauf
     die systematische      der Planungswerkstätten
                        Generierung      von weiteren Arbeitsschritte zur Umsetzung lichen Kommunen mit geringer zeit-

                   Kommune 1        Kick-Off              #1         #2          #3             #4                                 #5         #6
                                                                                                                                                                     Gemeinsamer Abschluss

                   Kommune 2
                                                                                                             Vernetzungstreffen

                                        Kick-Off               #1          #2         #3              #4                                #5         #6

                   Kommune 3                   Kick-Off             #1          #2         #3                                     #4         #5         #6
                                                                                                                                                                                             Finalversion
Testversion
                                                                                                                                                                                             Handreichung
Handreichung

                   Kommune 4                       Kick-Off               #1         #2          #3                                    #4         #5         #6

                                11/2020                                                                    06/2021                                                10/2021                      01/2022

Abbildung 10: Schematischer Ablauf der Planungswerkstätten (eigene Darstellung)

16                                                                                                                                     ExWoSt-Informationen 52/2 - 01/2022
Sie können auch lesen