"Die Filiale muss man immer neu denken" - FinanzPunkt.de
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BANK & FONDS Eva Wunsch-Weber I Frankfurter Volksbank + Oliver Klink I Taunus Sparkasse „Die Filiale muss man immer neu denken“ Die Frankfurter Volksbank und die Taunus Sparkasse teilen mütterlicher wir unsere Geschäftsstellen sich seit rund einem Jahr gut zwei Dutzend Filialen. Im Interview behandeln, desto unattraktiver wirken die- mit FONDS professionell ziehen die beiden Vorstandschefs se. Folgen wir der allgemeinen Kostenlogik, dann stoßen wir all diejenigen vor den Eva Wunsch-Weber und Oliver Klink eine erste Bilanz. Kopf, die uns vor Ort brauchen. Davon würden dann die Neo- und die Direktban- ken profitieren. Marktforschungen zeigen, ie Frankfurter Volksbank und die Tau- »Dieses dichte Filialnetz dass 50 Prozent der Kundschaft bei einer D nus Sparkasse gehen in Sachen Filiale ungewöhnliche neue Wege: Seit rund in der Fläche könnten wir uns heute – bei Filialschließung direkt zu den Direktban- ken wechseln würden. Internet- und mobi- einem Jahr teilen sich die beiden Institute Negativzinsen – gar les Banking haben auch ihren Sinn, aber bei insgesamt 26 ihrer Geschäftsstellen die nicht mehr leisten.« wir bieten zudem unsere Filialen und Räumlichkeiten. Die eine Hälfte der Woche Finanzpunkte an. begrüßt das „Sparkassen-Rot“ die Kunden Oliver Klink, Taunus Sparkasse in den neu geschaffenen „Finanzpunkten“, Lag es nicht auch an den Banken selbst, an den anderen Tagen strahlen die Filialen dass die Filialen zunehmend ein Nischen- im „Volksbanken-Blau“. Ein Gespräch mit lassen, aber dies muss dem Kunden ja auch dasein führen? Immer mehr Angebote wie den Vorstandsvorsitzenden der Institute. erst mal erklärt werden. Sonst bräuchte bei- die Wertpapierberatung oder das Firmen- spielsweise Apple auch keine Apple Stores. kundengeschäft wurden ja zentralisiert. Frau Wunsch-Weber, Herr Klink, ich möchte Das Thema Finanzanlagen bleibt nach wie Klink: Ich denke, wir haben fast alles richtig mit einer provokanten Frage starten: Glau- vor komplex, das gilt insbesondere für die gemacht. Dieses dichte Filialnetz in der Flä- ben Sie als Vorstandsvorsitzende zweier Gegenwart. Wir führen während der Coro- che könnten wir uns heute – bei Negativ- großer regionaler Banken wirklich noch an nakrise so viele Beratungsgespräche wie nie zinsen – gar nicht mehr leisten. Die Ent- die Zukunft der Filiale? zuvor – und das auf allen Kanälen. Und wicklung, dass wir über immer mehr Eva Wunsch-Weber: Ich bin fest davon über- nach der Krise müssen die Menschen ihre Kanäle mit dem Kunden kommunizieren, zeugt, dass auch Filialen zu Banken gehö- Vermögensanlagen neu justieren, was im- ergibt schon Sinn. Unsere Bankvorväter ren. Als Bank müssen wir heutzutage auf mer auch eines Gesprächs bedarf. hätten sich gefreut, wenn sie so viele Kon- allen verfügbaren Kanälen für unsere Kun- Oliver Klink: Ob ich daran glaube oder takte mit den Kunden gehabt hätten wie den erreichbar sein. Dazu gehört eben nicht, ist nicht relevant. Ich weiß, dass hier wir derzeit. Manche Menschen schauen bis auch die Filiale. Das lässt sich aus den Be- und jetzt Kunden die Filialen immer noch zu fünfmal täglich auf ihre Sparkassen- dürfnissen der Kunden nicht wegdiskutie- aufsuchen. Und deshalb müssen wir dieses beziehungsweise Volksbanken-App. Das ist ren. Natürlich gibt es Standardleistungen, „Medium“ weiterhin – möglichst kosten- eine enorm hohe Taktfrequenz. Ich gebe die sich automatisieren und digitalisieren günstig – zur Verfügung stellen. Je stief- Ihnen aber recht, dass wir in den letzten 2001 fondsprofessionell.de 2/2021
»Wir haben den Mut, über die Nähe den Wettbewerb weiter- zuentwickeln. Wir können uns jetzt unmittelbar messen.« Eva Wunsch-Weber, Frankfurter Volksbank Jahren unser Asset „Filialen“ etwas vernach- Beratung vor Ort führt durchschnittlich zu gewählt. Sie finden in allen Finanzpunkten lässigt haben. Das holen wir jetzt aber mit mehr als 1,2 Produktabschlüssen pro im Eingangsbereich auf der rechten Seite Macht auf. Standort und Tag. Auch das ist richtig gut. die Automaten der Volksbank und auf der Wunsch-Weber: Den Vertriebsweg „Filiale“ linken Seite die Automaten der Sparkasse. muss man immer neu denken. Wir müs- Die Ausstattung der Finanzpunkte wirkt Die gesamte Technik und auch die Leitun- sen uns immer überlegen, wie eine Ge- insgesamt etwas puristisch. Wer kam auf gen sind komplett voneinander getrennt, schäftsstelle heute aussehen muss, damit die Idee für die Inneneinrichtung? weil auch die Aufsicht mit dem System der Kunde sie auch annimmt. Klares De- Wunsch-Weber: Die Grundidee stammt von klarkommen muss. Heute sind wir an sign, moderne Technik, auch in den Prozes- uns beiden. Natürlich können wir als Vor- getrennten Tagen mit getrennten Systemen sen. Filialen wie vor 20 Jahren würden heu- stand keine Schreibtische schreinern, aber da, mehr Bankgeheimnis können Sie gar te nicht mehr funktionieren. Das ist ein die klare Linie und die moderne Bauweise nicht designen. Dass dies nicht die End- kontinuierlicher Veränderungsprozess. haben wir vorgegeben – mit der Bedin- ausbaustufe ist, ist aber auch klar. gung, dass wir dafür nicht wie bisher sie- Nach rund einem Jahr „Finanzpunkt“ kön- benstellige Beträge ausgeben, sondern die Welche Pläne gibt es in dieser Hinsicht nen Sie eine erste Bilanz ziehen. Mittlerwei- Finanzpunkte kostengünstig und zugleich noch? FOTO: © FINANZPUNKT | MONTAGE: FONDS PROFESSIONELL le teilen Sie sich insgesamt 26 Filialen. modern gestalten wollen. Klink: Wir haben an unsere IT, die Fiducia Nimmt die Kundschaft die „gesharten“ und die Finanzinformatik, die Frage ge- Standorte gut an? Jeder Finanzpunkt sieht in etwa gleich aus. stellt, dass dies auch mit einer einheitlichen Klink: Die Nutzung der einzelnen Finanz- So finden sich beispielsweise im Vorraum Leitung, die sich nachher splittet, funktio- punkte liegt mit bis zu 30 Serviceanliegen jeweils Geldautomaten der beiden Institute. nieren sollte. Und wir gestalten die Finanz- und bis zu vier Beratungsgesprächen am Sind Sie technisch doppelt ausgestaltet? punkte zudem als Finanztreffpunkte. So Tag deutlich über unseren Erwartungen. Klink: Das Geheimnis des Konzepts ist das kann man beispielsweise als Kunde des Die gemeinsamen Standorte haben sich Weglassen und das Reduzieren. Wir gehen jeweiligen Instituts auch an den Automa- damit quasi vom ersten Tag an auch als ein nicht auf regionale Besonderheiten ein, ten der anderen Bank gebührenfrei Geld Beratungstreffpunkt herauskristallisiert. Die sondern haben eine modulare Bauweise abheben. fondsprofessionell.de 2/2021 2002
BANK & FONDS Eva Wunsch-Weber I Frankfurter Volksbank + Oliver Klink I Taunus Sparkasse Nicht alle Banker sind von Ihrer Idee be- geistert. Der Vorstandschef einer nord- rhein-westfälischen Sparkasse lehnt das Modell für sein Haus mit folgenden Worten ab: „Wir sind Marktführer in unserem Geschäftsgebiet, warum soll ich mir die Konkurrenz buchstäblich ins eigene Haus holen?“ Wie stehen Sie zu dieser Aussage? Wunsch-Weber: Wir haben immer betont, dass Finanzpunkte eine Alternative sein können – und eben nicht zwingend sind. Wir haben den Mut, über die Nähe den Wettbewerb weiterzuentwickeln. Wir kön- nen uns jetzt unmittelbar messen, da können beide Häuser nur daran wachsen. Innovative und tragfähige Ideen auszupro- bieren gehört seit jeher zur genossenschaft- lichen Verbundidee dazu. Klink: Wir erleben einen hohen gegensei- tigen Respekt. Die Finanzpunkte werden Welche Kosten entstanden durch die Um- »Unsere Mitarbeiter von den jeweiligen Mitarbeitern gehegt setzung des Konzepts? Sie haben bei- bezeichnen sich selbst und gepflegt, und es wird geschätzt, dass spielsweise die Standorte umgebaut und als Finanzpunktler.« man mit modernster Technik arbeiten sie auch neu ausgestattet. Auch ins Marke- kann. Vorab machten wir alle Teams mitei- ting mussten Sie investieren. Eva Wunsch-Weber, nander bekannt, dadurch ist der Respekt Klink: Für einen bemannten Finanzpunkt Frankfurter Volksbank voreinander noch einmal gestiegen. Auch belaufen sich die Kosten auf jeweils rund von unseren Gremien wird das Konzept 250.000 Euro. Insgesamt sind rund fünf begrüßt. Zumal jetzt, ein Jahr nach der Millionen Euro an Investitionen angefallen. mitgemacht. In meiner Amtszeit haben ersten Eröffnung, klar ist: Finanzpunkte In der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sind wir im Übrigen nur eine Filiale dauerhaft stärken den Markenkern beider Häuser. die Finanzpunkte im operativen Geschäft geschlossen, ohne dass nicht zumindest SB- jedoch seit dem ersten Tag profitabel. Infrastruktur dort geblieben wäre. Da war Herr Klink, Verwaltungsräte bei Sparkas- ich auch am letzten Tag vor Ort und habe sen sind oft mit Politikern und Bürger- Durch die Initiative sind Ihre Institute an gemeinsam mit den Mitarbeitern das Licht meistern besetzt. Mussten Sie in diesem jeweils vier neuen Standorten vertreten. ausgemacht. Neue Finanzpunkte eröffnen Gremium viel Überzeugungsarbeit leisten? Sie beide sind jeweils rund zehn Jahre an macht jedoch definitiv mehr Spaß. Wir Klink: Dazu eine kleine Anekdote, die mir der Spitze Ihrer Banken: Können Sie sich folgen natürlich den Kundenströmen, bei- ein Sparkassenvorstandskollege, der auch daran erinnern, wann Sie das letzte Mal spielsweise eröffnen wir bald am Kellerei- die Finanzpunkt-Idee aufgenommen hat, eine neue Filiale eröffnet haben? platz in Hofheim eine neue Filiale. Wenn berichtete: Als er das Konzept in der Ver- Wunsch-Weber: Wir haben in den letzten man Multikanal will, muss man sich waltungsratssitzung vorgestellt hat, erhielt Jahren einige Filialen neu eröffnet, ins- dauernd kümmern. er Applaus. Das erste Mal überhaupt in sei- besondere im östlichen Teil unseres Ge- ner gesamten Amtszeit. Als Taunus Spar- schäftsgebiets. Wir gehen dahin, wo unsere kasse haben wir das Glück, dass unser Ver- Kunden uns brauchen. KURZ-VITA: Eva Wunsch-Weber waltungsrat eine innovative und auch kun- FOTO: © FINANZPUNKT Klink: Als Taunus Sparkasse renovieren wir Die Bankkauffrau und Betriebswirtin kam 1993 zur Frankfur- denorientierte Einstellung besitzt. Es war unsere Standorte regelmäßig, und ab und ter Volksbank. Sie leitete unter anderem den Vorstandsstab, eine einstimmige Entscheidung. Insbeson- das Dezernat für Grundsatzfragen sowie den Personalbereich. zu gibt es auch eine räumliche Verlegung, 2008 wurde Wunsch-Weber in den Vorstand berufen, 2012 dere die Bürgermeister verstanden schnell, insofern habe ich einige Neueröffnungen übernahm sie den Vorsitz des Gremiums. dass sie mit diesem Konzept die Infrastruk- 2003 fondsprofessionell.de 2/2021
BANK & FONDS Eva Wunsch-Weber I Frankfurter Volksbank + Oliver Klink I Taunus Sparkasse zuletzt der Austausch mit mehr als 20 inter- essierten Instituten aus ganz Deutschland. In den Gesprächen geht es um die Über- nahme der „Blaupause“ – also Verträge, die bereits den Landes- und Bundeskartellbe- hörden, aber auch Bundesbank und Bafin bekannt sind. Wir konzipierten von Anfang an alle Verträge so, dass sie ohne weitere Prüfungen für alle Institute offen gestaltet sind. Damit entfallen aufwendige Informa- tions- und Abstimmungsrunden mit den verschiedenen zuständigen Behörden. Kann das Konzept der Finanzpunkte in Deutschland flächendeckend umgesetzt werden? Klink: An dieser Stelle möchte ich gern den Experten Dr. Hans-Martin Kraus, der Partner bei Deloitte Consulting ist, zitieren. Seinen Analysen zufolge sind Finanzpunk- tur sichern können – und zwar aus dem »Unsere Bankvorväter te für rund ein Drittel der Geschäftsstellen, Interesse der Institute und nicht aufgrund hätten sich gefreut, die Sparkassen und Genossenschaftsban- ihrer Eigentümerrechte. wenn sie so viele ken betreiben, nicht nur denkbar, sondern Kontakte mit den auch wirtschaftlich. Bundesweit könnte das Welche Bedenken nahmen Sie im Kreise Kunden gehabt hätten Konzept für 6.000 von rund 18.000 Stand- der Mitarbeiter wahr? Gab es beispielswei- wie wir derzeit.« orten in Frage kommen. Seinen Hochrech- se Sorge um den langfristigen Erhalt der nungen zufolge wäre eine Kostenersparnis Arbeitsplätze? Oliver Klink, Taunus Sparkasse bundesweit in einer Größenordnung von Klink: Es war genau andersherum. Wenn zwei Milliarden Euro pro Jahr denkbar. Sie an einem „alten“ Standort sitzen, nichts zu tun haben und Ihnen langweilig ist, wird. Und sie identifizieren sich sehr stark Frau Wunsch-Weber, die Frankfurter Volks- machen Sie sich – wenn Sie wirtschaftlich mit der Idee: Sie bezeichnen sich selbst als bank fusioniert gegenwärtig mit einer denken – Sorgen um den Erhalt Ihres Ar- die „Finanzpunktler“. Volksbank aus dem benachbarten Bayern. beitsplatzes. Jetzt in den Finanzpunkten, Können Sie sich vorstellen, dass Sie das die gut ausgelastet sind und ausreichend Konnten Sie andere Institute für Ihr Konzept der geteilten Filiale künftig auch Frequenz haben, gibt es für die jeweiligen Konzept begeistern? Gibt es bereits Nach- mit einer bayrischen Sparkasse umsetzen? Kolleginnen und Kollegen – je zwei Ange- ahmer? Wunsch-Weber: Ich war von Anfang an stellte sind unter der Woche an drei Stand- Klink: Nachdem vor Kurzem in Weiden in überzeugt von der Idee. Jetzt – nach der orten tätig – diese Sicherheit. der Oberpfalz ein Finanzpunkt der Raiff- ersten Bilanz – haben wir auch die empi- Wunsch-Weber: Unser Betriebsratsvorsitzen- eisenbank Oberpfalz Nordwest und der rische Evidenz, dass unsere Kunden die der stand voll und ganz hinter uns. Die Sparkasse Oberpfalz Nord erfolgreich dem Idee annehmen. Wo immer sich also eine Idee bietet ja auch Perspektiven. Die Mitar- Kundengeschäft übergeben wurde, startete Möglichkeit ergeben sollte, mit den Finanz- beiter in den gemeinschaftlichen Filialen punkten langfristig die Präsenz in der sind Mitinnovatoren: Sie besitzen ein Han- Fläche zu sichern, werden wir darüber KURZ-VITA: Oliver Klink FOTO: © FINANZPUNKT dy, einen Laptop und einen E-Dienstwagen. nachdenken. Und sie arbeiten in einem papierlosen Der studierte Betriebswirt ist seit 2012 Vorstandsvorsitzen- der der Taunus Sparkasse. Zuvor war der gelernte Bank- Büro ohne Ablage. Die Mitarbeiter wissen, kaufmann für die Allianz Bank, die Deutsche Bank sowie die Vielen Dank für das Gespräch. wie das Bankgeschäft in der Zukunft sein Dresdner Bank / Commerzbank tätig. MARCUS HIPPLER FP 2004 fondsprofessionell.de 2/2021
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