Der Blick nach Westen - AUSLANDSINFORMATIONEN - Eine Bestandsauf nahme zur transatlantischen Partnerschaft - Konrad-Adenauer-Stiftung
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KO N R A D -A D E N AU E R-S T I F T U N G 1|2019 AUSLANDSINFORMATIONEN Der Blick nach Westen Eine Bestandsaufn ahme zur transatlantischen Partnerschaft
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, die ersten zwei Jahre Donald Trumps als 45. Präsident der Verei- nigten Staaten haben das Vertrauen der Europäer in die USA als Partner stark in Mitleidenschaft gezogen und die transatlantischen Beziehungen belastet. Die vorliegende Bestandsaufnahme zur amerikanischen Außenpolitik unter Trump, die sich der tatsäch- lichen Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA in fünf Regionen und fünf Politikfeldern widmet, zeichnet dennoch ein differenziertes Bild mit einigen Lichtblicken. Während die Politik Trumps stärker national, unilateral und protektionistisch ausge- richtet und durch einen konfrontativen Stil geprägt ist, hat dies die Schnittmenge zwischen amerikanischen und deutschen Interes- sen zwar verringert, eine pragmatische Kooperation in wichtigen Politikbereichen aber nicht verhindert. Die Außenpolitik Trumps setzte in den vergangenen zwei Jahren in vielerlei Hinsicht die traditionellen Linien amerikanischer Politik fort. So ist auch die Wahrung der transatlantischen Partnerschaft, die für Deutschland insbesondere im sicherheits- und wirtschaftspolitischen Bereich alternativlos ist, nach wie vor möglich und nötig. Viel historische Kontinuität in der Außenpolitik Wie unsere Autoren zeigen, waren insbesondere die Sicherheits- und Russlandpolitiken der Trump-Administration überwiegend durch Kontinuität geprägt. So hat Trump – trotz allen rhetorischen Säbel- rasselns – am wichtigsten transatlantischen Bündnis – der NATO – festgehalten. Mehr noch: Die Amerikaner haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Präsenz in Europa zur Abschreckung Russlands wieder deutlich verstärkt. Auch der Kurs gegenüber China steht in vielerlei Hinsicht in Kontinuität zur bisherigen Außenpolitik, wenn er auch durch andere Mittel und deutlich aggressiver verfolgt wird. Mit dem Rückzug aus dem Nahen Osten knüpft Trump an die Poli- tik Obamas an. Die Aufkündigung des Nuklearabkommens mit dem Iran stellt eine Rückkehr zur traditionellen amerikanischen Nahostpolitik dar und „korrigiert“ die historische „Anomalie“ der Annäherung unter Obama. Ähnliches gilt für den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Die scheinbare, unilaterale Wende der amerikanischen Außenpolitik ist historisch betrachtet kein Bruch, 2
sondern folgt der traditionellen amerikanischen Logik, die das multilaterale System rein realpolitisch als Mittel zum Zweck – der Durchsetzung amerikanischer Sicherheits- und Wirtschaftsinte- ressen – betrachtet. Als klarer Bruch mit traditionellen Maximen amerikanischer Außenpolitik lässt sich der neue Protektionismus in der Handelspolitik identifizieren, wobei die kritische Haltung gegenüber der Welthandelsorganisation bereits aus der Zeit von Präsident George W. Bush stammt und stets auch handelskritische Stimmen innerhalb der USA Gehör fanden. Ein neuer transaktionistischer Stil Verändert haben sich in erster Linie der Stil und die Rhetorik des Präsidenten. Durch den transaktionistischen, teils erratischen Stil Trumps hat eine neue Logik Einzug in die US-Außenpolitik gehalten. Getreu seinem Wahlkampfmotto „America first“ – eine überspitzte Kontinuität des von Obama propagierten „Nationbuil- ding at home“ – wird die amerikanische Außenpolitik stärker an innenpolitischen Wählergruppen ausgerichtet. Die Politik Trumps ist Symptom eines tiefergreifenden innenpolitischen Wandels in den USA. Sie trägt der zunehmenden Spaltung der amerikani- schen Gesellschaft Rechnung, die sich bereits seit mehreren Jahren abzeichnet und Resultat eines wirtschaftlichen und sozio-poli‑ tischen Strukturwandels ist. Wie die amerikanischen Zwischen- wahlen gezeigt haben, wird die Politik Trumps von einem beacht- lichen Teil der amerikanischen Bevölkerung mitgetragen. Hierzu gehört auch die aggressive Rhetorik des Präsidenten, die diesen Kurs klar artikuliert. Die transatlantischen Beziehungen sind alternativlos Die transatlantischen Beziehungen werden – der Logik Trumps folgend – von US-Seite heute mehr denn je als Mittel zum Zweck und weniger als Wertepartnerschaft verstanden. Mit einem Kurs- wechsel der USA – auch über Trump hinaus – ist aufgrund der innenpolitischen Veränderungen nicht zu rechnen. Die mediale Fokussierung auf Trump sowie der Stil und die Rhetorik des 3
Editorial Präsidenten haben das Vertrauen in die USA als verlässliche Schutz- und Ordnungsmacht in Mitleidenschaft gezogen. Gleich- zeitig bleiben die transatlantischen Beziehungen aus europäischer Sicht mit Blick auf andere Weltregionen und Werteverständnisse alternativlos. Die Kongruenz der gemeinsamen Interessen hat sich in den vergangenen zwei Jahren in den zehn untersuchten Bereichen verringert. Doch unsere Autoren zeigen, dass einer pragmatischen Kooperation in vielen Bereichen bislang nichts im Wege stand und weiterhin stehen wird. Dies betrifft in erster Linie die Zusammenarbeit im für Europa wohl wichtigsten transatlanti- schen Kooperationsfeld, der Sicherheitspolitik – insbesondere im Hinblick auf Russland und den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Auch im Bereich der Digitalisierung, dessen Bedeu- tung in Zukunft für beide Seiten noch weiter zunehmen wird, ist eine Kooperation möglich. Im Hinblick auf China und den Iran verfolgen die USA und Deutschland durchaus kongruente Ziele, streiten aber über die richtigen Mittel. Diametral gegenüber stehen sich die USA und Deutschland im Bereich der regelbasierten, multi- lateralen Ordnung – inklusive der Klima- und Entwicklungspolitik und des internationalen Handels – sowie mit Abstrichen auch im Hinblick auf das Vorgehen im Nahostkonflikt. Die Wahrung der Partnerschaft ist möglich In den nächsten zwei Jahren der Trump-Präsidentschaft wird es deshalb darauf ankommen, mit den USA im Dialog zu bleiben und die Beziehungen pragmatisch auszugestalten. Deutschland kann die für seine Interessen unerlässliche regelbasierte Weltordnung nicht ohne die USA und erst recht nicht gegen die USA verteidi- gen. Die föderalen Systeme und unterschiedlichen Akteurskons- tellationen der beiden Länder bieten jedoch Möglichkeiten eines vielschichtigen Dialogs. Transatlantische Freundschaft heißt dabei nicht, durchgängig einer Meinung zu sein. Deutschland und die EU müssen Mut zur klaren Positionierung beweisen. Für die USA gilt der Wettbewerb der Ideen auch in der Politik. Sachliche Kritik wird in den USA – wenn nicht von allen, aber von vielen – auch als Stärke und Zeichen des Respekts verstanden. Themen von 4
gegenseitigem Interesse müssen daher konkretisiert, fundiert und auch in die Öffentlichkeit getragen werden. Im Hinblick auf die multilaterale Ordnung müssen Deutschland und die Europäische Union aktiv in die Bereiche vordringen, aus denen sich die USA zurückziehen. Mit dem Bemühen um multilaterale Partner – z. B. Kanada, Australien, die lateinamerikanischen Staaten und Japan – können die transatlantischen Beziehungen komplementiert, nicht aber ersetzt werden. Maßgeblich entscheidend für die Bewahrung der Beziehungen zu den USA wird sein, die Europäische Union nach innen und außen handlungsfähiger zu machen und mehr Ver- antwortungen in der internationalen Politik zu übernehmen. Die aktuelle „Entzauberung“ der transatlantischen Beziehungen kann hier als wichtiger Katalysator wirken. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Ihr Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Euro päische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer- Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de). 5
Inhalt Der Blick nach Westen BINNENPERSPEKTIVEN 8 Der Fast-Forward-Präsident Inwiefern Donald Trump vor allem langfristige Trends beschleunigt Paul Linnarz 10 Ernüchterung Die europäische Perspektive auf die transatlantischen Beziehungen Olaf Wientzek REGIONALE PERSPEKTIVEN 12 Viel Rhetorik, wenig Wandel Der Umgang mit Russland unter Trump Claudia Crawford / Philipp Dienstbier 14 18 Weniger Trump, mehr Europa! Trump, China und Europa Amerikas Schlagseite im Nahen Osten erfordert Was vom „Pivot to Asia“ übrig blieb ein stärkeres europäisches Engagement Rabea Brauer / Alexander Badenheim Edmund Ratka / Marc Frings / Fabian Blumberg 20 16 Mehr als Mauern Viel Lärm um nichts Lateinamerikas Rolle im Dreieck Trumps Afrikapolitik und ihre Folgen für mit Europa und den USA Europa Hans-Hartwig Blomeier / Patricio Garza Girón / Christoph Plate Christian E. Rieck 6 Auslandsinformationen 1|2019
T H E M AT I S C H E P E R S P E K T I V E N 22 „America First“ Sicherheitspolitik in der Ära Trump Nils Wörmer / Benjamin Fricke 24 Ein transatlantisches Relikt? 28 Zur Zukunft der WTO und ihrer Rolle für die America Alone transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen Transatlantische Herausforderungen im David Gregosz Bereich Klima und Energie Céline-Agathe Caro 26 Zwischen Innovation und Regulierung 30 Zur Notwendigkeit transatlantischer Zerstörer der liberalen Weltordnung? Kooperation im digitalen Raum Trumps Unilateralismus und seine Folgen Sebastian Weise Andrea E. Ostheimer Der Blick nach Westen 7
Quelle: © Carlos Barria, Reuters. Der Fast-Forward-Präsident Inwiefern Donald Trump vor allem langfristige Trends beschleunigt Paul Linnarz Mit seinen Kurzmitteilungen per Twitter irritiert, USA zu multilateralen Schlichtungsverfahren bis brüskiert, ja schockiert US-Präsident Donald heute. Darüber hinaus geht auch die Entschei- Trump nicht nur seine politischen Gegner im dung der NATO-Mitgliedstaaten, zwei Prozent eigenen Land, sondern auch enge Verbündete im ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts für Ver- Ausland. Im Kern „neu“ sind viele seiner umstrit- teidigung aufzuwenden, bereits auf das Jahr tenen Positionen deshalb aber noch lange nicht: 2002 zurück. Die Bestätigung des Richtwerts 2001 hatten die USA, damals unter George W. fiel 2014 in die Amtszeit von Barack Obama. Bush, das Klimaschutz-Abkommen von Kyoto Dieser sprach, anders als heute, zwar nicht von abgelehnt. Im Jahr darauf verabschiedete sich „Make America Great Again“; seine Anhänger das Weiße Haus aus dem ABM-Vertrag über adressierte der demokratische Ex-Präsident die Begrenzung von antiballistischen Raketen- aber schon vor Jahren mit der sinnverwandten abwehrsystemen. Iran wird auch nicht erst seit Forderung nach „Nationbuilding here at home“. dem Amtsantritt von Donald Trump vorgewor- Kurzum: Die Erwartungen und Streitpunkte, um fen, im Nahen und Mittleren Osten Terroristen die im transatlantischen Verhältnis auf hoher zu unterstützen. Höhere Zölle auf Stahl- und und höchster politischer Ebene derzeit gerungen Aluminiumimporte hatte Präsident Bush trotz wird, haben fast durchgängig eine lange Vorge- internationaler Proteste bereits 2002 verhängt. schichte. Nicht umsonst ist in Regierungskreisen Im darauffolgenden Jahr wurden die Einfuhrge- häufig die Rede davon, Donald Trump habe in bühren von der Welthandelsorganisation dann vielen Bereichen gewissermaßen nur die „Fast für unrechtmäßig erklärt. Die damalige Entschei- Forward“- Taste gedrückt. dung der WTO prägt die kritische Haltung der 8 Auslandsinformationen 1|2019
Polarisierung als Strategie „Wenn das passiert“, so Trump, „werden wir das- selbe tun und die Regierung kommt zum Still- Dementsprechend spricht auch wenig dafür, stand.“ Die Schuld dafür liege in dem Fall bei dass die US-Regierung auf Bitten ihrer auslän- den Demokraten, versicherte der Präsident. Ob dischen Partner absehbar einen Kurswechsel sich deren Abgeordnete und Anhänger, zumal die einleiten oder „den Druck aus dem Kessel“ neh- weiblichen und die Vertreter der Minderheiten, men könnte. Auch die Zwischenwahlen Ende des mit den von Trump abgesteckten Chancen und letzten Jahres geben diesbezüglich keinen großen Grenzen für die checks and balances arrangieren Anlass zur Hoffnung: Zwar stand der umstrittene werden, ist im aufgeheizten und polarisierten Präsident 2018 stärker im Mittelpunkt als seine Amerika derzeit fraglich. Die von Robert Kagan Vorgänger, Zustimmung (26 Prozent) und Ableh- 2003 in „Of Paradise and Power“ aufgestellte nung (34 Prozent) lagen bei Donald Trump aber These: „Amerikaner sind vom Mars und die näher beieinander als etwa bei Barack Obama Europäer von der Venus“ markiert heute im über- 2014 (pro: 17, contra: 30 Prozent) oder 2006 bei tragenen Sinne jedenfalls auch die politischen George W. Bush (pro: 18, contra: 31 Prozent). Im Realitäten innerhalb der USA. „Stillstand“ können Ergebnis verloren die Republikaner im Novem- sich Demokraten und Republikaner trotz aller ber zwar ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus, Meinungsunterschiede und Emotionen ebenso konnten den Senat aber erfolgreich verteidigen – ein wie Europa und die USA dennoch nicht leisten. für Zwischenwahlen eher untypischer Erfolg, den Am Ende würden beide verlieren. Trump nicht zuletzt der für ihn typischen Strate- gie der Polarisierung verdankt. Die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft hat unter Trump Paul Linnarz ist Leiter des Auslandsbüros der indes weiter zugenommen: Bei den Zwischen- Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington D.C. wahlen gaben nur neun Prozent aller Wähler an, die USA seien stärker geeint, während 76 Prozent die Auffassung vertraten, die Gesellschaft bewege sich auseinander. Den US-Präsidenten stellt diese Entwicklung vor nicht unerhebliche Herausforde- rungen. Konfrontationskurs absehbar Gut möglich also, dass Donald Trump in den nächsten beiden Jahren gegen die demokrati- sche Mehrheit im Repräsentantenhaus einen harten Konfrontationskurs fahren wird, wie wir ihn zuletzt in der erbitterten Auseinandersetzung über den Haushalt und den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko erlebt haben. Dieses Rezept zur Wiederwahl hatte erfolgreich schon Harry Truman angewendet, nachdem er die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses bei den Zwischenwahlen an die Republikaner abtreten musste. Einen harten Konfrontationskurs dürfte Trump insbesondere dann einschlagen, wenn die Demokraten ihn, wie es ein Journalist in seiner Frage ausdrückte, „mit einem Sturm von Vorla- dungen zu allem von der Russland-Untersuchung […] bis zu Ihren Steuererklärungen“ überziehen. Der Blick nach Westen 9
Quelle: Quelle: © © Itar Francois Tass, Lenoir, Reuters.Reuters. Ernüchterung Die europäische Perspektive auf die transatlantischen Beziehungen Olaf Wientzek Der anfängliche Schock nach den US-Präsident- überzeugten Transatlantikern zu großer Ernüch- schaftswahlen 2016 ist in der EU inzwischen terung. Sinnbildlich dafür waren die Worte des Ernüchterung gewichen. Die europäischen Präsidenten des Europäischen Rats, Donald Tusk, Reaktionen auf die neuen transatlantischen im Mai 2018: „Die letzten Entscheidungen […] Unwägbarkeiten sind vielfältig: mehr EU-Zusam- betrachtend, könnte man denken: Mit Freunden menarbeit anstreben, gleichgesinnte Partner wie diesen, wer braucht da Feinde?“ suchen, Reihen schließen, Dialogmöglichkeiten ausloten. Reaktionen der EU „Mit Freunden wie diesen, 1. Mehr europäische Zusammenarbeit in der wer braucht da Feinde?“ Sicherheitspolitik: Der als erratisch empfun- dene außenpolitische Kurs Trumps verlieh den Während sich einige Bedenken als übertrieben Überlegungen, die gemeinsame Sicherheits- und herausstellten, wurden andere bestätigt. Die Verteidigungspolitik der EU zu stärken, neuen Relativierung internationaler Institutionen und Elan. Ziel: Den beachtlichen Rückstand zu den Abkommen sowie das unberechenbare Auftre- USA in Forschung, Fähigkeiten und Einsatz ten in wichtigen Formaten (G7) durch Washing- bereitschaft nicht noch weiter anwachsen zu ton wird in der EU mit großer Sorge gesehen. lassen. Dennoch bleibt die EU vom in der 2016 Die als konfrontativ und unberechenbar wahr- beschlossenen Globalen Strategie formulier- genommene Haltung der USA führt auch bei ten Ziel einer „strategischen Autonomie“ noch 10 Auslandsinformationen 1|2019
Lichtjahre entfernt. Insbesondere für die balti- Resonanz. Marine Le Pen etwa ist im Vorfeld der schen Länder aber auch für Polen sind die Sicher- Europawahlen um Distanz bemüht. Die traditionell heitsgarantien durch die NATO nach wie vor ein transatlantisch gesinnte Europäische Volkspartei wichtigerer Garant für die eigene Unversehrtheit. (EVP) versucht es mit einer differenzierten Strate- gie: 1. Bekenntnis zur transatlantischen Partner- 2. Mehr Zusammenarbeit mit Gleichgesinn- schaft, 2. Pflege von Kontakten zu gleichgesinnten ten: Angesichts des Rückzugs der USA aus meh- Stimmen im Kongress, 3. Entgegenkommen, wo reren multilateralen Formaten wurde eine engere die Kritik als gerechtfertigt wahrgenommen wird Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten angestrebt. und 4. Widerstand, wenn die EU auf grundsätz Das gelang vor allem in der Handelspolitik: licher Ebene angegriffen wird. Freihandelsabkommen mit Japan, eine grund- sätzliche Einigung mit Mexiko sowie laufende 6. Unterschiede bei den Mitgliedstaaten: Nicht Verhandlungen mit Australien und Neuseeland. alle Mitgliedstaaten zeigen sich gleichermaßen In der Klimapolitik gelang es zumindest, u. a. mit ernüchtert: Die polnische PiS-Regierung setzt China, Japan oder Kanada, den Willen zu einer etwa weiter auf amerikanische Militärpräsenz. ehrgeizigen Umsetzung des Klimaabkommens Länderspezifische Unterschiede gibt es auch in zu bekräftigen. der öffentlichen Meinung. Nach einer Gallup- Umfrage ist in den meisten Ländern das Miss- 3. Reihen schließen: Bemerkenswert ist der trauen gegenüber Trump und den USA stark Grad an Geschlossenheit innerhalb der EU bei ausgeprägt. Dies gilt vor allem für Westeuropa, Handelsfragen. Versuche, einen Keil zwischen die skandinavischen Länder und die iberische die Europäer zu treiben, blieben bislang erfolglos. Halbinsel. Nur in vier EU-Staaten überwiegen Die Politik der Trump-Administration hat eher noch die positiven Bewertungen: Polen, Italien, dafür gesorgt, die Fliehkräfte innerhalb der EU Ungarn und Rumänien. zu schwächen, denn sie zu stärken. Jähes Erwachen 4. USA weiterhin einbinden: Alternativen zur transatlantischen Partnerschaft sind dünn Der Zustand der transatlantischen Beziehungen gesät. Rufe nach einer Politik der Äquidistanz zwingt die EU dazu, eine strategische Debatte zwischen den USA und Russland sind eher von zu führen, auf die sie bislang nur unzureichend den politischen Rändern zu vernehmen. Durch vorbereitet ist. Während die USA sich bereits auf seine Rolle im Ukraine- und Syrienkonflikt hat einen Systemwettbewerb mit China vorbereiten, Russland in den Augen vieler Europäer jegliche ist die EU von einer einheitlichen Chinastrategie Glaubwürdigkeit verspielt. Auch der Vertrau- noch weit entfernt. Insofern war das Aufwachen ensvorschuss gegenüber China ist begrenzt. Die aus der transatlantischen Traumwelt unvermeid- Interessen in zentralen Politikbereichen sind zu lich, geschah aber ruppiger, als es der EU lieb sein unterschiedlich. Entsprechend bemüht sich die kann. Wichtig wäre, auch einem schwierigeren EU, den Gesprächsfaden mit den USA in mehre- transatlantischen Partner deutlich zu machen, ren Dossiers (u. a. WTO) wieder aufzunehmen dass über kurzfristige Deals hinaus funktions- und Kontakte auch jenseits des Weißen Hauses fähige internationale Institutionen und enge (Kongress, Zivilgesellschaft) zu pflegen. transatlantische Zusammenarbeit entscheidende Faktoren im künftigen Systemwettbewerb sind. 5. Resonanz in der Parteienlandschaft: Der Einfluss des Trump-Erfolgs auf die europäische Parteienlandschaft ist noch nicht abschließend Olaf Wientzek ist Koordinator für Europapolitik der einzuschätzen. Einige rechtspopulistische Parteien Konrad-Adenauer-Stiftung. hatten sich neuen Schub erhofft; dies ist aber nur eingeschränkt festzustellen. Auch Steve Bannons Initiative The Movement erfährt bislang nur begrenzt Der Blick nach Westen 11
Quelle: © Itar Tass, Reuters. Quelle: © Marcos Brindicci, Reuters. Viel Rhetorik, wenig Wandel Der Umgang mit Russland unter Trump Claudia Crawford / Philipp Dienstbier Die Wahl von Präsident Donald Trump in den des Atlantiks nie vollkommen homogen. Obwohl Vereinigten Staaten versetzte Politiker in Deutsch- Deutschland Russland immer tendenziell stärker land und Europa in Unruhe. Trump fiel im Wahl- auf partnerschaftliche Weise und unter koopera- kampf durch fast bewundernde Töne gegenüber tiven Aspekten betrachtete als das die USA taten, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf herrschte in den großen außenpolitischen Linien und zeigte ein von Geschäftslogik geprägtes Ver- grundsätzliche Einigkeit. So bestanden nie Zwei- ständnis von Außenpolitik und internationalen fel an der Vorrangigkeit der transatlantischen Bündnissen. Nach zwei Jahren Trump-Regierung Allianz vor einer Partnerschaft mit Russland. Die scheinen die existenziellsten Sorgen vor einem russische Annexion der Krim sowie der Konflikt Paradigmenwechsel der US-Politik in Osteuropa in der Ostukraine führten zudem zu einer wei- jedoch unbegründet, denn diese steht insgesamt teren Konvergenz der transatlantischen Politik viel stärker für Kontinuität als eingangs erwartet. gegenüber Russland nach 2014. Dort, wo es Differenzen zwischen Zielen und Inte- ressen der USA und Deutschland gibt, bestanden Diese größtenteils kohärente Ostpolitik fußt diese im Kern bereits zuvor. traditionell auf der gemeinsamen Aufrechter- haltung der Regeln und Prinzipien der euro- Transatlantische Ostpolitik päischen Friedensordnung, durch nukleare Rüstungskontrollverträge, die Förderung einer Die Gemengelage der Ziele und Interessen im stabilen, demokratischen und prosperierenden postsowjetischen Raum war auf beiden Seiten Nachbarschaft Europas sowie die Abschreckung 12 Auslandsinformationen 1|2019
russischer Destabilisierungsversuche, besonders Präsidenten ab. Die USA setzen ihre Zusam- im Kontext der NATO. menarbeit im Rahmen der NATO weiterhin fort und nehmen etwa an sämtlichen NATO-Militär Kein struktureller Wandel seit Trump übungen in russischen Nachbarstaaten teil. Mit dem Verkauf von letalen Defensivwaffen an die Mit Trumps Antritt zum US-Präsidenten Anfang Ukraine gehen sie in ihrer militärischen Absiche- 2017 keimte die Frage auf, ob die beschriebene rung von Verbündeten vis-à-vis Russland sogar Zusammenarbeit sich strukturell verändern würde. weiter als unter Präsident Barack Obama. Unbestätigte Indizien eines möglichen Austau- sches zwischen Trumps Wahlkampfteam und Ver- Alte Bruchlinien tretern der russischen Regierung sowie fundierte, durch US-Geheimdienste verifizierte Hinweise auf Trotzdem gibt es auch Differenzen zwischen der eine russische Einmischung in den US-Wahlkampf amerikanischen und europäischen Politik im öffneten dieser Sorge Tür und Tor. Mit öffentlich- postsowjetischen Raum. Die nukleare Rüstungs- keitswirksamen Manövern, wie Trumps Treffen kontrolle ist ein solcher Bereich – hier votiert mit Putin in Helsinki im Juli 2018, artikulierte der die Trump-Regierung etwa für einen Rückzug Präsident eine unzureichend kritische, möglicher- vom INF-Vertrag über nukleare Mittelstrecken weise befangene Haltung gegenüber Russland und systeme, dessen Fortbestand als Pfeiler der euro- schürte damit Sorgen, von der bisherigen Einhe- päischen Friedensarchitektur für Deutschland gung Russlands abweichen zu wollen. von großem Interesse ist. Auch die Wahrung der deutschen Wirtschaftsinteressen in Russland Jenseits der beschwichtigenden präsidentiellen steht für Trump zur Disposition. Hier tritt eine an Rhetorik verfolgen die USA jedoch de facto eine Eigeninteressen orientierte US-Politik besonders zweite Russlandpolitik. Diese wird maßgeblich deutlich in der Debatte um die Gaspipeline Nord geprägt durch Institutionen und Entscheidungs- Stream 2 zu Tage. Trotzdem hat Trump auch träger außerhalb des Weißen Hauses, etwa den in diesen Bereichen keinen radikalen Politik- ehemaligen Verteidigungsminister Jim Mat- wechsel herbeigeführt. Auch schon Obama und tis, den Außenminister Mike Pompeo oder den George W. Bush nahmen eine kritische Haltung US-Kongress, die eine kritische Haltung gegen- zum Nord Stream-Projekt ein oder stellten Rüs- über Russland einnehmen und angestammte tungsverträge infrage, wenn sie amerikanischen politische Grundlinien fortführen. Belegt wird Interessen vermeintlich nicht dienlich waren. dies etwa durch weitere Sanktionen gegen russi- sche Ziele, darunter auch enge Vertraute Putins, die teilweise eng mit den europäischen und deut- Claudia Crawford ist Leiterin des Auslandsbüros der schen Verbündeten abgestimmt wurden. Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau. Philipp Dienstbier ist Referent im Team Europa / Außerdem schürte Trumps Gebaren anfangs die Nordamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sorge, mit seinem „America first“-Mantra seien die USA nunmehr auf den größtmöglichen eige- nen Vorteil und Verminderung von kostspieliger Unterstützung ohne Gegenleistung aus. Indem Trump im Wahlkampf beispielsweise die NATO für obsolet erklärte, säte er Zweifel, in welchem Maße die USA weiterhin die europäische Friedens ordnung und osteuropäische Verbündete im NATO-Rahmen verteidigen würden. Auch in diesem Bereich hebt sich die tatsäch- lich verfolgte Politik allerdings vom Diskurs des Der Blick nach Westen 13
Quelle: © Jonathan Ernst, Reuters. Weniger Trump, mehr Europa! Amerikas Schlagseite im Nahen Osten erfordert ein stärkeres europäisches Engagement Edmund Ratka / Marc Frings / Fabian Blumberg Donald Trump setzt den schon von seinem Vorgän- Gemeinsames Interesse an Stabilität – ger Barack Obama eingeleiteten Rückzug der USA aber um welchen Preis? aus den Verstrickungen der arabischen Welt fort und stärkt gleichzeitig die Verbindungen zu tradi Bereits Obama war von der transformativen tionellen US-Verbündeten in der Region. Dazu Agenda für die Region abgerückt, der sich die USA gehört neben dem Lager pro-westlicher sunni unter Präsident George W. Bush verschrieben tischer Staaten – allen voran Saudi-Arabien – auch hatten und die „pro-aktiv“ den demokratischen Israel. Im Nahostkonflikt haben sich die USA deut- Wandel vorantreiben wollten. Nachdem sich die licher denn je an die Seite der Netanjahu-Regierung im „Arabischen Frühling“ aufkeimenden Hoff- gestellt und bislang einseitig den Druck auf die nungen nicht erfüllt haben und angesichts der Palästinenser erhöht. Die Europäer sollten deshalb Sorge vor Terrorismus und neuen Migrationsströ- mehr Verantwortung in ihrer Nachbarschaft über- men hat man sich auch in Europa wieder einem nehmen und die Trump’sche Schlagseite in Nahost Stabilitäts- und Sicherheitsparadigma für den ausbalancieren. Perspektivisch müssen Amerika- Nahen Osten verschrieben. Dass dieses durchaus ner und Europäer – vor allem auch angesichts neu Perspektiven für gemeinsames Handeln ermög- erstarkter Akteure in der Region wie Russland – licht, zeigt sich etwa beim Kampf gegen den soge- allerdings darum bemüht sein, ihre Politikansätze nannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak. wieder näher zusammenzuführen oder im Sinne einer transatlantischen Aufgabenteilung komple- Neben geopolitischen Rivalitäten sind es jedoch mentär zu agieren. letztlich die strukturellen Probleme in den über‑ 14 Auslandsinformationen 1|2019
kommenen Gesellschafts-, Wirtschafts- und Herr- angekündigt, um den Dauerkonflikt zwischen schaftssystemen in den arabischen Ländern, die Israelis und Palästinensern zu lösen, aber bislang die Region in steter Unruhe halten. Angesichts der noch keine Strategie ausformuliert. Fest steht, aktuellen, sehr Status quo- und staatszentrierten dass er in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit US-Nahostpolitik unter Trump, obliegt es den Fakten geschaffen hat, die einseitig die palästinen- Europäern, mit den arabischen Herrschaftseliten sische Seite unter Druck setzen. Dazu gehört die einen kritischen Dialog darüber zu suchen und Anerkennung Jerusalems als israelische Haupt- die Reformkräfte in den Zivilgesellschaften, wo stadt samt Verlegung der US-Botschaft sowie das immer möglich, miteinzubeziehen und zu stärken. Streichen von Hilfsgeldern für die Palästinenser. Geopolitik am Golf: Mit Riad gegen Teheran? Daher ist Europa gefordert, wenigstens eine Überbrückungsstrategie zu entwerfen, um die Während sich Obama gemeinsam mit den Euro- Hoffnung auf das Zustandekommen der Zwei- päern bemühte, Iran sukzessive in eine regio- staatenlösung nicht komplett erodieren zu lassen. nale Sicherheitsarchitektur einzubinden, setzt Da das Oslo-Modell, also bilaterale Verhandlun- Trump auf Eindämmung und erhöht den Druck gen unter der Ägide eines Vermittlers, in den ver- auf die Islamische Republik. Aus dem 2015 unter- gangenen 25 Jahren nicht erfolgreich war, muss zeichneten Atom-Abkommen, das die Europäer Europa über einen alternativen Konfliktregelungs- unbedingt erhalten wollen, stieg er einseitig aus mechanismus nachdenken. Studien zeigen, dass und setzte das Sanktionsregime wieder in Kraft. israelische und palästinensische Mehrheiten für Daneben intensivierte Trump die Beziehungen eine Zweistaatenlösung eher zustande kämen, zu Irans großem Rivalen und dem traditionellen würde ein multilaterales Forum die Umsetzung US-Verbündeten Saudi-Arabien. der Arabischen Friedensinitiative voranbringen. Europa kommt damit eine vermittelnde, deeska- Mehr europäische Verantwortung lierende Rolle zu. Wenn es Saudi-Arabien und die mit ihm verbündeten Golf-Staaten zu einem Es wird Zeit für Europa, mehr Verantwortung konstruktiveren regionalpolitischen Verhalten in seiner unruhigen Nachbarschaft zu überneh- anregen will, sollte es ihnen aber gleichzeitig zu men – dies gilt in Zeiten von Trump umso mehr. verstehen geben, dass es deren Sicherheitsbe- Wo möglich sollte sich Deutschland engagiert denken ernst nimmt. Dazu gehört vor allem, die um transatlantische Zusammenarbeit bemühen. hegemonialen Ambitionen und die expansive Doch vor allem sollte es eine führende Rolle dabei Regionalpolitik des Iran als tatsächliches Prob- einnehmen, europäische Handlungsfähigkeit im lem zu erkennen und sich zu bemühen, diese ein- Nahen Osten zu stärken, sei es im EU-Format, im zuhegen. Eine Kombination aus amerikanischem Rahmen von Ad-hoc-Koalitionen europäischer Druck und europäischen Anreizen gegenüber Staaten (die dann auch das mögliche Nicht-Mitglied Teheran könnte dafür nützlich sein. Großbritannien mit einschließen können) oder deutsch-französischer Zusammenarbeit. Zankapfel Nahostkonflikt: Verspielt Trump die Zweistaaten-Lösung? Dr. Edmund Ratka ist Referent im Team Naher Osten Im israelisch-palästinensischen Konflikt teilen und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung. Amerikaner und Europäer, allen voran die Deut- Marc Frings ist Leiter des Auslandsbüros der schen, das Interesse an der Sicherheit Israels. Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah. Zugleich gehörte bislang das Recht der Palästi- nenser auf Selbstbestimmung und – nach einer Fabian Blumberg ist Leiter des Regionalprogramms Golfstaaten der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz Verhandlungslösung mit Israel – auf einen eigenen in Amman, Jordanien. Staat zum transatlantischen Konsens in Nahost. Trump hat zwar einen „Deal des Jahrhunderts“ Der Blick nach Westen 15
Quelle: © Itar KevinTass, Lamarque, Reuters.Reuters. Viel Lärm um nichts Trumps Afrikapolitik und ihre Folgen für Europa Christoph Plate Die Afrikapolitik Donald Trumps ist dominiert Rhetorische Kehrtwende vom Kampf gegen den Terrorismus und von der Konkurrenz mit China. Gänzlich anders als Obama hat den USA viele Sympathien in Afrika unter seinem Vorgänger Barack Obama ist die eingebracht, auch wenn dies nicht gleichbedeu- Rhetorik des derzeitigen Amtsinhabers gegen- tend war mit mehr finanzieller Unterstützung oder über dem Kontinent. Trump wird deshalb von besseren Handelsbedingungen. Im Grunde hat vielen Beobachtern in Afrika als feindselig und Obama lediglich die Initiativen seiner Vorgänger rassistisch empfunden. Die USA jedoch stehen fortgesetzt und kaum neue Programme einge- in Afrika nach wie vor für das Ideal, dass jeder leitet. Er hat diesen Status quo aber mit wohl- eine Chance hat, und sind unverändert das Ziel klingenden Reden abgefedert. Trump nimmt vieler Auswanderungswilliger. Ein Stipendium solche Rücksichten nicht, setzt aber in Vielem in den USA ist deutlich angesehener als eines an das fort, was Obama auch getan hat. Trumps einer Universität in Peking. Genauso vermitteln Sicherheitsberater John Bolton hat Mitte Dezem- amerikanische Rapmusik oder Kleidung aus den ber 2018 die Afrikastrategie der Trump-Admi- USA immer noch ein Lebensgefühl, an das chi- nistration vorgestellt. Diese lässt sich auf drei nesische Karaokemaschinen nicht heranreichen Punkte reduzieren: wirtschaftliche Erfolge für können. alle Beteiligten, auch um den Chinesen die Stirn 16 Auslandsinformationen 1|2019
zu bieten. Sie und Russland werden als „Raub- die Justiz zu beeinflussen, ist ein Zeichen, dass tiere“ bezeichnet, die Afrika in Abhängigkeit zu man es in Afrika mit bestimmten ehernen Prin- bringen versuchen. Weiter soll der islamistische zipien nicht so genau nehmen muss. Indirekt Terrorismus bekämpft werden und drittens jeder hat zudem Trumps Rückzug aus VN-Organi- ausgegebene US-Dollar amerikanischen Interes- sationen einen Effekt auf Afrika und das euro- sen dienen. päische Engagement dort, da der Staatenbund Ordnungsfunktionen auf dem Kontinent wahr- Wohl kaum ein Land in der westlichen Hemi- nimmt. Vermutlich richtet sich Afrika auf diesen sphäre hat historisch derart belastete Beziehungen Präsidenten ein. Man weiß, dass es nicht länger zu Afrika wie die Vereinigten Staaten von Ame- als acht Jahre dauern kann. Das ist eine über- rika. Selbst Kolonialmächte wie Großbritannien, schaubare Zeit – gerade in Afrika. Frankreich oder Belgien scheinen durch das Erbe des Sklavenhandels nicht so belastet wie die USA. Ein Grund dafür mag in der Tatsache liegen, dass Christoph Plate ist Leiter des Medienprogramms trotz aller anerkannten Freiheiten und Chancen Subsahara-Afrika mit Sitz in Johannesburg, Südafrika. in den USA – anders als bei den europäischen Kolonialmächten – die Geschichte des Rassis mus nachwirkt. Der südafrikanische Komiker Trevor Noah hat Donald Trump als den „perfek ten afrikanischen Präsidenten“ bezeichnet, der eben nur auf dem falschen Kontinent regiere. Trump weise Ähnlichkeiten mit afrikanischen Diktatoren auf: er sei unvorbereitet und versu- che das Recht zu beugen. Auch wenn eine Politik, bei der es weniger um demokratische Werte als um Interessen geht, manchen Potentaten gefal- len mag, so können sie doch die Trump-Rhetorik nicht außer Acht lassen, die Afrika ins Abseits zu stellen sucht. Ein Marshallplan für Afrika? Was bedeutet all das für Europa und für Deutsch- land? Wenn John Bolton von einem Marshallplan spricht, hat er damit keinesfalls ein konkretes Programm verbunden wie jenes der Bundes regierung. So ist auch über das im Dezember von Bolton angekündigte Programm „Prosper Africa“ zur Förderung amerikanischer Investi tionen in Afrika nach wie vor wenig bekannt. Dass Europa ein Problem mit Migration aus Afrika hat, war auch schon Obama relativ gleich- gültig. Markanter wird sich auswirken, dass die Demokratieförderung, wie sie bisher von den USA und den Europäern in Afrika betrieben wurde, vor allem zu einem europäischen Anlie- gen werden könnte. Dass Trump keine große Achtung für die Gewaltenteilung zu haben scheint, die Presse attackiert und mit Tweets versucht, Der Blick nach Westen 17
Quelle: © Itar Marcos Tass,Brindicci, Reuters. Reuters. Trump, China und Europa Was vom „Pivot to Asia“ übrig blieb Rabea Brauer / Alexander Badenheim Donald Trumps Präsidentschaft hat zahlreiche Chinas in Asien betrachtet. Die Abkehr der USA globale Veränderungen mit sich gebracht, nicht aus der Partnerschaft bedeutet jedoch nicht, dass zuletzt auch für den indo-pazifischen Raum. Trump China in der Region frei gewähren lässt – Neben der konfrontativen Handelspolitik, die vor im Gegenteil. allem China betrifft, ergaben sich daraus in den vergangenen zwei Jahren auch für andere Staaten Gemeinsam mit Indien, Japan, Australien und in der Region große Herausforderungen. weiteren Partnern streben die USA derzeit mit dem Free and Open Indo-Pacific-Konzept sowie Trumps Rückzug aus der dem Quadtrilateral Security Dialogue de facto ein Transpazifischen Partnerschaft Gegengewicht zum wachsenden chinesischen Einfluss in der Region an. Aufgrund der Uneinig- Der bereits während des Präsidentschaftswahl- keit, die unter den beteiligten Ländern über den kampfs von Donald Trump angekündigte Rückzug Umgang mit China herrscht, haben die Initiati- aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) traf ven bisher allerdings keine konkreten Ergebnisse zahlreiche Partner der USA in der Region hart und gebracht. Das liegt unter anderem auch an der sorgte für einen Ansehensverlust Washingtons. Bedeutung, die China vor allem wirtschaftlich für Dies betraf nicht nur wirtschaftliche, sondern auch zahlreiche Länder der Region einnimmt. sicherheitspolitische Interessen. Unter Trumps Vorgänger Barack Obama wurde TPP schließlich auch als Gegengewicht zum wachsenden Einfluss 18 Auslandsinformationen 1|2019
Freihandel ohne Amerika? gemeinsame Kritik an Trumps Abkehr von der auf verbindlichen Regeln gegründeten Weltwirt- Während die meisten europäischen Akteure und schaftsordnung beide Länder augenscheinlich eine Vielzahl der asiatischen Länder in der Ver- zusammenschweißen müsste, bleiben systemi- gangenheit eine enge Abstimmung mit den USA sche und ideologische Differenzen weiter beste- suchten, müssen sie seit dem Amtsantritt Trumps hen. Mit den USA hat Deutschland in diesem und seinem Rückzug aus globalen Abkommen Bereich einen traditionellen Verbündeten, der und multilateralen Institutionen nun selbst mehr ungeachtet der derzeitigen Konfliktlinien z. B. in Verantwortung übernehmen. In Sachen Freihandel der Handelspolitik langfristig ein strategischer konnten die EU und Asien bereits einige Erfolge Partner bleiben wird. Zudem stellen der Verlust verzeichnen, die auch ein klares Zeichen gegen geistigen Eigentums, Marktbeschränkungen in protektionistische Handelspraktiken und für eine China und die Sorge vor staatlich gesteuerten multilaterale Zusammenarbeit setzen. So schloss strategischen Investitionen in heimische Schlüs- die EU z. B. erfolgreich Freihandelsabkommen seltechnologien vor allem auch aus deutscher mit Japan, Vietnam und Singapur ab. Sicht ein großes Problem dar. Das derzeit verhan- delte Investitionsschutzabkommen zwischen der Allerdings sieht die EU in Asien auch neue Heraus EU und China zeigt jedoch, dass auch weniger forderungen auf sich zukommen. So werden konfrontative und gemeinsam mit China ausge- Chinas rege Aktivitäten im Rahmen der Seiden handelte Ansätze zur Lösung von wirtschaftspo- straßeninitiative auch seitens der EU kritisch litischen Streitpunkten gefunden werden können. beobachtet. Bei handelspolitischen Fragen tei- len die Europäer viele Kritikpunkte der USA an Letztlich können die EU und die USA nur China. Der Ansatz, den Deutschland und die EU geschlossen die von beiden Seiten geforderte zur Beilegung dieser Unstimmigkeiten verfolgen, Modernisierung des Welthandelssystems herbei unterscheidet sich dabei jedoch von der konfron- führen und so anpassen, dass Länder, die bisher tativen amerikanischen China-Politik. überproportional stark vom derzeitigen System profitiert haben, sich genauso an die Spielregeln Trumps harter Kurs gegenüber China halten müssen wie alle anderen. Fest steht jedoch, dass die existierenden Institutionen nur gemein- Neben dem enormen Handelsdefizit in Höhe von sam mit China, das sich eindeutig zu multilate- 335 Milliarden US-Dollar wirft Trump China vor ralen Institutionen wie der WTO und Freihandel allem unfaire Handelspraktiken vor. Das betrifft bekannt hat, reformiert werden können. Nur u. a. die aus staatlichen Subventionen resultieren- so lassen sich faire Bedingungen für alle Seiten den Marktverzerrungen sowie den einseitigen schaffen. Technologie- und Knowhow-Transfer, der sich durch den in China in vielen Branchen verbrei- teten Joint-Venture-Zwang ergibt. Der Konflikt Rabea Brauer ist Leiterin des Teams Asien der verdeutlicht jedoch, dass es hier nicht nur um Konrad-Adenauer-Stiftung. handelspolitische Fragen geht. Die USA sehen im Alexander Badenheim ist Referent im Team Asien wirtschaftlichen Aufstieg Chinas auch ein strate- der Konrad-Adenauer-Stiftung. gisches Problem und betrachten die Volksrepublik als einen Staat, der Macht, Einfluss und Interessen der USA herausfordert und Sicherheit und Wohl- stand in den Vereinigten Staaten untergräbt. Peking ist nicht das neue Washington! Obwohl die engen wirtschaftlichen Verflechtun- gen zwischen Deutschland und China sowie die 19
Quelle: © Itar Tass, Reuters. Mehr als Mauern Lateinamerikas Rolle im Dreieck mit Europa und den USA Hans-Hartwig Blomeier / Patricio Garza Girón / Christian E. Rieck Die transatlantischen Beziehungen sind seit dem der Organisierten (Drogen-)Kriminalität, die Amtsantritt Donald Trumps in eine schwierige Fortführung des kolumbianischen Friedenspro- Phase eingetreten. Eine Hinwendung Deutsch- zesses und die durch das Regime Maduro ver- lands und Europas zu Lateinamerika könnte die ursachte humanitäre Katastrophe in Venezuela transatlantischen Beziehungen um neue Partner bleiben für beide Seiten dringlich und relevant. und neue Themen erweitern, ohne den Kontakt zu Washington abreißen zu lassen. Für die lateinamerikanischen Länder wird es in den nächsten Jahren vor allem darum gehen, Trump und Lateinamerika Trumps Aufmerksamkeit zu erregen und die USA (wieder) für die Region zu interessieren. Das weist Der zuweilen ruppige Ton und die strategische schon darauf hin, dass im Weißen Haus bereits Orientierungslosigkeit im Weißen Haus erschwe- lange vor Trump ein ausgeprägtes Desinteresse ren die Zusammenarbeit zwischen Lateiname- gegenüber der Region existierte – und erklärt, rika und den USA erheblich. Das sollte aber jedenfalls teilweise, wieso die lateinamerikanische nicht darüber hinwegtäuschen, dass die geteilte Verstörung über das Phänomen Trump jenseits Wertebasis wie auch die gemeinsamen wirt- von Mexiko und Kuba relativ gering ausfällt. schaftlichen, sicherheitspolitischen und regional- politischen Interessen von dieser Verschiebung Chancen für Europa in Stil und Substanz wenig berührt werden. Herausforderungen wie das Management der In der jüngsten Entfremdung zwischen Washington Migrationsströme in der Region, das Ausufern und Berlin und dem Desinteresse Trumps gegen‑ 20 Auslandsinformationen 1|2019
über Lateinamerika liegt aus deutscher und euro- leicht auch Ecuador. Diese Länder haben sich päischer Sicht auch die Notwendigkeit und Chance, eindeutig dem Multilateralismus und dem freien die eigene internationale Rolle neu zu definieren Welthandel verschrieben. Wegen der dynami- sowie alte und neue Partnerschaften zu vertiefen. schen und konsequenten Öffnung dieser Länder in Richtung China, müsste Europa hier offensiv Eine Reihe lateinamerikanischer Staaten bieten definieren, welche Vorteile und Kooperations sich hier als Partner an, einerseits, weil die Region gewinne für alle Beteiligten in einer „Erweiterten mit dem Westen grundsätzlich Grundwerte und Transatlantischen Partnerschaft“ liegen. Strukturprinzipien teilt, andererseits weil auch die USA und Europa in der Region noch immer Mexikos Sonderrolle wichtige Ziele und Interessen teilen – so etwa die Erhaltung der demokratischen und rechtsstaat Mexiko spielt in diesen Überlegungen eine gewich- lichen Ordnung in Lateinamerika sowie die wei- tige Sonderrolle – wegen seiner geografischen Nähe tere Stabilisierung und Entwicklung der Region zu den USA sowie den wirtschaftlichen, kulturellen durch die Bekämpfung von Organisierter Krimi- und sozialen Verflechtungen beider Länder. Auch nalität und Staatenfragilität. das neu verhandelte Nordamerikanische Freihan- delsabkommen (NAFTA) hat trotz des aufgeheizten Partnerpotenziale in Lateinamerika Diskurses Mexikos Rolle als „verlängerte Werkbank der USA“ nicht nachhaltig beschädigt. Mexiko ist Innerhalb Lateinamerikas können derzeit drei die zweitgrößte Volkswirtschaft der Region und Ländergruppen identifiziert werden: Erstens die EU ist nach den USA und China sein drittwich- die Mitglieder der ALBA-Allianz, gegründet von tigster Handelspartner, seit April 2018 gar mit eige- Hugo Chávez, inzwischen aber wirtschaftlich nem Freihandelsabkommen. Mit Mexiko verbindet und politisch erheblich geschwächt: Venezuela, Deutschland darüber hinaus eine ambitionierte Bolivien, Kuba, mit Abstrichen Nicaragua. Eine Entwicklungsagenda auf der globalen Ebene wie transatlantische Kooperation mit diesen Ländern auch in Drittstaaten, vor allem in Lateinamerika. ist weder politisch opportun noch – bis auf punk tuelle Projekte – wirtschaftlich interessant. Hier liegt für Deutschland und Europa eine außer- gewöhnliche Chance, über Mexiko einen neuen Eine zweite Kategorie sind die Länder, die Kommunikationskanal zur Trump-Administration dem freien Welthandel und einer Kooperation zu eröffnen. Wie sich der jüngste Regierungswech- mit Europa deutlich offener gegenüberstehen, sel in Mexiko diesbezüglich auswirken wird, hängt zwar noch keine bilateralen Handelsabkom- entscheidend von der persönlichen Chemie zwi- men mit Europa haben, diese aber im Kollektiv schen Andrés Manuel López Obrador und Donald (Mercosur) oder als Einzelstaaten anstreben: Trump ab – und auch davon, inwieweit beide Argentinien, Uruguay, Paraguay sowie v. a. Präsidenten zulassen, dass die vielbeschworene Brasilien. Allerdings ist gerade Brasilien wegen Mauer zwischen den beiden Staaten die bilatera- seiner politischen Turbulenzen ein Paradebei- len Beziehungen definiert. spiel für enttäuschte Hoffnungen mit Blick auf eine engere Partnerschaft mit Lateinamerika. Der jüngste Wahlerfolg Jair Bolsonaros hat Bra- Hans-Hartwig Blomeier ist Leiter des Auslandsbüros siliens Position in der Region jedenfalls weiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko. geschwächt. Was er mittel- und langfristig für Patricio Garza Girón ist Projektmanager im Auslands das Verhältnis zwischen Brasília und Washington büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko. bedeutet, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Christian E. Rieck ist Senior Analyst für Regional mächte und Regionalintegration am Global Governance Die dritte und interessanteste Gruppe aus trans Institute in Brüssel sowie wissenschaftlicher Mitarbei atlantischer Sicht bilden die Mitglieder der Pazifik- ter an der Universität Potsdam. Allianz: Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru, bald viel‑ Der Blick nach Westen 21
Quelle: © Itar Tass, Reuters. Quelle: © Carlos Barria, Reuters. „America First“ Sicherheitspolitik in der Ära Trump Nils Wörmer / Benjamin Fricke Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA stellte Verunsicherung auslöste, ansonsten aber am in den ersten beiden Jahren unter Präsident NATO-Engagement der USA festhält, ja dieses Trump in ihren Grundzügen die Zusammen- durch die Aufwertung der European Deterrence Ini- führung wesentlicher Elemente der Politiken tiative sogar erweitert hat. Die Kritik an der unglei- der beiden Amtsvorgänger Obama und Bush in chen Lastenverteilung mit Blick auf die niedrigen übersteigerter Form dar. Die starke unilaterale Verteidigungsausgaben vieler NATO-Mitglieder ist Ausrichtung der Bush-Administration sowie der ebenfalls nicht neu, wird aber von Trump mit neuer Teilrückzug aus dem Nahen Osten und Europa Lautstärke und Radikalität vorgebracht. Zwar ist unter Präsident Obama wurden nicht nur über- das bereits 2002 vereinbarte und 2014 erneut fest- nommen, sondern dahingehend fortgeführt, geschriebene Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlands dass die USA aus zentralen bestehenden multi- produktes für Verteidigung auszugeben, rechtlich lateralen Formaten ausgestiegen sind oder ihren nicht bindend, jedoch sollte gerade Deutschland Ausstieg ankündigten. Neu ist unter Trump vor mit seinem immer wieder artikulierten Anspruch, allem die Radikalität der Rhetorik und in weiten mehr Verantwortung übernehmen zu wollen, hier Teilen auch des Vorgehens. mit gutem Beispiel vorangehen. Die von Deutsch- land in Aussicht gestellten eineinhalb Prozent sind Viel Lärm um nichts bei der NATO? jedenfalls nicht ausreichend, um zu einer seriösen Verteidigungspolitik zurückzukehren, bleiben deut- Mit Blick auf die NATO-Politik unter Trump ist fest- lich hinter den Erwartungen der Verbündeten zustellen, dass der Präsident durch seine Bemer- zurück und verfehlen letztendlich die von der kung, das Bündnis sei „obsolet“, zwar massive Bundesregierung international gemachten Zusagen. 22 Auslandsinformationen 1|2019
Paradigmenwechsel bei bestehen: Gegenwärtig – und voraussichtlich internationalen Verträgen noch auf Jahre – sind die USA weltweit die einzige Nation, die in der Lage und – unter bestimmten Abgesehen von den verbalen Attacken gegen Voraussetzungen – willens ist, Deutschland und NATO, EU und VN stellen die tatsächlichen seine europäischen Verbündeten gegen jedwede und angedrohten Aufkündigungen von inter- derzeit denkbare Bedrohung effektiv zu schützen. nationalen Vertragswerken einen Wendepunkt Dies schließt symmetrische, asymmetrische und mit sicherheitspolitischer Dimension im trans hybride Bedrohungen in allen fünf Dimensionen atlantischen Verhältnis dar. Das betrifft nicht nur der Kriegführung, (Land, Luft, See, Welt- und den – auch mit Sicherheitserwägungen begrün- Cyberraum) ein. Die EU wird dieses Maß an deten – Ausstieg der USA aus der Klimaverein‑ Sicherheit auf absehbare Zeit nicht bereitstellen barung von Paris, sondern auch die Aufkündigung können und ist – auf sich allein gestellt – nur sehr des Nuklearabkommens mit dem Iran und den bedingt in der Lage Europa zu verteidigen. unter Vorbehalt angekündigten Rückzug vom INF-Vertrag (Washingtoner Vertrag über nukleare Die Herstellung autonomer europäischer Ver- Mittelstreckensysteme). Während Trump dem teidigungsfähigkeit wird, selbst wenn es gelin- INF-Vertrag verbunden mit einem 60-tägigen gen sollte, die hierfür notwendigen politischen Ultimatum an die russische Regierung theoretisch Rahmenbedingungen zeitnah zu schaffen, ein noch eine Chance gibt, kündigte sein Außen außerordentlich langwieriger Prozess werden. minister nicht weniger als die radikale Abkehr von Dieser wird derzeit neben den strukturellen der weltweiten Sicherheitsarchitektur, wie sie sich Herausforderungen und dem aufzuholenden in ihren Grundzügen seit 1945 entwickelt hat, an. technologischen Rückstand der Europäer, ins- Nicht zuletzt die Ankündigungen des Truppen- besondere in der Cyber-Kriegführung und im abzugs aus Syrien und der Truppenreduzierung Bereich der technischen nachrichtendienstlichen in Afghanistan deuten auf einen Paradigmen- Aufklärung, vor allem von der Haltung Londons wechsel ganz im Sinne des viel propagierten und Berlins beeinträchtigt. Durch den Austritt „America first“ hin. Großbritanniens aus der EU verliert diese den leistungsfähigsten und leistungswilligsten sicher- Keine Sicherheit ohne die USA heitspolitischen Akteur auf dem europäischen Kontinent. Deutschland hat seinen Status als Während die transatlantischen Gemeinsamkei- Garant und Rückgrat der konventionellen Ver- ten in der Sicherheitspolitik definitiv weniger teidigung Europas verloren und ist weit davon geworden sind, bleibt die NATO das mit Abstand entfernt diesen zurückzugewinnen. wichtigste gemeinsame Projekt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Allianz die einzige interna- Deutschland und seine Verbündeten sollten des- tionale Organisation zu sein scheint, deren Nut- halb klar herausstellen, dass sich die jüngsten zen Präsident Trump einigermaßen anerkennt. Bemühungen, „mehr Europa“ in der Sicherheits- Deutschland und die europäischen NATO-Part- und Verteidigungspolitik zu erreichen, nicht ner haben ihrerseits in Ansätzen erkannt, dass gegen die USA richten, sondern im Gegenteil diese US-Administration das Thema der gleichen darauf abzielen, die Lastenverteilung innerhalb Lastenverteilung sehr ernst meint und sich wahr- der NATO durch Stärkung des europäischen Pfei- scheinlich nicht noch einmal vertrösten lassen lers ausgeglichener zu gestalten. wird, was finanzielle Zusagen und die Erfüllung von Bündnisverpflichtungen anbelangt. Nils Wörmer ist Leiter des Teams Außen-, Sicherheits- Denn während europäische Experten darüber und Europapolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung. streiten, ob „strategische Autonomie“ gegen- Benjamin Fricke ist Referent für Sicherheitspolitik über den USA und eine europäische Armee Visi- der Konrad-Adenauer-Stiftung. onen oder Illusionen sind, bleibt eine Tatsache Der Blick nach Westen 23
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