Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge - Schweizer Armee
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stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 1 www.armee.ch/stratos Praxis Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge LU K A S S C HM U C KI , DANIE L B E T S C HAR T, AD RIAN B Ü HLE R , FAD RI LE N G G E NHAG E R , Luftwaffenstab, Stabsteil Doktrin Luftwaffe Der Artikel untersucht die mediale Reso- abstimmung über den jüngsten Planungs- nanz auf die Schweizer Luftwaffe und im beschluss (2020) die Präsenz der Luft- Besonderen die Beschaffung neuer Kampf- waffe in den Medien war, welche Themen flugzeuge über drei Beobachtungszeit- medial besonders interessierten und wel- räume hinweg. Es wird analysiert, wie im che nicht, welcher Grundtenor in den Me- Vorfeld und unmittelbar nach der Volksab- dien vorherrschte und welche Kritikpunkte stimmung über den Gripen (2012 bis 2014), wiederholt zur Sprache gebracht wurden. in der Phase der Lancierung des Nachfol- Der Artikel schliesst mit einem Ausblick geprojekts Air2030 (2015 bis 2019) sowie der Autoren. im Vorfeld und unmittelbar nach der Volks- Korrespondenzadresse: lukas.schmucki@sg.ch FAC H O F (M A J) FAC H O F (H P T M) LU K A S S C H M U C K I lic.rer.publ.HSG, A D R IA N B Ü H LE R lic.phil. I, ist Leiter der Parlamentsdienste des Kantons ist Mitinhaber einer Luzerner Kommunika- St. Gallen. tionsagentur. FAC H O F (H P T M) FAC H O F (H P T M) FA D R I LE N G G E N H AG E R lic.iur. et DA N I E L B E T S C H A R T lic.iur.HSG, lic.rer.publ.HSG, ist als Rechtsanwalt in Zürich ist selbständiger Rechtsanwalt in Oberuzwil. tätig.
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 2 www.armee.ch/stratos Der Artikel beginnt mit einem groben Überblick über Anwürfen gegen Mitglieder des Bundesrates und Kader die Erneuerung der Schweizer Luftwaffe seit den der Armee nicht haltmachte. 1990er-Jahren. Der Überblick dient der thematischen und zeitlichen Einbettung der drei Zeiträume, für wel- 2014 war es darum gegangen, für 3,1 Mrd. Franken 22 che die mediale Resonanz auf die Schweizer Luftwaffe Kampflugzeuge des Typs Gripen E zu beschaffen, um und die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge unter- die veralteten Kampfflugzeuge des Typs F-5 Tiger zu sucht wurde. Für die drei Beobachtungszeiträume – ersetzen (sog. Tiger-Teilersatz TTE). Nicht durch die die «Gripen-Abstimmung», das Projekt Air2030 und die Gripen abgelöst worden wären die F/A-18 im Dienst Abstimmung über den Planungsbeschluss – werden der Schweizer Luftwaffe. Dem Entscheid für den Gri- jeweils einzelne Aspekte der medialen Resonanz ge- pen vorangegangen war ein Evaluationsverfahren, in bündelt und miteinander in Beziehung gebracht, wo- dem nebst dem schwedischen Gripen auch die fran- bei die Erkenntnisse aus der Berichterstattung über zösische Rafale und der Eurofighter von EADS3 evalu- die Volksabstimmung über das Gripen-Fonds-Gesetz iert worden waren. Dieses Evaluationsverfahren und als primäre Bezugspunkte dienen. Im Fazit wagen die die darauf basierende Typenwahl des Bundesrates wa- Autoren eine zusammenfassende Bewertung und einen ren in der Folge Objekt zahlreicher Spekulationen und persönlichen Ausblick. Kontroversen. Es wurde teils offen in Frage gestellt, ob der Gripen in der Evaluation die definierten Kriterien überhaupt erfüllt hatte. Das Parlament stützte den Ent- scheid des Bundesrates mit deutlichen Mehrheiten4, Die Erneuerung der Schweizer Luftwaffe Nach- wobei im Ständerat in einer ersten Abstimmung bei dem die Bundesversammlung am 20. Dezember 2019 der Ausgabenbremse das erforderliche qualifizierte mit klaren Mehrheiten1 den Planungsbeschluss über Mehr verpasst wurde. die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge verabschiedet hatte, stimmte die Stimmbevölkerung am 27. Septem- Nach dem Nein zum Gripen-Fonds-Gesetz hielt der ber 2020 der Vorlage mit 50,1 Prozent äusserst knapp Bundesrat in seinem Konzept zur langfristigen Siche- zu. Mit dem Beschluss wurde der Bundesrat beauftragt, rung des Luftraums vom 27. August 20145 fest, dass neue Kampfflugzeuge zu beschaffen und bis Ende 2030 der Bedarf nach einem neuen Kampfflugzeug weiter- einzuführen. Dafür stehen höchstens 6 Mrd. Franken hin bestehe und dass in drei bis vier Jahren eine ent- zur Verfügung. Parallel läuft die Beschaffung eines Sys- sprechende Beschaffung eingeleitet werden solle. Am tems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer 24. Februar 2016 wurde der Bundesrat über die geplan- Reichweite. Die beiden Beschaffungsprojekte seien ten Vorbereitungsarbeiten zur Evaluation eines neuen «zeitlich und technisch» zu koordinieren.2 Kampfflugzeugs informiert. In der Folge setzte das Eid- genössische Departement für Verteidigung, Bevölke- Mit der Abstimmung über den Planungsbeschluss rungsschutz und Sport (VBS) eine interne Experten- stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung – direkt gruppe ein, die von einem externen Begleitgremium oder indirekt – ein drittes Mal über die Beschaffung unterstützt wurde. Am 30. Mai 2017 wurden der Grund- neuer Kampfflugzeuge ab. Am 6. Juni 1993 hatten die lagenbericht der Expertengruppe und die Empfehlun- Stimmberechtigten mit 57,1 Prozent die Volksinitia- gen der Begleitgruppe publiziert. tive «Für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge» abgelehnt und auf diese Weise die Beschaffung von Am 7. November 2017 erteilte der Bundesrat dem VBS 34 Kampfflugzeugen des Typs F/A-18 C/D Hornet er- die Befugnis, die Erneuerung der Mittel zum Schutz möglicht. Am 18. Mai 2014 war das sogenannte Gripen- des Luftraums (neue Kampfflugzeuge und ein boden- Fonds-Gesetz mit 53,4 Prozent in einer Volksabstim- gestütztes Luftverteidigungssystem grösserer Reich- mung abgelehnt worden. Damit wurde die Beschaffung weite) im Umfang von höchstens 8 Mrd. Franken zu von 22 Kampfflugzeugen des Typs Gripen E verhindert. planen («Air2030»). Am 25. Januar 2019 wurden dem Dem Nein an der Urne war ein aussergewöhnlich kon- Bundesamt für Rüstung (armasuisse) fünf Offerten für troverser Abstimmungskampf vorausgegangen, der neue Kampfflugzeuge übergeben: Eurofighter (Airbus), politische Gräben aufriss und auch vor persönlichen F/A-18 Super Hornet (Boeing), Rafale (Dassault), F-35A (Lockheed Martin) und Gripen E (Saab). Zwischen April
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 3 www.armee.ch/stratos und Juni 2019 wurden die Kampfflugzeuge in Payerne und unmittelbar nach der Volksabstimmung über den einer Flug- und Bodenerprobung unterzogen, wobei Gripen (2012 bis 2014), in der Phase der Lancierung des der Gripen E nicht an dieser Erprobung teilnahm und Nachfolgeprojekts Air2030 (2015 bis 2019) sowie im Vor- aus dem Auswahlverfahren ausschied. Im Mai 2019 feld und unmittelbar nach der Volksabstimmung über wurden zudem drei Zusatzberichte publiziert: eine den jüngsten Planungsbeschluss (2020). Alle Beiträge Zweitmeinung zum Grundlagenbericht der Experten- nahmen Bezug zur Beschaffung von Kampfflugzeugen gruppe vom 30. Mai 2017 («Bericht Nicollier»), eine Be- oder zur Luftwaffe im Allgemeinen. Die Analyse ist urteilung von Offsets6 bei Rüstungsbeschaffungen («Be- zwar breit abgestützt, erhebt aber keinen Anspruch richt Grüter») sowie ein Bericht zur Bedrohungslage auf Vollständigkeit. und den Konsequenzen für den Schutz des Luftraums. Die berücksichtigten Beiträge entstammen der Aar- Nach dem Ja in der Volksabstimmung über den Pla- gauer Zeitung, der Basler Zeitung, der Berner Zeitung, nungsbeschluss am 27. September 2020 ist im Jahr 2021 dem Blick, dem Bund, der Luzerner Zeitung, der Neuen mit dem Typenentscheid durch den Bundesrat und im Zürcher Zeitung (NZZ), dem St. Galler Tagblatt, der Jahr 2022 mit dem Beschaffungsantrag des Bundesrates SonntagsZeitung und dem Tages-Anzeiger. Die Aus- zuhanden des Parlamentes zu rechnen, dann zusam- wahl basiert auf einem kontinuierlichen Medienmo- men mit dem neuen System der bodengestützten Luft- nitoring, mit dem eine grosse Zahl an Deutschschwei- verteidigung grösserer Reichweite. Die Auslieferung zer Pressetiteln mit Suchbegriffen wie «Luftwaffe» oder der neuen Kampfflugzeuge und des neuen Systems der «Kampfflugzeug» durchsucht wurde. bodengestützten Luftverteidigung ist für die Jahre 2025 bis 2030 geplant. Offen ist derzeit, ob die Beschaffung der Kampfflugzeuge im Lauf dieses Prozesses noch mit Die «Gripen-Abstimmung» von 2014 einer Volksinitiative, die z. B. den Entscheid über den im Spiegel der Medien Flugzeugtyp an die Urne bringen will – aufgrund der Der Grundtenor der analy- engen zeitlichen Verhältnisse ist von einer «Express- sierten Beiträge lässt sich als sachlich und im Allgemei- Initiative» die Rede –, in Frage gestellt werden wird.7 nen der Armee gegenüber wohlgesinnt beschreiben. Der Bedarf als solcher nach einem neuen Kampfflug- zeug wurde in den Medien grundsätzlich anerkannt.8 Fundamentalkritik wurde – von einzelnen, jedoch pro- Hinweise zum methodischen Vorgehen Die minenten Ausnahmen abgesehen9 – kaum geübt. nachfolgenden Ausführungen basieren auf einer Ana- lyse von Beiträgen in der Deutschschweizer Presse. Gleichwohl zeigt sich ein Muster von wiederkehren- Analysiert wurden, wie die Präsenz der Luftwaffe in den Kritikpunkten. Während in einer frühen Phase, den Medien ist, welche Themen medial besonders in- mehrere Monate vor dem Abstimmungstermin, eher teressieren und welche nicht, welcher Grundtenor sachliche Aspekte (insbesondere die Typenwahl) be- in den Medien vorherrscht und welche Kritikpunkte mängelt wurden, waren gegen Ende des Abstimmungs- wiederholt zur Sprache gebracht werden. Berücksich- kampfs und insbesondere im Rahmen der medialen tigt wurden ausschliesslich redaktionelle Beiträge und Deutung des Abstimmungsergebnisses vermehrt auch Kommentare mit zumindest minimalem Positionsbe- personalisierte Vorwürfe und Schuldzuweisungen aus- zug der Autorin oder des Autors. Keine Berücksichti- zumachen. In den folgenden Abschnitten wird auf ein- gung fanden rein beschreibende Beiträge, Interviews zelne Kritikpunkte näher eingegangen. oder Agenturmeldungen. Kritik an Evaluation und Typenwahl: Ein erster Schwer- Im vorliegenden Artikel werden die wichtigsten Ergeb- punkt der analysierten Beiträge betraf das Evaluations- nisse der Analyse präsentiert. Auf quantitative Auswer- verfahren und die Typenwahl. Kritisiert wurde nament- tungen wurde bewusst verzichtet, da die Fragestellun- lich, dass die Beschaffung des Gripen E zum Vornherein gen wie auch das vorhandene Untersuchungsmaterial mit grossen Risiken verbunden sei. So machte insbe- eine qualitative Analyse erfordern. Die Beiträge er- sondere der wirkmächtige Begriff des «Papierfliegers» schienen in drei Beobachtungszeiträumen: im Vorfeld medial die Runde.10 Mit diesem – massgeblich von der
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 4 www.armee.ch/stratos Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) geschaffe- nen und verbreiteten11 – Begriff war gemeint, dass der Gripen E zum Zeitpunkt der Volksabstimmung noch nicht fertig entwickelt war, also gewissermassen erst auf Papier existierte. In mehreren Beiträgen wurde der Gripen zudem als je- nes Kampfflugzeug dargestellt, das im Evaluationsver- fahren vermeintlich am schwächsten abgeschnitten Bundesrat Ueli Maurer, damaliger Vorsteher des VBS, an einer Medien- hatte bzw. am schlechtesten bewertet worden war.12 konferenz zur Volksabstimmung über die Gripen-Beschaffung. Dass der Gripen im Evaluationsverfahren nicht oben- Die Befürworterinnen und Befürworter der Beschaffung mussten sich aus schwang, räumten im Übrigen selbst Befürworter gegen starke mediale Kritik wehren. (Bild: Keystone, Lukas Lehmann) der Beschaffung ein.13 Grundlage dieser Einschätzung waren Bewertungen in einem vertraulichen Evalua- tionsbericht aus den Jahren 2008/2009, der im Februar Ohne den Bedarf eines neuen Kampfflugzeugs grund- 2012 publik wurde.14 Der Bundesrat sprach hingegen sätzlich in Abrede zu stellen, wiesen vereinzelte Bei- von «Missverständnissen» und brachte vor, dass er sich träge zudem auf die Vorteile einer Ein-Modell-Flotte für «ein geeignetes und kostengünstiges System» ent- hin und damit gleichzeitig auf die Nachteile eines schieden habe, «ohne sich auf mögliche maximale Leis- Parallelbetriebs von F/A-18- und Gripen-Kampfflug- tungen auszurichten».15 zeugen.20 Schliesslich wurde beanstandet, dass Ver- wirrung herrsche, ob es bereits einen «Plan B»21 gebe Ebenfalls auf Kritik stiess schliesslich das Engagement für den Fall, dass die Gripen-Beschaffung in der Volks- des Gripen-Herstellers Saab bzw. der schwedischen Re- abstimmung scheitert.22 gierung während des Abstimmungskampfs.16 Bean- standet wurde zum Beispiel, dass Saab im Januar 2014 Personenbezogene Kritikpunkte: Als sich das Nein in der mit einem Informationsstand und einem grossflächi- Volksabstimmung über das Gripen-Fonds-Gesetz ab- gen Plakat am Lauberhornrennen in Wengen präsent zeichnete und nachdem die Ablehnung feststand, war. Noch höher gingen die Wogen, als wenig spä- wurde immer mehr auf politische Begleitfaktoren hin- ter das schwedische Radio ein vertrauliches Schreiben gewiesen, die für die Gripen-Befürworter ungünstig des damaligen schwedischen Botschafters in Bern ver- ausfielen. Im Vordergrund standen dabei deutlich ar- öffentlichte, in dem dargelegt wurde, wie Schweden tikulierte personenbezogene Kritikpunkte, die beson- den Abstimmungskampf in seinem Sinn beeinflussen ders auf die politischen Verantwortungsträger und de- könne. ren Kampagnenführung zielten.23 Kommunikative Mängel: In den analysierten Beiträgen Hinzu kam, dass auch der Luftwaffe grundsätzlich werden im Weiteren Ungereimtheiten oder gar offene wohlgesinnte Persönlichkeiten aus dem bürgerlichen Widersprüche in der Kommunikation der Armee und Lager zu den Kritikern oder gar Gegnern der Gripen- von ihr nahestehenden Personenkreisen kritisiert. So Beschaffung gehörten. Dazu zählten Nationalräte von wurde der Luftwaffe wiederholt vorgehalten, nicht mit den Grünliberalen bis zur SVP. Weil ein Teil von ihnen einer Stimme zu sprechen. Verschiedentlich wurde zudem als Offiziere der Schweizer Armee über eine in den Raum gestellt, dass die Typenwahl selbst ar- hohe Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Beschaffung meeintern – insbesondere auch unter den Piloten der der Kampfflugzeuge verfügte, fand ihre Kritik beson- Luftwaffe – umstritten sei.17 Weiter orteten verschie- dere Beachtung. Auf diese Kritiker aus dem armee- dene Kommentatorinnen und Kommentatoren wi- freundlichen Lager wiesen mehrere Beiträge hin24, dersprüchliche Aussagen der Armee in Bezug auf die und tatsächlich zeigte auch die VOX-Analyse zur Volks- 24-Stunden-Einsatzbereitschaft der Luftwaffe18 und im abstimmung, dass fast ein Viertel jener Stimmberech- Zusammenhang mit der geplanten Ausmusterung bzw. tigten, die sich als Befürworter einer starken Armee der verbleibenden Einsatzdauer des F/A-18.19 bezeichnen, das Gripen-Fonds-Gesetz ablehnte.25
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 5 www.armee.ch/stratos Aspekte mit wenig medialer Resonanz: Aus heutiger Sicht Stellenwert ein, den die Nein-Kampagne der Frage zu- fällt auf, dass bei der Gripen-Beschaffung Aspekte, de- mass und den man angesichts der Grössenordnung ren Thematisierung hätte erwartet werden können, vielleicht auch hätte erwarten können. Die VOX-Ana- nicht oder nur am Rand Eingang in die mediale Bericht- lyse zur Volksabstimmung kam allerdings zum Schluss, erstattung fanden. Darunter fallen insbesondere die dass – trotz der geringen medialen Gewichtung – bei konkreten Bedrohungsszenarien, die Kosten der Be- den Nein-Stimmenden eindeutig finanzpolitische Mo- schaffung und die Kompensationsgeschäfte, die Grund- tive den Ausschlag für ihr Nein gaben.29 satzfrage «Ja oder Nein zur Armee» sowie die kontro- verse Frage der Erdkampf-Fähigkeit. Wenig bis gar nicht kamen die beabsichtigten Kom- pensationsgeschäfte30 zur Sprache. Dies mag des- Insgesamt lässt sich feststellen, dass die analysierten halb erstaunen, weil die Frage der Kompensationsge- Beiträge die Frage der Gripen-Beschaffung und damit schäfte in der parlamentarischen Debatte stets viel die Frage der Notwendigkeit einer schlagkräftigen Luft- Platz einnimmt und auch seitens der betroffenen Wirt- waffe wenig in den Kontext konkreter Bedrohungssze- schaftszweige stark hervorgehoben wird. Die Kompen- narien setzten. Dies erstaunt umso mehr, als Russland sationsgeschäfte, verbunden mit dem Argument der im März 2014, also mitten im Abstimmungskampf, die Schaffung von Arbeitsplätzen31, scheinen im Resul- zur Ukraine gehörige Krim annektierte. Doch selbst tat tatsächlich auch für die Entscheidungsfindung der dieses für die europäische Sicherheitslage wichtige Er- Stimmberechtigten von untergeordneter Bedeutung eignis schlug sich in der untersuchten Berichterstat- gewesen zu sein.32 tung nur am Rand nieder.26 Mit der Beschaffung des Gripen E wollte die Schweizer Die schwache mediale Resonanz in Bezug auf die An- Armee die seit der Ausmusterung der Hawker Hunter nexion der Krim erstaunt, zumal lange der Vorwurf in den 1990er-Jahren verloren gegangene Fähigkeit im Raum stand, es fehle der Schweizer Armee an kon- zum Erdkampf wiedergewinnen. Die Befürworter der kreten Bedrohungsszenarien, welche die Vorbereitung Beschaffung gingen dem Thema Erdkampf spürbar aus für den Verteidigungsfall rechtfertigen würden. Ge- dem Weg. Beim Erdkampf handelt es sich um ein heik- mäss der VOX-Analyse zeigten die politische Krise in les, weil schwierig zu vermittelndes Thema, denn es der Ukraine und die russische Annexion der Krim für wird im Allgemeinen stark mit überkommenen For- immerhin 12 Prozent der Befragten die Unvorherseh- men der (rücksichtslosen) Kriegsführung assoziiert.33 barkeit kriegerischer Risiken auf und gaben den Aus- Die Gegner der Gripen-Beschaffung versuchten zwar schlag dafür, Ja zur Gripen-Beschaffung zu stimmen.27 durchaus, das Thema Erdkampf in die öffentliche De- batte zu tragen, zumindest in einer frühen Phase der Auseinandersetzung.34 Es mag deshalb – auch mit Blick auf die öffentliche Debatte im Rahmen des Pro- jekts Air2030 (siehe unten) – überraschen, dass das «Die schwache mediale Resonanz in Bezug auf Thema Erdkampf in den analysierten Beiträgen kei- die Annexion der Krim erstaunt, zumal lange der nerlei Erwähnung fand. Vorwurf im Raum stand, es fehle der Schweizer Zentrale Kampagnenbotschaft mit wenig Wirkung: Dass die Armee an konkreten Bedrohungsszenarien, VOX-Analyse zur Volksabstimmung ergab, dass fast ein welche die Vorbereitung für den Verteidigungs- Viertel jener Stimmberechtigten, die sich als Befür- fall rechtfertigen würden.» worterinnen und Befürworter einer starken Armee be- zeichnen, das Gripen-Fonds-Gesetz ablehnte35, weist darauf hin, dass die Ja-Kampagne mit ihrer zentralen Botschaft weitgehend ins Leere lief. Denn mit dem Slo- gan «Sicherheit zuerst!» wurde eine Kampagnenbot- Die doch erheblichen Kosten der Gripen-Beschaffung schaft verbunden, die sich in etwa wie folgt beschrei- von 3,1 Mrd. Franken wurden medial zwar durchaus ben lässt: Die Schweiz braucht Sicherheit, eine sichere thematisiert28, nahmen insgesamt aber nicht jenen Schweiz braucht eine starke Armee, eine starke Armee
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 6 www.armee.ch/stratos «Auf diese Weise wurde – wie bei anderen Rüstungsgeschäften auch – versucht, das Ja zur Gripen-Beschaffung gleichzeitig zu einem Ja zur Schweizer Armee und zu einem Ja zu einer sicheren Schweiz zu machen. Mit Blick braucht eine moderne Luftwaffe, eine moderne Luft- waffe braucht den Gripen.36 auf die analysierten Beiträge muss jedoch fest gestellt werden, dass die Kampagnenbotschaft in Auf diese Weise wurde – wie bei anderen Rüstungsge- den Medien kaum Resonanz fand […].» schäften auch – versucht, das Ja zur Gripen-Beschaf- fung gleichzeitig zu einem Ja zur Schweizer Armee und zu einem Ja zu einer sicheren Schweiz zu machen. Mit Blick auf die analysierten Beiträge muss jedoch fest- Im März 2016 machte die Rundschau des Schweizer gestellt werden, dass die Kampagnenbotschaft in den Fernsehens publik, dass die Armee zwei neue Flugab- Medien kaum Resonanz fand und in der gewünschten wehr-Lenkwaffensysteme beschaffen wollte, die jedoch Weise aufgegriffen wurde. Dies ist umso erstaunlicher, gemäss interner Evaluation zwingende Anforderungs- als die VOX-Analyse zur Volksabstimmung zeigt, dass kriterien wie Reichweite und Allwettertauglichkeit Argumente zur Sicherheit der Schweiz und zur Wah- nicht erfüllten. Der damalige VBS-Vorsteher, Bundes- rung der Lufthoheit hohe Zustimmung erhielten.37 rat Guy Parmelin, verfügte in der Folge, das Projekt BODLUV 2020 umgehend zu sistieren. Stattdessen kün- digte das VBS eine «adäquate Gesamtübersicht der Luft- verteidigung» an.40 Der Sistierungsentscheid des VBS- Das Projekt Air2030 im Spiegel Vorstehers fand medial und politisch viel Zustimmung. der Medien In den Beiträgen im Beobachtungszeit- raum zwischen 2015 und 2019 zeigt sich ein vergleich- Nach dem Nein zur Gripen-Beschaffung im Mai 2014 bares Bild wie im Vorfeld der Volksabstimmung über setzte die mediale Berichterstattung zum Thema «Be- die Gripen-Beschaffung (2012 bis 2014). Die Beiträge schaffung eines Kampfflugzeugs» erst 2016 wieder ein, sind insgesamt sachlich, unpolemisch, bisweilen zwar als das VBS zur Vorbereitung der neuerlichen Evalua- kritisch, insgesamt aber der Armee bzw. der Luftwaffe tion eine interne Expertengruppe einsetzte, die von durchaus wohlgesinnt. Trotz des Neins der Stimmbe- einem externen Begleitgremium unterstützt wurde.41 völkerung zum Gripen-Fonds-Gesetz wird der Bedarf nach neuen Kampfflugzeugen nicht grundsätzlich in Bei der Berichterstattung über die Präsentation des Frage gestellt. Berichts «Luftverteidigung der Zukunft» der Experten- gruppe im Mai 2017 sind in den Medien keine inhalt- Als wichtige Erkenntnis gilt es hervorzuheben, dass lichen Positionsbezüge auszumachen. Vielmehr sollte selbst Autorinnen und Autoren, welche die Gripen- ein anderes Thema in den kommenden Monaten und Beschaffung sehr kritisch sahen, den Entscheid des Jahren die mediale Resonanz dominieren, nämlich die Bundesrates im Jahr 2016 begrüssten, eine neuerliche Frage, ob und gegebenenfalls wann und wie sich die Evaluation neuer Kampfflugzeuge einzuleiten.38 Zen- Stimmbevölkerung an der Urne zur Beschaffung neuer trales Thema in den Beiträgen ist ab Beginn des neuen Kampfflugzeuge werde äussern können, oder medial Beschaffungsprozesses, inwiefern das demokratische zugespitzt: «Fliegen die neuen Kampfjets am Volk vor- Mitspracherecht der Bevölkerung gewährleistet ist. bei?»42 Der Bundesrat liess lange offen, ob er den ge- planten Kauf der neuen Kampfflugzeuge in einen refe- BODLUV und Kampfflugzeugbeschaffung: Seit Januar 2015 rendumsfähigen Beschluss giesst oder nicht. standen in den analysierten Beiträgen drei luftwaffen- bezogene Themen im Vordergrund: die Unfallserie der Wäre die Beschaffung – wie bis zur geplanten Beschaf- Luftwaffe, die Sistierung des Projekts «bodengestützte fung des Gripen E üblich – über das ordentliche Armee- Luftverteidigung 2020, mittlere Reichweite» (BODLUV budget finanziert worden, wäre der Stimmbevölkerung 2020) und die neuerliche Lancierung der Kampfflug- nur der Weg über eine Volksinitiative geblieben, um zeugbeschaffung. Auf die mediale Berichterstattung sich an der Urne zur Beschaffung äussern zu können. über die Unfälle von 2015 und 2016 – bei denen die Die Schaffung eines neuen Gesetzes (analog dem Gri- Schweizer Luftwaffe mehrere Angehörige, Flugzeuge pen-Fonds-Gesetz), die Änderung eines bestehenden und einen Hubschrauber verlor – gehen wir hier nicht Gesetzes oder ein Planungsbeschluss würde hingegen ein.39 die Möglichkeit eröffnen, das Referendum zu ergreifen
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 7 www.armee.ch/stratos wie viele «Raketen und Kampflugzeuge» für die damals beantragten 8 Mrd. Franken zu bekommen sind.46 Erdkampf als medialer Reizbegriff: Im November 2016 wurde aus Expertenkreisen empfohlen, einen Teil der bestehenden F/A-18 Hornet zusätzlich für den Erd- kampf zu befähigen. Das VBS hätte die dazu nötigen Mittel gerne ins Rüstungsprogramm aufgenommen, stiess im Bundesrat aber auf Widerstand. Auch der Na- tionalrat lehnte im Juni 2017 die Befähigung der F/A-18 für den Erdkampf ab. Zuvor hatte sich die Sicherheits- politische Kommission in ihrer Mehrheit allerdings Das Referendumskomitee, das den Planungsbeschluss bekämpfte, überraschend für die Befähigung ausgesprochen. Na- bei der Einreichung der Unterschriften am 17. Juni 2020. Der Planungs hezu unbestritten im Nationalrat war hingegen, die beschluss wurde unter anderem mit dem Slogan «Nein zu den Kampfjet- F/A-18 für 450 Mio. Franken nachzurüsten, um deren Milliarden!» bekämpft. (Bild: Keystone, Anthony Anex) Nutzungsdauer bis 2030 zu verlängern. Die Frage der Erdkampf-Fähigkeit wurde auch ausser halb der zuständigen politischen Gremien kontrovers und auf diese Weise eine Volksabstimmung zu erzwin- diskutiert und kommentiert. Ein Beitrag im Tages-An- gen. Der mediale Tenor in dieser Frage war einhellig: zeiger sah keinen Grund für diese «weltfremde» Auf- Es müsse ein Weg gefunden werden, damit die Stimm- rüstung und warnte eindringlich davor, die Diskussion berechtigten zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ideologisch aufzuladen.47 Die NZZ ortete hingegen bei das letzte Wort haben.43 den Kritikern der Erdkampf-Befähigung «wenig Sach- verstand». Erdkampf-Fähigkeit bedeute nämlich kei- Medialer Grundtenor zu Air2030: Als der Bundesrat im neswegs, dass ein Angriffskrieg geführt werden solle. März 2018 über seine Absicht orientierte, die Beschaf- Die Armee sei heute nicht mehr in der Lage, im Ver- fung neuer Kampfflugzeuge und eines bodengestütz- teidigungsfall Bodentruppen mit operativem Feuer aus ten Luftverteidigungssystems grösserer Reichweite der Luft zu unterstützen: «Diese Fähigkeitslücke muss im Programm Air2030 zusammenzufassen, markierte geschlossen werden, aber nicht überhastet.»48 dies den Auftakt der medialen Berichterstattung über die Neuauflage des Beschaffungsprozesses. Dass der Bundesrat entschied, mit einem Planungsbeschluss Die Abstimmung über den Planungsbeschluss die Möglichkeit eines Referendums zu schaffen und im Spiegel der Medien der Stimmbevölkerung in einem frühen Stadium des Durchaus sachlich und Beschaffungsprozesses das letzte Wort einzuräumen, insgesamt der Armee bzw. der Luftwaffe wohlgesinnt stiess medial im Grundsatz auf Zustimmung.44 – der Grundtenor der medialen Berichterstattung, wie er seit 2014 beobachtet werden kann, findet im Auch waren sich die Medien einig, dass der geplante jüngsten Abstimmungskampf seine Fortsetzung. Eine Volksentscheid von grosser Tragweite sein werde und grundsätzlich negative Haltung oder die anhaltende ein Nein zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge die Verbreitung faktenwidriger Informationen lässt sich Armee in ihrer Existenz gefährde. Das Vorgehen des nicht feststellen. Daraus folgt, dass die Kommentato- Bundesrates wurde als taktisch klug, aber auch riskant rinnen und Kommentatoren der Beschaffung neuer bewertet. In einem Beitrag wurde kritisch angemerkt, Kampfflugzeuge grundsätzlich verständnisvoll gegen- dass die Stimmbevölkerung «vor eine derart apodikti- überstanden.49 sche Wahl»45 gestellt werde. Zudem sei befremdlich, dass mit dem Weg über einen Planungsbeschluss zum Im Überblick war die mediale Berichterstattung von Zeitpunkt der Volksabstimmung nicht klar sein werde, 2020 zudem nochmals unaufgeregter und differenzier- ter als jene von 2014, in der die Debatte insgesamt ta-
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 8 www.armee.ch/stratos gespolitischer und skandalorientierter verlaufen war. • der Flugzeugtyp spielt keine Rolle, weil wegen des Pla- Dies gab mehr Raum für weitergehende sicherheits- nungsbeschlusses über den Grundsatz «Ja oder Nein politische Erwägungen. So fällt auf, dass es vermehrt zu Kampfflugzeugen» abgestimmt wird und nicht Beiträge gab, welche die Beschaffungsfrage in einen über ein konkretes Flugzeug; grösseren sicherheitspolitischen Kontext stellten.50 • die Befürworterinnen und Befürworter sprechen mit einer Hervorgestrichen wurden unter anderem Aspekte der Stimme, weil namentlich aus den Kreisen von Armee Zusammenarbeit über die Landesgrenze hinweg51 oder und Luftwaffe keine ablehnenden Stimmen zu ver- die Notwendigkeit, das «Multi-Domain-Denken» in die nehmen sind;56 Schweizer Armee zu tragen, um die vernetzte Opera- • durchschaubare Gegenargumente der Abstimmungsgeg- tionsführung zu ermöglichen.52 nerinnen und -gegner, weil in Zweifel gezogen wird, dass sich die Gegnerschaft der Beschaffung nach Unterschiede zur Gripen-Abstimmung: In zahlreichen Bei- gewonnener Volksabstimmung tatsächlich für die trägen wurde der Abstimmungssonntag vom 27. Sep- von ihnen ins Spiel gebrachte Alternative mit kos- tember 2020 als «Schicksalstag» für die Schweizer tengünstigeren Kampfflugzeugen einsetzen würde; Armee interpretiert.53 Dass es zumindest für die Luft- • die Psychologie des Geldes, weil in einer Zeit, in der waffe um «alles oder nichts» gehe, wurde nur in selte- für die Bewältigung der Corona-Pandemie und nen Fällen in Abrede gestellt.54 Hierin zeigt sich ein ihrer Auswirkungen Dutzende von Milliarden Fran- deutlicher und gewichtiger Unterschied zur Volksab- ken gesprochen werden, 6 Mrd. Franken für neue stimmung von 2014. Damals war es den Befürworterin- Kampfflugzeuge nicht mehr nach einer besonders nen und Befürwortern der Beschaffung nicht gelungen, hohen Summe tönen.57 ein grundsätzliches Ja zur Schweizer Armee gleich- zeitig zu einem Ja zur Gripen-Beschaffung zu machen. Im Abstimmungskampf zur Gripen-Beschaffung wur- Auch wenn dies mit beträchtlichem Aufwand versucht den Mängel in der Kommunikation der Armee und wurde, stiess diese zentrale Kampagnenbotschaft der von ihr nahestehenden Personenkreisen durch die Me- Befürworterinnen und Befürworter in der medialen Be- dien stark thematisiert. Im Abstimmungskampf von richterstattung von 2014 kaum auf Resonanz. 2020 liess sich das nicht feststellen. Im Gegenteil: Wäh- rend es 2014 Gegenwind aus den eigenen Reihen gab, Noch während des Abstimmungskampfs wurden in wurde den Befürworterinnen und Befürwortern 2020 der medialen Berichterstattung Aspekte hervorgeho- ausdrücklich attestiert, in Reih und Glied zu stehen ben, die sich gegenüber der Gripen-Abstimmung ge- und mit einer Stimme zu sprechen. Auch personenbe- ändert hatten – allesamt zugunsten der Befürworterin- zogene Kritik wurde nicht vorgetragen. So wurde der nen und Befürworter neuer Kampfflugzeuge. Prägnant neuen VBS-Vorsteherin bescheinigt, dass sie glaubwür- zusammengefasst kommt dies im Beitrag «Was dies- dig und kohärent argumentiere. mal anders ist als beim Gripen»55 des Chefredaktors des «Blick» zum Ausdruck, der zwei Wochen vor dem Prima vista schien aus medialer Perspektive alles für Abstimmungstermin erschien. Im Beitrag wird auf die die neu aufgelegte Beschaffung der Kampfflugzeuge folgenden Aspekte hingewiesen: zu sprechen. Das Ja-Lager war sichtlich bestrebt, viele • es geht um alles oder nichts, weil bei einem Nein zur der Unzulänglichkeiten in der Abstimmungskampa- Abstimmungsvorlage die Schweiz in absehbarer gne von 2014 zu vermeiden. Zudem wurde die Zeit Frist überhaupt keine Kampfflugzeuge mehr besit- zwischen den beiden Abstimmungen genutzt, um ar- zen würde; gumentativ und kommunikativ nachzubessern. So • die Person von Viola Amherd, weil die neue, nicht durch standen z. B. der Grundlagenbericht der Experten- die verlorene Gripen-Abstimmung belastete Vorste- gruppe und die Empfehlungen der Begleitgruppe vom herin des VBS von hohen Glaubwürdigkeitswerten Mai 2017 sowie die drei Zusatzberichte vom Mai 2019 profitiert; für ein aktives Bemühen um einen möglichst transpa- • das Undenkbare ist denkbar geworden, weil die parallele renten Entscheidungsprozess. Corona-Pandemie deutlich macht, dass die Schweiz sich auch auf Szenarien vorbereiten muss, die viele Zuletzt schienen auch einige externe Faktoren wie die für undenkbar halten; Alles-oder-Nichts-Frage über die Schweizer Luftwaffe
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 9 www.armee.ch/stratos oder die weltpolitische Lage mit der Corona-Pandemie und mit verschlechterter Sicherheitslage den Befür- worterinnen und Befürwortern Auftrieb zu geben. Zu- dem stand die Volksabstimmung über die Beschaffung der Kampfflugzeuge teils im Schatten der weiteren vier Abstimmungsvorlagen, darunter die sog. Begrenzungs- initiative, aber auch die Änderung des Jagdgesetzes. Dies – zusammen mit der omnipräsenten Corona-Pan- demie – erschwerte es selbstredend, die gleich starke öffentliche Präsenz und Emotionalisierung der Debatte wie 2014 zu erreichen. VBS-Vorsteherin Bundesrätin Viola Amherd zusammen mit Herzschlagfinale mit hauchdünner Zustimmung: Auch die Militärpilotin Fanny Chollet, gefolgt von Korpskommandant Thomas von SRG SSR und Tamedia in Auftrag gegebenen Mei- Süssli, Chef der Armee, und Rüstungschef Martin Sonderegger. nungsumfragen deuteten auf eine deutliche Zustim- Der VBS-Vorsteherin wurde eine hohe Glaubwürdigkeit bescheinigt. mung für die Beschaffung der Kampfflugzeuge hin.58 (Bild: Keystone, Peter Klaunzer) Namentlich der Tages-Anzeiger mahnte im August 2020 mit Hinweis auf eine hauseigene Meinungsum- frage jedoch, dass das Abstimmungsergebnis offen sei. mentatorinnen und Kommentatoren darin, dass die Die «Frauenpower», also der bewusste Versuch der Be- Dringlichkeit des Beschaffungsprojekts letztlich doch fürworterinnen und Befürworter, einschliesslich der nicht klar genug dargelegt werden konnte.60 Die Ursa- VBS-Vorsteherin, die Ja-Kampagne auf die weiblichen che wurde aber auch weit fundamentaler verortet. Es Stimmberechtigten auszurichten, scheine nicht zu ver- sei Armee und VBS nämlich schlicht nicht gelungen, fangen und der «Druck aufs Stimmvolk» mittels der den Menschen aufzuzeigen, warum es sie braucht.61 Alles-oder-Nichts-Argumentation könne sich letztlich In diesem Zusammenhang stellte der Tages-Anzeiger kontraproduktiv auswirken.59 «eine zunehmende Entfremdung zwischen Stimmvolk Der Abstimmungssonntag war entgegen den meisten und Armee» fest.62 Prognosen von einem Herzschlagfinale geprägt, das Als Grund für den höheren Anteil an Nein-Stimmen aus der französischsprachigen Schweiz wurde verein- «Einen Hauptgrund für das denkbar zelt auf die im Vergleich zu 2014 reduzierten Kom- knappe Ja sahen die Kommentatorinnen und pensationsgeschäfte verwiesen.63 Im Weiteren dürfte die Mobilisierung der Gegnerschaft am Abstimmungs- Kommentatoren darin, dass die Dringlichkeit sonntag von den weiteren Abstimmungsvorlagen (Ein- des Beschaffungsprojekts letztlich doch nicht klar führung des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs sowie genug dargelegt werden konnte. Die Ursache Opposition gegen die Änderung des Jagdgesetzes, die wurde aber auch weit fundamentaler verortet. Begrenzungsinitiative und die Erhöhung des allge- meinen Kinderabzugs) profitiert haben.64 Schliesslich Es sei Armee und VBS nämlich schlicht nicht könnte der hohe Nein-Stimmen-Anteil darauf hindeu- gelungen, den Menschen aufzuzeigen, warum es ten, dass die hohen Kosten der Bewältigung der Co- sie braucht.» rona-Pandemie unentschlossene Stimmberechtigte zum Nein zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge be- wegt haben.65 Vor diesem Hintergrund forderten meh- rere Kommentatorinnen und Kommentatoren unmit- mit einer Zustimmung von 50,1 Prozent bzw. einer Ja- telbar nach der Abstimmung eine breite Debatte über Mehrheit von schweizweit nur 8515 Stimmen hauch- Sicherheit sowie Sinn und Zweck der Armee.66 dünn im Sinne der Befürworterinnen und Befürworter der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ausfiel. Einen Diese ersten Einschätzungen in der medialen Bericht- Hauptgrund für das denkbar knappe Ja sahen die Kom- erstattung bestätigten sich später in der VOTO-Studie.67
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 10 www.armee.ch/stratos Demnach liessen sich bei den Nein-Stimmenden zwei ben. Die Grundsatzfrage «Ja oder Nein zur Armee» und dominierende Motive ausmachen: zum einen die Zwei- die Kosten der Beschaffung wurden hüben wie drüben fel an der Notwendigkeit einer (hoch gerüsteten) Luft- breit debattiert, und auch die Frage möglicher und waffe, zum anderen die Kosten von 6 Mrd. Franken.68 wahrscheinlicher Bedrohungsszenarien wurde von Eine Mehrheit der Ja-Stimmenden folgte hingegen den Kommentatorinnen und Kommentatoren regel- dem Schlüsselargument der Befürworterinnen und mässig aufgegriffen. Befürworter, dass die Schweiz neue Kampfflugzeuge brauche, um die Sicherheit, Unabhängigkeit und Neu- Andere Themen wie die Erdkampf-Fähigkeit oder die tralität weiterhin gewährleisten zu können.69 Auch Nutzungsdauer der Kampfflugzeuge, aber auch die überzeugte der Umstand, dass die Kosten für die Be- Frage möglicher Alternativen wie das «Leonardo-Kon- schaffung der neuen Kampfflugzeuge aus dem ordentli- zept» fanden hingegen nicht jene mediale Aufmerk- chen Armeebudget gedeckt werden.70 Weiterhin keine samkeit, die man vielleicht hätte erwarten können. Mehrheit fand die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge Noch deutlicher gilt dies für die Kompensationsge- bei den Frauen (55 Prozent Nein, 45 Prozent Ja).71 Auch schäfte. Während dem Thema in der parlamentari- sei «auffallend oft gesagt [worden], dass der Entscheid schen Debatte und von interessierten Kreisen grosse aus Sympathie zur Vorsteherin des VBS […] gefällt wor- Bedeutung zugeschrieben wurde, spielte es in der me- den sei»; die Häufigkeit der Nennung eines einzelnen dialen und öffentlichen Debatte nahezu keine Rolle.75 Mitglieds des Bundesrates als primäres Stimmmotiv sei «durchaus ungewöhnlich».72 Zusammenfassende Würdigung Aspekte mit wenig medialer Resonanz: Insgesamt kann fest- Im Überblick gestellt werden, dass es 2020 im Vergleich zu 2014 deut- über die drei Beobachtungszeiträume hinweg (im Vor- lich weniger Aspekte gab, die in der medialen Bericht- feld und unmittelbar nach der Volksabstimmung über erstattung «untergingen». Insbesondere fanden jene den Gripen, in der Phase der Lancierung des Nachfolge- Botschaften, die zum einen die Befürworterinnen und projekts Air2030 sowie im Vorfeld und unmittelbar nach Befürworter und zum anderen die Gegnerinnen und der Volksabstimmung über den Planungsbeschluss) Gegner in die Öffentlichkeit tragen wollten, mehr- lässt sich feststellen, dass die Kampfflugzeugbeschaf- heitlich tatsächlich Niederschlag in den Medien. Dies fung und die Luftwaffe in der kommentierenden Be- zeigte sich im Übrigen auch in den Auswertungen der richterstattung insgesamt eine beachtliche mediale VOTO-Studie in Bezug auf die Resonanz der Abstim- Aufmerksamkeit genossen. In der kommentierenden mungsargumente.73 Berichterstattung war es innerhalb der Luftwaffe ganz besonders das Thema Kampfflugzeuge und deren Be- Dies mag damit zusammenhängen, dass – wie oben schaffung, das auf mediales Interesse stiess. Dieses me- ausgeführt – die mediale Berichterstattung von 2020 diale Interesse war und ist für die Befürworterinnen weniger tagespolitisch und skandalorientiert verlief und Befürworter der Beschaffung eines neuen Kampf- und mehr Raum für weitergehende sicherheitspoliti- flugzeugs Chance und Risiko zugleich. sche Erwägungen zuliess. Dies führte dazu, dass me- dial insgesamt mehr Aspekte erörtert wurden – seien Eine ausgeprägte fachliche Tiefe war in der media- es weltweite Sicherheitstrends, die Gefahrenlage der len Berichterstattung grundsätzlich weder zu erwar- Schweiz, der Sinn und Zweck der Armee, die Rolle der ten noch – von Ausnahmen abgesehen – festzustel- Luftwaffe innerhalb der Armee, das Aufgabenspekt- len. Dies reflektiert ein Stück weit die abnehmende rum der Luftwaffe, die finanziellen Folgen der Beschaf- fachliche Spezialisierung bzw. die zunehmende Poly- fung, aber auch mögliche Alternativen zur vorgeschla- valenz, welche die Medienschaffenden in der heutigen genen Beschaffung von Kampfflugzeugen (Drohnen Presselandschaft charakterisiert. Auch ist festzustellen, oder «Leonardo»74). dass die Beiträge innerhalb desselben Pressetitels nicht stets von derselben Person stammten, sondern von ver- Damit ist auch gesagt, dass von den oben genannten schiedenen Autorinnen und Autoren. Dies bleibt nicht Aspekten, die 2014 wenig mediale Resonanz fanden, ohne Konsequenzen: Die Beschaffung von Kampfflug- nur wenige auch 2020 unter dem medialen Radar blie- zeugen über einen Volksentscheid bedingt eine be-
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 11 www.armee.ch/stratos wusste, aktive Projektkommunikation, die auch auf waren. Das Alles-oder-Nichts-Narrativ, aber auch die die Bedürfnisse der Presse eingeht. Adressatengerechte noch offene Typenwahl führten auch dazu, dass sich Informationen sind mitunter zur Bringschuld der Pro- die Reihen der Armeebefürworterinnen und -befürwor- jektverantwortlichen geworden. ter schliessen liessen und es den Medien schwerer fiel, Differenzen zu «bewirtschaften». Die Medien erwiesen sich über die drei Beobachtungs- zeiträume hinweg zwar durchaus als kritisch, und bis- weilen waren sie aktiv auf der Suche nach Skandalen Ausblick der Autoren oder dem sprichwörtlichen «Haar in der Suppe». Der Kommt man zum Schluss, Grundtenor lässt sich insgesamt aber als sachlich, un- dass die Projektverantwortlichen sowie die Befürwor- polemisch und der Armee bzw. der Luftwaffe durchaus terinnen und Befürworter der Beschaffung von neuen wohlgesinnt beschreiben. Eine grundsätzlich negative Kampfflugzeugen im zweiten Anlauf mehr oder we- Haltung oder die anhaltende Verbreitung faktenwidri- niger alles richtigmachten, und bezieht man mit ein, ger Informationen liess sich kaum feststellen. dass ihnen auch die Umstände – vielleicht mit Aus- nahme der Corona-Krise – in die Hände spielten, mag Wie im Abschnitt «Unterschiede zur Gripen-Abstim- es erstaunen, wie aussergewöhnlich knapp das Ja zum mung» aufgezeigt, scheint die Erfahrung der geschei- Planungsbeschluss letztlich ausfiel. terten Gripen-Beschaffung zudem dazu geführt zu ha- ben, dass seitens der Projektverantwortlichen sowie Dies lässt aus Sicht der Autoren drei Schlussfolge- der weiteren Befürworterinnen und Befürworter Mass- rungen zu: (1) Die verlorene Gripen-Abstimmung war nahmen ergriffen wurden. kein sicherheitspolitischer Dies betrifft ganz offen- «Ausrutscher», der sich nur sichtlich den kommunika- mit einer einmaligen kom- tiven Bereich, aber auch «Gegen den medialen Grundtenor munikativen Pannenserie das neue Vorgehen über lässt sich eine armeepolitische erklären lässt. Es ist viel- einen referendumsfähigen Volksabstimmung kaum gewinnen. mehr so, dass alle Faktoren Planungsbeschluss (statt (das sicherheitspolitische über eine Volksabstim- Eine Erfolgsgarantie ist eine wohl Umfeld, die politischen mung nach bereits erfolg- wollende Presse jedoch nicht.» Allianzen, die Projekt- ter Typenwahl). Diese Mass- kommunikation, die Kam- nahmen dürften mit dazu pagnenführung usw.) zu- beigetragen haben, dass in sammenpassen müssen, den Medien neues Wohlwollen festzustellen war und damit im heutigen politischen Umfeld Mehrheiten für dass die mediale Berichterstattung von 2020 unaufge- die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen geschaf- regter und differenzierter war als jene von 2014, in der fen werden können. (2) Ein positiver Grundtenor in die Debatte tagespolitischer und skandalorientierter der Presse ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Luft- verlief. Dies gab im Ergebnis mehr Raum für Beiträge, waffe. Gegen den medialen Grundtenor lässt sich eine welche die Beschaffungsfrage in einen grösseren si- armeepolitische Volksabstimmung kaum gewinnen. cherheitspolitischen Kontext stellten. Eine Erfolgsgarantie ist eine wohlwollende Presse je- doch nicht. Es braucht zusätzliche Anstrengungen, um Es lässt sich deshalb feststellen, dass Lehren gezogen an die Bevölkerung zu gelangen. (3) Mit der im Raum worden sind und aus Sicht der Befürworterinnen und stehenden Lancierung einer «Express-Initiative» droht Befürworter viele Dinge besser liefen als bei der ge- der Luftwaffe eine weitere schicksalhafte Zitterpartie. scheiterten Gripen-Beschaffung. Dabei kam ihnen Die von mehreren Kommentatorinnen und Kommen- zweifellos entgegen, dass die Medien – im Gegensatz tatoren geforderte breite Debatte über Sicherheit so- zur Gripen-Kampagne – das Grundnarrativ «Ja zum wie Sinn und Zweck der Armee tut deshalb dringend Kampfflugzeug = Ja zur Armee = Ja zu einer sicheren not. Das Zeitfenster, das dafür zur Verfügung steht, gilt Schweiz» angesichts des absehbaren Endes der Lebens- es unbedingt zu nutzen. dauer der F/A-18 eher zu teilen und zu verbreiten bereit
stratos digital Praxis – Die mediale Resonanz auf die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge 15. Juni 2021 12 www.armee.ch/stratos Endnoten 22 Vgl. z. B. R. Zeller, «Sturzflug des Gripen», NZZ, 9. April 2014; S. Knopf, «Ueli Maurers Debakel», Tages-Anzeiger, 18. Mai 2014. 1 Nationalrat: 123:68 Stimmen bei 5 Enthaltungen; Ständerat: 33:10 23 Vgl. z. B. «Bruchpilot Ueli Maurer», Blick, 18. Mai 2014; Knopf stellt Stimmen bei 1 Enthaltung. sogar die (rhetorische) Frage, ob ein Bundesrat so ungeschickt sein könne. 2 Vgl. Art. 3 des Bundesbeschlusses über die Beschaffung neuer Siehe: S. Knopf, «Ueli Maurers Debakel», Tages-Anzeiger, 18. Mai 2014; Kampfflugzeuge vom 20. Dezember 2019. siehe auch: C. Forster, «Ratloser VBS-Chef», NZZ, 19. Mai 2014. 3 European Aeronautic Defence and Space, seit 2014 Airbus. 24 Vgl. z. B. P. Jost, «Ein Nein zum Gripen, kein Nein zur Armee», Ber- 4 Nationalrat: 119:71 Stimmen bei 4 Enthaltungen; Ständerat: 25:17 ner Zeitung, 18. Mai 2019; R. Studer, «Pannen, Grünliberale und die GSoA Stimmen bei 0 Enthaltungen. – Drei Gründe für das Gripen-Nein», Blick, 19. Mai 2014. 5 Bundesrat, Konzept zur langfristigen Sicherung des Luftraumes: Be- 25 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen richt des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Galladé 12.4130 vom 12. Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 40. Dezember 2012 (Bern: Portal der Schweizer Regierung, 27. August 2015), 26 Unter anderem kurz thematisiert in P. Feuz, «Aufwind für Gripen- http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/36338. Befürworter dank Ukraine-Krise», Tages-Anzeiger, 3. März 2014. pdf. 27 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen 6 Als «Offsets» werden Kompensationsgeschäfte im Zusammenhang Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 43. mit Rüstungsbeschaffungen im Ausland bezeichnet. 28 Vgl. z. B. Zeller, der von einem «happigen Preisschild» spricht. Siehe: 7 Vgl. z. B. H. Habegger, «Armeegegner wollen Kampfjet mit einer ‹Ex- R. Zeller: «Noch nicht flügge», NZZ, 22. August 2012. press-Initiative› abschiessen», St. Galler Tagblatt, 28. September 2020. 29 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen 8 So stellten Kommentatoren einen direkten Bezug zwischen der Si- Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 44. cherheit der Schweiz und der Kampfflugzeugbeschaffung her und plädier- 30 Vereinbart waren «100 Prozent Offset», was Kompensationsge- ten für ein Ja zur Gripen-Beschaffung. Siehe: R. Zeller, «Frischluft für die schäften im Umfang von 2,5 Mrd. Fr. entsprochen hätte (0,6 Mrd. der 3,1 Luftwaffe», NZZ, 12. Februar 2014; P. Jost, «Ein Ja zum Gripen ist ein Ja zur Mrd. Franken wären nicht kompensationspflichtig gewesen, da sie Schwei- Sicherheit unseres Landes», Berner Zeitung, 5. Mai 2014. zer Lieferanten betrafen). 9 So argumentierte beispielsweise Foppa, es sei unklug, ohne Not 31 In den Erläuterungen zur Volksabstimmung schätzte der Bundes- und ohne Grundsatzdebatte risikobehaftete Jets zu kaufen; die Beschaf- rat, dass der Umfang der Aufträge 10 000 Mannjahren entspricht. Siehe: fung könne warten. Siehe: D. Foppa, «Der Gripen ist das falsche Flugzeug», Schweizerische Eidgenossenschaft, Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 – Tages-Anzeiger, 28. April 2014. Erläuterungen des Bundesrates (Bern), S. 39. 10 Vgl. z. B. M. Somm, «Papierflieger oder Adler?», Basler Zeitung, 26. 32 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen April 2014. Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 43. 11 Vgl. GSoA, «Referendum gegen Papierflieger Gripen lanciert», Me- 33 So schrieb Stephan Oehen, der Saab bis 2009 beraten hatte, dass dienmitteilung, 8. Oktober 2013, https://www.gsoa.ch/press_release/refe- es brandgefährlich sei, über Erdkampffähigkeit zu sprechen, ohne die ent- rendum-gegen-papierflieger-gripen-lanciert. sprechenden Bedrohungslagen zu erklären. Siehe: S. Oehen, «Neue Kampf- 12 So erwähnt z. B. Zeller, dass «der Gripen-Kampfjet nicht im Rufe jets: Wieder ein Blindflug?», Tages-Anzeiger, 28. November 2016. stand, ein kraftstrotzender Herr der Lüfte zu sein», und zitiert einen Bericht 34 Vgl. z. B. die Medienmitteilung «Der Gripen im Sinkflug» der SP der Subkommission TTE der Sicherheitspolitischen Kommission des Natio- Schweiz, wo es ausdrücklich heisst, dass mit dem Erdkampf-Argument nalrates, wonach der Gripen operationell als «knapp befriedigend» beurteilt keine politischen Debatten zu gewinnen seien. Siehe: SP Schweiz, Der Gri- wurde. Siehe R. Zeller, «Noch nicht flügge», NZZ, 22. August 2012; Feuz fragt, pen im Sinkflug, Medienmitteilung, 21. Februar 2021. warum der Bundesrat ausgerechnet auf den leistungsschwächsten der drei 35 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen offerierten Jets setze. Siehe P. Feuz: «Der Gripen – ein Lehrstück für die Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 40. Schweiz», Tages-Anzeiger, 24. April 2014; siehe auch M. Halbeis, «Nein zum 36 Diese Argumentationslinie findet sich unter anderem auch in den Er- Gripen – Die Chronologie der Pannen-Kampagne», Blick, 18. Mai 2014. läuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung. Siehe: Schweizerische 13 So meint z. B. Somm, der Gripen E sei bestimmt nicht das beste Eidgenossenschaft, Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 – Erläuterungen Flugzeug der Epoche, aber es reiche. Siehe: M. Somm, «Papierflieger oder des Bundesrates (Bern), S. 42. Adler?», Basler Zeitung, 26. April 2014. 37 Vgl. Universität Zürich / gfs.bern, VOX-Analyse der eidgenössischen 14 Der vertrauliche Evaluationsbericht trug den Titel «SAF/OT&E Flight Abstimmung vom 18. Mai 2014 (Zürich / Bern), S. 45. Test Effectiveness Report NFA Evaluation 2008/2009». 38 Vgl. z. B. D. Foppa, «Die neuen Kampfjets sind keine Zwängerei», Ta- 15 Botschaft zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen (Rüstungs- ges-Anzeiger, 24. Februar 2016. programm 2012 und Gripen-Fondsgesetz) vom 14. November 2012, S. 19 ff. 39 Wenig erstaunlich entspann sich eine Debatte, ob es sich bei den 16 Vgl. z. B. C. Dorer, «Maurers Irrflug: Diese Gründe haben zur Nieder- Unfällen lediglich um eine tragische Häufung von Einzelfällen handelte. In lage geführt», Aargauer Zeitung, 18. Mai 2014; P. Jost, «Ein Nein zum Gripen, den Medien – und der Politik – wurden jedoch Stimmen laut, die «dringend kein Nein zur Armee», Berner Zeitung, 18. Mai 2014; R. Studer, «Pannen, eine seriöse Abklärung» forderten (vgl. z. B. F. E. Müller, «Unfallserie der Grünliberale und die GSoA – Drei Gründe für das Gripen-Nein», Blick, 19. Schweizer Luftwaffe erfordert dringend eine seriöse Abklärung», NZZ, 16. Mai 2014. September 2016). Der Unfall bei einem Trainingsflug der Patrouille Suisse 17 Vgl. z. B. M. Somm, «Willkommen in Waterloo», Basler Zeitung, 19. in den Niederlanden löste zudem eine kontroverse Debatte über die Frage Mai 2014; M. Halbeis, «Nein zum Gripen – Die Chronologie der Pannen- aus, ob die Kunstflugstaffel Patrouille Suisse überhaupt noch zeitgemäss Kampagne», Blick, 18. Mai 2014. sei (vgl. z. B. Ph. Loser, «Holt sie runter», Tages-Anzeiger, 10. Juni 2016; 18 Vgl. z. B. C. Forster, «Ratloser VBS-Chef», NZZ, 19. Mai 2014; C. P. Wertheimer, «Nur Tiefflieger wollen die Patrouille Suisse abschaffen», Brönnimann / C. Zürcher: «Luftüberwachung rund um die Uhr», Tages-An- SonntagsZeitung, 12. Juni 2016). zeiger, 29. August 2014. Auslöser dieser Debatte war insbesondere der 40 VBS, VBS sistiert vorläufig das Projekt BODLUV, Medienmitteilung, Zwischenfall vom 17. Februar 2014, als ein Flugzeug der Ethiopian Airlines, 22. März 2016. das entführt worden war, von der französischen Luftwaffe zum Flughafen 41 F. Renz, «Geht es so weiter, droht ‹Gripen 2›», Tages-Anzeiger, 12. Genf eskortiert wurde, weil die Schweizer Luftwaffe in den frühen Morgen- April 2016. stunden nicht einsatzbereit war. 42 J. Schmid, «Fliegen neue Kampfjets am Volk vorbei?», Aargauer Zei- 19 Vgl. z. B. L. de Carli, «Ueli Maurers ‹Panikmache›», Basler Zeitung, 20. tung, 25. Februar 2016. April 2014. Infrage stand, bis wann die F/A-18 einsatzfähig bleiben (2025 43 Vgl. z. B. A. Wanner, «Kampfjets müssen vors Volk», Aargauer Zei- oder 2035/2040). Faktisch ist dies nicht ein fixer Wert, sondern unter an- tung, 30. Mai 2017; P. Jost, «Dem Volk gehört das letzte Wort», Berner Zei- derem abhängig von der Nutzungsintensität und den technischen Möglich- tung, 8. November 2018. keiten hinsichtlich einer Verlängerung der Lebensdauer. 44 Vgl. z. B. H. Gmür, «Ein Nein zu neuen Kampfjets würde die Existenz 20 Vgl. z. B. Foppa, der argumentiert, dass bei der Beschränkung auf der Armee infrage stellen», NZZ, 9. März 2018. ein Modell Betrieb, Unterhalt und Weiterentwicklung deutlich billiger wären. 45 F. Renz, «Bitte eine Flugebene tiefer», Tages-Anzeiger, 10. März 2018. Siehe: D. Foppa, «Der Gripen ist das falsche Flugzeug», Tages-Anzeiger, 28. 46 F. Renz, «Bitte eine Flugebene tiefer», Tages-Anzeiger, 10. März 2018. April 2014. 47 Renz führt dazu aus: «Parmelins Expertengruppe sollte ihren Erd- 21 So schlug der ehemalige Militärpilot und Nationalrat Thomas Hur- kampf beerdigen – auch darum, weil es um mehr geht als um die F/A-18. ter (SVP/SH) vor, bei einem Nein der Stimmbevölkerung zum Gripen einen Parmelin will neue Kampfjets anschaffen. Er braucht schon in naher Zu- Beschluss des Parlamentes anzustreben, der alle 15 Jahre die Beschaffung kunft eine Mehrheit im Volk. Er hat alles Interesse an maximaler Sachlich- einer Staffel von 12 Kampfflugzeugen vorsieht. Siehe: R. Zeller, «Sturzflug keit. Und definitiv nicht daran, dass aus ideologischen Schützengräben ge- des Gripen», NZZ, 9. April 2014.
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