DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 - Analysen und Auswirkungen für das Land Berlin - Berlin.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – IMPRESSUM IMPRESSUM HERAUSGEBERIN Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Öffentlichkeitsarbeit Am Köllnischen Park 3, 10179 Berlin www.berlin.de/sen/uvk INHALTE UND BEARBEITUNG Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Abteilung Integrativer Umweltschutz Referat Wasserwirtschaft, Wasserrecht und Geologie Brückenstraße 6, 10179 Berlin Dr. Benjamin Creutzfeldt Dr. Ina Pohle Sarah Zeilfelder Dr. Johannes Birner Antje Köhler Dörthe von Seggern Matthias Rehfeld-Klein Datengrundlage dieses Berichts bilden die gewässerkundlichen Messdaten des Landes Berlin, die im Wasserportal Berlin (https://wasserportal.berlin.de/) veröffentlicht sind. Weiterhin dan- ken wir folgenden Institutionen für die Datenbereitstellung: — Berliner Wasserbetriebe (BWB) — Deutscher Wetterdienst (DWD) — Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) — Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB) — Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) — Landestalsperrenverwaltung Sachsen (LTV) — Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) — Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) — Vattenfall Wärme Berlin AG (Vattenfall) — Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter Spree-Havel, Oder-Havel und Elbe (WSA) TITELFOTO UND ABBILDUNGEN Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, September 2021 2
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS Impressum ................................................................................................................................... 2 Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................................3 Vorwort ........................................................................................................................................4 1 Einleitung ..............................................................................................................................5 2 Charakterisierung des Untersuchungsgebiets ..................................................................... 7 2.1 Spree und Dahme ................................................................................................................8 2.2 Obere Havel........................................................................................................................ 10 2.3 Berlin .................................................................................................................................... 10 3 Hydrometeorologische Situation ....................................................................................... 12 4 Hydro(geo)logische Situation ............................................................................................. 15 4.1 Oberflächengewässer ........................................................................................................ 15 4.1.1 Spree und Dahme .................................................................................................. 17 4.1.2 Obere Havel .......................................................................................................... 20 4.1.3 Berlin ........................................................................................................................ 21 4.2 Bodenwasser .......................................................................................................................25 4.3 Grundwasser .......................................................................................................................27 5 Wasserbeschaffenheit und Hydrobiologie ......................................................................... 31 5.1 Wassertemperatur ............................................................................................................. 31 5.1.1 Fließgewässer ......................................................................................................... 31 5.1.2 Seen .........................................................................................................................32 5.2 Sauerstoffgehalt und Saprobie ........................................................................................ 34 5.3 Sulfatkonzentrationen in der Spree ...................................................................................37 5.4 Nährstoffe ........................................................................................................................... 38 5.5 Artenvielfalt und Neobiota................................................................................................ 39 6 Wasserbewirtschaftung ..................................................................................................... 40 6.1 Wassernutzungen ............................................................................................................... 40 6.2 Wasserwirtschaftliche Maßnahmen ................................................................................ 46 7 Zusammenfassung und Fazit ..............................................................................................49 Literaturverzeichnis ..................................................................................................................54 Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................56 Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................58 Anlagen.....................................................................................................................................59 Anlage 1 – Abfolge von Dürren ................................................................................................ 60 Anlage 2 – Monatsmitteltemperatur in der Region Brandenburg-Berlin .............................. 61 Anlage 3 – Niederschlagsmonatssummen in der Region Brandenburg-Berlin .................. 62 Anlage 4 – Hauptwerte des Niedrigwasserstands und -durchflusses ................................... 63 Anlage 5 – Hinweis zur Perzentildarstellung ........................................................................... 64 Anlage 6 – Klassifizierungsstufen nach IKSE (Internationale Kommission zum Schutz der Elbe) ................................................................................................................. 66 3
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 –VORWORT VORWORT Die Folgen der Klimakrise treffen auch Berlin. Nicht erst in vielen Jahren, sondern schon heute. Es sind die Anstrengungen für den Klimaschutz zu verstärken und gleichzeitig effektive Maß- nahmen zur Anpassung an den Klimawandel voranzubringen. Dafür ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Mechanismen und Auswirkungen extremer Perioden auf den Wasser- haushalt und die davon abhängigen Systeme besser verstehen. Die Trockenjahre 2018, 2019 und 2020 und im Kontrast dazu intensive Starkregenereignisse vor allem in den Jahren 2017 und 2021 haben uns eindrucksvoll die Konsequenzen der Erder- hitzung vor Augen geführt. Zukünftig werden wir immer stärker mit der Herausforderung des ständigen Wechsels von zu viel und zu wenig Wasser konfrontiert sein. Die extrem warmen und trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 – insbesondere im Nordosten Deutschlands – hatten gravierende hydrologische Auswirkungen in Berlin und den Einzugsgebieten der Spree und Oberen Havel. In ihrer Aufeinanderfolge stellen diese drei Trockenjahre eine seit Beginn der Wetteraufzeichnung für Berlin einzigartige Situation dar. Basierend auf umfassenden Aus- wertungen landeseigener Daten sowie Daten Dritter beschreibt der vorliegende Bericht die Niedrigwasserjahre 2018, 2019 und 2020 aus Sicht des Landes Berlin. Eins wird deutlich: Bereits die Erderhitzung an sich erfordert umfassende wasserwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen in Berlin. Darüber hinaus wächst Berlin und damit steigt auch der Trinkwasserbedarf. Und der kürzlich beschlossene, begrüßenswerte Ausstieg aus der Kohle- förderung birgt zusätzliche Herausforderungen für die Wasserwirtschaft in Berlin. Durch die Stilllegung der Tagebaue wird weniger Grundwasser in die Spree geleitet. Somit kann der Spree-Zufluss nach Berlin in Niedrigwasserperioden noch weiter sinken, sofern das Wasser- management in der Lausitz nicht umfassend nachgesteuert wird. Um dieser komplexen Situation begegnen zu können, wird aktuell der Berliner Masterplan Wasser erarbeitet. Dieser wird auf Grundlage umfassender Risikobetrachtungen für ver- schiedene Entwicklungsszenarien zusätzliche Maßnahmen für Anpassungsstrategien für den Wassersektor beschreiben. Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre. Regine Günther Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz 4
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 1 EINLEITUNG 1 EINLEITUNG Die insbesondere im Nordosten Deutschlands extrem warmen und trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 führten zu gravierenden hydrologischen Folgen und wasserwirtschaftlichen Heraus- forderungen in Berlin und den Einzugsgebieten der Spree und Oberen Havel. In ihrer Aufein- anderfolge waren die Trockenjahre eine seit Beginn der Wetteraufzeichnung für Berlin noch nie dagewesene Situation. Dies führte auch in der Öffentlichkeit zu einer erhöhten Wahrnehmung, so dass regional (zum Beispiel Berliner Morgenpost: „"Die Spree fließt rückwärts" – wegen Wassermangels“ oder B.Z. „Dürre-Panik: Bald Schleusen dicht: Geht der Spree das Wasser aus?“) und überregional (Focus: „Erschreckendes Phänomen: Woran es liegt, dass die Spree jetzt rückwärts fließt“) in den Medien berichtet wurde. In weiten Teilen Mitteleuropas waren die Jahre 2018 bis 2020 als Trockenjahre charakterisiert (European Drought Observatory 2020). Ausgelöst wurde dies durch ein Zusammenspiel relativ niedriger Niederschläge und hoher Temperaturen. Folge dieser Trockenheit und erhöhter Temperaturen waren Dürren auf verschiedenen Zeitskalen (von meteorologischen über hydro- logischen bis hin zu sozio-ökonomischen Dürren, Erläuterung der Zeitskalen siehe Anlage 1) in vielen Einzugsgebieten Europas (European Drought Observatory 2018). Verglichen mit dem Jahr 2003, welches die Trockenheit und das Niedrigwasser in Deutschland ins allgemeine Bewusstsein brachte, war das Jahr 2018 noch niederschlagsärmer und wärmer. Aus Sicht der Wasserwirtschaft waren in Mitteleuropa die Auswirkungen der Trockenjahre 2018 und 2019 vor allem aufgrund ihrer Aufeinanderfolge noch ausgeprägter und bedeutsamer als 2003 (Hari et al. 2020). Aktuell fehlen noch entsprechende Einordnungen für das ebenfalls trockene Jahr 2020. Deutschlandweit war das Jahr 2018 von einer langanhaltenden Trockenheit und überdurch- schnittlichen Temperaturen geprägt und führte in den Bundeswasserstraßen zu historischen Niedrigwasserständen an den Pegeln (BfG 2019). Das Jahr 2019 war mit einer Mitteltempe- ratur von 10,3 Grad Celsius (°C) das bis dahin zweitwärmste in Deutschland beobachtete (Kaspar und Friedrich 2020). Vor allem im Elbeeinzugsgebiet kam es zu niedrigen Wasser- ständen und damit auch zu Einschränkungen der Schifffahrt. Die Flussgebiete der Schwarzen Elster, Spree und Lausitzer Neiße waren besonders von der Niedrigwassersituation betroffen, wie die länderübergreifende Auswertung des Niedrigwassers der Jahre 2018 und 2019 zeigt (AK Wassermenge 2020). In dieser Region war auch das Jahr 2020 geprägt durch über- durchschnittliche Temperaturen, unterdurchschnittlichen Niederschlag und beeinflusst durch das aufgebaute Wasserdefizit der Vorjahre, so dass eine Fortschreibung der Auswertung in Vorbereitung ist. Basierend auf dieser Auswertung beschreibt der vorliegende Bericht die Niedrigwasserjahre 2018, 2019 und 2020 aus Sicht des Landes Berlin, welches aufgrund seiner Lage in einer vergleichsweise wasserarmen Region Deutschlands mit komplexer Wasserbewirtschaftung in den Einzugsgebieten der Zuflüsse (Kapitel 2) bei gleichzeitig hohen Bedarfen zur Versorgung von über 3,6 Millionen Einwohner*innen mit Trink- und Brauchwasser (unter anderem Kühl- wasserbedarf der thermischen Kraftwerke) besonders vulnerabel in Niedrigwasserperioden ist. Der Bericht erläutert die hydrometeorologische Situation Berlins beziehungsweise der für die Zuflüsse aus Spree und Havel relevanten Region Berlin-Brandenburg in den Niedrigwasser- jahren 2018, 2019 und 2020 auch im Verhältnis zum langjährigen Geschehen (Kapitel 3). Die hydrologische und hydrogeologische Situation in den Niedrigwasserjahren wird hinsichtlich Zuflüssen nach Berlin, Durchflussgeschehen in Berlin ebenso wie Bodenwasserhaushalt und Grundwasserständen beschrieben (Kapitel 4). 5
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 1 EINLEITUNG Niedrigwasser ist nicht allein ein Problem der Wassermenge, sondern wirkt sich auch auf Wasserqualität und die ökologische Situation im Gewässer aus (Kapitel 5), welche wiederum relevant für die vielfältigen Wassernutzungen in Berlin sind. Die Konsequenzen der Niedrig- wasserjahre für die Wasserbewirtschaftung und die ergriffenen wasserwirtschaftlichen Maß- nahmen werden in Kapitel 6 erläutert. In diesem Bericht wird der Begriff Niedrigwasser gemäß DIN 4049-3 1994 verwendet. Er be- schreibt einen zeitlich und regional begrenzten Zustand in einem oberirdischen Gewässer, bei dem der Durchfluss oder Wasserstand einen bestimmten Schwellenwert erreicht beziehungs- weise unterschreitet. Niedrigwasser ist eine Folge von lang anhaltender Trockenheit und Dürre. Neben der hydrometeorologischen Situation und natürlichen Einzugsgebietscharakteristika wirken sich anthropogene Einflüsse direkt (Wasserressourcenbewirtschaftung: Entnahmen, Einleitungen, Speicherbewirtschaftung und Überleitungen) beziehungsweise indirekt (Landnut- zung) auf das Niedrigwassergeschehen aus (LAWA 2007). Niedrigwasser kann anhand der Hauptwerte des Wasserstandes und des Durchflusses be- schrieben werden, die relevanten Hauptwerte sind in Anlage 4 zusammengefasst. Weiterhin sind Unterschreitungsdauern, Abflussdefizit und aus der Dauerlinie abgeleitete Perzentile sowie die Unterschreitung von Schwellenwerten von Interesse (DWA-M 541 2020). Dement- sprechend erfolgt in diesem Bericht die Darstellung durchgängig anhand von Perzentilen (siehe Anlage 5). 6
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS Die Hydrologie des Landes Berlin ist durch das Niederschlags-Abfluss-Geschehen in Berlin und vor allem durch die Zuflüsse aus Brandenburg geprägt, insbesondere die der Spree als südöstlichen Zufluss und die der Oberen Havel als nördlichen Zufluss. Die Teileinzugsgebiete und die in diesem Bericht betrachteten Messstellen sind daher in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: Karte der Teileinzugsgebiete der Spree, Dahme, Oberen Havel und Unteren Havel sowie Aus- schnitt des Landes Berlins mit den in diesem Bericht erwähnten Messstellen. 7
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS Die Jahresmitteltemperatur in der Region Berlin-Brandenburg betrug im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 9,5 °C bei einem Mittelwert von 0,5 °C im Januar und 19,3 °C im Juli (Klima- normalperiode 1961 bis 1990: Jahresmittel 8,7 °C Januarmittel: –0,8 °C, Julimittel: 17,9 °C). Seit den 1960er-Jahren kam es zu einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur um über 1 °C (zum Beispiel Reusswig et al. 2016). Die Jahresniederschlagshöhe (unkorrigiert) im Vergleichs- zeitraum betrug 592 Millimeter (mm), wobei mit 345 mm etwas mehr im Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) als im Winterhalbjahr fiel (Klimanormalperiode 1961 bis 1990: 558 mm Jahres- niederschlagshöhe, Sommer: 312 mm). Im Gegensatz zur Jahresmitteltemperatur bestehen hinsichtlich der Jahresniederschlagsmenge keine eindeutigen Trends (Gädeke et al. 2017). Es bestehen jedoch Tendenzen zu saisonalen Verlagerungen (Murawski et al. 2016), längeren Trockenperioden und andererseits mehr Ereignissen mit intensiven Niederschlägen. Die An- zahl der sommerlichen Dürremonate in Berlin (charakterisiert anhand des Standardisierten Niederschlagsindex, SPI) hat dementsprechend auch leicht zugenommen (Paton et al. 2021). Aufgrund temperaturbedingt zunehmender Verdunstung, die nicht durch den Niederschlag ausgeglichen wird, ist die Region insgesamt trockener geworden. 2.1 Spree und Dahme Das Wasserdargebot der Spree und ihrer Nebenflüsse für Berlin und somit die Abflussverhält- nisse Berlins, werden vor allem durch Braunkohlebergbau und die Bewirtschaftung der Tal- sperren und Speicher sowie den Spreewald erheblich beeinflusst. So tragen Sümpfungswässer aus dem Bergbau zu einer Erhöhung des Abflussniveaus und zusammen mit der Bewirtschaf- tung von Speichern und Talsperren zu einer Verminderung der Abflussdynamik bei (Pohle et al. 2019). Der Spreewald führt jedoch vor allem in den Sommermonaten zu einer Verminderung des Abflussniveaus. Die Braunkohlegewinnung hat besonders tiefgreifend und nachhaltig in den Wasserhaushalt der Lausitz eingegriffen. In der Lausitz besteht bis heute durch Hebung von Grubenwasser ein Grundwasserdefizit von 6 bis 7 Milliarden Kubikmeter (m3). Dieses setzt sich zusammen aus knapp 1 Milliarde m3 im stillgelegten Bereich (LMBV) und gut 5 Milliarden m3 im aktiven Bergbaubereich (LEAG). Die Seeflächen der Tagebaurestseen betragen im Lausitzer Land aktuell 12.500 Hektar und es wird von mittleren jährlichen Verdunstungsverlusten von circa 3 Kubikmeter pro Sekunde (m3/s) (92,5 Millionen m3) ausgegangen. Nach Auslaufen des Braun- kohlentagebaus wird voraussichtlich eine Fläche von 15.000 Hektar durch Wasserflächen bedeckt sein, was zu einer mittleren jährlichen Verdunstung von im Mittel zusätzlich 3,6 m3/s führt (Landtag Brandenburg 2019), wobei die Verdunstung maßgeblich im Sommer erfolgt und somit dann deutlich höher ausfallen kann (bei einer angenommenen Gewässerverdunstung von 7 Millimeter pro Tag (mm/d) kann dies bis zu 12 m3/s entsprechen). Die Sümpfung zur Wasserfreimachung und -freihaltung der Lagerstätten des aktiven Bergbaus beträgt aktuell circa 10 m3/s (1989: 31,8 m3/s). Die eine Hälfte wird als Kühlwasser und zur lokalen Stützung von Feuchtgebieten verwendet. Die andere Hälfte ist abflusswirksam und wird in die Spree eingeleitet (2018: 4,6 m3/s), wobei durch die jahreszeitliche Konstanz der bergbauseitigen Spreeeinleitungen diese insbesondere in den Sommermonaten einen bedeutenden Anteil am Abfluss der Spree im Mittellauf ausmachen kann. Zu den hoheitlichen Speichern im Freistaat Sachsen gehören die Talsperre (TS) Bautzen, die TS Quitzdorf und das Speicherbecken (SB) Lohsa I. Wasserwirtschaftlich bedeutend sind vor allem die beiden Talsperren. Bei nicht ausreichendem Dargebot im Einzugsgebiet der Spree wird aus den Speichern Wasser für die Bedarfsanforderungen (Nutzungen und Mindestabflüs- se) in die Spree abgegeben. Daneben halten die beiden Talsperren ein jährliches Kontingent von insgesamt 20 Millionen m3 Wasser zur Niedrigwasseraufhöhung (NWA) vor. 8
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS Auf Brandenburger Gebiet befindet sich die Talsperre Spremberg. Neben den hoheitlichen Speichern gibt es weitere Speicher, die als Tagebaurestseen (TRS) derzeit noch unter Berg- aufsicht stehen und von der LMBV betrieben werden. Dazu gehören das SB Bärwalde und das Wasserspeichersystem (WSS) Lohsa II mit den drei Teilspeichern SB Dreiweibern, SB Lohsa II und SB Burghammer. Die genannten Speicher befinden sich derzeit in der Probestauphase (PSP) II. Während der PSB II steht die Durchführung von wassergütewirtschaftlichen Maßnah- men im Fokus, nach deren Abschluss die Wasserbeschaffenheit den Zielwerten entspricht und die Speicher den wasserwirtschaftlichen Normalbetrieb aufnehmen können. Die Bewirtschaftung der Speicher erfolgt mit dem Ziel der Bedarfsdeckung und Sicherung der Nutzungen und Mindestabflüsse. Die Wasserbewirtschaftung im Flussgebiet der Spree wird zwischen den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Berlin sowie der LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH) und der LEAG (Lausitzer Energie AG) auf Grundlage der „Grundsätze für die länderübergreifende Bewirtschaftung der Flussgebiete Spree, Schwarze Elster und Lausitzer Neiße“ innerhalb der Arbeitsgruppe Flussgebietsbewirt- schaftung Spree, Schwarze Elster und Lausitzer Neiße abgestimmt. In dieser Arbeitsgruppe werden die Bewirtschaftungsgrundsätze (nutzbarer Betriebsraum der Speicher, erforderliche Mindestabflüsse, Flutungsentnahmen, Ausleitempfehlungen aus Speichern und Tagebaurest- seen sowie Immissionsrichtwerte für die Wasserbeschaffenheit) festgelegt. Beispielsweise sind in dem Bewirtschaftungsgrundsatz die Mindestabflüsse von 4,5 m3/s am Pegel Leibsch und von 8 m3/s am Pegel Große Tränke festgelegt. Die Bewirtschaftung der oben genannten Speicher erfolgt nicht allein nach mengenwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Vielmehr sind seit einigen Jahren verstärkt gütewirtschaftliche Aspekte, insbesondere hinsichtlich des Parame- ters Sulfat, bei der Bewirtschaftung zu beachten. Die Sulfatsteuerung erfolgt bezogen auf den Querschnitt Spremberg-Wilhelmsthal (Immissionsrichtwert (IRW) für Sulfat von 450 Milligramm pro Liter (mg/l)). Unterhalb der Talsperre Spremberg werden die Abflussverhältnisse maßgeblich durch den Spreewald, Wasserüberleitungen (Dahme-Umflut-Kanal und Oder-Spree-Kanal) sowie Wasserentnahmen (zum Beispiel Fischereiwirtschaft) geprägt. Der Spreewald, mit seinem weitverzweigten Gewässernetz, vielen Staustufen und Fließen, ist ein sehr komplexes wasser- wirtschaftliches System. Die Bewirtschaftung erfolgt durch die Unteren Wasserbehörden und Wasser- und Bodenverbände. Der Spreewald ist ein bedeutender Wasserverbraucher, mit Verdunstungsverlusten (Landoberflächen- und Gewässerverdunstung) von bis zu 5 m3/s in Trockenjahren beziehungsweise bis zu 8 m3/s während extremer Trockenperioden. Weitere Gründe für die Wasserverluste im Spreewald sind der Wasserrückhalt durch Stauregime und Fahrweise der Wehranlagen (Wehrstellungen), Versickerung in das Grundwasser, Wasserent- nahmen und Wasserüberleitungen (ohne Rückführungen). Unterhalb des Spreewaldes liegen weitere Seen (Schwielochsee, Neuendorfer See), die in der Vergangenheit auch unter wasser- wirtschaftlichen Aspekten, heute aber maßgeblich unter naturschutzfachlichen Gesichtspunk- ten bewirtschaftet werden. Anhand der Jahresreihen der mittleren und niedrigsten Jahresdurchflüsse am Pegel Große Tränke UP für den Zeitraum von 1963 bis 2020 sowie deren Bruchpunkten hinsichtlich eines Abflussrückgangs (mittlerer Jahresdurchfluss: 1995, niedrigster Jahresdurchfluss: 1992) und signifikanten Abwärtstrends ist der erhebliche Rückgang des Sümpfungswassers im Jahr 1990 deutlich zu erkennen (Abbildung 2). Der niedrigste Jahresdurchfluss liegt seit 1992 durchgän- gig und deutlich unter dem Mindestabfluss von 8,0 m3/s, auch der mittlere Jahresdurchfluss liegt in manchen Jahren nur knapp über dem vereinbarten Mindestabfluss. Demzufolge wird der Mindestabfluss von 8,0 m3/s dauerhaft und teilweise deutlich unterschritten. 9
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS Abbildung 2: Durchfluss der Spree am Pegel Große Tränke UP als Jahresreihe des mittleren und niedrigsten Jahresdurchflusses im Zeitraum 1963 bis 2020. Dargestellt sind auch die signifikanten Bruchpunkte (Pettit- Test, p-Wert < 0,01) von mittlerem Jahresdurchfluss im Jahr 1995 und niedrigstem Jahresdurchfluss im Jahr 1992, die signifikanten Trends (Mann-Kendall Test, p-Wert < 0,01) und der Mindestabfluss am Pegel. 2.2 Obere Havel Das Wasserdargebot der Oberen Havel für Berlin und somit die Abflussverhältnisse werden durch insgesamt 14 Flussstauhaltungen erheblich beeinflusst. Die Mecklenburger Oberseen (MOS) mit ihrem größten See, der Müritz, besitzt eine Staulamelle von 55 Zentimeter, was einem Wasservolumen von 110 Millionen m3 entspricht. Die MOS werden als Überjahresspei- cher bewirtschaftet und können Wasser zur Havel und zur Elde abgeben. Die Abgabestrategie der MOS beeinfluss maßgeblich die Abflussverhältnisse im gesamten Untersuchungsgebiet bis zur Haltung Spandau sowohl im Niedrig- als auch im Mittelwasserbereich (Ebner von Eschen- bach et al. 2021). Aktuell besteht keine Regelung zwischen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin zur Bewirtschaftung der MOS sowie Seelamellenbewirtschaftung und es findet keine regelmä- ßige Abstimmung zwischen den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zur Wasserbewirtschaftung statt. Auch fehlen für viele Stauhaltungen quantifizierbare Angaben zu relevanten Entnahmen oder Einleitungen sowie verbindlich festgelegte Stauziele (Ebner von Eschenbach et al. 2021). 2.3 Berlin Berlin ist geprägt durch mehrere große und viele kleine Fließgewässer, sowie zahlreiche (Fluss-) Seen, Teiche und Weiher. Zu den kleineren Nebenwasserläufen (Fließgewässer zweiter Ordnung) gehören unter anderem Panke, Wuhle, Fredersdorfer Mühlenfließ, Marzahn-Hohen- schönhauser Grenzgraben, Erpe, Tegeler Fließ und Nordgraben. Daneben gibt es zahlreiche Standgewässer sowie weitere kleine und kleinste Gräben, die hauptsächlich noch aus der Zeit des Rieselfeldbetriebes vorhanden sind. Aus den bereits genannten Zuflüssen nach Berlin ent- wickelt sich innerhalb der Stadt ein sehr verzweigtes Oberflächengewässersystem, in dem die Hauptgewässer Spree, Dahme und Havel durch verschiedene Kanäle miteinander verbunden sind. Diese Gewässer erster Ordnung sind staugeregelt, das heißt, die Regulierung der Wasser- stände und Abflüsse erfolgt über mehrere Wehre. Dadurch ergeben sich trotz deutlich var- riierender Durchflüsse sehr geringe Wasserstandsschwankungen innerhalb eines Jahres. Das Wasserspiegel- und Sohlengefälle ist sehr gering und die Fließquerschnitte sind groß, woraus besonders in Trockenwetterperioden Fließgeschwindigkeiten resultieren, die nahe 0 Meter pro Sekunde (m/s) liegen. Die Grundwasserverhältnisse in Berlin werden durch die geologischen Randbedingungen bestimmt. Durch die wechselnde Abfolge von wasserführenden und gering wasserdurchläs- sigen Sedimenten sind im Berliner Raum, oberhalb des Rupeltons, vier Süßwasserstockwerke hydraulisch und hydrochemisch unterscheidbar. 10
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 2 CHARAKTERISIERUNG DES UNTERSUCHUNGSGEBIETS Die Brunnen der Berliner Wasserbetriebe (BWB) befinden sich im Bereich des Warschau-Ber- liner-Urstromtals und der Nauener Platte. Das Trinkwasser wird vor allem aus dem 2. Grund- wasserleiter, dem sogenannten Hauptgrundwasserleiter (HGWL), gewonnen. Die Grundwas- serstände haben hier zudem einen direkten Einfluss auf das Ökosystem (Stadtbäume, Moore), weshalb sich die nachfolgenden Ausführungen auf den Hauptgrundwasserleiter fokussieren. Der HGWL liegt im Warschau-Berliner Urstromtal (Abbildung 3 in grün) und im Bereich der Nauener Platte unbedeckt vor, während er in den Bereichen von Barnim- und Teltow-Hochflä- che Abbildung 3 in sandfarben und gelb) meist durchgängig von gering durchlässigen Sedi- menten überdeckt ist. Für eine Aussage zur Entwicklung der Grundwasserstände muss grund- sätzlich zwischen diesen Bereichen unterschieden werden. Liegt der Grundwasserleiter unbedeckt vor, so kann die Grundwasseroberfläche frei im Grundwasserkörper ansteigen und absinken. Bei einer Änderung des Grundwasserspiegels erfolgt eine zeitlich relativ direkte Auffüllung beziehungsweise Entleerung des Porenraums des Grundwasserleiters. Man spricht von freiem oder ungespanntem Grundwasser. Ist der Grundwasserleiter von gering durchlässigen Sedimenten überdeckt, so kann das Grundwas- ser nicht so stark ansteigen, wie es seinem eigentlichen hydrostatischen Druck entspricht. Die Grundwasseroberfläche befindet sich an der Oberkante des Grundwasserleiters, während die gemessene Druckfläche des Grundwasserleiters in den überlagernden gering durchlässigen Sedimenten liegt. Bei Grundwasserschwankungen bleibt der Porenraum gefüllt. Man spricht von gespanntem Grundwasser. Abbildung 3: Geologische Skizze von Berlin und Lage der Grundwassermessstellen, die für die Analyse der einzelnen hydrogeologischen Teilräume verwendet wurden. 11
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 3 HYDROMETEOROLOGISCHE SITUATION 3 HYDROMETEOROLOGISCHE SITUATION Die hydrologischen Jahre 2018, 2019 und 2020 waren in der Region Berlin-Brandenburg außerordentlich warm und niederschlagsarm: Die drei Jahre (2018: orange, 2019: rot, 2020: dunkelrot) liegen im unteren rechten Quadranten des Thermopluviogramms in Abbildung 4a, das heißt, die Jahresmitteltemperatur war höher und die Niederschlagsjahressumme gerin- ger als im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017. Der Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 für hydro- meteorologische Größen wurde zum Zwecke der Konsistenz mit dem Vergleichszeitraum für hydrologischen Größen (1991 bis 2017 zur besseren Berücksichtigung von Einflüssen auf das Durchflussgeschehen in der jüngeren Vergangenheit) gewählt. Auch die hydrologischen Som- merhalbjahre (Mai bis Oktober) 2018 und 2019 (Abbildung 4b) und die hydrologischen Winter- halbjahre (November des Vorjahres bis April) 2019 und 2020 (Abbildung 4c) waren warm und niederschlagsarm mit höheren Sommer- als Winterniederschlägen. Das den drei Niedrigwas- serjahren vorangegangene Jahr 2017 war relativ niederschlagsreich und lag hinsichtlich der Jahresmitteltemperatur im Bereich des Mittels des Vergleichszeitraums 1991 bis 2017. Der Ver- gleichszeitraum 1991 bis 2017 war gegenüber der Klimanormalperiode 1961 bis 1990 bereits deutlich wärmer. Auch die Gegenüberstellung der Jahressummen von korrigiertem Nieder- schlag, potenzieller Verdunstung (nach Turc-Ivanov) und die daraus bilanzierte Klimatische Wasserbilanz (KWB, Differenz aus korrigiertem Niederschlag und potenzieller Verdunstung) in Form eines Evapopluviogramms zeigt, dass die Jahre 2018, 2019 und 2020 zu trocken waren (Abbildung 5a). Sie liegen im unteren rechten Quadranten des Evapopluviogramms und weisen eine deutlich negative KWB auf. Das diesen drei Trockenjahren vorangegangene Jahr 2017 war mit einer deutlich positiven KWB nach 2007 das zweitfeuchteste bisher beobachtete. Die mittlere Lufttemperatur der hydrologischen Jahre 2019 und 2020 (je 11,0 °C) war die höchste und 2018 (10,8 °C) die dritthöchste seit Beginn der Aufzeichnungen (hydrologisches Jahr 1882) und damit um mehr als 1 °C wärmer, als der Mittelwert im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 von 9,5 °C und um circa 2 °C wärmer, als das langjährige Mittel der Klimanormal- periode 1961 bis 1990 von 8,7 °C (Abbildung 4a). Das hydrologische Sommerhalbjahr 2018 (17,4 °C) war das bisher wärmste, auch 2019 (16,6 °C) und 2020 (16,0 °C) waren wärmer, als im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 (15,5 °C) und deutlich wärmer als in der Klimanormalpe- riode 1961 bis 1990 (14,6 °C; Abbildung 4b). Das hydrologische Winterhalbjahr 2020 war mit 5,9 °C das bisher zweitwärmste (nach 2007 mit 6,6 °C), auch 2018 (4,2 °C) und 2019 (5,4 °C) waren wärmer, als der Mittelwert im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 von 3,7°C und deutlich wärmer, als das langjährige Mittel von 2,7 °C in der Klimanormalperiode 1961 bis 1990 (Ab- bildung 4c). Die einzelnen Monate waren teils deutlich wärmer als die langjährigen Monats- mittelwerte der Klimanormalperiode 1961 bis 1990, der April 2018 und der Juni 2019 waren die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen (Anlage 2). Die Niederschlagsjahressummen (unkorrigierte) der drei Jahre (2018: 422 mm, 2019: 502 mm und 2020: 546 mm) waren geringer, als die langjährigen Mittel des Vergleichszeitraums 1991 bis 2017 (592 mm) beziehungsweise der Klimanormalperiode 1961 bis 1990 (558 mm; Abbildung 5a). Das hydrologische Sommerhalbjahr 2018 war das trockenste bisher beobach- tete – es fiel mit 174 mm nur halb so viel Regen als im langjährigen Mittel 1991 bis 2017 zu er- warten wäre (beziehungsweise 60 Prozent gegenüber der Klimanormalperiode 1961 bis 1990; Abbildung 5b). Die einzelnen Monate waren dementsprechend teils deutlich trockener als im langjährigen Mittel (Anlage 3). 12
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 3 HYDROMETEOROLOGISCHE SITUATION Abbildung 4: Thermopluviogramm der Region Brandenburg-Berlin: Mittlere Temperatur gegen Nieder- schlagssumme auf Basis der hydrologischen Jahre (Teilabbildung a), im hydrologischen Sommer (Mai bis Oktober, Teilabbildung b) und im hydrologischen Winter (November bis April, Teilabbildung c): Klimanormal- periode 1961 bis 1990 (hellgrau), Zeitraum 1991 bis 2017 (dunkelgrau), 2017 (grün), 2018 (orange), 2019 (rot), 2020 (dunkelrot). Das langjährige Mittel in der Klimanormalperiode ist durch eine hellgraue gepunktete Linie, das langjährige Mittel im Zeitraum 1991 bis 2017 durch eine dunkelgraue gestrichelte Linie gekennzeichnet. Daten: DWD (opendata: Zeitreihen für Gebietsmittel für Bundesländer und Kombinationen von Bundesländern: https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/regional_averages_DE) Die potenzielle Verdunstung (nach Turc-Ivanov) Berlins war in den Jahren 2018 (755 mm), 2019 (708 mm) und 2020 (692 mm) in dieser Reihenfolge die höchste, zweithöchste und dritt- höchste seit Beginn der Untersuchungen im hydrologischen Jahr 1952 und deutlich höher, als der langjährige Mittelwert von 633 mm in der Periode 1991 bis 2017 (Abbildung 5a). Dement- sprechend war die potenzielle Verdunstung auch in Summe der drei Jahre 2018 bis 2020 mit 2155 mm die höchste seit Untersuchungsbeginn. Die Klimatische Wasserbilanz (KWB) war als Konsequenz vergleichsweise geringer Jahres- summen des korrigierten Niederschlags und sehr hoher potenzieller Verdunstung in den Jahren 2018 (–218 mm), 2019 (–139 mm) und 2020 (–166 mm) deutlich negativ auch im Vergleich mit dem leicht positiven langjährigen Mittel von 14 mm im Zeitraum 1991 bis 2017 (Abbildung 5a). Bezüglich der KWB war das hydrologische Jahr 2018 das trockenste seit Beginn der Unter- suchung im hydrologischen Jahr 1952. Auffällig trocken sind die drei Jahre 2018 bis 2020 vor allem als drei aufeinanderfolgende Jahre mit negativer KWB (Abbildung 5b). In Summe der drei Jahre ergab sich eine KWB von –537 mm, dies ist der stärkste negative Wert seit Beginn der Untersuchung. Drei aufeinanderfolgende Jahre mit negativer KWB traten außer in den Jahren 2018 bis 2020, wenn auch nicht in diesem Ausmaß, auch im Zeitraum 2014 bis 2016 auf (Summe aus drei Jahren: –330 mm). Unterbrochen wurden die beiden Zeiträume von dem deutlich feuchteren Jahr 2017 (mit einer positiven KWB von 235 mm zweitfeuchtestes Jahr seit Beginn der Untersuchung). Vor allem die Monate von April bis August der Jahre 2018 bis 2020 waren hinsichtlich der KWB auffällig trocken (Abbildung 5c). 13
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 3 HYDROMETEOROLOGISCHE SITUATION Abbildung 5: Klimatische Wasserbilanz (KWB) für Berlin: a) Evapopluviogramm aus Jahressumme der poten- ziellen Verdunstung nach Turc-Ivanov und korrigierter Niederschlagsjahressumme mit daraus bilanzierter Jah- ressumme der Klimatischen Wasserbilanz (KWB; als Isolinien im Abstand von 100 mm) für die hydrologischen Jahre 1952 bis 2020, b) Jahressummen für hydrologische Jahre sowie kumulierte Jahressummen seit 1952 (vio- lette Linie) c) Monatssummen als Mittelwerte (dunkelgraue Balken) und Wertebereiche (graue Antennen) für die hydrologischen Jahre 1991 bis 2017 und die Jahre 2018 (orange Balken), 2019 (rote Balken) und 2020 (dunkel- rote Balken) sowie kumulierte Monatssummen anhand der Mittelwerte für die hydrologischen Jahre 1991 bis 2017 (dunkelgraue Linie) und für die hydrologischen Jahre 2018 (orange Linie), 2019 (rote Linie) und 2020 (dunkelrote Linie). Daten: DWD (Tageswerte hydrometeorologischer Größen, Berliner Stadtgebiet. DWD Abteilung Hydrometeo- rologie) 14
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION 4.1 Oberflächengewässer Die Zuflüsse nach Berlin und die Durchflüsse an Berliner Pegeln waren vor allem in den Jahren 2019 und 2020 vergleichsweise gering. Dass sich die extreme meteorologische Dürre 2018 (besonders trocken und warm) hydrologisch noch deutlicher erst in den Jahren 2019 und 2020 auswirkte, ist entsprechend der Zeitskalen von Dürren (siehe Anlage 1) auch darin begründet, dass das Jahr 2017 überdurchschnittlich feucht war (vergleiche Abbildung 5). Die mittleren Jahresdurchflüsse der hydrologischen Jahre 2019 und 2020 lagen an allen betrachteten Pegeln teils deutlich unter den Mittleren Durchflüssen (MQ) der Reihe 1991 bis 2017 (Tabelle 1). Die Reihe 1991 bis 2017 wurde als Vergleichszeitreihe für Durchflüsse in Abweichung von der Klimanormalperiode 1961 bis 1990 gewählt, um Einflüsse auf das Durchflussgeschehen in der jüngeren Vergangenheit (vor allem Rückgang des Braunkohletagebaus) besser berücksichti- gen zu können. Die Niedrigwasserdurchflüsse waren in allen drei Jahren (außer Obere Havel am Pegel Borgsdorf) geringer als die Mittleren Niedrigwasserdurchflüsse (MNQ) der Zeitreihe 1991 bis 2017, jedoch außer an der Spree-Oder-Wasserstraße am Pegel Wernsdorf OP (Ober- pegel) höher als der NQ im Vergleichszeitraum. Die niedrigsten Mittelwerte von X aufeinander- folgenden Tagesabflusswerten (NMXQ, in Tabelle 2 dargestellt für X = 7, 30, 60 und 90 Tage) der Niedrigwasserjahre 2018, 2019 und 2020 an den jeweiligen Pegeln, liegen teils deutlich unter den langjährigen mittleren MNXQ als arithmetischer Mittelwert der Jahreswerte (NMXQ) innerhalb des Zeitraums 1991 bis 2017. An den Pegeln Neue Mühle UP, Große Tränke UP, Müh- lendamm OP und Borgsdorf treten hierbei die geringsten Werte im Jahr 2019 auf. Am Pegel Sophienwerder sind diese Kennwerte im Jahr 2020 noch geringer als 2019. Zur Veranschaulichung der hydrologischen Größen in den Jahren 2018, 2019 und 2020 sowie des Vergleichszeitraums, wurde eine Darstellungsform gewählt, in der für jeden Kalendertag im hydrologischen Jahr der Bereich zwischen Minimum und dem Maximum im Vergleichs- zeitraum (wenn nicht anders in der Abbildung notiert: hydrologische Jahre 1991 bis 2017) als Fläche dargestellt ist, die entsprechend der Perzentile in Graustufen eingefärbt ist (Erläuterung siehe Anlage 5). Die hydrologischen Jahre 2018, 2019 und 2020 sind dieser Darstellung als einzelne Linien hin- zugefügt (2018: orange, 2019: rot, 2020: dunkelrot). Zusätzlich stellen eingeschobene Boxplots die Anzahl der Tage dar, an denen relevante Schwellenwerte im Vergleichszeitraum unter- be- ziehungsweise überschritten wurden, die Werte der im Fokus der Untersuchung stehenden hy- drologischen Jahre sind als Punktsymbol mit Zahlenangabe hinzugefügt (2018: oranger Kreis, 2019: roter Ring, 2020: dunkelroter Kreis). 15
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Tabelle 1: Hydrologische Hauptwerte des Durchflusses für ausgewählte Pegel auf Basis der Reihe 1991 bis 2017 und für die hydrologischen Einzeljahre 2018, 2019 und 2020 MQ mittlerer Durchfluss, MNQ mittlerer Niedrigwasserdurchfluss, NQ Niedrigwasserdurchfluss, NNQ niedrigs- ter jemals gemessener Durchfluss (mit Datum des Auftretens). Daten: WSA(a), SenUVK(b). (*Wuhle: Daten 2000 bis 2017) Fließ- Pegel Periode/ MQ MNQ NQ NNQ [m3/s] gewässer Zeitraum [m3/s] [m3/s] [m3/s] (mit Datum) 1991–2017 9,13 0,69 0,20 0,03 (Februar 1954)+ Neue Mühle 2018 11,4 0,30 Dahme UP(a) 2019 4,38 0,27 2020 2,82 0,28 1991–2017 7,90 0,95 0,54 0,10 (07.05.1905) Oder-Spree- Wernsdorf 2018 5,44 0,73 Kanal OP(a) 2019 2,95 0,60 2020 2,64 0,45 1991–2017 12,3 3,04 1,01 1,01 (03.08.2001)+ Große 2018 9,37 2,40 Spree Tränke UP(a) 2019 9,33 1,38 2020 9,03 1,96 1991–2017 26,0 3,93 0,90 0,001 (16.07.1964) Mühlen- 2018 24,0 2,89 Spree damm OP(a) 2019 14,4 3,48 2020 12,7 3,50 1991–2017 28,8 5,26 0,63 0,63 (30.06.2008) Sophien- 2018 26,9 4,55 Spree werder(b) 2019 17,5 6,32 2020 15,1 2,84 1991–2017 12,3 2,69 1,70 1,66 (29.09.2009) Havel Borgsdorf(a) 2018 16,9 2,99 2019 6,97 2,18 2020 7,71 2,55 1991–2017 0,51 0,23 0,06 0,06 (04.09.2014) Am Bahn- 2018 0,30 0,07 Wuhle damm*(b) 2019 0,16 0,06 2020 0,17 0,07 1991–2017 0,20 0,00 0,00 0,00 (häufig) Freders- Hegemeis- 2018 0,29 0,00 dorfer terweg(b) 2019 0,00 0,00 Mühlenfließ 2020 0,00 0,00 + an weiteren Tagen aufgetreten 16
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Tabelle 2: Niedrigster Mittelwert von X aufeinanderfolgenden Tagesabflusswerten (NMXQ) innerhalb der Nie- drigwasserjahre 2018, 2019 und 2020, wobei X die Anzahl von aufeinanderfolgenden Tagen bedeutet. Zusätz- lich wird der Zeitraum mit Anfangsdatum genannt. Zum Vergleich wird der langjährige mittlere MNXQ als arithmetischer Mittelwert der Jahreswerte (NMXQ) innerhalb des Zeitraums 1991 bis 2017 dargestellt. Daten: WSA(a), SenUVK(b). Fließgewässer Pegel Bezug MN7Q bzw. NM7Q MN30Q bzw. NM30Q MN90Q bzw. NM90Q [m³/s] Datum [m³/s] Datum [m³/s] Datum 1991–2017 0,92 1,85 3,00 2018 0,40 28.05.2018 2,68 19.05.2018 3,12 10.09.2018 Dahme Neue Mühle UP(a) 2019 0,31 21.09.2019 0,33 25.08.2019 0,38 01.08.2019 2020 0,31 09.06.2020 0,33 23.08.2020 0,60 13.08.2020 1991–2017 1,19 1,47 2,72 2018 0,88 20.09.2018 0,91 19.09.2018 1,03 17.09.2018 Oder-Spree-Kanal Wernsdorf OP(a) 2019 0,81 06.11.2018 0,90 18.11.2018 1,10 09.08.2019 2020 0,63 25.12.2019 0,90 14.12.2019 1,07 25.05.2020 1991–2017 4,01 5,13 6,65 2018 2,74 28.08.2018 3,04 20.08.2018 3,97 30.07.2018 Spree Große Tränke UP(a) 2019 1,50 10.07.2019 1,60 19.07.2019 2,18 01.08.2019 2020 2,09 07.08.2020 2,33 11.08.2020 3,13 12.08.2020 1991–2017 4,63 6,58 10,2 Mühlendamm 2018 4,31 17.08.2018 4,46 24.08.2018 5,98 04.08.2018 Spree OP(a) 2019 3,77 03.09.2019 4,03 27.08.2019 4,52 07.08.2019 2020 3,75 25.04.2020 4,18 12.08.2020 4,54 13.07.2020 1991–2017 6,65 9,07 13,2 2018 5,26 03.09.2018 5,65 03.09.2018 8,24 06.09.2018 Spree Sophienwerder(b) 2019 6,70 05.09.2019 7,43 25.08.2019 8,31 13.08.2019 2020 5,05 21.08.2020 5,52 12.08.2020 5,98 11.08.2020 1991–2017 3,30 3,99 5,43 2018 3,32 07.07.2018 3,55 05.09.2018 3,80 03.09.2018 Havel Borgsdorf(a) 2019 2,79 05.09.2019 2,97 11.09.2019 3,31 13.08.2019 2020 2,87 16.08.2020 3,16 15.08.2020 3,35 12.08.2020 4.1.1 Spree und Dahme Die Zuflusssumme aus dem Einzugsgebiet der Spree in die Mühlendammstauhaltung (Summe aus Spree, Dahme, Spree-Oder-Wasserstraße und auch die einzelnen Zuflüsse lagen ab Juni 2018 unter dem Median aus der Zeitreihe 1991 bis 2017 für die jeweiligen Tage im Jahres- verlauf (Abbildung 6). In den Sommern 2019 und 2020 wurden die niedrigsten Werte des Vergleichszeitraums teils unterschritten. Der Durchfluss der Spree am Pegel Große Tränke UP lag in den Jahren 2018 bis 2020 fast durchgängig unter dem Median aus dem Vergleichs- zeitraum; der Mindestabfluss von 8 m3/s wurde in jedem Jahr an mehr als 120 Tagen unter- schritten (Abbildung 6b). Im Jahr 2018 trat mit einer Dauer von 136 Tagen die längste bisher beobachtete Periode von Durchflüssen unterhalb des Mindestabflusses auf. Der MQ der einzelnen Jahre am Pegel Große Tränke lag jeweils um circa 3 m3/s unter dem MQ von 12,33 m3/s im Vergleichszeitraum 1991 bis 2017 (Tabelle 1). 17
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Abbildung 6: Zuflüsse aus dem Einzugsgebiet der Spree als Perzentile der Jahre 1991 bis 2017 und Gangli- nien der Einzeljahre 2018, 2019 und 2020: a) Zuflusssumme aus Spree, Dahme und Spree-Oder-Wasserstraße, b) Durchfluss der Spree am Pegel Große Tränke UP und Anzahl der Tage sowie längste zusammenhängende Dauer der Unterschreitung des Mindestabflusses der Spree am Pegel Große Tränke von 8 m3/s als Boxplots für die Jahre 1991 bis 2017 und Einzelwerte für die Jahre 2018, 2019 und 2020, c) Durchfluss der Dahme am Pegel Neue Mühle, d) Durchfluss der Spree-Oder-Wasserstraße am Pegel Wernsdorf. Hinweis zur Perzentildarstellung siehe Anlage 5. Der Abfluss der Spree wurde ab dem Frühsommer 2018 aus den wasserwirtschaftlichen Speichern im Spreeeinzugsgebiet (unter anderem Talsperren Bautzen und Quitzdorf (20 Mil- lionen m3 bis September 2018), sowie den Speichern Bärwalde und Lohsa II (46 Millionen m3) und der Talsperre Spremberg gestützt (Abbildung 7a). In den Frühjahren 2019 und 2020 waren die Speicher aufgrund der vorangegangenen Trockenjahre weniger gefüllt als im Frühjahr 2018 (zum Beispiel 73 Prozent im Mai 2019) so dass die Niedrigwasseraufhöhung nur reduziert erfolgen konnte (Abbildung 7b, siehe auch AK Wassermenge 2020). Die Sümpfungswasserein- leitungen des aktiven Bergbaus (bilanzbereinigt 4,0 bis 4,5 m3/s) stellten in den drei Betrach- tungsjahren einen wesentlichen Anteil des Durchflusses im oberen Spreeeinzugsgebiet dar. 18
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Abbildung 7: Speicherinhalt der größeren wasserwirtschaftlichen Speicher im Einzugsgebiet der Spree im Verlauf der Kalenderjahre 2018 bis 2020 auf Basis von Tagesmittelwerten: a) Absolutwerte des Inhalts des Be- triebsraums als gestapelte Abbildung: die jeweiligen Flächen stellen den Inhalt der einzelnen Speicher dar, die Gesamtfläche entspricht der Summe der wasserwirtschaftlichen Speicher. Hierbei ist anzumerken, dass der Inhalt der Talsperre Quitzdorf ab August 2019 bis Oktober 2020 im Bereich des Reserveraums lag (das heißt negativer Inhalt des Betriebsraums). b) Relativer Inhalt des Betriebsraums der einzelnen Speicher und relativer Inhalt aller Speicher bezogen auf den Gesamtbetriebsraum (hierbei ist der negative Inhalt der Talsperre Quitzdorf berücksichtigt). Der nahezu konstante Durchfluss der Spree am Pegel Bräsinchen unterhalb der Talsperre Spremberg zeigt den Einfluss der Speicherbewirtschaftung auf das Durchflussgeschehen im Spreeeinzugsgebiet (Abbildung 8). Die Zehrwirkung des Spreewaldes wird durch die im Ver- gleich zu Bräsinchen geringeren Durchflüsse am Pegel Leibsch UP (unterhalb des Spreewalds) und die hohe Differenz zwischen den Durchflüssen in Bräsinchen und Leibsch UP, die sich im Verlaufe der Sommer 2018 und 2019 auf je fast 80 Millionen m3 aufsummieren (Sommer 2020: fast 60 Millionen m3), verdeutlicht. Diese Zehrwirkung trat in 2018 ab Mai, in 2019 und 2020 bereits ab Anfang April auf. Es treten hohe Verdunstungsverluste von Land- und Wasser- flächen von bis zu 8 m3/s während Trockenperioden auf. Das Stauregime von Wehren sowie Wasserentnahmen führen zu zusätzlichen Wasserverlusten. Dementsprechend sind im Sommer die Durchflüsse am Pegel Leibsch UP und auch Große Tränke UP geringer als die Abgaben aus der Talsperre Spremberg. An Dahme und Oder-Spree-Kanal war vor allem der geringe MQ im Jahr 2020 auffällig. An den Pegeln Neue Mühle UP und Wernsdorf OP wurde nur ein Drittel des MQ aus dem Ver- gleichszeitraum erreicht (Abbildung 6c und d). Am Pegel Wernsdorf OP wurde auch der NQ der Vergleichszeitreihe unterschritten. 19
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Abbildung 8: Durchfluss der Spree in den hydrologischen Jahren 2018 bis 2020 an den Pegeln Bräsinchen und Leibsch UP: a) täglicher Durchfluss ab 01.04.2018, ausgefüllte Flächen: Differenz zwischen Bräsinchen und Leibsch UP im Falle höheren Durchflusses am Pegel Bräsinchen, b) Differenz des Durchflussvolumens zwi- schen Bräsinchen und Leibsch UP in den hydrologischen Sommerhalbjahren (April bis Oktober) 2018, 2019, 2020. 4.1.2 Obere Havel Abbildung 9: Durchfluss beziehungsweise Wasserstand der Havel als Perzentile der Jahre 1991 bis 2017 und Ganglinien der Einzeljahre 2018, 2019 und 2020: a) Durchfluss am Pegel Borgsdorf, b) Wasserstand am Pegel Spandau Oberer Pegel mit Stauziel. Die Obere Havel wies ab Sommer 2018 Durchflüsse deutlich unterhalb des Medians (50. Per- zentil) der Kalendertage der Zeitreihe 1991 bis 2017 auf, in den Sommern 2019 und 2020 bewegten sich die Durchflüsse am Pegel Borgsdorf meist im Bereich zwischen Minimum und 20. Perzentil der Vergleichszeitreihe (Abbildung 9a). Der MQ der Jahre 2019 und 2020 entsprach circa 60 Prozent des MQ der Zeitreihe 1991 bis 2017 (Abbildung 9). Das Sommer- stauziel in der Stauhaltung Spandau von 31,314 Meter über Normalhöhennull (NHN) wurde in den Sommern der Jahre 2018, 2019 und 2020 vielfach um bis zu 30 Zentimeter unterschritten (Abbildung 9b). Das Winterstauziel von 31,514 Meter wurde daraufhin erst verspätet erreicht, im Jahr 2019 war dies erst im Dezember der Fall. Für eine bessere Speicherwirkung der Stau- haltung Spandau zur Niedrigwasseraufhöhung, wurde im Jahr 2020 auf eine gesteuerte Ab- senkung der Wasserstände in der Stauhaltung verzichtet (SenUVK 2020). 20
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Die Analyse von Ebner von Eschenbach et al. (2020) stellt die maßgeblichen Einflüsse der Abgabestrategie der MOS auf die Abflussverhältnisse der Oberen Havel bis zur Haltung Spandau sowohl unter Niedrig- als auch unter Mittelwasserbedingungen heraus. Der Inhalt der Mecklenburger Oberseen (MOS) war im Frühjahr 2018 bedingt durch das niederschlagsrei- che Jahr 2017 auffällig hoch im Vergleich zu 1991 bis 2017 (Abbildung 10). Er sank im Verlauf des hydrologischen Jahres 2018 deutlich, befand sich in 2019 und 2020 durchgängig unter dem Minimum der entsprechenden Kalendertage in den Jahren 1991 bis 2017 und zeitweise unter dem unteren Stauziel, wobei im Herbst 2020 wieder höhere Werte erreicht wurden als im Herbst 2019. Somit stand in den Jahren 2019 und 2020 kaum Wasser zur Niedrigwasseraufhö- hung zur Verfügung. Abbildung 10: Wasserstand der Mecklenburger Oberseen (Pegel Waren) als Perzentile der hydrologischen Jahre 1991 bis 2017 und Ganglinien der hydrologischen Einzeljahre 2018, 2019 und 2020 auf Basis von Tages- mittelwerten und Kennzeichnung der Stauziele. Die rechte Ordinatenachse stellt den Inhalt bezogen auf den Bereich zwischen unterem (0 Prozent) und oberem (100 Prozent) Stauziel dar. 4.1.3 Berlin Die Durchflusssituation in Berlin in Niedrigwassersituationen ist beispielhaft für den Sommer (Mittelwerte Juli bis September) 2019 in Abbildung 11 anhand der mittleren Durchflüsse in diesem Zeitraum zusammengefasst. Datengrundlage stellen hier die Ergebnisse des BIBER (Berechnungs- und Informationssystem Berliner Oberflächengewässer (IWU 2019)) dar, eines hydronumerischen 1D-Berechnungsprogramms zur Simulation der Strömungsverhältnisse im weitverzweigten Berliner Gewässersystem unter Berücksichtigung des Bilanzausgleichs der einbezogenen Randbedingungen. Im Berliner Gewässersystem waren die Durchflüsse niedrig und teilweise sogar negativ. Im Bereich des Spreetunnels kam es zu deutlichen Rückströmun- gen in Richtung Müggelsee. Grund hierfür waren die geringen Zuflüsse, die Rohwasserförde- rung des Wasserwerks Friedrichshagen, die relativ hohe Verdunstung aus dem Müggelsee und die Klärwerkseinleitungen der Klärwerke Münchehofe und Waßmannsdorf. So traten im Sommer 2019 im Mittel Rückströmungen von 0,693 m3/s auf, welche schon im Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan (Ministerium für Umwelt Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin 1994) prognostiziert wurden. Für den Gesamtabfluss der Spree ergibt sich im Sommer 2019 ein mittlerer Abfluss von 6,54 m3/s. Im Sinne der „Kellerschen“ Auffassung ist somit die definierte „Schadensgrenze“ von 15 m3/s (Keller 1916) um mehr als die Hälfte unterschritten, wobei diese Grenze so definiert wurde, dass bei dieser Abflussmenge das abfließende Wasser ausschließlich aus dem Grund- wasser kommt und somit jede Entnahme als Schädigung betrachtet werden kann. 21
DIE NIEDRIGWASSERJAHRE 2018, 2019 UND 2020 – 4 HYDRO(GEO)LOGISCHE SITUATION Abbildung 11: Berliner Durchflusssituation im Sommer 2019 (Juli bis September). Datengrundlage sind die Ergebnisse des BIBER (Berechnungs- und Informationssystem Berliner Oberflächen- gewässer (IWU 2020)) Kleinere Fließgewässer in Berlin waren auch von der Trockenheit betroffen und zeigten geringe Durchflüsse. Beispielhaft ist dies in Abbildung 12 für die Wuhle und das Fredersdorfer Mühlenfließ dargestellt. Seit Sommer 2018 lag der Durchfluss der Wuhle weitestgehend unter- halb des 20. Perzentils der entsprechenden Kalendertage der Zeitreihe 1991 bis 2017, wobei einzelne Durchflussspitzen als Reaktion auf Niederschlagsereignisse auftraten (Abbildung 12a). In den Jahren 2019 und 2020 betrug der MQ ungefähr ein Drittel des MQ der Reihe 1991 bis 2017. Die niedrigsten Durchflüsse lagen im Bereich des niedrigsten jemals gemessenen Durchflusses (NNQ; Tabelle 1). Das Fredersdorfer Mühlenfließ war seit Sommer 2018 bis auf einzelne Durchflussspitzen nach Niederschlagsereignissen weitgehend durchflusslos; in 2019 und 2020 traten mehr durchfluss- lose Tage auf als jemals zuvor beobachtet (Abbildung 12b). Ebenso war die Dauer zusam- menhängender durchflussloser Perioden auffällig lang – im Jahr 2018 betrug diese 136 Tage, diese Periode erstreckte sich bis ins hydrologische Jahr 2019 und dauerte damit insgesamt 298 Tage. In den Jahren 2019 und 2020 betrug dementsprechend der MQ auch 0 m3/s (Tabelle 1). Das Austrocknen des Fredersdorfer Mühlenfließes wurde auch schon Anfang letzten Jahrhunderts beobachtet (Hermel 1993), trat aber nicht in so lang anhaltenden Perioden auf. Erst in den letzten Jahren ist ein massives Absterben der alten Weichholzaue (unter anderem Ulmen) zu verzeichnen. Die Austrocknung auf Berliner Gebiet hat verschiedene Ursachen (unter anderem Niederschlagsdefizit, Grundwasserentnahmen). Die Situation wird zusätzlich durch Ableitungen aus dem Fredersdorfer Mühlenfließ in den Zehnbuschgraben und weitere angrenzende Flächen, wie die Orchideenwiesen, weiter verschärft. 22
Sie können auch lesen