DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...

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DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
DIE ZEITSCHRIFT FÜR AUSLANDSCHWEIZER

 JANUAR 2011 / NR. 1

Die Schweiz ist auf die
Ausländer angewiesen

Muss sich der Bundesrat
besser organisieren?

Eishockey: Leidenschaft
seit über 100 Jahren
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
Kronenhof, Pontresina, Graubünden

Zwischenstopp im                                                          Eingebettet in die Natur.
                                                                          Im Grand Hotel Kronen-
Wellnessparadies.                                                         hof Ä in Pontresina GR
                                                                          geniessen Sie von den
Erholen Sie sich in der Schweiz und
                                                                          Zimmern und vom Spa aus
tanken Sie Energie, um in Form ins                                        eine einzigartige Aussicht
                                                                          auf Arven- und Lärchen-
neue Jahr zu starten.
                                                                          wälder oder auf den Roseg-      Tipp 1
                                                                          gletscher. Hier trägt der
Benötigen Sie eine Pause               Behandlung, Ernährungs-            Ausblick in die Natur zu       Mehr Informationen:
und möchten Sie Ihre                   beratung, Sport, exotische         Ihrem Wohlbefinden bei.
Batterien aufladen? In der             Massagen, wohltuendes                                                     54364

Schweiz bieten Ihnen über              Wasser und die Harmonie
40 Destinationen und über              der Natur: Hier trägt alles        Aktive Erholung.
60 Hotels, die auf Wellness            dazu bei, Sie in Form zu brin-     Idyllisch über dem Vier-
spezialisiert sind, eine um-           gen. Das ganze Jahr über           waldstättersee gelegen,
fassende Palette von Pflege-           bietet Ihnen die Schweiz Ein-      ist der Swiss Holiday
leistungen, um Körper und              richtungen, die ausschliess-       ParkÕ in Morschach ein
Seele zu verwöhnen. Ob in              lich auf Ihr Wohlbefinden          Paradies für alle, die sich
den Bergen, am Ufer eines              ausgerichtet sind.                 aktiv er holen möchten.
Sees oder in einer Stadt –             Entdecken Sie sie auf:             Sportangebote, Schwimm-         Tipp 2
Sie finden bestimmt eine               MySwitzerland.com/wellness.        becken, römisch-irisches
Erholungsoase, die Ihre                                                   Bad, Saunas und Hamams         Mehr Informationen:
Ansprüche erfüllt.                     Melden Sie sich bis                versprechen ein vitalisie-
                                       31. März 2011 auf                  rendes Erlebnis.                       36196

Entspannung und Vitalität.             MySwitzerland.com/aso
Von Adelboden bis Zermatt,             an und gewinnen Sie drei           Auf dem Gipfel des Wohl-
von Thermalbädern bis zu               Nächte mit Wellness-               befindens.
Spas in den schönsten Berg-            pauschale im Grand Hotel           Mitten in den Weinbergen
landschaften – die Schweiz             Kronenhof Ä in Pontresina,         des Lavaux bietet Ihnen
ist Entspannung pur. Schön-            Graubünden.                        das Mirador Kempinski Ä
heitspflege, medizinische                                                 auf dem Mont-Pèlerin ein
                                                                          unvergleichliches Wellness-
                                                                          erlebnis: das einzige Given-    Tipp 3
   Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schweiz Tourismus und der
                   Auslandschweizer-Organisation (ASO)                    chy-Spa in der Schweiz,
                                                                          eine raffinierte Küche und     Mehr Informationen:
                                                                          ein renommiertes medizini-
                                                                          sches Zentrum.                         54296
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
EDITORIAL                                                                                                                         I N H A LT                                                   3

                                         Wahljahr und Abschied
                                                                     ist ein wahljahr und somit auch Zahltag für die eidgenössi-                                          5

                                         2011                        schen Parlamentarier: Am 23. Oktober werden National- und
                                                                     Ständerat neu gewählt. Einige Parteien haben den Wahlkampf
                                         bereits ein wenig vorgespurt: Die SPS beabsichtigt, sich eher nach links zu verschieben
                                                                                                                                                                          Briefkasten
                                                                                                                                                                          5
                                                                                                                                                                          Im Kino: Sennentuntschi
                                         und den Kapitalismus zu überwinden, wie an der Delegiertenversammlung beschlossen                                                7
                                         wurde. Die FDP möchte sich von der Europäischen Union abwenden; und die SVP setzt                                                Urnäscher Silvesterkläuse
                                         ebenfalls auf die Themen EU-Beitritt, sowie Bildung und Ausländer. Das lässt die Ver-                                            8
                                         mutung zu, dass uns ein langer und intensiver Wahlkampf mit Haken und Ösen erwar-                                                Migration schafft Wohlstand –
                                         tet. Hinzu kommt, dass die SVP anstelle von Eveline Widmer-Schlumpf unter allen Um-                                              und neue Probleme
                                         ständen wieder ein Mitglied ihrer Wahl im Bundesrat haben will. Zur Erinnerung:                                                  12
                                         Widmer-Schlumpf liess sich 2007 anstelle von Christoph Blocher in die Landesregierung                                            CERN: Die Forschungsstadt bei Genf
                                         wählen und wurde dafür mit dem Ausschluss aus der Partei bestraft. Sie gehört heute zur
                                                                                                                                                                          15
                                         Bürgerlich-Demokratischen Partei der Schweiz, die sich nach dem Partei-Rausschmiss
                                                                                                                                                                          Aus dem Bundeshaus
                                         von Widmer-Schlumpf von der Schweizerischen Volkspartei abgesplittert hat und heute
                                         fünf Nationalräte und einen Ständerat stellt. Die «Schweizer Revue» wird im Septem-                                              Regionalseiten
                                         ber in einer Sondernummer ausführlich über die eidgenössischen Wahlen informieren
                                         und die zur Wahl stehenden Parteien und ihre Programme vorstellen.                                                               18
                                              Als 1992 das briefliche Stimm- und Wahlrecht für die im Ausland lebenden Schwei-                                             Braucht die Schweiz eine Regierungsreform?
                                         zerinnen und Schweizer eingeführt wurde, waren es anfänglich 13 000, die vom aktiven                                             Nein, sagt Politologe Leonhard Neidhart
                                         Stimmrecht Gebrauch machten. Bei den eidgenössischen Wahlen 2007 waren bereits                                                   20
                                         111 250, die sich in einem Stimmregister eingetragen hatten, Ende 2009 gar 130 017. Und                                          Die Schweiz hat den längsten Eisenbahn-
                                         es sollen noch viel mehr werden, da die Stimmen der Auslandsbürger wichtig und gefragt                                           tunnel der Welt
                                         sind. Aus diesem Grund haben wir dieser Nummer einen Flyer für den Eintrag in ein                                                22
                                                                  Stimmregister beigelegt für alle, die noch nicht registriert sind.                                      ASO-Informationen
                                                                  Nützen Sie die Gelegenheit, schicken Sie den Talon an Ihre Ver-
                                                                                                                                                                          24
                                                                  tretung und beteiligen Sie sich aktiv am politischen Leben der
                                                                                                                                                                          Abstimmung: Ausschaffungs- und Steuer-
                                                                  Schweiz. Damit verhelfen Sie den berechtigten Anliegen der Aus-
                                                                                                                                                                          initiative
                                                                  landsbürger zu mehr Gewicht und Erfolg.
                                                                       Nach sechs Jahren und 32 Ausgaben der «Schweizer Revue»
                                                                                                                                                                          25
                                                                                                                                                                          Politik
                                                                  verabschiede ich mich mit diesem Editorial von Ihnen und wende
                                                                  mich altershalber einem neuen Lebensabschnitt und neuen Aufga-                                          26
                                         Heinz Eckert             ben zu. Seit November 2004 durfte ich Sie zusammen mit meinen                                           Seit 100 Jahren wird in der Schweiz Eis-
                                                                                                                                                                          hockey gespielt
                                         Redaktionsmitgliedern über die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
                                         Ereignisse in der Schweiz auf dem Laufenden halten und versuchen, für Sie ein lesens-                                            28
                                         wertes Magazin zu produzieren. Aufgrund der zahlreichen positiven Reaktionen aus                                                 Carlos Leal – ein Schweizer Schauspieler in
                                         aller Welt gehe ich davon aus, dass unsere Arbeit Ihr Interesse gefunden hat. Ob brief-                                          Hollywood
                                         lich, elektronisch oder mündlich, der Dialog mit Ihnen war stets positiv und konstruktiv.                                        30
                                         Für das grosse Interesse und das Wohlwollen, das Sie unserer Arbeit entgegengebracht                                             Schweizer Banken erzürnen die Ausland-
                                         haben, und die vielen wertvollen Anregungen danke ich Ihnen ganz herzlich.                                                       schweizer
                                              Meiner Nachfolgerin, der erfahrenen Berner Journalistin Barbara Engel, wünsche                                              31
                                         ich viel Erfolg und Genugtuung als neue Redaktionsleiterin. Und Ihnen, sehr verehrte                                             Echo
                                         Leserinnen und Leser der «Schweizer Revue», wünsche ich viel Glück und Zufriedenheit
                                         im neuen Jahr.                                                  HEINZ ECKERT, CHEFREDAK TOR                                      Zum Titelbild: Was wäre die Schweizer Fussball-
                                                                                                                                                                          Nationalmannschaft ohne Secondos? Xherdan
                                                                                                                                                                          Shaqiri, kosovarischer Herkunft, spielt beim FC
                                                                                                                                                                          Basel und für die Schweiz. (Foto: Schweizerischer
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                                                                                                                                                          Fussballverband SFV)
                                         IM P R E S S U M : «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, erscheint im 38. Jahrgang in deutscher, französischer, italienischer, englischer
                                         und spanischer Sprache in 14 regionalen Ausgaben und einer Gesamtauflage von rund 395 000 Exemplaren. Regionalnachrichten erscheinen viermal im Jahr.
                                         ■ R E DA K T I O N : Heinz Eckert (EC), Chefredaktor; Rolf Ribi (RR); René Lenzin (RL); Alain Wey (AW); Jean-François Lichtenstern (JFL), Auslandschweizerdienst EDA, CH-3003 Bern, verant-
                                         wortlich für «Aus dem Bundeshaus». Übersetzung: CLS Communication AG ■ GES T ALTUNG: Herzog Design, Zürich ■ P O S T A D R E S S E : Herausgeber/Sitz der Redaktion/Inseraten-Admi-
                                         nistration: Auslandschweizer-Organisation, Alpenstrasse 26, CH-3006 Bern, Tel. +41313566110, Fax +41313566101, PC 30-6768-9. Internet: www.revue.ch ■ E - M A I L : revue@aso.ch
                                         ■ D RU C K : Swissprinters St. Gallen AG, CH-9001 St.Gallen. ■ ADRESS ÄNDERUNG: Bitte teilen Sie Ihre neue Adresse Ihrer Botschaft oder Ihrem Konsulat mit und schreiben Sie nicht nach
                                         Bern. ■ Alle bei einer Schweizer Vertretung immatrikulierten Auslandschweizer erhalten das Magazin gratis. Nichtauslandschweizer können das Magazin für eine jährliche Gebühr abonnie-
                                         ren (CH: CHF 30.–/Ausland: CHF 50.–). Abonnenten wird das Magazin manuell aus Bern zugestellt.                                                    Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15.11.10
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
Vorsorgen in
                                                                                Schweizer Franken.

                                                                               Agentur Auslandschweizer
                                                                               Stefan Böni
                                                                               Dorfstrasse 140, 8706 Meilen
                                                                               +41 44 925 39 39, www.swisslife.ch/aso

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DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
BRIEFKASTEN                                                                                          GELESEN                                       5

                                         Rehabilitation                         «Spiegel» aufgehängt werden,              «Sennentuntschi», die Geschichte rund um den Film. Film-
                                         Ich bin ein Leser Ihres Maga-          damit sich die Damen und                  abenteuern stehen manchmal zahlreiche Hindernisse im
                                         zins, weil meine Frau Schwei-          Herren vielleicht wieder daran            Weg, bevor der Film schliesslich seinen Weg in die Kinosäle
                                         zer Bürgerin ist. Der Artikel          erinnern, WEN und WAS sie                 findet. Der Mystery-Thriller «Sennentuntschi» und sein Re-
                                         «Weissgeld» von Lukas Hässig           eigentlich vertreten sollten.             gisseur Michael Steiner («Grounding – Die letzten Tage der

                                                                                                                   Sennentuntschi, Der Film
                                         ist das typische Beispiel einer        Eigeninteressen, Narzissmus               Swissair», «Mein Name ist Eugen») haben das auf harte
                                         Beschönigung, wie sie in der           und allgemeine Volksentfrem-              Weise erfahren. Dem Spielfilm liegt eine im ganzen deutsch-
                                         gegenwärtigen Finanzwelt üb-           dung (ohne Ausnahme)                      sprachigen Alpenraum bekannte Sage vom Sennentuntschi,
                                         lich ist. Es mag sein, dass ein        herrscht schon seit längerer              der Puppe der Alphirten, zugrunde. Bereits 1972 wurde ein
                                         solcher Tunnelblick unver-             Zeit im Bundesrat. Die Fähig-             gleichnamiges, vom Dramatiker Hansjörg Schneider ge-
                                         meidlich ist, wenn Fachleute           keiten der Bundesräte/innen               schriebenes Theaterstück auf die Bühne gebracht, dessen
                                         über ihren eigenen engen Wis-          wären ja vorhanden, aber eben,            Ausstrahlung durch das Deutschschweizer Fernsehen im
                                         sensbereich schreiben. Aber            das liebe «Ego». Die Medien,              Jahr 1981 so viel Protest hervorrief, dass es von den SRG-
                                         heutzutage ist es nicht schwie-        hauptsächlich an Quoten und               Verantwortlichen schliesslich zensiert wurde. In der Ge-
                                         rig, einen Schritt zurückzutre-        Verkaufszahlen interessiert,              schichte geht es um drei Sennen, die sich aus Stroh eine
                                         ten und zu sehen, dass nun eine        füttern natürlich noch so gerne    Puppe basteln, um an ihr ihre sexuellen Begierden zu stillen.
                                         Zeit angebrochen ist, die von          die Sensationslust des inzwi-      Aber die Puppe wird lebendig und rächt sich furchtbar an ihren
                                         allen, die das 1972 herausgege-        schen der Politik/er überdrüs-     Peinigern.
                                         bene Buch «Die Grenzen des             sigen Volkes. Vom Ausland her         Mit einem Budget von 5,5 Millionen Franken scheinen die Zei-
                                         Wachstums» gelesen haben,              betrachtet kann man über die-      chen für die reibungslose Durchführung dieser Superproduktion
                                         schon lange erwartet wird.             sen «Kindergarten» nur den         anfänglich gut zu stehen. Nach Abschluss der Dreharbeiten im Ok-
                                         Kurz gesagt: Wir haben das Öl-         Kopf schütteln. Die nächste        tober 2008 gibt Michael Steiners Firma Kontraproduktion aber be-
                                         fördermaximum erreicht, das            Stufe, wenn’s so weitergeht:       kannt, sie habe kein Geld mehr. Schauspieler und Crew-Mitglieder
                                         Zeitalter der billigen Energie         amerikanische Verhältnisse.        erhalten ihre Löhne nicht. Die Kosten für die Verarbeitung werden
                                         ist also vorbei und ohne diese         Nein Danke.                        nicht bezahlt, und das Berner Kopierwerk Schwarzfilm hält das
                                         kann unser industrielles System        H. BLOCH, CALGARY, KANADA          Negativ zurück. Der für die Fertigstellung benötigte Betrag wird
                                         nicht funktionieren. Genauso                                              mit 2,8 Millionen Franken angegeben. Ein Gutachten bringt ein
                                         wenig kann die Finanzwelt              Wie ein Spiegel                    Loch von einer Million zutage. Die langen Verhandlungen zwischen
                                         ohne das Pyramidensystem des           Ich habe eben Ihren Artikel        dem Bundesamt für Kultur (BAK), dem Schweizer Fernsehen und
                                         steten Wachstums funktionie-           «Schlechte Kolleginnen und         der Zürcher Filmstiftung führen zu keinem Ergebnis. Avventura
                                         ren.               S. ALLIN, IRL AND   Kollegen» gelesen und stimme       Films, die französische Tochter von Vega Film, zieht sich zurück,
                                                                                Ihnen von Herzen zu. Es ist ei-    weil sie in Frankreich keine Geldgeber finden konnte. Nun wird der
                                         Konto bei der BEKB                     ner der besten Artikel seit Lan-   Film plötzlich nur noch von zwei Ländern (Schweiz und Öster-
                                         Ich möchte mich bei H. Crab-           gem. Manchmal kommt es mir         reich) produziert, worauf der europäische Filmfonds Eurimages die
                                         tree-Ruggli bedanken, dass sie         vor, als ob ein Virus die Welt     gesprochenen Beiträge nicht auszahlt. Das BAK zieht sogar in
                                         diesen Briefkastenbeitrag über         befallen habe. Die meisten Re-                          Betracht, seine bereits ausbezahlten Subven-
                                         die CS-Gebühren geschrieben            gierungen scheinen am selben                            tionen in Höhe von einer Million zurückzufor-
                                         hat. Ich habe mich genauso             Personenkult zu leiden, anstatt                         dern. Die Fachwelt und die breite Öffent-
                                         über die CS und den Umgang             für das Wohl ihres Landes zu-                           lichkeit verfolgen diesen Zusammenbruch
                                         mit ihren Auslandschweizer             sammenzuarbeiten. Dies gilt –                           gleichermassen konsterniert.
                                         Kunden geärgert. Ich habe nun          wie Sie wohl wissen werden –                               Im Februar 2010, nach längerem Hin und
                                         mein CS-Konto aufgelöst und            insbesondere für die USA.                               Her der Investoren, rettet die Schweizer Toch-
                                         habe bei der Berner Kantonal-          Herzlichen Dank für diesen                              ter der deutschen Firma Constantin Film die in
                                         bank ein Konto eröffnet. Dort          aufschlussreichen Artikel. Hof-                         Turbulenzen geratene Produktion und stellt
                                         wurde ich sehr zu meiner Zu-           fen wir, dass die Bundesrätin-                          die Fertigstellung und Veröffentlichung des
                                         friedenheit bedient und kann           nen und -räte ihn lesen und        Films sicher. Sie schiesst 1,6 Millionen Franken ein, damit die
                                         diese Bank den CS-enttäusch-           sich bemühen, einen gemein-        Löhne und die Schulden von Kontraproduktion bezahlt werden
                                         ten Auslandschweizern, die             samen Nenner zu finden.             können. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich Michael Steiner, in
                                         einfach nur ein CH-Konto ha-           S. SHIMAZU, WASHINGTON, USA        den nächsten drei Jahren jährlich einen Film für Constantin
                                         ben wollen, sehr empfehlen.                                               Film Schweiz zu drehen. Schliesslich wird «Sennentuntschi» am
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                         V. BADER, HAMBURG, DEUTSCHL AND        Vielen Dank                        23. September 2010 als Eröffnungsfilm des Filmfestivals Zürich
                                                                                Vielen Dank für Ihr Editorial      erstmals gezeigt. Die Kritikerinnen und Kritiker sind begeistert,
                                         Kindergarten                           «Schlechte Kolleginnen und         und seit dem Deutschschweizer Filmstart am 14. Oktober 2010
                                         Heinz Eckert hat es wirklich           Kollegen» in der «Schweizer        strömt das Publikum in die Kinosäle. Anfang November verzeich-
                                         auf den Punkt gebracht. Der            Revue». Sie haben wohl gesagt,     nete der Film in der Deutschschweiz bereits über 100 000 Eintritte.
                                         Artikel sollte in den Wandel-          was gesagt worden musste.          So kommt der mit einem Fluch behaftete Film über eine fluchbela-
                                         hallen des Bundeshauses als            T. WALL ACE, TEXAS, USA            dene Schweizer Sage schliesslich doch noch zu Ehre.         AL AIN WEY
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
6   BRIEFKASTEN

                                                 «AUF UND DAV ON»                                                    haben DOK-Kameras die Auswanderer in der Schweiz und in
                                                 Neue Abenteuer von Schweizer Auswanderern                           ihrer neuen Heimat beobachtet. Die sechsteilige Dokserie «Auf
                                                                                                                     und davon» zeigt den Alltag, die Highlights und die Tiefpunkte
                                                 Am Freitag, 7. Januar 2011 um 20.55 Uhr startet auf SF1 die         im neuen Leben der Auswanderer. Filmmusik und Titelsong zur
                                                 zweite Staffel der erfolgreichen dokumentarischen Serie über        Serie stammen unter anderem von Gölä und Band.
                                                 Schweizer Auswanderer. Produziert wurde die sechsteilige Serie        In der Serie wird der Spagat zwischen Abenteuer und siche-
                                                 von der Redaktion DOK.                                              rer Existenz sichtbar. Täglich müssen sich die Auswanderer den
                                                    «Uf u drvo!» – Erneut wagen vier Familien und Paare aus der      Herausforderungen des Alltags in fremder Umgebung stellen.
                                                 Schweiz das Abenteuer und wandern aus. Christine und Her-           Mit den unbekannten Gepflogenheiten der neuen Heimat
                                                 mann Schönbächler ziehen mit ihren Kindern nach Kanada. Ali         müssen sich die Helden der Serie «Auf und davon – Die Auswan-
                                                 und Jennifer Wettstein erhoffen sich mit ihrem Söhnchen Sven        derer» ebenso auseinandersetzen wie mit den eigenen finanziel-
                                                 in Peru ein besseres Leben. Anja Kinsky und Claude Wegmann          len Ressourcen.
                                                 bauen sich in Italien ein Agriturismo. Und Anni Kuhn und
                                                 Orlando Stamm planen in Bali eine Ferienanlage. Ein Jahr lang       Die Serie kann auch im Internet verfolgt werden: www.sf.tv

                                             Gut oder schlecht?                 fällen, was gut und was schlecht       Bei uns handelt es sich um          vermeiden, also zu sparen. Also
                                             Ich bewahre die alten Ausga-       ist für das Land? Ich meinerseits    zwei «Sparkonten», die meine          buchten wir einen Flug und ein
                                             ben der «Schweizer Revue» auf,     möchte mit meinem sehr be-           Frau seit ihrer Kindheit, vom         Hotel, um die Kontoverbindung
                                             ich horte sie und halte sie in     schränkten Wissen ganz be-           Vater eröffnet, ca. 30 Jahre hatte.   zu löschen. Die Kosten für diese
                                             Ehren. Und von Zeit zu Zeit        stimmt nicht abstimmen.              Der letzte Kontostand war auf         «Ferien»: 712 Franken. Wir sind
                                             blättere ich eine alte Ausgabe        Ich habe immer noch Heim-         einem 600 und auf dem zweiten         von der CS sehr enttäuscht und
                                             durch. Kürzlich habe ich eine      weh nach dem Land meiner             1000 Franken, und diente uns          hoffen, diese wird sich an ihre
                                             aus dem Jahr 2006 überflogen.       Kindheit, das ich seit 1985          bei unseren Besuchen in der           kleinen Sparer mal gerne zurück-
                                             Ein Artikel enthielt eine Art      nicht mehr besucht habe. Ich         Heimat, um Wechselspesen zu           erinnern. T.N.&H. HAVRAN, ÖSTERREICH
                                             Jubel über die Aussicht, dass      verspüre eine grosse Sehnsucht,      Inserat

                                             mehr und mehr Ausland-             aber ich habe nicht das Gefühl,
                                             schweizer an den eidgenössi-       ich sei qualifiziert abzustim-
                                             schen Wahlen und Abstim-           men – weil ich schlicht nicht
                                             mungen teilnehmen werden.          weiss, was läuft! Nennen Sie
                                               Ich bin mir nicht sicher, ob     mich «Globi in der Verban-
                                             das eine gute Sache ist. Es wäre   nung» (seit Januar 1947).
                                             für mich unvorstellbar, wenn                R. H. TUCKER, HAWAII, USA
                                             in der Schweiz wohnhafte
                                             Menschen über Angelegenhei-        Briefkastenbeitrag zur Credit
                                             ten abstimmen, die Honolulu        Suisse
                                             betreffen! Was wisst ihr über        Auch wir haben von der CS
                                             die Schlaglöcher in unseren        diesen Brief erhalten. Nach te-
                                             Strassen, über unsere überfüll-    lefonischer Kontaktaufnahme
                                             ten Gefängnisse und die De-        mit der CS wurde der Inhalt
                                             portation der überzähligen Ge-     nur bestätigt und ohne Inter-
                                             fangenen aufs Festland? Eine       esse an einer weiteren Ge-
                                             schändliche Sache.                 schäftsverbindung die Lösung
                                               Wie können Leute, die in der     durch Kündigung des Kontos
                                             Schweiz keine Steuern bezahlen     zur Kenntnis genommen. Dies
                                             und die Zustände nicht aus eige-   kann man allerdings nur per-
                                             ner Erfahrung kennen, infor-       sönlich bei der CS-Filiale erle-
                                             mierte Entscheidungen darüber      digen.
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DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
GESEHEN                                                                                              7

                                         Silvesterchlausen. Das Brauchtum der Urnäscher Silvesterkläuse, das seit über 200 Jahren belegt
                                         ist, hat sich im Verlaufe der letzten Jahrzehnte vom Betteln in einfachster Maskierung zu einer
                                         kunstvollen Angelegenheit entwickelt. Heute tragen die Kläuse Gewänder und Masken, deren Her-
                                         stellung viel Aufwand erfordert. Das Silvesterchlausen findet in ähnlicher Form an zwei Tagen
                                         statt, nämlich an Silvester und am 13. Januar. Als Papst Gregor XIII. seine Kalenderreform ein-
                                         führte, wollten verschiedene reformierte Kantone nichts von dieser päpstlichen Neuerung wissen
                                         und hielten bis ins 18. Jahrhundert am alten Kalender fest, der eine Differenz von 13 Tagen gegen-
                                         über dem neuen aufwies. In einzelnen Volkskalendern waren beide Zeitrechnungen nebeneinan-
                                         der abgedruckt, und die Kläuse traten an beiden Silvestertagen auf. EC
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Fotos: Rolf A. Stähli, Winterthur
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8                                                  EINWANDERUNGSLAND SCHWEIZ

                                                                                                      Migration schafft Wohlstand – und bringt neue Sorgen                                                 den 160 600 Einwanderungen den 86 000
                                                                                                                                                                                                           Auswanderungen gegenüber. Das ergibt ei-
                                                                                                      Die Schweiz ist seit mehr als hundert Jahren ein Einwanderungs-                                      nen positiven Wanderungssaldo von 74 600
                                                                                                      land. Mit dem Trendbruch von 2002 nahm die Zuwanderung                                               Personen. 79 000 Ausländer kamen neu als
                                                                                                      aus dem europäischen Raum massiv zu. Die neuen Migranten                                             Daueraufenthalter in die Schweiz (ein Jahr
                                                                                                                                                                                                           zuvor waren es sogar 103 000 gewesen, das
                                                                                                      tragen zum Wohlstand in der Schweiz bei. Aber neue Prob-                                             entpricht der Einwohnerzahl der Stadt Win-
                                                                                                      leme und Sorgen sind entstanden – beim Wohnungsmarkt,                                                terthur). Der Wanderungssaldo der auslän-
                                                                                                      im Arbeitsmarkt, bei den Sozialwerken und nicht zuletzt bei                                          dischen Wohnbevölkerung ist seit 1979 im-
                                                                                                                                                                                                           mer positiv.
                                                                                                      der gesellschaftlichen Integration. Von Rof Ribi                                                       Bei den Schweizer Staatsangehörigen
                                                                                                                                                                                                           wanderten letztes Jahr 4400 Personen mehr
                                                                                                      Auf den schönen Schweizer Alpen gibt es ein        längsten Einwanderungstradition in Europa»        ins Ausland ab als in die Heimat zurück. Der
                                                                                                      ernstes Problem: Wenn das Vieh im                 (so der frühere Schweizer Botschafter Alfred       Wanderungssaldo der Schweizerinnen und
                                                                                                      Frühsommer auf die Alpweiden geführt wird,        Defago).                                           Schweizer ist seit 1992 negativ. Im Jahr 2009
                                                                                                      fehlt es an Melkern, Hirten und Sennen. Die                                                          kehrten 22 400 Auslandschweizer in ihr Hei-
                                                                                                      Arbeit in der einsamen Bergwelt ist hart, der      Migration in Zahlen                               matland zurück, vor allem aus wirtschaftli-
                                                                                                      Tag dauert lang und der Lohn ist eher karg.       Dies sind die wichtigsten Zahlen zur Migra-        chen Gründen. Ende des letzten Jahres leb-
                                                                                                      Und so gab es auch im letzten Sommer auf           tion in der Schweiz: Ende 2009 lebten             ten 684 974 Schweizer Bürger im Ausland,
                                                                                                      manchen Alpen zu wenige                                                                                                davon 76,5 Prozent in
                                                                                                      Männer, die zupackten. Da                                                                                              Westeuropa und Nord-
                                                                                                      war man froh, dass Deutsche,                                                                                           amerika.
                                                                                                      Österreicher, Italiener und
                                                                                                      Polen den heimischen Älp-                                                                                             Entwicklung der
                                                                                                      lern unter die Arme griffen.                                                                                          Migration
                                                                                                      Ohne Arbeitskräfte aus dem                                                                                             Überblickt man die letz-
                                                                                                      Ausland wären die Schwei-                                                                                              ten Jahrzehnte, zeigt die
                                                                                                      zer Alpen nicht zu bewirt-                                                                                             schweizerische Migrations-
                                                                                                      schaften.                                                                                                              politik im Zeitraffer dieses
                                                                                                        Was für die hiesige Alp-                                                                                             Bild: Nach dem Zweiten
                                                                                                      wirtschaft gilt, trifft im                                                                                            Weltkrieg bis in die Sechzi-
                                                                                                      Kern auf die ganze Volks-                                                                                              gerjahre führte die gute
                                                                                                      wirtschaft zu. Seit mehr als                                                                                          Wirtschaftsentwicklung zu
                                                                                                      hundert Jahren tragen Aus-                                                                                             einem Mangel an Arbeits-
                                                                                                      länder massgeblich zum                                                                                                 kräften. Vor allem aus
                                                                                                      Werk- und Bildungsplatz                                                                                                Italien kamen Saisonarbei-
                                                                                                      Schweiz bei. Es waren viele                                                                                            ter für jeweils neun Monate
                                                                                                      italienische Arbeiter, die                                                                                             in grosser Zahl ins Land.
                                                                                                      Ende des 19. Jahrhunderts                                                                                              Ende der Fünfzigerjahre
                                                                                                      die grossen Tunnels in un-                                                                                             wurde der Familiennach-
                                                                                                      seren Alpen bauten. Und es                                                                                             zug erleichtert. Der Anteil
Foto: aus «Il lungo addio – Der lange Abschied», Hrsg. Dieter Bachmann, Limmat Verlag, Zürich, 2003

                                                                                                      waren viele deutsche Arbei-                                                                                            der ausländischen Wohn-
                                                                                                      ter, Industrielle und Künst-        Junger Gastarbeiter aus Italien in den frühen Sechzigerjahren.                     bevölkerung stieg von sechs
                                                                                                      ler, die im neuen schweize-                                                                                            Prozent im Jahr 1950 auf
                                                                                                      rischen Bundesstaat ab 1850 das                   7,78 Millionen Personen als ständige Wohn-         13,6 Prozent 1963. Wachsende Überfrem-
                                                                                                      wirtschaftliche und kulturelle Leben mit-          bevölkerung in der Schweiz, davon 1,71 Mil-       dungsängste kamen auf, die Schwarzenbach-
                                                                                                      prägten (wie Heinrich Nestlé und Georg             lionen oder rund 22 Prozent Ausländer. Das        Initiative «gegen die Überfremdung» wurde
                                                                                                      Wander, Walter Boveri und Rudolf Diesel,           waren insgesamt 84 000 Personen oder 1,1          1970 nur knapp verworfen. Fortan und bis
                                                                                                      Georg Büchner oder Richard Wagner). Bis            Prozent mehr als im Vorjahr (im Jahr 2008         in die Neunzigerjahre wurde die Einwande-
                                                                                                      gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die            waren es sogar 1,4 Prozent mehr gewesen).         rung vor allem mit Kontingenten gesteuert.
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                                                                                      Schweiz ein klassisches Auswanderungsland         Das sind deutlich höhere Zuwachsraten als          Dennoch nahm der Anteil der Ausländer
                                                                                                      gewesen. Tausende von jungen Landsleuten           im übrigen Europa; sie bedeuten hochge-           weiter zu (Saisonarbeiter wurden zu Jahres-
                                                                                                      wanderten damals vor allem nach Nord- und          rechnet eine Verdoppelung der Bevölke-            aufenthaltern, der Nachzug der Familien
                                                                                                      Südamerika aus. Mit der Volkszählung von           rungszahl alle 50 bis 60 Jahre. Die massge-       wurde erleichtert).
                                                                                                      1880 kam der Umschwung: Die Schweiz war            bende Grösse ist der Wanderungssaldo, also          Zu Beginn der Neunzigerjahre änderte die
                                                                                                      zum Einwanderungsland geworden. «Neben             der Unterschied zwischen der Zuwanderung          Migrationspolitik mit dem Drei-Kreise-Mo-
                                                                                                      Frankreich ist die Schweiz das Land mit der        und der Abwanderung. Im Jahr 2009 stan-           dell ihren Kurs. Massgebend war nun die
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
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                                         Herkunft der Einwanderer: der innere Kreis         übermässiger Zunahme der Einwanderung»                 nungsmacher einig: Ausländische Arbeits-
                                         mit Staatsangehören aus der Europäischen           bis 2014 ausgehandelt, welche neue Kontin-             kräfte haben bis heute wesentlich zum Wohl-
                                         Union (EU) und der Europäischen Freihan-           gente erlauben würde. Und auch das gilt für            stand in der Schweiz beigetragen. Früher
                                         delsassoziation (Efta), der zweite Kreis mit       alle EU- und Efta-Bürger weiterhin: In der             waren es die Migranten aus dem Süden, wel-
                                         Bürgern aus Australien, Kanada, Neuseeland         Eidgenossenschaft bleiben darf nur, wer ei-            che die bei Schweizern unbeliebten Arbei-
                                         und den USA sowie der dritte Kreis mit An-         nen Arbeitsvertrag mit einem Schweizer Un-             ten erledigten (in der Bauwirtschaft und
                                         gehörigen aller anderen Staaten. Ziel war,         ternehmen vorweisen kann.                              Landwirtschaft, in der Industrie und im
                                         die Einreise aus dem ersten und allenfalls aus        Eines hat sich mit der Einführung der Per-          Gastgewerbe). Heute sind es gut ausgebil-
                                         dem zweiten Kreis zu Lasten des dritten            sonenfreizügigkeit in Europa grundlegend               dete neue Zuwanderer aus dem Norden und
                                         Kreises zu begünstigen. Ende der Neunziger-        verändert: Die Migranten stammen heute zu              Westen, welche Spitzenplätze in der Wirt-
                                         jahre wandelte sich die Migrationspolitik          70 Prozent aus der Europäischen Union.                 schaft und Wissenschaft belegen. «Wenn wir
                                         zum heutigen dualen System: Die Bilatera-          Und 60 Prozent aller neuen Zuwanderer be-              die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft
                                         len Verträge I mit der Europäischen Union          sitzen einen Hochschulabschluss (das sind              aufrechterhalten wollen, brauchen wir in Zu-
                                         brachten den freien Personenverkehr mit            doppelt so viele wie unter den Schweizern              kunft noch mehr ausländische Arbeitskräfte»,
                                         dem damaligen europäischen Raum (15 EU-            selbst). Diesen neuen Trend bestätigt das              sagte Francis Matthey, früherer SP-Politi-
                                         Staaten, Efta-Länder) und eine nur noch be-        Bundesamt für Migration: «Seit 2002 sind               ker und amtierender Präsident der Eidge-
                                         schränkte Zuwanderung aus allen anderen            mehrheitlich gut bis sehr gut qualifizierte Ar-         nössischen Kommission für Migrationsfra-
                                         Ländern. Ziel der neuen Migrationspolitik          beitskräfte in die Schweiz eingewandert.»              gen. «Die Schweiz ist mit Blick auf die
                                         ist es, qualifizierte Arbeitskräfte nach den        Markant war die Zuwanderung bei akademi-               Geburtenrate und die demografische Ent-
                                         Wünschen der Wirtschaft                                                                                                    wicklung und wegen des
                                         ins Land zu holen. Im Jahr                                                                                                 Mangels an Fachkräften auf
                                         2005 stimmte das Schwei-                                                                                                   die Zuwanderer aus der Eu-
                                         zervolk der Erweiterung                                                                                                    ropäischen Union angewie-
                                         des Abkommens auf zehn                                                                                                     sen», erklärte Bundesrätin
                                         neue EU-Mitgliedstaaten                                                                                                    Doris Leuthard.
                                         zu. Und 2009 beschloss das                                                                                                    «Am Wirtschaftsstandort
                                         Volk die Fortführung der                                                                                                   Schweiz sind Wissen und
                                         Personenfreizügigkeit mit                                                                                                  Ideen gefragt. Dank der Zu-
                                         der EU und ihre Ausdeh-                                                                                                    wanderung hat das Land ei-
                                         nung auf Bulgarien und                                                                                                     nen Leistungsstand erreicht,
                                         Rumänien.                                                                                                                  der mit dem eigenen
                                                                                                                                                                    Humankapital nicht mög-
                                         Trendbruch                                                                                                                 lich gewesen wäre», schreibt
                                         in der Zuwanderung                                                                                                         die Fachzeitschrift «Der
                                         Das Jahr 2002 bedeutete                                                                                                    Arbeitsmarkt». Für Boris
                                         im Rückblick einen wahren                                                                                                  Zürcher von der neolibe-
                                         Trendbruch: Fortan nahm                                                                                                    ralen Denkfabrik «Avenir
                                         die Zuwanderung aus dem                                                                                                    Suisse» zählt die Schweiz zu
                                         europäischen Raum stark                                                                                                    den am meisten globalisier-
                                         zu, und entsprechend ging                                                                                                  ten Ländern der Welt.
                                         der Zuzug aus den übrigen                                                                                                 «Dank ihrer Offenheit ge-
                                         Ländern zurück. Seit 2006                                                                                                  genüber den Produktions-
                                         wanderten durchschnitt-            Der aus dem Libanon stammende Nicolas Hayek rettete die Schweizer Uhrenindustrie.       faktoren Arbeit und Kapital
                                         lich 6 000 EU-Bürger je-                                                                                                   verfügt sie über eine Leis-
                                         den Monat in die Schweiz ein, auch in den          schen Berufen (wie Wissenschaftlern, Ärz- tungsfähigkeit, die mit einheimischen Ar-
                                         Jahren der wirtschaftlichen Rezession. «Die        ten, Hochschullehrern), bei Technikern und             beitskräften allein nicht gestützt werden
                                         Schweiz hat die Kontrolle über ihre Aussen- Ingenieuren und allgemein bei den Füh-                        kann.»
                                         grenzen verloren. Sie ist ausländerpolitisch       rungskräften in Unternehmungen. «Die                      Der Standort Schweiz weist für den Zür-
                                         nicht mehr handlungsfähig», schrieb der            Einwanderung verschiebt sich in Richtung               cher Universitätsprofessor Beat Hotz-Hart
                                         «Weltwoche»-Chefredaktor. Stimmt diese             Hochqualifizierte. Das entspricht den Be-               heute in der Hochschullehre, in Forschung
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                         Aussage? Gegenüber den 15 «alten» EU-              dürfnissen der Wirtschaft» (stellt eine Cre-           und Entwicklung, bei Führungskräften und
                                         Staaten gab es bis Mitte 2007 Kontingente,         dit-Suisse-Studie fest).                               Verwaltungsräten der Wirtschaft einen
                                         und für die acht «neuen» EU-Staaten gelten                                                                «ausserordentlich hohen Grad der Interna-
                                         solche Begrenzungen bis 2011 (und noch län-        Beitrag zum Wohlstand                                  tionalisierung» auf. Die damit verbundene
                                         ger für Bulgarien und Rumänien). Zudem             Bei der ganzen Diskussion um die Zuwande- weltweite Vernetzung sei ein «enormer Vor-
Foto: Keystone

                                         haben die Schweizer Diplomaten gegenüber           rung aus dem Ausland sind sich linke und               teil im internationalen Wettbewerb». Die
                                         Brüssel eine besondere Schutzklausel «bei          rechte, progressive und konservative Mei-              hohe Internationalisierung im Spitzenmana-
DIE ZEITSCHRIF T FÜR AUSLANDSCHWEIZER JANUAR 2011 / NR. 1 - Die Schweiz ist auf die Ausländer angewiesen Muss sich der Bundesrat besser ...
10                               EINWANDERUNGSLAND SCHWEIZ

                                             gement schweizerischer Unternehmen be-               migration bringe nicht nur Arbeitskräfte ins             Sozialtransfers «die Defizite in der Auslän-
                                             legt eine Erhebung der spezialisierten Guido         Land, sondern auch Konsumenten und Mie-                  derintegration und bei der Berufsbildung».
                                             Schilling AG in den 121 Firmen mit der gröss-        ter, was das Wachstum der Binnenwirtschaft               Mangelnde berufliche Ausbildung führe
                                             ten Anzahl Mitarbeitender: 44 Prozent der            begünstige und neue Arbeitsplätze schaffe.               hauptsächlich zu Arbeitslosigkeit und zum
                                             Topmanager in der Schweiz sind Ausländer –             Und der Einfluss auf die Löhne? Das Fa-                 Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der
                                             davon zu 31 Prozent aus Deutschland (auf der         zit des zuständigen Staatssekretariats im                Sozialversicherungen.
                                             Stufe CEO gar zu 43 Prozent), zunehmend              Bundeshaus: Lohnsenkende Folgen für Er-                     Die heutigen Soziallasten haben auch ei-
                                             gefolgt von US-Amerikanern und Briten.               werbstätige mit tiefen und mittleren Ein-                nen geschichtlichen Hintergrund: Die bis ins
                                                                                                  kommen sind nicht festzustellen. Bei den                 Jahr 2002 eingewanderten Saisonarbeiter
                                             Neue Probleme, neue Sorgen                           hochqualifizierten Arbeitskräften hat die                 aus Südeuropa und später aus dem Balkan
                                             Zuwanderung schafft Wohlstand – und neue             Zuwanderung einen dämpfenden Effekt auf                  waren überwiegend Ungelernte. Die Schweiz
                                             Sorgen und Probleme. Auf dem Wohnungs-               die Löhne, deutlich stärker bei den Auslän-              hat sie als billige Arbeitskräfte ins Land ge-
                                             markt stösst die starke Einwanderung auf den         dern als bei den Schweizern. Dass der Druck              holt. Dies bestätigt Alain du Bois-Reymond,
                                             begrenzten Faktor Boden, und das mit Fol-            auf die Löhne nicht stärker ausfällt, hat mit            der Direktor des Bundesamtes für Migra-
                                             gen für die Preise von Wohneigentum und              «flankierenden Massnahmen» zur Personen-                  tion: «Der hohe Anteil von Ausländern bei
                                             Mieten. Die Migration ausländischer Ar-              freizügigkeit in Europa zu tun. Diese sorgen             der Arbeitslosen- und bei der Invalidenver-
                                             beitskräfte war in den letzten vier Jahren der       dafür, dass die schweizerischen Lohn- und                sicherung ist eine Altlast aus der Zeit des Sai-
                                             stärkste Antrieb für den Wohnungsbau (stel-          Arbeitsbedingungen in allen Branchen und                 sonnier-Statuts.» Francis Matthey von der
                                             len die Immobilienberater Wüest & Partner            Regionen des Landes eingehalten werden.                  Kommission für Migrationsfragen nennt
                                             fest). «An einigen Hotspots                                                                                                     weitere Gründe: Die auslän-
                                             im Raum Genf oder Zürich                                                                                                        dische Bevölkerung ist jün-
                                             spielt der Markt verrückt.»                                                                                                     ger und weniger gut ausge-
                                             Vor allem bei Luxusobjek-                                                                                                       bildet, viele Migranten
                                             ten führe dies zu Preisen                                                                                                       arbeiten in Sektoren mit be-
                                             «jenseits der Realität». Was                                                                                                    sonderem Invaliditätsrisiko
                                             die lokale Bauwirtschaft                                                                                                        und in konjunkturabhängi-
                                             und die Immobilienhändler                                                                                                       gen Branchen.
                                             freut, hat Folgen für die an-                                                                                                     Die Migration begünstigt
                                             sässigen Bewohner. «Woh-                                                                                                        aber auch die Sozialwerke:
                                             nungsknappheit und Preis-                                                                                                       «Durch die Zuwanderung
                                             steigerungen erhöhen den                                                                                                        von mehrheitlich jüngeren
                                             ökonomischen Druck auf                                                                                                          Arbeitnehmern wird bei der
                                             die sozial benachteiligten                                                                                                      Alters- und bei der Invali-
                                             Bevölkerungsschichten,                                                                                                          denversicherung das Ver-
                                             wodurch im Umfeld der                                                                                                           hältnis zwischen Aktiven
                                             grossen Städte das Armuts-                                                                                                      und Rentnern verbessert.
                                             risiko steigt», heisst es in                                                                                                    Damit tragen die Einwande-
                                             der Studie «Immigration                                                                                                         rer zur Finanzierung von
                                             2030» der Zürcher Kanto-                                                                                                        AHV und IV bei» (so die
                                             nalbank.                                                                                                                        «Neue Zürcher Zeitung»).
                                                Verdrängen die meist                                                                                                         Bei der AHV allein kommen
                                             gut qualifizierten neuen                                                                                                         rund 20 Prozent aller Lohn-
                                             Zuwanderer die einheimi-             Die besten Schweizer Fussballer sind gebürtige Ausländer: Yakin, Barnetta, Behrami,        beiträge von EU-Bürgern,
                                                                                  Fernandes (v.l.)
                                             schen Erwerbstätigen (mit                                                                                                       die aber nur 15 Prozent der
                                             und ohne Schweizer Pass)                                                                                                        Leistungen beziehen. Übri-
                                             vom Arbeitsmarkt? «Eine Verdrängung von               Folgen für die Sozialwerke?                             gens: Anspruch auf eine AHV-Vollrente in
                                             einheimischen Arbeitskräften findet kaum               Belasten oder entlasten die Immigranten un-             der Schweiz besteht nach 44 Beitragsjahren,
                                             statt», sagte Direktor Serge Gaillard vom             sere Sozialwerke und den Staat? 42 Prozent              wer nur ein Jahr bei uns gearbeitet hat, be-
                                             Staatssekretariat für Wirtschaft. «Entgegen           der Arbeitslosen sind Ausländer, 44 Prozent             kommt also nur 1/44 der Vollrente …
                                             von Befürchtungen verdrängen die Zuwan-               der Empfänger von Sozialhilfe sind Auslän-                 Dennoch gibt es offene Fragen wie diese:
Fotos: Schweizerischer Fussballverband SFV
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                             derer die Schweizer gesamthaft nicht aus              der (zusammen mit eingebürgerten Perso- Warum beziehen 10 Prozent der Türken im
                                             dem Arbeitsmarkt», hält das Fachorgan «Der            nen gar 60 Prozent), und 37 Prozent der                 Alter von 30 bis 39 Jahren eine IV-Rente,
                                             Arbeitsmarkt» fest; eine gewisse Verdrän- Renten der Invalidenversicherung gehen an                           und nur etwa 2 Prozent der Schweizer?
                                             gung finde allenfalls beim Mittelstand statt.          Ausländer. Und das bei einem ausländischen              Warum ist jeder dritte Türke oder frühere
                                             Konjunkturforscher nehmen an, dass die Ar- Anteil an der Wohnbevölkerung von 22 Pro- Jugoslawe im Alter von 50 bis 59 Jahren über
                                             beitslosigkeit durch die Zuwanderung kaum             zent. Der frühere Preisüberwacher Rudolf                die Sozialversicherung schon frühpensio-
                                             oder nur sehr schwach gestiegen ist. Die Im- Strahm nennt als wichtigste Ursache dieses                       niert, und nur 9 Prozent der Schweizer (wie
11

                                         eine Studie festhält)? Ist es angemessen, dass          haben ihre eigenen Netzwerke und leben in               Ausländer das Schweizer Bürgerrecht, am
                                         zum Beispiel ein Deutscher nach einem ein-              Communities, sprechen Englisch und schi-                meisten aus dem Balkan, aus Italien und
                                         zigen Arbeitstag die volle Arbeitslosenhilfe            cken ihren Nachwuchs in internationale                  Deutschland. Die Einbürgerungspraxis in
                                         erhält, sofern er in seinem Herkunftsland ge-           Schulen. Es ist aber unbestritten, dass es für          der Schweiz gilt im internationalen Ver-
                                         nügend lange Sozialversicherung bezahlt                 die «chancengleiche Teilhabe der ausländi-              gleich nach wie vor als streng. Dennoch
                                         hat?                                                    schen Bevölkerung am wirtschaftlichen,                  fordern Rechtspolitiker weitere Verschär-
                                            Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen             sozialen und kulturellen Leben» (so der Bun-            fungen – keinen Schweizer Pass bei Arbeits-
                                         zur Frage, wie viel die Ausländer an die So-            desrat) noch viel zu tun gibt. Ja, es gebe              losigkeit oder bei einem Strafregistereintrag
                                         zialversicherungen bezahlen und wie viel                Überfremdungsängste in der Bevölkerung,                 (wie das Überfahren eines Rotlichts im
                                         Sozialleistungen sie beziehen (den sogenann-            bestätigte Zürichs Stadtpräsidentin Corinne             Strassenverkehr).
                                         ten Netto-Transfersaldo). Dabei werden                  Mauch. Deshalb sei es «absolut zentral,
                                         auch ihre Steuerleistungen berücksichtigt               dass wir eine aktive Integrationspolitik be-            Die kulturelle Dimension
                                         und der Umstand, dass ein anderer Staat ihre            treiben».                                             Im Oktober wurde Melinda Nadj Abonji auf
                                         Ausbildung finanziert hat. Die gründliche                  Die höchste Stufe der Integration ist die            der Frankfurter Buchmesse mit dem Deut-
                                         Immigrations-Studie der Zürcher Kantonal-               Einbürgerung, also die Erteilung des                   schen Buchpreis ausgezeichnet. Und im No-
                                         bank kommt für alle Personen im Erwerbsal-              Schweizer Bürgerrechts. Wer seit zwölf Jah-            vember erhielt die Autorin auch noch den
                                         ter (Schweizer und Ausländer) zu einem po-              ren in der Schweiz wohnhaft ist, kann ein             Schweizer Buchpreis. Die 42-jährige Schrift-
                                         sitiven Saldo (also mehr Einzahlungen als               Gesuch um Einbürgerung stellen. Der Bund               stellerin stammt aus Senta in der Vojvodina,
                                         Bezüge). Dieser liegt bei Personen mit aus-             klärt nur zwei Fragen ab – ob der Kandidat             einer autonomen ungarischen Provinz in
                                         ländischem Pass etwas                                                                                                               Serbien, und lebt mit ihrer
                                         tiefer als bei Schweizern,                                                                                                          Familie in Zürich. Ihr preis-
                                         was mit den niedrigeren                                                                                                             gekrönter Roman «Tauben
                                         Einkommen der Ausländer                                                                                                             fliegen auf» berichtet von
                                         zusammenhängt. Anders                                                                                                               einer Familie, die Anfang
                                         gesagt: Mit Einbezug der                                                                                                            der Siebzigerjahre aus der
                                         Steuern sind die zugewan-                                                                                                           Vojvodina in die Schweiz
                                         derten Ausländer aus staat-                                                                                                         kommt. Den letztjährigen
                                         licher Sicht «rentabel».                                                                                                            Schweizer Buchpreis hatte
                                                                                                                                                                             die Autorin Ilma Rakusa
                                         Integration                                                                                                                         mit slowenisch-ungarischen
                                         und Einbürgerung                                                                                                                    Wurzeln gewonnen. Ihr au-
                                         «Man hat Arbeitskräfte ge-                                                                                                          tobiografisches Werk
                                         rufen, und es kommen                                                                                                               «Mehr Meer» schildert po-
                                         Menschen.» Dieser be-                                                                                                               etisch die Beobachtungen
                                         rühmte Satz des Schrift-                                                                                                            einer Eingereisten über ihre
                                         stellers Max Frisch von                                                                                                             neue Heimat.
                                         1965 zielt auf die soziale In-                                                                                                        «Die deutschsprachige Li-
                                         tegration der ausländischen                                                                                                         teratur hat in den letzten
                                         Arbeitskräfte in unsere Ge-                                                                                                         Jahrzehnten von Immigran-
                                         sellschaft. Die Schweiz mit                                                                                                         ten und Secondos wesentli-
                                         ihrer grossen Zahl an Aus-                                                                                                          che Impulse erhalten»,
                                         ländern hat seit den Sech-                                                                                                          schreibt der Literaturkriti-
                                         zigerjahren zweifellos eine         Die Schweiz zieht auch viele reiche Ausländer an: Popstar Phil Collins wohnt seit vie-          ker Manfred Papst. Immi-
                                                                             len Jahren in der Nähe von Genf.
                                         eindrückliche Integrations-                                                                                                         gration hat nicht nur eine
                                         leistung erbracht. Seit ei-                                                                                                         ökonomische und soziale
                                         nem halben Jahrhundert schüren indes nati-           die Rechtsordnung einhält und ob er ein Si- Dimension, sondern – zum Glück für unser
                                         onal-konservative Kreise immer wieder das            cherheitsrisiko darstellt. Weitere Kriterien             Land – auch eine kulturelle.
                                         politische Feuer mit der Ausländerfrage. Die         überlässt der Bund den Kantonen und Ge-
                                         politische Rechte will nicht anerkennen, dass        meinden, etwa die Vertrautheit mit den hie-
                                         die Schweiz ein Einwanderungsland ist, und           sigen Lebensgewohnheiten, den Leumund,                    DOKUMENTATION
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                         verlangt Assimilation statt Integration. Die         die sprachliche Verständigung, die finan-                  Credit Suisse, Economic Research: Schweizer Migrati-
                                                                                                                                                        onspolitik. Erfahrungen und Aussichten, Zürich, 2008
                                         politische Linke verklärt den Multikultura-          zielle Eigenverantwortung.                                Daniel Müller-Jentsch: Die neue Zuwanderung. Die
                                         lismus oft in naiver Weise und verkennt die            Waren es im Jahr 1990 noch 8658 Einbür-                 Schweiz zwischen Brain-Gain und Überfremdungs-
                                                                                                                                                        angst. Avenir Suisse und Verlag Neue Zürcher Zeitung,
                                         alltäglichen Probleme des Zusammenlebens             gerungen gewesen und zehn Jahre später                    Zürich, 2008
                                         (namentlich in den Schulen).                        28 700, stieg diese Zahl in den letzten fünf               Zürcher Kantonalbank: Immigration 2030. Szenarien
Foto: Keystone

                                                                                                                                                        für die Zürcher Wirtschaft und Gesellschaft, Zürich,
                                            Am wenigsten Sorgen bereitet die Integ- Jahren bis auf 46 711 im Jahr 2006 massiv an.                       2010
                                         ration der neuen ausländischen Eliten – sie         2009 erhielten 43 440 Ausländerinnen und                   Dokumentationszentrum: www.doku-zug.ch
12        CERN – DAS ZENTRUM FÜR KERNFORSCHUNG IN GENF

                                         Das Experiment der Superlative                                                                  werden nächstes Jahr die Protonen aufein-
                                                                                                                                         ander krachen. Mit dem ATLAS-Detektor
                                         Der kälteste Ort im Universum und der grösste Teilchen-                                         wollen die Physiker das sogenannte Higgs-
                                         beschleuniger der Erde befinden sich nordwestlich von Genf.                                      Teilchen nachweisen – es existiert heute nur
                                         Besuch in einer Parallelwelt, der Europäischen Organisation                                     in der Theorie – von dem man sich ver-
                                                                                                                                         spricht, dass es erklärt, warum die Teilchen
                                         für Kernforschung CERN. Von Joel Frei                                                           eine Masse haben.

                                                                                                                                         Die Physiker
                                                                                                                                         Die Gebäude des Forschungszentrums be-
                                         Hundert Meter unter der Erde führen enge       Nebendetektor soll unter anderem Licht in        finden sich zu einem guten Teil auf franzö-
                                         Gänge durch ein Gewirr aus Rohrleitungen,      eines der letzten Rätsel der Antimaterie         sischem Territorium. Die Grenze verläuft
                                         Kabeln und Schläuchen. Der Physiker Niko       bringen: Warum wurde beim Urknall nicht          mitten durch das Forschungsgelände. Phy-
                                         Neufeld grinst schelmisch: «Es ist hier ein    alle Materie, die mit der Antimaterie in Kon-    siker, die ihr Büro in Frankreich haben, es-
                                         bisschen wie in einem Harry-Potter-Film –      takt kam, vernichtet? Warum blieb ein klei-      sen in der Kantine zu Mittag, die sich in der
                                         man weiss nie so recht, wo die verschlunge-    ner Rest Materie übrig, welcher unser Uni-       Schweiz befindet. Da kann es den Physikern
                                         nen Wege enden.» Neufeld ist einer der 7000    versum bilden sollte?                            aus aller Welt, die am CERN forschen, schon
                                         Wissenschaftler am CERN, dem grössten                                                           mal passieren, dass sie vergessen, in welchem
                                         Forschungszentrum für Teilchenphysik der       Der Teilchenbeschleuniger                        Land sie sich befinden. Das Klischee des ver-
                                         Welt. Hier werden Antworten auf die ganz       Der neue, leistungsfähigere Teilchenbe-          gesslichen Professors bestätigt sich im
                                         grossen Fragen gesucht: Woher kommen           schleuniger LHC (Large Hadron Collider)          CERN-Land: Da soll doch ein allzu passio-
                                         wir? Warum diese Welt und nicht eine an-       wird im ringförmigen Tunnel des alten Be-        nierter Physiker an Skorbut erkrankt sein, da
                                         dere? Wie hat sich das Universum entwi-        schleunigers gebaut. Dieser unterirdische        er zu sehr an seine Experimente dachte und
                                         ckelt? Das «Labor für die Welt» – Forscher     Speicherring kann einen Umfang von stol-         nicht an gesunde Ernährung. Tourführerin
                                         aus über 80 Ländern arbeiten hier – hat die    zen 27 Kilometern aufweisen und reicht weit      Sophie Tesauri schreitet zu einer Halle auf
                                         Dimension einer kleinen Stadt.                 ins benachbarte französische Staatsgebiet hi-    französischem Territorium voran. Auf einer
                                                                                        nein. Im LHC werden Protonen auf an-             Wiese nebenan grasen friedlich Schafe. Die
                                         Das Labyrinth                                  nähernde Lichtgeschwindigkeit beschleunigt       Halle ist heruntergekommen, die schäbigen
                                         Die Strassen des CERN tragen Namen be-         und in beide Richtungen im Kreis herumge-        Toiletten sind aussen am Gebäude angebaut.
                                         kannter Physiker. Heisenberg, Curie, Ein-      schossen. Dabei prallen sie unweigerlich auf-    «Das Geld wird für die Forschung verwen-
                                         stein. Die Physikerstadt beherbergt eine ei-   einander; aus diesen Zusammenstössen ent-        det – mein Büro weist beispielsweise keine
                                         gene Post, eine Bank, ein Reisebüro und        stehen neue Teilchen. Die Detektoren am          Doppelverglasung auf», lacht Tesauri.
                                         einen Theatersaal. Das CERN steht auch im      Ring des Teilchenbeschleunigers erfassen
                                         Energiebedarf einer Stadt in nichts nach:      diese Zusammenstösse und erzeugen eine           Die Grenzen der Wissenschaft
                                         Die Forschungsstätte verschlingt einen         Datenlawine, welche die Physiker dann aus-       Im Innern der Halle stellt der Physiker
                                         Zehntel der Elektrizität des Kantons Genf.     werten können. Unzählige extrem leistungs-       Michael Doser ein Antimaterie-Experiment
                                         Das Budget des gigantischen Labors beläuft     fähige Magnete halten die Protonen auf           vor, bei dem er vor einigen Jahren mitge-
                                         sich auf rund eine Milliarde Franken. Zum      ihrer Kreisbahn. Um ihre volle Leistung aus-     forscht hat. Dem Forscherteam war es ge-
                                         Vergleich: Der Finanzhaushalt des CERN ist     zuschöpfen, werden diese auf minus 271           lungen, ein Anti-Wasserstoff-Atom künst-
                                         höher als das Bruttoinlandsprodukt des zen-    Grad Celsius heruntergekühlt – so kalt wird      lich zu erzeugen. Das Gespräch mit Doser
                                         tralafrikanischen Staats Burundi.              es sonst nirgends im Universum. Bei ihren        gleitet in die unbekannte Welt der Metaphy-
                                            Neufeld dringt weiter ins Labyrinth vor     Experimenten stellen die Forscher den phy-       sik ab: Auf die Frage, ob die Physik jemals er-
                                         und geht durch einen Gang voran, der durch     sikalischen Urzustand des Universums nach,       klären kann, was zeitlich vor dem Urknall
                                         riesige Stahlbetonblöcke führt. «Jetzt kom-    als die Welt eine Billionstelsekunde alt war.    war, meint er, dass es nach dem heutigen
                                         men wir – wie wir das nennen – auf die         Wenn man den Eifer der Physiker und das          Stand der Wissenschaft sinnlos sei, danach
                                         schlechte Seite.» Was wie ein filmreifer        Strahlen auf ihren Gesichtern sieht, glaubt      Fragen zu stellen, «denn Zeit ist erst mit dem
                                         Schlagabtausch zwischen Gut und Böse tönt,     man, sie reisten gleich selber mit in die Ver-   Urknall entstanden und wir wissen noch
                                         ist dann doch in die nüchterne Welt der Wis-   gangenheit, mit ihrer Detektor-Zeitma-           nicht, was Zeit bedeutet». Dieser Genera-
                                         senschaften einzuordnen. Die Betonblöcke       schine.                                          tion von Physikern wird es, wie Doser meint,
                                         schützen Mensch und Elektronik – die sich         Ein riesiger Koloss aus Metall hängt in ei-   nicht gelingen, die Rätsel der Gravitation
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                                         auf der «guten» Seite befinden – vor der        ner Kaverne, zu der man nur durch einen          und der Zeit zu lösen. Die Forscher können
                                         Strahlung verirrter Teilchen. Der Gang         schmalen Durchgang gelangt. Der ATLAS-           es sich nicht erklären, warum wir an der Erde
                                         durch die Betonblöcke führt schliesslich zu    Detektor ist der grösste der sechs Detekto-      kleben. Und Zeit bleibt ein abstrakter Be-
                                         einer unwirklich erscheinenden Riesenma-       ren am Ring und stellt das Kernstück des         griff. Doch er glaubt an die kommende Ge-
                                         schine. Es ist einer der sechs Detektoren am   neuen Teilchenbeschleunigers dar. Die Ar-        neration Physiker: «Ich glaube an den Erfin-
                                         Ring des weltweit grössten Teilchenbe-         beiter, die an ihm herumturnen, sehen wie        dungsgeist der Menschen. Man wird neue
                                         schleunigers, der sogenannte LHCb. Dieser      Zwerge aus. Im Zentrum dieses Apparats           Fragen haben und neue Hilfsmittel erfinden,
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                                         um diese Fragen zu beantworten». Wie man       «Es passiert sicher nichts Gefährliches»
                                         es aus Science-Fiction-Filmen kennt, glaubt
                                         er, dass der Mensch seine Intelligenz einmal
                                                                                        Was bringt die milliardenteure Forschung am CERN? Welche
                                         künstlich erweitern kann und so auch einmal    Erkenntnisse erhoffen sich die Physiker in Genf von ihrer
                                         wissen wird, was vor dem Urknall war. «Zei-    Arbeit? Der Berner Physiker Peter Jenni arbeitet seit 1980 am
                                         gen, wie alles zusammenpasst und dass das
                                         Universum gar nicht anders hätte sein kön-
                                                                                        CERN und beantwortet Fragen zu seiner Tätigkeit.
                                         nen, das ist das Ziel der Physik», so Doser.   Die Fragen stellte Joel Frei.
                                            Das CERN bei Genf besuchen heisst ein-
                                         tauchen in eine Parallelwelt. Was ist Wirk-
                                         lichkeit, was Metaphysik? Am Ende der                                           Was war für Sie der bewegendste Moment in
                                         Führung durch die Welt der Grundlagenfor-                                       ihrer Karriere als Physiker?
                                         schung bleiben viele unbeantwortete Fragen.                                       Es gibt drei Momente, die mir ganz beson-
                                         Die wichtigste: Was machen die 7000 Wis-                                        ders wichtig waren. Das war zu Beginn der
                                         senschaftler in diesem Labyrinth aus grauen                                     80er-Jahre, als wir am Proton-Antiproton-
                                         Gebäuden, Detektorenkavernen und Tun-                                           beschleuniger Experimente durchführten
                                         nels eigentlich wirklich?                                                       und die W- und Z-Bosonen (Übermittler
                                                                                                                         der schwachen Wechselwirkung) gefunden
                                                                                                                         haben. Das war die grosse Entdeckung am
                                                                                                                         CERN. Ein grosser Moment war 1995, als

                                         Bild unten:
                                         Das CERN in Genf hat die Dimensionen
                                         einer kleinen Stadt und ist der Arbeitsplatz                                     Peter Jenni arbeitet seit 1980 als Physiker
                                         für Forscher aus 80 Ländern.                                                     beim CERN.
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Foto: Keystone/CERN
14        CERN – DAS ZENTRUM FÜR KERNFORSCHUNG IN GENF

                                         das ATLAS-Projekt genehmigt wurde. Und           ten könnte. Aber es gibt Folgetheorien der          schen, dass er die Naturgesetze verstehen
                                         natürlich die ersten Kollisionen im LHC, am      String-Theorie, die Voraussagen über neue           möchte; dies unterscheidet uns unter ande-
                                         23. November 2009, ein ganz spezieller Mo-       hypothetische Teilchen machen, zum Bei-             rem von Tieren. Ein anderer Aspekt ist, dass
                                         ment nach zwanzig Jahren Entwicklungs-           spiel die Supersymmetrietheorie. Diese The-         es viele positive Anwendungen der am
                                         arbeit.                                          orie ist sehr spannend, da hier der LHC zum         CERN entwickelten Technologien gibt. Im
                                                                                          Tragen kommt und dank ihr Forschungsre-             Bereich der Medizin beispielsweise, und das
                                         Gibt es schon konkrete Erkenntnisse, welche      sultate in der Suche nach der mysteriösen           World Wide Web wurde am CERN entwi-
                                         dank des neuen Teilchenbeschleunigers LHC        dunklen Materie erzielt werden könnten.             ckelt. Aber vielleicht noch wichtiger ist die
                                         gewonnen werden konnten?                         Der Schweizer Physiker Fritz Zwicky hat             Ausbildung von vielen jungen Leuten in Spit-
                                           Ja, es gibt schon mehrere Publikationen        schon in den 1930er-Jahren beobachtet, dass         zentechnologien, aber auch ganz einfach, in-
                                         zum Standardmodell in der Physik. Noch nie       die sichtbare Materie allein nicht erklären         dem hier international zusammengearbeitet
                                         wurde dieses bei so hohen Energien getestet.     kann, wie Galaxien zusammenhalten. Es               wird. Wir sind uns schon bewusst, dass Spit-
                                         Wir sehen, dass sich dieses Modell im            muss da noch eine andere Materie existieren,        zenforschung viel Geld kostet, und es ist
                                         Grossen und Ganzen so verhält, wie wir das       die grundlegend anders aufgebaut sein muss.         wichtig, dass eine Kontrolle des Energiever-
                                         erwarteten. Und wir haben auch schon Neu-        Man sieht von der dunklen Materie keine             brauchs sowie ein Qualitätsmanagement
                                         land beschritten; man kann beispielsweise        Sterne, aber sicher ist: Es gibt viel davon, viel   durchgeführt wird.
                                         schon gewisse hypothetische Teilchen aus-        mehr als die Materie, aus der die Sterne ge-
                                         schliessen. Wir können dank der hohen            formt sind. Die dunkle Materie ist eines der        Was sagen Sie zu Menschen, die befürchten,
                                         Energie, mit der wir arbeiten, mehr Erkennt-     Hauptmysterien in Physik und Kosmologie.            dass der LHC ein Schwarzes Loch entstehen
                                         nisse sammeln als unsere Konkurrenz am Te-                                                           lässt?
                                         vatron-Beschleuniger bei Chicago. Wir ha-        Wie stehen Sie zum Vorwurf, dass die Grund-           Was am LHC passiert, kommt in der Na-
                                         ben zwar noch nichts Exotisches gefunden,        lagenforschung am CERN zu viel Geld, näm-           tur schon seit vielen Milliarden Jahren vor:
                                         sind aber weiter vorangekommen als bisher.       lich 1 Milliarde Franken pro Jahr, und zu           Zusammenstösse von Teilchen geschehen im
                                         Natürlich erhoffen wir uns vom LHC viele         viel Energie, 10 Prozent der Elektrizität des       Universum ausserdem noch mit viel höherer
                                         neue Erkenntnisse in den kommenden Jahr-         Kantons Genf, verschlingt?                          Energie. Wir sind alle noch da, diese Gefahr
                                         zehnten.                                            Die Grundlagenforschung ist wichtig für          besteht wirklich nicht und ist unbegründet.
                                                                                          den technischen Fortschritt der Menschheit.         Das CERN hat die Warnungen ernst genom-
                                         Zu den Symmetrietheorien gehört auch die so-     Wir leben alle mit technischen Errungen-            men und Expertenberichte machen lassen,
                                         genannte String-Theorie, in der auch am          schaften. Als Forscher über Elektrizität und        die aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrech-
                                         CERN geforscht wird. Wird dank ihr bald          Magnetismus geforscht haben, konnte nie-            nungen Entwarnung gaben. Diese Frage kam
                                         die «Weltformel» gefunden?                       mand vorhersehen, welche Bedeutung diese            oft vor, aber seit der LHC in Betrieb ist,
                                           (lacht). Da ist noch ein langer Weg vor uns.   Forschung gewinnen würde. Grundlagenfor-            wurde es ruhig um dieses Thema, weil nichts
                                         Die String-Theorie macht nicht klare Aus-        schung ist ein Motor für den Fortschritt. Es        passiert ist.
                                         sagen darüber, was man am LHC beobach-           gehört zu den Grundeigenschaften des Men-

                                         GLOSSAR

                                         Standardmodell                       Es wird im Standardmodell der      seitig zerstören. Beim Urknall     Weltformel
                                         Dieses Modell der Elementarteil-     Elementarteilchenphysik vorher-    wurden riesige Mengen von Mate- Auch als «Theory of Everything»
                                         chenphysik ist eine physikalische    gesagt.                            rie und Antimaterie so vernichtet, bekannt, versucht diese Theorie
                                         Theorie, welche die bekannten                                           es ging aber ein kleiner Rest an   der Physik und Mathematik alle
                                         Elementarteilchen beschreibt so-     Dunkle Materie                     Materie hervor, unsere heutige     bekannten physikalischen Phäno-
                                         wie die Wechselwirkungen zwi-        Hypothetische Form von Materie, Welt.                                 mene ganzheitlich zu erklären
                                         schen diesen. Das Modell be-         welche nicht gesehen werden                                           und zu verknüpfen. Ein einziges
                                         schreibt drei verschiedene Arten     kann, da sie kein Licht aussendet String-Theorie                      Modell soll alle grundlegenden
                                         von Wechselwirkungen; starke         oder reflektiert. Dunkle Materie    Hypothetische physikalische Mo- Wechselwirkungen der Natur er-
                                         Wechselwirkung, schwache Wech-       steht in einer gravitativen Wech-  delle; welche versuchen, alle bis- klären.
                                         selwirkung und elektromagneti-       selwirkung mit sichtbarer Materie. her beobachteten Fundamental-
                                         sche Wechselwirkung.                                                    kräfte der Physik einheitlich zu   Schwarzes Loch
                                                                              Antimaterie                        erklären. Insbesondere versucht    Ein astronomisches Objekt, das
SC HWEIZE R RE VUE Januar 2011 / Nr. 1

                                         Higgs-Teilchen                       Materie, die aus Antiteilchen auf- diese Theorie, die Gravitations-   eine so grosse Gravitation auf-
                                         Benannt nach dem schottischen        gebaut ist, die Gegenstücke «un-   theorie mit der Quantentheorie     weist, dass sogar Licht von ihm
                                         Physiker Peter Higgs, ist dieses     serer» Materie, aus der die Welt   zu verbinden. Die Theorie geht     eingesaugt wird. Die Raumzeit
                                         bis jetzt nur in der Theorie exis-   besteht. Antimaterie ist bei uns   über das Standardmodell hinaus,    wird in ihm so stark verzerrt, dass
                                         tierende Teilchen wichtig, um die    sehr kurzlebig, weil beim Aufein- ist aber bisher nie praktisch ge-   nichts von innerhalb nach ausser-
                                         Masse von Teilchen zu erklären.      andertreffen eines Teilchen-Anti- testet worden.                      halb des Lochs gelangen kann.
                                                                              teilchen-Paares sich beide gegen-
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