Digitale Technologien im Corona-Krisenmanagement - Center ...
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CSS Analysen zur Sicherheitspolitik CSS ETH Zurich Nr. 264, Juni 2020 Digitale Technologien im Corona-Krisenmanagement Digitale Technologien nehmen im Kontext der weltweiten Anstren- gungen zur Bewältigung der Coronavirus-Pandemie eine ebenso sichtbare wie umstrittene Rolle ein. Dabei wird oft übersehen, dass sich Technologie und Gesellschaft wechselseitig beeinflussen. Staaten nutzen digitale Technologien im Zusammenspiel mit anderen Massnahmen des Krisenmanagements sehr unterschiedlich. Von Sophie-Charlotte Fischer, Kevin Kohler und Andreas Wenger Die erste Pandemie im Zeitalter von Smartphones, Big Data und künstlicher Intelligenz hat zu einer plötzlichen Ver- breitung von digitalen Werkzeugen zur Bekämpfung von übertragbaren Krankhei- ten geführt. Digitale Technologien können zur Beobachtung und Überwachung von physischen Distanzierungs- und Quaran- tänemassnahmen eingesetzt werden, sie können die Verfolgung von Infektionsket- ten (Contact-Tracing) und das Erkennen von Ansteckungsclustern erleichtern und sie können helfen, den Gesundheitszu- stand von Personen zu verfolgen. Digitale Technologien allein sind aber keine Wun- derwaffe im Kampf gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Ob, wie und von wem die technischen Möglichkeiten bei der Krisenreaktion genutzt werden, Die SwissCovid-App, welche die Schnittstelle von Google und Apple nutzt und die Daten dezentral auf hängt von vielen Faktoren ab. den Geräten speichert, ist seit Ende Mai in der Pilotphase. Denis Balibouse / Reuters In Europa nahmen viele das Handeln asia- tischer Staaten zum Vorbild, von denen ei- nige Länder digitale Werkzeuge schnell und Asien in der Pandemieerfahrung und Wechselwirkungen zwischen Politik, Tech- und effizient einsetzten. Zugleich wurde Technologie-Gouvernanz nicht von der nologie und Gesellschaft. Skepsis geäussert, wonach es in Asien ten- Hand zu weisen sind, so unterscheidet sich denziell weniger Bedenken hinsichtlich die Nutzung digitaler Technologien in der Sowohl in Asien als auch in Europa erzie- Datenschutzes und individueller Grund- Krisenreaktion sowohl in Asien als auch in len die digitalen Werkzeuge ihre Wirkung rechte gäbe. Auch wenn gewisse grund- Europa von Land zu Land. Dabei wider- zudem nicht isoliert als Einzelmassnahme, sätzliche Unterschiede zwischen Europa spiegeln die Unterschiede die komplexen sondern im Zusammenspiel mit vielen © 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 1
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 264, Juni 2020 analogen Massnahmen im Rahmen einer Contact-Tracing-Apps in ausgewählten Ländern Gesamtstrategie zur Bewältigung der Pan- demie. Welche Nutzung digitaler Techno- logien unterschiedliche Staaten und Gesell- schaften als effektiv und legitim erachten, wird derzeit auf der nationalen Ebene hef- tig diskutiert. Dabei stellen sich komplexe Fragen und Güterabwägungen hinsichtlich erwünschter respektive unerwünschter sozi- aler, wirtschaftlicher und politischer Rück- wirkungen – unter anderem hinsichtlich Datenschutzes, Ungleichheit und staatli- cher Überwachung. In einer globalisierten Welt grenzüberschreitender Mobilität braucht es darüber hinaus dringend interna- tional anerkannte Technologiestandards. China: digitalisierte Kontrolle China, das Ursprungsland des Coronavi- rus, zeigt exemplarisch, wie das vorhande- ne politische und technologische Funda- wachungspolitik, nun auch in der Krisen- analoge und digitale Massnahmen kombi- ment eines Staates seine Krisenreaktion bewältigung. Dabei bleibt offen, welche der nierte. In europäischen Staaten wurde ins- beeinflusst. Bereits vor der Corona-Krise ergriffenen Massnahmen im Kontext der besondere der App TraceTogether viel Auf- war die zunehmende Verknüpfung von Krisenbewältigung wann wieder aufgeho- merksamkeit geschenkt. Sie stellt mittels staatlicher Kontrolle und digitaler Techno- ben werden. Kritik wird geäussert, dass Bluetooth-Technologie die Nähe zwischen logie ein Merkmal der Beziehung von Daten zwar möglicherweise für einen legi- Smartphones fest und wurde zum explizi- Staat und Gesellschaft. Vor diesem Hin- timen Zweck erhoben wurden, sie jedoch ten Vorbild für europäische Apps mit zu- tergrund überraschte es nicht, dass China auch für andere politische oder wirtschaft- sätzlichem Privatsphäre-Schutz. Aller- zur Eindämmung der Pandemie und zur liche Zwecke genutzt werden können. In dings zeigt das Beispiel Singapur auch auf, Kontrolle der chinesischen Bürgerinnen jedem Fall bieten sich Staat und Partei dass die Rolle digitaler Technologien im und Bürger breitflächig digitale Technolo- neue Möglichkeiten zur erweiterten Kont- Rahmen der Pandemiebekämpfung nicht gien einsetzte, die durch eine undurchsich- rolle der Bevölkerung. Zudem fördert die überbetont werden sollte. Trotz einer tige Sammlung und Weiterverarbeitung Entwicklung nationaler Technologielösun- grundsätzlich hohen gesellschaftlichen von Daten gekennzeichnet sind. gen eine Abgrenzung nach aussen. Für chi- Akzeptanz neuer Technologien wird die nesische Technologiefirmen wie Tencent, freiwillige App nur von etwa 20 Prozent Um die Gesichter von Personen im öffent- Alibaba, Baidu und Megvii bieten sich fer- der Bevölkerung genutzt. Sie ist damit in lichen Raum zu erfassen und gleichzeitig ner neue wirtschaftliche Möglichkeiten in- erster Linie eine Ergänzung einer Politik ihre Temperatur zu messen, setzt die chi- ner- und ausserhalb Chinas. des strikten manuellen Contact-Tracings, nesische Regierung Gesichtserkennungs- die wiederum ergänzt wird durch eine software umfassend in Kombination mit Singapur: soziotechnische Grenzen strenge staatliche Überwachung der Qua- Infrarottechnologie ein. Weitere Techno- Singapur galt aufgrund seiner raschen Re- rantäne für infizierte Personen. logieanwendungen sind in die Smartpho- aktion und der Kombination von Gesund- ne-Apps Alipay und WeChat integrierte heitschecks an Flughäfen, streng durchge- Südkorea und Taiwan: Erfahrung Programme, die auf der Basis von Perso- setzten Abstandregeln und breitem Testen Auch Südkorea und Taiwan reagierten sehr lange als Vorbild für eine erfolg- rasch auf den ersten öffentlichen Bericht In China beeinflusst das reiche Bekämpfung des Coro- über das Auftreten einer unbekannten vi- navirus. Der Stadtstaat konnte ralen Lungenkrankheit in China. Im Ge- vorhandene politische und seine Infektionsketten bis Ende gensatz zu Singapur mussten beide Staaten technologische Fundament des März im kontrollierbaren Be- bis anhin keinen Notstand erklären und reich halten. Dann kam es zu das soziale und wirtschaftliche Leben nicht Staates seine Krisenreaktion. einem raschen Anstieg der Fall- umfassend herunterfahren. Dies ist umso zahlen, vorwiegend unter tem- erstaunlicher, als Südkorea und Taiwan nendaten den Gesundheitszustand codie- porär angestellten ausländischen Beschäf- aufgrund des hohen Reiseaufkommens von ren. Der generierte grüne, gelbe oder rote tigten, welche auf engem Raum leben und und nach China einem relativ grossen Risi- QR-Code entscheidet über die Bewe- sozial wie politisch stark benachteiligt sind. ko von importierten Fällen ausgesetzt wa- gungsfreiheit der Person. Es bleibt jedoch In der Folge sah sich die Regierung ge- ren. Es liegt daher nahe, dass der bisherige intransparent, wie die jeweiligen Farbcodes zwungen, das öffentliche Leben und die Erfolg der zwei Staaten bei der Eindäm- zustande kommen, welche Akteure Zu- Wirtschaft stillzulegen, obwohl die Zahl mung von SARS-CoV-2 auf frühere Er- gang zu den erhobenen Daten haben, und der Ansteckungen unter der lokalen Bevöl- fahrungen im Umgang mit Coronavirus- wie diese weiterverarbeitet werden. kerung weiterhin klein blieb. Epidemien zurückzuführen ist. Diese Anwendungen stehen beispielhaft Teil des anfänglichen Erfolgs war eine Entscheidend für die rasche Reaktion von für die zunehmende Ausweitung der Über- strikte Politik des Contact-Tracings, die Südkorea und Taiwan war insbesondere die © 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 2
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 264, Juni 2020 Erinnerung an Chinas Intransparenz beim beschränkte Nutzung der Daten auf der Lösung ausgesprochen, bevor es sich dann Ausbruch von SARS im Jahr 2003. Nicht Basis der Pandemiegesetzgebung grund- doch für eine dezentrale Version entschied. zuletzt aufgrund dieser Erfahrung be- sätzlich intakt. Dieser Entscheid ist einerseits auf die ver- schlossen Seoul und Taipeh, Quarantäne- breiteten gesellschaftlichen Bedenken hin- massnahmen für Reisende aus den chinesi- Europa: divergierende Präferenzen sichtlich der zentralen Datenspeicherung schen Risikogebieten zu ergreifen, ohne Auch wenn das nationale Krisenmanage- und -verarbeitung zurückzuführen. Ande- die offizielle Bestätigung für eine Mensch- ment in Europa eher einem Flickenteppich rerseits dürfte jedoch auch die Marktmacht zu-Mensch Übertragung des Virus durch als einer Einheitslösung glich, lassen sich von Google und Apple einen Einfluss auf die Weltgesundheitsbehörde (WHO) ab- im Vergleich mit den soziopolitischen die Wahl gehabt haben, da die Kompatibi- zuwarten. Ähnlich schnell begannen sie Kontexten in Asien zwei grundsätzliche lität mit den zwei gängigen Betriebssyste- zudem, nationale Produktionslinien zur Unterschiede feststellen: Einerseits verfüg- men für Smartphones – Android und iOS Herstellung von Hygienemasken aufzu- ten die meisten Krisenmanagementsyste- – eine Voraussetzung für ein effektives di- bauen. Insbesondere in Südkorea wurden me in Europa über weniger Erfahrung im gitales Contact-Tracing mittels Bluetooth auch die Kapazitäten für ein schnelles Tes- Umgang mit Coronavirus-Epidemien, weil darstellt. In einer seltenen Form der Ko- ten frühzeitig ausgebaut. Der Ausbau und die europäischen Länder von SARS (2003) operation sprachen sich Google wie auch die Weiterentwicklung der nationalen Kri- und MERS (2015) weitestgehend ver- Apple früh für einen dezentralen Ansatz senmanagementsysteme im Zuge früherer schont geblieben waren. Die Pandemieplä- aus und entwickeln seither eine entspre- Epidemien erleichterten all diese Mass- ne der meisten europäischen Staaten ori- chende Programmierschnittstelle. Aus die- nahmen. entierten sich denn auch an sem Grund erwägt nun auch Grossbritan- Abschwächungsstrategien, die auf Grippe- nien eine Kehrtwende hin zu einem Dabei agierte gerade Südkorea in früheren Szenarien – mit denen Europa Erfahrung dezentralen Ansatz. Frankreich hingegen Epidemien nicht immer erfolgreich. So hat – mit deutlich geringeren Sterberaten hält vorerst an einer zentralen Lösung fest ausgerichtet waren. Anderer- und fordert in der Umsetzung mehr Spiel- Keine der technologischen seits massen europäische Ge- raum von beiden Unternehmen. Lösungen ist allein entscheidend sellschaften dem Datenschutz im Kontext der Technologie- Auch in Europa sind neben den Contact- im Kampf gegen das Coronavirus. Gouvernanz und der Gesund- Tracing-Apps viele weitere private und öf- heitspolitik einen besonders fentliche Anwendungen digitaler Techno- wies das Land während der MERS-CoV- hohen Stellenwert bei. logien in Entwicklung. Frankreich erprobt Epidemie 2015 nach Saudi-Arabien welt- in der Pariser U-Bahn den Einsatz von weit die zweithöchste Zahl gemeldeter In- Angesichts der schnellen Eskalation der Gesichtserkennungssoftware, um zu erfas- fektionen auf. Die damalige Regierung Infektionszahlen spielten digitale Techno- sen, wie viele Personen eine Maske tragen. wurde scharf kritisiert, unter anderem logien in Europa in der ersten Phase der In Polen ist die Gesichtserkennung Teil auch, weil sie relevante Informationen über Krisenreaktion eine untergeordnete Rolle. der Quarantäne-App. In Liechtenstein die Aufenthaltsorte von Infizierten zu- Ihr Einsatz wurde erst in einer zweiten läuft ein Pilotprojekt mit dem Einsatz von rückgehalten hatte. In der Folge formulier- Phase zum Thema, als es darum ging, das Tracking-Armbändern des Zürcher Start- te Südkorea die heute gültige Strategie der Mobilitätsverhalten der Bevölkerung im Up Ava, welches Gesundheitsdaten ein- kompletten Offenheit und Transparenz im sogenannten «Lockdown» zu analysieren schliesslich Hauttemperatur, Atem- und Umgang mit Epidemien. Dazu gehört das und den Weg in eine neue Normalität zu Herzfrequenz aufzeichnet. Der Einsatz Veröffentlichen sehr genauer Angaben zu finden. Besonders kontrovers verlief die eines ähnlichen Gesundheits-Trackings den Bewegungsprofilen infizierter Perso- Debatte über die Entwicklung und den wird auch in Bulgarien und Belgien nen und das Zugänglichmachen der Auf- Einsatz einer paneuropäischen Contact- erprobt. enthaltsorte von allen sich in Quarantäne Tracing-App. Die grenzüberschreitende befindenden Personen. Arbeit von Personen aus Wissenschaft und Gesamtheitliche Perspektive Industrie an einem Software-Baukasten für Keine dieser technologischen Lösungen ist Das 2015 überarbeitete Gesetz zur Kont- eine solche App führte zu einem Streit allein entscheidend im Kampf gegen das rolle und Prävention von Infektionskrank- zwischen denjenigen, die eine dezentrale Coronavirus. Dies gilt – solange kein Impf- heiten erlaubt dem südkoreanischen Lösung bevorzugten, bei der Nutzerdaten stoff vorliegt – ebenso für alle nicht-digita- Gesundheitsministerium, persönliche In- primär auf Smartphones gespeichert wer- len Massnahmen. Umso wichtiger ist da- formationen (Standortdaten, Kreditkarten- den, und denen, die zugunsten einer zent- her, dass die gesellschaftlichen und transaktionen, Video-Aufzeichnungen) ralen Lösung argumentierten, bei der Da- politischen Debatten auf das Zusammen- zum Contact-Tracing anzufordern und ten unter anderem auch auf einem zentralen wirken aller analogen und digitalen Mass- einzusetzen. Der Datenaustausch erfolgt Server gespeichert werden. Diese beiden nahmen im Rahmen einer Gesamtstrategie über eine automatisierte Plattform, die 28 Ansätze spiegelten sich fortan in den diver- ausgeweitet werden. Es geht um komplexe Organisationen miteinander verbindet und gierenden Präferenzen europäischer Regie- gesellschaftliche und politische Güterab- die manuelle und digitale Rückverfolgung rungen wider. wägungen und um die Bestimmung einer stark beschleunigt. Verstösse gegen die möglichst adäquaten Kombination effekti- Quarantäne werden in Südkorea mit hohen Neben der Frage des Datenschutzes spielte ver Massnahmen. Das Ziel einer Ge- Geldbussen belegt und mit GPS-kodierten in Europa aber auch der wirtschaftliche samtstrategie muss sein, das Virus gezielt Tracking-Armbändern überwacht. Obwohl und politische Einfluss privater Unterneh- und effektiv bis zur Einführung eines die Veröffentlichung sensibler Personenda- men eine massgebliche Rolle bei der Posi- Impfstoffs so unter Kontrolle zu halten, ten teilweise kritisiert wurde, scheint das tionsbestimmung. Deutschland beispiels- dass das wirtschaftliche und gesellschaftli- Vertrauen der Bevölkerung in die zeitlich weise hatte sich zuerst für eine zentrale che Leben möglich sein wird. © 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich 3
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 264, Juni 2020 Digitale Technologien sind kein Ersatz für dividueller Verantwortung ringen müssen. pa hinaus als effektiv und legitim erachtet nicht-technische Massnahmen und die Letztlich stellt sich die grundsätzliche Fra- wird. Die Gestaltungsmacht der EU im technologischen Lösungen müssen dem ge, wer darüber wie lange und auf welcher Bereich der Technologie-Gouvernanz ist jeweiligen soziopolitischen Kontext ent- Rechtsgrundlage entscheidet. Die grosse eine ihrer Stärken: Die Datenschutz- sprechen. Dies gilt auch für das breit und Unsicherheit rund um das Coronavirus be- Grundverordnung (DGSVO) wirkt über kontrovers diskutierte digitale Contact- deutet für alle Staaten, dass die Wirkung die Mitglieder der EU hinaus. Für Europa Tracing, das eine Ergänzung für das im der ergriffenen Massnahmen kontinuier- ist eine grenzüberschreitende Lösung aus Gesundheitswesen seit langem gut etab- lich beobachtet und die Gesamtstrategie politischen, wirtschaftlichen und gesell- lierte manuelle Contact-Tracing darstellt. schrittweise an die sich verändernde Situa- schaftlichen Gründen zentral. Da Contact- Expertinnen und Experten sind sich einig, tion angepasst werden muss. Tracing-Apps über Netzwerkeffekte wir- dass digitale Tracing-Apps ihre volle Wir- ken, können sie der Politik helfen, die kung erst zu erzielen beginnen, wenn sie Internationale Kooperation nationale Unordnung der anfänglichen von rund 60 Prozent der Bevölkerung be- Der Schock der Corona-Krise wird welt- Technologieentwicklung zu überwinden. nutzt werden. Eine solche Nutzungsrate weit zu einer Neuausrichtung der Epide- Gleichzeitig unterstreicht die Debatte um dürfte auf freiwilliger Basis ohne zusätzli- miebekämpfung führen. Der Anpassungs- europäische Tracing-Apps jedoch auch die prozess der Pandemiepläne und Abhängigkeit Europas von US-amerikani- Das digitale Contact-Tracing Krisenmanagementsysteme schen Technologiekonzernen. Vor diesem wird die Staatenwelt und die Hintergrund stellt das digitale Contact- stellt auch einen Test für internationalen Organisationen Tracing denn auch einen Test für den euro- den europäischen digitalen noch auf Jahre hinaus beschäf- päischen digitalen Weg dar. Es bleibt abzu- tigen. Aus europäischer Pers- warten, ob es den Europäerinnen und Weg dar. pektive ist dabei entscheidend, Europäern gelingt, grenzüberschreitende dass die Technologieentwick- digitale Technologien zur Pandemiebewäl- che Anreizmechanismen auf absehbare lung auch in Krisenzeiten von einer breiten tigung zeitnah, pragmatisch und gestützt Zeit nur schwer erreichbar sein. Darüber gesellschaftlichen Debatte begleitet wird. auf demokratische Prozesse und Normen hinaus sind bei den meisten Projekten auch Es gilt die Balance zu finden zwischen zu entwickeln und einzusetzen. noch viele nicht-technische Fragen im Zu- schnellen und legitimen Entscheidungen, sammenhang mit der Integration in eine zwischen Datenschutz und Datenaus- Gesamtstrategie offen oder die Technolo- tausch, zwischen nationalen und internati- gien bedürfen weiterführender Tests und onalen Lösungen. Vorerst hat sich der Fo- praktischer Erfahrungen hinsichtlich Ak- kus der Debatte auf die nationale Ebene zeptanz, Wirksamkeit und Regulierung. verlagert, was angesichts der regional un- terschiedlichen Verläufe der Pandemie und Für die Wirksamkeit eines hybriden Con- der Besonderheiten der jeweiligen sozio- tact-Tracings, das manuelle und digitale politischen Kontexte kaum anders zu er- Mehr zum Thema Sozio-technische Ansätze verknüpft, bleibt entscheidend, warten war. Entscheidend auf lange Sicht Resilienz und Katastrophenvorsorge wie es mit anderen Massnahmen kombi- bleibt indes in einer globalisierten Welt, siehe CSS Themenseite. niert wird: Hygienemassnahmen, physi- dass die Vorsorgeplanungen für die nächste sche Distanzierung, breites Testen, die Pandemie auch auf der internationalen Möglichkeit zur Selbstquarantäne für alle Ebene koordiniert werden. Sophie-Charlotte Fischer ist Doktorandin am und viele weitere sektorspezifische Mass- Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. nahmen leisten einen Beitrag zum Gesam- Mit der schrittweisen Öffnung der Gren- terfolg. Auch in diesen Bereichen werden zen in Europa steigt der Druck zur Zu- Kevin Kohler ist Researcher im Team Risiko und Politik und Gesellschaft um schwierige sammenarbeit gerade auch im digitalen Resilienz am CSS der ETH Zürich. Güterabwägungen zwischen Allgemein- Contact-Tracing. Grundsätzlich sollte dies wohl und individuellen Grundrechten so- als Chance gesehen werden, um eine inter- Andreas Wenger Andreas Wenger leitet das CSS wie zwischen staatlichem Handeln und in- nationale Lösung zu finden, die über Euro- der ETH Zürich. Die CSS Analysen zur Sicherheitspolitik werden herausgegeben vom Zuletzt erschienene CSS-Analysen: Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Das CSS ist ein Kompetenz- Der Westbalkan zwischen EU, NATO, Russland und China Nr. 263 zentrum für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik. Jeden Die Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat Nr. 262 Monat erscheinen zwei Analysen auf Deutsch, Französisch und Englisch. Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag in der Sackgasse Nr. 261 Der Einsatz von KI im Bevölkerungsschutz Nr. 260 Herausgeber: Julian Kamasa, Fabien Merz Ukraine: die religiöse Dimension des Konflikts Nr. 259 Lektorat: Benno Zogg Kolumbiens schwieriger Weg zum vollständigen Frieden Nr. 258 Layout und Grafiken: Miriam Dahinden-Ganzoni und Rosa Guggenheim Feedback und Kommentare: analysen@sipo.gess.ethz.ch © 2020 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich Weitere Ausgaben und Abonnement: www.css.ethz.ch/cssanalysen ISSN: 2296-0236; DOI: 10.3929/ethz-b-000416950 4
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