Weltwanderung Dr. sc. nat. ETH Otto G. Lienert Bô Yin Râ Joseph Anton Schneiderfranken 1876-1943 Lehre und Biographie

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Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                      1

                                                Dr. sc. nat. ETH Otto G. Lienert

                                                Weltwanderung

                                                Bô Yin Râ
                                                Joseph Anton Schneiderfranken
                                                1876–1943

                                                Lehre und Biographie

                                                Als Broschüre erschienen im Kober Verlag AG Bern
                                                © 1994
                                                ISBN 3-85767-103-3
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                            2

Inhalt:                                                                             Einleitung

Einleitung                                                «Die Welt ist tief gemacht, viel tiefer als ihr je gedacht.»

                                                              Nach fast 200 Jahren der europäischen Aufklärung,
Das Werk                                                  die ein der «Reinen Wissenschaft» verpflichtetes Dies-
                                                          seitsdenken propagierte, beginnen Naturwissenschaftler
Die Bücher                                                und Psychologen von Format zu erkennen, dass die sicht-
Die Bilder                                                bare Welt nicht so rational erfassbar ist, wie es sich ein
                                                          naiver Fortschrittsglaube vorstellte.
                                                              Es sei nur an C. F. Gauss, A. Portmann und C. G. Jung
Die Lehre                                                 erinnert, oder an die Aussage von A. Einstein: «Jeder, der
                                                          sich ernsthaft mit den Wissenschaften beschäftigt, ge-
Das All
                                                          langt zu der Überzeugung, dass sich in den Gesetzen des
Das Universum, die Welt der Aussensinne                   Universums ein Geist manifestiert – ein Geist, der dem
Der sichtbare Teil des Universums, die «Realität»         des Menschen weit überlegen ist, und angesichts dessen
Der unsichtbare Teil des Universums, die «okkulte» Welt   wir uns, mit unsern beschränkten Kräften, demütig fühlen
Der Körper                                                müssen.» In der heutigen kopflastigen Zeit liegt es nahe,
Die Zukunft der Erde                                      diesen «Geist» mit Intellekt gleichzusetzen. Früher hätte
Die geistige Welt, die höhere Gestaltung des Alls (die    man ihn wahrscheinlich mit «Gott» bezeichnet. Der Wirk-
Welt aus der wir kommen und in die wir zurückkehren)      lichkeit noch näher als der Physiker Einstein dürfte der
Vorleben                                                  Psychologe C. G.Jung mit seiner Annahme einer «trans-
Rückkehr                                                  mundanen Welt» gekommen sein, einer Vorstellung, die
Die «Wirklichkeit» – das Reich der Seele                  sich allerdings schon bei Platon und in allen grossen Reli-
                                                          gionen findet. Heutige kompetente Wissenschaftler geben
Brücken zwischen materieller und geistiger Welt           zu, dass die mathematisch-physikalische Erfassung von
                                                          neuen Phänomenen wie Supraleitung, Ergebnissen der
                                                          Raumteleskopen, Gang der biologischen Evolution u. a.
Abschluss                                                 stets hinterher hinkt oder chaotische Strukturen aufdeckt.
                                                          (Für Interessenten: New Challenges in Scientific Ameri-
                                                          can, bzw. Spektrum der Wissenschaft, Dec. 1992.) Es
Der Erdenweg von Bô Yin Râ                                zeichnet sich immer mehr ab, dass unsere Umgebung
Einleitung                                                rein intellektuell nicht völlig zu erfassen ist.
Biographie                                                    Ist es überhaupt möglich, zwischen den wissenschaft-
Zeittafel                                                 lichen Erkenntnissen und der von den meisten heutigen
Erinnerungen                                              Menschen als irrational betrachteten Religion eine glaub-
                                                          hafte Verknüpfung zu finden? Gibt es wirklich in der fast
                                                          unübersehbaren Flut esoterischer Schriften ein Werk,
Das geistige Lehrwerk                                     welches nicht nur dem naturwissenschaftlich geschulten
                                                          Intellekt, sondern auch dem innersten Fühlen gerecht
                                                          wird?
Daran anschliessende Schriften                                Wer sich in die Bücher und Bilder von Bô Yin Râ ernst-
                                                          haft vertieft, kann diese Frage mit einem ehrlichen «Ja»
                                                          beantworten. Das nüchterne Denken braucht er nicht zu
                                                          opfern. Dieses wird immer noch dort Platz finden, wo es
                                                          von Natur aus hingehört: in den Kopf eines sonst wehrlo-
                                                          sen Erdenkörpers, dem es sein Überleben zu sichern hat.
                                                              Es ist sehr schwierig, den Inhalt seines Werkes in
                                                          bestehende Klassifikationen literarischer oder philosophi-
                                                          scher Art einzuordnen, weil es die gewohnten Dimensio-
                                                          nen sprengt. Im folgenden unternehme ich den fast hoff-
                                                          nungslosen Versuch, die von Bô Yin Râ aus persönlicher
                                                          Erfahrung geschriebene Lehre von unserm «modernen»
                                                          Weltbild aus zu schildern. Die Bereitschaft zu einer vorerst
                                                          ungeahnten Erweiterung dieses Bildes muss allerdings
                                                          vorhanden sein. Beim Leser wird die übliche rationale
                                                          westliche Schulung vorausgesetzt. Die positive Seite die-
                                                          ser Erziehung besteht darin, dass sie lehrt Erkenntnisse
                                                          ohne Vorurteile anzugehen.
                                                              Im Gegensatz zum Tiere, das sich stumpf mit der ihm
                                                          gebotenen Situation abfindet, steigen in jedem nicht völlig
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                           3

verkommenen Menschen Vorstellungen und Gefühle auf,          deutlich von den zahlreichen aus dem Geltungsdrang
die aus Sphären zu stammen scheinen, wo keine Erden-         Selbstberufener geschriebenen Publikationen unterschei-
schwere herrscht und über allem ein gütiges Licht strahlt,   det. Auf die nüchterne Art von Bô Yin Râ, dem alles öffent-
Eindrücke, die weit über das hinausgehen, was von einem      liche Auftreten zuwider war, wird noch in der Biographie
computerähnlichen Gebilde, das nach wissenschaftlicher       hinzuweisen sein.
Auffassung das Gehirn darstellt – zu erwarten wäre.              Von einem der Wahrheit entsprechenden Bericht über
    In nahezu allen Religionen sind Erinnerungen bewahrt     unsern Erdensinnen nicht erkennbare Dinge ist zu erwar-
an eine Überwelt, bewohnt von einem oder von mehreren        ten, dass er keine logischen Widersprüche enthält und
Göttern, von Geistwesen, welche auf immer in den hellen      Aussagen über irdische Vorgänge mit den bekannten Na-
Regionen verbleiben, und von anderen, die sie verlassen      turgesetzen vereinbar sind. Des weiteren ist anzunehmen,
und erst nach einem oder vielen Erdenleben zurück-           dass die «Lehre» mit authentischen Aussagen anderer in
kehren. Wer sich in die Geschichte der verschiedenen         der transmundanen Welt – im Geiste – Bewusster, wie
Glaubensformen vertieft, kann kaum bezweifeln, dass          beispielsweise Jesus von Nazareth oder Lao Tse, sinnge-
es tatsächlich Menschen gegeben hat, welche schon in         mäss übereinstimmen sollte, wenn man die Verschieden-
ihrem Erdenleben den anderen Verborgenes erkannt ha-         heiten von Kultur und Sprache und die oft mangelhaften
ben. Seit langem schon ist auch der Glaube verbreitet, um    Überlieferungen berücksichtigt.
dieser im Innern erahnten Überwelt willen dem Irdischen          Jedes gute Buch vermittelt dem Leser Wissen, indem
Leben entsagen zu müssen und sie nur in der Einsamkeit       es ihm Unbekanntes mit Bekanntem vergleicht. Dem
oder in Gesellschaft Gleichgesinnter finden zu können.       durch westliche Schulen gegangenen Menschen ist vor
    Ungleich den vom Intellekt geprägten Thesen moder-       allem das physikalisch-mathematisch erfassbare Weltbild
ner Theologen wurzelt das Werk Bô Yin Râ’s in völlig an-     vertraut, das eine hauptsächlich von Neugier und Prestige
deren Empfindungstiefen. Seine künstlerische Begabung        geleitete Forschung ständig ausweitet. Bô Yin Râ hat in
und Neigung kamen zwar der Aufgabe, die er übernom-          erster Linie für daheimgebliebene und ausgewanderte Eu-
men hatte, ideal entgegen, bildeten aber – nachdem ihm       ropäer geschrieben, da er von seiner irdischen Herkunft,
das geistige Leben voll bewusst geworden war – gleich-       Erziehung und Umgebung her ein moderner Europäer
sam nur das zur Übermittlung dienende Instrument. Jeder      war, der sich auch für Naturwissenschaften und Technik
Mensch wurzelt zwar in den gleichen Tiefen, nur haben        interessierte. Er hat die Entdeckungen und Erfindungen,
die meisten die Verbindung mit dem Innersten alles Seins     die unser heutiges Leben so stark bestimmen, wie etwa
verloren und bedürfen nun eines Vermittlers, um wieder       die Relativitätstheorie, den galaktischen Raum, Radio,
heim zu finden.                                              Fernsehen, Auto und Flugzeug, miterlebt und hatte gegen
    Nachdem schon sehr gute Schriften existieren, welche     einen vernünftigen Gebrauch der Technik nichts einzu-
vor allem den künstlerischen Aspekt des Werkes von Bô        wenden.
Yin Râ würdigen (R. Schott, F. Weingartner, M. Wollwerth)        Auch im Sinne des üblichen Literaturverständnisses
möchte ich den – sicher unvollkommenen – Versuch wa-         können die Bücher als sprachliche Kunstwerke bezeich-
gen, die physikalisch überprüfbare, sozusagen naturwis-      net werden. Wegen ihres ausserordentlichen und zeit-
senschaftliche, Seite seiner Bücher zu berücksichtigen,      losen Inhalts sind sie aber schwer in die Schemata der
obwohl diese keineswegs geschrieben wurden, um ir-           herkömmlichen Literaturgeschichte einzuordnen, und be-
gendwelche kosmologische, historische oder biologische       reiten den auf diesem Gebiet Tätigen, einschliesslich der
Hypothesen zu propagieren oder zu unterstützen.              berufsmässigen Kritikern, die meist keine Zeit haben sich
                                                             tiefer in das Werk einzulesen, in der Beurteilung oftmals
                                                             Mühe. Andrerseits fühlen sich Menschen jeglichen Alters
                                    Das Werk                 und Berufes unmittelbar angesprochen und können die
                                                             verborgenen Schätze heben.
                                   Die Bücher                    Fast wichtiger als der «sachliche» Inhalt, wofür dem
   Bô Yin Râ führt den Leser oder die Leserin in zwei-       Autor nur die zwar meisterhaft gehandhabte aber doch
unddreissig Einzelbänden und daran anschliessenden           recht schwerfällige Erdensprache zur Verfügung stand, ist
Schriften in die Welt des lebendigen Geistes ein, die        die in einem Buch zum Ausdruck gelangende «Innere Hal-
verschiedenen Charaktere und seelischen Verfassungen         tung» des Schreibenden. Beim konzentrierten Lesen einer
des Lesenden einfühlend berücksichtigend. Zum schriftli-     jeden – auch profanen – Schrift wird man bewusst oder
chen Lehrwerk gehören als integrierender Bestandteil die     unbewusst gezwungen, sich auf das Niveau des Autors zu
zwanzig «Weltenbilder«, die den geistig-kosmischen Weg       stellen, liege dieses nun auf der Höhe eines Kellerfensters
des Menschen bildlich darstellen.                            oder eines Berggipfels.
   Es sind gleichsam «Reisebücher«, die von Ländern              Wer sich die Mühe nimmt, die Bücher von Bô Yin Râ
berichten, welche dem Erdenmenschen normalerweise            gesammelt und ohne Vorurteile zu lesen, beginnt – vorerst
unzugänglich bleiben und nur bisweilen hinter dunklen        fast unbewusst – die Erdendinge gleichsam von oben her-
Schleiern verborgen geahnt oder gefühlt werden können.       ab zu betrachten. Schritt um Schritt wird der an sich selbst
Wer sich für geographische Reiseberichte interessiert,       arbeitende Leser auf höhere Stufen emporgehoben, bis
wird bald merken, ob der Autor seine Erlebnisse wahr-        sich ihm seine individuelle Stellung im Geiste in sicherem
heitsgetreu und sachlich beschreibt oder ob es ihm mehr      Fühlen und innerer Klarheit manifestiert.
darum geht, seine Person hochzuspielen. Hier kann die            Geduld, Beharrlichkeit und vor allem Liebe sind auf
Evaluation einsetzen, welche das Werk Bô Yin Râ’s so         diesem Wege die am meisten benötigten Eigenschaften.
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                           4

Schnellkurse in den Geist gibt es nicht. Im Gegenteil:        das Innere dieser Bilder. Letzten Endes sind es «Heimat-
Auch wer die Bücher schon sehr lange kennt, wird zu sei-      bilder», Darstellungen der ewigen Heimat des Menschen.
ner Überraschung immer wieder Erstmaliges und Tieferes        Jeder weiss aus seinem Bekanntenkreis, wie verschieden
darin finden. Sie sind in einem Erdenleben nicht auszule-     das irdische Heimatgefühl geprägt ist, und es lässt sich
sen. Mit jeder Seite öffnet sich ein neuer Ausblick in die    erahnen, dass der Reichtum der geistigen Welten noch
lebendige, unerschöpflich tiefe Landschaft der Ewigkeit,      weit mehr individuelle Heimatorte gestaltet. Daher werden
die jeder Mensch in seinem Innersten hegt.                    die Bilder jeden Menschen an seine persönliche Herkunft
                                                              aus dem Geist erinnern. Aus diesen Gründen waren Bô
                                    Die Bilder                Yin Râ Interpretationen seiner Bilder, die vielfach weit
Von seiner künstlerischen Veranlagung her fühlte sich Bô      neben dem wahren Inhalt vorbeigingen, nicht erwünscht.
Yin Râ in erster Linie zum frei schaffenden Maler berufen,    Eine Ausnahme bilden die Hinweise in den Malerbüchern
während sein schriftliches Werk einer schwer auf ihm las-     von R. Schott, die Bô Yin Râ mit dem ihm befreundeten
tenden Verpflichtung entsprang.                               Verfasser vor dem Druck besprochen hat und die zwanzig
    Wenn gerade von «Landschaften der Ewigkeit» die           mit Text verwobenen Bilder «Weltenbilder».
Rede war, so gilt dies vor allem auch für die Gemälde von         Hier erfolgt die authentische Erklärung der Darstellun-
Bô Yin Râ. Mit Ausnahme der zwanzig Weltenbilder han-         gen durch den Autor selbst. Dass damit auch ein Schlüs-
delt es sich nicht um Illustrationen zu den verschiedenen     sel zum tieferen Verständnis der übrigen Bilder gegeben
Büchern des Lehrwerks, sondern um eigenständige Dar-          wird, ist leicht verständlich.
stellungen, die den Blick in Tiefen der Schöpfung führen,         Unter den vielen Gemälden Bô Yin Râ’s fällt eines
welche das geschriebene Wort nur mühsam zu beschrei-          besonders auf: das Portrait Jesu. Über die Entstehung
ben vermag.                                                   dieses einzigartigen Bildes orientiert man sich am besten
    Gemeint sind hier die Bilder, welche der Maler als        im Buch «Aus meiner Malerwerkstatt». Wer die im Werk
«geistlich» bezeichnet hat, und die einem Kunstkenner als     zum Ausdruck kommenden Strukturen des Alls zu begrei-
«abstrakt» vorkommen. Im Gegensatz zu der aus schöp-          fen beginnt, wird die Erklärung zwar überraschend, aber
ferischer Phantasie gestalteten abstrakten Malerei, stellen   verständlich finden.
die «geistlichen» Bilder objektives geistiges Geschehen           Dass sich diese Bilder für die «Meditation» im guten
dar, etwa vergleichbar einem künstlerisch, aber naturge-      Sinne – das Auf-Sich-Einwirken-Lassen ohne vorlautes
treu ausgeführten Landschaftsgemälde. Ähnlichkeiten           Dreinreden des eigenen oder fremden Intellekts – vor-
zwischen den Bildern Bô Yin Râ’s und zeitgenössischen         züglich eignen, kann nach diesen Ausführungen kaum
abstrakten Werken sind daher weitgehend zufällig, sofern      überraschen.
man die Influenzen der den Zeitgeist bestimmenden geis-
tigen Kräfte als Zufall bezeichnen will.                                              Die Lehre
    Mit grossem Können hat Bô Yin Râ aber auch zahl-
reiche «konkrete» Bilder, vor allem Landschaften, gemalt.     Beim Lehrwerk handelt es sich nicht um eine wissen-
Die Natur wird sehr sachlich aber grosszügig wiederge-        schaftlich-systematische Anleitung zum «Lernen«, son-
geben. Der Schluss liegt nahe, dass die «geistlichen»         dern um eine künstlerisch hochstehende Schilderung
Bilder ebenso konkret geistige Realitäten darstellen. Im      geistigen Lebens und geistiger Wirklichkeit. Die erteilten
Grunde genommen sind ja auch irdische Landschaften            Ratschläge bezwecken letztlich, sich durch eine seriöse,
keine toten Gebilde, sondern durch gewaltige Kräfte des       ehrliche und heitere Lebensgestaltung den geistigen Ein-
Erdinnern und der lebendigen Natur geprägte farbige           flüssen zu öffnen. Wer seltsame Übungen oder verschro-
Formen. Die Urseinskräfte geistigen Ursprungs, die auch       bene «Geheimlehren» erwartet, legt die Bücher besser
da zum Ausdruck gelangen können, werden besonders in          gleich beiseite. Die folgenden Erklärungen dienen nur
den grossartigen griechischen Landschaften spürbar. Zu        dem Zwecke, dem stark naturwissenschaftlich geprägten
den geistlichen Bildern, welche ähnliches Geschehen auf       «modernen» Denken Brücken zu einem höheren Ver-
höherer Ebene schildern, bedurfte es dann nur noch eines      ständnis zu bauen.
Schrittes. Sowohl irdische wie jenseitige Landschaften
stellen Augenblicksabschnitte geistiger Wirklichkeit dar,                              Das All
wobei die im Jenseits wirkenden geistigen Energien weit       Um im folgenden Verwirrungen zu vermeiden, müssen
intensiver und lebendiger strahlen, als die vergleichswei-    zwei Bereiche des Seins ganz klar auseinander gehalten
se trägen und stumpfen, den Planeten Erde gestaltenden,       werden:
Natur- und Menschenkräfte.                                    – Die Welt der Materie mit ihren sichtbaren und unsicht-
    Der von sprachlichen Schranken befreite Einblick in          baren Dingen, die wir in unserm Tierkörper als Realität
geistige Welten darf nicht dazu verleiten, in den farbigen       erleben.
und geometrischen Formen der Bilder frei erfundene            – Die unsern gegenwärtigen Erdensinnen unzugängli-
Konstruktionselemente zu sehen, wie sie etwa zeitge-             che Welt des Geistes, welche nur unserm Innersten
nössische Bilder enthalten, sondern er muss in völliger          manchmal fühlbar werden kann. Diese Welt ist die
Ruhe und Konzentration die Stimmung erfühlen können,             wahre Heimat des geistigen Kerns eines jeden Men-
die von den geistlichen, aber auch von den meisten               schen, aus der er bei der Geburt gekommen ist und in
konkreten Bildern ausgeht wie Sphärenmusik. Wer sich             die er beim Tode wieder zurückkehren wird.
das natürliche Gefühl der Kindheit für Farbe und Form            Beide Welten durchdringen einander. Die Sinne des
bewahrt hat, befindet sich schon auf dem halben Weg in        Erdenkörpers können nur materielle Dinge wahrneh-
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                             5

men, bei besonderer Artung ausnahmsweise auch die              entziehen sich menschlichem Vorstellungsvermögen.
für andere Menschen unsichtbaren, aber ebenfalls der           Unsere Sonne existiert kaum ein Drittel dieser Zeit. Trotz
Materie zugehörigen, okkulten Bereiche. Der Mensch, als        des ungeheuren technischen Forschungsaufwandes ha-
im Kern geistiges Wesen, erlangt normalerweise erst mit        ben die Astronomen die Grenzen des «Weltraums» noch
dem Verlust des Tierkörpers wieder den bewussten Ge-           nicht erreicht. Das Universum ist kein starres Gebilde. Seit
brauch der Sinne seines geistigen Leibes, welche durch         dem «Urknall», der angenommenen, noch nicht eindeutig
die Inkarnation in einen Tierleib erblinden. Die materielle    beweisbaren Entstehung aus einer kleinen Kugel, dehnt es
– und damit auch die okkulte – Welt verschwindet beim          sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Ob diese Ausdehnung
Sterben und wird durch die Realität der geistigen Welt         in Ewigkeiten weiter geht oder schliesslich wieder rückläu-
ersetzt. Nur die während des Erdenlebens in das unver-         fig wird, kann mit den heutigen astronomischen Kenntnis-
gängliche Bewusstsein aufgenommenen Erinnerungen               sen nicht sicher entschieden werden. Die Rückläufigkeit,
und seelischen Eindrücke verbleiben. Da jeder Mensch           welche schlussendlich zur Vernichtung, aber auch wieder
auch während seines Erdenlebens, im Gegensatz zu den           zu einer Wiedergeburt des Universums führt, scheint phy-
ihn umgebenden Tieren, im Kern ein geistiges Wesen ist,        sikalisch wahrscheinlicher und entspräche auch eher dem
wird sein geistiger Leib von den Verstorbenen als Realität     ewigen Werden und Vergehen der materiellen Welten.
wahrgenommen.                                                  Der Raum wäre in diesem Falle gekrümmt, was sich mit
    Für die Gesamtheit des Seienden, innerhalb dessen          der Aussage im Buch «Welten» deckt: «Wir sind wie im
die Welt der Materie, das Universum, nur ein Randgebiet        Innern einer unfassbar gewaltigen Kugel (das All), deren
darstellt, existiert keine allgemein gültige Bezeichnung.      äussere Umgrenzung (das Universum) durch Myriaden
Im folgenden wird unter dem Begriff «All» die unfassba-        von Weltsystemen gebildet wird...». Es gibt auch Astro-
re Fülle des ewigen und unendlichen Seins verstanden,          nomen, welche der Meinung sind, unser Universum sei
während das lateinische «Universum» für den in ewigem          durch die Abschnürung eines weit grösseren materiellen
Wandel begriffenen Sternenraum mit all seinen belebten         Raumes entstanden. Wer die Geschichte der Astronomie
und unbelebten, sichtbaren und unsichtbaren Erscheinun-        in den letzten Jahrzehnten verfolgt hat, kann sich des Ein-
gen stehen soll. Das Universum ist die gleichsam «äus-         drucks nicht erwehren, dass die gesammelten Fakten den
sere» Begrenzung der weit reicher gestalteten geistigen        menschlichen Intellekt allmählich überfordern.
Welt, deren Innerstes das Lichtreich Gottes bildet.                Vor etwa drei Milliarden Jahren entstanden in den
    Bô Yin Râ war Künstler und nicht Philosoph im aka-         Urmeeren des Planeten Erde die ersten primitiven Ein-
demischen Sinne und so verwendete er diese Begriffe            zeller. Die Luft enthielt damals noch keinen Sauerstoff.
– auch «Kosmos» gehört dazu – in seinen Büchern oft-           Experimente haben gezeigt, dass in einem Gemisch
mals als Synonyme. Die jeweilige Bedeutung ist immer           von Meerwasser und sauerstofffreier Atmosphäre durch
aus dem Zusammenhang klar erkennbar.                           elektrische Entladungen – der Imitation von Gewittern
    Im All nimmt der Mensch eine – man könnte fast sagen:      – ziemlich komplizierte organische Verbindungen entste-
unnatürliche – Zwitterstellung ein. Er ist das einzige Lebe-   hen können. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass
wesen, welches die messerscharfe Grenze zwischen dem           sich solche Moleküle zu vermehren beginnen und sich
übergeordneten Bereich, der geistigen Welt, und deren          zuletzt zu enorm komplizierten Gebilden, wie beispiels-
materiellen Randbezirken, dem Universum, durchbrechen          weise zu einem Elefanten, aufbauen, ist trotz der grossen
kann. Der Fall in die Materie ist die letzte Konsequenz        zur Verfügung stehenden Zeiträume praktisch null. Aris-
einer selbstgewollten überheblichen Abkehr von Gott.           toteles hat den Begriff «Entelechie» geprägt und damit
Der für die Erfahrung des Irdischen, der Annäherung an         die gestaltende unsichtbare Kraft gemeint, die Form und
das Nichts, geforderte Preis ist für den Geistmenschen         Leben von Pflanzen und Tieren bewirkt. Auch wenn unter-
ausserordentlich hoch. Angst, Krankheit, Schmerz, Not,         dessen die Wissenschaft die langsame – Entwicklung der
Beschränktheit der Ressourcen bedrohen ständig sei-            Biosphäre besser verfolgen kann, scheint die Auffassung
nen verletzlichen, aus Elementen der Erde bestehenden          von Aristoteles nicht überholt. Teilhard de Chardin hat von
Körper, dessen Lebensfunktionen an harte Naturgesetze          einem christlichen Standpunkt aus ähnliche Ansichten
gebunden sind. Für den vormals fast grenzenlos freien          geäussert, A. Portmann sie aufgrund eigener Beobach-
Geistmenschen, der weder Furcht noch Elend kannte,             tungen postuliert.
bedeutet die irdische Geburt einen Fall in die Finsternis,         Moderne Hirnforscher sind zum Schluss gekommen,
in das nahezu völlige Erlöschen seiner geistigen Sinne,        dass die Entwicklung zur heutigen intellektuellen Kapa-
in die engen Fesseln von Raum und Zeit, in die Erfahrung       zität des Menschen von der rein natürlichen Selektion
des Beschränkten, dessen sicheres Ende mit dem von             her nicht erklärbar ist: Es braucht nur wenig abstraktes
der Tierseele instinktiv gefürchteten Zerfall des Erdenlei-    Denken und schon gar keine künstlerische Begabung,
bes vorgezeichnet zu sein scheint.                             um sich gegen die übrigen Säugetiere durchsetzen zu
                                                               können. Leicht zu verstehen ist jedoch, dass der geistige
           Das Universum, die Welt der Aussensinne             Mensch in der materiellen Welt einen hochdifferenzierten
                                                               Organismus als Bewusstseinsträger benötigt. Deswegen
      Der sichtbare Teil des Universums, die «Realität»        hat auch der Werdegang vom primitiven Einzeller bis zum
Die Wissenschaft ist im Universum zu Objekten vorgestos-       Homo sapiens, der fähig war mit dem geistigen Bewusst-
sen, bei denen es sich vielleicht um Embryonen von Ga-         sein eine Verbindung einzugehen, Jahrmilliarden gedau-
laxien handelt, die viele Milliarden Lichtjahre von der Erde   ert. Immer wieder wurden, von geheimnisvollen Kräften
entfernt sind. Sowohl Alter wie Distanzen dieser Gebilde       getrieben, neue Pflanzen und Tierformen entwickelt und
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                          6

erprobt, bis Arten entstanden, die den geistigen Bauplä-      felder erkennen, deren Erscheinung wirkende letzte Ursa-
nen einigermasssen entsprachen. Die durch die physika-        che sich der physikalischen Erfassung entzieht.
lischen Naturgesetze behinderte biologische Umsetzung             Für jemand, der sich streng mathematisch-physika-
war ausserordentlich langwierig, aber in den geistigen        lisch mit den Gesetzen der toten Materie, die zumindest
Urgründen scheint der Zeitfaktor eine geringe Rolle zu        statistisch mit starrer Kausalität abzulaufen scheinen,
spielen. Ewigkeit ist zeitlos.                                befasst, birgt die Entstehung unserer Erde und das sich
    Der «moderne» Mensch, in Funden vom heutigen nicht        später darauf entwickelnde Leben fast unlösbare Rätsel.
unterscheidbar, existiert schon seit etwa 40’000 Jahren       Die ständig wechselnden «kosmischen» Theorien und die
auf der Erde. Er war noch Zeitgenosse des Neandertalers.      Erklärungsversuche des Sprungs von der chemischem
Wann sich die Vereinigung des nach irdischer Erfahrung        Verbindung zum belebten Organismus sprechen eine
strebenden Geistmenschen mit dem hoch entwickelten            klare Sprache.
Hominiden erstmals vollzogen hat, wissen wir nicht ge-            Manche modernen Forscher äussern bereits Zweifel
nau. In Anbetracht der vorausgegangenen ungeheuren            an einem mathematisch lückenlos erfassbaren Weltbild.
Zeiträume ist diese Frage auch unwesentlich. Trotz der        Computerrechnungen weisen darauf hin, dass beispiels-
leider moralisch schwachen Entwicklung des Homo sapi-         weise die Planetenbahnen rein mathematisch schon
ens scheint die Erde ein sehr beliebtes Ziel des Geistmen-    längst chaotisch geendet hätten. Sie scheinen tatsächlich
schen zu sein. Besiedelten im Jahre 8000 vor Christus         wie von unsichtbaren Intelligenzen immer wieder korrigiert
schätzungsweise 5 Millionen Menschen die Erde, so sind        zu werden.
es heute mehr als 6 Milliarden.
    Wir sind nun dort angelangt, wo wir uns gegenwärtig       Der unsichtbare Teil des Universums, die «okkulte» Welt
befinden: Im Bannkreis des dicht bevölkerten Planeten         Tatsächlich sind die Kräfte und deren Wirkungen, die den
Erde, versehen mit einem Leib, der sich nur wenig von         tieferen Bereichen der Materie entstammen, jenem Teil
dem der höheren Tiere unterscheidet. Die beschränkten         des Universums, den man «okkult» nennt, und für den sich
Sinnesorgane dieses Leibes lassen nur einen kleinen           die Parapsychologie interessiert, physikalisch kaum mehr
Ausschnitt der Umwelt in unser Bewusstsein gelangen.          erfassbar, wie seriöse Forscher auch offen zugeben. Be-
Die Kontakte zu unseresgleichen in den übrigen Berei-         sonders veranlagten Menschen kann dieser Bereich der
chen des Universums und – noch weit einschneidender           Natur, unabhängig von ihrer moralischen Haltung, mehr
– auch zu der geistigen Welt sind weitgehend unterbro-        oder minder zugänglich sein. Auch die intelligentesten der
chen.                                                         dort agierenden Wesen, welche die sichtbare Welt des Le-
    Zwischen Geburt und Tod verbringen wir unsere Exis-       bendigen im Geheimen steuern und leiten, sind niemals
tenz auf diesem kleinen Planeten, dem eine der Milliar-       fähig, die geistigen Welten zu erkennen und wahre Liebe
den Sonnen der Milchstrasse Licht und Wärme spendet.          zu empfinden. Im Gegensatz zum ewigen Menschen un-
Betrachten wir den Nachthimmel mit seinen zahllosen           terstehen sie wie alles Materielle den Naturgesetzen, die
Sternen und Galaxien, so gewahren wir durch die winzige       stetigen Wandel schaffen und – wenn auch in ungeheuren
Optik unserer Augen die Schwärze des ungeheuren Ab-           Zeiträumen – stetigem Wandel unterworfen sind.
grunds, in dem sich Licht und Leben auf winzige Punkte            Die wenigen, schon im Erdenleben im wahren Geist
im All zusammengezogen haben. Die furchtbare Leere            Erwachten müssen auch die Herrschaft über diese Kräfte
des Raums, welche auch für auf anderen Planeten leben-        erlernen, um von ihnen bei der Ausübung ihrer geistigen
de Menschen aus biologischen und physikalischen Grün-         Aufgaben nicht gestört zu werden. Sie allein wissen auch
den – allen technischen Phantasien zum Trotz – für immer      mit Sicherheit zu unterscheiden, was von dem für die
unüberwindbar sein wird, grenzt schon sehr nahe an das        meisten Menschen Unsichtbaren der geistigen und was
Nichts, den totalen Gegensatz zur Licht- und Lebensfülle      der okkulten Welt angehört.
der hohen geistigen Welten, wo die Liebe alle Trennung            Auch die Wurzeln des Bösen reichen weit tiefer als
aufhebt. Wer hat sich nicht als Kind, das noch Erinnerun-     meist angenommen. Noch mehr als im sichtbaren hat sich
gen an das Licht der Ewigkeit in sich verwahrt, vor dem       im unsichtbaren Bereich des Universums die Bosheit des
erstmals bewusst gewordenen Dunkel der Erdennacht             gefallenen Geistmenschen eingenistet, der sich überheb-
gefürchtet? Eine Furcht, die ein Tier nicht kennt, weil ihm   lich und mit vollem Bewusstsein von Gott abgewendet
Vorstellungen geistigen Ursprungs fehlen.                     hat. Luzifer, ursprünglich der Lichtbringer, aus Liebe und
    Auf der andern Seite tastet sich ruheloser Forscher-      Leuchten eigenwillig in Hass und Dunkelheit gestürzt, ver-
trieb immer enger in den Mikrokosmos vor. Längst ist          sucht, in den Abgrund zu ziehen, wer und was sich immer
erkannt, dass sich auch die Bestandteile der Atome aus        ihm anbietet. Die bildhafte Beschreibung der Bibel kommt
noch kleineren Teilchen zusammensetzen. Eine weitere          der Wirklichkeit sehr nahe. Der Unterschied besteht nur in
Aufteilung scheint nur eine Frage des technischen Auf-        der Kontinuität des Geschehens. Dann und wann erliegt
wands zu sein. Unbeabsichtigt bestätigen die Physiker         einer der «Lichtträger» aus dem Geiste der Anziehung
damit, was im «Buch vom Lebendigen Gott» steht: «...          des Dunkeln und reiht sich in hasserfüllter Ohnmacht in
alles Zerspaltene wird sich ins Unendliche weiter zerspal-    die Scharen des Bösen ein, bis er nach Aeonen selbst zu
ten, alles Zersplitterte ins Unendliche weiter zersplittern   Nichts wird. In unseren Tagen, da sich Zehntausende von
lassen, und immer wieder werdet ihr entdecken, dass sich      Forschern und Ingenieuren mit der Planung und Herstel-
aus dem, was ihr in seine letzte Faserung zerfasert glaubt,   lung immer schrecklicherer Vernichtungsmittel beschäfti-
noch neue Fasern lösen lassen..» Die letzten Ergebnisse       gen, scheint die Saat der Finsternis morbid zu blühen.
des CERN lassen tatsächlich nur noch komplizierte Kraft-          So geistesfern und gottverlassen sind die letzten Be-
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                              7

reiche des Universums, dass hier selbst der innerste Kern     und Sorgen um die Zukunft lösen. Ebenso hat jeder, der
des geistigen Menschen der Auflösung verfallen kann, dem      das okkulte Reich überstiegen hat, auf «Hellsehen» und
einzigen wahren Tod, den ein Mensch nur sterben kann,         «Zukunftsprognosen» bewusst verzichtet. Ewiges Leben
wenn er seinem eigenen Vernichtungswillen verfällt.           ist vor allem ewige Gegenwart und fern der Neugierde und
                                                              Furcht vor vergangenem und künftigem Geschehen. Bei-
                                    Der Körper                de Regungen entspringen nur der zeitgebundenen Exis-
Von allen unsichtbaren und sichtbaren Dingen, die uns         tenzangst der Tierseele. Wenn sich in den Büchern von
auf der Erde umgeben, ist unserm gegenwärtigen sehr           Bô Yin Râ Stellen finden, welche die Zukunft betreffen,
eingeschränkten Bewusstsein der irdische Körper am            so beziehen sie sich auf die Auswirkungen seines Werkes
besten vertraut. Physikalisch gesehen, ein beinahe un-        auf die menschliche Gesellschaft aus geistiger Sicht ohne
glaubliches Wunderwerk – wir teilen es mit den höheren        bestimmte Zeitangaben.
Tieren – dient er dem Geist gleichsam als Taucheranzug            Das Hoffen auf eine überirdische Macht oder einen
in eine ihm sonst unzugängliche Welt. Die Verbindung          Messias, welcher die politischen und moralischen Verhält-
zwischen dem ewigen Bewusstsein und dem «Anzug»               nisse zur Zufriedenheit aller ordnen könnte, ist zwar sehr
sind sehr innig, und wir erleben die engen Fesseln un-        romantisch und bequem. Realistisch gesehen, wird aber
seres Erdenleibes jeden Tag. Wie eng diese Fesseln tat-       eine Verbesserung des Erdendaseins davon abhängen, in
sächlich sind, wird uns vielfach erst in Krankheit oder Not   wie vielen Menschen tätige Liebe zum Mitmenschen und
bewusst. Wie sehr unsere «Charaktereigenschaften«, die        zur uns umgebenden wunderbaren Schöpfung erwacht
wir schon von unserer Geistseele geprägt glauben, noch        ist, oder anders ausgedrückt, davon, ob die «Kinder des
in den biologischen Strukturen unseres Körpers wurzeln,       Lichtes» oder die «Kinder der Finsternis» mehr Einfluss
zeigen die Beispiele von getrennt aufgewachsenen einei-       auf das irdische Geschehen haben werden.
igen Zwillingen. Sie zeigen trotz völlig anderer Erziehung        Wir glauben zu wissen, dass die Sonne, welche unsere
übereinstimmende Verhaltenweisen, geben ihren Kindern         von Natur so schöne Erde mit Licht und Wärme versorgt,
die gleichen Namen, kleiden sich ähnlich oder sind in         erst in ihrer Lebensmitte steht. Sie kann noch für Jahrmil-
vergleichbaren Berufen tätig. Da die ewige Individualität     liarden dem Erdenmenschen leuchten. Wir wissen aber
des Erdenmenschen fast völlig von seinem körperlichen         auch, dass die für «unentbehrlich» gehaltenen Rohstoffe
Erbgut überdeckt werden kann, ist die Grenzfindung zwi-       in wenigen Jahrhunderten erschöpft sein werden. Der
schen körperlicher und geistiger Individualität eine der      Menschheit wird somit nichts anderes übrig bleiben als
wesentlichsten Aufgaben eines Suchenden, wobei das            sich den Gesetzen der belebten Natur wieder einzuordnen
dem Geiste Zugehörige nicht hoch genug eingeschätzt           und anzupassen. Dies kann auf einsichtige und friedliche
werden kann.                                                  Weise geschehen oder in dezimierenden Raubkriegen um
    Hinter den Anstrengungen des Menschen, mit Hilfe          das letzte Ackerland und das letzte Erzlager.
seiner technischen Intelligenz Apparate herzustellen,             Es ist zu hoffen, dass sich die Menschen noch bei-
welche die Bewegungsfreiheit und die Fähigkeiten von          zeiten ihrer positiven Kräfte bewusst werden, die in der
Auge und Ohr ausweiten, steht nicht zuletzt die vage          Liebe zur Erde und zu allen Mitgeschöpfen gründen. Tiere
Rückerinnerung an einen Zustand fast grenzenloser Frei-       und Pflanzen sind nicht gefühllose – computergesteuerte
heit. In den geistigen Welten kann diese Freiheit bis zum     Automaten, wie uns die Gentechnologen dies gerne ein-
Fall in die Tiefen des Universums führen, ihre letzten – in   reden möchten. Lebewesen reagieren auf Stimmungen
die falsche Richtung geleiteten – Impulse auf der Erde        und Harmonien oder Disharmonien in ihrer Umgebung.
zur Zerstörung der Umwelt. Die krampfhaften Versuche,         Versuche haben gezeigt, dass Pflanzen bei Mozartmusik
Ortswechsel immer rascher und bequemer zu gestalten,          besser gedeihen als mit Hard Rock.
die Kommunikation lückenlos auszubauen und die Le-                Was für Pflanzen und Tiere zutrifft, gilt in noch weit hö-
bensdauer des Erdenkörpers möglichst zu verlängern,           herem Masse für den Menschen. Erst wenn jeder in dem
entspringen dem bewussten oder unbewussten Wunsch,            andern – trotz aller offenkundigen Schwächen – wieder
einen geistigen Zustand – das Paradies – auf der Erde zu      den ewigen, aus dem Lichte stammenden Mitmenschen
schaffen. Von den im Universum geltenden unerbittlichen       sieht, wird ein menschenwürdiges Zusammensein der
Naturgesetzen her beurteilt, ist dieser Versuch von vorn-     Völker und Rassen möglich sein. Dass die von Bô Yin
herein zum Scheitern verurteilt.                              Râ aus dem ewigen Geist übermittelte Lehre dabei eine
    Die Hilfe, welche unser Erdendasein durch eine ver-       wesentliche Rolle spielen wird, sobald sie ins Allgemein-
nünftige und massvolle Anwendung von Technik und              bewusstsein eingedrungen ist, steht ausser Zweifel.
Medizin erfährt, ist jedoch durchaus nicht zu verachten,          Am ewigen Leben und selbst in irdisch-geologischen
gibt sie doch die Musse, uns auch mit andern Dingen zu        Zeiträumen gemessen, ist das Erdendasein eines Men-
beschäftigen als mit blosser Nahrungssuche.                   schen enorm kurz. Die wichtigste Aufgabe während der
                                                              kurzen Erdenspanne ist die Arbeit an sich selbst, das Zu-
                            Die Zukunft der Erde              rückfinden zum eigenen geistigen Sein, das im Gegensatz
Obwohl die Helfer von der Art Bô Yin Râ’s bis zur Rettung     zu dem, was sich auf der Erde abspielt, nicht dem Gesetz
des letzten Menschen freiwillig im Bannkreis der Erde         von Zerstörung und Umwandlung unterworfen ist. Es
verharren werden und somit vom künftigen Schicksal des        wäre daher nutzlose Kraftvergeudung, wenn ein Mensch
bewohnten Planeten persönlich betroffen sind, mussten         seine ganze körperliche und seelische Energie für die
sie sich während der harten Zeit ihrer geistigen Schulung     Beseitigung der nun einmal naturgegebenen Unvollkom-
vom eines freien Geistes unwürdigen, ängstlichen Fragen       menheiten des Erdendaseins verwenden würde. Dazu ist
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                            8

unser irdischer Leib ein zu zerbrechliches Gebilde und der      gelangen, aus der wir bei unserer Geburt gekommen sind.
Lebensraum der Erde allzu beschränkt. Ein Mensch, der           Der Aufenthalt auf der Erde ist nur eine kurze, wenn auch
sich geistgerecht verhält, wird niemals Mitmenschen oder        äusserst wichtige Zwischenstation des unvergänglichen
der Umwelt Leid zufügen wollen und für jemanden, der die        Ich-Bewusstseins, das den wirklichen Menschen aus-
Aussicht hat, in ein Land voll Liebe und Sonne auswan-          macht. Auf dem Tiefpunkt der Existenz angelangt, gibt
dern zu können, wird es schon eine Forderung des An-            dieser Halt die Gelegenheit, die Willensrichtung, die von
stands sein, seinen nun nicht mehr benötigten Wohnsitz          Gott wegführte, umzukehren und zum wahren Ursprung
den Nachfahren in gutem Zustand zu übergeben.                   zurückzufinden.
                                                                    Die Angst vor der unwiderruflichen Vernichtung des
     Die geistige Welt, die höhere Gestaltung des Alls          Erdenkörpers veranlasst viele Menschen, den Gedanken
(die Welt aus der wir kommen und in die wir zurückkehren)       an den Tod zu verdrängen, der in Wirklichkeit nur die
                                                                Rückkehr in das Reich des Geistes ist. Immer wieder hat
                                     Vorleben                   Jesus, dem die hohen geistigen Welten offen standen,
Fast jeder Mensch erlebt Augenblicke oder Stunden, da           den in Zweifel und Existenzängste verstrickten Menschen
ihm die Dinge dieser Erde seltsam fremd vorkommen und           zugerufen: «Fürchtet euch nicht.» Dass die christlichen
eine unerklärliche Sehnsucht im innersten Fühlen auslö-         Kirchen lange Zeit ihre Gläubigen mit Gerichtsszenen
sen: Heimweh beim Anblick einer grossartigen Landschaft         und Höllenfeuern ängstigten, hatte sehr viel mit irdischer
oder beim Hören erhabener Musik, angeweht von einem             Herrschsucht, sehr wenig mit geistiger Einsicht zu tun.
Hauch der Erinnerung an ewige Schönheit.                            Im 1920 erschienenen «Buch vom Jenseits» beschreibt
    Die Märchenwelt aller Völker als eine Schöpfung des         Bô Yin Râ das Leben nach dem Tode, das ihm natürlich-
menschlichen Geistes kennt andere Gesetze als sie uns           nüchtern vertraut war, eingehend und sachlich. Die Tat-
die Realität lehrt, wo sich das Böse meist eher durchzu-        sache, dass seine Aussagen mit den von modernen Ster-
setzen scheint als das Gute. Diese Ahnungen strömen             beforschern und -forscherinnen viel später gesammelten
unbewusst hinüber aus geistigen Welten und sind deutlich        Berichten faktisch Gestorbener übereinstimmen, beweist
unterschieden von intellektuellem Wunschdenken. All dies        den Wahrheitsgehalt der Lehre auf eindrückliche Weise.
sind fast entschwundene Erinnerungen an die lebendige           Die Schilderung persönlicher Sterbeerlebnisse wurde
Realität der geistigen Welt, die wir vor unserer Geburt         erst möglich durch die Technik der modernen Medizin,
erlebt, empfunden, gesehen und gehört haben, weit in-           welche die vom Körper schon getrennte Geistseele in den
tensiver als in unserm Robinson-Dasein auf dem kleinen          wiederbelebten Körper zurückzwingen kann – meist nicht
Planeten Erde.                                                  zur Freude der Betroffenen. Die von Menschen jeglicher
    So abgründig war der Fall aus dem ewigen Licht in die       Bildungsstufe erzählten Erfahrungen sind verständlicher-
Nacht der Materie, so lange dauerte schon die Trennung          weise zeitlich sehr beschränkt und daher auch teilweise
von der wahren Heimat, dass der Geist für die meisten           von der meist nicht völlig abgebrochenen Bindung an den
Menschen nur noch wie eine ferne Erinnerung fühlbar wird        Erdenkörper beeinflusst. Als objektiv urteilender Medi-
– am lebhaftesten vielleicht noch in der Kindheit oder in       ziner kam Moody zum Schluss, dass die Aussagen der
einer echten Liebesbeziehung zwischen Frau und Mann.            Befragten übereinstimmend einen objektiven Sachverhalt
    Normalerweise hält sich ein Mensch nur für die Dauer        wiedergeben und es sich nicht um Phantasievorstellungen
seines Erdenleibes im materiellen Bereich des Alls, im          handelt.
Universum, auf. Die in manchen östlichen Religionen als             Im Vergleich zum Inhalt des «Buches vom Jenseits»
Normalfall angenommene Reinkarnation findet nur aus-            sind die, beispielsweise in den Publikationen Moody’s und
nahmsweise statt, etwa beim Tod im frühen Kindesalter,          Sabom’s geschilderten Todeserlebnisse nur ein flüchtiger
bei Selbstmord oder völliger Vertierung. In jedem dieser        Blick durch einen schmalen Spalt der Himmelstür. Wer
Fälle ist es dem geistigen «Ich» nicht gelungen, die Ver-       länger im Jenseits verweilt, kann nicht mehr zurück. Nur
bindung mit dem Tierbewusstsein zu finden oder aufrecht         die ganz wenigen «Meister» wie Bô Yin Râ sind fähig,
zu erhalten. Es ist darin leicht die Auswirkung göttlicher      gleichzeitig im Diesseits und in bereits hohen Bereichen
Liebe zu erkennen, die dem physisch oder psychisch total        des Jenseits bewusst zu sein, wobei im Gegensatz zu
Gescheiterten nochmals eine Gelegenheit schenkt, das            den ekstatischen Mystikern das diesseitige Bewusstsein
irdische Leben bewusst zu meistern.                             nicht abgedunkelt wird. Dieser Zustand ist nicht durch
    Der Fall des geistigen Menschen in das Erdenleben           Übungen, Hypnose, absonderlichen Lebenswandel oder
erfolgt zuletzt zwar plötzlich und zwangsweise, aber er ist     gar mit Drogen zu erreichen, sondern spielt sich für den
nur das Ende eines, auch zeitlich, sehr langen Weges, der       Betroffenen ganz natürlich ab. Es handelt sich um einen
von Gottesnähe in immer gleichsam dichtere und entfern-         vom Geist her gewollten sehr seltenen Ausnahmefall, der
tere Bereiche des Alls führt, bis in die Nähe des Nichts.       dazu dient, das Licht und die Liebe der Ewigkeit in die
Die Abkehr von Gott entspringt nicht einem zwingenden           materielle Welt zu bringen. Die verschwindend wenigen,
Gesetz, sondern dem freien Willen des geistigen Men-            welche diese «Meisterschaft» in einer Generation jeweils
schen. Es ist freilich leichter, die Schuld an erduldetem Er-   besitzen, brauchen selbstverständlich keine Bücher oder
denelend Gott oder Teufel zuzuschieben als sich selber.         religiöse Organisationen, weil ihnen alle dort behelfsmäs-
                                                                sig geschilderten Dinge jederzeit real gegenwärtig sind.
                                     Rückkehr                   Äussere Bindungen sind unnötig. Alle Mitglieder dieser
Nach den vorangegangenen Ausführungen wird es ver-              Gemeinschaft sind durch geistigen Kontakt untrennbar
ständlich sein, dass wir nach dem Tode in die gleiche Welt      miteinander verbunden. Sie, die wahren Helfer aus dem
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                             9

Geiste, bedürfen jedoch einer langwährenden harten             seinem Fall in die Materie. Erst mit der Inkarnation in ei-
Schulung, bis ihr irdisches Bewusstsein wieder in die          nen Erdenkörper, der sich nur getrenntgeschlechtlich fort-
geistige Heimat zurückfindet, die sie aus Liebe zu den ge-     pflanzen kann, reisst die innige Verbindung entzwei. Einen
fallenen Mitmenschen freiwillig verlassen haben. Sie sind      Wechsel zwischen Männlich und Weiblich gibt es nicht.
die wenigen, die «wissen, woher sie kommen und wohin           Jeder Pol behält sein Geschlecht für alle Ewigkeit.
sie gehen».                                                        Der höchste und innerste Bereich des Geistes, das
    Auch im Jenseits, das tatsächlich nur die andere, weit     Reich der vollkommenen Erfüllung, ist das letzte Ziel des
grössere Seite des unvergänglichen Alls ist, kann auf          heimkehrenden Menschen. Dort wird er auch seine von
die Dauer nur glücklich werden, wer Hass, Habgier und          Ewigkeit her gegebene Individualität, seinen «Namen«,
Eigensucht überwindet und alles ausser und in sich in          wieder finden. Aus dieser Sicht wird es vielleicht verständ-
Liebe umfasst. Menschen, die sich auf Erden geliebt ha-        lich, warum für den im ewigen Bewusstsein lebenden
ben, werden sich im Jenseits auf gegenseitigen Wunsch          Schöpfer der Bücher und Bilder die mehr oder weniger
unfehlbar wiedertreffen.                                       zufällige Bezeichnung «Joseph Anton Schneiderfranken»
    Die «Hölle» bereiten sich die ins Jenseits Gelangten       nur eine periphere Rolle spielte.
selber, wenn sie wegen Mangel an Liebe und Ehrfurcht
nicht fähig sind, in die höheren harmonischen geistigen                Die «Wirklichkeit» – das Reich der Seele
Welten zu gelangen und in den niedersten Gefilden des          Das All im weitesten Sinne umfasst die Unendlichkeit der
Jenseits in Streit und Zwietracht mit sich selbst und ihres-   realen geistigen Welten und die Begrenztheit der sicht-
gleichen verharren. Im Gegensatz zum Erdenleben, wo            baren und unsichtbaren Bereiche der materiellen Welt.
auch der Gutwillige jederzeit der Bosheit und der Macht-       Gleichsam als «Animatoren» gesellen sich dazu die Ur-
gier negativer Kräfte ausgesetzt bleibt, sind die höheren      seinskräfte, willensträchtige Schöpferkräfte aus dem Zen-
Geisteswelten von den niederen Reichen aus – Bô Yin Râ         trum des Alls, welche Leben in den höchsten wie in den
nennt sie «Strandreiche» – nicht mehr erreichbar.              tiefsten Welten wirken. Diese an und für sich blinden «Ur-
    Auch die Menschen in den «Strandreichen» des Jen-          seinskräfte» schliessen sich um Bewusstseinszentren, je
seits finden mit Hilfe der ewigen Liebe nach unsäglich         nach ihrer Art um geistige oder tierische. Dumpf-triebhaft
langen Zeiten wieder zu ihrem Ursprung in den hohen            und mitleidlos-verspielt bilden sie die Seele eines Tieres,
Reichen des Geistes zurück, aber die während ihres Er-         um nach dessen Tod wieder auseinanderzufallen und von
denlebens gemachten Erfahrungen gehen ihnen in diesen          neuem in die Kette unbewussten Lebens eingereiht zu
unter Selbstvorwürfen und in Gottferne verbrachten Zeit-       werden. Auch die «Seele» des Körpers, die der Mensch
räumen verloren. Sie haben Leid, Not und die Freuden           mit den andern Tieren gemeinsam hat, setzt sich aus die-
der Erde umsonst durchlebt. Ihnen wird das Talerlebnis         sen niederen Seelenkräften zusammen.
des irdischen Daseins fehlen, von dem sich die Pracht der          Im Gegensatz zum Tiere besitzt jedoch jeder Mensch
geistigen Welt um so beglückender abhebt.                      in seinem, auf Erden kaum fühlbaren Geistkörper auch
    Die «Seligkeit» ist aber auch nicht erreichbar ohne die    ein ewiges individuelles Bewusstsein, um das sich die viel
wieder erlangte Einheit von Frau und Mann in individu-         höheren ewigen Seelenkräfte formieren können. Die je-
ellem Empfinden von Harmonie und Freude. Die tiefste           weils zu einem Menschen gehörenden Seelenkräfte sind
Sehnsucht des einen Geschlechts nach dem andern ist            keine starren Gebilde, sondern in beständigem Wandel
bedingt durch mehr oder weniger deutliche Erinnerungen         begriffen. Dazu gehören auch Impulse, die Menschen hin-
an einen vorgeburtlichen Zustand der vollkommenen Ver-         terlassen haben, welche keine Zeit oder keine Möglichkeit
einigung mit dem seit Ewigkeiten zugehörigen Partner. In       fanden, ihre individuellen Seelenkräfte im Irdischen aus-
der verdunkelten Erdenexistenz ist es dem zum Einzelpol        zuleben. Es ist daher sehr wesentlich, sich auf Erden nicht
gewordenen Menschen meist nicht mehr möglich, seinen           mit unerfüllbaren Wünschen und Sehnsüchten vollzula-
ureigenen Gegenpol zu finden und zu erkennen, da sich          den, welche das Weiterwandern in die höhern Geistes-
die Erdenwege der Getrennten nicht unbedingt kreuzen.          welten behindern würden und darauf warten müssten, im
Da dem geistigen Wesen des Menschen nur die Einehe             Erdenleben anderer Menschen ihre Erfüllung zu finden.
entspricht, sollte auch in der irdischen Ehe in dem ge-        (Da mit diesen «geerbten» Seelenkräften auch ein Rück-
liebten Partner der ewige Gegenpol gesehen und mit ihm         erinnern an die Existenz des früheren Trägers verbunden
gelebt werden als sei man auf ewig vereint. Da sich im         sein kann, ist im Osten der Glaube an eine Kette von irdi-
Geiste alle, die sich lieben, einander nahe bleiben, wird      schen Wiedergeburten des unvergänglichen persönlichen
eine echte Liebe auch nach der Vereinigung mit dem ur-         Bewusstseins entstanden.)
eigenen Pol weiterbestehen können, wie auch schon auf              Das geduldige und unerschütterliche Streben nach ho-
Erden zwei Ehepaare eine schöne Freundschaft miteinan-         hen, der Invidualität des geistigen «Ichs» entsprechenden
der haben können.                                              Seelenkräften – allen materiellen Behinderungen zum
    Der Vorbereitung auf die Koexistenz mit dem einstigen      Trotz – ist die vornehmste und wichtigste Aufgabe, welche
geschlechtlichen Gegenpol kommt eine sehr grosse Be-           das Erdenleben stellt. Dies sind die Schätze, welche «Rost
deutung zu, weshalb Bô Yin Râ der Ehe ein ganzes Buch          und Motten nicht fressen können.» Eine Flucht aus dem
gewidmet hat. Schon in der Antike zirkulierte der von Pla-     Alltag ist dazu weder nötig noch förderlich. Wer sich von
ton überlieferte Mythos, Frau und Mann hätten einst eine       seinen familiären und beruflichen Pflichten lösen will, um
vollkommene Einheit gebildet. Die dauernde Vereinigung         ganz seiner «Seele» leben zu können, läuft Gefahr, das
der beiden individuellen und völlig gleichwertigen Pole ist    Opfer von Phantasievorstellungen oder gar von okkulten
gleichsam die «Normalform» des geistigen Menschen vor          Mächten zu werden, die Einsame und Geschwächte seit
Otto Lienert: Bô Yin Râ, Lehre und Biographie                                                                               10

je bedrängt haben. Nicht Abstand, sondern Hinneigung             Heilkräften seines Erdenkörpers beruhte, wie sie manch-
zu den Menschen und zur Erde entspricht dem wahren               mal auch anderen Menschen zu eigen sind. Seine Worte
geistigen Leben, das keine selbstsüchtige Absonderung,           wollten seine Mitmenschen zu Umkehr und Besinnung, zu
sondern nur allumfassende Liebe kennt.                           selbständigem persönlichem Handeln, aufrufen, nicht zu
                                                                 einem sentimentalen: «Macht nur weiter so, ich nehme
   Brücken zwischen materieller und geistiger Welt               alles auf mich.» Mit seinem Kreuzestod hat er viel mehr
    Die «Struktur» des Alls grenzt die geistigen und die         getan als die Anhänger des bequemen stellvertretenden
materiellen Erlebnisbereiche scharf voneinander ab. Die          Opfertodes vermuten. Er hat für alle Menschen den Weg
bereits genannten Ausnahmefälle sind sehr selten und             aus dem Bösen ins Gute aufs neue geöffnet und unsäg-
streng geregelt. Zwischen Geburt und Tod bleibt der nach         lich erleichtert durch seine Liebe, die ihn selbst am Folter-
äonenlanger Wanderung durch immer gottfernere Welten             kreuze seine Quäler noch lieben liess wie sich selbst. Das
zuletzt auf die Erde gestürzte Mensch unlöslich im Ban-          ist die frohe Botschaft an alle Erdenmenschen, dass das
ne seines irdischen Leibes und der ihn beherrschenden            Reich des Himmels – wie Jesus das Reich des Geistes
materiellen Gesetze. Die Gefahr, im Dämmerlicht des              nennt – nahe gekommen ist und die Macht des Bösen
Gehirnbewusstseins, wie es auch einem höheren Tier zu            gebrochen wurde. Wie die anderen seiner «Brüder» wird
eigen ist, den Weg zum Licht zu vergessen, zu verleug-           auch Jesus den Bannkreis der Erde nicht verlassen, bis
nen, zu verlachen, ist gross. Zwar kann das ewige Leben          der letzte Erdenmensch den Weg in seine Heimat zurück-
nicht verloren gehen, aber nach dem Tode erwacht ein             gefunden haben wird.
nur dem Materiellen zugewandter Mensch in den unteren                Dass die sich auf Christus berufenden Kirchen mit dem
Bereichen der geistigen Welt und findet erst nach Zeiträu-       Werk von Bô Yin Râ eine ganz neue und unerhört tiefe
men, die irdisch kaum mehr auszudrücken sind, den Weg            Grundlage für einen heute so notwendigen Neuaufbau er-
zu seinem Ursprung zurück.                                       halten haben, ist erst von wenigen ihrer Vertreter erkannt
     In den hohen geistigen Welten herrscht allumfassende        worden.
Liebe, die auch den aus eigener Schuld in die Tiefe ge-              In allen Kulturkreisen und zu verschiedenen Zeiten
wanderten Menschen helfen möchte. Da der Mensch sei-             haben die Menschen mehr oder weniger klar von diesem
ner Herkunft aus dem Geiste gemäss ein überaus freies            einzigartigen Kreise der «Brückenbauer» gewusst. Auch
Wesen ist, kommen nur freiwillige Helfer in Frage, und die       Lao Tse war einer von ihnen und hat nach der Weise des
Hilfe, welche sie bringen, wird niemals Zwang benutzen           Ostens gelehrt. Den eigentlichen Urheber der Gralssage
oder einen Menschen gegen seinen Willen zum «Heile»              kennen wir nicht mehr, aber sie trägt den Stempel eines
zu führen versuchen.                                             Eingeweihten. Buddha, eine der vornehmsten Erschei-
    Diese Hilfe bringen können nur Menschen, die sich            nungen in der Religionsgeschichte, gehörte zwar nicht
auf einer hohen Stufe in der geistigen Welt aus Erbarmen         zu diesem Kreise, stand ihm aber zumindest nahe, wie
verpflichtet haben, ihren auf die Erde gefallenen Mitmen-        Indien und Tibet schon rein geographisch dem geistigen
schen Hilfe zu leisten. Auch sie erleiden das Schicksal der      Zentrums des «Grals» näher stehen als Europa.
Erdgeborenen, und es braucht eine harte Schulung, bis sie            Nach all dem Gesagten sollte es nicht mehr allzu
ihr vorheriges volles Bewusstsein in den hohen geistigen         schwer sein, die Stellung Bô Yin Râ’s zu verstehen, wenn
Welten wieder erlangt haben. In Jahrtausenden einmal er-         es auch den meisten «europäisch» erzogenen Menschen
hält einer von ihnen den Auftrag, mit Wort und Lehre vor         absurd erscheinen mag, dass im Zeitalter der Technik
die Öffentlichkeit zu treten. In den dazwischenliegenden         und «reinen Wissenschaft» einer der ihren zu den Voll-
Jahren genügt es, dass die wenigen in einer Generation           bewussten im Geiste gehört hat. Verstärkt wird diese
auf der Erde lebenden «Meister» die Verbindung mit dem           Skepsis durch eine im Überfluss vorhandene esoterische
göttlichen Ursprung aufrecht erhalten und die geistigen          Literatur, die meist kritiklos aus verschiedensten Quellen
Einstrahlungen gleichsam transformieren, sodass sie den          schöpft und Wahrheit und Phantasie kunterbunt mengt.
anderen Erdenmenschen auch spürbar werden können.                Hier wird nur ein gesundes seelisches Empfinden den
Alle geistige Hilfe und «Erleuchtung», wie immer sie auch        Leser instand setzen, zwischen echter und verfälschter
benannt wird, stammt von dort.                                   oder vorgeschwindelter Offenbarung zu unterscheiden.
    Die Verbindung der Geistwelten zum Erdenmenschen             Wer sich ernsthaft in die Bücher von Bô Yin Râ zu vertie-
bricht nie völlig ab. Aber die Intensität wechselt. So gibt es   fen beginnt, wird feststellen: Dieser Mann hat nie versucht
Zeiten der Hinwendung zum Innenleben des Menschen                eine kirchliche Organisation zu gründen oder Anhänger
und Zeiten der Hinwendung zum Erforschen oder zur                um sich zu scharen. Jede «Beweihräucherung» seiner
Beherrschung der Aussenwelt. Jesus von Nazareth nahm             Person hat er strikt abgelehnt. Seine Bücher wenden sich
die schwere Last auf sich, im formell erstarrten Judentum        an die frei und selbständig nach Gott suchende Einzel-
und im brutal regierten Imperium Romanum die Freiheit            person. Sie richten sich aber auch nicht gegen irgendeine
des Geistes zu verkünden. Im Werk von Bô Yin Râ tritt            der bestehenden grossen Religionsgemeinschaften. Jede
uns Jesus als der Mensch entgegen, der er wirklich war:          echte Religion bemüht sich ja, ihre Anhänger zur Umkehr,
Gott- und geistverbunden, liebevoll, mit gewaltiger seeli-       weg vom rein materiellen Streben in Verbindung mit der
scher Kraft und Humor begabt, natürlich und kein Veräch-         «transmundanen» Welt zu bringen, im guten Falle ange-
ter irdischer Dinge. Er, der grösste der Brückenbauer, hat       passt an die psychischen und schöpferischen Eigenheiten
keine Fakirwunder geübt, wenn ihm auch eine gewisse              der verschiedenen Kulturen und Rassen.
Gabe der Krankenheilung gegeben war, die aber mit sei-               Den Weg zu Gott muss aber jeder Mensch unter die
ner geistigen Sendung nichts zu tun hatte, sondern auf           eigenen Füsse nehmen. Die religiösen Kulte können wohl
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