WINTERSCHLAF HILFT GEGEN ALZHEIMER - UND ANDERE ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ärzte gegen Tierversuche e.V. WINTERSCHLAF HILFT GEGEN ALZHEIMER UND ANDERE ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
WINTERSCHLAF HILFT GEGEN ALZHEIMER UND ANDERE ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG Es wird immer wieder behauptet, Tierversuche seien notwendig, um kranken Menschen zu helfen. Die Öffentlichkeit wird regelmäßig mit solchen irreführenden Darstellungen getäuscht. In Wahrheit ist der angebliche Nutzen von Tierversuchen nur vorgeschoben und die tier- experimentelle Forschung weit davon entfernt, etwas Sinnvolles für die Medizin zu leisten. In dieser Broschüre werden Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit aufgeführt, die aufzeigen, dass in Deutschland Versuchsvorhaben genehmigt werden, denen jeder Sinn fehlt. Dabei sind die genannten Beispiele keineswegs seltene Ausnahmefälle, sondern ein Querschnitt durch weite Teile der Tierversuchspraxis. Die Dokumente zeigen auch, worum es in der tierexperimentellen Forschung tatsächlich geht: um Befriedigung der wissenschaftlichen Neugier auf Kosten von fühlenden Lebewesen, um Forschungsgelder und um die Bestätigung von längst bekanntem Wissen. INHALT 3 Einleitung 5 Datenbank Tierversuche 6 1. Wüstenrennmäuse mit Zappelphilippsyndrom – Der Irrsinn der „Tiermodelle“ 10 2. Ratten in den Wechseljahren – Auf der Suche nach dem nicht vorhandenen „Tiermodell“ 13 3. Schafe und Kaninchen laufen nicht aufrecht – Unterschiede bei Tier und Mensch 15 4. Alkohol ist nicht gut für Kinder und Rauchen gefährdet die Gesundheit – Banalitäten der tierexperimentellen Forschung 18 5. Winterschlaf hilft gegen Alzheimer – Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Experimentatoren 22 6. Gesunde Tiere und kranke Patienten sind grundlegend unterschiedlich – Bestätigung längst bekannten Wissens 26 7. Ratten bis auf das Skelett abgemagert – Prädikat „besonders grausam“ 30 Register 31 Quellen, Was kann jeder Einzelne tun? 32 Impressum 2 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
EINLEITUNG EINLEITUNG Tierversuchsboom ‚dank’ Gelingt es, durch die Genmanipulation bei den Tieren Symptome hervorzurufen, die lierungssucht dient, kann es als Beitrag zur Grundlagenforschung angesehen werden. Grundlagenforschung irgendwelchen menschlichen Krankheiten Kapitel 4 und 5 ähneln, wird das schon als Erfolg gefeiert. Die Tierversuchszahlen steigen seit Jahren Auch mit allen erdenklichen anderen Me- Um den Selbstzweck der tierexperimen- in erschreckendem Maße. Offiziellen An- thoden wird versucht, einzelne Symptome tellen Grundlagenforschung in der Öffent- gaben zufolge wurden 2012 in Deutsch- bei Tieren auszulösen, wie die Sammlung lichkeit zu verschleiern, wird zur Rechtfer- land über 3 Millionen Tiere in Tierversu- in dieser Broschüre zeigt. tigung oft die Heilung kranker Menschen chen zu Tode gequält.1 Seit im Jahr 1989 Kapitel 1, 2 und 3 in Aussicht gestellt. Die Forschungsergeb- mit der Datenerhebung begonnen wurde, nisse würden irgendwann in ferner Zu- ging die Zahl der Tiere von 2,6 Millionen Diese künstlich erzeugten Schäden beim kunft einmal Menschen helfen. Doch ein zunächst auf einen Tiefpunkt von 1,5 Mil- Tier sind jedoch nicht mit den Krankheiten hehres Ziel lässt sich leicht erfinden. Eine lionen im Jahr 1997 zurück. Seither gibt es des Menschen vergleichbar, die durch eine Kontrolle dieser Behauptungen findet in einen kontinuierlichen Anstieg. Während Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, keiner Weise statt. gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Ver- aufgrund des verstärkten Einsatzes tierver- wendung von Suchtmitteln, schädliche Dies wurde auch durch eine wissenschaft- suchsfreier Testmethoden abnehmen, ist Umwelteinflüsse, Stress, psychische und liche Untersuchung bestätigt, die sich mit es vor allem die Grundlagenforschung, die soziale Faktoren. Ergebnisse aus solchen der klinischen Umsetzung von genehmig- Jahr für Jahr mehr Tiere „verbraucht“. Tierstudien sind daher von vornherein irre- ten Tierversuchsvorhaben beschäftigte. führend und irrelevant. Das Ergebnis: bei 51 in Bayern genehmig- Im Jahr 1995 litten und starben in ten Tierversuchsanträgen war auch nach Deutschland rund 312.000 Tiere für diese als zweckfrei definierte Forschung, 2010 Forschung als mehr als zehn Jahren keine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar.4 waren es fast viermal so viele, nämlich 1,1 Selbstzweck Millionen Tiere.1 Hauptverursacher ist die Auch Versuchsvorhaben, bei denen es da- Gentechnik. Im Erbgut von Mäusen und In der zweckfreien Grundlagenforschung rum geht, beim menschlichen Patienten anderen Tieren werden einzelne Gene geht es per Definition um „das Streben des längst etablierte Behandlungsmethoden an- oder abgeschaltet, um deren Funk- Menschen nach Erkenntnis“, und „unmittel- tierexperimentell nachzuvollziehen, sind tion zu ergründen. Das Resultat sind oft bar anwendbare Ergebnisse sind nicht das ein beliebtes Feld der Grundlagenforscher. missgebildete und verkrüppelte Tiere. Der erste Ziel“.3 Ihr Zweck ist also nicht primär Zwei wissenschaftliche Studien5,6 zur Fra- „Ausschuss“ an Tieren, die nicht dem For- die Heilung und Behandlung von Krank- ge des Nutzens von Tierversuchen bestä- scherwunsch entsprechen, beträgt über heiten, sondern die Forschung selbst. Das tigen, dass Tierversuche häufig nicht vor 90 Prozent.2 Die Tiere werden als Abfall heißt, selbst wenn ein Experiment einer klinischen Versuchen stattfinden, sondern entsorgt und tauchen nicht einmal in der noch so realitätsfernen Befriedigung wissen- gleichzeitig oder danach. Statistik auf. schaftlicher Neugier oder persönlicher Profi- Kapitel 6 1.100.000 1.138.508 Tiere Tabelle1: 933.853 Tiere Gesetzlich vorgeschriebene 1.000.000 Tierversuche (blau) nehmen 427.243 Tiere wegen des verstärkten Einsatzes 900.000 tierversuchsfreier Testmethoden 800.000 ab, während die Anzahl der in der Grundlagenforschung 700.000 (rot) zu Tode gequälten Tiere steigt. Ab 2000 wurden auch 600.000 für wissenschaftliche Zwecke, 500.000 z.B. für die Entnahme von Or- ganen und Geweben, getöte- 400.000 te Tiere gezählt, wodurch der sprunghafte Anstieg zu erklären 300.000 ist. Für den Anstieg der Grund- 200.000 lagenforschung ist vor allem die boomende Gentechnik 100.000 (schwarz) verantwortlich. 0 Quelle für die Zahlen: BMEL1 Zusammenstel- 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 lung für die Grafik: Ärzte gegen Tierversuche. ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 3
EINLEITUNG Unendliches Tierleid sie ihre Karriere auf Tierversuchen aufbau- en und mit langen Listen von Fachartikeln Warum Tierversuche sind nicht nur abzulehnen, Forschungsgelder eintreiben können. Tierversuche? weil sie wegen der mangelnden Übertrag- barkeit ihrer Ergebnisse auf den Menschen Tierversuche nützen dem kranken Men- wissenschaftlich unsinnig sind, sondern Gesponsert durch schen nicht, sondern letztlich nur einzel- auch aus ethischen Gründen. Die Tier- versuchsbefürworter wollen uns weis- uns Steuerzahler nen Experimentatoren, die damit ihre Neu- gier befriedigen und ihre Karriere darauf machen, Tierversuche seien nicht weiter Diese absurde Forschung, von der nur aufbauen. Nur wer eine lange Liste von schlimm. In den Medien werden Tierver- einzelne Experimentatoren, aber kei- Veröffentlichungen in Fachzeitschriften suche regelmäßig verharmlosend darge- neswegs kranke Menschen profitieren, aufweist, kann sich in der Wissenschafts- stellt. Doch die Realität sieht anders aus wird mit Milliarden unserer Steuergelder welt profilieren und Forschungsgelder – erschreckend anders. subventioniert. Angaben von Seiten der eintreiben. Und jeder Artikel wirft neue Kapitel 7 Bundesregierung zu den Beträgen, die Fragen auf und zieht so weitere Tierversu- in Tierversuche fließen, gibt es nicht. Die che nach sich. Ob dabei etwas Sinnvolles Das Tierschutzgesetz: Kosten für Neubauten von einzelnen Tier- versuchslabors, die, finanziert mit öffent- für kranke Menschen herauskommt, spielt keine Rolle. Pauschalabsolution lichen Mitteln überall in Deutschland wie für Tierquäler Pilze aus dem Boden schießen, liegen im zweistelligen Millionenbereich und geben Bei der Industrie haben Tierversuche eine Alibi-Funktion. Sie spiegeln eine Unbe- Die Forscherneugier ist durch die grundge- einen Eindruck von den Dimensionen, um denklichkeit von Produkten vor, die in setzlich verankerte Freiheit der Forschung die es hier geht.9 Ein neues Tierseuchenla- Wahrheit nicht gegeben ist. Tierversuche gedeckt. Zwar hat seit 2002 auch der bor des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der dienen vor allem der rechtlichen Absiche- Tierschutz Verfassungsrang und die For- Insel Riems hat 260 Millionen Euro gekos- rung der Hersteller, falls es bei einem ihrer schungsfreiheit ist seither zumindest formal tet, das neue Tierversuchszentrum der Uni Produkte zu schädlichen Nebenwirkungen nicht mehr schrankenlos, in der Praxis hat Würzburg 31 Millionen und das der Uni beim Menschen kommt. sich dies aber bislang kaum ausgewirkt. Mainz 29 Millionen Euro. In Berlin will das Max-Delbrück-Centrum für 24 Millionen Laut deutschem Tierschutzgesetz7 dürfen Euro ein großes Tierversuchslabor bauen. Woran soll man Tierversuche nur durchgeführt werden, soweit sie für bestimmte Zwecke, darun- In diesen Summen sind noch nicht einmal die Unterhaltskosten enthalten. denn sonst testen? ter die Grundlagenforschung, „unerläss- Tierversuche sind ein Relikt aus vergan- lich“ sind. Diese Formulierung ermöglicht Der Deutschen Forschungsgemeinschaft genen Zeiten und müssen abgeschafft aber keinerlei Einschränkung, denn zur (DFG), die in großem Maße Tierversuche werden. Viele Tierversuche, vor allem im Grundlagenforschung zählen auch Expe- im Hochschulbereich sponsert, steht jähr- Bereich der Grundlagenforschung, kön- rimente ohne jeglichen Bezug zu Heilung lich ein Etat von über 2,5 Milliarden Euro nen und brauchen nicht einmal ersetzt zu und Behandlung von Krankheiten. Das aus der Staatskasse zur Verfügung.10 Der werden. Sie müssen durch ein gesetzliches Tier“schutz“gesetz erteilt Tierversuchen Etat der ebenfalls aus öffentlichen Geldern Verbot ersatzlos gestrichen werden! unter dem Deckmantel der Grundlagen- finanzierten Max-Planck-Gesellschaft, de- forschung quasi eine Pauschalabsolution. ren zahlreiche Institute zum großen Teil In vielen Forschungsbereichen, etwa in Tierversuche durchführen, liegt bei über der Chemikalien- und Medikamententes- Tierexperimentatoren haben ein Interesse 1,4 Milliarden Euro.11 tung, können anstelle von Tierversuchen daran, dass ihrem Tun kein gesetzlicher moderne Testmethoden mit menschlichen Riegel vorgeschoben wird und nutzen ihre Demgegenüber fördert die Bundesregie- Zellkulturen, Mikrochips und Computersi- Lobbymacht, jegliche gesetzliche Verbes- rung die tierversuchsfreie Forschung jähr- mulationen eingesetzt werden, deren Er- serungen im Sinne des Tierschutzes zu lich mit nur etwa 3 bis 4 Millionen Euro.12 gebnisse im Gegensatz zum Tierversuch torpedieren. So führte der Einfluss der Pro- Nicht mehr als ein Almosen verglichen mit auf den Menschen übertragbar sind. Dazu Tierversuchslobby dazu, dass aus der EU- den Milliardenbeträgen, die in die tierex- liefern sozialmedizinische Untersuchun- Tierversuchsrichtlinie ein zahnloser Tiger perimentelle Forschung fließen. gen und Bevölkerungsstudien wertvolle wurde. Sämtliche ursprünglich geplanten Erkenntnisse mit dem Ziel, die krankma- Einschränkungen von Tierversuchen wur- chenden Ursachen in Lebensweise und den mit Ausnahmen durchlöchert.8 Tier- Umwelt zu beseitigen. Nur auf diese Wei- experimentatoren wollen nicht, dass sich se lassen sich wirklich Fortschritte in der etwas zugunsten der Tiere bewegt, weil Medizin erzielen. 4 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
DATENBANK TIERVERSUCHE Kiel Insel Riems Obwohl Tierversuche größten- Lübeck teils durch öffentliche Gelder Hamburg Greifswald finanziert werden, laufen sie im Rostock Geheimen ab. Niemand darf hinter die Kulissen blicken. Oldenburg Bremen Hannover Potsdam Münster Bielefeld Braunschweig Magdeburg Berlin Essen Göttingen Bochum Halle/S. Düsseldorf Wuppertal Marburg Leverkusen Leipzig Köln Dresden Aachen Gießen Jena Bad Nauheim Bonn Mainz Frankfurt Langen Würzburg Homburg Mannheim Ludwigshafen Erlangen Heidelberg Die Karte basiert auf mehreren Tausend Karlsruhe Stuttgart Regensburg Einträgen der Internet-Datenbank www.datenbank-tierversuche.de und gibt einen Überblick über die Tierversuchs- Neuherberg hochburgen Deutschlands. Ulm Tübingen Freiburg Biberbach Martinsried Konstanz München In unserer Internet-Datenbank www.datenbank-tierversu- Die Beispiele in dieser Broschüre sind alle der Datenbank ent- che.de machen wir öffentlich, was niemand wissen soll: Die nommen und können dort im Detail nachgelesen werden. Wahrheit über Tierversuche. Seit 1995 dokumentieren wir Unter der Versuchsbeschreibung und meist einem kurzen stichprobenweise Tierversuche, die in Deutschland genehmigt, Kommentar ist jeweils die Quelle bzw. die entsprechende durchgeführt und veröffentlicht wurden. Die Daten basieren wissenschaftliche Fachzeitschrift genannt und darunter die auf Fachartikeln der Experimentatoren selbst. Nichts ist erfun- Stadt, in der die Versuche stattgefunden haben. den. Im Gegenteil, die nüchternde Fachsprache spiegelt nur ansatzweise das tatsächliche Leid der betroffenen Tiere wider. Offizielle Informationen darüber, wo wie viele Tierversuche durchgeführt werden, gibt es nicht. Diese Karte basiert auf Tierversuche im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Tier- mehreren Tausend Einträgen in unserer Internet-Datenbank versuche der pharmazeutischen und chemischen Industrie und gibt einen Überblick über die Tierversuchshochburgen werden als angebliche Betriebsgeheimnisse nur selten veröf- in Deutschland. fentlicht. Sie sind daher in der Datenbank unterrepräsentiert. Der Schwerpunkt dieser Sammlung liegt auf der Grundlagen- und medizinischen Forschung.
1. WÜSTENRENNMÄUSE MIT ZAPPELPHILIPPSYNDROM – DER IRRSINN DER „TIERMODELLE“ Mit sogenannten „Tiermodellen“ wird auf oftmals völlig abwegige Weise versucht, einzelne Symptome von menschlichen Krankheiten, die bei Tieren nicht vorkommen, experimentell hervorzurufen. Viele Tierversuche haben lediglich das Ziel, ein „Tiermodell“ zu entwickeln. In anderen Arbeiten wird versucht, die Symptome bei den künstlich geschädigten Tieren im Labor wieder zu beseitigen. Da aber schon der erste Schritt, also das „Tiermodell“, nicht mit der menschlichen Krankheit zu vergleichen ist, kann auch der zweite Schritt, d.h. die Entwicklung von Behandlungsmethoden, nicht funktionieren. Tierversuche dieser Art sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Trotzdem versuchen sich ganze Heerscharen der mit unseren Steuer- geldern subventionierten „Wissenschaftler“ an der Etablierung von „Tiermodellen“. Dokument 1: Dokument 2: Dokument 3: Eine Leberfibrose wird beim Menschen Junge Gerbils (Wüstenrennmäuse) erhal- An der Uni Düsseldorf werden bei Rat- durch Viren oder Alkohol verursacht. Da- ten Methamphetamin in die Bauchhöhle ten künstlich Symptome der Parkinson- bei kommt es zu Umbauvorgängen, bei injiziert, das eine Störung des Nervensys- Krankheit erzeugt, indem ihnen eine Ner- denen Lebergewebe durch Bindegewebe tems im Gehirn bewirkt. So soll das Auf- ven schädigende Substanz in das Gehirn ersetzt wird. Am Universitätsklinikum Er- merksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts- injiziert wird. Dann wird den Tieren das langen wird bei Ratten eine Leberfibrose Syndrom bei Kindern simuliert werden. weibliche Sexualhormon Progesteron un- einfach durch Abbinden des Gallengan- Die Hälfte der Tiere wird fortan einzeln in ter die Haut gespritzt. Davor und danach ges oder 12-wöchige Gabe einer giftigen kahlen Plastikkästen gehalten, die andere müssen sie verschiedene Verhaltenstests Chemikalie hervorgerufen. Anschließend gemeinsam mit ihren Geschwistern in mit durchlaufen. Die Autoren stellen fest, wird die Wirkung einer Testsubstanz un- vielen Versteck- und Spielmöglichkeiten dass Progesteron die Symptome eher ver- tersucht. Der Wirkstoff wird über einen ausgestatteten Käfigen. Beide Gruppen schlimmert, obwohl es in einem anderen Zeitraum von acht Wochen zweimal täg- erhalten täglich das Medikament Rita- Versuch mit Mäusen mit einem anderen lich in die Bauchhöhle injiziert. lin. Soziale Faktoren und Umweltbedin- Parkinson-„Modell“, die Symptome ver- Nicht nur, dass die Symptome künstlich gungen spielen eine wichtige Rolle bei minderte. Sie folgern, dass es interessant hervorgerufen werden, auch der Behand- der Entwicklung des „Zappelphilippsyn- wäre, das Hormon VOR der künstlichen lungsversuch ist fern jeder Realität. Stress drom“. In dieser Studie aus Bielefeld und Nervenzellschädigung statt danach zu und Angst bei den Tieren, denen acht Erlangen werden der Einfluss der Um- verabreichen. Wochen lang zweimal täglich eine Injek- weltbedingungen und die Behandlung Wenn schon unterschiedliche Parkinson- tion in die Bauchhöhle verabreicht wird, mit Ritalin bei künstlich hirngeschädigten „Modelle“ zu unterschiedlichen Ergebnis- verfälschen die Versuchsergebnisse. Die Gerbils untersucht. sen führen, wie soll so etwas eine Rele- Ergebnisse aus solchen Studien sind von vanz für den Menschen haben? vornherein wertlos. Susanne Brummelte et al.: Environmental enrichment has no effect on the development O.Y. Chao et al.: Chronic progesterone treatment of dopaminergic and GABAergic fibers during of male rats with unilateral 6-hydroxydopamine le- Eleonora Patsenker et al.: Pharmacological inhi- methylphenidate treatment of early traumatized sion of the dorsal striatum exasperates parkinsoni- bition of Integrin avß3 aggravates experimental gerbils. Journal of Negative Results in BioMedicine an symptoms. Neuroscience 2011: 196, 228-236 liver fibrosis and suppresses hepatic angiogenesis. 2008: 7:2, doi:10.1186/1477-5751-7-2 Düsseldorf Hetatology 2009: 50, 1501-1511 Bielefeld Erlangen 6 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
DER IRRSINN DER „TIERMODELLE“ Dokument 4: Um der Frage nachzugehen, warum manche Menschen trotz fettreicher Ernährung weniger an Gewicht zuneh- men als andere sowie zur Frage der Bedeutung der kör- perlichen Aktivität bei der Entwicklung von Fettsucht, wird an der Uni Marburg mit Mäusen experimentiert. Tiere verschiedener Zuchtlinien erhalten entweder fett- reiche oder normale Nahrung. Bei manchen Mäusen wird ein kleiner Sender in die Bauchhöhle eingepflanzt, der die körperliche Aktivität des Tieres im Käfig regis- triert und an einen Computer gesteuerten Empfänger sendet. Einige Mäuse werden getötet, um die Körper- masse, das Körperfett und andere Werte zu ermitteln. Dass Übergewicht ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft ist, steht außer Frage. Wären hier nicht eher Bevölkerungsstudien, gepaart mit Werbung für gesunde Ernährung und Bewegung angebracht, anstatt Mäusen Sender einzubauen? Deike Hesse et al.: Behavioural mechanisms affecting energy regula- tion in mice prone or resistant to diet-induced obesity. Physiology & Behavior 2010: 99, 370-380 Marburg Dokument 5: Dokument 6: Dokument 7: Die Schizophrenie ist ein komplexes Es wird vermutet, dass Mittelohrent- An der Charité in Berlin werden Mäusen Krankheitsbild mit zahlreichen Formen zündungen bei Kindern unter anderem Krebszellen von anderen Mäusen in die und Ausprägungen. Die Ursachen sind durch Rückfluss aus dem Magen verur- Flanke injiziert. Eine Testsubstanz wird sozialer, psychischer, biographischer, sacht wird. In einer Studie der Hals-Na- in das Trinkwasser der Tiere gemischt. genetischer, hirnorganischer oder auch sen-Ohren-Klinik in Bochum wird bei 17 Je nach Zeitpunkt des Beginns der The- unbekannter Art – bei jedem Patienten Gerbils (Wüstenrennmäuse) der Dünn- rapie kommt es zu unterschiedlichen Re- in unterschiedlicher Kombination. Die darm abgebunden und der Magen mit aktionen. Wird die Behandlung am Tag tierexperimentelle Forschung meint je- Tinte gefüllt. Bei Druck auf den Magen der Krebsinjektion begonnen, werden doch, ein „Tiermodell“ für die Schizo- ergießt sich die Farbe in die Speiseröhre, die Tumorzellen abgestoßen. Bei spä- phrenie entwickeln zu können oder zu den Kehlkopf und den Nasen-Rachen- terem Einsatz (12-21 Tage) leiden die müssen. Bei Gerbils (Wüstenrennmäuse) raum bis in das Mittelohr. Anschließend Mäuse an Vergiftungserscheinungen. werden durch Injektion einer Droge be- werden die Gerbils getötet. Die Erkennt- Sie verlieren an Gewicht und sterben. stimmte Hirnstrukturen zerstört. Außer- nis ist, dass bei einem Gerbil mit abge- Je später die Therapie einsetzt, desto dem werden die Tiere in sozialer Isola- bundenem Dünndarm der Mageninhalt mehr Mäuse sterben. Die überlebenden tion, d.h. einzeln in völlig strukturlosen bis ins Mittelohr vordringen kann. Mäuse werden zu späteren Zeitpunkten Plastikkästen gehalten. Ob dies beim Kleinkind genauso ist, getötet. Und das soll ein Schizophrenie-„Modell“ bleibt Spekulation. Ein anatomisches Super, eine Therapie, die nur wirkt, darstellen? Eine krude Nachahmung ei- Modell eines Kinderkopfes hätte hier wenn man damit bei der Entstehung ner komplexen Persönlichkeitsstörung. sinnvollen Aufschluss gegeben. der ersten Krebszellen im Körper be- ginnt und die ansonsten die Patienten A.V. Witte et al.: Contralateral prefrontal pro- Holger Sudhoff et al.: Tracing of gastric reflux umbringt. jections in gerbils mature abnormally after early into the midle ear in a Mongolian gerbil model. methamphetamine trauma and isolated rearing. Otology & Neurology 2006: 28, 124-128 Dana Briesemeister et al.: Tumor rejection by local Journal of Neural Transmission 2007: 114, 285- Bochum interferon gamma induction in established tumors 288 is associated with blood vessel destruction and Bielefeld necrosis. International Journal of Cancer 2011: 128, 371-378 Berlin ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 7
DER IRRSINN DER „TIERMODELLE“ Dokument 8: In einer Studie der Firma Behring, Marburg, werden ge- sunde narkotisierte Ferkel als „Modell“ für verunfallte erwachsene Patienten verwendet. Dabei werden über die Halsvene der Tiere 65-70% des gesamten Blutes abgelassen. Die Menge wird mit einer Infusionslösung Dokument 9: und roten Blutkörperchen wieder aufgefüllt. Anschlie- Eine Ratte wird in eine Kammer mit Gitterboden ge- ßend werden Substanzen verabreicht, die die Blutgerin- setzt. Alle 24 Sekunden wird der Gitterboden für 60 nung wiederherstellen sollen. Nun wird der Bauch der Sekunden unter Strom gesetzt. Die Ratten können den Schweine aufgeschnitten und mit einem Skalpell wird Elektroschock beenden, indem sie einen Hebel drücken. ein 8 cm langer und 1 cm tiefer Schnitt in die Milz ge- Tiere, die den Zusammenhang zwischen dem Hebel und schnitten. Es wird die Zeit gemessen, bis die Milz auf- dem Nachlassen des Schmerzes nicht verstehen, sitzen hört zu bluten. still auf den Gitterstäben und lassen die Stromstöße Ausgewachsene Hausschweine können 180-250 kg über sich ergehen. Sie sind „erlernt hilflos“ und werden wiegen. Da Schweine in dieser Größe zu unhandlich als „Modell“ für die Depression verwendet. sind, wird in der tierexperimentellen Forschung fast im- mer auf Jungtiere im Alter von drei bis vier Monaten und Barbara Vollmayr et al.: Learned helplessness in the rat: improve- einem Gewicht von 20-40 kg zurückgegriffen. In diesem ments in validity and reliability. Brain Research Protocols 2001: 8, 1-7 Fall sollen also junge, gesunde Ferkel als „Modell“ für Mannheim erwachsene Unfallpatienten herhalten, für Menschen, die durch das Trauma vielleicht unter Schock stehen und nicht nur multiple körperliche Verletzungen, sondern auch psychische Schäden erlitten haben. Die Nachah- mung einer solch komplexen Situation am „Tiermodell“ ist bar jeder Realität, die Ergebnisse sind entsprechend wertlos. Gerhard Dickneite et al.: Prothrombin complex concentrate versus recombinant factor VIIa for reversal of hemodilutional coagulopathy in a porcine trauma model. The Journal of Trauma Injury, Infection, and Critical Care 2010: 68 (5), 1151-1157 Marburg 8 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
RENNEN BIS ZUM UMFALLEN – STRESSFORSCHUNG AN TIEREN Menschen leben in einer besonders abwechslungsreichen Umwelt und sind vielfältigsten Einflüssen ausgesetzt, die die Entstehung von Stress und die damit in Verbindung gebrachten Krankheiten beeinflussen. Und jeder von uns reagiert anders darauf. Bei dieser Vielfalt möglicher Auslöser verwundert es, wie Forscher überhaupt auf die Idee kommen können, Stress im Tierversuch simulieren zu wollen. Nach dem Motto „Geht nicht, gibt‘s nicht“ lassen sich die Experimentatoren einiges einfallen, um Stress bei Tieren zu erzeugen. Dokument 10: Ratten werden zehn Minuten lang in einem glattwandigen Gefäß zum Schwimmen gezwungen. Carsten T. Wotjak et al.: Forced swimming stimulates the expression of vaso- pressin and oxitocin in magnocellular neurons of the rat hypothalamic para- ventricular nucleus. European Journal of Neuroscience 2001: 13, 2273-2281 München Dokument 11: Mäuse werden 24 Stunden lang mit lauten Tönen in 15 Sekunden- Intervall traktiert. Diese Töne mit einer Frequenz von 200 Hertz werden normalerweise zur Vertreibung von Nagern verwendet. Sabiha Fatima et al.: CD26-/DPP IV-postive lymphocytes in murine acute experimental colitis. Advances in Experimental Medicine and Biology 2003: 534, 345-350 Berlin Dokument 12: Mäuse werden einen Monat lang einmal täglich abwechselnd drei verschiedenen Stressoren ausgesetzt: Eine Maus wird in ei- ner kleinen, löchrigen Plastikbox 15 Stunden lang in den Käfig einer Ratte gesetzt. Sie wird 2 Stunden lang in eine enge Plastik- röhre gesteckt und 6 Minuten lang am Schwanz aufgehängt. Tatyana Strekalova et al.: Stress-induced anhedonia in mice is associated with deficits in forced swimming and exploration. Neuropsychopharmacology 2004, 29, 2007-2017 Mannheim Dokument 13: Eine Maus muss in einem Laufrad bis zur völligen Erschöpfung laufen. Wenn sie nicht mehr kann, fällt sie nach hinten auf ein Metallgitter, wo sie einen elektrischen Schlag erhält. So wird Dokument 15: sie gezwungen weiterzulaufen. Die völlige Erschöpfung wird Zur Auslösung von akutem Stress, werden Ratten eine Stun- angenommen, wenn eine Maus länger als 15 Sekunden auf de lang in eine enge Plastikröhre gesteckt, in der sie sich dem Elektroschockgitter sitzen bleibt oder mehr als 15 mal pro nicht bewegen können. Chronischer Stress wird simuliert, Minute darauf fällt. indem die Tiere 5 Tage lang jeden Tag eine Stunde in einer U. Spiekerkoetter et al.: Changes in blood carnitine and acylcarnitine profiles engen Röhre immobilisiert werden. of very long-chain acyl-CoA dehydrogenase-deficient mice subjected to stress. European Journal of Clinical Investigation 2004: 34, 191-196 Johannes Thome et al.: Stress differentially regulates synaptophysin and Düsseldorf synaptotagmin expression in hippocampus. Biological Psychiatry 2001: 50, 809-812 Dokument 14: Mannheim Ratten werden 14 Wochen lang einem kontinuierlichen Dauer- stress ausgesetzt, indem Futter oder Wasser entzogen, die Tie- re mit Flackerlicht (stroboskopisches Licht) beleuchtet werden, der Käfig hin und her gekippt, der Tag/Nachtrhythmus gestört oder indem kaltes Wasser in die Sägemehlstreu gegossen wird. K. Velbinger et al.: Acute stress induced modification of calcium signaling in learned helpless rats. Parmacopsychiatrie 2000: 33, 132-137 Mannheim
2. RATTEN IN DEN WECHSELJAHREN – AUF DER SUCHE NACH DEM NICHT VORHANDENEN „TIERMODELL“ Da Tiere die meisten menschlichen Krankheiten nicht bekommen, versucht man einige Symptome bestimmter Krankheiten irgendwie bei Tieren nachzuahmen. Dann wird versucht, die künstlichen Symptome dieses „Tiermodells“ wieder zu beseitigen. Das funktioniert beim Tier manchmal, beim Menschen aber garantiert nicht, weil menschliche Patienten und künst- lich krank gemachte Tiere doch irgendwie verschieden sind. Bei zahllosen Tierversuchen geht es sogar nur um den ersten Schritt, die Entwicklung der „Tiermodelle“ Dokument 16: Dokument 17: Dokument 18: In Göttingen wird bei Mäusen unter Es gibt zwar bereits eine große Anzahl Im Max-Planck-Institut für Immunbio- Narkose durch Einleiten einer Flüssig- von „Tiermodellen“ für akutes Herzver- logie Freiburg wird ein „Modell“ für die keit in das Auge der Augeninnendruck sagen, aber nur wenige für chronisches Nickelallergie erstellt. Gentechnisch ver- erhöht, wodurch die Netzhaut geschä- Herzversagen. Autoren aus Göttingen änderten Mäusen wird eine Nickellösung digt wird. In den folgenden Tagen wird wollten diesem Defizit abhelfen. Hunde erst in die Bauchhaut und elf Tage später das Sehvermögen der Tiere getestet: eignen sich nicht, da sie verstopfte Herz- in die Haut eines Ohres gespritzt, um eine Vor dem Käfig der Mäuse werden auf kranzgefäße nachbilden können. Daher Immunreaktion auszulösen. 24 Stunden einem Bildschirm driftende Sinuskurven müssen Schafe als Versuchstiere herhal- nach der zweiten Injektion wird die Dicke gezeigt. Die Mäuse folgen den Kurven ten. Den Tieren werden 25.000 winzige des Ohres gemessen. Dann werden die mit entsprechenden Kopfbewegungen. Kügelchen aus Kunststoff injiziert, die sich Tiere getötet. Will man das rechte Auge testen, laufen in einer Herzkranzarterie festsetzen und Menschen, die gegen Nickelschmuck auf die Kurven nach rechts, beim Test für die Durchblutung des Herzens vermin- der Haut allergisch sind, sind weder gene- das linke Auge nach links. Bewegt die dern. Es kommt bei den Schafen zu Öde- tisch manipuliert, noch wird bei ihnen Ni- Maus ihren Kopf nicht parallel zu den men und Brust- und Bauchwassersucht. ckel injiziert. Wäre es nicht sinnvoller, die Kurven, wird das als mangelndes Seh- Schließlich werden die Tiere getötet. Mechanismen der Allergieentstehung mit vermögen interpretiert. ethisch unbedenklichen Methoden gleich Und was ist, wenn die Maus den Sinus- J.D. Schitto et al.: Chronic heart failure induced by am Menschen zu erforschen? multiple sequential coronary microembolization kurven nicht hinterherguckt, weil sie in sheep. The International Journal of Artificial Kopfschmerzen oder einfach keine Lust Marc Schmidt et al.: Crucial role for human toll- Organs 2008: 31 (4), 348-353 like receptor 4 in the development of contact hat? Göttingen allergy to nickel. Nature Immunology 2010: 11(9), 814-820 Katja Krempler et al.: Simvastatin improves retinal Freiburg ganglion cell survival and spatial vision after acute retinal ischemia/reperfusion in mice. Investigative Ophthalmology and Visual Science 2011: 52, 2606-2618 Göttingen 10 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
AUF DER SUCHE NACH DEM NICHT VORHANDENEN „TIERMODELL“ Dokument 19: In einer Arbeit aus Celle wird das Lernverhaltens von Lege- hennen als „Modell“ für das Lernverhalten beim Menschen untersucht. Hühnerküken sind für diesen Zweck ein etablier- tes „Modell“ heißt es in der Arbeit. Die Autoren wollen nun ein „Modell“ mit erwachse- nen Hühnern etablieren. Dazu werden Hennen mit einem Elektroschock traktiert, sobald ein Tier auf ein Gitter tritt. Am nächsten Tag wird beobachtet, ob sich die Henne den Zusam- menhang zwischen Gitter und Elektroschock gemerkt hat. Den Tieren werden Elektroden in das Gehirn eingepflanzt, um Ge- hirnströme zu messen, während das Elektroschock-Experiment wiederholt wird. E. Tobias Krause et al.: Effects of intra-hippocampal D-AP5 injections on one trial passive avoidance learning in adult laying hens (Gallus gallus domes- ticus). Acta Neurobiologiae Experimen- talis 2008: 68, 494-501 Celle Dokument 20: Bei 22 aus Südamerika stammenden Braunen Messerfischen, die zu den schwach elektrischen Fischen zählen, wird an der International Jacobs University Bremen ein 1 cm langes Stück des Schwanzes abgeschnitten. Jeweils einige Fische werden bei 30°C oder 22°C Wassertemperatur gehalten. Sieben Tage lang wird täglich der elektrische Strom gemessen, den die Fische produzieren. Dazu wird ein Fisch in eine Plastikröhre gesteckt. In die Röhre ragen Elektroden hinein, die den elektrischen Strom des Tieres messen. Die Prozedur dauert täglich 5-10 Minuten. Die Autoren finden heraus, dass elektrische Fische verletztes Rückenmarksgewebe bei etwas erhöhten Temperaturen besser regenerieren können als bei Kälte. Bei Säugetieren wirkt sich dagegen Kälte positiv auf die Heilungsfähigkeit aus. Trotz dieser fundamentalen Unterschiede postulieren die Autoren, dass die Suche nach den Faktoren, die die Regenerationsfähigkeit bei kaltblütigen Tieren verbessern, wichtig für die Entwicklung von Behandlungsstrategien bei Säugetieren sein könnte. Es gibt viele Tierarten, die in der Lage sind, amputierte Körperteile nachwachsen zu lassen. Doch egal, wie viele Experimente man mit solchen Tieren anstellt, sie werden niemals dazu beitragen, dass Menschen diese Fähigkeit erlangen. Ruxandra F. Sirbulescu, Günther K.H. Zupanc: Effect of temperature on spinal cord regeneration in the weakly electric fish Apteronotus leptorhynchus. Journal of Comperative Physiology A 2010: 196, 59-368 Bremen ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 11
AUF DER SUCHE NACH DEM NICHT VORHANDENEN „TIERMODELL“ Dokument 21: Es ist bekannt, dass verminderte Nah- rungszufuhr bei verschiedenen Tierarten (z.B. Ratten, Mäusen und Affen) lebens- verlängernd wirkt. Afrikanische Pracht- grundkärpflinge leben natürlicherweise nur wenige Wochen bis Monate. In ei- ner Arbeit aus Jena wird zur Abwechs- lung diese Fischart als „Modell“ für die Altersforschung vorgeschlagen. Die Fi- sche einer Gruppe erhalten ihr ganzes Leben lang nur jeden zweiten Tag Fut- ter. Eine zweite Gruppe wird jeden Tag gefüttert. Eva Terzibasi et al.: Effects of dietary restriction on mortality and age-related phenotypes in the short-lived fish Nothobranchius furzeri. Aging Cell 2009: 8, 88-99 Jena Dokument 23: An der Universität Erlangen werden neun Minischweinen jeweils acht Dokument 22: Zähne gezogen. Die Lücken werden mit Implantaten und Kronen verse- Dass Phytoöstrogene (Pflanzenöstrogene) hen. Seit den 1970er und 80er Jahren werden beim Menschen Zahnim- z.B. aus Soja die Wechseljahresbeschwer- plantate eingesetzt. Üblicherweise lässt man diese 5-6 Monate einheilen, den der Frau mildern, ist seit Jahrhunderten bevor die Zahnprothesen aufgesetzt werden. Diese „lange Heilungsperi- vor allem in Fernost, aber zunehmend auch ode wurde aber bislang nicht experimentell gesichert“. Eine kürzere Hei- bei uns, bekannt. Die Wirkung dieser Sub- lungsphase wurde bereits an Affen getestet. Diese Tiere haben jedoch stanzen zur Prophylaxe von Osteoporose „eine 3,3 mal höhere Knochenstoffwechselrate als Menschen“, weswe- bei Frauen nach der Menopause ist laut gen „Vorsicht geboten ist bei der Übertragung der Ergebnisse auf die eines Artikels der Uni Göttingen noch um- Situation beim Menschen“. stritten. Für jeden normal denkenden und Warum wurden diese Versuche dann überhaupt genehmigt und durchge- fühlenden Mensch kämen nur Bevölke- führt? In Erlangen versucht man es zur Abwechslung mal mit Schweinen. rungsstudien in Betracht, um hier verwert- bare Erkenntnisse zu erzielen. Die Göttinger Emeka Nkenke et al.: Immediate versus delayed loading of dental implants in the Experimentatoren meinen aber dieser Frage maxillae of minipigs. Part II: histomorphometric analysis. International Journal of Oral in einem „Tiermodell“ nachgehen zu müs- Maxillofacial Implants 2005: 20, 540-546 Erlangen sen. Ratten werden die Eierstöcke entnom- men, um eine Frau nach der Menopause zu simulieren. Dann wird ein Schienbein der Ratten durchgesägt und mit einer Platte und Schrauben wieder zusammengefügt, Dokument 24: um eine Osteoporose nachzuahmen. Grup- An der Universitätsmedizin Charité in Berlin wird bei 48 Merinoschafen das pen von Ratten bekommen anschließend Kreuzband des linken Hinterbeins entfernt. Bei jeweils der Hälfte der Schafe fünf Wochen lang Isoflavone aus Sojapflan- wird es durch eine Sehne eines Hinterbeinmuskels ersetzt, bei der anderen zen oder Östrogene ins Futter gemischt. Hälfte mit einem körperfremden Transplantat, der Sehne eines anderen Scha- Dann werden die Ratten getötet, um die fes. Vier Schafe sterben in Folge der Operation. Nach jeweils 6, 12 und 52 Knochenheilung zu beurteilen. Wochen wird ein Teil der Tiere getötet. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Ergebnisse nicht direkt auf den Menschen übertragbar sind. Durch den S. Sehmisch et al.: Effects of isoflavones equol aufrechten Gang belasten Menschen ihre Beine anders als Schafe. and genistein on bone quality in a rat osteopenia model. Phytotherapy Research 2010: 24, 168-174 Sven U. Scheffler et al.: Fresh-frozen free-tendon allografts versus autografts in anterior cruciate Göttingen ligament reconstruction: delayed remodeling and inferior mechanical function during long-term healing in sheep. The Journal of Arthroscopic and Related Surgery 2008; 24(4), 448-458 Berlin 12 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
3. SCHAFE UND KANINCHEN LAUFEN NICHT AUFRECHT – UNTERSCHIEDE BEI TIER UND MENSCH Die Autoren wissenschaftlicher Publikationen weisen oft selbst darauf hin, dass ihre Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind. Das heißt, Tiere werden gequält und getötet, obwohl den Experimentatoren klar ist, dass die Ergebnisse wertlos sind. Erschreckenderweise folgt daraus nicht die Konsequenz, auf Tierversuche zu verzichten, sondern es wird weitergemacht wie bisher. Dokument 25: Dokument 26: Dokument 27: Sogenannte ob/ob-Mäuse, ein Zucht- Eine Bandscheibendegeneration tritt Bei einer Firma aus Erlangen werden 14 stamm, bei dem durch eine Genmutation durch jahrzehntelange Abnutzung auf Minischweinen zwei Herzschrittmacher das Hormon Leptin fehlt, das für die Re- und kommt naturgemäß bei älteren Men- eingepflanzt. Mit dem einen Schritt- gulierung des Appetits zuständig ist, müs- schen vor. Die knorpeligen Zwischenwir- macher wird 20 Tage lang der Puls er- sen üblicherweise als „Modelle“ für Dia- belscheiben werden immer dünner, ihre höht, um ein chronisches Herzversagen betes oder Übergewicht beim Menschen Elastizität nimmt durch den Verlust der zu simulieren. Über den zweiten Schritt- herhalten. In einer Studie aus Essen erhält Fähigkeit, Wasser zu speichern, ab, und macher werden Widerstandsmessun- eine Gruppe ob/ob-Mäuse ein reduzier- sie bekommen Risse. Dieser komplexe gen am Herzen der Tiere vorgenommen. tes Futterangebot, eine zweite Gruppe Vorgang, der bei Menschen ein ganzes Fünf der 14 Minischweinchen sterben bekommt Futter zur freien Verfügung. Leben dauert, wird in einer Arbeit aus der während des Versuchs an Herzkammer- Die Tiere der zweiten Gruppe werden Berliner Charité bei gesunden Kaninchen flimmern, die anderen werden nach dem „übergewichtig“. Nach 20 Wochen wer- (ohne Nennung des Alters) simuliert, in- Experiment getötet. Die Autoren merken den alle Mäuse getötet, um die Knie und dem einfach ein Stück einer Bandschei- an, dass aufgrund anatomischer Abwei- Hüften zu untersuchen. Das Ergebnis: be herausgeschnitten wird. An die Stelle chungen sowie unterschiedlicher Kör- Dicke Mäuse leiden durch das Gewicht, wird ein Stück Biomaterial gesetzt. Als Be- perhaltung beim Schwein die Ergebnisse das auf den Gelenken lastet, eher unter gründung für die Wahl dieses „Modells“ der Studie nicht direkt auf den Menschen Gelenksentzündungen als dünne Mäuse. wird nach dem Motto „das wurde schon übertragbar sind. Des Weiteren zitie- Die Autoren geben zu bedenken, dass immer so gemacht“ auf eine Arbeit aus ren sie Studien, in denen implantierbare „es nicht möglich ist, daraus zu schließen, den 1930er Jahren verwiesen. Die Auto- Überwachungssysteme bereits erfolg- dass diese Ergebnisse auch für Menschen ren bemerken, dass Kaninchen nicht auf- reich an Patienten mit Herzversagen ge- gültig sind.“ Trotzdem kündigen sie wei- recht gehen und daher die Bandscheiben testet worden sind. tere Studien an. anderen Belastungen ausgesetzt sind. Sie kündigen weitere Studien mit größeren Carsten Stahl et al.: Intracardiac impedance Hansjoerg Heep et a.: Osteoarthritis of leptin- monitors hemodynamic deterioration in a chronic und aufrecht gehenden Tieren an. deficient ob/ob mice in response to biomechnaical heart failure pig model. Journal of Cardiovascular loading in micro-CT. International Journal of Electrophysiology 2007: 18, 985-990 Quelle: Michaela Endres et al.: Intervertebral disc Erlangen Biological Sciences 2009, 5(3), 265-275 regeneration after implantation of a cell-free bio- Essen resorbable implant in a rabbit disc degeneration model. Biomaterials 2010: 22, 5836-5841 Berlin ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 13
UNTERSCHIEDE BEI TIER UND MENSCH Dokument 28: Experimentatoren aus Lübeck und Regensburg bemerken in ihrer Arbeit, dass es für eine menschliche Augenkrank- heit, bei der sich Blutgefäße in der Augennetzhaut bilden und zu Blindheit führen, trotz zahlreicher Versuche kein adäquates „Tiermodell“ gibt. Neue Behandlungsmetho- den würden daher direkt am Menschen getestet. In der vorliegenden Studie soll ein von einem anderen Autor be- schriebenes „Tiermodell“ nachvollzogen werden. Dabei wird bei Kaninchen durch Injektion einer Chemikalie eine Schädigung der Augennetzhaut hervorgerufen. Außer- dem wird eine Laserbehandlungsmethode getestet, die in klinischen Versuchen am menschlichen Patienten be- reits im Einsatz ist. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ihr „Tiermodell“ nur eingeschränkt geeignet sei, da mehr unerwünschte statt gewünschte Veränderungen am Kaninchenauge auftreten würden. Carsten Framme et al.: Clinical evaluation of experimentally induced choroidal neovascularization in pigmented rabbits by subretinal injec- tion of lipid hydroperoxide and consecutive preliminary photodynamic treatment with Tookad. Ophthalmologica 2008: 222, 254-264 Lübeck Dokument 29: Dokument 30: In einer Studie aus Rostock werden Ei- An der Universität Hohenheim, Stutt- Welche Kühnheit muss ein Forscher be- terbakterien in die Blutbahn von Fer- gart, wird der Frage nachgegangen, sitzen, um aus den Ergebnissen einer keln gespritzt. Die Tiere erhalten eine ob Zimt vor alkoholbedingter Leber- derart unrealistischen Versuchsanord- Behandlung, z.T. mit einer Mischung verfettung schützt. Mäusen wird vier nung auf den Menschen zu schließen? aus Schweineplasma und menschlichen Tage lang Zimt über das Trinkwasser Warum nicht gleich eine Patientenstu- Blutzellen. Die Folgen der Blutvergiftung zugeführt. Anschließend wird Alkohol die? müssen die Schweine ohne Narkose bei in einer hohen, einmaligen Dosis über vollem Bewusstsein erleiden. Die Tiere eine Schlundsonde in den Magen ver- Giridhar Kanuri et al.: Cinnamon extract protects against acute alcohol-induced liver steatosis in einer Gruppe sterben alle innerhalb von abreicht. In vorangegangenen Expe- mice. Journal of Nutrition 2009: 139, 482-487 70 Stunden. Die anderen werden nach rimenten hatte diese einmalige Gabe Stuttgart-Hohenheim sieben Tagen getötet. Die Autoren ge- Alkohol eine massive Verfettung der ben zu bedenken, dass die Studie ihre Leber verursacht. Die Mäuse sind nach Grenzen hat. Es handelt sich um junge, der Alkoholgabe zunächst apathisch, gesunde Schweine und auch das Hervor- erholen sich aber wieder. Zwölf Stun- rufen einer Blutvergiftung durch die In- den nach der Verabreichung werden fusion mit Bakterien entspricht nicht der die Tiere getötet. Die Autoren finden klinischen Situation auf der Intensivstati- heraus, dass Zimt einen schützenden Ef- on. Dennoch bezeichnen die Autoren ihr fekt hat und kündigen weitere Studien Experiment als erfolgreich und rufen zu an, um die Mechanismen zu studieren. weiteren Studien auf. Sie folgern weiterhin, dass Zimtextrakt bei der Behandlung von alkoholkranken Martin Sauer et al.: Extracorporeal cell therapy Menschen im Frühstadium eingesetzt with granulocytes in a pig model of gram-positive werden kann. sepsis. Critical Care Medicine 2009: 37(2), 606-613 Rostock 14 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
4. ALKOHOL IST NICHT GUT FÜR KINDER UND RAUCHEN GEFÄHRDET DIE GESUNDHEIT – BANALITÄTEN DER TIEREXPERIMENTELLEN FORSCHUNG Oftmals sind Fragestellung und Ergebnis der dokumentierten tierexperimentellen Arbeiten derart banal, dass man sich fragen muss, wie so etwas genehmigt werden konnte. Dokument 31: Dokument 32: Dokument 33: In einer Doktorarbeit aus Bad Nauheim Am Hirnforschungs-Institut der Universi- In einer Studie aus Aachen müssen junge werden die Würfe von Ratten auf jeweils tät Bremen wird heranwachsenden Ratten Schweine zunächst lernen, einen Klapp- vier Babys reduziert, d. h. die „überschüs- einmalig oder an 20 Tagen Alkohol in die deckel über einem Futtertrog mit der sigen“ Geschwister werden getötet. Die Bauchhöhle injiziert. Im Erwachsenenalter Schnauze hochzuheben, um an ihr Futter verbleibenden vier Babys nehmen man- müssen die Ratten dann verschiedene Ver- zu gelangen. Dann wird bei den Tieren gels Konkurrenz mehr Nahrung zu sich. haltens- und Gedächtnisexperimente durch- unter Narkose ein Herzkammerflimmern Andere Rattenbabys werden einzeln in laufen. Schließlich werden die Tiere getötet, ausgelöst. Bei je sieben Schweinen wird Plastikkästen künstlich aufgezogen. Über um ihre Gehirne zu untersuchen. Das er- nach 5 bzw. 8 Minuten mit einer Herz- einen permanent in die Speiseröhre ge- staunliche Ergebnis dieser Studie: Alkohol Lungen-Wiederbelebung begonnen. Vier legten Plastikschlauch wird eine Milchmi- ist nicht gut für Kinder und Jugendliche. Tage danach wird beobachtet, ob die schung in den Magen der Tiere gepumpt. Abgesehen von dem Leid der Tiere und Tiere den Trogdeckel noch anheben kön- Ergebnis der Arbeit: Ratten, die als Babys davon, dass die Nachahmung der Situati- nen. Dann werden die Schweine getötet. viel essen, sind auch als Erwachsene dick. on beim Menschen unheimlich realistisch Das Ergebnis: Wenn die Wiederbelebung Übergewicht bei Kindern und Jugendli- gelungen ist (Injektion von Alkohol in die nach einem Herzstillstand später beginnt, chen ist in der Tat ein Problem. Aber wür- Bauchhöhle), ist fraglich, ob die Steuer- können die Tiere den Trogdeckel nicht so den hier nicht eher Bevölkerungsstudien gelder, die für eine solche Erkenntnis ver- gut anheben. zu sinnvollen Erkenntnissen führen? schwendet worden sind, nicht besser in Für so ein Ergebnis hätte wohl auch der einer sozialmedizinischen Studie mit sucht- gesunde Menschenverstand ausgereicht. Corinna Schölch: Untersuchungen des Leptin- kranken Menschen aufgehoben gewesen Systems und des Stoffwechsels juveniler Ratten: Michael Fries et al.: Neurocognitive performance wären. Zwei Adipositas-Modelle. Dissertation, Veterinär- after cardiopulmonary resuscitation in pigs. Critical medizin, 2001 Care Medicine 2008: 36 (3), 842-847 Bad Nauheim Stephan Röskam et al.: Effects of neonatal and Aachen peripubertal ethanol treatment on various aspects of adult rat behavior and brain anatomy. International Journal of Developmental Neuro- science 2009: 27, 249-256 Bremen ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 15
BANALITÄTEN DER TIEREXPERIMENTELLEN FORSCHUNG Dokument 34: Um der Frage nachzugehen, ob Vitamin C vor lärmbe- dingten Hörschäden schüt- zen kann, wird das Vitamin 54 Meerschweinchen ver- abreicht. Anschließend wer- den die Tiere unter Narkose eine Stunde lang mit einem lauten Geräusch beschallt. Die Autoren finden heraus, dass Vitamin C in hoher Dosierung bei den Meer- schweinchen tatsächlich ei- nen schützenden Effekt auf das Gehör hat. Auf die Situation des Men- schen übertragen, müsste ein 80 kg schwerer Mensch sieben Tage lang täglich 42 Tabletten zu je 1.000 mg Vi- tamin C einnehmen, bevor er in eine Disko geht. Viel- leicht tut es da auch ein ein- facher Ohrstöpsel. Ulf-Rüdiger Heinrich et a.: Ascor- bic acid reduces noise-induced nitric oxide production in the guinea pig ear. The Laryngoscope 2008, 118, 837-842 Mainz Dokument 35: Dokument 36: Katzen werden zwei Kameras auf den Seit Jahrzehnten werden in der tierexpe- Experimentatoren aus Aachen wollten Kopf geschnallt. Sie werden in einem Wald rimentellen Sehforschung Streifenmus- wissen, wie sich die roten Blutkörperchen laufen gelassen und filmen so die Umge- ter als Stimuli verwendet, um Nervenak- nach körperlicher Ertüchtigung verändern. bung aus der Katzenperspektive. Bei zehn tivitäten im Gehirn zu untersuchen. Die Junge (10 Wochen) und alte (30 Wochen) Katzen werden unter Narkose Kopfhaut Autoren bemerken, dass diese künst- Ratten müssen eine Stunde bei einer Ge- und Schädelknochen über der Sehrinde lichen Reize nicht die reale Welt abbil- schwindigkeit von 20m/min in einem aufgeschnitten. Auf einem Bildschirm vor den. In dieser Studie werden daher von Laufrad laufen. Unmittelbar vor und nach den Augen werden die zuvor von anderen Katzen gemachte Naturaufnahmen als dem Laufen wird den Tieren eine Blutpro- Katzen gemachten Filme gezeigt oder über visuelle Reize verwendet. Die Autoren be aus der Schwanzvene entnommen. den Bildschirm wandernde Streifenmuster. finden heraus, dass sich die Hirnaktivitä- Anstatt einige Freiwillige ein wenig Fahr- Es wird ein Farbstoff auf das Hirngewebe ten bei den verschiedenen Reizen in der rad fahren zu lassen und Blutproben zu gegeben, der aktive Nervenzellen anders Tat unterscheiden. entnehmen, müssen wieder einmal Tiere anfärbt als inaktive. Mit einer speziellen herhalten. Kamera werden Aufnahmen von der Hirn- Selim Onat et al.: Natural scenes evoked popu- lation dynamics across cat primary visual cortex A. Temiz Artmann et al.: Adhesion of erythrocytes rinde gemacht, um so sichtbar zu machen, captured with voltage-sensitive dye imaging. to endothelial cells after acute exercise: Differen- in welchen Hirnbereichen die Nerven aktiv Cerebral Cortex 2011: 21, 2542-2554 ces in red blood cells from juvenile and adult rats. sind. Das weitere Schicksal der Katzen wird Osnabrück Physiology Research 2006: 55, 381-388 nicht erwähnt. Aachen 16 ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG
BANALITÄTEN DER TIEREXPERIMENTELLEN FORSCHUNG Dokument 37: Dokument 39: Dass Tabakrauchen Lungenkrebs und zahllose andere Leiden hervorruft, ist nun 67 Ferkel werden mit Durchfallerregern wirklich nicht neu, und dass Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnis- infiziert. Als Begründung für das Expe- sen in Deutschland verboten sind, auch nicht. Dennoch werden immer noch riment wird angegeben, dass es zwar unzählige Ratten und andere Tiere in aller Welt, auch in Deutschland, in sinnlo- schon jede Menge Feldstudien zum Ver- sen Rauchexperimenten gequält. Im Forschungslabor des Tabakkonzerns Philip lauf dieser parasitären Erkrankung bei Morris in Köln werden 116 Ratten fünfmal die Woche, jeden Tag zweimal für Schweinen gibt, jedoch wenige Studi- eine Stunde in eine Kammer gesteckt, aus der nur die Nase herausschaut. Die en zu einem experimentellen „Modell“. Nase befindet sich in einem mit Rauch gefüllten Raum. Zwischen den beiden Diesem Defizit musste unbedingt abge- Stunden Rauchatmung können die Tiere 30 Minuten frische Luft atmen. Die holfen werden. Das Ergebnis ist dann Prozedur wird je nach Gruppe 2, 7 oder 13 Wochen lang durchgeführt. Dann auch genauso banal wie das Ziel der werden die Tiere getötet. Untersuchung: Ferkel mit Durchfall neh- men weniger an Gewicht zu als gesunde Stephan Gebel et al.: The kinetics of transcriptomic changes induced by cigarette smoke in rat Tiere. lungs reveals a specific program of defense, inflammation, and circadian clock gene expression. Toxicological Sciences 2006: 93(2), 422-431 H.-C. Mundt et al.: Isospora suis: an experimental Köln model for mammalian intestinal coccidiosis. Parasi- tology Research 2006: 98, 167-175 Leverkusen Dokument 38: An der Carl-Gustav-Carus Technischen Uni- die fremden Zellen nicht abgestoßen wer- nungen werden jahrzehntelang unreflek- versität Dresden werden betäubte Nacktrat- den. In den folgenden 40 Tagen wird das tiert übernommen – genau wie das tierex- ten erst auf der rechten, dann auf der linken Wachstum des Tumors beobachtet. Bei den perimentelle System insgesamt. „Es wurde Seite liegend mit Röntgenstrahlen (je 2 Gy) von beiden Seiten bestrahlten Ratten wird halt schon immer so gemacht“ ist ein gängi- bestrahlt. Bei einer zweiten Gruppe Ratten der Tumor wesentlich größer als bei den ges Argument der Experimentatoren. wird jedes Tier einzeln in einen engen Käfig einseitig bestrahlten Ratten. gesteckt und mit 5 Gy bestrahlt. Zwei Tage Dieses Ergebnis ist derart banal, dass man Sergey V. Tokalov et al.: Improvement of radiation- mediated immunosuppression of human NSCLC später werden menschliche Lungenkrebs- gar nicht glauben kann, dass nicht schon tumour xenografts in a nude rat model. Jour- zellen unter die Haut des rechten Hinter- vor 30 Jahren jemand drauf gekommen ist. nal of Biomedicine and Biotechnology 2010, beins injiziert. Durch die Strahlung wird das Das Beispiel zeigt ein typisches Verhalten in doi:10.1155/2010/580531 (Epub 2010). Immunsystem der Tiere geschädigt, so dass der Tierversuchsforschung: Versuchsanord- Dresden ABSURDITÄTEN AUS DER TIERVERSUCHSFORSCHUNG 17
Sie können auch lesen