DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL

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DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
InForm       2018
         Informationsmagazin

Depression
     Kreis Wesel
DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
Inhalt
      Einleitung/Vorwort                                                            5

1     Allgemeine Informationen (Zahlen, Daten, Fakten)                              7

2     Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel                                       8

3     Krankheitsbild                                                              11
    3.1   Wie äußert sich eine Depression?                                         13
    3.2   Wie entsteht eine Depression?                                            14
    3.3   Bin ich gefährdet?                                                       16
    3.4   Suizidalität                                                             16

4     Wo fnde ich Hilfe?                                                          19
    4.1   Medizinische Hilfe                                                       19
      4.1.1   Hausarzt                                                             19
      4.1.2   Facharzt                                                             19
      4.1.3   Klinik                                                               22
    4.2   Psychotherapeutische Behandlung                                          25
      4.2.1   Wie bekomme ich einen Psychotherapieplatz?                           26
    4.3   Psychosoziale Versorgung                                                 27
      4.3.1   Sozialpsychiatrischer Dienst                                         28
      4.3.2   Sozialpsychiatrische Zentren                                         32
      4.3.3   Gerontopsychiatrische Beratung                                       35
    4.4   Erfahrungsgruppen für Menschen mit Depressionen ......................... 38
    4.5   Weitere Beratungsstellen                                                 38
    4.6   Selbsthilfe                                                              39

5     Service                                                                     41
    5.1   Adressen                                                                 41
    5.2   Links                                                                    43
    5.3   Literaturhinweise [Quelle: „Deutsches Bündnis gegen Depression“]         43
    5.4   Selbsttest                                                               45

          Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige
          Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet.
          Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei
          Geschlecht.

                                                                                         InForm   3
DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
Einleitung / Vorwort
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

ich freue mich, Ihnen das neue Magazin „InForm 2018“ zum Schwerpunkthema
Depression vorstellen zu können. Der Kreis Wesel veröffentlicht seit 2000 dieses,
wie ich fnde, besondere und kostenlose Informationsmagazin zu aktuellen
Themen aus den Bereichen Gesundheit, Pfege und Soziales. Ziel war und ist es,
Sie, liebe Leserinnen und Leser, möglichst verständlich über spezielle Themen der
genannten Bereiche zu informieren und auf die vorhandenen Beratungs- und Hilfs-
möglichkeiten im Kreis Wesel aufmerksam zu machen.

Warum ist das Thema Depression für den Kreis Wesel von besonderer Bedeutung?
Allein die Zahlen und Statistiken sprechen dafür, sich mit dieser Volkskrankheit
kreisweit auseinander zu setzen: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) leiden über fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungs-
bedürftigen Depression. Nahezu 8.000 Menschen begehen jährlich in Zusammen-
hang mit einer depressiven Erkrankung Suizid. Jeder zehnte Mensch wird bun-
desweit im Laufe seines Lebens mindestens einmal in eine ernsthafte Depression
fallen. Nur 30 % der Depressionen werden überhaupt erkannt, gerade mal 10 %
der Erkrankten erhalten eine optimale Behandlung. Der Mehrzahl der Betroffenen
könnte jedoch durch spezielle Medikamente (Antidepressiva) und/oder Psychothe-
rapie erfolgreich geholfen werden.

Depressionen werden nach Aussage des „Deutschen Bündnisses gegen Depressi-
on“ selbst von Fachleuten noch immer zu häufg übersehen.

All dies zeigt mir, dass hier ein Handlungsbedarf – auch auf kommunaler Ebene –
besteht. Doch was kann in diesem Bereich getan werden? Gibt es bei dieser häuf-
gen psychischen Erkrankung überhaupt eine Einfussmöglichkeit?

Ja, denn es kann aufgeklärt werden: Je mehr Informationen in der Bevölkerung
und teilweise auch im Gesundheitswesen verbreitet werden, desto höher ist die
Chance, eine Depression rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich zu behandeln.

Ja, denn die Vernetzung und Zusammenarbeit insbesondere im Gesund-
heitswesen kann verbessert werden: Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung
der gesundheitlichen Lage und Optimierung der Versorgung liegt darin, im
Gesundheitswesen enger zum Wohl der Betroffenen zusammenzuarbeiten.

                                                                                    InForm          5
DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
Gerade aus der Notwendigkeit der Aufklärung und der besseren Zusammenarbeit
             heraus ist der Kreis Wesel bereits 2012 dem "Deutschen Bündnis gegen Depres-
             sion" beigetreten. Hierzu wurde eine Facharbeitsgruppe mit Fachleuten aus der
             psychiatrischen und psychosozialen Versorgung gebildet. Diese Facharbeitsgruppe
             analysierte die Versorgungssituation im Kreis Wesel und formulierte Handlungs-
             felder.

             Was möchte das Bündnis erreichen?

             Drei Botschaften stehen im Mittelpunkt: Depression kann jede/n treffen, Depressi-
             on hat viele Gesichter (sprich: die Anzeichen und Symptome sind unterschiedlich)
             und eine Depression ist behandelbar. Durch diese Bevölkerungsinformation sollen
             Tabus abgebaut und Hemmschwellen bei der Suche nach professioneller Hilfe be-
             seitigt werden.

             Die vorliegende Ausgabe von „InForm“ will hierzu einen Beitrag leisten.

             Ich hoffe, dass Sie dieses Heft mit Gewinn lesen und ein wenig mehr über die
             Volkskrankheit Depression erfahren.

             Ich wünsche Ihnen alles Gute und vor allem eine „gute Gesundheit“.

             Ihr Landrat

             Dr. Ansgar Müller

6   InForm
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(Zahlen, Daten, Fakten)
1. Allgemeine Informationen                     (Zahlen, Daten, Fakten)

Depressionen zählen zu den Volkskrank-         [Quelle: Jacobi et.al. 2016 Erratum zu:
heiten, wie Herzinfarkt, Schlaganfall und      Psychische Störungen in der Allgemeinbe-
Krebserkrankungen.                             völkerung. Studie zur Gesundheit Erwach-
                                               sener in Deutschland und ihr Zusatzmodul
Depressionen treten in allen Bevölkerungs-
                                               „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH); Ro-
gruppen auf. Diese Erkrankung ist die wich-
                                               bert-Koch-Institut: Journal of Health Monito-
tigste Ursache für Behinderungen und laut
                                               ring 2017

                                                                                                   1. Allgemeine Informationen
Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind
rund 350 Millionen Menschen weltweit an
                                               Für den Kreis Wesel ergibt sich daraus, dass
einer Depression erkrankt.
                                               während eines Jahres rund 30.000 Men-
Die Häufgkeit, einmal im Leben an einer De-    schen an einer Depression erkrankt sind.
pression zu erkranken (Lebenszeitprävalenz),   [Quelle: Bevölkerungsstatistik Kreis Wesel
reicht von etwa 3 % in Japan bis zu 16,9 %     und Robert-Koch-Institut]
in den USA.
                                               Das Risiko, an einer Depression zu erkran-
                                               ken, steigt bei Jugendlichen gegenüber Kin-
Situation in Deutschland                       dern an:
Mindestens 8,2 % aller erwachsenen Men-
                                                  Bei Kindern im Vorschulalter liegt die
schen in Deutschland leiden aktuell an einer
                                                  Häufgkeit bei ca. 1 %.
depressiven Erkrankung. Dies sind etwa
5,3 Millionen Menschen.                           Im Grundschulalter sind ca. 2 % der
                                                  Kinder betroffen.
In einer Studie zur Gesundheit Erwachsener
in Deutschland (DEGS1) und der Studie zur         Aktuell leiden 3 bis 10 % aller Jugend-
Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA           lichen zwischen 12 und 17 Jahren unter
2014/2015- EHIS) wurden in einer Stichpro-        einer Depression. Das macht durch-
be von mehr als 23.000 Personen im Alter          schnittlich zwei Schüler pro Klasse.
von 18 bis 79 Jahren depressive Symptome
sowie ärztlich diagnostizierte Depressionen    [Quelle: www.deutsche-depressionshilfe.
erhoben. Demnach besteht aktuell eine de-      de/depression-infos-und-hilfe/depression-
pressive Symptomatik bei 10,1 % der Er-        in-verschiedenen-facetten/depression-im-
wachsenen, wobei Frauen mit 11,6 % häu-        kindes-und-jugendalter]
fger betroffen sind als Männer mit 8,6 %.

                                                                                               InForm                 7
2. Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel
                                             2. Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel

                                             Deutsches Bündnis gegen Depression – das bundesweite Netzwerk (März 2017)
                                             1 Aachen                        42 Marburg                      83 Osnabrück
                                             2 Alzey-Worms                   43 Memmingen-Unterallgäu
                                             3 Berlin                        44 München
                                             4 Bernkastel-Wittlich           45 Münster
                                             5 Bochum                        46 Neckar-Alb
                                             6 Bonn/ Rhein-Sieg              47 Neckar-Odenwald-Kreis
                                             7 Bremen                        48 Nordhessen
                                             8 Cham                          49 Nürnberg
                                             9 Darmstadt                     50 Nürnberger Land
                                             10 Dillingen                    51 Oberhausen
                                             11 Dithmarschen                 52 Weser-Ems
                                             12 Donau-Bodensee               53 Olpe-Siegen-Wittgenstein
                                             13 Dortmund                     54 Ostfriesland
                                             14 Dresden                      55 Paderborn
                                             15 Duisburg                     56 Plauen/Vogtlandkreis
                                             16 Düren                        57 Kreis Plön
                                             17 Düsseldorf                   58 Recklinghausen
                                             18 Eisenhüttenstadt             59 Regensburg
                                             19 Erlangen                     60 Rhein-Ahr-Wied
                                             20 Essen                        61 Rhein-Hunsrück-Kreis
                                             21 Flensburg                    62 Rhein-Neckar-Süd
                                             22 Freiburg                     63 Rostock
                                             23 Fulda                        64 Saarland
                                             24 Fürth                        65 Schleswig-Flensburg
                                             25 Göppingen                    66 Schwarzwald/ Zollern-Alb
                                             26 Kreis Groß Gerau             67 Schwerin
                                             27 Gütersloh                    68 Stadtroda-Thüringen
                                             28 Hamburg-Harburg              69 Kreis Steinfurt
                                             29 Hanau                        70 Kreis Wesel
                                             30 Hannover                     71 Würzburg
                                             31 Heidenheim                   72 Wuppertal
                                             32 Herne                        73 Hochsauerlandkreis
                                             33 Hildesheim/ Peine/ Gifhorn   74 Rheinisch-Bergischer Kreis
                                             34 Ingolstadt                   75 Rottal-Inn
                                             35 Kaiserslautern/Westpfalz     76 Saalfeld-Rudolstadt
                                             36 Kempten                      77 Frankfurt am Main
                                             37 Landau-Südliche Weinstraße   78 Görlitz
                                             38 Leipzig                      79 Leverkusen
                                             39 Lübeck                       80 Emsland
                                             40 Halle (Saale)                81 Schaumburg
                                             41 Mainz                        82 Rotenburg (Wümme)                                      * offizielle Kampagne beendet; teilweise weiterhin Aktivitäten

                                             Bereits im Jahr 2012 trat der Kreis Wesel                                über die Krankheit Depression. Hier sollen
                                             dem „Deutschen Bündnis gegen Depression                                  insbesondere drei Botschaften vermittelt
                                             e.V.“ bei und gründete das „Bündnis gegen                                werden:
                                             Depression im Kreis Wesel“.
                                                                                                                            Depression kann jeden treffen,
                                             Viele verschiedene Regionen in Deutschland
                                                                                                                            Depression hat viele Gesichter (sprich:
                                             und in Europa haben regionale Bündnisse
                                                                                                                            die Anzeichen und Symptome sind un-
                                             gegründet, welche die Ziele verfolgen:
                                                                                                                            terschiedlich) und
                                                  die gesundheitliche Situation depres-
                                                                                                                            eine Depression ist behandelbar.
                                                  siver Menschen zu verbessern
                                                                                                                      Dazu wurde eine Arbeitsgruppe mit Fach-
                                                  das Wissen über die Krankheit in der
                                                                                                                      leuten aus dem Kreis Wesel eingerichtet.
                                                  Bevölkerung zu erweitern
                                                                                                                      Vertreten sind hier Mitarbeitende der psy-
                                                  Suiziden vorzubeugen                                                chiatrischen Fachabteilungen des St. Josef
                                                                                                                      Krankenhauses GmbH, Moers, und des St.
                                             Im Vordergrund des hiesigen Bündnisses                                   Vinzenz Hospitals, Dinslaken, Vertretungen
                                             steht dabei die Information der Bevölkerung                              von Hausärzten, Fachärzten für Psychiatrie

      8                          InForm
Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel

und Psychotherapie, psychologischen Psy-          Interessierte sich von Betroffenen gemachte
chotherapeuten, die drei Sozialpsychiatri-        Fotos, die den jeweils individuellen Weg aus
schen Zentren im Kreis Wesel, die Selbsthilfe-    der Depression zeigen, ansehen. Ummantelt
Kontaktstelle, Krankenkassenvertretungen,         wurde die Ausstellung von zwei Vortragsver-
ein Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen         anstaltungen, die auf der einen Seite vertie-
Dienstes, die gerontopsychiatrischen Fach-        fendes Wissen zu einer guten Depressions-
beraterinnen sowie die Koordination der           behandlung vermittelten und zum anderen
psychiatrischen und psychosozialen Versor-        die Depression im Wandel der Zeit beleuch-
gung im Kreis Wesel.                              teten.

In den vergangenen Jahren haben viele ver-        2016 lag der Schwerpunkt auf dem Start
schiedene Aktionen stattgefunden, um über         der „Erfahrungsgruppen für Menschen mit
die Erkrankung Depression zu informieren          Depressionen im Kreis Wesel“. Hier gelang
und die Bevölkerung aufzuklären.                  es, durch Kooperation mit dem Duisburger
                                                  Bündnis gegen Depression und der BKK
Ein innovativer Weg der Öffentlichkeitsarbeit     Novitas ein Angebot für depressiv erkrank-
wurde gemeinsam mit dem Schloßtheater             te Menschen, die auf einen Therapie- oder
Moers beschritten. Im März 2014 hat ein           Behandlungsplatz warten, zu starten. (siehe
Aktionstag „Depression und Gesellschaft“          4.5)
stattgefunden. Unter dem Titel „Krise als
Chance“ haben diverse Lesungen, Vorträge          Im März 2017 fand eine gut besuchte Nach-
und musikalische Darbietungen mögliche            mittagsveranstaltung zum Thema „Suizidali-
gesellschaftliche Ursachen der Thematik be-       tät bei Depressionen“ statt. Hier wurde die
leuchtet. Dies war eingebettet in die Spielzeit   wichtige - aber häufg aus Scheu nicht the-
des Theaterstückes „Under Cover“, einem           matisierte - Problematik der Suizidalität aus
Rechercheprojekt von Barbara Wachendorff.         verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Ein
                                                  besonderes Augenmerk der sich an Fachleu-
Hier stellten zwei professionelle Schauspieler    te aus der psychosozialen Versorgung rich-
gemeinsam mit Betroffenen in regelmäßigen         tenden Vorträge lag auf dem Umgang mit
Vorstellungen verschiedene Aspekte der De-        Suizidalität. Die Möglichkeit, direkt Fragen
pression als Teil eines gesellschaftlichen Phä-   an die Experten zu richten, wurde durch die
nomens dar.                                       mehr als 80 Teilnehmenden rege genutzt.

Diese künstlerische Art der Begegnung mit         Zwei Workshops mit dem Titel „Depression –
der Depression wurde dann 2015 durch die          und jetzt?!“ fanden 2017 in Wesel und Moers
Fotoausstellung „Wege aus der Depression“,        statt. Hier hatten die etwa 120 Betroffenen,
welche insgesamt für vier Wochen im Kreis         die die Veranstaltungen besuchten, die Mög-
Wesel zu sehen war, vertieft. Hier konnten        lichkeit, sich über die Erkrankung und deren

                                                                                                  InForm   9
Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel

              Behandlungsmöglichkeiten zu informieren.     Ausblick:
              Darüber hinaus konnten sie in praktischen
                                                           Weiterhin ist es dem Bündnis gegen Depres-
              Workshops erleben, welche Möglichkeiten
                                                           sion ein Anliegen, über die Erkrankung und
              es neben der klassischen medizinischen und
                                                           die Auswirkungen aufzuklären, um Vorurtei-
              psychotherapeutischen Behandlung gibt, um
                                                           le abzubauen und dem Stigma entgegen zu
              den Verlauf der Erkrankung und die Lebens-
                                                           wirken.
              qualität positiv zu beeinfussen.
                                                           Neben der Zielgruppe der Betroffenen sollen
                                                           auch die Angehörigen in den Blick genom-
                                                           men werden. Die Erkrankung betrifft nicht
                                                           nur die Betroffenen selber sondern in der Re-
                                                           gel auch das nahe soziale Umfeld.

                                                           Darüber hinaus wurde die Kooperation mit
                                                           der BKK Novitas für weitere drei Jahre ver-
                                                           längert, so dass die „Erfahrungsgruppen für
                                                           Menschen mit Depression im Kreis Wesel“
                                                           vorerst bis Ende 2020 angeboten werden
                                                           können.

10   InForm
3. Krankheitsbild
3. Krankheitsbild

Jeder Mensch kennt Phasen in seinem Le-          der Ärzte gefragt, durch genaues Nachfra-
ben, in denen er „schlecht drauf“ ist. Das       gen eine Depression zu diagnostizieren.
Wetter, Stress am Arbeitsplatz, Streit in der
Familie; all das und vieles mehr sind Gründe     Depression ist behandelbar. Aber wie bei
dafür. Häufg wird auch im Alltag der Begriff     anderen Erkrankungen auch gilt: je eher sie
„Depression“ gebraucht, um diesen Zustand        erkannt und behandelt werden, desto grö-
zu beschreiben: „Ich fühle mich depressiv.“      ßer der Behandlungserfolg. Die wichtigsten
                                                 Säulen der Behandlung sind die Einnahme
Die Depression im medizinischen Sinne ist        von Medikamenten (Antidepressiva) und die
jedoch etwas anderes. Hiermit ist nicht eine     Psychotherapie. Die Behandlung mit Medi-
vorübergehende Phase von Niedergeschla-          kamenten gilt inzwischen als unverzichtbares
genheit oder Trauer gemeint.                     und wirksames Heilverfahren. Wichtig ist hier
Die Depression ist eine ernstzunehmende Er-      zu wissen, dass Antidepressiva nicht süchtig
krankung, die ein erhebliches – auch körper-     machen und auch keine Persönlichkeitsver-
liches – Leiden verursacht. Sie beeinträchtigt   änderung verursachen. Aber auch psycho-
die Stimmung, das Denken und Fühlen der          therapeutische Verfahren wie z.B. die kog-
Betroffenen. Depressiv Erkrankte sind in ih-     nitive Verhaltenstherapie haben ihren festen
rer gesamten Lebensführung beeinträchtigt.       Platz bei der Behandlung der depressiven Er-
Häufg bestehen Suizidgedanken – was die          krankung. Oft werden beide Therapieformen
Depression unter Umständen zu einer tödli-       kombiniert. Hinzu können andere thera-
chen Krankheit macht.                            peutische Angebote kommen, die zur Ver-
                                                 besserung der Symptomatik, der Alltagsbe-
Depression kann jeden treffen. Allein in         wältigung und der Lebensqualität beitragen.
Deutschland leiden derzeit rund fünf Millio-
nen Menschen an einer Depression. Betrof-
                                                 Fallbeispiel
fen sind alle Altersgruppen. Berufe und auch
                                                 Herr S., aus D., 53 Jahre:
die soziale Lage spielen keine Rolle. Die De-
pression ist kein Ausdruck des persönlichen      „Ich kann gar nicht genau sagen, wann das
                                                 bei mir anfng. Eigentlich ist alles gut, sollte
Versagens.
                                                 man meinen. Ich arbeite in einer leitenden
Depression hat viele Gesichter. Oft kommt        Position, habe Frau und 2 Kinder und viele
die Depression quasi aus heiterem Himmel.        sagen, wir würden ein Leben wie aus dem
Sie kann sich aber auch langsam anschlei-        Bilderbuch führen.
chen. Manchmal ist sie nur schwer von einer      Aber irgendwann muss es ja angefangen ha-
Befndlichkeitsstörung oder einer Lebenskri-      ben. Als ich es bemerkt habe, war es irgend-
se zu unterscheiden. Häufg äußert sie sich       wie schon zu spät. Es ist so über mich ge-
auch durch (begleitende) körperliche Symp-       kommen. Auf einmal konnte ich kaum noch
tome. Hier sind die besonderen Fähigkeiten       aufstehen. Alles war mir zu viel. Die Arbeit,

                                                                                                   InForm        11
Krankheitsbild

              die ich sonst wirklich gerne gemacht habe,      verschiedene Beschwerden, aber so richtig
              hat mich überfordert. Wenn ich dann nach        mit der Wahrheit traute ich mich nicht raus.
              Hause gekommen bin, wollte ich eigentlich       Ich erzählte ihm, dass ich schlecht schlafe
              nur noch ins Bett und mir die Decke über        und immer müde sei und wohl deshalb auch
              den Kopf ziehen. Selbst zum Abendessen          verspannt wäre und mich nicht gut konzen-
              mit der Familie musste ich mich aufraffen.      trieren könne.
              Das einzige was noch einigermaßen funkti-       Aufgrund meiner Schilderung schrieb er
              onierte, war das pünktliche Erscheinen auf      mich eine Woche krank, und falls es nicht
              der Arbeit. Musste ja schließlich sein, mein    besser würde, solle ich in der nächsten Wo-
              Verdienst war unsere Existenzgrundlage.         che wiederkommen.
              Meine Frau sprach mich schon früh auf mein      In der darauffolgenden Woche kam ich in
              verändertes Verhalten an, aber ich wollte       die Praxis und die Sprechstundenhilfe gab
              nicht zuhören, oder es vielleicht auch nicht    mir einen Bogen mit verschiedenen Fragen,
              wahr haben. So habe ich es immer abgetan,       welche ich beantworten solle, bevor ich zum
              habe mir und ihr eingeredet, dass ich einfach   Arzt reinginge. Ich sollte meine Stimmung
              viel Stress im Büro hätte und deshalb müde      und Gefühle der letzten Wochen mit ein
              sei.                                            paar Ja/Nein Fragen beantworten.
              Eines Tages war es dann soweit, meine Ar-       Den ausgefüllten Bogen nahm ich dann mit
              beitsleistung hatte stark nachgelassen, ich     ins Sprechzimmer und nachdem der Arzt
              konnte mich nicht mehr konzentrieren, war       sich diesen angesehen hatte, sprach er mich
              in Besprechungen nicht aufmerksam, und          darauf an, dass meine Symptome und auch
              mein Vorgesetzter sprach mich darauf an.        die Auswertung des Testes darauf hinwiesen,
                                                              dass ich eine Depression hätte. Er stellte mir
              In diesem Gespräch schaffte ich es noch so
                                                              daraufhin noch verschiedene Fragen, welche
              gerade, mich aufrecht zu halten. Anschlie-
                                                              ich ihm beantwortete.
              ßend ging ich jedoch nach Hause und ich
              hatte das Gefühl, alles gleite mir aus den      Nach dem Gespräch verschrieb er mir ein
              Händen.                                         Antidepressivum. Außerdem wollte er mich
                                                              in zwei Wochen wiedersehen. Ich war ehr-
              Jetzt war die Depression nicht nur in meinem
                                                              lich gesagt skeptisch und nahm das Rezept
              Privatleben, sondern auch auf der Arbeit
                                                              erstmal mit nach Hause. Nachdem ich mit
              angekommen. Ich war total hoffnungslos,
                                                              meiner Frau darüber gesprochen hatte, ha-
              hatte das Gefühl, es wird nie wieder besser
                                                              ben wir das Medikament in der Apotheke
              werden.                                         besorgt und ich entschied mich, es zumin-
              Am nächsten Tag meldete ich mich krank.         dest zu versuchen. Ich hatte ja nichts zu
              Und an dem darauffolgenden Tag auch. Ab         verlieren. Der Arzt hatte mich schon darauf
              dem dritten Tag benötige ich ein Attest des     hingewiesen, dass ich es erst einmal 2 – 3
              behandelnden Arztes und so quälte ich mich      Wochen regelmäßig einnehmen müsse, be-
              zu meinem Hausarzt. Diesem schilderte ich       vor ich eine Wirkung feststellen könne.

12   InForm
Krankheitsbild

Ich nahm die Tablette regelmäßig ein, und       3.1    Wie äußert sich eine
auch meine Frau achtete mit mir gemein-                Depression?
sam darauf, dass ich sie nahm. Beim nächs-      Depressionen gehen häufg mit Nieder-
ten Arzttermin konnte ich mitteilen, dass ich   geschlagenheit, Antriebslosigkeit und mit
mich deutlich besser fühlte. Meine Ängste,      gedrückter Stimmung einher. Betroffene
dass das Antidepressivum abhängig macht
                                                berichten von innerer Leere, davon, keine
oder mich verändert, konnte der Arzt mir
                                                Gefühle mehr zu empfnden und kein Inte-
nehmen.
                                                resse mehr an den Dingen zu haben, die ih-
Er schrieb mich noch eine weitere Woche         nen vorher Freude bereitet haben.
krank und im Anschluss daran sollte ich mei-
ner Tätigkeit wieder nachgehen.                 Zusätzlich haben Betroffene häufg das Ge-
                                                fühl, selbst an ihrer Situation Schuld zu ha-
Ich habe dann all meinen Mut zusammenge-
                                                ben. Sie fühlen sich nicht mehr wertvoll und
nommen und ein Telefonat mit meinem Chef
                                                glauben, dass sie es nicht wert sind, dass
geführt, bevor ich wieder angefangen habe
zu arbeiten. In diesem Gespräch berichtete      Angehörige, Freunde und andere sich um sie
ich davon, dass ich eine Depression hätte       kümmern.
und er war dankbar dafür, dass ich so offen     Es fällt depressiv erkrankten Menschen
zu ihm gewesen bin.
                                                schwer, optimistisch in die Zukunft zu bli-
Mithilfe der Medikamente und dank der Un-       cken und für sich positive Zukunftsperspekti-
terstützung durch meine Frau geht es mir        ven zu entwickeln.
heute viel besser. Der Tiefpunkt ist jetzt 3
Monate her. Natürlich gibt es immer noch        Sie können sich nur schwer konzentrieren
gute und weniger gute Tage. Das Antide-         und leiden unter herabgesetzter Aufmerk-
pressivum nehme ich nach wie vor ein und        samkeit.
mein Hausarzt betreut mich weiter. Er hat       Häufg kommen noch Appetitlosigkeit und
mir auch eine Liste mit verschiedenen Bera-
                                                Schlafstörungen in Form von Ein- und Durch-
tungsstellen gegeben, an welche ich mich
                                                schlafstörungen sowie ein ausgeprägtes
wenden kann. Bisher habe ich keine davon
                                                Morgentief hinzu.
aufgesucht, aber meine Frau hat ein Be-
ratungsgespräch im sozialpsychiatrischen        Suizidgedanken und -handlungen können
Dienst wahrgenommen, um ihre Situation          ebenfalls Symptome der Erkrankung „De-
bei meiner Erkrankung zu besprechen.            pression“ sein. Die Betroffenen wünschen
                                                sich, aus der für sie ausweglosen Situation
Denn das ist mir deutlich geworden: Meine
Depression hat nicht nur mich getroffen,        irgendwie zu entkommen. Im schlimmsten
sondern auch meine Familie.“                    Fall dadurch, dass sie ihr Leben beenden.

                                                Gar nicht selten treten noch weitere rein kör-
                                                perliche Symptome, wie beispielsweise Kopf-

                                                                                                 InForm   13
Krankheitsbild

              und Rückenschmerzen, Atembeschwerden,           3.2 Wie entsteht eine
              Herz-Kreislauf-Beschwerden usw. auf, die            Depression?
              zuerst einmal im Vordergrund stehen und
                                                              Es ist noch nicht abschließend erforscht, was
              es erschweren, eine Depression zu erkennen
                                                              genau der Auslöser für eine Depression ist.
              und zu diagnostizieren.
                                                              Fest steht, dass verschiedene Faktoren bei
              Es gibt also zahlreiche und sehr unterschied-
                                                              der Entstehung einer Depression eine Rolle
              liche Symptome, die auf eine depressive
                                                              spielen. Biologische, psychische und soziale
              Erkrankung hinweisen. Sie äußern sich bei
                                                              Aspekte wirken zusammen.
              jedem davon betroffenen Menschen unter-
              schiedlich intensiv und ausgeprägt.

14   InForm
Krankheitsbild

Diese Faktoren lassen sich bildlich darstellen, wie die zwei Seiten einer Medaille:

                                                                 Quelle: www.deutsche-depressionshilfe.de/
                                                                 depression-infos-und-hilfe/ursachen-und-ausloeser

Auf der linken Seite sind die psychosozia-        ebenfalls daran zu erkranken. Sind beide
len Faktoren dargestellt, die auf eine Person     Elternteile betroffen, steigt das Risiko um
einwirken. Hier fnden Überforderungen,            28,5 %.
Stress, traumatische Erfahrungen etc. ihren       Ebenfalls zu den körperlichen Aspekten ge-
Platz. Aber auch scheinbar positive Erlebnis-     hören die neurobiologischen Faktoren. Hier-
se, wie die Geburt eines Kindes oder eine         zu zählen zum einen die Veränderungen der
Beförderung, können als Auslöser für eine         Botenstoffe im Gehirn (Serotonin, Norad-
Depression gelten. Sie erhöhen unter Um-          renalin etc.) und zum anderen hormonelle
ständen das Risiko, an einer Depression zu        Veränderungen (dauerhafter Ausstoß von
erkranken. Hier setzt die Psychotherapie als      Stresshormonen, wie Cortisol).
Behandlungsmöglichkeit an.
                                                  An den neurobiologischen Ursachen setzen
Die rechte Seite des Schaubildes stellt die       die verschiedenen Antidepressiva mit ihren
körperlichen Ursachen, wie etwa genetische        Wirkungen an.
Faktoren, die die Sensibilität, depressiv zu      Antidepressiva machen entgegen vieler Vor-
erkranken, erhöhen und die Veränderungen          urteile nicht abhängig und verändern auch
des hormonellen Gleichgewichts etc. dar.          die Persönlichkeit nicht. Die positive Wir-
Studien belegen eine familiäre Häufung von        kung des Medikamentes tritt jedoch je nach
Depressionen. Ist beispielsweise ein Eltern-      gewähltem Wirkstoff erst nach einigen Ta-
teil an einer depressiven Episode erkrankt,       gen bis Wochen kontinuierlicher Einnahme
erhöht sich das Risiko des Kindes um 12 %,        ein.

                                                                                                                     InForm   15
Krankheitsbild

              Nach heutigen Forschungsergebnissen ist die        20000
                                                                         18451
                                                                                 18825 18711
                                                                                               18417

                                                                 18000                                 17677 17571

              Entstehung einer Depression in der Regel ein       16000
                                                                                                                     16269
                                                                                                                             16625

                                                                                                                                     15590

              Zusammenspiel beider Seiten. Es geht nicht
                                                                                                                                             14567

                                                                                                                                                     13924 14011
                                                                 14000                                                                                             13458
                                                                                                                                                                                         12888
                                                                                                                                                                           12690 12718
                                                                                                                                                                                                 12225 12265

              um die „Entweder – Oder“-Frage, sondern            12000                                                                                                                                         11644
                                                                                                                                                                                                                       11157 11065 11156 11163 11150
                                                                                                                                                                                                                                                       10733
                                                                                                                                                                                                                                                               10260                                                      10209 10080
                                                                                                                                                                                                                                                                                                   10021 10144 9890 10076
                                                                 10000
                                                                                                                                                                                                                                                                       9765                 9616
                                                                                                                                                                                                                                                                              9402   9451

              um sich ergänzende komplementäre Sicht-             8000

              weisen zur Behandlung der Erkrankung.               6000

                                                                  4000

                                                                  2000

              3.3    Bin ich gefährdet?                             0

              Im Anhang auf Seite 45 fnden Sie einen
                                                                                                                                                     (Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/583/umfrage/sterbefaelle-durch-vorsaetzliche-selbstbeschaedigung/, Zugriff Februar 2017)

                                                                 Suizide in Deutschland 1998 – 2015
              Selbsttest, entwickelt vom Bündnis gegen
                                                                 Quelle: www.gbe-bund.de
              Depression in Leipzig, Prof. Hegerl, welcher
              Ihnen eine erste Einschätzung dazu geben           1.200 Menschen durch Drogen und ca. 400
              kann, ob Hinweise auf eine depressive Er-          Menschen durch AIDS gestorben.
              krankung vorliegen. Bitte beachten Sie, dass
                                                                 Besonders ältere Männer sind für Suizide als
              dieser Test nur Anhaltspunkte dazu geben
                                                                 Risikogruppe zu betrachten. Frauen hingegen
              kann, ob Anzeichen für eine depressive Er-
                                                                 verüben deutlich mehr Suizidversuche, ins-
              krankung vorliegen. Falls dies bei Ihnen der
                                                                 besondere in jüngeren Jahren.
              Fall sein sollte, wenden Sie sich bitte an Ihren
              Arzt. Der Selbsttest ersetzt keine ärztliche       Affektive oder Gemütsstörungen, speziell
              Diagnose.                                          depressive Erkrankungen sind der häufgste
                                                                 Grund für suizidale Handlungen. Auch kri-
                                                                 tische äußere Ereignisse wie der Tod eines
              3.4 Suizidalität
                                                                 nahen Angehörigen, der Verlust des Arbeits-
              Etwa 10.000 Menschen nehmen sich in
                                                                 platzes, Schulden oder chronische Erkran-
              Deutschland jährlich das Leben. Die Zahl der
                                                                 kungen können Suizidgedanken auslösen.
              Suizidversuche wird auf etwa 100.000 pro
                                                                 Studien haben jedoch keinen direkten Zu-
              Jahr in Deutschland geschätzt. Das bedeu-
                                                                 sammenhang zwischen Arbeitslosigkeit oder
              tet, dass alle 53 Minuten ein Mensch durch
                                                                 schwerer Krankheit und Suizidalität gefun-
              Suizid verstirbt und alle 5 Minuten ein Suizid-
                                                                 den, sondern gehen eher davon aus, dass die
              versuch durchgeführt wird.
                                                                 Mehrheit in der Lage ist, diese „Schicksals-
              So verstarben 2015 in Deutschland 10.080           schläge“ zu verarbeiten und nur ein kleiner
              Menschen an einem Suizid, wobei statistisch        Teil ohne das Vorhandensein einer psychiat-
              gesehen dreimal mehr Männer als Frauen ei-         rischen Erkrankung mit Suizidalität reagiert.
              nen Suizid begehen.
                                                                 Daher gilt: Die beste Suizidprävention ist
              Zum Vergleich hierzu sind im Jahr 2015 ca.         die Behandlung der psychiatrischen Er-
              3.500 Menschen durch den Verkehr, ca.              krankung.

16   InForm
Krankheitsbild

Es gibt Alarmzeichen, die auf eine konkrete       Ganz wichtig bei akuter Suizidalität ist, nicht
Suizidgefahr hinweisen können. Hierzu zäh-        alleine in der aussichtlos erscheinenden Situ-
len:                                              ation zu verbleiben.

    Suizidandrohungen und -ankündigungen          Ist ein Mensch in einer akuten Suizidalität
                                                  nicht mehr durch Gespräche erreichbar und
Das Vorurteil, dass ein Mensch, der davon
                                                  nicht bereit, gemeinsam Hilfe aufzusuchen,
spricht, es doch nicht tut, ist falsch.
                                                  sollte zu seinem Schutz der Notarzt verstän-
    Große Hoffnungslosigkeit und unzu-            digt werden. Diesem sollte die Situation ge-
    reichende/fehlende Aufhellbarkeit·            nau berichtet werden.

    Kein offener/glaubwürdiger Umgang             Wichtig ist, Zeit zu gewinnen, da der Wunsch
    bei direkter Ansprache zum Thema oder         zu sterben in der Regel ein vorübergehender
    Verneinung von Suizidäußerungen, die          Zustand ist.
    vor anderen getätigt wurden

    Angelegenheiten      ordnen,     Abschied
    nehmen

Viele Menschen verschenken Wertgegen-
stände, verabschieden sich, verfassen ihr
Testament. Sie wirken auf Außenstehende
ruhiger, weniger verzweifelt, wenn einmal
der feste Entschluss zum Suizid gefasst wur-
de. Das Umfeld kann zu dem trügerischen
Schluss kommen, dass es dem Betroffenen
wieder besser geht.

Wenn Anzeichen für eine konkrete Suizidge-
fahr vorliegen, sollte das Thema in ruhiger
und sachlicher Weise angesprochen werden.
In der Regel stellt es für den Betroffenen eine
Entlastung dar, wenn er mit einer anderen
Person über die quälenden Gedanken spre-
chen kann. Darüber hinaus sollte das Umfeld
den Betroffenen dabei unterstützen, profes-
sionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hilfs-
und Unterstützungsadressen fnden Sie im
Anhang.

                                                                                                    InForm   17
Krankheitsbild

              Fallbeispiel                                     Ich bin dann, nachdem ich versucht hatte,
              Herr B. aus W., 58 Jahre:                        mir das Leben zu nehmen, notfallmäßig in
              „Ich habe schon immer während meines Le-         eine Klinik für Psychiatrie und Psychothera-
              bens Phasen gehobener und dann wieder            pie aufgenommen worden.
              antriebsloser Stimmung gehabt.
                                                               Dort habe ich an einer Mischung aus Ein-
              Zum Glück hatte ich meine Familie und mei-       zel- und Gruppengesprächen, an kreativthe-
              ne Arbeit. Damit konnte ich mich immer sel-      rapeutischen Angeboten, Bewegung und
              ber aus den Löchern befreien. Auch als mei-      Entspannung teilgenommen. Wichtig war
              ne Tochter anfng, unter Depressionen zu          für mich insbesondere die erste Zeit, in der
              leiden, kam ich nicht auf die Idee, dass ich     Ärzte, Psychologen, Pfegekräfte, Kreativthe-
              vielleicht auch eine Depression haben könnte.    rapeuten und Mitpatienten über die Diagno-
                                                               se, notwendige Behandlungsschritte und die
              Meine Tochter wurde dann vor 2 Jahren in         Zeit nach der Klinik gesprochen haben.
              einer Klinik behandelt. Als sie entlassen wur-
              de, hatte sie vor, ein neues Leben anzufan-      Ich habe in dieser Zeit verstanden, dass ich
              gen, hatte ihre Medikamente abgesetzt und        vermutlich schon lange Depressionen hat-
              nach wenigen Monaten war sie wieder de-          te und diese früher hätte behandeln lassen
              pressiv und hat sich dann das Leben genom-       können.
              men, obwohl alles andere in ihrem Leben
                                                               Ich habe zudem viel über die Krankheit mei-
              perfekt war.
                                                               ner Tochter und den Weg in deren Suizid ver-
              In der Zeit danach habe ich mich viel mit dem    standen und beginne, meine, für mich noch
              Tod auseinandergesetzt und auch psycholo-        offenen Fragen für immer zu beantworten.
              gische Hilfe gesucht.
                                                               Ich bin noch in ambulanter Behandlung und
              Vor 6 Monaten wurde mir deutlich, dass           besuche zudem eine Selbsthilfegruppe für
              mein Betrieb in Konkurs gehen würde. In          Männer mit depressiven Erkrankungen. Ich
              dieser Zeit wurde ich depressiv.                 bin in meinem Leben wieder angekommen
                                                               und es erscheint mir unvorstellbar, dass ich es
              Jetzt drängten sich immer wieder Gedanken        war, der nicht leben wollte. Denn in meinem
              auf, dass ich nicht mehr leben wollte. Ich       Leben gibt es Probleme, aber es erscheint
              habe mich über mehrere Wochen damit be-          mir nun möglich, diese zu bewältigen“.
              schäftigt und eigentlich kann ich heute nicht
              mehr verstehen, warum ich andere Wege
              nicht mehr gesehen habe. Aber ich konnte
              mir nur noch vorstellen zu sterben.

18   InForm
4. Wo finde ich Hilfe?
4. Wo finde ich Hilfe?

Im Kreis Wesel existiert ein breites Netz an    4.1.1 Hausarzt
Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten für      Dieser hat nach einem abgeschlossenen
depressiv erkrankte Menschen und deren          Medizinstudium entweder die Facharztwei-
Angehörige/soziales Umfeld.                     terbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin
                                                absolviert oder sich als Facharzt für innere
Im Folgenden werden die einzelnen Bereiche
                                                Medizin mit hausärztlicher Versorgung nie-
näher vorgestellt.
                                                dergelassen. Hausärzte können auch in fach-
                                                übergreifenden Versorgungszentren tätig
4.1 Medizinische Hilfe
                                                sein.
Im Kreis Wesel gibt es etwa 536 niedergelas-
sene Ärzte. Davon sind 245 in hausärztlichen    Ihre Hausarztpraxis ist die erste Anlaufstelle
Praxen tätig. 17,5 Ärzte sind als Psychiater/   für Sie, wenn Sie glauben, dass Sie an einer
Neurologen und Ärzte für Nervenheilkunde        Depression leiden könnten oder ein Freund,
tätig. Hinzu kommen 14 Ärzte, die (auch)        eine Bekannte oder ein Familienmitglied be-
                                                troffen ist. Sprechen Sie nicht nur über mög-
psychotherapeutisch arbeiten. Darüber hin-
                                                licherweise auftretende körperliche Sympto-
aus sind 58 psychologische Psychotherapeu-
                                                me mit Ihrem Hausarzt, sondern auch über
ten im Kreis Wesel zugelassen.
                                                Veränderungen Ihrer Stimmung und Ihres
[Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Nord-
                                                seelischen Befndens.
rhein, Stand 2018]
                                                Dort kennt man Sie meist schon seit Jahren
Hinzu kommen in Dinslaken, Rheinberg und        und kann Ihre Beschwerden und Krankheits-
Wesel jeweils von den psychiatrischen Abtei-    zeichen richtig einordnen. Darüber hinaus
lungen der Krankenhäuser betriebene Insti-      können Sie bei Bedarf von dort aus an einen
tutsambulanzen, in denen Betroffene unter       anderen Facharzt, oder weitere Anlaufstel-
bestimmten Voraussetzungen ärztlich und/        len, wie psychosoziale Dienste, weitergelei-
oder psychotherapeutisch behandelt werden       tet werden. Zögern sie nicht, Ihren Hausarzt
können.                                         auf das Thema Depression anzusprechen,
                                                denn er ist die erste Anlaufstelle in unserem
Nachstehend werden Ihnen die verschiede-        Gesundheitswesen!
nen medizinischen Berufsbezeichnungen
näher erläutert, damit Sie einen Überblick      4.1.2 Facharzt
darüber bekommen, wie vielfältig das medi-      Unter der Bezeichnung „Facharzt“ werden
zinische System ist. Ferner wird dargestellt,   die nachfolgenden Gruppen verstanden:
was bei einem Besuch in einer ärztlichen Pra-       Psychiater (Fachärzte für Psychi-
xis durchgeführt wird.                              atrie und Psychotherapie)
                                                haben im Anschluss an das Medizinstu-
                                                dium eine psychiatrische Facharztwei-
                                                terbildung absolviert. Zudem sind sie

                                                                                                 InForm          19
Wo finde ich Hilfe?

              in der Regel auch psychotherapeutisch         und die Entwicklung der Beschwerden im
              ausgebildet. Sie können sowohl Medi-          zeitlichen Ablauf. Wichtig ist die Frage, ob
              kamente verschreiben als auch psycho-         früher bereits Depressionen aufgetreten wa-
              therapeutische Verfahren anwenden.            ren. Auch die familiären und sozialen Hinter-
                                                            gründe werden aufgearbeitet, und es wird
                 Neurologen (Fachärzte für Neu-
                                                            auf die allgemeine biografsche Entwicklung
                 rologie)
                                                            der Patienten eingegangen, um eventuell
              haben ebenfalls ein Medizinstudium ab-
                                                            mögliche Einfüsse auf die akute Erkrankung
              geschlossen und sich in ihrer anschlie-
                                                            aufzudecken.
              ßenden Facharztausbildung auf neu-
              rologische Erkrankungen konzentriert.         Weiterhin ist die allgemeine Vorgeschichte
                Nervenärzte“ ist eine ältere Bezeich-       mit Fragen nach aktuellen körperlichen Er-
              “
              nung für Neurologen und Psychiater.           krankungen bzw. körperlichen Vorerkran-
              Diese haben sowohl eine Ausbildung in         kungen für die Gesamtbeurteilung wichtig.
              Neurologie als auch im Bereich Psychia-       Es ist immer sehr hilfreich, wenn vorliegende
              trie und behandeln auch Depressionen.         Befundberichte über frühere Behandlungen
                 Fachärzte für psychosomatische             und insbesondere auch eine aktuelle Liste
                 Medizin und Psychotherapie                 einzunehmender Medikamente mitgebracht
                                                            werden.
              haben nach dem Medizinstudium eine
              psychotherapeutische und psychoso-
                                                            Ergänzend zu dem Gespräch wird in der
              matische Weiterbildung absolviert und
                                                            Regel auch eine körperliche Untersuchung
              behandeln körperliche Beschwerden,
                                                            durchgeführt, denn eine gründliche körper-
              die im Zusammenhang mit psychischen
                                                            liche und insbesondere neurologische Un-
              Prozessen stehen.
                                                            tersuchung ist zur Unterscheidung zwischen
              Doch was passiert bei einem Arztbesuch?       möglicherweise auch körperlich begründe-
              Erhebung der Leidens- / Krankheitsge-         ten Erkrankungen sehr wichtig. Manchmal
              schichte                                      liegen unabhängige körperliche Erkrankun-
                                                            gen vor, die erkannt und entsprechend be-
              Zuerst wird eine Untersuchung des Patienten
                                                            handelt werden müssen. Gegebenenfalls
              durchgeführt. Denn nur zusammen mit einer
                                                            werden noch weitere Untersuchungen ver-
              sorgfältigen Erhebung der Leidens-/Krank-
                                                            anlasst, zum Beispiel Laboruntersuchungen
              heitsgeschichte ist eine Diagnose möglich.
                                                            oder apparative Diagnostik, wie zum Beispiel
              Die Untersuchung besteht aus einem Ge-        ein EEG oder bildgebende Verfahren, wie
              spräch, in dem der Arzt die notwendigen       eine Kernspintomographie oder eine Com-
              Informationen über die Beschwerden und        putertomographie des Gehirns.
              durch weitere gezielte Nachfragen auch über
              die Krankheitssymptome erhält. Meist geht     Dies leitet über zum nächsten Schritt, näm-
              es dabei zunächst um die akuten Probleme      lich der Diagnosestellung bzw. Behandlung.

20   InForm
Wo finde ich Hilfe?

Behandlung                                       möglichst optimale Verträglichkeit zu ge-
    Gespräche                                    währleisten. Schlafstörungen lassen sich
                                                 durch die entsprechenden Medikamente
Sofern eine Depression festgestellt wird,
                                                 meist rasch bessern. Auch die Symptome der
spielt bei deren Behandlung wiederum das
                                                 bedrückten oder traurigen Stimmung und
ärztliche Gespräch eine ganz zentrale Rolle.
                                                 des verminderten Antriebes können mit die-
Das Gespräch erlebt der Patient als entlas-
                                                 sen Medikamenten gut gebessert werden.
tend, denn in diesem kann über Probleme
                                                 Antidepressiva machen nicht abhängig und
und Sorgen gesprochen werden. Es tut gut,
                                                 verändern auch nicht die Persönlichkeit. Die
dass jemand zuhört und Verständnis zeigt.
                                                 positive Wirkung setzt mit einer zeitlichen
Die Gesprächsführung wird von dem Arzt           Verzögerung ein, d.h. eine Besserung tritt
mit einer konstruktiven Zielsetzung einerseits   erst 10 bis 20 Tage nach Behandlungsbeginn
so gestaltet, dass der Patient dabei von sich    ein. Deswegen ist zunächst Geduld erforder-
aus zu neuen Erkenntnissen, wie z.B. Lösun-      lich.
gen von Problemen, gelangen kann. Zum
                                                 Dies gilt für die Behandlung der Depression
anderen werden durch unterstützende und
                                                 ganz allgemein. Leider kann nicht vorher-
ermunternde Bemerkungen Anregungen ge-
                                                 gesagt werden, wie lange eine Depression
geben und Ratschläge erteilt, oder es wird
                                                 anhält. Grundsätzlich ist daher zur Behand-
auch Trost gespendet.
                                                 lung einer Depression immer ein ausreichend
    Medikamentöse Behandlung                     langer Zeitraum erforderlich. Auch wenn die
                                                 Symptome sich schon deutlich gebessert ha-
Bei einer Depression wird oft auch eine me-
                                                 ben oder verschwunden sind, ist es in der Re-
dikamentöse Behandlung durchgeführt. Ob
                                                 gel notwendig, die Medikamente noch über
die Gabe von Antidepressiva in Ihrem Fall
                                                 einen gewissen Zeitraum hinweg weiter ein-
sinnvoll ist, sollte mit dem behandelnden
                                                 zunehmen.
Arzt besprochen werden. Die Entscheidung
für oder gegen Medikamente hängt u.a.            Prinzipiell können depressive Phasen kom-
vom Schweregrad der Depression aber auch         plett und folgenlos ohne bleibende Störun-
von den Präferenzen des Patienten ab. Es         gen abklingen.
steht eine Reihe speziell für die Behandlung
depressiver Erkrankungen zugelassene Me-         Das Risiko eines Rückfalls kann durch rück-
dikamente zur Verfügung, die die Sympto-         fallvorbeugende Maßnahmen um bis zu 70
matik einer Depression günstig beeinfussen       % reduziert werden. D.h. Sie können selber
und die auch gut verträglich sind. Trotzdem      etwas dafür tun, das Risiko einer erneuten
wird man bei der ambulanten Therapie in          Depression zu senken. Dazu gehören eine
einer Praxis in aller Regel mit niedrigen Do-    regelmäßige Einnahme von Medikamenten,
sierungen beginnen und die Dosis langsam         Psychotherapie und konkrete eigene Aktivi-
und vorsichtig steigern, um dadurch eine         täten.

                                                                                                 InForm   21
Wo finde ich Hilfe?

              4.1.3 Klinik                                          die Behandlungsmaßnahmen, die der
              Im Kreis Wesel unterhalten zwei Allgemein-            erkrankte Mensch mit seinem Hausarzt/
              krankenhäuser psychiatrische Fachabteilun-            Psychiater ergriffen hat, keine durchgrei-
              gen.                                                  fende Verbesserung bringen,

              Für die Städte Moers, Kamp-Lintfort, Neukir-          trotz einer antidepressiven Behand-
              chen-Vluyn, Rheinberg sowie die Gemeinde              lung, trotz Psychotherapie und anderer
              Alpen ist das St. Josef Krankenhaus Moers             Entlastung die Antriebsstörung weiter
              (Betriebsstätte St. Nikolaus Hospital), Or-           zunimmt,
              soyer Str. 55, Rheinberg, zuständig.
                                                                    der Mensch kaum noch schläft, nur noch
              Betroffene aus Dinslaken, Voerde, Hünxe,              grübelt und sich von allen zurückzieht,
              Wesel, Hamminkeln und Schermbeck wer-
              den vom St. Vinzenz-Hospital, Dr.-Otto-               wenn Suizidgedanken oder konkrete
              Otto-Seidel-Str. 31-33, Dinslaken, versorgt.          Suizidabsichten auftreten.

              Außerhalb des Kreises Wesel ist das St. Ni-       Die folgenden Stichworte geben einen Über-
              kolaus Hospital, Grabenstr. 86, Kalkar, für       blick, was Patienten im Rahmen der (teil-)sta-
              die Versorgung der Einwohner aus Xanten           tionären Behandlung erwartet:
              und Sonsbeck zuständig.
                                                                Aufnahme
              Alle Krankenhäuser verfügen über stationäre
                                                                In der Regel erfolgt eine schriftliche Einwei-
              und teilstationäre Angebote zur Behandlung
                                                                sung durch die hausärztliche oder psychiatri-
              einer depressiven Erkrankung. „Stationär”
                                                                sche Praxis, mit der sich ein Patient telefonisch
              bedeutet, dass neben der Behandlung auch
                                                                oder persönlich in der Notfallambulanz des
              im Krankenhaus übernachtet wird. Demge-
                                                                Krankenhauses vorstellt. Der Arzt dort wird
              genüber erfolgt die Behandlung bei einem
                                                                den Patienten kurz untersuchen und dann in
              teilstationären Aufenthalt (Tagesklinik) werk-
                                                                einem gemeinsamen Gespräch entscheiden,
              tags von Montag bis Freitag, von 8 bis 16
                                                                ob eine stationäre oder eine teilstationäre,
              Uhr. So bleiben Patienten in ihrem gewohn-
                                                                also tagesklinische Behandlung notwendig
              ten Tagesablauf und können ihren weiteren
                                                                ist. Der Aufnahmetag im Krankenhaus dient
              Aufgaben, wie der Versorgung von Familie,
                                                                dem gegenseitigen Kennenlernen. Es erfolgt
              Eltern und Haustieren nachgehen.
                                                                ein Aufnahmegespräch mit einem Arzt oder
              Ein (teil-)stationärer Aufenthalt in einer psy-   Psychologen, in dem auf die Beschwerden,
              chiatrischen Abteilung wird dann notwen-          die Symptome, die Lebenssituation, aber
              dig, wenn:                                        auch die Lebensgeschichte eingegangen
                                                                sowie gezielt nach anderen psychischen Er-
                  eine Depression sehr schwer wird,             krankungen und Symptomen gefragt wird.

22   InForm
Wo finde ich Hilfe?

Dazu fndet eine medizinische Aufnahme            gewechselt oder ein weiteres dazugegeben
mit Untersuchung und Labor statt. Es wird        werden. Falls starke Ängste, Anspannungen
ein EKG gemacht, häufg in den ersten Ta-         oder schwere Schlafstörungen dazu kom-
gen auch ein EEG und eine Bildgebung des         men, werden am Anfang Medikamente zur
Gehirns (CT oder MRT des Kopfes). Manch-         Beruhigung oder zum Schlafen dazugege-
mal haben Patienten den Eindruck, ihre Lei-      ben, jedoch nur solange wie nötig. Medika-
densgeschichte mehrmals erzählen zu müs-         mente zur Behandlung anderer körperlicher
sen, den Ärzten in der Notfallaufnahme, den      Erkrankungen (Bluthochdruck, Zuckerer-
Mitarbeitenden auf der Station, dem Pfege-       krankung, chronische Schmerzen etc.) wer-
team, dem Oberarzt. Aus den verschiedenen        den natürlich mitverordnet. Manchmal ist es
Erstgesprächen werden Einschätzungen zu          sinnvoll, auch hier die Behandlung zu über-
den Diagnosen des Patienten und der Pla-         prüfen.
nung der Behandlung gezogen.
                                                     Psychiatrisch-psychotherapeutische
Der erste Tag im Krankenhaus dient auch
                                                     Gespräche
dazu, dass der Patient die Station, die Mit-
                                                 Psychiatrisch-psychotherapeutische Gesprä-
patienten, das Pfegeteam und den Stations-
                                                 che fnden als Visitengespräche oder als Ein-
ablauf kennenlernen. Das Miteinander der
                                                 zelgespräche statt. In den Visitengesprächen
Patienten auf der Station, die Milieutherapie,
                                                 werden die Behandlungsziele, die Fortschrit-
ist ein wichtiger Baustein der psychiatrischen
                                                 te in der Behandlung, oft auch die medika-
Behandlung. Hier erfahren die Erkrankten
oft das erste Mal, dass sie mit ihrer Erkran-    mentöse Behandlung besprochen. Die Visite
kung und ihrem Leid nicht alleine sind.          dient der gemeinsamen Planung von Patient
                                                 und Behandlungsteam. Oft werden auch
Behandlung                                       Angehörige zu einem Visitengespräch einge-
Die stationäre/teilstationäre psychiatrisch-     laden. In Einzelgesprächen rücken oft akute
psychotherapeutische Behandlung setzt sich       Probleme im Leben eines Patienten (Verlus-
aus unterschiedlichen Bausteinen zusam-          te von Arbeit, von Angehörigen, Trennung,
men:                                             schwere Erkrankungen o.ä.) in den Mittel-
                                                 punkt. Häufg sind diese Probleme nicht di-
    Medikamentöse Behandlung                     rekt zu lösen, dafür aber helfen die Einzel-
Oftmals ist die Depression so schwer, dass       gespräche, depressive Symptome besser zu
eine Behandlung mit Antidepressiva not-          erkennen und anders mit ihnen umzugehen.
wendig ist. Falls ein Patient bei der Aufnah-    Wenn das gelingt, können Problemsituatio-
me schon ein Medikament nimmt, wird die          nen oft besser angegangen werden.
Therapie darauf geprüft, ob sie ausreichend
wirkt und welche Nebenwirkungen auftre-
ten. Eventuell muss das Antidepressivum

                                                                                                InForm   23
Wo finde ich Hilfe?

                  Gruppentherapien                          tionsalltag, so dass es wieder gelingt, selb-
              Aus einem breitgefächerten Angebot un-        ständig eine Tagesstruktur aufzunehmen,
              terschiedlicher Gruppentherapien werden       sich zu aktivieren, aus dem sozialen Rückzug
              für jeden Patienten die geeigneten Thera-     herauszukommen, aber auch therapeutische
              pien ausgewählt. Bei den psychotherapeu-      Aufgaben umzusetzen.
              tischen Gruppentherapien geht es einer-
                                                                Sozialarbeit
              seits um die Vermittlung von Wissen über
                                                            Frühzeitig in der Behandlung erfolgt ein ers-
              die Erkrankung: Was bedeutet Depression?
                                                            ter Besuch des Sozialdienstes, der die soziale
              Was sind die Symptome? Wie kann ich diese
                                                            Situation des Patienten untersucht (Arbeit,
              möglichst früh im Vorfeld einer Erkrankung
                                                            Krankenversicherung, Wohnsituation etc.),
              erkennen? Andererseits erlernen die Pati-
                                                            aber auch bei Problemen tätig wird, also
              enten Strategien, wie sie mit den Sympto-
                                                            Kontakt zum Arbeitsamt, zur Krankenkas-
              men umgehen können: Was kann ich selbst
                                                            se aufnimmt, Unterstützung anbietet bei
              tun, damit es mir besser geht? Weitere The-
                                                            Ämtergängen, Schwierigkeiten mit dem Ar-
              men der psychotherapeutischen Gruppen
                                                            beitgeber etc.
              sind u.a. das Problemlösetraining und das
              (Wieder-)Erlernen und Einüben von sozialen        Angehörige
              Kompetenzen.                                  Angehörige (oder wichtige Bezugsperso-
              Zu den Gruppentherapien gehören auch          nen) der depressiv Erkrankten werden oft
              Entspannungsangebote, die Musiktherapie,      in die Behandlung einbezogen, sei es, da-
              die Kunsttherapie, die Sport- und Bewe-       mit die Behandelnden mehr über den Pati-
              gungstherapie, die Ergotherapie, die Dra-     enten und die Entwicklung der Depression
              matherapie und die Arbeitstherapie. Neben     erfahren, sei es, um Angehörige über die
              einer allgemeinen Aktivierung dienen diese    Diagnose und Behandlung von Depression
              Therapieformen der Verbesserung grundle-      aufzuklären, aber auch, um bestehende Pro-
              gender Fertigkeiten wie Konzentration und     bleme, Konfikte anzusprechen und ggfs. zu
              Ausdauer, dann aber auch der Aktivierung      lösen. Voraussetzung ist das Einverständnis
              von Ressourcen und Gefühlen. Oft haben        des Erkrankten.
              die Erkrankten erstmalig wieder ein Gefühl         Stationäre Behandlung bei Suizi-
              von Freude, Entspannung oder Bestätigung           dalität
              über das schöpferische Gestalten.             Suizidalität ist ein häufges Symptom bei De-
                                                            pressionen. Dabei bestehen Gedanken oder
                  Psychiatrische Pfege
                                                            Ideen, dem eigenen Leben ein Ende zu set-
              Die psychiatrische Pfege umfasst neben den    zen, also einen Suizidversuch zu begehen.
              grundlegenden Tätigkeiten von Krankenpfe-     Depressiv erkrankte Menschen haben ein er-
              ge die Unterstützung des Patienten im Sta-    höhtes Risiko für Suizidalität. Daher werden

24   InForm
Wo finde ich Hilfe?

Erkrankte mit Suizidalität, die die Verantwor-   die Psychiatrische Institutsambulanz wird
tung für ihr Leben nicht mehr tragen kön-        frühzeitig mit dem Patienten besprochen,
nen, auf der psychiatrischen Intensivstation,    damit die Behandlung nach der Entlassung
der geschützt geführten Station, behandelt.      weitergeführt werden kann.
Dies dient dem Überleben. Sobald jedoch die
                                                 4.2 Psychotherapeutische
Suizidalität abgeklungen ist, wird der Patient
(wieder) auf eine offen geführte Station ver-
                                                     Behandlung
legt.                                            Die ambulante Psychotherapie ist gemein-
                                                 sam mit der medikamentösen Behandlung
    Tagesklinik                                  der wichtigste Behandlungsansatz bei de-
Depressiv erkrankte Menschen können              pressiven Erkrankungen. Sie erfolgt in der
auch in einer Tagesklinik behandelt werden.      Regel auch als Weiterbehandlung nach ei-
Für diese Form der Behandlung sollte die         nem stationären Aufenthalt.
Depression nicht zu schwer sein. Die Tages-
                                                 Das Psychotherapeutengesetz legte 1999
klinik steht eventuell auch am Ende einer
                                                 fest, dass nur noch Ärzte und Psychologen
stationären Behandlung, wenn die Sym-
                                                 mit psychotherapeutischer Ausbildung sich
ptomatik zwar so gebessert ist, dass man
                                                 „Psychotherapeut“ nennen dürfen und mit
nachts nicht mehr im Krankenhaus schlafen
                                                 den Krankenkassen ihre Leistungen im Rah-
muss, jedoch die Behandlung tagsüber noch
                                                 men der Psychotherapie abrechnen können.
braucht, um die Stabilität wirklich gut in den
Alltag zu übertragen.                            Folgende Psychotherapieformen werden von
                                                 den Krankenkassen fnanziert:
    Entlassung
Eine stationäre Behandlung in der psychia-           kognitive Verhaltenstherapie
trischen Abteilung dauert, bis die Depression    Sie gehört zu der Gruppe der Verhaltensthe-
deutlich gebessert ist, in der Regel zwischen    rapien, die mit Gesprächen und Übungen
vier und sechs Wochen. Während der stati-        daran arbeitet, in der Vergangenheit gelern-
onären Behandlung wird auf die Entlassung        te, ungünstige Verhaltensweisen und Blo-
hingearbeitet. Im Sinne einer Belastungser-      ckaden zu identifzieren, zu verändern und
probung wird der Patient aktiv das häusli-       neue, günstigere Verhaltensweisen aufzuzei-
che Umfeld aufsuchen. Schließlich soll die       gen und zu erlernen. Hierzu werden Gedan-
im Krankenhaus erzielte Besserung, das neu       ken, Gefühle und Einstellungen im Rahmen
erworbene Wissen über positiv wirkende Ak-       der Therapie thematisiert, um diese zu ver-
tivitäten frühzeitig zuhause umgesetzt wer-      ändern. Auch die sogenannte Psychoeduka-
den. So „lernen“ die Angehörigen und das         tion, in der Wissen über die Erkrankung und
Umfeld direkt mit. Auch die Nachbehand-          die Möglichkeiten des Umgangs mit eventu-
lung durch eine niedergelassene psychiatri-      ell vorhandenen Einschränkungen vermittelt
sche Praxis, durch eine Psychotherapie oder      wird, ist ein Teil der kognitiven Verhaltens-

                                                                                                 InForm   25
Wo finde ich Hilfe?

              therapie. Die kognitive Verhaltenstherapie      Termine. Da Psychotherapeuten oft eine
              umfasst in der Regel ein bis zwei Sitzungen     Warteliste führen und man nicht sofort einen
              pro Woche, die in Form von Einzelgesprä-        freien Therapieplatz bekommt, ist es emp-
              chen oder auch Gruppensitzungen stattfn-        fehlenswert, sich bei mehreren Therapeuten
              den.                                            auf diese Liste aufnehmen und sich während
                                                              der Wartezeit weiterhin hausärztlich betreu-
                  Psychoanalyse
                                                              en zu lassen.
              Die Psychoanalyse wurde ursprünglich von
              Sigmund Freud im 19. Jahrhundert einge-         Adressen von kassenärztlich zugelassenen
              führt. Laut psychoanalytischer Theorie sind     Therapeuten (Ärzten und Psychologen) be-
              unbewusste Konfikte, traumatische Erfah-        kommen Sie bei der Kassenärztlichen Verei-
              rungen, früh gestörte Beziehungsmuster etc.     nigung Nordrhein oder dem Psychotherapie-
              Ursachen für psychische Erkrankungen. Sol-      Informations-Dienst (siehe „Links“, Kapitel
              che unbewussten Verletzungen und Krän-          5.2).
              kungen aus der Kindheit werden im Rahmen        Seit der Strukturreform der psychotherapeu-
              der psychoanalytischen Therapie aus dem         tischen Versorgung im April 2017 hat sich im
              Verborgenen geholt und aufgearbeitet, weil      Antragsprozedere und in den Vorgehenswei-
              davon ausgegangen wird, dass sie für die        sen der ersten Schritte bis zur Psychotherapie
              Konfikte in der gegenwärtigen Beziehungs-       einiges verändert.
              gestaltung ursächlich sind.
                                                              Jede psychotherapeutische Praxis muss eine
                  tiefenpsychologisch fundierte               Telefonsprechstunde von mindestens 50 –
                  Psychotherapie                              100 Minuten pro Woche anbieten.
              Sie hat ähnliche Annahmen zu Ursachen von       Neu eingeführt wurden auch psychothe-
              psychischen Erkrankungen wie die Psycho-        rapeutische Sprechstunden. Hier fndet ein
              analyse und arbeitet ebenfalls mit psycho-      Erstgespräch statt, in dem die Notwendigkeit
              analytischen Verfahren. Im Unterscheid zur      einer Psychotherapie festgestellt werden soll,
              Psychoanalyse werden hier aber primär aktu-     es dient des Weiteren dem ersten Kennenler-
              elle Konfikte bearbeitet, die Betroffene im-    nen, der Diagnostik und dem Erörtern weite-
              mer wieder erleben, entweder Konfikte mit       rer Hilfsangebote. Es können Empfehlungen
              sich selbst oder in Beziehungen zu anderen      gegeben werden, ob z.B. erst ein Klinikauf-
              Menschen.                                       enthalt oder andere Maßnahmen noch vor
                                                              Beginn einer ambulanten Psychotherapie
              4.2.1 Wie bekomme ich einen                     sinnvoll wären. Der Therapeut kann den
                    Psychotherapieplatz?                      Sprechstundentermin als einen 25 minüti-
              Grundsätzlich hat jeder Betroffene eine freie   gen oder 50 minütigen Termin anbieten. Pro
              Arzt- und Therapeutenwahl und kann auch         Jahr kann bei demselben Therapeuten max.
              ohne Überweisung bei einem Psychothera-         3 mal die Psychotherapeutische Sprechstun-
              peuten anrufen und Gespräche dort wahr-         de à 50 Minuten oder 6 mal die Psycho-
              nehmen – vorausgesetzt, dieser hat freie        therapeutische Sprechstunde à 25 Minuten

26   InForm
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