DEPRESSION - INFORM 2018 - KREIS WESEL
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Inhalt Einleitung/Vorwort 5 1 Allgemeine Informationen (Zahlen, Daten, Fakten) 7 2 Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel 8 3 Krankheitsbild 11 3.1 Wie äußert sich eine Depression? 13 3.2 Wie entsteht eine Depression? 14 3.3 Bin ich gefährdet? 16 3.4 Suizidalität 16 4 Wo fnde ich Hilfe? 19 4.1 Medizinische Hilfe 19 4.1.1 Hausarzt 19 4.1.2 Facharzt 19 4.1.3 Klinik 22 4.2 Psychotherapeutische Behandlung 25 4.2.1 Wie bekomme ich einen Psychotherapieplatz? 26 4.3 Psychosoziale Versorgung 27 4.3.1 Sozialpsychiatrischer Dienst 28 4.3.2 Sozialpsychiatrische Zentren 32 4.3.3 Gerontopsychiatrische Beratung 35 4.4 Erfahrungsgruppen für Menschen mit Depressionen ......................... 38 4.5 Weitere Beratungsstellen 38 4.6 Selbsthilfe 39 5 Service 41 5.1 Adressen 41 5.2 Links 43 5.3 Literaturhinweise [Quelle: „Deutsches Bündnis gegen Depression“] 43 5.4 Selbsttest 45 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. InForm 3
Einleitung / Vorwort Sehr geehrte Leserinnen und Leser, ich freue mich, Ihnen das neue Magazin „InForm 2018“ zum Schwerpunkthema Depression vorstellen zu können. Der Kreis Wesel veröffentlicht seit 2000 dieses, wie ich fnde, besondere und kostenlose Informationsmagazin zu aktuellen Themen aus den Bereichen Gesundheit, Pfege und Soziales. Ziel war und ist es, Sie, liebe Leserinnen und Leser, möglichst verständlich über spezielle Themen der genannten Bereiche zu informieren und auf die vorhandenen Beratungs- und Hilfs- möglichkeiten im Kreis Wesel aufmerksam zu machen. Warum ist das Thema Depression für den Kreis Wesel von besonderer Bedeutung? Allein die Zahlen und Statistiken sprechen dafür, sich mit dieser Volkskrankheit kreisweit auseinander zu setzen: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden über fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungs- bedürftigen Depression. Nahezu 8.000 Menschen begehen jährlich in Zusammen- hang mit einer depressiven Erkrankung Suizid. Jeder zehnte Mensch wird bun- desweit im Laufe seines Lebens mindestens einmal in eine ernsthafte Depression fallen. Nur 30 % der Depressionen werden überhaupt erkannt, gerade mal 10 % der Erkrankten erhalten eine optimale Behandlung. Der Mehrzahl der Betroffenen könnte jedoch durch spezielle Medikamente (Antidepressiva) und/oder Psychothe- rapie erfolgreich geholfen werden. Depressionen werden nach Aussage des „Deutschen Bündnisses gegen Depressi- on“ selbst von Fachleuten noch immer zu häufg übersehen. All dies zeigt mir, dass hier ein Handlungsbedarf – auch auf kommunaler Ebene – besteht. Doch was kann in diesem Bereich getan werden? Gibt es bei dieser häuf- gen psychischen Erkrankung überhaupt eine Einfussmöglichkeit? Ja, denn es kann aufgeklärt werden: Je mehr Informationen in der Bevölkerung und teilweise auch im Gesundheitswesen verbreitet werden, desto höher ist die Chance, eine Depression rechtzeitig zu erkennen und erfolgreich zu behandeln. Ja, denn die Vernetzung und Zusammenarbeit insbesondere im Gesund- heitswesen kann verbessert werden: Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage und Optimierung der Versorgung liegt darin, im Gesundheitswesen enger zum Wohl der Betroffenen zusammenzuarbeiten. InForm 5
Gerade aus der Notwendigkeit der Aufklärung und der besseren Zusammenarbeit heraus ist der Kreis Wesel bereits 2012 dem "Deutschen Bündnis gegen Depres- sion" beigetreten. Hierzu wurde eine Facharbeitsgruppe mit Fachleuten aus der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung gebildet. Diese Facharbeitsgruppe analysierte die Versorgungssituation im Kreis Wesel und formulierte Handlungs- felder. Was möchte das Bündnis erreichen? Drei Botschaften stehen im Mittelpunkt: Depression kann jede/n treffen, Depressi- on hat viele Gesichter (sprich: die Anzeichen und Symptome sind unterschiedlich) und eine Depression ist behandelbar. Durch diese Bevölkerungsinformation sollen Tabus abgebaut und Hemmschwellen bei der Suche nach professioneller Hilfe be- seitigt werden. Die vorliegende Ausgabe von „InForm“ will hierzu einen Beitrag leisten. Ich hoffe, dass Sie dieses Heft mit Gewinn lesen und ein wenig mehr über die Volkskrankheit Depression erfahren. Ich wünsche Ihnen alles Gute und vor allem eine „gute Gesundheit“. Ihr Landrat Dr. Ansgar Müller 6 InForm
(Zahlen, Daten, Fakten) 1. Allgemeine Informationen (Zahlen, Daten, Fakten) Depressionen zählen zu den Volkskrank- [Quelle: Jacobi et.al. 2016 Erratum zu: heiten, wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Psychische Störungen in der Allgemeinbe- Krebserkrankungen. völkerung. Studie zur Gesundheit Erwach- sener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Depressionen treten in allen Bevölkerungs- „Psychische Gesundheit“ (DEGS1-MH); Ro- gruppen auf. Diese Erkrankung ist die wich- bert-Koch-Institut: Journal of Health Monito- tigste Ursache für Behinderungen und laut ring 2017 1. Allgemeine Informationen Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 350 Millionen Menschen weltweit an Für den Kreis Wesel ergibt sich daraus, dass einer Depression erkrankt. während eines Jahres rund 30.000 Men- Die Häufgkeit, einmal im Leben an einer De- schen an einer Depression erkrankt sind. pression zu erkranken (Lebenszeitprävalenz), [Quelle: Bevölkerungsstatistik Kreis Wesel reicht von etwa 3 % in Japan bis zu 16,9 % und Robert-Koch-Institut] in den USA. Das Risiko, an einer Depression zu erkran- ken, steigt bei Jugendlichen gegenüber Kin- Situation in Deutschland dern an: Mindestens 8,2 % aller erwachsenen Men- Bei Kindern im Vorschulalter liegt die schen in Deutschland leiden aktuell an einer Häufgkeit bei ca. 1 %. depressiven Erkrankung. Dies sind etwa 5,3 Millionen Menschen. Im Grundschulalter sind ca. 2 % der Kinder betroffen. In einer Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) und der Studie zur Aktuell leiden 3 bis 10 % aller Jugend- Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA lichen zwischen 12 und 17 Jahren unter 2014/2015- EHIS) wurden in einer Stichpro- einer Depression. Das macht durch- be von mehr als 23.000 Personen im Alter schnittlich zwei Schüler pro Klasse. von 18 bis 79 Jahren depressive Symptome sowie ärztlich diagnostizierte Depressionen [Quelle: www.deutsche-depressionshilfe. erhoben. Demnach besteht aktuell eine de- de/depression-infos-und-hilfe/depression- pressive Symptomatik bei 10,1 % der Er- in-verschiedenen-facetten/depression-im- wachsenen, wobei Frauen mit 11,6 % häu- kindes-und-jugendalter] fger betroffen sind als Männer mit 8,6 %. InForm 7
2. Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel 2. Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel Deutsches Bündnis gegen Depression – das bundesweite Netzwerk (März 2017) 1 Aachen 42 Marburg 83 Osnabrück 2 Alzey-Worms 43 Memmingen-Unterallgäu 3 Berlin 44 München 4 Bernkastel-Wittlich 45 Münster 5 Bochum 46 Neckar-Alb 6 Bonn/ Rhein-Sieg 47 Neckar-Odenwald-Kreis 7 Bremen 48 Nordhessen 8 Cham 49 Nürnberg 9 Darmstadt 50 Nürnberger Land 10 Dillingen 51 Oberhausen 11 Dithmarschen 52 Weser-Ems 12 Donau-Bodensee 53 Olpe-Siegen-Wittgenstein 13 Dortmund 54 Ostfriesland 14 Dresden 55 Paderborn 15 Duisburg 56 Plauen/Vogtlandkreis 16 Düren 57 Kreis Plön 17 Düsseldorf 58 Recklinghausen 18 Eisenhüttenstadt 59 Regensburg 19 Erlangen 60 Rhein-Ahr-Wied 20 Essen 61 Rhein-Hunsrück-Kreis 21 Flensburg 62 Rhein-Neckar-Süd 22 Freiburg 63 Rostock 23 Fulda 64 Saarland 24 Fürth 65 Schleswig-Flensburg 25 Göppingen 66 Schwarzwald/ Zollern-Alb 26 Kreis Groß Gerau 67 Schwerin 27 Gütersloh 68 Stadtroda-Thüringen 28 Hamburg-Harburg 69 Kreis Steinfurt 29 Hanau 70 Kreis Wesel 30 Hannover 71 Würzburg 31 Heidenheim 72 Wuppertal 32 Herne 73 Hochsauerlandkreis 33 Hildesheim/ Peine/ Gifhorn 74 Rheinisch-Bergischer Kreis 34 Ingolstadt 75 Rottal-Inn 35 Kaiserslautern/Westpfalz 76 Saalfeld-Rudolstadt 36 Kempten 77 Frankfurt am Main 37 Landau-Südliche Weinstraße 78 Görlitz 38 Leipzig 79 Leverkusen 39 Lübeck 80 Emsland 40 Halle (Saale) 81 Schaumburg 41 Mainz 82 Rotenburg (Wümme) * offizielle Kampagne beendet; teilweise weiterhin Aktivitäten Bereits im Jahr 2012 trat der Kreis Wesel über die Krankheit Depression. Hier sollen dem „Deutschen Bündnis gegen Depression insbesondere drei Botschaften vermittelt e.V.“ bei und gründete das „Bündnis gegen werden: Depression im Kreis Wesel“. Depression kann jeden treffen, Viele verschiedene Regionen in Deutschland Depression hat viele Gesichter (sprich: und in Europa haben regionale Bündnisse die Anzeichen und Symptome sind un- gegründet, welche die Ziele verfolgen: terschiedlich) und die gesundheitliche Situation depres- eine Depression ist behandelbar. siver Menschen zu verbessern Dazu wurde eine Arbeitsgruppe mit Fach- das Wissen über die Krankheit in der leuten aus dem Kreis Wesel eingerichtet. Bevölkerung zu erweitern Vertreten sind hier Mitarbeitende der psy- Suiziden vorzubeugen chiatrischen Fachabteilungen des St. Josef Krankenhauses GmbH, Moers, und des St. Im Vordergrund des hiesigen Bündnisses Vinzenz Hospitals, Dinslaken, Vertretungen steht dabei die Information der Bevölkerung von Hausärzten, Fachärzten für Psychiatrie 8 InForm
Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel und Psychotherapie, psychologischen Psy- Interessierte sich von Betroffenen gemachte chotherapeuten, die drei Sozialpsychiatri- Fotos, die den jeweils individuellen Weg aus schen Zentren im Kreis Wesel, die Selbsthilfe- der Depression zeigen, ansehen. Ummantelt Kontaktstelle, Krankenkassenvertretungen, wurde die Ausstellung von zwei Vortragsver- ein Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen anstaltungen, die auf der einen Seite vertie- Dienstes, die gerontopsychiatrischen Fach- fendes Wissen zu einer guten Depressions- beraterinnen sowie die Koordination der behandlung vermittelten und zum anderen psychiatrischen und psychosozialen Versor- die Depression im Wandel der Zeit beleuch- gung im Kreis Wesel. teten. In den vergangenen Jahren haben viele ver- 2016 lag der Schwerpunkt auf dem Start schiedene Aktionen stattgefunden, um über der „Erfahrungsgruppen für Menschen mit die Erkrankung Depression zu informieren Depressionen im Kreis Wesel“. Hier gelang und die Bevölkerung aufzuklären. es, durch Kooperation mit dem Duisburger Bündnis gegen Depression und der BKK Ein innovativer Weg der Öffentlichkeitsarbeit Novitas ein Angebot für depressiv erkrank- wurde gemeinsam mit dem Schloßtheater te Menschen, die auf einen Therapie- oder Moers beschritten. Im März 2014 hat ein Behandlungsplatz warten, zu starten. (siehe Aktionstag „Depression und Gesellschaft“ 4.5) stattgefunden. Unter dem Titel „Krise als Chance“ haben diverse Lesungen, Vorträge Im März 2017 fand eine gut besuchte Nach- und musikalische Darbietungen mögliche mittagsveranstaltung zum Thema „Suizidali- gesellschaftliche Ursachen der Thematik be- tät bei Depressionen“ statt. Hier wurde die leuchtet. Dies war eingebettet in die Spielzeit wichtige - aber häufg aus Scheu nicht the- des Theaterstückes „Under Cover“, einem matisierte - Problematik der Suizidalität aus Rechercheprojekt von Barbara Wachendorff. verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Ein besonderes Augenmerk der sich an Fachleu- Hier stellten zwei professionelle Schauspieler te aus der psychosozialen Versorgung rich- gemeinsam mit Betroffenen in regelmäßigen tenden Vorträge lag auf dem Umgang mit Vorstellungen verschiedene Aspekte der De- Suizidalität. Die Möglichkeit, direkt Fragen pression als Teil eines gesellschaftlichen Phä- an die Experten zu richten, wurde durch die nomens dar. mehr als 80 Teilnehmenden rege genutzt. Diese künstlerische Art der Begegnung mit Zwei Workshops mit dem Titel „Depression – der Depression wurde dann 2015 durch die und jetzt?!“ fanden 2017 in Wesel und Moers Fotoausstellung „Wege aus der Depression“, statt. Hier hatten die etwa 120 Betroffenen, welche insgesamt für vier Wochen im Kreis die die Veranstaltungen besuchten, die Mög- Wesel zu sehen war, vertieft. Hier konnten lichkeit, sich über die Erkrankung und deren InForm 9
Bündnis gegen Depression im Kreis Wesel Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Ausblick: Darüber hinaus konnten sie in praktischen Weiterhin ist es dem Bündnis gegen Depres- Workshops erleben, welche Möglichkeiten sion ein Anliegen, über die Erkrankung und es neben der klassischen medizinischen und die Auswirkungen aufzuklären, um Vorurtei- psychotherapeutischen Behandlung gibt, um le abzubauen und dem Stigma entgegen zu den Verlauf der Erkrankung und die Lebens- wirken. qualität positiv zu beeinfussen. Neben der Zielgruppe der Betroffenen sollen auch die Angehörigen in den Blick genom- men werden. Die Erkrankung betrifft nicht nur die Betroffenen selber sondern in der Re- gel auch das nahe soziale Umfeld. Darüber hinaus wurde die Kooperation mit der BKK Novitas für weitere drei Jahre ver- längert, so dass die „Erfahrungsgruppen für Menschen mit Depression im Kreis Wesel“ vorerst bis Ende 2020 angeboten werden können. 10 InForm
3. Krankheitsbild 3. Krankheitsbild Jeder Mensch kennt Phasen in seinem Le- der Ärzte gefragt, durch genaues Nachfra- ben, in denen er „schlecht drauf“ ist. Das gen eine Depression zu diagnostizieren. Wetter, Stress am Arbeitsplatz, Streit in der Familie; all das und vieles mehr sind Gründe Depression ist behandelbar. Aber wie bei dafür. Häufg wird auch im Alltag der Begriff anderen Erkrankungen auch gilt: je eher sie „Depression“ gebraucht, um diesen Zustand erkannt und behandelt werden, desto grö- zu beschreiben: „Ich fühle mich depressiv.“ ßer der Behandlungserfolg. Die wichtigsten Säulen der Behandlung sind die Einnahme Die Depression im medizinischen Sinne ist von Medikamenten (Antidepressiva) und die jedoch etwas anderes. Hiermit ist nicht eine Psychotherapie. Die Behandlung mit Medi- vorübergehende Phase von Niedergeschla- kamenten gilt inzwischen als unverzichtbares genheit oder Trauer gemeint. und wirksames Heilverfahren. Wichtig ist hier Die Depression ist eine ernstzunehmende Er- zu wissen, dass Antidepressiva nicht süchtig krankung, die ein erhebliches – auch körper- machen und auch keine Persönlichkeitsver- liches – Leiden verursacht. Sie beeinträchtigt änderung verursachen. Aber auch psycho- die Stimmung, das Denken und Fühlen der therapeutische Verfahren wie z.B. die kog- Betroffenen. Depressiv Erkrankte sind in ih- nitive Verhaltenstherapie haben ihren festen rer gesamten Lebensführung beeinträchtigt. Platz bei der Behandlung der depressiven Er- Häufg bestehen Suizidgedanken – was die krankung. Oft werden beide Therapieformen Depression unter Umständen zu einer tödli- kombiniert. Hinzu können andere thera- chen Krankheit macht. peutische Angebote kommen, die zur Ver- besserung der Symptomatik, der Alltagsbe- Depression kann jeden treffen. Allein in wältigung und der Lebensqualität beitragen. Deutschland leiden derzeit rund fünf Millio- nen Menschen an einer Depression. Betrof- Fallbeispiel fen sind alle Altersgruppen. Berufe und auch Herr S., aus D., 53 Jahre: die soziale Lage spielen keine Rolle. Die De- pression ist kein Ausdruck des persönlichen „Ich kann gar nicht genau sagen, wann das bei mir anfng. Eigentlich ist alles gut, sollte Versagens. man meinen. Ich arbeite in einer leitenden Depression hat viele Gesichter. Oft kommt Position, habe Frau und 2 Kinder und viele die Depression quasi aus heiterem Himmel. sagen, wir würden ein Leben wie aus dem Sie kann sich aber auch langsam anschlei- Bilderbuch führen. chen. Manchmal ist sie nur schwer von einer Aber irgendwann muss es ja angefangen ha- Befndlichkeitsstörung oder einer Lebenskri- ben. Als ich es bemerkt habe, war es irgend- se zu unterscheiden. Häufg äußert sie sich wie schon zu spät. Es ist so über mich ge- auch durch (begleitende) körperliche Symp- kommen. Auf einmal konnte ich kaum noch tome. Hier sind die besonderen Fähigkeiten aufstehen. Alles war mir zu viel. Die Arbeit, InForm 11
Krankheitsbild die ich sonst wirklich gerne gemacht habe, verschiedene Beschwerden, aber so richtig hat mich überfordert. Wenn ich dann nach mit der Wahrheit traute ich mich nicht raus. Hause gekommen bin, wollte ich eigentlich Ich erzählte ihm, dass ich schlecht schlafe nur noch ins Bett und mir die Decke über und immer müde sei und wohl deshalb auch den Kopf ziehen. Selbst zum Abendessen verspannt wäre und mich nicht gut konzen- mit der Familie musste ich mich aufraffen. trieren könne. Das einzige was noch einigermaßen funkti- Aufgrund meiner Schilderung schrieb er onierte, war das pünktliche Erscheinen auf mich eine Woche krank, und falls es nicht der Arbeit. Musste ja schließlich sein, mein besser würde, solle ich in der nächsten Wo- Verdienst war unsere Existenzgrundlage. che wiederkommen. Meine Frau sprach mich schon früh auf mein In der darauffolgenden Woche kam ich in verändertes Verhalten an, aber ich wollte die Praxis und die Sprechstundenhilfe gab nicht zuhören, oder es vielleicht auch nicht mir einen Bogen mit verschiedenen Fragen, wahr haben. So habe ich es immer abgetan, welche ich beantworten solle, bevor ich zum habe mir und ihr eingeredet, dass ich einfach Arzt reinginge. Ich sollte meine Stimmung viel Stress im Büro hätte und deshalb müde und Gefühle der letzten Wochen mit ein sei. paar Ja/Nein Fragen beantworten. Eines Tages war es dann soweit, meine Ar- Den ausgefüllten Bogen nahm ich dann mit beitsleistung hatte stark nachgelassen, ich ins Sprechzimmer und nachdem der Arzt konnte mich nicht mehr konzentrieren, war sich diesen angesehen hatte, sprach er mich in Besprechungen nicht aufmerksam, und darauf an, dass meine Symptome und auch mein Vorgesetzter sprach mich darauf an. die Auswertung des Testes darauf hinwiesen, dass ich eine Depression hätte. Er stellte mir In diesem Gespräch schaffte ich es noch so daraufhin noch verschiedene Fragen, welche gerade, mich aufrecht zu halten. Anschlie- ich ihm beantwortete. ßend ging ich jedoch nach Hause und ich hatte das Gefühl, alles gleite mir aus den Nach dem Gespräch verschrieb er mir ein Händen. Antidepressivum. Außerdem wollte er mich in zwei Wochen wiedersehen. Ich war ehr- Jetzt war die Depression nicht nur in meinem lich gesagt skeptisch und nahm das Rezept Privatleben, sondern auch auf der Arbeit erstmal mit nach Hause. Nachdem ich mit angekommen. Ich war total hoffnungslos, meiner Frau darüber gesprochen hatte, ha- hatte das Gefühl, es wird nie wieder besser ben wir das Medikament in der Apotheke werden. besorgt und ich entschied mich, es zumin- Am nächsten Tag meldete ich mich krank. dest zu versuchen. Ich hatte ja nichts zu Und an dem darauffolgenden Tag auch. Ab verlieren. Der Arzt hatte mich schon darauf dem dritten Tag benötige ich ein Attest des hingewiesen, dass ich es erst einmal 2 – 3 behandelnden Arztes und so quälte ich mich Wochen regelmäßig einnehmen müsse, be- zu meinem Hausarzt. Diesem schilderte ich vor ich eine Wirkung feststellen könne. 12 InForm
Krankheitsbild Ich nahm die Tablette regelmäßig ein, und 3.1 Wie äußert sich eine auch meine Frau achtete mit mir gemein- Depression? sam darauf, dass ich sie nahm. Beim nächs- Depressionen gehen häufg mit Nieder- ten Arzttermin konnte ich mitteilen, dass ich geschlagenheit, Antriebslosigkeit und mit mich deutlich besser fühlte. Meine Ängste, gedrückter Stimmung einher. Betroffene dass das Antidepressivum abhängig macht berichten von innerer Leere, davon, keine oder mich verändert, konnte der Arzt mir Gefühle mehr zu empfnden und kein Inte- nehmen. resse mehr an den Dingen zu haben, die ih- Er schrieb mich noch eine weitere Woche nen vorher Freude bereitet haben. krank und im Anschluss daran sollte ich mei- ner Tätigkeit wieder nachgehen. Zusätzlich haben Betroffene häufg das Ge- fühl, selbst an ihrer Situation Schuld zu ha- Ich habe dann all meinen Mut zusammenge- ben. Sie fühlen sich nicht mehr wertvoll und nommen und ein Telefonat mit meinem Chef glauben, dass sie es nicht wert sind, dass geführt, bevor ich wieder angefangen habe zu arbeiten. In diesem Gespräch berichtete Angehörige, Freunde und andere sich um sie ich davon, dass ich eine Depression hätte kümmern. und er war dankbar dafür, dass ich so offen Es fällt depressiv erkrankten Menschen zu ihm gewesen bin. schwer, optimistisch in die Zukunft zu bli- Mithilfe der Medikamente und dank der Un- cken und für sich positive Zukunftsperspekti- terstützung durch meine Frau geht es mir ven zu entwickeln. heute viel besser. Der Tiefpunkt ist jetzt 3 Monate her. Natürlich gibt es immer noch Sie können sich nur schwer konzentrieren gute und weniger gute Tage. Das Antide- und leiden unter herabgesetzter Aufmerk- pressivum nehme ich nach wie vor ein und samkeit. mein Hausarzt betreut mich weiter. Er hat Häufg kommen noch Appetitlosigkeit und mir auch eine Liste mit verschiedenen Bera- Schlafstörungen in Form von Ein- und Durch- tungsstellen gegeben, an welche ich mich schlafstörungen sowie ein ausgeprägtes wenden kann. Bisher habe ich keine davon Morgentief hinzu. aufgesucht, aber meine Frau hat ein Be- ratungsgespräch im sozialpsychiatrischen Suizidgedanken und -handlungen können Dienst wahrgenommen, um ihre Situation ebenfalls Symptome der Erkrankung „De- bei meiner Erkrankung zu besprechen. pression“ sein. Die Betroffenen wünschen sich, aus der für sie ausweglosen Situation Denn das ist mir deutlich geworden: Meine Depression hat nicht nur mich getroffen, irgendwie zu entkommen. Im schlimmsten sondern auch meine Familie.“ Fall dadurch, dass sie ihr Leben beenden. Gar nicht selten treten noch weitere rein kör- perliche Symptome, wie beispielsweise Kopf- InForm 13
Krankheitsbild und Rückenschmerzen, Atembeschwerden, 3.2 Wie entsteht eine Herz-Kreislauf-Beschwerden usw. auf, die Depression? zuerst einmal im Vordergrund stehen und Es ist noch nicht abschließend erforscht, was es erschweren, eine Depression zu erkennen genau der Auslöser für eine Depression ist. und zu diagnostizieren. Fest steht, dass verschiedene Faktoren bei Es gibt also zahlreiche und sehr unterschied- der Entstehung einer Depression eine Rolle liche Symptome, die auf eine depressive spielen. Biologische, psychische und soziale Erkrankung hinweisen. Sie äußern sich bei Aspekte wirken zusammen. jedem davon betroffenen Menschen unter- schiedlich intensiv und ausgeprägt. 14 InForm
Krankheitsbild Diese Faktoren lassen sich bildlich darstellen, wie die zwei Seiten einer Medaille: Quelle: www.deutsche-depressionshilfe.de/ depression-infos-und-hilfe/ursachen-und-ausloeser Auf der linken Seite sind die psychosozia- ebenfalls daran zu erkranken. Sind beide len Faktoren dargestellt, die auf eine Person Elternteile betroffen, steigt das Risiko um einwirken. Hier fnden Überforderungen, 28,5 %. Stress, traumatische Erfahrungen etc. ihren Ebenfalls zu den körperlichen Aspekten ge- Platz. Aber auch scheinbar positive Erlebnis- hören die neurobiologischen Faktoren. Hier- se, wie die Geburt eines Kindes oder eine zu zählen zum einen die Veränderungen der Beförderung, können als Auslöser für eine Botenstoffe im Gehirn (Serotonin, Norad- Depression gelten. Sie erhöhen unter Um- renalin etc.) und zum anderen hormonelle ständen das Risiko, an einer Depression zu Veränderungen (dauerhafter Ausstoß von erkranken. Hier setzt die Psychotherapie als Stresshormonen, wie Cortisol). Behandlungsmöglichkeit an. An den neurobiologischen Ursachen setzen Die rechte Seite des Schaubildes stellt die die verschiedenen Antidepressiva mit ihren körperlichen Ursachen, wie etwa genetische Wirkungen an. Faktoren, die die Sensibilität, depressiv zu Antidepressiva machen entgegen vieler Vor- erkranken, erhöhen und die Veränderungen urteile nicht abhängig und verändern auch des hormonellen Gleichgewichts etc. dar. die Persönlichkeit nicht. Die positive Wir- Studien belegen eine familiäre Häufung von kung des Medikamentes tritt jedoch je nach Depressionen. Ist beispielsweise ein Eltern- gewähltem Wirkstoff erst nach einigen Ta- teil an einer depressiven Episode erkrankt, gen bis Wochen kontinuierlicher Einnahme erhöht sich das Risiko des Kindes um 12 %, ein. InForm 15
Krankheitsbild Nach heutigen Forschungsergebnissen ist die 20000 18451 18825 18711 18417 18000 17677 17571 Entstehung einer Depression in der Regel ein 16000 16269 16625 15590 Zusammenspiel beider Seiten. Es geht nicht 14567 13924 14011 14000 13458 12888 12690 12718 12225 12265 um die „Entweder – Oder“-Frage, sondern 12000 11644 11157 11065 11156 11163 11150 10733 10260 10209 10080 10021 10144 9890 10076 10000 9765 9616 9402 9451 um sich ergänzende komplementäre Sicht- 8000 weisen zur Behandlung der Erkrankung. 6000 4000 2000 3.3 Bin ich gefährdet? 0 Im Anhang auf Seite 45 fnden Sie einen (Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/583/umfrage/sterbefaelle-durch-vorsaetzliche-selbstbeschaedigung/, Zugriff Februar 2017) Suizide in Deutschland 1998 – 2015 Selbsttest, entwickelt vom Bündnis gegen Quelle: www.gbe-bund.de Depression in Leipzig, Prof. Hegerl, welcher Ihnen eine erste Einschätzung dazu geben 1.200 Menschen durch Drogen und ca. 400 kann, ob Hinweise auf eine depressive Er- Menschen durch AIDS gestorben. krankung vorliegen. Bitte beachten Sie, dass Besonders ältere Männer sind für Suizide als dieser Test nur Anhaltspunkte dazu geben Risikogruppe zu betrachten. Frauen hingegen kann, ob Anzeichen für eine depressive Er- verüben deutlich mehr Suizidversuche, ins- krankung vorliegen. Falls dies bei Ihnen der besondere in jüngeren Jahren. Fall sein sollte, wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt. Der Selbsttest ersetzt keine ärztliche Affektive oder Gemütsstörungen, speziell Diagnose. depressive Erkrankungen sind der häufgste Grund für suizidale Handlungen. Auch kri- tische äußere Ereignisse wie der Tod eines 3.4 Suizidalität nahen Angehörigen, der Verlust des Arbeits- Etwa 10.000 Menschen nehmen sich in platzes, Schulden oder chronische Erkran- Deutschland jährlich das Leben. Die Zahl der kungen können Suizidgedanken auslösen. Suizidversuche wird auf etwa 100.000 pro Studien haben jedoch keinen direkten Zu- Jahr in Deutschland geschätzt. Das bedeu- sammenhang zwischen Arbeitslosigkeit oder tet, dass alle 53 Minuten ein Mensch durch schwerer Krankheit und Suizidalität gefun- Suizid verstirbt und alle 5 Minuten ein Suizid- den, sondern gehen eher davon aus, dass die versuch durchgeführt wird. Mehrheit in der Lage ist, diese „Schicksals- So verstarben 2015 in Deutschland 10.080 schläge“ zu verarbeiten und nur ein kleiner Menschen an einem Suizid, wobei statistisch Teil ohne das Vorhandensein einer psychiat- gesehen dreimal mehr Männer als Frauen ei- rischen Erkrankung mit Suizidalität reagiert. nen Suizid begehen. Daher gilt: Die beste Suizidprävention ist Zum Vergleich hierzu sind im Jahr 2015 ca. die Behandlung der psychiatrischen Er- 3.500 Menschen durch den Verkehr, ca. krankung. 16 InForm
Krankheitsbild Es gibt Alarmzeichen, die auf eine konkrete Ganz wichtig bei akuter Suizidalität ist, nicht Suizidgefahr hinweisen können. Hierzu zäh- alleine in der aussichtlos erscheinenden Situ- len: ation zu verbleiben. Suizidandrohungen und -ankündigungen Ist ein Mensch in einer akuten Suizidalität nicht mehr durch Gespräche erreichbar und Das Vorurteil, dass ein Mensch, der davon nicht bereit, gemeinsam Hilfe aufzusuchen, spricht, es doch nicht tut, ist falsch. sollte zu seinem Schutz der Notarzt verstän- Große Hoffnungslosigkeit und unzu- digt werden. Diesem sollte die Situation ge- reichende/fehlende Aufhellbarkeit· nau berichtet werden. Kein offener/glaubwürdiger Umgang Wichtig ist, Zeit zu gewinnen, da der Wunsch bei direkter Ansprache zum Thema oder zu sterben in der Regel ein vorübergehender Verneinung von Suizidäußerungen, die Zustand ist. vor anderen getätigt wurden Angelegenheiten ordnen, Abschied nehmen Viele Menschen verschenken Wertgegen- stände, verabschieden sich, verfassen ihr Testament. Sie wirken auf Außenstehende ruhiger, weniger verzweifelt, wenn einmal der feste Entschluss zum Suizid gefasst wur- de. Das Umfeld kann zu dem trügerischen Schluss kommen, dass es dem Betroffenen wieder besser geht. Wenn Anzeichen für eine konkrete Suizidge- fahr vorliegen, sollte das Thema in ruhiger und sachlicher Weise angesprochen werden. In der Regel stellt es für den Betroffenen eine Entlastung dar, wenn er mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken spre- chen kann. Darüber hinaus sollte das Umfeld den Betroffenen dabei unterstützen, profes- sionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hilfs- und Unterstützungsadressen fnden Sie im Anhang. InForm 17
Krankheitsbild Fallbeispiel Ich bin dann, nachdem ich versucht hatte, Herr B. aus W., 58 Jahre: mir das Leben zu nehmen, notfallmäßig in „Ich habe schon immer während meines Le- eine Klinik für Psychiatrie und Psychothera- bens Phasen gehobener und dann wieder pie aufgenommen worden. antriebsloser Stimmung gehabt. Dort habe ich an einer Mischung aus Ein- Zum Glück hatte ich meine Familie und mei- zel- und Gruppengesprächen, an kreativthe- ne Arbeit. Damit konnte ich mich immer sel- rapeutischen Angeboten, Bewegung und ber aus den Löchern befreien. Auch als mei- Entspannung teilgenommen. Wichtig war ne Tochter anfng, unter Depressionen zu für mich insbesondere die erste Zeit, in der leiden, kam ich nicht auf die Idee, dass ich Ärzte, Psychologen, Pfegekräfte, Kreativthe- vielleicht auch eine Depression haben könnte. rapeuten und Mitpatienten über die Diagno- se, notwendige Behandlungsschritte und die Meine Tochter wurde dann vor 2 Jahren in Zeit nach der Klinik gesprochen haben. einer Klinik behandelt. Als sie entlassen wur- de, hatte sie vor, ein neues Leben anzufan- Ich habe in dieser Zeit verstanden, dass ich gen, hatte ihre Medikamente abgesetzt und vermutlich schon lange Depressionen hat- nach wenigen Monaten war sie wieder de- te und diese früher hätte behandeln lassen pressiv und hat sich dann das Leben genom- können. men, obwohl alles andere in ihrem Leben Ich habe zudem viel über die Krankheit mei- perfekt war. ner Tochter und den Weg in deren Suizid ver- In der Zeit danach habe ich mich viel mit dem standen und beginne, meine, für mich noch Tod auseinandergesetzt und auch psycholo- offenen Fragen für immer zu beantworten. gische Hilfe gesucht. Ich bin noch in ambulanter Behandlung und Vor 6 Monaten wurde mir deutlich, dass besuche zudem eine Selbsthilfegruppe für mein Betrieb in Konkurs gehen würde. In Männer mit depressiven Erkrankungen. Ich dieser Zeit wurde ich depressiv. bin in meinem Leben wieder angekommen und es erscheint mir unvorstellbar, dass ich es Jetzt drängten sich immer wieder Gedanken war, der nicht leben wollte. Denn in meinem auf, dass ich nicht mehr leben wollte. Ich Leben gibt es Probleme, aber es erscheint habe mich über mehrere Wochen damit be- mir nun möglich, diese zu bewältigen“. schäftigt und eigentlich kann ich heute nicht mehr verstehen, warum ich andere Wege nicht mehr gesehen habe. Aber ich konnte mir nur noch vorstellen zu sterben. 18 InForm
4. Wo finde ich Hilfe? 4. Wo finde ich Hilfe? Im Kreis Wesel existiert ein breites Netz an 4.1.1 Hausarzt Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Dieser hat nach einem abgeschlossenen depressiv erkrankte Menschen und deren Medizinstudium entweder die Facharztwei- Angehörige/soziales Umfeld. terbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin absolviert oder sich als Facharzt für innere Im Folgenden werden die einzelnen Bereiche Medizin mit hausärztlicher Versorgung nie- näher vorgestellt. dergelassen. Hausärzte können auch in fach- übergreifenden Versorgungszentren tätig 4.1 Medizinische Hilfe sein. Im Kreis Wesel gibt es etwa 536 niedergelas- sene Ärzte. Davon sind 245 in hausärztlichen Ihre Hausarztpraxis ist die erste Anlaufstelle Praxen tätig. 17,5 Ärzte sind als Psychiater/ für Sie, wenn Sie glauben, dass Sie an einer Neurologen und Ärzte für Nervenheilkunde Depression leiden könnten oder ein Freund, tätig. Hinzu kommen 14 Ärzte, die (auch) eine Bekannte oder ein Familienmitglied be- troffen ist. Sprechen Sie nicht nur über mög- psychotherapeutisch arbeiten. Darüber hin- licherweise auftretende körperliche Sympto- aus sind 58 psychologische Psychotherapeu- me mit Ihrem Hausarzt, sondern auch über ten im Kreis Wesel zugelassen. Veränderungen Ihrer Stimmung und Ihres [Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Nord- seelischen Befndens. rhein, Stand 2018] Dort kennt man Sie meist schon seit Jahren Hinzu kommen in Dinslaken, Rheinberg und und kann Ihre Beschwerden und Krankheits- Wesel jeweils von den psychiatrischen Abtei- zeichen richtig einordnen. Darüber hinaus lungen der Krankenhäuser betriebene Insti- können Sie bei Bedarf von dort aus an einen tutsambulanzen, in denen Betroffene unter anderen Facharzt, oder weitere Anlaufstel- bestimmten Voraussetzungen ärztlich und/ len, wie psychosoziale Dienste, weitergelei- oder psychotherapeutisch behandelt werden tet werden. Zögern sie nicht, Ihren Hausarzt können. auf das Thema Depression anzusprechen, denn er ist die erste Anlaufstelle in unserem Nachstehend werden Ihnen die verschiede- Gesundheitswesen! nen medizinischen Berufsbezeichnungen näher erläutert, damit Sie einen Überblick 4.1.2 Facharzt darüber bekommen, wie vielfältig das medi- Unter der Bezeichnung „Facharzt“ werden zinische System ist. Ferner wird dargestellt, die nachfolgenden Gruppen verstanden: was bei einem Besuch in einer ärztlichen Pra- Psychiater (Fachärzte für Psychi- xis durchgeführt wird. atrie und Psychotherapie) haben im Anschluss an das Medizinstu- dium eine psychiatrische Facharztwei- terbildung absolviert. Zudem sind sie InForm 19
Wo finde ich Hilfe? in der Regel auch psychotherapeutisch und die Entwicklung der Beschwerden im ausgebildet. Sie können sowohl Medi- zeitlichen Ablauf. Wichtig ist die Frage, ob kamente verschreiben als auch psycho- früher bereits Depressionen aufgetreten wa- therapeutische Verfahren anwenden. ren. Auch die familiären und sozialen Hinter- gründe werden aufgearbeitet, und es wird Neurologen (Fachärzte für Neu- auf die allgemeine biografsche Entwicklung rologie) der Patienten eingegangen, um eventuell haben ebenfalls ein Medizinstudium ab- mögliche Einfüsse auf die akute Erkrankung geschlossen und sich in ihrer anschlie- aufzudecken. ßenden Facharztausbildung auf neu- rologische Erkrankungen konzentriert. Weiterhin ist die allgemeine Vorgeschichte Nervenärzte“ ist eine ältere Bezeich- mit Fragen nach aktuellen körperlichen Er- “ nung für Neurologen und Psychiater. krankungen bzw. körperlichen Vorerkran- Diese haben sowohl eine Ausbildung in kungen für die Gesamtbeurteilung wichtig. Neurologie als auch im Bereich Psychia- Es ist immer sehr hilfreich, wenn vorliegende trie und behandeln auch Depressionen. Befundberichte über frühere Behandlungen Fachärzte für psychosomatische und insbesondere auch eine aktuelle Liste Medizin und Psychotherapie einzunehmender Medikamente mitgebracht werden. haben nach dem Medizinstudium eine psychotherapeutische und psychoso- Ergänzend zu dem Gespräch wird in der matische Weiterbildung absolviert und Regel auch eine körperliche Untersuchung behandeln körperliche Beschwerden, durchgeführt, denn eine gründliche körper- die im Zusammenhang mit psychischen liche und insbesondere neurologische Un- Prozessen stehen. tersuchung ist zur Unterscheidung zwischen Doch was passiert bei einem Arztbesuch? möglicherweise auch körperlich begründe- Erhebung der Leidens- / Krankheitsge- ten Erkrankungen sehr wichtig. Manchmal schichte liegen unabhängige körperliche Erkrankun- gen vor, die erkannt und entsprechend be- Zuerst wird eine Untersuchung des Patienten handelt werden müssen. Gegebenenfalls durchgeführt. Denn nur zusammen mit einer werden noch weitere Untersuchungen ver- sorgfältigen Erhebung der Leidens-/Krank- anlasst, zum Beispiel Laboruntersuchungen heitsgeschichte ist eine Diagnose möglich. oder apparative Diagnostik, wie zum Beispiel Die Untersuchung besteht aus einem Ge- ein EEG oder bildgebende Verfahren, wie spräch, in dem der Arzt die notwendigen eine Kernspintomographie oder eine Com- Informationen über die Beschwerden und putertomographie des Gehirns. durch weitere gezielte Nachfragen auch über die Krankheitssymptome erhält. Meist geht Dies leitet über zum nächsten Schritt, näm- es dabei zunächst um die akuten Probleme lich der Diagnosestellung bzw. Behandlung. 20 InForm
Wo finde ich Hilfe? Behandlung möglichst optimale Verträglichkeit zu ge- Gespräche währleisten. Schlafstörungen lassen sich durch die entsprechenden Medikamente Sofern eine Depression festgestellt wird, meist rasch bessern. Auch die Symptome der spielt bei deren Behandlung wiederum das bedrückten oder traurigen Stimmung und ärztliche Gespräch eine ganz zentrale Rolle. des verminderten Antriebes können mit die- Das Gespräch erlebt der Patient als entlas- sen Medikamenten gut gebessert werden. tend, denn in diesem kann über Probleme Antidepressiva machen nicht abhängig und und Sorgen gesprochen werden. Es tut gut, verändern auch nicht die Persönlichkeit. Die dass jemand zuhört und Verständnis zeigt. positive Wirkung setzt mit einer zeitlichen Die Gesprächsführung wird von dem Arzt Verzögerung ein, d.h. eine Besserung tritt mit einer konstruktiven Zielsetzung einerseits erst 10 bis 20 Tage nach Behandlungsbeginn so gestaltet, dass der Patient dabei von sich ein. Deswegen ist zunächst Geduld erforder- aus zu neuen Erkenntnissen, wie z.B. Lösun- lich. gen von Problemen, gelangen kann. Zum Dies gilt für die Behandlung der Depression anderen werden durch unterstützende und ganz allgemein. Leider kann nicht vorher- ermunternde Bemerkungen Anregungen ge- gesagt werden, wie lange eine Depression geben und Ratschläge erteilt, oder es wird anhält. Grundsätzlich ist daher zur Behand- auch Trost gespendet. lung einer Depression immer ein ausreichend Medikamentöse Behandlung langer Zeitraum erforderlich. Auch wenn die Symptome sich schon deutlich gebessert ha- Bei einer Depression wird oft auch eine me- ben oder verschwunden sind, ist es in der Re- dikamentöse Behandlung durchgeführt. Ob gel notwendig, die Medikamente noch über die Gabe von Antidepressiva in Ihrem Fall einen gewissen Zeitraum hinweg weiter ein- sinnvoll ist, sollte mit dem behandelnden zunehmen. Arzt besprochen werden. Die Entscheidung für oder gegen Medikamente hängt u.a. Prinzipiell können depressive Phasen kom- vom Schweregrad der Depression aber auch plett und folgenlos ohne bleibende Störun- von den Präferenzen des Patienten ab. Es gen abklingen. steht eine Reihe speziell für die Behandlung depressiver Erkrankungen zugelassene Me- Das Risiko eines Rückfalls kann durch rück- dikamente zur Verfügung, die die Sympto- fallvorbeugende Maßnahmen um bis zu 70 matik einer Depression günstig beeinfussen % reduziert werden. D.h. Sie können selber und die auch gut verträglich sind. Trotzdem etwas dafür tun, das Risiko einer erneuten wird man bei der ambulanten Therapie in Depression zu senken. Dazu gehören eine einer Praxis in aller Regel mit niedrigen Do- regelmäßige Einnahme von Medikamenten, sierungen beginnen und die Dosis langsam Psychotherapie und konkrete eigene Aktivi- und vorsichtig steigern, um dadurch eine täten. InForm 21
Wo finde ich Hilfe? 4.1.3 Klinik die Behandlungsmaßnahmen, die der Im Kreis Wesel unterhalten zwei Allgemein- erkrankte Mensch mit seinem Hausarzt/ krankenhäuser psychiatrische Fachabteilun- Psychiater ergriffen hat, keine durchgrei- gen. fende Verbesserung bringen, Für die Städte Moers, Kamp-Lintfort, Neukir- trotz einer antidepressiven Behand- chen-Vluyn, Rheinberg sowie die Gemeinde lung, trotz Psychotherapie und anderer Alpen ist das St. Josef Krankenhaus Moers Entlastung die Antriebsstörung weiter (Betriebsstätte St. Nikolaus Hospital), Or- zunimmt, soyer Str. 55, Rheinberg, zuständig. der Mensch kaum noch schläft, nur noch Betroffene aus Dinslaken, Voerde, Hünxe, grübelt und sich von allen zurückzieht, Wesel, Hamminkeln und Schermbeck wer- den vom St. Vinzenz-Hospital, Dr.-Otto- wenn Suizidgedanken oder konkrete Otto-Seidel-Str. 31-33, Dinslaken, versorgt. Suizidabsichten auftreten. Außerhalb des Kreises Wesel ist das St. Ni- Die folgenden Stichworte geben einen Über- kolaus Hospital, Grabenstr. 86, Kalkar, für blick, was Patienten im Rahmen der (teil-)sta- die Versorgung der Einwohner aus Xanten tionären Behandlung erwartet: und Sonsbeck zuständig. Aufnahme Alle Krankenhäuser verfügen über stationäre In der Regel erfolgt eine schriftliche Einwei- und teilstationäre Angebote zur Behandlung sung durch die hausärztliche oder psychiatri- einer depressiven Erkrankung. „Stationär” sche Praxis, mit der sich ein Patient telefonisch bedeutet, dass neben der Behandlung auch oder persönlich in der Notfallambulanz des im Krankenhaus übernachtet wird. Demge- Krankenhauses vorstellt. Der Arzt dort wird genüber erfolgt die Behandlung bei einem den Patienten kurz untersuchen und dann in teilstationären Aufenthalt (Tagesklinik) werk- einem gemeinsamen Gespräch entscheiden, tags von Montag bis Freitag, von 8 bis 16 ob eine stationäre oder eine teilstationäre, Uhr. So bleiben Patienten in ihrem gewohn- also tagesklinische Behandlung notwendig ten Tagesablauf und können ihren weiteren ist. Der Aufnahmetag im Krankenhaus dient Aufgaben, wie der Versorgung von Familie, dem gegenseitigen Kennenlernen. Es erfolgt Eltern und Haustieren nachgehen. ein Aufnahmegespräch mit einem Arzt oder Ein (teil-)stationärer Aufenthalt in einer psy- Psychologen, in dem auf die Beschwerden, chiatrischen Abteilung wird dann notwen- die Symptome, die Lebenssituation, aber dig, wenn: auch die Lebensgeschichte eingegangen sowie gezielt nach anderen psychischen Er- eine Depression sehr schwer wird, krankungen und Symptomen gefragt wird. 22 InForm
Wo finde ich Hilfe? Dazu fndet eine medizinische Aufnahme gewechselt oder ein weiteres dazugegeben mit Untersuchung und Labor statt. Es wird werden. Falls starke Ängste, Anspannungen ein EKG gemacht, häufg in den ersten Ta- oder schwere Schlafstörungen dazu kom- gen auch ein EEG und eine Bildgebung des men, werden am Anfang Medikamente zur Gehirns (CT oder MRT des Kopfes). Manch- Beruhigung oder zum Schlafen dazugege- mal haben Patienten den Eindruck, ihre Lei- ben, jedoch nur solange wie nötig. Medika- densgeschichte mehrmals erzählen zu müs- mente zur Behandlung anderer körperlicher sen, den Ärzten in der Notfallaufnahme, den Erkrankungen (Bluthochdruck, Zuckerer- Mitarbeitenden auf der Station, dem Pfege- krankung, chronische Schmerzen etc.) wer- team, dem Oberarzt. Aus den verschiedenen den natürlich mitverordnet. Manchmal ist es Erstgesprächen werden Einschätzungen zu sinnvoll, auch hier die Behandlung zu über- den Diagnosen des Patienten und der Pla- prüfen. nung der Behandlung gezogen. Psychiatrisch-psychotherapeutische Der erste Tag im Krankenhaus dient auch Gespräche dazu, dass der Patient die Station, die Mit- Psychiatrisch-psychotherapeutische Gesprä- patienten, das Pfegeteam und den Stations- che fnden als Visitengespräche oder als Ein- ablauf kennenlernen. Das Miteinander der zelgespräche statt. In den Visitengesprächen Patienten auf der Station, die Milieutherapie, werden die Behandlungsziele, die Fortschrit- ist ein wichtiger Baustein der psychiatrischen te in der Behandlung, oft auch die medika- Behandlung. Hier erfahren die Erkrankten oft das erste Mal, dass sie mit ihrer Erkran- mentöse Behandlung besprochen. Die Visite kung und ihrem Leid nicht alleine sind. dient der gemeinsamen Planung von Patient und Behandlungsteam. Oft werden auch Behandlung Angehörige zu einem Visitengespräch einge- Die stationäre/teilstationäre psychiatrisch- laden. In Einzelgesprächen rücken oft akute psychotherapeutische Behandlung setzt sich Probleme im Leben eines Patienten (Verlus- aus unterschiedlichen Bausteinen zusam- te von Arbeit, von Angehörigen, Trennung, men: schwere Erkrankungen o.ä.) in den Mittel- punkt. Häufg sind diese Probleme nicht di- Medikamentöse Behandlung rekt zu lösen, dafür aber helfen die Einzel- Oftmals ist die Depression so schwer, dass gespräche, depressive Symptome besser zu eine Behandlung mit Antidepressiva not- erkennen und anders mit ihnen umzugehen. wendig ist. Falls ein Patient bei der Aufnah- Wenn das gelingt, können Problemsituatio- me schon ein Medikament nimmt, wird die nen oft besser angegangen werden. Therapie darauf geprüft, ob sie ausreichend wirkt und welche Nebenwirkungen auftre- ten. Eventuell muss das Antidepressivum InForm 23
Wo finde ich Hilfe? Gruppentherapien tionsalltag, so dass es wieder gelingt, selb- Aus einem breitgefächerten Angebot un- ständig eine Tagesstruktur aufzunehmen, terschiedlicher Gruppentherapien werden sich zu aktivieren, aus dem sozialen Rückzug für jeden Patienten die geeigneten Thera- herauszukommen, aber auch therapeutische pien ausgewählt. Bei den psychotherapeu- Aufgaben umzusetzen. tischen Gruppentherapien geht es einer- Sozialarbeit seits um die Vermittlung von Wissen über Frühzeitig in der Behandlung erfolgt ein ers- die Erkrankung: Was bedeutet Depression? ter Besuch des Sozialdienstes, der die soziale Was sind die Symptome? Wie kann ich diese Situation des Patienten untersucht (Arbeit, möglichst früh im Vorfeld einer Erkrankung Krankenversicherung, Wohnsituation etc.), erkennen? Andererseits erlernen die Pati- aber auch bei Problemen tätig wird, also enten Strategien, wie sie mit den Sympto- Kontakt zum Arbeitsamt, zur Krankenkas- men umgehen können: Was kann ich selbst se aufnimmt, Unterstützung anbietet bei tun, damit es mir besser geht? Weitere The- Ämtergängen, Schwierigkeiten mit dem Ar- men der psychotherapeutischen Gruppen beitgeber etc. sind u.a. das Problemlösetraining und das (Wieder-)Erlernen und Einüben von sozialen Angehörige Kompetenzen. Angehörige (oder wichtige Bezugsperso- Zu den Gruppentherapien gehören auch nen) der depressiv Erkrankten werden oft Entspannungsangebote, die Musiktherapie, in die Behandlung einbezogen, sei es, da- die Kunsttherapie, die Sport- und Bewe- mit die Behandelnden mehr über den Pati- gungstherapie, die Ergotherapie, die Dra- enten und die Entwicklung der Depression matherapie und die Arbeitstherapie. Neben erfahren, sei es, um Angehörige über die einer allgemeinen Aktivierung dienen diese Diagnose und Behandlung von Depression Therapieformen der Verbesserung grundle- aufzuklären, aber auch, um bestehende Pro- gender Fertigkeiten wie Konzentration und bleme, Konfikte anzusprechen und ggfs. zu Ausdauer, dann aber auch der Aktivierung lösen. Voraussetzung ist das Einverständnis von Ressourcen und Gefühlen. Oft haben des Erkrankten. die Erkrankten erstmalig wieder ein Gefühl Stationäre Behandlung bei Suizi- von Freude, Entspannung oder Bestätigung dalität über das schöpferische Gestalten. Suizidalität ist ein häufges Symptom bei De- pressionen. Dabei bestehen Gedanken oder Psychiatrische Pfege Ideen, dem eigenen Leben ein Ende zu set- Die psychiatrische Pfege umfasst neben den zen, also einen Suizidversuch zu begehen. grundlegenden Tätigkeiten von Krankenpfe- Depressiv erkrankte Menschen haben ein er- ge die Unterstützung des Patienten im Sta- höhtes Risiko für Suizidalität. Daher werden 24 InForm
Wo finde ich Hilfe? Erkrankte mit Suizidalität, die die Verantwor- die Psychiatrische Institutsambulanz wird tung für ihr Leben nicht mehr tragen kön- frühzeitig mit dem Patienten besprochen, nen, auf der psychiatrischen Intensivstation, damit die Behandlung nach der Entlassung der geschützt geführten Station, behandelt. weitergeführt werden kann. Dies dient dem Überleben. Sobald jedoch die 4.2 Psychotherapeutische Suizidalität abgeklungen ist, wird der Patient (wieder) auf eine offen geführte Station ver- Behandlung legt. Die ambulante Psychotherapie ist gemein- sam mit der medikamentösen Behandlung Tagesklinik der wichtigste Behandlungsansatz bei de- Depressiv erkrankte Menschen können pressiven Erkrankungen. Sie erfolgt in der auch in einer Tagesklinik behandelt werden. Regel auch als Weiterbehandlung nach ei- Für diese Form der Behandlung sollte die nem stationären Aufenthalt. Depression nicht zu schwer sein. Die Tages- Das Psychotherapeutengesetz legte 1999 klinik steht eventuell auch am Ende einer fest, dass nur noch Ärzte und Psychologen stationären Behandlung, wenn die Sym- mit psychotherapeutischer Ausbildung sich ptomatik zwar so gebessert ist, dass man „Psychotherapeut“ nennen dürfen und mit nachts nicht mehr im Krankenhaus schlafen den Krankenkassen ihre Leistungen im Rah- muss, jedoch die Behandlung tagsüber noch men der Psychotherapie abrechnen können. braucht, um die Stabilität wirklich gut in den Alltag zu übertragen. Folgende Psychotherapieformen werden von den Krankenkassen fnanziert: Entlassung Eine stationäre Behandlung in der psychia- kognitive Verhaltenstherapie trischen Abteilung dauert, bis die Depression Sie gehört zu der Gruppe der Verhaltensthe- deutlich gebessert ist, in der Regel zwischen rapien, die mit Gesprächen und Übungen vier und sechs Wochen. Während der stati- daran arbeitet, in der Vergangenheit gelern- onären Behandlung wird auf die Entlassung te, ungünstige Verhaltensweisen und Blo- hingearbeitet. Im Sinne einer Belastungser- ckaden zu identifzieren, zu verändern und probung wird der Patient aktiv das häusli- neue, günstigere Verhaltensweisen aufzuzei- che Umfeld aufsuchen. Schließlich soll die gen und zu erlernen. Hierzu werden Gedan- im Krankenhaus erzielte Besserung, das neu ken, Gefühle und Einstellungen im Rahmen erworbene Wissen über positiv wirkende Ak- der Therapie thematisiert, um diese zu ver- tivitäten frühzeitig zuhause umgesetzt wer- ändern. Auch die sogenannte Psychoeduka- den. So „lernen“ die Angehörigen und das tion, in der Wissen über die Erkrankung und Umfeld direkt mit. Auch die Nachbehand- die Möglichkeiten des Umgangs mit eventu- lung durch eine niedergelassene psychiatri- ell vorhandenen Einschränkungen vermittelt sche Praxis, durch eine Psychotherapie oder wird, ist ein Teil der kognitiven Verhaltens- InForm 25
Wo finde ich Hilfe? therapie. Die kognitive Verhaltenstherapie Termine. Da Psychotherapeuten oft eine umfasst in der Regel ein bis zwei Sitzungen Warteliste führen und man nicht sofort einen pro Woche, die in Form von Einzelgesprä- freien Therapieplatz bekommt, ist es emp- chen oder auch Gruppensitzungen stattfn- fehlenswert, sich bei mehreren Therapeuten den. auf diese Liste aufnehmen und sich während der Wartezeit weiterhin hausärztlich betreu- Psychoanalyse en zu lassen. Die Psychoanalyse wurde ursprünglich von Sigmund Freud im 19. Jahrhundert einge- Adressen von kassenärztlich zugelassenen führt. Laut psychoanalytischer Theorie sind Therapeuten (Ärzten und Psychologen) be- unbewusste Konfikte, traumatische Erfah- kommen Sie bei der Kassenärztlichen Verei- rungen, früh gestörte Beziehungsmuster etc. nigung Nordrhein oder dem Psychotherapie- Ursachen für psychische Erkrankungen. Sol- Informations-Dienst (siehe „Links“, Kapitel che unbewussten Verletzungen und Krän- 5.2). kungen aus der Kindheit werden im Rahmen Seit der Strukturreform der psychotherapeu- der psychoanalytischen Therapie aus dem tischen Versorgung im April 2017 hat sich im Verborgenen geholt und aufgearbeitet, weil Antragsprozedere und in den Vorgehenswei- davon ausgegangen wird, dass sie für die sen der ersten Schritte bis zur Psychotherapie Konfikte in der gegenwärtigen Beziehungs- einiges verändert. gestaltung ursächlich sind. Jede psychotherapeutische Praxis muss eine tiefenpsychologisch fundierte Telefonsprechstunde von mindestens 50 – Psychotherapie 100 Minuten pro Woche anbieten. Sie hat ähnliche Annahmen zu Ursachen von Neu eingeführt wurden auch psychothe- psychischen Erkrankungen wie die Psycho- rapeutische Sprechstunden. Hier fndet ein analyse und arbeitet ebenfalls mit psycho- Erstgespräch statt, in dem die Notwendigkeit analytischen Verfahren. Im Unterscheid zur einer Psychotherapie festgestellt werden soll, Psychoanalyse werden hier aber primär aktu- es dient des Weiteren dem ersten Kennenler- elle Konfikte bearbeitet, die Betroffene im- nen, der Diagnostik und dem Erörtern weite- mer wieder erleben, entweder Konfikte mit rer Hilfsangebote. Es können Empfehlungen sich selbst oder in Beziehungen zu anderen gegeben werden, ob z.B. erst ein Klinikauf- Menschen. enthalt oder andere Maßnahmen noch vor Beginn einer ambulanten Psychotherapie 4.2.1 Wie bekomme ich einen sinnvoll wären. Der Therapeut kann den Psychotherapieplatz? Sprechstundentermin als einen 25 minüti- Grundsätzlich hat jeder Betroffene eine freie gen oder 50 minütigen Termin anbieten. Pro Arzt- und Therapeutenwahl und kann auch Jahr kann bei demselben Therapeuten max. ohne Überweisung bei einem Psychothera- 3 mal die Psychotherapeutische Sprechstun- peuten anrufen und Gespräche dort wahr- de à 50 Minuten oder 6 mal die Psycho- nehmen – vorausgesetzt, dieser hat freie therapeutische Sprechstunde à 25 Minuten 26 InForm
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