Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021

 
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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Dritter Jahrgang · Terza onneda Ausgabe · edizioñ 5 September/Oktober · settember/october 2021

                                                                                            1
Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Eine neue Welt – Editorial                                                                   Abschied von Kirchgemeindepräsident Doktor Frauenfelder
Roman Cathomas                                                                               Margrit Uhlmann, Pfarrerin                  der Kirchgemeinde Filisur-Albula /Alvra.
                                                                                                                                         Im Frühling 2020 wurde Erich Frauen-
Wir schreiben das Jahr 1986, ein Jugend-                                                     Am 17. April 2021 haben wir in der Kir-     felder durch eine schwere Krankheit ge-
licher mit vielen Flausen im Kopf wird nach                                                  che Bergün Abschied genommen von            zwungen, sich aus der Vorstandsarbeit
Bergün gesandt. Mit dem Auftrag, das Ein-                                                    unserem langjährigen Kirchgemeinde-         und auch aus dem kirchlichen Leben
maleins der Rhätischen Bahn zu lernen. So                                                    präsidenten Erich Frauenfelder. Die Kir-    zurückzunehmen. Wir sind dankbar für
hatte ich vor 35 Jahren als Lehrling der                                                     che als ein Ort der Gemeinschaft und        sein grosses Engagement und werden
RhB in Bergün den ersten Kontakt mit                                                         der Verkündigung war ihm ein Herzens-       ihn als Förderer unserer Kirche und als
den «Bahnfans». Sonderbare Menschen,                                                         anliegen. Erich Frauenfelder war immer      feinfühligen Menschen in guter Erinne-
die an den Bahngleisen stehen um Züge zu                                                     zur Stelle, wenn es an irgendeinem Ort      rung behalten.
fotografieren und Viadukte zu bewundern,                                                     «brannte». Er legte Hand an, wenn der
dachte ich. Tourismuspioniere hatten gera-                                                   Weihnachtsbaum in der Kirche Bergün
de in einen Bahnlehrpfad als neues Som-                                                      geschmückt wurde und trug mit seiner
merprodukt investiert. Und ich wunderte                                                      Frau Annemarie dazu bei, dass der Pfarr-
mich damals, wie man von einer Bahn so                                                       hausgarten während der Pfarrvakanz
fasziniert sein konnte.                                                                      nicht verwilderte. Wir alle schätzten
   Wir schreiben das Jahr 2021. Ein «nicht                                                   seine ruhige und besonnene Art. Für
mehr ganz so junger» Mann mit vielen          Roman Cathomas vor dem Landwasserviadukt       alle Anliegen der Mitarbeitenden hatte
Plänen im Kopf wird nach Bergün Filisur                                                      er stets ein offenes Ohr. Im Kirchenvor-
geschickt. Mit dem Ziel, die Weiterent-       gängiges Erlebnis. Hingegen sind Destina-      stand konnten wir uns auf seine fun-
wicklung des Bahndorfs mit dem Welt-          tions- oder Gemeindegrenzen eher zweit-        dierten Überlegungen verlassen. Die
erbe RhB. Eine neue Welt soll geschaffen      rangig. Der Tourismus bedeutet direkt und      Ökumene war ihm ein grosses Anliegen,
werden für genau jene, welche Züge und        indirekt Wohlstand für unseren Kanton.         ebenso die Vernetzung in der Region.
Viadukte fotografieren und die Bahnkul-       Und die RhB trägt einen grossen Anteil         Die Umsetzung der neuen Verfassung
tur und Landschaft erfahren wollen. Das       an der Attraktivität des Albulatas bei, auch   forderte die Umgestaltung der Kollo-
Rezept dazu: Man nehme die Geschichte         dank dem Eintrag auf der UNESCO-Welt-          quien in Kirchenregionen. Mit den Vor-
der RhB, dazu einige Denkmäler, mische        erbeliste. Heute frage ich mich eher, wie      ständen Bergün und Filisur-Albula /Alvra
das mit existierenden Angeboten und           man nicht fasziniert sein kann von unserer     wagte er sich an das Projekt heran, die
würze es mit Innovationen. Am Schluss         Rhätischen Bahn.                               Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde        Doktor Frauenfelder mit seinem echten letzten «Notfall»
wird alles schön angerichtet und dem             Wir schreiben das Jahr 2056. Ein alter      Bivio-Surses in einer neu zu gründenden
Gast mit den Label Welterbe präsentiert!      Mann mit vielen Erinnerungen erzählt aus       Kirchenregion Ela zu suchen. Während
Wenn's nur so einfach wäre ...                seinem Leben und von den Pionieren vom         einiger Jahre war Erich Frauenfelder Mit-
   Unterwegs auf meinen bisherigen be-        Bahndorf Bergün Filisur, welche den Mut        glied des Evangelischen Grossen Rates,
ruflichen Stationen habe ich gelernt, was     und das Feuer hatten, eine neue Welt zu        wo er die Entwicklung der Bündnerkir-
es braucht , damit sich ein Gast wohlfühlt.   erschaffen. Die Landwasserwelt!                che mit Interesse verfolgte. Damit die
Ich habe gelernt, dass Kulturgut, die Land-                                                  Kirche auch in unserem Tal zukunftsfä-
schaft und die Orte mit den Augen und         Roman Cathomas ist in Laax aufgewach-          hig bleibt, förderte er konsequent die
Wünschen des Gastes und nicht mit den         sen und lebt heute in Bad Ragaz. Er ist seit   Zusammenarbeit der Kirchgemeinden           Titelseite/Frontispezi: Filisur/Falisogr, Schmitten/Farrera
eigenen zu betrachten. Heute weiss ich,       2009 Produktmanager Welterbe RhB und           im Albulatal. Damit legte er die Grund-     Bergün/Brauegn, Falein/Faleñ, Stuls/Stocl, Latsch
Gäste erwarten Qualität und ein durch-        leitet das Projekt Landwasserwelt.             lage für die nun vollzogene Fusion mit      Foto: Valentin Schmidt

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Zum Andenken an Doktor Frauenfelder                                                             geschenkt. Das Berufsziel war, in einem     in ihrer Heimat im Südtirol. Auf der Su-
                                                                                                Dritte-Welt-Land zu arbeiten und da war     che nach einer festen Anstellung melde-
Alice Schmid-Stoffel                               tinnen und Patienten und war immer,          eine umfassende Ausbildung unabding-        te sich die Gemeinde Bergün, die einen
                                                   ob bei Tag oder Nacht, bereit für sie.       bar. Bald ging‘s für drei Monate nach       Arzt suchte, und bald zog die Familie ins
Am 17. April 2021 verabschiedeten sich             Ich kann mich noch gut erinnern, als         Liverpool ins Tropeninstitut, und dann      Doktorhaus nach Bergün /Bravuogn, wo
viele Bürgerinnen und Bürger von Ber-              ich zum ersten Mal zu ihm ging. Ich          konnte der junge Arzt mit seiner Familie    sie 30 Jahre erfolgreich wirkten. 2007
gün und Filisur und sicher auch Men-               kam ins Sprechzimmer und bevor ich           seinen Traum wahr machen.                   wurde Dr.Frauenfelder pensioniert. Er
schen aus umliegenden Dörfern, die ihre            etwas sagte, schaute er mich ganz ru-                                                    und seine Frau kauften sich ein Haus
Wertschätzung ihrem Doktor gegenüber               hig an, und ich dachte, dass er schon                                                    und blieben dem Dorf treu. Während
                                                                     da einiges «diagnos-                                                   der ersten Jahre machte der Doktor im-
                                                                     tiziert» hatte. Das hat                                                mer wieder Aushilfe für einen befreun-
                                                                     mir sofort ein ruhiges                                                 deten Arzt.
                                                                     Vertrauen gegeben                                                        Am10. April 2021 verstarb Doktor Erich
                                                                     und dieses hat all die                                                 Frauenfelder nach schwerer Krankheit.
                                                                     Jahre gehalten. So ist                                                 Ihm und seiner Familie ist ein ehrendes
                                                                     es sicher auch andern                                                  Andenken für ihr vorbildliches Lebens-
                                                                     Leuten ergangen. Wo                                                    werk sicher.
                                                                     hat er nur seine enorme
                                                                     Kraft hergenommen?
                                                                     Man sagt ja, hinter
                                                                     jedem erfolgreichen
                                                                     Mann steht eine star-
                                                                     ke Frau, und das trifft
                                                                     bei dem Ehepaar Frau-      Hier mit Enkel Fabian und Schneemann
                                                                     enfelder auch 100%ig
Erich Frauenfelder mit Frau Annemarie und seinen                     zu. Mit ihrer Herzlich-    Der erste Einsatz war in Eritrea/Äthiopi-
Kindern Thomas und Christa                         keit und ihrem grossen Verständnis hat       en. Aber schon bald mussten sie das Land
                                                   sie ihrem Mann sicher die nötige Kraft       verlassen, da ein Bürgerkrieg ausbrach.
mit einem stillen Gedenken in der Kirche           gegeben. Es gab aber auch eine span-         Ihr zweiter Einsatz war in Rhodesien, im
von Bergün kundtun wollten. Da infolge             nende Zeit vor Bergün.                       heutigen Simbabwe. Als einziger Arzt in
der Corona Pandemie keine Abdankung                   Aufgewachsen ist Dr. Frauenfelder in      einem Spital war er auch auf seine gut
im üblichen Sinne abgehalten werden                Urdorf als Jüngster von vier Geschwis-       ausgebildete Frau angewiesen, die sich
konnte, war es schön, für eine Zeit des            tern. In Zürich studierte er Medizin. Nach   auch noch zur Hebamme ausgebildet
Gedenkens in der Kirche zu verweilen.              seiner Ausbildung zum Arzt machte er         hatte. Eine höchst verantwortungsvolle      Doktor Frauenfelder in seiner ruhigen Art
   30 Jahre wirkte Dr. Frauenfelder als            seine ersten Berufserfahrungen in St.Gal-    Aufgabe war ihre tägliche Herausforde-
äusserst gewissenhafter Arzt in Bergün             len, Augenklinik, in Zug, Gynäkologie und    rung. Leider wurde die Familie nach ein-    Wir sind mit der Nachfolge der Praxis mit
Filisur. Auch für Wiesen und Jenisberg             Chirurgie, in Grabs Medizin und dann         einhalb Jahren in die Schweiz zurückbe-     zwei tüchtigen Ärzten, Dr. Ganzoni und
war er zuständig, und das bedeutete                nochmals in St.Gallen in der Kinderkli-      ordert, da auch in diesem afrikanischen     Dr. Utiger und mit Frau Ganzoni als sehr
eine riesige Aufgabe für ihn. Mit sei-             nik. Beim Operieren lernte er die Opera-     Land der Krieg ausbrach. In der Schweiz     gute Osteopathin bestens versorgt, was
ner ruhigen, verständnisvollen Art und             tionsschwester Annemarie Gius kennen         fand Dr. Frauenfelder eine Anstellung in    bei dieser Gelegenheit auch ein herzli-
seinem kompetenten Wissen schaffte                 und lieben. Bald heirateten sie und ihnen    einer Lungenklinik in Wald. Seine Frau      ches Dankeschön verdient.
er grosses Vertrauen bei den Patien-               wurden Sohn Thomas und Tochter Christa       und Kinder überbrückten die erste Zeit

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Abschiedsgottesdienst von Pfarrerin Margrit Uhlmann                                       Neues, einheimisches Jungunternehmen im Albulatal
Franziska Naegeli-Wetter                                                                  Anfang dieses Jahres haben Corsin Beer
                                              hängig ihrer Nähe zur Institution Kirche,   (33) aus Filisur und Milena Tscharner (25)
Mit einem lachenden und einem wei-            mit Kreativität und Sinn für das Wesent-    aus Alvaneu-Dorf, die Firma Malerei
nenden Auge haben wir am 13. Juni den         liche, stets gewollt.                       Beer & Tscharner GmbH, mit Firmensitz
Abschiedsgottesdienst unserer Pfarrerin                                                   in Filisur, gegründet. Nach ihrer Ausbil-
Margrit Uhlmann gefeiert. Viele Men-                                                      dung haben sie in verschiedenen Firmen
schen durften die würdige Feier miter-                                                    Arbeitserfahrung gesammelt und mit
leben; die Türen der evang.-ref. Kirche                                                   Weiterbildungskursen einen Grundstein
Bergün standen dank schöner Witte-                                                        für die Firmengründung gelegt.                            Das Chamäleon steht für Vielseitigkeit und Flexibilität
rung weit offen, so dass weitere Besu-                                                      Milena kreierte das ins Auge springen-
cher vor der Kirche durch Lautsprecher                                                    de Firmenlogo, ein buntes Chamäleon mit                   Ihr Angebot:
mithören konnten. Umrahmt wurde der                                                       einem Pinsel auf schwarzem Grund. Die-                    Allgemeine Malerarbeiten, im Innen- und
Gottesdienst und Margrits letzte Predigt                                                  ses steht für Vielseitigkeit und Flexibilität.            Aussenbereich, Tapezierarbeiten, Beschrif-
mit einer Triosonate von J. S. Bach, inter-                                               Seinem Auge entgeht nichts. Und so sind                   tungen, Dekoratives, Verputzarbeiten,
pretiert von einheimischen Musikern                                                       die Jungunternehmer bestrebt, getreu                      Spritzarbeiten, Schimmelsanierungen
mit Querflöte, Klarinette und Orgel. In                                                   ihrem Logo, gewissenhafte, beste Arbeit
der mit Wiesenblumen geschmückten                                                         zu fairen Preisen anzubieten. Dies hat sich               Milena und Corsin werden alles daran set-
Kirche wurde Margrit Uhlmanns uner-                                                       herumgesprochen, und so sind im gan-                      zen Ihre persönlichen Wünsche zu erfüllen.
müdliches Engagement für die Kirchge-                                                     zen Albulatal in den ersten Monaten auch                  www.malerei-beer-tscharner.ch
meinde Bergün / Bravuogn - und die seit                                                   schon zahlreiche Aufträge eingegangen.                    Tel. 076 236 01 80
diesem Jahr fusionierte Kirchgemeinde
Val d'Alvra - geehrt und herzlich ver-
dankt. Zweifellos, man schätzte sie auf
der Kanzel und in der Dorfgemeinschaft,
als Seelsorgerin und als Mitdenkerin.
  Bei Suppe, Kuchen und Kaffee, un-
terbrochen durch lüpfige Blockflöten-
stücke, einer Rede der Vertreterin des
ehemaligen Kolloquiums Davos-Albula,
zu dem unsere Kirchgemeinde bis Ende          A revair Margrit Uhlmann
letzten Jahres gehörte, einer Rede des
Präsidenten der neuen Kirchenregion Ela       Ende Juni geht Pfrn. Margrit Uhlmann
und der Ökumene wohlgesinnten Worte           nach acht Jahren in Pension. Es war
Don Federicos wurde unserer Pfarrerin         eine gute, intensive und schöne Zeit.
eine Blätzlidecke überreicht, die von vie-    Wir wünschen ihr von Herzen Gottes
len Frauen der Gemeinde gestrickt und         Segen auf ihrem neuen Pfad und sagen:
zusammengenäht worden war. Ein sym-           Grazcha fich, adieu ed a revair!
bolstarkes Geschenk, hat doch Margrit
Uhlmann den Einbezug verschiedenster
Menschen ins kirchliche Leben, unab-                                                      Malen mit Freude und Leidenschaft, Milena Tscharner und Corsin Beer auf ihrem Firmenauto

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Das neue Wasserkraftwerk Preda                                                                                                                        Mittelspannungs-Schaltanlage wird die
                                                                                                                                                      Energie zur Hauptverteilungskabine Pre-
Luzi C. Schutz, Gemeindepräsident                          fusionierten Gemeinde Bergün Filisur im                                                    da geführt, wo die produzierte Energie
                                                           November 2017 einen Gesamtkredit von                                                       ins Netz des Elektrizitätswerks Bergün Fi-
Am 6. Dezember 2019 spielte sich ganz                      5,5 Millionen Franken sprach.                                                              lisur eingespiesen wird. Das turbinierte
unbemerkt in unserer Gemeinde ein                             Das Sanierungsprojekt wurde im Juni                                                     Wasser fällt in einen Unterwasserkanal,
historisches Ereignis ab. An diesem Tag                    2018 von der Kantonsregierung geneh-                                                       der das Wasser in einen Seitenbach der
wurde das alte Zentralengebäude des                        migt, im August 2018 konnte mit den                                                        Albula zurückführt. Die gesamte Anlage
Kraftwerks Preda ausser Betrieb genom-                     Bauarbeiten begonnen werden, und im                                                        ist für einen automatischen und unbe-
men. Über die lange Geschichte dieses                      Dezember 2019 wurde das noch nicht                                                         mannten Betrieb ausgelegt. Die Steue-
120 Jahre alten Kraftwerks habe ich in                     ganz fertiggestellte Wasserkraftwerk in      Die Druckleitung in Richtung Zentrale Preda   rungen können mittels Fernwartungen
der vorletzten Ausgabe berichtet. An                       Betrieb genommen. Während des Jah-                                                         gemacht werden, so dass in der Regel
dieser Stelle soll es nun in Gegenwart                     res 2020 wurden noch das Wehr bei            der Hauptfassade gegen den Bahnhof            nur noch wöchentliche Kontrollen vor
und Zukunft dieser einmaligen Anlage                       der Fassungsanlage am Palpuognasee           Preda befinden sich drei grosse Fenster       Ort erforderlich sind.
gehen. Denn am 6. Dezember 2019 wur-                       saniert und die Arbeiten am Auslauf des      und eine Eingangstür aus Lärchenholz.            Das gesamte Projekt konnte gemäss
de auch das vollständig sanierte Kraft-                    Unterwasserkanals bei der Zentrale Pre-      Das grosse Stahltor gegen den Vor-            dem Bauprojekt von 2017 realisiert
werk Preda in Betrieb genommen.                            da fertig gestellt. Die alte Wasserfassung   platz, das die Zufahrt mit grösseren          werden, und es traten dabei keinerlei
                                                           wurde so umgebaut, dass das bestehen-        Fahrzeugen ermöglicht, hat eine spe-          nennenswerten Probleme auf. Auch aus
                                                           de Gebäude in seinem Erscheinungsbild        zielle Schalldämmung, damit der Turbi-
                                                           erhalten blieb. Im Innern wurden die         nenlärm im Aussenbereich nicht hörbar
                                                           notwendigen Umbauarbeiten getätigt,          ist. Die Löschwasserversorgung für den
                                                           damit die Anlage Wassermengen von bis        Albulatunnel der Rhätischen Bahn und
                                                           zu 1,2 Kubikmetern pro Sekunde fassen        für das Dorf Preda erfolgte bisher direkt
                                                           kann. Das 1909 erstellte alte Stauwehr,      aus der Druckleitung, wofür etwas ober-
                                                           wurde vollständig saniert, wobei die be-     halb ein eigenes Gebäude bestand. Neu
                                                           stehende Baustruktur und das Erschei-        erfolgt die Abgabe des Löschwassers
                                                           nungsbild erhalten blieben.                  im Zentralengebäude und ist auch bei
                                                              Eine Druckleitung führt das gefasste      einem allfälligen Betriebsunterbruch des
Das in seinem Erscheinungsbild erhaltene Fassungsgebäude   Wasser bis hinunter in die Zentrale neben    Kraftwerks sichergestellt. Im Gegensatz
                                                           dem Nordportal des Albulatunnels. Sie        zum alten Kraftwerk mit seinen zwei
Eine Totalsanierung der 1898 erbauten                      besteht aus glasfaserverstärkten Kunst-      Maschinen aus unterschiedlichen Zeiten
und 1980 letztmals teilerneuerten An-                      stoffrohren mit einem Innendurchmesser       verfügt das neue nur noch über eine
lagen war schon seit längerer Zeit im                      von 700 Millimetern und ist 776,7 Meter      einzige, vertikalachsige und fünfdüsige
Gespräch. Aufgrund der angespannten                        lang, wobei sie eine Höhendifferenz von      Pelton-Turbine. Der Generator mit 1400
Finanzlage der Gemeinde wurde das                          128 Metern (Bruttofallhöhe) aufweist.        Kilovoltampere ist auf dem Turbinenge-
Projekt aber immer wieder hinausge-                        Das Trassee folgt im Wesentlichen der To-    häuse montiert; der Rotor ist mit dem
schoben. Die zugesicherte Verfügung                        pografie, wozu an zwei Orten die Albula-     Turbinenrad verbunden und wandelt die
über die Kostendeckende Einspeise-                         Passstrasse unterquert werden musste.        Drehbewegung des Rotors in elektrische
vergütung (KEV) machte das Projekt                            Das neue Zentralengebäude besteht         Energie um. Die Energie wird zu einem
nun auch wirtschaftlich interessant,                       aus einer Stahlbetonkonstruktion und         Transformator geführt, der die Spannung
so dass eine gemeinsame Gemeinde-                          ist gegen aussen aus optischen Grün-         von 690 Volt auf die Netzspannung von
versammlung der rechtlich noch nicht                       den mit Natursteinwerk verkleidet. In        11 000 Volt umwandelt. Mit der neuen          Das neuerstellte Zentralengebäude in Preda

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
finanzieller Sicht kann bereits jetzt eine              Dennoch darf auch in Zukunft nach Ab-         Stulser Kindheits-und Jugenderinnerungen
positive Bilanz gezogen werden: Die ge-                 zug der Abschreibungen von 250 000
samten Investitionskosten belaufen sich                 Franken jährlich noch mit einem Netto-        Florian Conrad                               gedacht, und die Kollekte war für das
auf insgesamt rund 4,8 Millionen Fran-                  ertrag von rund 300 000 Franken für die                                                    schwer betroffene Vals bestimmt. Die
ken. Die Jahresproduktion 2020 übertraf                 Gemeindekasse gerechnet werden.               An meine Taufe in der Kirche Stuls ver-      Betroffenheit meiner Eltern nach der
                                                                      Das Grossprojekt der Totalsa-   mag ich mich nicht zu erinnern. Einer        Predigt ist mir heute noch gegenwärtig.
                                                                      nierung konnte also erfolg-     meiner Taufpaten berichtete mir später,
                                                                      reich abgeschlossen werden.     dass Pfarrer Balastèr das Wasser nach
                                                                      Die Gemeinde bedankt sich       der Taufe unter den Taufstein geleert
                                                                      dafür bei allen Involvierten,   habe. Eine Erklärung für diese Handlung
                                                                      insbesondere bei allen Mitar-   findet sich in der Erzählung «Der Rote
                                                                      beitenden der insgesamt 36      Rock» von Tina Truog-Saluz:
                                                                      beteiligten Unternehmun-          «Nach beendeter Handlung bückte
                                                                      gen. Ein besonderer Dank        sich die Patin. Sie leerte das Wasser aus
                                                                      für die gute Zusammen-          der Schale unter den Taufstein. Es ge-
                                                                      arbeit geht an IBG Enginee-     schah rasch, wie nebensächlich, war aber
                                                                      ring AG in Chur für die Ge-     als schöne Handlung gedacht von den
                                                                      samtprojektleitung und das      Altvordern. Das Wasser, das bestimmt
                                                                      Ingenieurbüro Deplazes in       war, die reine Stirne eines Kindleins Gott
                                                                      Surrein für die Projektierun-   zu weihen, sollte nicht in ungeheiligter
                                                                      gen und die Bauleitung. Ein     Erde versickern, geschweige denn für         Was wird den kleinen Florian wohl beeindrucken?
                                                                      ganz grosses Dankeschön         etwas anderes benutzt werden».
                                                                      gebührt allen Stimmbürge-          Im Jahre 1956 hatte ich ausnahms-         Der Schulweg von Stuls nach Bergün war
                                                                      rinnen und Stimmbürgern         weise die Gelegenheit das Amt eines To-      bis zur Eröffnung der neuen Waldstrasse
                                                                      der Gemeinde Bergün Fi-         tengräbers auszuüben. Das Grab meines        im Jahre 1952 interessant, im Winter an-
                                                                      lisur für den mutigen und       Urgrossvaters Michel Mettier war «an         spruchsvoll und bot unzählige Möglichkei-
                                                                      weitsichtigen Entscheid an      der Reihe» aufgelöst zu werden. Was          ten, die Umgebung zu erkunden. Der Weg
                                                                      der Gemeindeversammlung         da alles ans Tageslicht kam: Erde, Kno-      führte über Serlas, Buorchas, über Pentsch,
                                                                      im November 2017. Der           chen, halb verfaultes Holz, kleinere und     hinunter über die Bahnlinie nach Legs-cha
Verlauf des Druckstollens zwischen dem Palpuognasee und Preda         Gemeindevorstand hofft          grössere Steine, und ein grosses breites     auf die Hauptstrasse und von dort ins Dorf.
                                                                      sehr, dass das fertige Bau-     Brett. Entweder wurde dieses aus einem         Claudio und ich wollten einmal wissen,
derweil die Erwartungen: Mit 4,8 Mega-                  werk der Bevölkerung bald in einem            besonderen Holz hergestellt oder es          wie weit ein grosser Stein talwärts rollen
wattstunden konnte die frühere Jahres-                  angemessenen Rahmen präsentiert               lag während 34 Jahren in einer lehm-         würde. Gedacht, getan. Steine hatte es
produktion von 3,2 Megawattstunden                      und mit einem schönen Fest eingeweiht         haltigen Schicht, die ein Vermodern          genug. Mit vereinten Kräften gelang es
um 50 Prozent erhöht werden. Nach Ab-                   werden kann.                                  verhinderte. Von sieben Geschwistern         uns, ein grosses Exemplar in Fahrt zu set-
zug der Betriebskosten resultierte für die                 Wer sich für den ganzen Ausführungs-       war Michel der Einzige, der in Stuls sein    zen. Krachend und donnernd polterte
Gemeinde ein Gewinn von rund 664 000                    bericht interessiert, kann diesen gerne bei   Auskommen hatte. Zwei Brüder starben         der Stein in die Tiefe (Richtung Ava Lun-
Franken. Da es sich aber um ein hydro-                  der Gemeinde bestellen oder auf der Ver-      in jungen Jahren, zwei wanderten nach        gia). Plötzlich wurde uns bewusst, dass
logisch überdurchschnittlich gutes Jahr                 waltung einsehen.                             Kalifornien aus, drei Schwestern heira-      der Stein auf dem Bahngeleise der RhB
handelte, werden die jährlichen Erträge                                                               teten auswärts.                              landen oder einen vorbeifahrenden Zug
in Zukunft nicht ganz so hoch ausfallen.                Fotos: Walter Deplazes, Surrein                  Im Lawinenwinter 1951 wurde im            erwischen könnte. Wir hatten Glück, die
                                                                                                      Gottesdienst der vielen Lawinenopfer         RhB meldete sich nicht.

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Ich war nicht immer ein pflegeleichter                                                         Nino war das erste Maultier in Stuls. Es       Sachen hatte ich geladen, u. a. auch ein
Schüler. Aus welchem Grund ich den Leh-                                                        ersetzte die Kuh als Zugtier. Anfangs          Hühnergatter. Ich sass auf dem Wagen,
rer in Rage brachte, ist mir nicht mehr                                                        war Nino etwas schreckhaft. Wenn er            Nino am Leitseil. Kurz vor Stuls, wie aus
bekannt. Ohrfeigen gabs keine, dafür                                                           scheute, war er nicht mehr aufzuhal-           heiterem Himmel rannte Nino im Galopp
landete seine Hand mit dem Schlüssel-                                                          ten. Einmal waren die Eltern mit einem         davon. Mit einer Hand riss ich am Leitseil,
bund auf meinem Kopf. Möglicherweise                                                           grossen Heufuder von der Stulser Alp           mit der anderen hielt ich das Hühner-
ist das der Grund, dass an dieser Stelle                                                       (diese wie auch Cunschi, Davos Cuelm           gestell. Ich sehe heute noch, wie Maria
fast keine Haare mehr wachsen. Stra-                                                           und Val Torta wurden damals noch be-           Schöb mit erhobenen Armen Nino auf-
fen habe ich mehrere kassiert. Für mich                                                        wirtschaftet) nach Stuls unterwegs. Kurz       halten wollte. Erfolglos. In einer solchen
waren sie harmlos, sie haben mich nicht                                                        nach Runsolas erschrak Nino, nahm              Situation lässt sich weder Maultier noch
gross beeindruckt (Ich habe sie mir selber                                                     Reissaus, das Fuder kippte, mit dem            Pferd durch nichts aufhalten (Pferde und
eingebrockt, also dann steht man dazu).                                                        Vorderwagen erreichte er galoppierend          Maultiere sind Flüchter). Erst vor unserer
   Meine Geschwister und ich kamen erst                                                        Stuls und blieb vor dem Hause stehen.          Haustüre blieb Nino stehen.
ab der 1. Klasse in Kontakt mit der ro-                                                        Zum Glück nahm niemand Schaden. Der              Trotz mehrerer Eskapaden wird Nino
manischen Sprache. Die Eltern sprachen                                                         Grund: Der Wagen, mit dem Heu (auch            mir und unserer Familie in guter Erinne-
kein Romanisch, d. h. die Mutter hatte                                                         bei Mist oder Holz) transportiert wurde,       rung bleiben.
die deutschsprachige Schule in Stuls be-                                                       bestand aus Vorder- und Hinterwagen.
sucht, der Vater war in Monstein auf-                                                          Beide Teile waren mittels eines Zugnagels
gewachsen.                                   Woran denkt der Junge Flury Conrad wohl gerade?   verbunden. Fällt das Fuder um, bleibt der
   Mit der neuen Sprache hatte ich bis zur                                                     Zugnagel am Hinterwagen hängen und
4.Klasse wenig Probleme. Als Deutsch         Auf Anraten habe ich mich an der roma-            der Vorderwagen trennt sich von der
dazukam, hatte das Romanische bei            nischen Abteilung an der Kantonsschule            ganzen Ladung.
mir einen schweren Stand. Ich vermied,       angemeldet. Romanisch fehlte auf der                 Der Mist in der Cuort musste von Zeit
wenn möglich, es zu sprechen. Zum            Liste der Fächer für die Aufnahmeprü-             zu Zeit weggeführt werden. Zu diesen
Glück war Romanisch bis zur 9. Klasse        fung. Professor Bertogg wollte wissen,            Zweck wurde das Kummet (Geschirr für
Schulstoff, es gab kein Ausweichen.          wie gut wir mit der deutschen Sprache             Zugtiere) für Kühe verwendet, weil der
   Bei einer Hausaufgabe (romanisch)         zurecht kamen. Ein kleines Diktat sollte          Eingang zur Cuort niedrig und das Kum-
half mir einmal der Bäckermeister Ca-        genügen. Dieses lautete: «Lieber Schatz,          met von Nino zu gross war (bei einem
disch aus Bergün. Er war mit seinem          wenn's dich beisst, so kratz, mich hat's          Pferd wäre das nicht möglich).
VW-Käfer unterwegs, versorgte die            auch schon gebissen, und ich hab kratzen             Nino trat auch als Filmstar auf. Bei Auf-
Stulser mit frischem Brot. Es war eine       müssen». Für mich war das kein Problem,           nahmen für den Heidifilm auf Falein trug
kleine Sensation: Das erste Auto in          für jene mit romanischer Muttersprache            er Klara zum Alpöhi.
Stuls. Mit dem Auto war Stuls damals         kostete es einige Schweisstropfen.                   Nino kam auch zum Einsatz, als die
nur über Latsch erreichbar (die Strasse        Die romanische Sprache hat mich auch            Keschhütte umgebaut wurde. Das Ma-             Flury und Nino
über Pentsch war viel zu schmal).            geschichtlich interessiert. Nachträglich          terial wurde von Punts d'Alp aus auf
   Im Sommer 1949, mit 10 Jahren, war        muss ich sagen, dass ich froh bin, dieser         Pferderücken hinaufgetragen. Von der           Florian Conrad (*1939) ist in Stuls auf-
ich im Dischma als Hüterbub unterwegs.       Sprache nach der Schulzeit nicht den Rü-          Keschhütte abwärts war ich einmal mit          gewachsen. Nach dem Besuch der Kan-
Aus einem nicht mehr bekannten Grund         cken zugekehrt zu haben. Jede Sprache hat         Nino unterwegs. Ich staunte, mit welcher       tonsschule in Chur fand er eine Anstel-
habe ich meiner Gotte einen Brief ge-        ihre Geschichte, birgt ungeahnte Schätze.         Leichtigkeit er den steilen Weg hinunter-      lung bei der Post, später wechselte er
schrieben. Deutsch war in der Schule         Ich bin dem Steuerzahler dankbar, dass er         lief (die Pferde hatten viel mehr Mühe).       zur Swisscom. Er lebt mit seiner Familie
noch nicht auf dem Lehrplan. Den Brief       einen namhaften Beitrag zur Erhaltung der            Einmal war ich mit «Ross und Wagen»         in Heimberg BE.
habe ich ihr auf Romanisch geschrieben.      rätoromanischen Sprache beiträgt.                 von Bergün her unterwegs. Verschiedene

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
LXX evla onneda/nr. 5                                 settember/october 2021

                                                                                                      Giazettina per la famiglia bargunseñra in ed our d'patria; cumpera i'ls mais pêrs
                                                                                                     (bs)=bargunseñer (Bergüner Romanisch) (put)=Puter (Oberengadiner Romanisch)
                                                            EXPOSIZIUN
                                                            AUSSTELLUNG
                                                            19. gün Juni 2021 17 h vernissascha
                                                            16. oct Okt. 2021 17 h finissascha

                                                            Avert      Öffnungszeiten
                                                            md – ve    Di – Fr 10 – 12 h 15 –18 h
                                                            sd, du     Sa, So            15 –18 h
                                                            lü serrà   Mo geschlossen

                                                            Pled Ansprache
                                                            Reto Hänny
                                                            scriptur Schriftsteller
                                                            Martina Kral
                                                            istoricra d'art Kunsthistorikerin
                                                            Musica Corin Curschellas

     LINARD NICOLAY                                                            COLLASCHAS
     SCULPTURAS                                   GASPARE O. MELCHER

     CH-7535 Valchava
     www. chasajaura.ch
     Tel. +41 81 858 53 17

                             teaser: "Expo Gaspare O.Melcher/L.Nicolay"

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Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Sprichwörtlich ein Jahrhundert-Ereignis – Teil 2:                                                      In den ersten Tagen des Versuchs wurden
                                                                                                       täglich mehrere Testreihen abgefüllt, an
Was das Verschwinden des Tuorsbachs 1919 auslöste                                                      den folgenden Tagen und Wochen bis
                                                                                                       Mitte Oktober dann in zunehmend
Jörg Stählin                                 richt mit Tabellen, sowie der in der letzten              grösseren Zeitabständen weitere Probe-
                                             Ausgabe wiedergegebenen geologischen                      reihen. Mit diesem Versuch erhielt man
Wie in der letzten Nummer berichtet,         Skizze mit detaillierten Einzeichnungen                   doch gute Erkenntnisse über die unter-
erstaunte und beunruhigte das «Versin-       aller von ihm differenziert klassifizierten               irdischen Wasserläufe. So wurden etwa
ken» des Tuorsbachs Beobachter des           Quellen. Im Bericht beschrieb er diese                    Quellen in der Gegend des heutigen
Naturschauspiels im Jahr 1919 doch sehr.     zahlreichen Quellen in Bezug auf Fliess-                  Schwimmbades, am Weg nach Sagliaz
Anders präsentiert es sich heute: Stan-      mengen, Wassertemperaturen und der                        und talaufwärts unterhalb der Bahnlinie     Überbrückungskanal, Herbst 1919
den die Menschen vor 102 Jahren (von         chemischen Zusammensetzung darin                          gefärbt, was von den Geologen damit
einer vagen Dorferinnerung an ein ähnli-     gelöster Mineralien. Dazu beschaffte                      erklärt wurde, dass hier wohl ein heute     Nach allmählichem Absinken des Wasser-
ches Gebaren des Tuorsbachs zu Beginn        er 855 Glasflaschen, füllte sie mit einer                 von Moränenmaterial gefüllter früherer      spiegels an der Versickerungsstelle öffnete
des 19. Jahrhunderts abgesehen) dem          grossen Helferschar und liess die genau                   Verlauf des Tuorstals zu finden wäre.       sich ein senkrechter Schlund erstaunlicher
Naturphänomen doch gänzlich unvor-           beschrifteten Proben im Labor auf ihren                                                               Tiefe. Eugster berichtet der RhB, dass er
bereitet gegenüber, so liefern heute die     Carbonat- und Sulfatgehalt untersuchen.                                                               am 28. November 1919 in Begleitung von
1919 aufwändig durchgeführten geolo-         Am 26. August 1919 unternahm Eugster                                                                  Forstverwalter Gregori und Förster Juvalta
gisch-hydrologischen Untersuchungen          zudem einen Färbungsversuch mit dem                                                                   (beide Bergün) sowie Förster Fasciati aus Fi-
grossflächig wertvolles Wissen über die      Farbstoff Fluorecin, welcher in auch sehr                                                             lisur eine mutige «Expedition» unternom-
Unterwelt von Buorcha bis Ava Lungia         grosser Verdünnung noch leicht nachzu-                                                                men habe: Sie seilten sich rund 10 Meter in
unterhalb des Bergünersteins. Vor allem      weisen ist.                                                                                           die Kluft hinab, stiegen im Berginnern wei-
die RhB wollte damals verlässlich Auf-                                                                                                             ter bis 21 m unter die Bachsohle hinunter
schluss erhalten, ob die Albulalinie durch                                                                                                         und fanden dort «tiefdunkle Hohlräume»,
«versunkenes» Wasser gefährdet wäre,                                                                                                               so auch eine Höhle mit einem Wasserfall
und solches beispielsweise auch in den                                                                                                             in der Mitte, welche mit 12 m Länge, 6 m
Glatscherastunnel einbrechen könnte.                                                                   Dr. Eugster und seine «Assistenten»         Breite und 4 – 6 m Höhe vermessen wur-
Umgehend erteilte sie dem erst 26-jähri-                                                                                                           de. «Weiter getraute man sich durch diese
gen Geologen Dr. Hermann Eugster den                                                                   Dr. Eugster schloss seinen Bericht mit      unterirdischen grausigschwarzen Höhlen
Auftrag zu einem Gutachten. Eugster,                                                                   der Feststellung: «Eine Verbauung der       und Gänge nicht» (Paul Frey).
Sohn des national bekannten Ausserro-                                                                  Versickerungsstelle des Tuorsbaches ist
der «Weber-Pfarrers» und langjährigen                                                                  unumgänglich notwendig, da bei Be-
Nationalrats Howard Eugster, hatte an                                                                  lassen der gegenwärtigen Verhältnisse
der Universität Bern eben erst seine Dis-                                                              Veränderungen und ein weiteres Um-
sertation über die geologischen Verhält-                                                               sichgreifen der unterirdischen Wasser-
nisse von Mittelbünden abgeschlossen.                                                                  läufe sehr wahrscheinlich ist.» Damit der
Er wandte sich mit akribischem Eifer der                                                               Versickerungstrichter untersucht werden
spannenden Aufgabe zu, die ober- und                                                                   konnte, musste dieser zuerst jedoch
unterirdischen Verläufe des Wassers                                                                    «trocken» gelegt werden. Dazu wur-
aus dem Tuorsbach zu erforschen. Sei-        Messungen mit einem Wasserflügel (X = Dr. Eugster)        de bis gegen den Herbst ein hölzerner
ne ausführlichen Beobachtungen doku-         (Foto: E. Rechsteiner, Bergün, erschienen in einer Num-   Überführungskanal erstellt (siehe Plan      Blitzlichtaufnahme aus der grossen Höhle
mentierte er in einem 27-seitigen Be-        mer des Jahrgangs 1919 der «Schweizer Familie»)           auf Seite 5).                               mit dem Wasserfall, November 1919

2                                                                                                                                                                                             3
Dritter Jahrgang Terza onneda Ausgabe edizioñ 5 September/Oktober settember/october 2021
Laut einem Beleg, datiert 2. Februar1925,                          hatte die Gemeinde 45% zu übernehmen,
                                                                                                          beliefen sich die «Cuosts Buorcha 1919-                            der Kanton beteiligte sich mit 15% und der
                                                                                                          1920» für Untersuchungen, Messungen,                               Bund mit 40%.
                                                                                                          Holzkanal, Zumauern und Strassenrepa-
                                                                                                          raturen auf «Totel CHF 22 392.15» (was                             In der nächsten Nummer soll dann die ge-
                                                                                                          in einem BIP-basierten Vergleich einer                             genwärtige Situation und getroffene oder
                                                                                                          heutigen Summe von über CHF 1,3 Mio.                               geplante Massnahmen Thema sein.
                                                                                                          entsprechen würde!). Von dieser Summe

Bautrupp 1919: Der Mann in der Mitte hinten (mit heller Mütze) könnte laut Enkel Yves Luigi Broggi sein

Nach sorgfältiger Planung durch Gemeinde
und Kanton wurde Bauunternehmer Luigi
Broggi aus Bergün mit einer «Wiederauffül-
lung des Bachbettes mit grossen Steinen»
und einer «Vermauerung der Kluft mit Be-
tongewölbe auf Steinpackung» beauftragt.
Seinem Enkel Yves hat Luigi Broggi später
noch erzählt, Bauer Georg Oberli (wohnhaft
gewesen am Chant da Farrer, heute Veja Alv-
ra 50) hätte dazu Tonnen an Zementsäcken
vom Bahnhof Bergün zur Baustelle «gefuhr-
werkt». Dort sei der Zement dann mit Kies
gemischt auf die zuvor in den Schlund ge-                                                                 Bauplan für die Überbrückung der Versickerungsstelle, Voraussetzung für eine «Vermauerung der Kluft»
worfenen Steine «gepackt» und damit die                                                                   Quellen: Dr. H. Eugster: Gutachten Tuorsbach zu Handen der Rhätischen Bahn, Oktober 1919
Kluft für – wie wir heute wissen – ein ganzes                                                             «Das Versiegen des Tuorsbaches und die dadurch entstandene Gefährdung des Bahnkörpers»
Jahrhundert versiegelt worden.                                                                            27 Seiten (Schreibmaschine), dazu 3 Tabellen und eine geologische Skizze
   Noch zwei Jahre lang sei aber trotz Ver-                                                               Dr. H. Eugster: Bericht zu Handen der Direktion der Rhätischen Bahn betr. die am 28. Nov. 1919 am Tuorsbach gemachten Beob-
                                                                                                          achtungen, 4 Seiten (Schreibmaschine), dazu 2 Profilzeichnungen durch die Gegend der Versickerungsstelle, dat. 10. Dez. 1919
siegelung Wasser beim Bergünerstein «aus
                                                                                                          Paul Frey: Geheimnisse des Tuorsbaches Bericht, ca. 1925, Schreibmaschine mit handschriftlichen Anmerkungen und 30 Originalfotos
vielen Löchlein und Spältlein» ausgetreten
                                                                                                          Dr. Christian Tarnuzzer: Das Versinken des Tuorsbaches von Bergün im Sommer 1919 (Chur 1921), Separatabdruck aus dem LX.
und es hätten sich im Winter «grosse Eis-                                                                 Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens 1919 /1921
wände, die den Strassenverkehr sehr ge-                                                                   Situationsplan 1: 1000 – Verbauung des Tuorsbaches, aufgenommen durch P. Lorenz, Sept. Okt. 1919
fährdeten», gebildet.                                       Eiswand am Bergünerstein, Winter 1919/1920
                                                                                                          Bauplan 1 : 100 / Details 1 : 20 – Längen- und Querprofile für den Überbrückungskanal der Versickerungsstelle

4                                                                                                                                                                                                                                        5
«Cumünaunza culturela Pro Bravuogn», radunanza generela (bs)                                   Eau as preleg dal 2020 la revisiun                         Perque pudains nus arcumander
                                                                                               E quint cun vossa attenziun                                Il quint, sainza dubi d'accepter
Protocol da sonda, igls 26 gün 2021 las 13.00 eñt igl Museum local                             Ün an ais già darcho passo                                 A la chaschiera ün grazcha fich
                                                                                               Daspö l'ultim quint vains reviso                           Ma scha que basta nu savainsa brich
Igl cuej Linard Nicolay po salider 14 persoñas. S-chisos s'an: la Selina Leuzzi,               Eir schi regna malatia                                     Perque ün regalin ho ella merito
igl Riet Schmid, l'Ursina Gregori, igls conjughels Oberli a la famiglia digl Pol Clo Nicolay   Gnittans insembel in chadafia                              Il quel dals revisuors hoz vain surdo
                                                                                               Melgrô corona – sainza mascrina                            Cun que vess eau finia
Nogs chantan «O Dî dulogr...»                                                                  Tar nossa chaschiera Ursina                                Fin in ün an darcho in chadafia.
                                                                                               Il quint cha nus vains controllo
Appruos unanimameñz veñan: igl rapport dla actuara, igl protocol dla radunanza                 Fich net ho ella preschanto                                Ils revisuors da quint:
generela digls 5 sett. 2020, igl keñt agl rapport digls revisogrs, a kè an rema! (pag.7)       Las cifras tuottas correspuondan                           Menduri Mischol e Selina Leuzzi
                                                                                               E per nus ais – tuot in uorden
Occurenzas digl 2020: Preleczioñ Chatrina Josty «Barbacor / Herzkater»; Megsa ra-              Dafatta il defizit da l'an passo                           Bravuogn, ils 20 marz 2021
donda: «Brauegn tranter la Naz· adeña agl Surmeir»; otras en egdas ad ava (corona)             Quist an ais gnieu cumpenso

Activiteds 2021: Igl Linard lavogra anavant ve dla pagina «Bargunseñer interactiv», a
stat a disposizioñ par fer traduczioñs par la scola, igl turissem agl Bergfestival 2022
                                                                                               Confirmazioñ dl'onneda 1941 (bs)
Angrazchameñts: li Gian Clo Serena, Matteus Guidon, Corina Puorger, Jost Falett,
Guelf (Wolfgang) Schutz, Mirta C. Huder, Heinz Kündig a li suprastanza digl «Pro
Brauegn» palla lavogr presteda pagl rumantsch

Cuedasch «S-cherpa» digl Gian Clo: igl susteñ cun 1000 fr. veñ appruo unanimameñz

Donazioñs: 200.– li biblioteca; 500.– li museum; 200.– li musica da sted; 500.– li Berg-
fahrtfestival

Tschernas: las caricas dla suprastanza en gnegdas confermedas unanimameñz

Café Rumantsch: respunsabla Claudia Taverna, eñt la stegvetta digl museum cun
plessas persoñas chi meñan

Varia
Plañ Purcher: Reservè la sègra digls 24 settember 2021, las 18.00 eñt la Crogsch Alva!
L'assoziazioñ culturela Latsch, Matteus: i è gni refaz la pizza truesch a lanternas
Chesa da scola Latsch: par la radunanza generela ò'la la Cumünanza culturela
eña vogsch an chapetel, delegeda: Claudia Taverna

Nogs chantan «Igl sar cuej...»
                                                                                               Da schniestra a drezza: Linard Cloetta (Bimbo), Rico Falett, Elsbeth Barbla Casparis, Cornelia Böhm,
                                                                                               Rav Andrea Filli, Annelise Bromeis, Chatrina Guidon, Armina Weisstanner, Gita Flisch
Brauegn, igls 2 lügl 2021, Claudia Taverna                                                     Igls catolics digl 1941: Leo Caplazi, Maria Barla Caplazi, Plazi Caplazi, Luisa Tempini, Jakob Raffainer

6                                                                                                                                                                                                         7
Anvegd par la sègra digl Plañ Purcher, igls 24 settember 2021
    Pleds cruschos par umfants a craschis (bs)
    Linard Nicolay
    Kreuzworträtsel für Kinder und Erwachsene
    – Tscharchos en pleds an bargunseñer / Gesucht sind Bergüner Romanisch-Wörter
    – Eñ kederiñ distanza tranter duos pleds / ein Häuschen Abstand zwischen zwei Wörtern
    – Apostrof vela er scu bustab / Apostroph gilt auch als Buchstabe
    – Az·egd sot / Hilfe unter: www.bargunsener.ch

    1                                                                         1)    Nadel
    2                                                                         2)    Farbe
    3                                                                         3)    Messer
    4                                                                         4)    Löffel
    5                                                                         5)    Gabel (Besteck)      Igls tschujs geschan a spezzan chi veña sègra....

    6                                                                         6) Salat                   Żo la Crogsch eñt an stegvetta                      Chi chi so keñta falistochas da pi bod
    7                                                                         7) Nüsslisalat             Leñs passanter eña biala sègretta                   Da limaris se sur igl god
                                                                                                         Anvidos en signugrs a damas ...                     Da pastogrs a da sagnuñs
    8                                                                         8) Radieschen              I'm veñan bod las larmas!                           Da chischiel a da tschigroñs
    9                                                                         9) Blumenkohl              1976 scregva'l igl cho d'alp famos:                 A fans flot feñ an marvegl
                                                                                                         Tots alpchants (bi igls omens) en anvidos           Mangians cun gust igl nos pastregl.
10                                                                            10) Schnittlauch
                                                                                                         OzanŻe ogl kè mido
11                                                                            11) Himbeere
                                                                                                         Señza donnas igl Plañ Purcher el fess passo.        Mirta, igl cho d'alp (cun vogsch sopran)
12                                                                            12) Fussballer

13                                                                            13)   Kanzlist
14                                                                            14)   Gemeindepräsident
15                                                                            15)   Konzert
                                                                                                         Erläuterung
16                                                                            16)   Stürmer
                                                                                                         Früher kehrten die «Randulins» nach Bergün zurück, um dort ihre Ferien zu ver-
17                                                                            17)   Europameister
                                                                                                         bringen und sahen, wie die Bauern, nach dem Alpabzug, mit der Alpabrechnung
18                                                                            18)   bewegen
                                                                                                         ein grosses Fest veranstalteten. So haben sie entschieden, gleiches zu tun, den «Plañ
19                                                                            19)   fliehen
                                                                                                         Purcher» als fiktive Schweinealp zu deklarieren und entsprechendes Alppersonal
                                                                                                         zu wählen. Im Jahre 2003 ist der Brauch,von einheimischen und ausgewanderten
20                                                                            20) Ofenbank
                                                                                                         Bergünerinnen und Bergünern, nach über 30-jährigem Unterbruch, wieder zu neuem
21                                                                            21) Milch verschütten
                                                                                                         Leben erweckt worden.
22                                                                            22) von jeder Sorte eins
23                                                                            23) Durcheinander
24                                                                            24) im Sommer
25                                                                            25) Brunnenstock

        Soluzioñ / Lösung: GARDA SE LO IGL TSCHESS BARBET (Schau den Bartgeier dort oben)

8                                                                                                                                                                                                     9
Das Ganderhaus in Stuls                       Als er im Jahr 1978 ohne Nachkommen             Die Tradition der Vermietung wurde danach       Dorf vor der Tür ist fantastisch und dies in je-
                                              verstorben war, hatte seine Schwester           von den Erwerbern Peter und Dawn Cleis          der Jahreszeit! Kirchlein und das traditionelle
Gion Conrad                                   Katharina Meier-Gander noch ein Wohn-           wieder aufgenommen und professionalisiert.      Handgeläute zwei Mal täglich von Fam. Janett
                                              recht. Sie hat aber den Auftrag erhalten,       Dem ursprünglichen Wunsch von L. Gander         sind besonders zu erwähnen.
                                              das Haus der Uni Bern zu vermachen. Die         kamen diese Jahre wohl am ehesten nach.            Die Entscheidung der Stulser vor 100
                                              Uni konnte aber das Geschenk nicht an-          Wir konnten das Haus 2019 übernehmen            Jahren, sich mit Bergün/Bravuogn zu ver-
                                              nehmen, da sie keine Rechtspersönlich-          und Familie Cleis bewohnt heute den Süd-        binden, hat sicher dazu beigetragen, diese
                                              keit ist. Das Geschenk ging weiter an den       teil (ehem. Stall).                             Ursprünglichkeit zu bewahren. Eine (Durch-
                                              Kanton Bern. Als Katharina Meier-Gander            Wenn auch als Zweitwohnsitz gedacht,         gangs-) Strasse Richtung Filisur hätte viel-
                                              bereits 1980 aufgrund ihres hohen Alters        haben wir uns entschieden, die Tradition        leicht eine andere Entwicklung genommen.
                                              umziehen musste, machte sich der Kt. Bern       der Vermietung fortzuführen. Uns gefällt
                                              an die umfängliche Renovation der zwei          der Gedanke, Leben in Dorf und Haus zu          Gion Conrad ist aufgewachsen und
                                              Hausteile (Haus und Stall). Gleichzeitig        haben und die Einzigartigkeit von Stuls und     wohnhaft im Knonaueramt. Er ist Bür-
                                              wurde das Haus vom Kanton Graubünden            dem Ganderhaus mit Liebhabern zu teilen.        ger vom Sils im Domleschg und seit
                                              unter Denkmalschutz gestellt. Auch ging            Wir erleben die Zeit im schönen Haus, im     2007 Zweitheimischer in Latsch/Stuls.
                                              der Kanton Bern mit seinem Projekt an-          ursprünglichen und unverbauten Stuls, als be-   www.ganderhaus.ch
                                              fänglich dem letzten Willen von Dr. L. Gan-     sonders attraktiv. Die Tierwelt um Haus und
                                              der nach, aus dem Haus einen Treffpunkt
                                              für Dozenten und Gelehrte zu machen.
                                              Dieses Unterfangen war für einen Kanton
                                              mit vielen Amtsstellen definitiv kompliziert.
                                              Die Verwaltungs-und Vermietungsgremien
                                              bestanden aus einer Betriebskommission
Das Ganderhaus Stuls, Frontansicht            und später aus der Dr. Gander-Stiftung,
                                              wie aus verschiedenen Dokumenten im
Das Ganderhaus hat in den letzten Jahr-       Amtsarchiv Bern zu erfahren ist. Hausin-
zehnten eine etwas bekanntere Ge-             ventar wurde auch an das Museum Ber-
schichte in Stuls erfahren. Dies ist wohl     gün ausgeliehen und erst 2020 endgül-
auf die Besitzverhältnisse von 1980 bis       tig geschenkt. Vieles blieb aber im Haus
2006 durch den Kanton Bern zurück-            erhalten. Das Renovationsprojekt wurde
zuführen. Auch daher konnte sich der          erfolgreich abgeschlossen und mit einer
Hausname «Ganderhaus» wahrschein-             grossen interkantonalen Bern - Bündneri-
lich in der jüngeren Geschichte so gut        schen Einweihungsfeier im August 1982
etablieren. Dies auch wenn die Fam.           gefeiert und eröffnet. Das Haus wurde
Gander erst im 20. Jahrhundert nach           an Feriengäste des Kantons und Uni ver-
Stuls zugezogen war und nach Stulser          mietet. Später wurde von komplizierten
Quellen aus dem Bergell kam. Sicher hat       Ferienvermietungen wieder auf eine Fest-
aber die erfolgreiche Karriere von Dr. jur.   vermietung gewechselt. Die ursprüngliche
Leonardo Gander, von der Dorfschule           Finanzierung des Umbauprojektes geriet
Stuls zum Dr. jur. an der Universität Bern,   jedoch auch in einen politischen Skandal,
wesentlich zum nun noch immer nach            und 2006 wurde das Haus vom Kanton
ihm bekannten Haus beigetragen.               Bern zurück in private Hände gegeben.           Das Ganderhaus mit ausgebauem Heustall

10                                                                                                                                                                                         11
Tennisclub Bergün/Bravuogn                                                                  Fremde oder Zweitheimische? Die Planta und Salis in Bergün
Ferdinand Schäfer, Präsident                                                                Antonia Bertschinger                                            war ein entfernter Vetter von Flandrinas
                                                                                                                                                            Vater Johann und hatte zusammen mit
Tennis auf 1367 Meter über Meer                                                             Hartmann Planta-Wildenberg                                      diesem in Zürich die Schule besucht.
Bergün hat einen wunderschönen Ten-                                                         Was bisher geschah: Mit der Heirat von                          Später hatten die beiden politisch mit-
nisplatz beim Kurhaus. Jeweils ab Mitte                                                     Maria Jecklin und Johann Planta von Zer-                        einander zu tun. So überrascht es nicht,
Mai, wenn der letzte Schnee geschmol-                                                       nez 1631 kam die Chesa Cuetschna zu-                            dass Ambrosis Sohn Hartmann, geboren
zen und der Sandplatz fachkundig her-                                                       sammen mit dem grössten Grundbesitz                             1630, in zweiter Ehe Flandrina heirate-
gerichtet ist, kann man hier in einem                                                       Bergüns in die Hände eines Auswärtigen.                         te. Wann und wo die Hochzeit stattfand,
prächtigen Alpenpanorama die Filzbälle                                                      Johann Planta wurde zwar eingebürgert,                          ist unbekannt; es muss aber vor 1662
über das Netz schlagen. Die Saison dau-                                                     lebte aber kaum in Bergün. Der Besitz in                        gewesen sein, denn am 19. Juni 1662
ert bis ungefähr Ende Oktober, bis zum                                                      Bergün ging an die Tochter Flandrina.                           wurde Hartmann von Planta in Bergün
ersten grossen Schneefall.                                                                                                                                  eingebürgert. Er und Flandrina bekamen
   Verantwortlich für den Betrieb des                                                                                                                       zwei Töchter, Anna-Maria und Elisabeth.
Platzes ist der Tennisclub Bergün. Dem                                                                                                                      Flandrina starb schon 1668, Hartmann
Club gehören einheimische Tennistalente                                                                                                                     lebte bis 1685.
an, zur Mehrheit aber Gäste aus dem                                                                                                                            Verschiedene Anzeichen deuten dar-
Unterland. Die Mitglieder bezahlen einen                                                                                                                    auf hin, dass Hartmann in Bergün nie hei-
Jahresbeitrag (150 Franken, Junioren 50      Tennisplatz beim Kurhaus Bergün/Bravuogn                                                                       misch wurde und dass die Gemeinde ein
Franken) und spielen danach so viel sie                                                                                                                     ambivalentes Verhältnis zu ihm hatte. So
wollen. Nicht-Mitglieder können den          und Preise gekämpft mit Einzel- und                                                                            wurde er zwar im Oktober 1662 standes-
Platz mieten für 20 Franken pro Stun-        Doppelkonkurrenzen. Immerhin – auch                                                                            gemäss zum Mastrel von Bergün gewählt
de; die Rezeption des Kurhauses nimmt        hier beschliesst ein fröhliches Fest mit                                                                       – gleichzeitig amtete er aber, von 1659
die Reservation entgegen. Hier sind auch     Verpflegung vom Grill die strenge Ten-                                                                         bis 1663, als Commissari in Chiavenna
Tennisschläger erhältlich. Vorgeschrie-      niswoche.                                                                                                      und zudem als Mastral im Unterengadin,
ben für alle sind Tennisschuhe.                Der Tennisclub zählt zur Zeit 24 Aktiv-                                                                      der Heimatgemeinde seines Schwieger-
   Für den Tennisclub beginnt die Saison     mitglieder. Das «Clublokal» liegt direkt                                                                       vaters. Dies muss den Bergünern sauer
jeweils schon im Frühjahr. Ende März         beim Tennisplatz und hat besonderen                                                                            aufgestossen sein. Als Hartmann 1673
oder anfangs April treffen sich die Mit-     Charme: Im Winter ist es das Kassahäus-                                                                        in Bergün zum zweiten Mal zum Mastrel
glieder «auf halbem Weg» zwischen            chen an der Talstation des Skilifts Tect. Es                                                                   gewählt wurde, während er wiederum
Unterland und Albulatal, im Toggen-          dient dem Club zur Aufbewahrung von            Die 15-jährige Flandrina von Planta-Wildenberg (Privatbesitz)   zeitgleich im Unterengadin Mastral war,
burg, um an einem Wochenende in der          Material, von Bällen oder Spielstandsan-                                                                       beschloss die Gemeinde, der «Illustrissi-
Tennishalle von Unterwasser, angeleitet      zeiger zum Beispiel. Dass sich darin auch      Flandrina Planta wurde um 1643 geboren.                         mo Signur Commissari Hartmann Planta
durch Tennislehrer, ihr Können aufzu-        sechs oder noch mehr Personen aufhal-          Wo sie aufwuchs, ist unbekannt. Vielleicht                      de Wildenberg» müsse mindestens die
frischen. An Pfingsten findet das Eröff-     ten können, glaubt nur, wer es erlebt hat:     war sie öfters in Bergün, solange ihre                          Hälfte der Amtszeit in Bergün verbrin-
nungsturnier statt – ein Plauschanlass       Ein heftiges Gewitter, welches Spieler         Mutter noch lebte, danach wohl eher in                          gen – bei Androhung einer Strafe von
mit Doppelspiel, an dem das Vergnügen        und Zuschauer fluchtartig vom Platz fegt.      Zernez beim Vater – oder auf Besuch bei                         50 Kronen.
wichtiger ist als der Sieg. Der Kampfgeist                                                  Verwandten in Malans, woher sie 1651                               Weiteren Ärger mit Ämtern gab es
wird demgegenüber an den Clubmeis-                                                          ihrem Vater einen Brief schrieb.                                1675. Die Gemeinde hatte Hartmann
terschaften herausgefordert; während         ferdinand.schaefer@bluewin.ch                    Warum Verwandte in Malans? Am-                                für 4000 Gulden das Podestatenamt
einer Woche Ende Juli wird um Pokal                                                         brosi Planta-Wildenberg von Malans                              von Morbegno für die Jahre 1677 bis

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1679 verkauft, mit der Bedingung, das                        Auch als grösster Grundherr Bergüns
Amt selber auszuüben oder es ansons-                         zeigte sich Hartmann nicht besonders
ten einem anderen Gemeindebürger zu                          heimatverbunden. Wie sein Schwieger-
überlassen. Doch Hartmann verkaufte                          vater verpachtete er die von Flandrina
das Amt Flandrinas Halbbruder, Johann                        geerbten Güter und gewährte Darlehen.
Heinrich von Planta in Zernez, was zu                        Über diese Geschäfte sind wir gut infor-
einem mehrjährigen Streit zwischen ihm                       miert, denn das Rechenbuch über die
und der Gemeinde führte.                                     Bergüner Güter der Planta ab 1663 ist er-
                                                                         halten. Das Buch trägt aber
                                                                         den Titel «Cudesch grond
                                                                         da Malans»! Ein anderes
                                                                         Buch zeigt zudem, dass die
                                                                         Erträge der Bergüner Güter
                                                                         regelmässig nach Malans
                                                                         oder Zernez transportiert
                                                                         wurden. In einer Zeit, in
                                                                         der die Ressourcen knapp
                                                                         waren, machte dies wohl
                                                                         keinen sonderlich guten
                                                                         Eindruck auf die ärmeren
                                                                         Mitbürger!                      Dokument aus dem Bergüner Gemeindearchiv
                                                                           Die Töchter von Hart-
                                                                         mann und Flandrina, Eli-
                                                                         sabeth und Anna-Maria,          Transkription
                                                                         heirateten nach dem Tod         Anno 1673 à dj 16 octobris
                                                                         ihres Vaters in den späten      Ais ordino chia ün chi ho la namnaunza da gnir Mastrel digl noess
                                                                         1690er-Jahren. Wie es mit       H.o Cumoen saja oblio et culpaunt, cumb.. ch'ell ho arftschieu
                                                                         Ihnen und dem Bergüner          ilg saramaint da habitar in ilg cumoen cioé in Bravoeng. Et
                                                                         Besitz weiterging, erzählen     siand ilg Ill.m. Sigr. Comissari Hartman Planta de Wildenberg
                                                                         wir im nächsten Muchetta.       ho Gichtt u eguella sia malatia solita del Podagramm sco eir e...
                                                                                                         seand ch'ell ais eir Mastral in Engiadina suott schi ais
                                                                                                         ell consess da star medz ilg teimp our d'ilg noss comoen e
                                                                                                         la mited del teimp saja ell culpaunt et oblio da star in
                                                                                                         ilg Comoen sub paina da ^ 50. gl chi (pratichescha?) quist
                                                                                                         schantamaint.

                                                                                                         Übersetzung
Hartmann von Planta-Wildenberg, undatiertes Porträt, Staatsarchiv Graubünden                             Der gewählte Gemeindepräsident von Bergün (Mastrel) ist verpflichtet, während
                                                                                                         der Hälfte der Amtszeit in Bergün zu wohnen, obwohl er an der Gicht leidet, und
 Antonia Bertschinger recherchiert seit mehreren Jahren zur Geschichte Ber­güns und                      gleichzeitig Mastral (entsprach später dem Amt des Kreispräsidenten) im Unterenga-
 Graubündens und ist Autorin der Romanreihe «Bergünerstein». Sie ist selber seit früher                  din ist. Bei Nichteinhaltung würde laut Reglement eine Strafe von 50 Gulden erhoben..
 Kindheit zweitheimisch in Bergün/Bravuogn.

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14. Jahrgang / Nr. 5   September/Oktober 2021
Nogs gratuleschan pagl anniversari (bs)
igls 6 sett. 2021    la dna.   Elisabeth Homberger-Veraguth   Uetikon    pagl   94 evel
igls 8 sett. 2021    igl sar   Alfons Caplazi                 Kriens     pagl   85 evel
igls 20 sett. 2021   la dna.   Anna Müller-Flisch             Turich     pagl   85 evel

igls 18 oct. 2021    la dna.   Bina Mästinger-Nicolay         Bottikofen pagl   85 evel
igls 12 sett. 2021   igl sar   Toni Zünd                      Brauegn    pagl   75 evel
igls 20 sett. 2021   la dna.   Chatrina Cadisch-Meuli         Brauegn    pagl   75 evel

Mortoris (bs)
igls 26 gün   2021   la dna.   Chatrina Zöschg-Barandun       Brauegn    cun    74 ons

                                                                  Sinceras condulazioñs

                                                                                                                                        1
Erinnerungen als 81-jährige an Stuls und Runsolas                                                           Unser Maiensäss in Runsolas                 chenschindeln decken. Als das Pracht-
                                                                                                                                                        stück fertig war, wurde uns eröffnet, die
Käthi Beesley-Füllemann                                    Auf der linken Strassenseite in Stuls lebten     Ferdinand Füllemann                         Versicherung akzeptiere nur Hartdächer.
                                                           in allen Häusern Bauern mit ihren Familien,                                                  Die Lärchenschindeln mussten zu Edel-
Ernst Kruse, ein Freund von meinem Vater                   rechts eher Ferienleute, Das Leben pulsier-      Die Sommerferien verbrachte unsere          brennholz verarbeitet werden.
war mein Götti, wohnte oft in Stuls und                    te, Die Felder wurden regelmässig gemäht         Familie jahrzehntelang jeweils in Stuls.       Mein Vater war beruflich ausserordent-
Zug. lch war ca. 1-jährig, als er uns nach                 und das Gras getrocknet, Bauerngärtli mit        Wir waren glücklich, 1965 in unserer «2.    lich gefordert. Er genoss die Ferienruhe
Stuls eingeladen hat für kurze Ferien.                     Gemüse bepflanzt, und Hühner spazierten          Heimat» in Runsolas ein Maiensäss kau-      in Runsolas, und nur seine Sekretärin
                                                                               herum. Otto Paul Serena      fen zu dürfen. Das geräumige Haus er-       wusste, dass im äussersten Notfall ihn
                                                                               hat täglich die Strassen     wies sich als renovationsbedürftig, aber    ein Meldeläufer von Stuls aus hätte er-
                                                                               begangen und aus-            dieser Umstand weckte Tatendrang und        reichen können. Ursprünglich wollte man
                                                                               gebessert. In Runsolas       Innovationslust. Zuerst musste tüchtig      für ihn eigens eine Telefonleitung bauen.
                                                                               wurden die Hütten von        geräumt werden. Die Vorstellung der         Dagegen hat er sich entschieden gewehrt.
                                                                               den Bauern nicht mehr        Metamorphose vom Kuhstall zur ge-              Radioempfang war nicht möglich. Nur
                                                                               benutzt. Sie waren zu        mütlichen Wohnstube faszinierte meine       Telerätia versuchte mehrmals, Fernsehkon-
                                                                               nahe am Dorf. Früher         Frau und mich. Mit Pickel und Schaufel      zessionen einzutreiben, obschon weder
                                                                               gingen sie im Herbst mit     legten wir los, um ein Steinbett vorzube-   Strom noch Fernsehempfang vorhanden
                                                                               den Tieren hin, um das       reiten. Tagelang suchten wir geeignete      war. Passanten waren Überbringer von
                                                                               Gras abweiden zu las-        Steine in der Umgebung. Beim Bau des        Neuigkeiten. So wurde am 21. Juli 1969
                                                                               sen. Die steilen Hänge       Wasserreservoirs und der Hauszuleitung      die erste Mondlandung der Amerikaner
                                                                               haben sie noch gemäht,       fanden wir dann mehr als genug Stei-        verkündet. Der Schafhirt, der bei uns zum
                                                                               und das Gras im Tenn         ne… Der Start gelang und animierte zu       Mittagessen eingeladen war, meinte spon-
                                                                               gelagert. Im Stall waren     weiteren Taten.                             tan, dass zu hoffen sei, dass das Wetter
                                                                               vielleicht 5 Kühe und ein       So verbrachten meine Frau und ich        auf dem Mond für Spaziergänge der As-
John Beesley ist der heutige Besitzer dieses Maiensässes                       Verschlag, wo der Bauer      die ganze Freizeit, (auch Flitterwochen     tronauten nicht zu garstig sei.
                                                           drin übernachtete. Die Küche und der Stall       und «Hochzeitsreise»!) freudig aktiv in        1971 bot mir die Gemeinde Bergün das
Wir wurden beim Stulser Bahnhof abge-                      hatten vorne nur ein ganz kleines Fenster.       Runsolas. Anfänglich war der Komfort        «Schulhaus» in Stuls zum Kauf an. Wir
holt, mit einer Kutsche von Herrn Schmid                   In der Küche war ein besonderer Kochherd         sehr bescheiden, aber unsere Bemühun-       zügelten und begannen dort – mit vielen
von der Post Stuls. Warm in Decken ein-                    zum Käsen. Da war auch die Leiter, um,           gen zahlten sich zunehmend aus. Unser       reichen Erfahrungen – von vorne. Run-
gepackt sass ich zwischen meinen Eltern.                   wie im Heidi-Haus, in den oberen Stock           Auto war bei jeder Anfahrt voll beladen     solas wurde fortan von meinen Eltern,
Herr Schmid sagte «Hü Mora», und das                       zu gelangen. Am Abend leistete ihm oft           mit Werkzeugen und Möbeln. Einmal           den Familien meiner älteren Schwes-
Pferd trottete sofort seinen Weg nach                      der Schafhirt vom Muchetta Gesellschaft,         transportierten wir einen schweren          ter und des jüngeren Bruders genutzt.
Stuls. Dort entstanden meine ersten                        Carlo von Bergamo, schon in dritter Ge-          Ofen. Wir wurden überrascht durch hef-      Nach dem Tod der Eltern waren wir zu
Kindererinnerungen und ich lernte lau-                     neration Schafhirt, hütete 500 Schafe. Er        tigen Schneefall. Wir bewältigten den       dritt als Erbengemeinschaft Besitzer. Ich
fen. Als ich 12-jährig war, durften wir                    zählte sie täglich. Einmal wollte er ein Schaf   Bergünerstein mit Not: meine Frau sass      habe beim Unterhalt mitgeholfen. 2020
von da an regelmässig die Ferien in Stuls                  holen, das abgestürzt war. Er stürzte dabei      auf der Motorhaube, um beim Front-          Haben wir das Haus meiner Schwester
verbringen. Für die Hinreise ohne Auto                     selber und war 3 Tage unter einem Stein          triebler die Vorderachse zu belasten…       abgetreten, und sie hat es ihrem Sohn,
(praktisch niemand hatte eins) hat man                     eingeklemmt. Zum Glück konnte man sein           Wir hatten zudem Glück, dass die Poli-      John Beesley, vererbt.
die Koffer per Bahnpost geschickt. Die                     Bein im Spital Thusis retten. Man hatte halt     zei nie unsere Dachlasten kontrollierte.
wurden dann mit dem Postauto von Ber-                      noch kein Handy. Er bekam dann eine                 Es gab auch Enttäuschungen: das
gün im Dorfzentrum in Stuls abgestellt,                    Schreckpistole für den Notfall.                  Schindeldach musste ersetzt werden.
wo man sie holen konnte.                                                                                    Mein Vater liess das Dach neu mit Lär-

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