DRUCK PAPIER - DRUCK+PAPIER
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www.verlage.verdi.de | www.druck.verdi.de | www.papier.verdi.de Die Branchenzeitung DRUCK Nr. 5 | Dezember 2019 | Jahrgang 157 PAPIER www.verdi-drupa.de Abbauen, einstellen, verkaufen ©Alexander Erdbeer - stock.adobe.com Wo Gewinne schrumpfen, vergeht dem Verleger die Lust am Printgeschäft | MICHAELA BÖHM Zeitungsverlage produzieren zurzeit vor allem Nega- Lustlos A U S D E M I N H A LT tivschlagzeilen. Sie legen Redaktionen zusammen, Zum Beispiel DuMont: Der Verlag will aus dem Zei- dünnen Abteilungen aus, streichen Stellen. Beschäf- tungsgeschäft aussteigen, doch keiner interessiert Tarifhülle statt Tarif- tigte werden in Altersteilzeit oder in die Arbeitslosig- sich für das Paket aus Tageszeitungen, Druckereien vertrag Seite 3 keit entlassen. Es sind immer die gleichen Maßnah- und kränkelnder Boulevardpresse. Einzig der Berliner men, mit denen Zeitungsverlage sinkende Auflagen Verlag fand Käufer. Was das Unternehmen vorhat, sei SWMH: Die unbekannte und Anzeigenrückgänge auszugleichen versuchen. nicht erkennbar, sagt Röper. Außer der Lustlosigkeit Krake Seiten 4 und 5 der DuMont-Erben am Zeitungsgeschäft und deren Interessenlos Herumwursteln im Digitalen. Zusteller*innen unter Zum Beispiel Axel Springer: Nachdem der Finanzin- Druck: 249 Zeitungen vestor KKR größter Einzelaktionär geworden ist, hat Einfallslos in 17 Minuten die Geschäftsführung ihre Pläne öffentlich gemacht. Zum Beispiel Südwestdeutsche Medienholding: Sie Seite 7 50 Millionen Euro sollen im Nachrichtengeschäft von hat jetzt angekündigt, bis Ende nächsten Jahres Stel- Print und Online gekürzt werden. Branchenkenner len abzubauen. Wie viele, ist unklar. Allgemeinverbindlich- Gert Hautsch geht davon aus, dass ein Fünftel der Wo Redaktionen kleiner werden und Zeitungen keit: Weg mit dem Stellen wegfällt. Ganze Zeitungen, wie Welt kompakt schrumpfen, gibt es auch weniger zu drucken. Und Vetorecht und Welt Hamburg, verschwinden. Gleichzeitig inves- wo Gewinne schrumpfen, lässt auch die Lust der Seiten 8 und 9 tiert der Verlag ins Digitalgeschäft. Dort werden jetzt Verleger am Zeitungsgeschäft nach. Printwerbung schon nahezu drei Viertel des Umsatzes gemacht. Die brachte vor knapp 20 Jahren noch 6,5 Milliarden Euro Gedruckte Elektronik: Strategie des Konzerns sei seit Jahren die gleiche: Das ein, jetzt nur noch 2,2 Milliarden. Medienforscher Licht zu drucken ist Digitale stärken und das Printgeschäft nebenher lau- Röper: »Seit Jahren fällt Zeitungsverlegern nichts ein, einfach fen lassen – »so lange, wie sich damit Rendite erwirt- um den Rückgang bei Anzeigen und Auflagen zu Seiten 12 und 13 schaften lässt«, sagt Zeitungsexperte Horst Röper. Das stoppen.« spüren auch die drei Springer-Druckereien in Ahrens- Warum die Südwestdeutsche Medienholding NÄCHSTE AUSGABE burg, Kettwig und Spandau. Dort werden bis Ende »unbekannte Krake« genannt wird, steht auf den Die nächste DRUCK+ des Jahres gerade noch 450 Menschen Arbeit haben. Seiten 4 und 5. Mehr zu den Springer-Druckereien PAPIER erscheint im Von einst 3.500 in den 1990er-Jahren. ist auf der Seite 6 zu lesen. Februar 2020.
2 D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 EDITORIAL STRICHÄTZUNG Neulich habe ich (beim Unternehmerverband der Druckindustrie) gelesen: »Wer keine Vision hat, hat kein Ziel. Und wer kein Ziel hat, kommt nirgends an.« Ich mag solche Sätze. Sie tun niemandem weh, kosten keine Hirnzellen und machen sich auch auf Weihnachtskarten sehr schön. Ich bin absolut für Schlichtheit – aber bitte rich- tig! Man nehme sich nur mal die Tarifverträge der Druckindustrie und Papierverarbeitung zur Hand – was da alles Kompliziertes drinsteht! »Verantwort- liches Einrichten, Umrüsten und Überwachen als Dru- cker an Offsetrotationen.« Geht das nicht einfacher? Doch, sagen die Unternehmerverbände. Sie nennen Illustration: Thomas Klefisch das »Neugestaltung« (Papierverarbeitung) oder – we- niger vornehm – »Entrümpelung« (Druckindustrie). Ich vermisse bei den Verbänden allerdings den Mut zu echten Visi- onen. Warum diese ab- ertgrie ss.de www.rob strakten, schachtelartig Ein Königreich für mehr Hirn formulierten Tätigkeits- merkmale? Weg damit! Was kommt wohl zuerst: Der Brexit Begründung: »Viele von den Alten sind oder die Eröffnung des Berliner Flug- inzwischen tot. Die hätten heute keine Stattdessen sollte man hafens? Berlin hat immerhin den ersten Mehrheit mehr.« Foto: Jan Jacob Hofmann sich ein Beispiel an der CO2-neutralen Airport der Welt gebaut. Ich würde den Brexit gern als Drama Augsburger Allgemei- Beim Brexit aber macht sich neben den in original Shakespeare-Zitaten am nen nehmen und Kopf- Briten auch Europa selbst lächerlich. Stadttheater inszenieren. Das Setting: noten wie in Zeugnissen Mit jedem neuen Aufschub, den die Die Queen empfängt im Buckingham einführen (Seite 6). Briten kriegen, denken sich Populisten Palace im Monty-Python-Saal Boris Für Lohnrahmentarifverträge genügen einige wie Orban oder Salvini: Mit der EU kann Johnson (der übrigens denselben Friseur wenige: Fleiß, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Betragen. man’s ja machen. Die EU sollte den hat wie Donald Trump) und Labour-Chef Nicht zu vergessen die Richtbeispiele. Hat dem Chef Briten sagen: »War ’ne schöne Zeit mit Corbyn zum Schwertkampf. Dann hauen die Aktentasche ins Büro getragen – 3 Punkte. euch, schade, dass ihr Schluss machen die sich erst einen Arm, dann ein Bein Widerspricht den Führungskräften nicht – 5 Punkte. wollt, da ist die Tür. Und wenn ihr ab (ist nur Theaterblut – Shakespeare wieder reinwollt, könnt ihr euch gern war der Quentin Tarantino seiner Zeit, Arbeitet trotz Streik weiter – 10 Punkte. Das passt wieder hinten anstellen.« Ein klarer immer Action!) und dann die Zitate um auf eine Seite, ist gut verständlich und sollte reichen, Schnitt. Schließlich haben die Briten die Ohren. Johnson: »To have lunch um die Höhe des Lohns zu definieren. 2016 im Referendum für den Austritt or to be lunch – that is the question!« Mit Sekundärtugenden wie Fleiß, Treue, Gehor- aus der EU gestimmt und am Tag da- Und Corbyn erwidert: »Two beers or sam, Disziplin und Pflichtbewusstsein kennen sich die nach erst gegoogelt, was das überhaupt not two beers – that is the question!« Deutschen aus. bedeutet. Das Ergebnis damals war mit Bis die Queen irgendwann verzweifelt Dann bin ich aufgewacht. Mir fiel zum Glück 51 zu 49 Prozent denkbar knapp: Die aufspringt, dem Volk aus dem Fenster ein, dass der Druckunternehmerverband mit seiner Älteren stimmten für den Ausstieg aus zuwinkt und ruft: »A brain, a brain – my Entrümpelei gescheitert ist. Die Redaktion wünscht der EU, die Jüngeren dagegen. kingdom for more brain!« Das wäre euch einen guten Start ins nächste Jahr – gern mit Jetzt sah ich neulich eine junge ein schön kurzes Drama, um halb Visionen! MICHAELA BÖHM Londonerin in den Tagesthemen, die ein neun säßen wir alle gemütlich in der zweites Referendum forderte mit der Kneipe. ROBERT GRIESS SCHUSTERJUNGE Millionen Euro Lohn für die Axel-Springer-Vorstände, die gerade Glühwein-Geflüster mal wieder kürzen, sparen, streichen – nur nicht bei sich selbst. Es sei nicht so, dass er es ihnen nicht gönnen würde, sagte Die Vorweihnachtszeit lässt manch einen zur Besinnung kommen. Kuban. Man müsse jedoch zwingend an der Bedürftigkeitsprüfung So auch den Junge-Union-Vorsitzenden Tilman Kuban. 32 Jahre, festhalten. Wörtlich: »Wir können uns nicht vorstellen, dass sich Sneaker, beheimatet in Barsinghausen. Von Beruf: erzkonservativ. diese zusätzliche Leistung nicht an der Bedürftigkeit orientiert.« Nun meldete sich Kuban zu Wort, gar nicht so breitbeinig und Ups. Da ist was durcheinandergeraten. Tatsächlich geißelte der polterig wie sonst. Zimtduft und Glühwein haben ihn umgestimmt. Junge-Union-Vorsitzende die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprü- Sein Thema, mit dem er nun vor die Mikrofone tritt, sind die Ge- fung – eine Minirente, zehn Prozent über der Sozialhilfe. Übrigens: hälter und Boni für Vorstände. Nur ein paar Beispiele: 10 Millionen Die 6.000 Euro Prämie für den Kauf eines Elektroautos gibt es Euro Jahresbonus für den Allianz-Chef, 1,3 Millionen Euro »Erfolgs- weiterhin ohne Bedürftigkeitsprüfung. Von irgendwoher müssen ja bonus« für den Ex-Chef des Abgasbetrügers VW, für 4 Jahre 115 auch die Boni für die Vorstände kommen. mib
D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 3 Tarifhülle statt Tarifvertrag Druckindustrie Das fordert ver.di: Die Unternehmerverbände in der Papierverarbeitung und Druck- • Für ausgewählte Tarifregelungen wird industrie fordern Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen die Allgemeinverbindlichkeit beantragt. • Die Altersteilzeit wird auf bis zu zehn Vieles ist noch vage in den Tarifgesprächen tertür zu erreichen. Denn einzelne Beschäf- Jahre ausgeweitet. Das Altersteilzeitent- mit den beiden Unternehmerverbänden tigte und Betriebsräte sind – anders als eine gelt wird auf 85 Prozent aufgestockt. der Druckindustrie und Papierverarbeitung. Gewerkschaft – schwächer und erpressbar. • Beschäftigte haben das Recht auf Ver- Deutlich ist jedoch: Geht es nach deren Und nur die Gewerkschaft kann zum Streik kürzung der Arbeitszeit und Ausstieg Willen, werden Tarifverträge künftig einen aufrufen. Einzelne Beschäftigte oder Be- aus der Schichtarbeit. Der Lohnverlust anderen Charakter erhalten. Sie enthielten triebsräte haben kein Druckmittel gegen die wird jeweils zur Hälfte ausgeglichen. keine einheitlichen Schutzregeln mehr für Geschäftsführung in der Hand. • Der Manteltarifvertrag wird um weitere die tarifgebundenen Betriebe einer Branche. Weiter: Jede Forderung von ver.di soll mit fünf Jahre bis zum 31. Mai 2026 ver- Stattdessen wären sie gespickt mit Öff- einem Verzicht bezahlt werden. Will ver.di längert. nungsklauseln. Tarifhülle statt Tarifvertrag. beispielsweise eine Entlastung für Schichtar- • Der Tarifvertrag zur Förderung der Ob eine Belegschaft 40 Stunden pro beitende, möchte der Bundesverband Druck Altersvorsorge wird wieder in Kraft Woche arbeitet, soll nach Vorstellung des und Medien (bvdm) dafür eine Öffnungsklau- gesetzt. Bundesverbands Druck und Medien die sel. ver.di und der bvdm haben sich nach der Geschäftsführung mit dem Betriebsrat ver- Wiederinkraftsetzung des Manteltarifvertrags handeln. Der Hauptverband Papier- und im Mai auf die Fortsetzung von Verhand- Papierverarbeitung Kunststoffverarbeitung geht noch weiter: lungen verständigt. Der bvdm hat alle seine Auch der Betriebsrat soll außen vor bleiben. früheren Forderungen wieder auf den Tisch Das fordert ver.di: Danach soll die Geschäftsführung mit jedem gepackt: Arbeitszeit verlängern, Zuschläge • Die Öffnungsklausel zur Arbeitszeit- einzelnen Beschäftigten verhandeln können, kürzen, Jahresleistung und Urlaubsgeld verlängerung wird gestrichen. ob der etwa auf die Freiwilligkeit der Sams- zusammenfassen und reduzieren. »Völlig • Ein Tarifvertrag bietet die Möglichkeit tagsarbeit verzichtet. Damit erhoffen sich absurd«, sagt ver.di-Verhandlungsführer zur geblockten Altersteilzeit. Das Alters- beide Unternehmerverbände, Verschlechte- Andreas Fröhlich. In einer Branche wie der teilzeitentgelt von Schichtarbeitenden rungen im Manteltarifvertrag durch die Hin- Druckindustrie, in der Beschäftigung abge- wird auf 85 Prozent aufgestockt. baut wird, gebe es nur ein Gebot der Stunde: • Über 55-Jährige haben das Recht auf kürzer arbeiten, den vorzeitigen Ausstieg Verkürzung der Arbeitszeit und Aus- Betriebliche Altersvorsorge aus der Schicht- und Erwerbsarbeit möglich stieg aus der Schichtarbeit. Der Lohn- Bislang behielten Unternehmer ihren machen und finanziell abfedern. mib verlust wird jeweils zur Hälfte aus- Anteil an der Sozialversicherung für sich, geglichen. wenn Beschäftigte einen Teil ihres Ent- Weitere Verhandlungstermine • Beschäftigte erhalten einen Anspruch gelts in die betriebliche Altersvorsorge In der Papierverarbeitung wird am auf bezahlte Weiterbildung. einzahlten. Mit dem neuen Gesetz zur 6. Dezember und in der Druckindustrie • Der Tarifvertrag zur Förderung der Betriebsrente ist diese Regelung abge- am 9. Dezember verhandelt – damit Altersvorsorge wird wieder in Kraft schafft worden. Unternehmer müssen nach dem Druck der DRUCK+PAPIER. gesetzt. bei Neuverträgen seit 1. Januar 2019 pauschal 15 Prozent an eine Pensions- kasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung zur Altersvorsorge weiterleiten. Für alte Verträge gilt das ab 2022. Da die Unternehmerverbände der Druckindustrie und Papierverarbeitung keine verbindliche Zusage machen, das Gesetz umzusetzen, hat ver.di die Tarif- verträge zur betrieblichen Altersvorsorge zum Ende des Jahres gekündigt. Die Ge- werkschaft fordert 100 Euro pro Monat und Beschäftigten für eine betriebliche Altersvorsorge. Zusätzlich hat ver.di dem Unter- nehmerverband der Papierverarbeitung Karikatur: Thomas Plaßmann vorgeschlagen, für Alt- und Neuverträge zwölf Prozent des Umwandlungsbetra- ges für vier Jahre zu vereinbaren, gültig ab 1. Januar 2020. Und 15 Prozent ab 2024 für alle.
4 D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 VERLAGE ZEITUNGSVERLAGE Foto: Joachim E. Röttgers GRAFFITI, Collage: werkzwei Die unbekannte Krake Südwestdeutsche Medienholding: scheut die Öffentlichkeit, kauft Zeitungen und entlässt Beschäftigte, streicht Stellen und bastelt an Einheitszeitungen | JOSEF-OTTO FREUDENREICH Das Schaubild an der Wand in Siegfried Heims Zeitung Tariflos Büro macht einen schwindlig. Überall Käst- Druckerei Tarifgebunden chen, die jeweils für ein Unternehmen stehen. Berücksichtigt sind Tageszeitungen (keine Anzeigenblätter) mit einer Auflage 150 Fachzeitschriften, 16 Tageszeitungen, über 20.000 Exemplare. 16 Anzeigenblätter, Fernseh- und Radiosen- * In den Druckereien ist oft nur noch der Druckbereich in der Tarifbindung, nicht aber Vorstufe und Weiterverarbeitung. der, Briefdienste. »Ich nenne es Zerlegungs- Quelle: Formatt-Institut Dortmund, Stand: Januar 2017, und eigene Recherchen orgie«, sagt der Landesfachbereichsleiter Medien bei ver.di. So kann man die Betriebs- räte klein oder gleich ganz draußen halten und sich noch leichter aus dem Tarif stehlen. Südthüringer Zeitung + Heim spricht von der Südwestdeutschen Me- Freies Wort dienholding, kurz SWMH, einem der größten Zeitungskonzerne in Deutschland. SUHL Frankenpost Das Kürzel kennen die wenigsten, dafür Neue Presse COBURG HOF die Namen der Blätter, die den Süden der Druck- u. Verlagsanstalt Nordbayerischer Kurier Republik zupflastern. Im Westen fängt es Neue Presse BAYREUTH mit der Rheinpfalz an, geht über die fusio- nierte Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nach- Waiblinger Kreiszeitung Bechtle Verlag & Druck richten und die Süddeutsche Zeitung bis zur Stuttgarter Nachrichten Südthüringer Zeitung im Osten. Eßlinger Zeitung Stuttgarter Zeitung Unterm Deckel Grafik: werkzwei Detmold Pressehaus Stuttgart Druck OBERNDORF Die SWMH, das unbekannte Wesen. Das Schwarzwälder Bote Süddeutscher Verlag Zeitungsdruck hängt auch damit zusammen, dass der La- VILLINGEN-SCHWENNINGEN den fast wie ein Geheimdienst funktioniert. Druckzentrum Südwest MÜNCHEN Süddeutsche Zeitung So wenig wie möglich Öffentlichkeitsarbeit, möglichst keine Interviews und darauf ver- trauen, dass die großen und kleinen Quäle- reien im Meer der Nachrichten untergehen. das Flaggschiff schaut die ganze Republik; ten dann die Ansagen, die nichts anderes Außerdem legt man sich mit der Krake deshalb hält sich das Management dort mit bedeuten, als die Kolleginnen und Kollegen ungern an. dem Brecheisen (noch) zurück. rauszuschmeißen. Das sei aus Unternehmer- Wenn beim Nordbayerischen Kurier Beides gehört zum Geschäftsprinzip: das sicht »die logische Konsequenz schrumpfen- gestreikt wird oder beim Schwarzwälder Kaufen und das Quälen. Kaum gehört die der Märkte«, verbunden mit der Unfähigkeit Boten, dann bleibt das unterm Deckel von Neuerwerbung zum Konzern, kaum hat man oder dem Unwillen, sich um die betroffenen Bayreuth und Oberndorf. Wenn die Eßlinger hoch und heilig versichert, ihre Unabhängig- Menschen zu kümmern, sagt ver.di-Sekretär Zeitung oder die Böblinger Kreiszeitung keit zu wahren, wird geholzt. In den Redakti- Uwe Kreft. gekauft wird, ist das vielleicht eine dpa-Mel- onen, im Verlag und – wenn vorhanden – in Und dieser Prozess beschleunigt sich. dung wert. Gefährlich wird es erst, wenn es der Druckerei. Synergien heben, Effizienz ver.di hat nachgezählt, dass allein in der bei der Süddeutschen Zeitung rumort. Auf steigern, Doppelstrukturen abbauen, so lau- zweiten Hälfte des vergangenen Jahres
D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 5 430 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren Gespart werden soll auch im Druckbereich. gemacht, wurde im Rahmen einer »Port- haben. Verantwortlich dafür ist Christian Im Zuge der Auflagen- und Anzeigenein- folio-Bereinigung« die Bechtle Druck & Ser- Wegner, 45, der neue SWMH-Geschäfts- brüche haben die Verlage Rotationen still- vice sowie die Akzidenz dichtgemacht, die führer, der im Juli 2018 von dem Kommerz- gelegt und Personal in großem Umfang auf 60 Menschen Arbeit gegeben haben. Sollte sender ProSiebenSat 1 gekommen ist. Er die Straße gesetzt. ver.di-Mann Siegfried jetzt noch der Bild-Auftrag wegfallen, den der war dort fürs Digitale zuständig, rechnet Heim hat Vergleichszahlen parat: Im Jahr alte Otto W. Bechtle einst mit Axel Springer sich als Großtat den Kauf des Datingportals 2000 waren in der Druckindustrie 200.000 gefeiert hat, dann ist auch hier bald Schluss »Parship« an. Zu seinem Antritt sagte er, Menschen beschäftigt, 2019 sind es noch mit dem Druck – und einem unabhängigen stolz darauf zu sein, jetzt ein Unternehmen 135.000. Keine andere Branche habe, pro- Journalismus. Die Mantelredaktion ist schon führen zu dürfen, das einen »Purpose« habe. zentual gesehen, einen solchen Niedergang überflüssig geworden, den überregionalen Einen Sinn also. erlebt. Das heiße auch, sagt Heim, dass das Teil stellen die Stuttgarter Nachrichten. In den »Townhall-Meetings«, die früher Drucken für die Zeitungsverlage kein Kern- Die Eßlinger Zeitung ist damit nicht Betriebsversammlung hießen, wurde Weg- geschäft mehr ist. Bei der SWMH sind es alleine. Im Stuttgarter Hauptquartier der ner deutlicher. Man müsse »massiv Kosten noch 155 Millionen bei fast einer Milliarde SWMH wird bereits an einem Mantel ge- sparen«. In einem nächsten Schritt sollten Euro Umsatz. Für die Zeit nach 2020 fürch- bastelt, der allen 16 Konzernblättern, die etwa 150 Stellen gestrichen, aber auch tet er, dass die SWMH weitere Druckereien Süddeutsche Zeitung ausgenommen, umge- 100 Millionen Euro investiert werden. Nicht schließen könnte. hängt werden soll. Wie das aussehen kann, etwa in Qualitätsjournalismus, wie das die hat sich bereits im Mai vergangenen Jahres Gewerkschaften forderten, sondern in On- Immer auf Kosten der Belegschaft abgezeichnet. Da erschienen die Stuttgar- lineportale im Bereich Bildung und Gesund- Wie der Konzern im Einzelnen vorgeht, lässt ter Nachrichten, die Nürtinger Zeitung, die heit. Nur Erotikplattformen sollten außen sich am Beispiel der Eßlinger Zeitung erzäh- Schorndorfer Nachrichten und so weiter mit vor bleiben, das könnte manchen schwäbi- len. Ein 150 Jahre altes Traditionsblatt, das derselben Schlagzeile: »Und ewig lockt die schen Verleger doch zu sehr verschrecken. 2017 von der SWMH gekauft wurde – un- Currywurst.« Die Herren über viele kleine Zeitungen im ter wortreicher Beteuerung der Verlegerin Zuletzt, am 6. November 2019, sahen Ländle halten immerhin 44,5 Prozent an der Christine Bechtle-Kobarg, immer für die die Zeitungen wieder alle gleich aus. Die SWMH. Belegschaft da zu sein. Kaum hatte sie Kasse südwestdeutschen Verleger hatten eine »Haltungskampagne« ausgerufen, in der ihre INTERVIEW Chefredakteure versicherten: »Die beste Zeit für guten Journalismus ist jetzt«. Es ging um Fake News und die gefährdete Demokratie, Sie schluckt und schluckt die nur mit ihrem Qualitätsjournalismus zu retten sei. Das kritische Onlinemagazin Kon- DRUCK+PAPIER: Herr Röper, Ihr text titelte daraufhin: »Die beste Zeit für eine SWMH-Organigramm ist beeindruckend. Currywurst ist jetzt.« Eine Gegendarstellung Müssen Sie bald wieder anbauen? ist bisher ausgeblieben. Horst Röper: Da hätte ich ständig zu tun. Die SWMH ist seit Jahren auf Expansions- kurs und schluckt und schluckt Zeitungen Die Eigentümer und Anzeigenblätter. Entscheidend für die Südwestdeutsche Foto: privat Das Kaufen von Zeitungsverlagen war Medienholding (SWMH) sind die Lud- lange Zeit die Strategie der SWMH. Ist das wigshafener Familie Schaub mit ihrer nicht vorbei? Horst Röper , Medienwissenschaftler, Medien-Union (Die Rheinpfalz) und die Forschungsinstitut Formatt in Dortmund Nein, die SWMH wird diese Strategie wei- Gruppe Württembergischer Verleger mit terverfolgen. Sie wird sich dabei auf jene Das Organigramm der SWMH: Eberhard Ebner (Südwestpresse) an der Gebiete konzentrieren, in denen sie mit bit.ly/Krake-SWMH Spitze. Beide halten jeweils 44,5 Prozent anderen Zeitungen schon im Markt ist. In an dem Konzern. Die meisten Verleger diesen Fällen sind bei Aufkäufen schnell heute und künftig noch viel mehr Erlöse im sind mit Miniprozenten beteiligt, was sich Synergien machbar: durch Zusammenle- Digitalen erwirtschaften. Bei Springer kann trotzdem gelohnt hat. In ihren besten gungen von Abteilungen, die Verlagerung man sehen, wie ertragreich das alte Ge- Zeiten erzielte die SWMH Umsatzrenditen des Drucks in eigene Unternehmen oder schäft mit Rubrikenanzeigen für den Auto-, von 20 Prozent und mehr. Der Kauf der auch die Nutzung der eigenen Hauptre- Immobilien- und Stellenmarkt ist. Das war Süddeutschen Zeitung sollte sie endgültig daktionen für die überregionale Bericht- einst eine Domäne der Zeitungsverlage. in die Bundesliga des Zeitungsgeschäfts erstattung der zugekauften Zeitungen. In Aber dieses Geschäft haben sie nahezu katapultieren. Doch der viel zu hohe anderen Regionen ist ein Engagement eher kampflos preisgegeben. Kaufpreis von 720 Millionen Euro hat unwahrscheinlich. die Profite geschmälert. Dennoch ist die Was würden Sie tun, wenn Sie SWMH- SWMH weiter auf Einkaufstour. Um sie zu Jetzt sollen es Onlineportale richten. Geschäftsführer Wegner wären? finanzieren, hat der neue Geschäftsfüh- Halten Sie das für eine Lösung? Ich würde in die Entertainment-Branche rer Wegner ein massives Sparprogramm Onlineportale sind unverzichtbar. Die ehe- zurückkehren. Journalismus ist ein viel angekündigt – wie immer auf Kosten der maligen Printunternehmen müssen schon schwierigeres Geschäft. Beschäftigten.
6 D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 ZEITUNGSVERLAGE Kopfnoten für Drucker Augsburger Allgemeine bewertet soziales Verhalten, Leistung und Loyalität In Schulzeugnissen gibt es Zensuren für Ma- halten, Flexibilität/Loyalität und betriebswirt- Loyalität? Wie das Ergebnis im Einzelnen zu- the, Deutsch und Englisch. Und es gibt soge- schaftlichem Denken. Für jedes Kriterium stande kam, wird den Beschäftigten erst auf nannte Kopfnoten – etwa für Mitarbeit und werden von null bis vier Punkte vergeben. Einspruch bekannt gegeben. Sicher ist nur Verhalten. Je nach Bundesland beurteilen Leh- Maschinenführer, Schichtleiter und Abtei- eins: Je nach Punktezahl verteilt das Unter- rer*innen Fleiß und Betragen oder Konfliktfä- lungsleiter bewerten Drucker. Schichtleiter nehmen Prämien. Wie viel Geld im Topf ist, higkeit und Toleranz. Die Gewerkschaft GEW und Abteilungsleiter beurteilen wiederum darüber will niemand sprechen. bezeichnete Kopfnoten einmal als »pädago- Maschinenführer. Der Betriebsrat beurteilt die Prämien- gischen Unfug«. Kopfnoten sind umstritten – Die Idee stammt von der Unternehmens- regelung skeptisch, stimmt aber einem weil sie ungerecht sind, weil die Beurteilungs- leitung. Allerdings möchte Verlagsleiter halbjährigen Probelauf zu. Lieber hätte er kriterien unklar sind und weil damit rebellische Andreas Schmutterer über dieses »betriebs- jedoch einen Großteil des Geldes an alle Schüler*innen diszipliniert und liebedieneri- interne Thema« in der Öffentlichkeit nicht gleichermaßen verteilt gesehen. Kritik gibt sche belohnt werden. Nordrhein-Westfalen sprechen. es von Beschäftigten, die eine Spaltung der hat die Kopfnoten abgeschafft. Betroffen sind 44 Beschäftigte. Sie Belegschaft befürchten. Rudi Kleiber von Eingeführt werden sie nun im Druck- wissen noch nicht, was genau hinter den ver.di Augsburg lehnt die Regelung ab: zentrum der Augsburger Allgemeinen. Kriterien steckt. Erhält ein Drucker, der aus »Sie ist undurchsichtig und willkürlich. Statt Beschäftigte sollen bewertet werden nach seinem freien Tag bereitwillig in den Betrieb Nasenprämien zu verteilen, sollte der Verlag Qualifikation, Arbeitsleistung, sozialem Ver- springt, volle Punktzahl bei Flexibilität und in die Tarifbindung zurückkehren.« Weser-Kurier ohne Sicherheit für drei Jahre eigenes Druckhaus Springer-Druckereien leiden unter Auflagenrückgang Die Bremer Tageszeitungen AG schließt Ende November 2020 ihre Der Einstieg eines Finanzinvestors beunruhigt die Betriebsräte der Druckerei und lässt den Weser-Kurier samt Nebenausgaben dann Axel-Springer-Druckereien weniger als die ständig sinkenden Aufla- beim Druckhaus Delmenhorst drucken. Etwa 80 Festangestellte und gen der verlagseigenen Zeitungen Bild, Bild am Sonntag, Welt, Welt rund 50 Bedarfsaushilfen verlieren ihren Arbeitsplatz. Schon seit am Sonntag. Seit einiger Zeit werden einst ausgelagerte Druckauf- Jahren war im Vorstand strittig, ob das Unternehmen in eine neue träge zurückgeholt. Ahrensburg druckt jetzt die Bild aus Niedersach- Druckerei investieren oder die Zeitungsproduktion auslagern sollte. sen und Hannover-Land, vormals produziert bei Ippen. Mit jedem Zur nun beschlossenen Fremdvergabe erklärte der Vorstand: »Der größeren Rückgang von Produktion wird die Belegschaft kleiner. Druckmarkt ist seit Jahren hart umkämpft, rückläufige Auflagen Vor fünf Jahren zählte sie in Ahrensburg noch 300 Köpfe, jetzt nur führen zu Überkapazitäten und Preisverfall.« Daher sei ein eigener noch 180. Kettwig wird Ende des Jahres unter 100 rutschen. Wie Druckerei-Neubau wirtschaftlich nicht sinnvoll. die Zukunft aussieht? Die Druckbeschäftigten in Spandau, Kettwig Der Betriebsrat nannte die Entscheidung »entsetzlich, einfach und Ahrensburg klammern sich an eine Aussage des Vorstands. furchtbar«. ver.di warf dem Verlag vor, er habe jahrelang nicht Danach seien die Druckereien erst einmal drei Jahre sicher. Zudem investiert und keine externen Druckaufträge hereingeholt. In den gibt es eine Standortvereinbarung aus dem Jahr 2013. Die garantiert Sozialplanverhandlungen müsse das Unternehmen nun »gute allerdings nicht die Zahl der Beschäftigten und ist seit drei Jahren Bedingungen« für die Betroffenen schaffen und dafür Geld in die kündbar. Von den aktuellen Kürzungsplänen im Verlag würde man Hand nehmen. Das Druckhaus im benachbarten Delmenhorst verschont, sagen zwei Betriebsratsmitglieder. Schließlich sei längst will laut Bremer Tageszeitungen AG den neuen Auftrag zum An- Personal in den Druckereien abgebaut worden. Bei den Beschäftig- lass für Investitionen nehmen. Ob neue Arbeitsplätze entstehen, ten gebe es eine Art bitteren Pragmatismus: So lange bleiben und scheint noch unklar. stg Tariflohn verdienen, bis der Laden dichtmacht. Käufer gesucht Wie geht es weiter mit den Kölner Zeitungen? Diese Frage treibt Beschäftigte, Leser*innen, Politik und ver.di um. Das Medienhaus DuMont hatte im Frühjahr den Ausstieg aus dem Zeitungsmarkt bekannt gegeben. Seitdem versucht es, Käufer zu finden. Doch bisher ist nur der Berliner Verlag verkauft. Ungewiss ist die Zu- kunft für die Belegschaften der Druckerei und des Kölner Stadt- anzeigers sowie Express. ver.di lud am 27. September 2019 ein, Foto: Jürgen Seidel über die möglichen Folgen der Verkaufspläne zu diskutieren. Da- rüber berichtete die ver.di-Zeitung M Menschen machen Medien. bit.ly/mmm-DUMONT-K
D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 7 ZEITUNGSZUSTELLUNG gleich. »Der Stundenlohn sinkt dann unter den Mindestlohn«, sagt Helfensritter. Die Zusteller, so beklagte sich einer von ihnen bei ver.di, würden dazu »genö- tigt« geänderte Arbeitsverträge zu unter- schreiben und dann weniger Geld zu ver- dienen. Und dann noch die Lohnabrech- nungen. »Die sind völlig undurchsichtig«, findet Betriebsrat Schieke. Statt einzelner Posten stehe dort nur ein Gesamtbetrag. Betriebsrätin Kästner sagt: Wer selber nachrechne, stelle teilweise fest, dass Fahrtkosten oder Nachtzuschläge fehlten. Foto: Werner Bachmeier Trotz weit verbreiteter Unzufrieden- heit: »Die meisten nehmen das alles hin, weil sie das Geld brauchen und Angst haben«, berichtet Monika Helfensritter von ver.di. Arbeitsgerichtsklagen habe es 249 Zeitungen in 17 Minuten bisher nur wegen zu niedriger Nachtzu- schläge gegeben – mit Erfolg. Wie der Funke-Konzern in Thüringen mit Zusteller*innen umgeht | Beschimpft und gemobbt Neben der Bezahlung lässt auch das ver.di: Umgehung des Mindestlohns | Unternehmen bestreitet Betriebsklima zu wünschen übrig. »Es Lohndumping und Nötigung | ECKHARD STENGEL gibt nur noch Anweisungen, die man durchzuführen hat«, erzählt Kästner. Mitten in der Nacht Zeitungen in Haus- nellen Teilzeit-Zusteller*innen bekommen »Manche Chefs schalten und walten, briefkästen werfen: ein unverzichtbarer, Vorgaben, wie schnell sie wie viel vertei- wie es ihnen gefällt.« Laut Helfensritter aber belastender Job. Unter welchen len müssen – in einem dokumentierten werden manche Beschäftigte von Vorge- Bedingungen Zusteller*innen teilweise Fall 249 Zeitungen in 17 Minuten. »Das setzten beschimpft oder sogar gemobbt arbeiten müssen, zeigt das Beispiel der ist oft nicht zu schaffen«, sagt Kästner. – auch Kästner, die seit Herbst arbeits- Mediengruppe Thüringen (Thüringer Wer länger brauche, werde dafür in der unfähig ist. »Der Betrieb hat sie krank Allgemeine, Ostthüringer Zeitung, Thürin- Regel nicht bezahlt. »So wird der Min- gemacht.« gische Landeszeitung), die zum Essener destlohn unterwandert.« Außerdem, so Und was sagt die Gegenseite? Fun- Funke-Konzern gehört. Kästner, würden diese Sollzeiten immer ke-Sprecher Andreas Bartel weist die Drei Tochterfirmen kümmern sich wieder gekürzt – angeblich wegen sin- Vorwürfe des Lohndumpings und der um die Zustellung: Thüringen Logistik kender Abo-Zahlen. »Aber dafür kommen Nötigung »ganz entschieden zurück«. (THL), Thüringer Direktmarketing (TDM) immer mehr Kataloge, Zeitschriften und Der Konzern halte sich an Recht und und Mediengruppe Thüringen Logistik Briefe dazu.« Wer mit den Zeitvorgaben Gesetz. »Auch Beschimpfungen oder (MGTL). Ihre Gemeinsamkeit: Einsparun- nicht auskommt, kann das zwar melden. Mobbing werden konsequent geahndet.« gen zulasten der Beschäftigten. Aber laut THL-Betriebsrat Michael Schieke Sollten Missstände gemeldet werden, Bei THL-Vollzeitkräften läuft es so: sind viele damit überfordert – und wer »gehen wir diesen umgehend nach.« Sie bekommen einen festen Stundenlohn doch einen Stundenzettel einreiche, er- Die Zusteller-Zeitvorgaben basieren und eine Zulage. Steigt der Stundenlohn, halte manchmal trotzdem kein zusätz- laut Bartel auf »aufwendigen und kom- etwa wegen höherer Mindestlöhne, sinkt liches Geld. plexen Berechnungen«. Wer mehr Zeit die Zulage. Für die Beschäftigten ein Null- brauche, könne mit dem Gebietsleiter summenspiel. Undurchsichtige Abrechnungen sprechen oder eine »Mehrstundenmel- Lohndumping, so sagen die Erfurter Ein weiterer Vorwurf von ver.di: Verteilbe- dung« einreichen; von Januar bis Sep- ver.di-Sekretärin Monika Helfensritter und zirke von Minijobber*innen würden ohne tember seien schon »knapp 165.000 THL-Betriebsrätin Marlies Kästner, gebe Vorwarnung neu aufgeteilt. Bei Revieraus- Mehrstunden erfasst« worden. Und »Be- es auch bei TDM und MGTL. Ihre traditio- weitungen bleibe das Entgelt trotzdem zirksoptimierungen« ohne Vorwarnung seien in der Praxis gar nicht möglich. Bundesarbeitsgericht: Lohn auch an Feiertagen ver.di-Sekretärin Monika Helfensritter Zeitungszusteller*innen haben auch an Feiertagen, an denen keine Zeitungen ausge- sieht das anders: »Wir wünschen uns tragen werden müssen, Anspruch auf Lohn. Das ist im Entgeltfortzahlungsgesetz so Wertschätzung, vernünftige Arbeitsbe- geregelt. Anderslautende arbeitsvertragliche Vereinbarungen seien unwirksam, urteilte dingungen und korrekte Bezahlung. Mein das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 5 AZR 352/18) am 16. Oktober. Falle ein Verständnis für den Konzern hört dann Feiertag auf einen Werktag, dann bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Bezahlung. auf, wenn Beschäftigte immer wieder Mehr dazu: bit.ly/mmm-zusteller darum kämpfen müssen, dass sie für ihre Arbeit auch den richtigen Lohn erhalten.«
8 D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 TARIF Weg mit dem Vetorecht Unternehmen dürfen sich Tarifverträgen nicht verweigern | Tarifbedingungen sollen für alle gelten | MICHAELA BÖHM Wie arbeitet es sich besser – mit oder einem Verband aus tariflosen Betrieben fen. Die jüngste Reform von 2014 hatte ohne Tarifvertrag? Gute Frage. Wer besteht – und die bestimmen dann über zwar das Ziel, die Allgemeinverbindlich- einen Tarifvertrag hat, bekommt fast die Tarifpolitik mit. erklärung von Tarifverträgen zu erleich- ein Fünftel mehr Lohn oder Gehalt, ar- tern. Doch das ist gescheitert. beitet im Durchschnitt wöchentlich eine Stunde kürzer und hat mehr Urlaub und Sind viele Tarifverträge in Deutschland Urlaubsgeld. Allerdings gilt ein Tarif- »Um dem Preis- und allgemein verbindlich? vertrag nur noch für jeden zweiten Be- Lohndumping in der Druck- Zwei Zahlen vom Bundesarbeitsministe- schäftigten. Es sei »wünschenswert und rium: Von den rund 73.000 Tarifverträgen erstrebenswert, in Deutschland wieder industrie etwas entgegen- im Tarifregister sind zurzeit 443 allgemein eine höhere Tarifbindung zu gewinnen«, zusetzen, haben wir verbindlich (Stand: 1. Juli 2017; das Ver- sagte Angela Merkel bei einem Festakt zeichnis wird derzeit überarbeitet). zu 70 Jahre Deutscher Gewerkschafts- den Bundesverband Druck und bund (DGB). Das sehen wir auch so. Die Medien aufgefordert, Um welche Teile des Tarifwerks große Koalition könnte sofort etwas tun könnte es gehen? für mehr Tarifbindung. gemeinsam mit uns für Um das gesamte Tarifwerk einer Branche. bestimmte tarifliche Unter den wenigen allgemein verbind- lichen Tarifverträgen finden sich welche Regelungen die Allgemein- zu Qualifizierung, Zusatzversorgung, »Das Vetorecht der Arbeit- verbindlichkeit zu vermögenswirksamen Leistungen, Kündi- geber sollte abgeschafft gungsschutz. Seltener wird die gesamte beantragen.« Tariftabelle für allgemein verbindlich werden. OT-Mitgliedschaften erklärt. Eine andere Möglichkeit ist, über in den Arbeitgeberverbänden Andreas Fröhlich, ver.di-Verhandlungsführer für die Druckindustrie das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine gehören ebenso abgeschafft.« Lohngruppe herauszugreifen. Sie könnte für allgemein verbindlich erklärt werden. Dierk Hirschel , Konkret bedeutete das für die Papier- Chefökonom bei ver.di Wie geht das? verarbeitung: Jede Fachkraft verdiente Zunächst müssen sich Gewerkschaft und dann im Westen mindestens 17,37 Euro der Unternehmerverband einig sein – bei- (Ost: 16,88 Euro). spielsweise ver.di und der Bundesverband Allgemein verbindlich – was ist das? Druck und Medien (bvdm). Sie können Ist ein Tarifvertrag für allgemein ver- gemeinsam beim Bundesarbeitsministe- »Wir fordern eine Änderung bindlich erklärt, dann gilt er für alle rium oder – wenn es um regionale Tarif- Betriebe und Beschäftigten der Branche. verträge geht – bei den zuständigen Lan- des Tarifvertragsgesetzes. Anders gesagt: Die ver.di-Tarifverträge desregierungen einen Antrag stellen. Die Die Allgemeinverbindlich- werden in jedem Betrieb in der Druckin- Tarifausschüsse der Regierungen sind mit dustrie und Papierverarbeitung ange- je drei Vertreter*innen der Gewerkschaf- keit darf nicht länger an dem (…) wandt – in Ost und West, Nord und ten und der Bundesvereinigung Deut- Vetorecht der Arbeit- Süd. Auch in tariflosen Unternehmen. scher Arbeitgeberverbände besetzt. In diesen Ausschüssen muss – so der juris- geberverbände scheitern.« Warum ist das nötig? tische Begriff – Einvernehmen hergestellt Aus Notwehr. Denn für immer weniger werden. Ist eine Seite dagegen, ist die Frank Werneke , Beschäftigte gilt ein Tarifvertrag. Weil Allgemeinverbindlicherklärung geschei- Vorsitzender von ver.di Firmen Betriebsteile auslagern und tert. Oft stimmt die Bundesvereinigung den Tarifvertrag nicht anwenden, aus Deutscher Arbeitgeberverbände dagegen. dem Unternehmerverband austreten Sie hat praktisch ein Vetorecht. oder neue tariflose Betriebe gründen. Welche Vorteile hat die Allgemeinver- Darüber hinaus bieten Unternehmerver- Wie lässt sich das ändern? bindlicherklärung für die Beschäftigten? bände Mitgliedschaften ohne Tarifbin- Der Deutsche Bundestag müsste das Man stelle sich vor: In jedem Betrieb der dung an. Das wird so rege in Anspruch Tarifvertragsgesetz ändern und das Veto- Druckindustrie oder Papierverarbeitung genommen, dass oft die Mehrheit in recht für Unternehmerverbände abschaf- werden Tariflöhne bezahlt. Zuschläge,
D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 9 MELDUNGEN Ohne Tarifvertrag: länger arbeiten, weniger verdienen Augsburger lehnen Verhandlung ab Wöchentliche Arbeitszeit in Stunden Das Augsburger Druck- und Verlagshaus 39,5 39,5 verweigert Verhandlungen über einen 39,3 39,3 Firmentarifvertrag. Die Geschäftsführung 38,8 38,6 hatte die Tarifverträge zum 31. Dezember 38,3 38,0 2019 gekündigt. Daraufhin beschlossen die ver.di-Mitglieder, das Augsburger Druck- und Verlagshaus zu Verhandlungen aufzu- fordern. Die betriebliche Tarifkommission wird weitere Schritte beraten. Durchschnitt Baden- Bremen Hessen Neues Druck- und Medien-ABC Bundesgebiet Württemberg Der ZFA (Zentral Fachausschuss Berufsbil- Bruttomonatsentgelte in Euro dung Druck und Medien) liefert mit dem neuen Druck- und Medien-ABC wieder 3.781 fachliche Informationen für die Ausbildung. 3.371 Die aktuelle Ausgabe: DuM_66_2019.pdf 3.387 3.329 2.994 Zu Weihnachten gehen viele leer aus Etwa die Hälfte der Beschäftigten in Deutsch- 2.322 2.403 land bekommt Weihnachtsgeld. In tarif- 2.213 gebundenen Betrieben sind es mehr als drei Viertel. Das hat eine Auswertung des Wirt- Durchschnitt Brandenburg Sachsen- Sachsen Bundesgebiet Anhalt schafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) ergeben. Eine hohe tarifliche Quelle: Lübker, M. & Schulten, S. (2019). Tarifbindung in den Bundesländern. ohne Tarifvertrag mit Tarifvertrag WSI-Tarifarchiv (Hrsg.), Elemente qualitativer Tarifpolitik Nr. 86. Jahresleistung erhalten Beschäftigte der Druckindustrie und Papierverarbeitung. Tariflose Unternehmen erklären in Umfragen Urlaubsgeld und tarifliche Jahresleistung Blick in andere Branchen zwar, sich am Tarifvertrag zu orientieren. sind überall gleich. Arbeitszeit und Zahl Aber beim Weihnachtsgeld tun das nur der Urlaubstage ebenfalls. Niemand muss Wach- und Sicherheitsgewerbe wenige. mehr seine Heimatregion verlassen, weil Mit Ausnahme der oberen Gehalts- er sich die schlechte Bezahlung nicht gruppen sind die Löhne im hessischen Schlafforscher warnt vor Folgen mehr leisten kann. Niemand muss fürch- Wach- und Sicherheitsgewerbe ab sofort der Schichtarbeit ten, durch Niedriglöhne in die Armut allgemein verbindlich. Dem Antrag von In einem Interview des Magazins der Süd- getrieben zu werden. Stattdessen zahlen Unternehmern und ver.di hat Hessens So- deutschen Zeitung äußerte sich der Schlaf- Beschäftigte und Unternehmer auf Basis zialminister zugestimmt. Nun haben auch forscher Albrecht Vorster zu Schichtarbeit. anständiger Löhne Steuern und Beiträge die Beschäftigten, deren Chefs nicht im Die sei gefährlich und gesundheitsschäd- in die Sozialkassen. Davon profitieren alle. Bundesverband der deutschen Sicherheits- lich. »Schichtarbeit entspricht in etwa zehn Der Wettbewerb um Aufträge findet nicht wirtschaft Mitglied sind, einen rechtsver- Zigaretten pro Tag und verkürzt das Leben mehr über niedrige Löhne statt, sondern bindlichen Anspruch auf den Tariflohn. um durchschnittlich sechs bis acht Jahre über gute Produkte und Dienstleistungen. bei 40 Jahren Schichtarbeit.« Er frage sich, Elektrohandwerk ob es moralisch vertretbar sei, Menschen Das fordert ver.di: Die Tarifverträge im Elektrohandwerk von zur Gewinnmaximierung, etwa zur Auslas- Berlin und Brandenburg gelten für alle tung der Produktionsstraße, vermeidbaren ➔ Weg mit dem Vetorecht für Unter- Betriebe der Branche. Seit 1. Januar 2014 gesundheitlichen Gefahren auszusetzen. nehmerverbände. Stattdessen sollte erhalten alle Elektriker*innen Tariflohn, Schichtarbeit sollte maximal sieben Jahre die Mehrheit im Tarifausschuss über ob der Chef Mitglied der Innung ist oder erlaubt sein. Danach fingen die schweren eine Allgemeinverbindlicherklärung nicht. Weniger zu zahlen, ist verboten. Gesundheitsprobleme an. Zudem sollte entscheiden. Möglich wurde das, weil sich IG Me- die Arbeitszeit von Schichtarbeiter*innen, tall und der Landesinnungsverband der insbesondere von Nachtarbeitern, begrenzt ➔ Ende der OT-Mitgliedschaft: Mitglieder Elektrotechnischen Handwerke Berlin/ werden. »Ein Schichtarbeiter, der statt in Unternehmerverbänden, die Tarif- Brandenburg einig waren: Gemeinsam be- 35 Stunden die Woche nur 25 Stunden verträge aushandeln, müssen die Tarif- antragten sie bei den beiden Länderminis- arbeitet, kann aufgrund der besseren Erho- verträge auch anwenden. terien, den Lohntarifvertrag für allgemein lung viele Gesundheitsschäden vermeiden. verbindlich zu erklären. Ab 2020 steigen Wir setzen die Menschen ja auch so wenig ➔ Tarifverträge sollten so lange nach- zudem für alle Beschäftigten die Mindes- wie möglich giftigem Feinstaub oder bösen wirken, bis ein neuer Vertrag an deren tentgelte in diesen Handwerken auf Chemikalien aus, wenn es sich vermeiden Stelle tritt. 11,90 Euro pro Stunde. 2024 liegen sie lässt.« Vorster hat Biologie und Philosophie dann bei 13,94 Euro. studiert.
10 D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 NACHRUFE AUS DEN BETRIEBEN Hubert Bartels ist tot Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag Osten zieht fast gleich ist Hubert Bartels am 24. Oktober 2019 Neue Konzerntarifverträge für Smurfit Kappa gestorben. Hubert war fast sein ganzes Leben in der Gewerkschaft aktiv. Stehen- Die Löhne der Beschäftigten in den Werken Neu ist ein Lebensarbeitszeitkonto. Wer den Beifall gab es, als er am 16. Juni 2015 der Ost-Bundesländer werden in zwei Stufen möchte, kann Stunden aus dem regulären die Leonhard-Mahlein-Medaille erhielt. Der steigen. Die Arbeitszeit sinkt zudem ab nächs- Arbeitszeitkonto übertragen und damit eine damals 85-Jährige hatte in freier Rede ge- tem Jahr von 38 auf 37,5 Stunden pro Woche. Auszeit (Sabbatical) finanzieren oder früher schildert, was ihn zu einem überzeugten Damit beträgt der Abstand zu den Löhnen im in Rente gehen. Gewerkschafter gemacht hat. »Ich bin und Westen ab 2024 noch drei Prozentpunkte. Keine Verbesserung gibt es bei der un- war ein klassenbewusster Prolet. Ein Prolet ver.di ist bei den Verhandlungen ein bezahlten Arbeitszeit. Die Regelung aus dem im wahrsten Sinne des Wortes, jemand Einstieg in die Altersteilzeit gelungen. Wer Jahr 2013 gilt unverändert. Im Westen kann ohne Grundbesitz künftig einen Altersteilzeitvertrag abschließt, bis 37 Stunden pro Woche gearbeitet wer- und ohne Besitz an für den stockt das Unternehmen das Entgelt den; davon ist eine Stunde unbezahlt. Für die Produktionsmitteln; auf mindestens 80 Prozent auf. Allerdings zweite Stunde finanziert das Unternehmen existenziell darauf ist Smurfit Kappa nicht verpflichtet, sich auf den Zuschuss zur Altersvorsorge und eine angewiesen, seine Altersteilzeitverträge einzulassen. Es gibt kleine Einmalzahlung. Im Osten gilt die glei- Arbeitskraft zu ver- keinen Rechtsanspruch. che Regelung, allerdings bei einer 37,5-Stun- werten. Jemand, Zudem wurde die betriebliche Alters- den-Woche ab nächstem Jahr. der aus ›egoisti- vorsorge neu geregelt. Seit 2018 steuert das Der Konzerntarifvertrag wurde erstmals schen Interessen‹ Unternehmen monatlich pro Beschäftigten 2013 verhandelt, um einheitliche Arbeitsbe- Foto: ver.di für die Verbesse- 50 Euro zur Altersvorsorge bei. Macht im dingungen in den damals knapp 20 Smurfit- rung seiner Lebens- Jahr 600 Euro. Der Betrag wird ab nächstem Kappa-Werken zu schaffen. Die neuen Tarif- bedingungen kämpfen muss, weil er darauf Jahr erhöht. Ab 2024 zahlt Smurfit Kappa verträge gelten ab 1. Januar 2020 und enden angewiesen ist.« Bartels hatte ursprünglich 900 Euro pro Beschäftigten. im Dezember 2024. Stellmacher und später Buchdrucker gelernt. Ferdi Kammering ist gestorben Es war 1977 und im Verlag des Weser- Glückwunsch zum 60. Geburtstag Kuriers tobte ein wilder Streik, die Zeitun- Ortsverein Kirchhain, ver.di-Fachbereich Medien, feierte Jubiläum gen erschienen nicht. Dieser Machtkampf mit dem Verleger Kaum jemand kennt Kirchhain in Mittelhes- Zeit, als alles anfing. 1959 hatten sich Meyer ist auf im- sen. Zusammen mit der Marburger Tape- 30 IG-Druck+Papier-Mitglieder der Tape- mer mit dem da- tenfabrik und dem Betriebsratsvorsitzenden tenfabrik zur Gründung getroffen. Wenig maligen Betriebs- Heinrich Hartmann (Bildmitte) ist die Klein- später waren bereits 100 eingetreten. ratsvorsitzenden stadt jedoch vielen Kollegen und Kolleginnen Damals wie heute sind die gewerkschaft- Ferdinand Kam- in der Papierverarbeitung ein Begriff. Jetzt liche Betriebsarbeit und die Anbindung an mering verbunden. wurde der Ortsverein Kirchhain, ver.di-Fach- die Gewerkschaft wichtig, sagt Ortsver- Ein lebenskluger bereich Medien, 60 Jahre alt. Ein Grund zum einsvorsitzender Heinrich Hartmann, seit Mensch, dick- Feiern, zum Redenhalten und Erinnern an die über 40 Jahren mit dabei. schädelig, beharr- lich, mit einem guten Blick für das Durchsetzbare und ein guter Stratege. Kammering, den alle Ferdi nannten, war von Beruf Weber. Er ist am 24. November mit 79 Jahren gestorben. MELDUNG Erinnerung an vier Wochen Streik Der Streik bei der Sächsischen Zeitung in Dresden dauerte vom 22. November bis 19. Dezember 1999. Es war der längste Vollstreik in der deutschen Redaktions- geschichte. Zum 20. Jahrestag veröffent- lichte ver.di eine Broschüre, die bei einer Veranstaltung verteilt wurde. Der Streik richtete sich gegen den Versuch, sämtliche Foto: tsm/ver.di Lokal-redaktionen unter Verlust des Haus- tarifs auszugliedern. bit.ly/SZ-Streik
D R U C K + PA P I E R 5 . 2 0 1 9 11 AUS DEN BETRIEBEN Der Seitenwechsler Klage gegen Mayr-Melnhof Jan Schulze-Husmann, 50, ist seit 1. Oktober der neue Tarifsekretär im Bundesfachbereich Rechte des Europäischen Betriebsrats werden beschnitten Medien, Kunst und Industrie. Ursprüng- Mayr-Melnhof missachtet die Rechte des Ausschusses. Allerdings geht es nicht um lich wollte er »linker Europäischen Betriebsrats. So lautet der Vor- einen Streit über Formalien. »Der Europäi- Anwalt« werden, wurf von dessen Vorsitzendem Michael Heiz- sche Betriebsrat ist nicht beteiligt worden, als war aber angesichts mann. Das Verpackungsunternehmen hat an allen Standorten in Europa Digitalsysteme des konservativen sich zuletzt geweigert, die Kosten für Reisen zur Leistungskontrolle von Produktionsarbei- Jurastudiengangs und Dolmetschertätigkeit zu einer Sitzung tern eingeführt wurden.« Ein Europäischer in Bonn bald desil- Foto: privat des geschäftsführenden Ausschusses in Wien Betriebsrat (EBR) habe jedoch das Recht auf lusioniert. Und hat zu bezahlen. Michael Heizmann hat, ebenso Anhörung und Information durch die Unter- das getan, was ihm wie ein Kollege, Klage eingereicht: 532,68 nehmensleitung. Mayr-Melnhof Packaging mehr zusagte: Er Euro ist ihm das Unternehmen schuldig. Ins- ist das einzige Unternehmen in Österreich, arbeitete als Referent für politische Bildung gesamt beliefen sich die Kosten jedoch auf dessen Europäischer Betriebsrat »kraft Ge- in der Studierendenvertretung, kehrte der mehrere Tausend Euro, unter anderem für ein setz« und damit ohne EBR-Vereinbarung Universität nach vier Jahren den Rücken Sachverständigengutachten. Mayr-Melnhof, arbeitet – die hatte das Unternehmen gekün- und lernte Buchhändler. Für gute politische einer der größten Faltschachtelproduzenten digt. Vor Jahren hatte Mayr-Melnhof bereits Bücher wirbt er immer gern. Das wissen der Welt mit einem Gewinn nach Steuern die Rechtsanwaltskanzlei Schreiner, bekannt alle, die bei den DruckerTagen von seinem von 164 Millionen Euro im Jahr 2018, be- für Union-Busting-Methoden, gegen Heiz- Bücherstand nicht ohne Neuerwerbung weg- streitet die Notwendigkeit der Sitzungen des mann engagiert. gehen. Jans gewerkschaftlicher Lebenslauf liest sich wie das Organigramm von ver.di: Im Letzter Krimi von Hans Dölzer Fachbereich Medien arbeitete er quasi überall mit – in Vorständen, Ausschüs- Er hat seinen Motorradkrimi noch fertig Dort hängt ein Toter senund Tarifkommissionen, auf Bezirks-, geschrieben, aber die Drucklegung nicht in einer historischen Landes-und Bundesebene. Im Buchverlag mehr erleben können. Hans Dölzer ist am Druckmaschine. Die war er viele Jahre Betriebsratsvorsitzender. 15. Oktober 2018 gestorben. Er war so Leser*innen können Jetzt wendet er sich wieder Neuem zu und etwas wie die personifizierte IG Medien: sich darauf verlassen, wechselt die Seiten – vom Ehrenamt in die Als Buchbinder, Grafiker, Journalist und dass Lokalkolorit Bundesverwaltung. Mit ein paar Schleifen Schriftsteller vereinte er viele Berufe in sich. und Sachverständiges kommt er dem »linken Anwalt« recht nah. »Blut-Druck« ist der zweite Fall des Motor- aus dem grafischen Hans Dölzer: Blut-Druck, »Tarifpolitik ist für mich Gesellschaftspolitik.« radjournalisten Jonas Jordan. Ort des Ver- Gewerbe nicht zu 1. Auflage. Ilmenau: Rhino Jan folgt Holm-Andreas Sieradzki, der in den brechens ist das Mannheimer Technoseum. kurz kommen. Verlag, 2019, 10 Euro Bezirk Aachen/Düren/Erft gewechselt ist. MEIN STANDPUNKT Was hältst du vom Recht auf Weiterbildung? Das brauchen wir, ganz klar! Aber nicht nur auch die Chance auf Weiterbildung erhalten. für abhängig Beschäftigte, sondern auch Jens Ehrlinger, Denn wer 30 Jahre seinen Job gemacht hat, Betriebsratsvorsitzen- für Erwerbslose, für Berufsrückkehrer und der der Süddeutschen hat den Unternehmensgewinn mit erarbeitet. Berufsrückkehrerinnen, etwa Eltern, in un- Zeitung GmbH (und Wir brauchen außerdem ein Recht, das Fort- serer Branche auch für Selbstständige. Das weiteren 7 Gesell- bildung auch in Teilzeit fördert, und ein Rück- schaften), stellvertre- Recht auf Weiterbildung sollte unbedingt im tender Konzernbe- kehrrecht von Teilzeitkräften in die Vollzeit. Gesetz verankert werden. Ein gesetzlicher triebsratsvorsitzender Ich will besonders die Kolleginnen Anspruch liegt im öffentlichen Interesse: der Südwestdeut- und Kollegen in den Betriebsratsgremien schen Medienholding Die Wirtschaft florierte jahrzehntelang dank ansprechen: Wir haben nach dem Betriebs- Foto: privat und des Süddeut- des vorhandenen Wissens. Da Unternehmen schen Verlags verfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte davon profitieren, müssen sie an den Kosten bei Bildungs- und Weiterbildungsmaßnah- der Weiterbildung beteiligt werden. sind höhere Fördersätze nötig – etwa für men. Dabei können wir auch eigene Ideen Nötig sind auch Verbesserungen im Menschen, die eine Familie zu versorgen einbringen, was wir, zugegeben, zu wenig Bundesausbildungsförderungsgesetz, im haben – ohne dass Einkommen oder Ver- tun. Unter dem Blickwinkel sozialer Gerech- BAföG. Die Altersbeschränkung müsste mögen angerechnet werden. Gerade auch tigkeit müssen alle weitergebildet werden, wegfallen und es sollten auch Lernende Altersgruppen jenseits der 50 wollen im nicht nur ein kleiner Kreis von Führungs- über 30 Jahre gefördert werden. Zudem Beruf bleiben, zu Recht. Dann sollten sie kräften. Protokoll: fws
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