TRAUER AM ARBEITSPLATZ - Schwerpunkt: Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen - ALPHA NRW
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Ansprechstellen im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung Hospiz-Dialog Nordrhein-Westfalen Januar 2019 Ausgabe 78 Schwerpunkt: TRAUER AM ARBEITSPLATZ
2 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Der Verlust eines nahestehenden Menschen, ob in jungem oder höherem Alter, ob plötzlich oder erwartet ist immer schmerzhaft. Sterben und Tod durchdringen alle Bereiche unseres Lebens. Überall denken wir an den Verstorbenen, an jedem Ort vermissen wir ihn, die Trauer begleitet uns für eine gewisse Zeit besonders intensiv. Und natürlich macht die Trauer vor der Bürotür nicht Halt. Auch dort kommen uns die Tränen, sind wir zeitweise nicht belastbar, können die an uns gestellten Erwartungen nicht immer erfüllen, möchten wir vielleicht unser Gesicht wahren und dennoch den Verstorbenen durch unsere Gedanken an ihn und unsere Trauer würdigen. Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz steht inzwischen sehr im Fokus: Bei der Gefährdungs- beurteilung eines Arbeitsplatzes wird dem psychischen Anteil eine immer größere Bedeutung beigemessen. Dabei muss es nicht immer um die durch die Arbeit ausgelösten Belastungen gehen. Ein Betrieb muss sich auch daran messen lassen, wie er mit der Trauer eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz umgeht, welchen Raum er ihm einräumt, sei es von Seiten der Führungskräfte oder von Seiten der Kolleginnen und Kollegen. Im Schwerpunkt dieser Ausgabe des Hospiz- Dialogs wird diese Thematik aufgegriffen, während im allgemeinen Teil unter anderem die Rolle der Nahestehenden und der Mitbetroffenen auf unterschiedliche Weise beleuchtet wird . Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre! Ihre Dr. Gerlinde Dingerkus
Inhalt INFORMATION Scham- und Schulderleben am Lebensende Wie können Betroffene unterstützt werden? Johanna Marie Schröder 4 Kurzzeit-Intervention für Angehörige in der Palliativmedizin Martina Kühnel 6 Wie konnte er mir das nur antun? Die Situation von Mitbetroffenen eines Suizids Franciska Illes 9 Dying Matters IMPRESSUM Stephanie Owens 13 Herausgeber ALPHA - Ansprechstellen im Land Nordrhein-Westfalen zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung SCHWERPUNKT Redaktion TRAUER AM ARBEITSPLATZ Ansprechstelle im Land Nordrhein-Westfalen zur Palliativversorgung, Trauerbegleitung am Arbeitsplatz Hospizarbeit und Herausforderung für Organisationskultur und Angehörigenbegleitung universitäre Bildung im Landesteil Westfalen-Lippe Sigrid Kießling Ursula Engelfried-Rave 15 Friedrich-Ebert-Straße 157-159, 48153 Münster Tel.: 02 51 - 23 08 48, Fax: 02 51 - 23 65 76 alpha@muenster.de, www.alpha-nrw.de Trau deiner Hoffnung mehr als deiner Verzweiflung: Layout Art Applied, Hafenweg 26, 48155Münster Ein religionspädagogischer Ansatz Monika Marose 18 Druck Buschmann, Münster Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Trauer am Arbeitsplatz – Warum sollten sich Auflage Unternehmen damit beschäftigen? 2500 Interview mit Annika Schlichting 22 Die im Hospiz-Dialog-NRW veröffentlichten Artikel geben Erfahrungen von Trauernden nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion und der Her- Auf den Seiten 17, 20, 22 und 25 ausgeber wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Fotos der Autoren mit Zu- stimmung der abgebildeten Personen. Veranstaltungen 27
4 SCHAM- UND SCHULDERLEBEN AM LEBENSENDE – WIE KÖNNEN BETROFFENE UNTERSTÜTZT WERDEN? JOHANNA MARIE SCHRÖDER S cham und Schuld Wie stellen sich Erleben und Umgang mit Scham- sind komplexe und Schuldgefühlen in dieser Lebenssituation dar? Emotionen, denen In einer Untersuchung des Instituts für Psychologie eine zentrale Rolle der Technischen Universität Braunschweig haben bei der Gestaltung zwischen- wir hierzu acht Expertinnen und Experten aus den menschlicher Beziehungen Bereichen Pflege, Seelsorge und Palliativversor- zukommt (Lammers, 2016). gung befragt. Sie werden als schmerzlich erlebt, motivieren aber zur In welchen Situationen werden Scham und Verhaltensanpassung und Schuld erlebt? dienen als Wegweiser im so- Schuldgefühle drehen sich überwiegend darum, zialen Beziehungsgeflecht. Angehörigen zur Last zu fallen oder sich naheste- Beide Gefühle werden häufig henden Personen gegenüber in der Vergangenheit in einem Atemzug oder syno- falsch verhalten zu haben. Sie kommen besonders nym genannt. Aus psycho- zum Vorschein, wenn Betroffene ihr Leben reflek- Johanna Marie Schröder logischer Sicht beinhalten sie tieren. Im hohen Alter oder bei schwerer Krankheit jedoch unterschiedliche Funktionen und Verhal- sind oft die Möglichkeiten begrenzt, Schuldgefühle tenskonsequenzen: Schuld wird erlebt, wenn das konstruktiv zu bearbeiten: Sie werden zur hohen eigene Verhalten in Frage gestellt wird („Ich habe Belastung, wenn schwindende Kraft, verbleibende etwas Schlechtes ge- Lebenszeit oder gegenwärti- tan“). Sie motiviert zu ge Umstände eine Wieder- Verantwortungsübernah- gutmachung oder Ausspra- me und Wiedergutma- » Scham bzw. die Sorge davor, che verhindern. Dann sind chung. Scham entsteht, Scham zu empfinden, führt zu Schuldgefühle häufig mit wenn jemand seine ge- Vermeidung oder Verweige- Grübeln verbunden und dem samte Person abwertet („Ich bin schlecht“) oder rung pflegerischer Handlungen Wunsch, chen. darüber zu spre- sich bloßgestellt und ab- oder dazu, diese apathisch Schamgefühle hängen häu- gelehnt fühlt. Scham über sich ergehen zu lassen. fig mit Funktionseinschrän- kann zu sozialem Rück- kungen und körperlichen zug und Selbstzweifeln Veränderungen zusammen: oder Aggressionen und Feindseligkeit führen. Betroffene schämen sich für Erkrankungen, Gerü- che und das eigene Aussehen. Aktiviert werden Am Lebensende treffen eine Vielzahl potenzieller Schamgefühle vor allem bei Untersuchungen und Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Auslöser für Scham und Schuld zusammen: Durch pflegerischen Vorgängen. Scham ist die tabuisier- Pflegebedürftigkeit und stationäre Aufenthalte tere Emotion: Obwohl oft der Wunsch entsteht, nimmt die Abhängigkeit von anderen zu, im Lebens- darüber zu sprechen, bleiben Gespräche heraus- rückblick werden Erlebnisse bilanziert, Erkrankun- fordernd. Viele Betroffene reagieren auf Scham, gen oder Schwäche rauben Kraft und schränken indem sie bestimmte Situationen von vornhinein das Verhalten und die Fähigkeiten zur Emotions- vermeiden, sich zurückziehen, (Hilfs-)Angebote regulation ein. nicht annehmen, Untersuchungen oder pflege- rische Vorgänge verweigern oder apathisch über
5 sich ergehen lassen. Kurzfristig sinkt durch diese Scham und Schuld thematisieren Vermeidungsstrategie die emotionale Belastung, Eine konstruktive Bearbeitung der Gefühle braucht langfristig ist Ausweichen aber nicht immer möglich Raum für Gespräche. Dazu ist es wichtig, zuzuhören und erfordert einen hohen Kraftaufwand. Durch po- ohne wertend zu reagieren, Schuld oder Scham im sitives Miteinander und signalisierte Offenheit pro- Zweifelsfall direkt zu benennen und die Einstellun- fessioneller Helferinnen und Helfer lassen sich Be- gen Betroffener bei Bedarf zu hinterfragen. Beden- troffene leichter auf Gespräche ein. Gemeinsam mit ken, Betroffene direkt anzusprechen, da psychi- Angehörigen, Pflegenden oder Begleitenden kön- sche und gesundheitliche Folgen eines solchen nen so Wege für einen guten Umgang mit scham- Gesprächs unvorhersehbar sein können, werden auslösenden Situationen gefunden werden. Dies durch Beispiele aus den Interviews entkräftet: Be- eröffnet Betroffenen die Möglichkeit, Scham zuzu- troffene werden ermutigt, über ihre Gefühle zu lassen und zu akzeptieren und führt zur psychi- sprechen, diese zu bearbeiten, neue Sichtweisen schen Entlastung und einer höheren Akzeptanz von zu gewinnen und eigene Wünsche zu äußern. Im Hilfe oder Pflege. besten Fall können Grübeln und Selbstvorwürfe aufgelöst werden. Wie können Betroffene im Umgang mit Scham- und Schuldgefühlen unterstützt werden? Schaminduktion vermeiden Aus den Interviews mit den Expertinnen und Ex- Scham steht eng mit Situationen in Zusammen- perten lassen sich fünf Strategien ableiten, die Be- hang, in denen sich Personen hilflos, ausgeliefert troffene im Umgang mit Scham- und Schuldgefüh- oder schwach fühlen. In der Betreuung Pflegebe- len unterstützen können. dürftiger und Kranker gehören solche Situationen zum Alltag. Ein erster Schritt ist es, schamauslö- Die Person im biografischen Kontext sehen sende Situationen aufgrund der eigenen Erfahrun- Besonders hilfreich ist der Einbezug der Lebensge- gen und der Beobachtung Betroffener zu identifi- schichte (Alter, Rollenvorstellungen, kritische zieren und zu vermeiden. Dies kann erreicht wer- Lebensereignisse). Für viele ältere Menschen stelle den, indem über pflegerische Vorgänge gesprochen der Umgang mit negativen Emotionen eine große wird und die Wünsche Betroffener berücksichtig Herausforderung dar, weil sie, so sagte es ein werden. Sind Schamgefühle unvermeidbar, helfen Experte, „nicht gelernt haben, gewisse Dinge zu unspezifische Strategien, um das Wohlbefinden zu verbalisieren, Schuldgefühle überhaupt mal zu stärken und Schamgefühle zu reduzieren: der Auf- formulieren“. Das Sprechen über sich selbst und bau einer positiven, vertrauensvollen Beziehung vor allem über negatives Erleben galt viele Jahre und Wertschätzung der Betroffenen. Durch eine als sozial unerwünscht. Hinzu kommt, dass spezi- ressourcenorientierte Stärkung des Selbstwerts fische Erfahrungen, wie Gewalterfahrungen oder werden Minderwertigkeits- und Hilflosigkeitsge- sexueller Missbrauch, sowohl die Neigung, Scham fühle verringert und die Akzeptanz der schwierigen und Schuld zu empfinden beeinflussen, als auch Situation gefördert. die Bereitschaft darüber zu sprechen. Das Wissen über solche Erfahrungen (z. B. durch die Befragung Zwischen Betroffenen und Angehörigen vermitteln Angehöriger) kann helfen, Betroffene besser zu ver- Das Vermitteln zwischen Betroffenen und nahen stehen und ihre Reaktionen einzuordnen. Angehörigen, kann einen großen Beitrag zur Bewältigung der Gefühle leisten. Ein Experte be-
6 schrieb die Wichtigkeit, die Rolle der Angehörigen Für alle befragten Berufsgruppen ist der Umgang im Blick zu behalten, sie als Mit-Betroffene zu be- mit Scham und Schuld im Berufsalltag präsent und trachten und den Austausch zwischen ihnen und herausfordernd. Jedoch lassen sich für die Praxis ihren Angehörigen zu fördern, damit Erwartungen Strategien identifizieren, die einen guten Umgang und Befürchtungen transparent kommuniziert mit den Gefühlen ermöglichen. Den wichtigen werden. Begleitende, pflegende und behandelnde Ansatzpunkt der eigenen Haltung formulierte eine Personen sind häufig die ersten Ansprechpartner Expertin folgendermaßen: „Meine Ausrichtung soll bei jeglicher Art von Proble- sein, dass sich mein men. Ihr Wissen kann dazu Gegenüber in der Arbeit dienen, Brücken zu bauen. » Eine vertrauensvolle Bezie- mit mir wohlfühlt. […] die hung und Wertschätzung Chance hat, mir Dinge zu Eigene Gefühle und Grenzen sagen, die ihm oder ihr achtsam registrieren der Betroffenen hilft, die wichtig sind.“ Behandelnde, Begleitende Schamgefühle zu reduzieren. oder Pflegende sollten ihren M. Sc. Johanna Marie eigenen Gefühlen große Auf- Schröder merksamkeit schenken und sich damit ausein- Technische Universität Braunschweig andersetzen. Hilfreiche Fragen sind: „Wann fühle Institut für Psychologie ich mich schuldig oder habe mich in der Vergan- Humboldtstraße 33 genheit schuldig gefühlt?“, „In welchen Situationen 38106 Braunschweig schäme ich mich schneller oder stärker als andere Tel.: 05 31 - 3 91-28 17 Personen?“, „Mit welchen Situationen kann ich gut jo.schroeder@tu-braunschweig.de umgehen, in denen andere Personen sich schämen würden?“. Die Auseinandersetzung mit eigenen Scham- und Schulderfahrungen kann helfen, Literatur Betroffene zu verstehen und zum Gespräch zu Lammers, C. H. (2016). Emotionsbezogene Psychotherapie von ermutigen sowie die eigenen Stärken und Grenzen Scham und Schuld. Stuttgart: Schattauer Verlag. Immenschuh, U., Marks, S. (2017). Scham und Würde in der zu erkennen. Wenn möglich, können Aufgaben im Pflege: Ein Ratgeber. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag. Team dementsprechend aufgeteilt oder gemeinsam vor- und nachbesprochen werden. KURZZEIT-INTERVENTION FÜR ANGEHÖRIGE IN DER PALLIATIVMEDIZIN MARTINA KÜHNEL H intergrund von Angehörigen möglich, aber auch wenn Patien- Angehörige stel- ten in Klinik, Pflegeheim oder Hospiz versorgt len in der Pallia- werden, übernehmen Angehörige oft Aufgaben, die tivmedizin einen Patienten nicht mehr selbst erfüllen können. Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 wichtigen Teil der Versorgung dar, da sie durch Angehörige von Palliativpatienten können unter ihre Unterstützung der Pa- dieser Last an Aufgaben auch selbst zu „Patienten“ tientinnen und Patienten vie- werden, denn sie haben ein höheres Risiko für psy- le Versorgungssituationen chische Erkrankungen als die Allgemeinbevölke- erst möglich machen. Die rung (Pitceathly & Maguire, 2003) und der Bedarf Versorgung Zuhause ist oft an Unterstützung des Angehörigen kann den des Martina Kühnel nur mit großem Engagement Patienten sogar übersteigen (Grande, Rowland, van
7 den Berg & Hanratty, 2018; Payne & Hudson, 2008). geteilt. Die Interventionsgruppe erhielt zwei Aus diesen Gründen ist die Unterstützung der Einzel-Gespräche mit einer in Achtsamkeit geschul- Familie gemäß der WHO-Definition auch Teil der ten Psychologin. Der erste Termin beinhaltete eine Palliativmedizin (http://www.who.int/cancer/ Einführung in Achtsamkeit, während im zweiten palliative/definition/en/). Die Belastung von Termin Ressourcen gestärkt werden sollten, wofür Angehörigen ist häufig eng mit dem Zustand des eine Imaginationsübung eingesetzt wurde. Die Patienten verknüpft und so kann mit dem Fort- Kontrollgruppe erhielt ebenso zwei Gespräche mit schreiten der Erkrankung auch die Belastung der einer Psychologin, wobei es sich jeweils um Angehörigen steigen (Hodges, Humphris und thematisch offene, unterstützende Gespräche Macfarlane, 2005). handelte, die sich an der Therapie von Carl Rogers orientierten und durch eine empathische, Um Angehörige besser zu unterstützen, werden wertschätzende und authentische Haltung der immer mehr Interventionen entwickelt. Diese Pro- Therapeutin charakterisiert waren. gramme können in randomisiert-kontrollierten Studien auf ihre Wirksamkeit getestet werden. In Es wurden Daten zu vier Zeitpunkten vor und nach solchen Studien werden die Teilnehmer, je nach der Intervention erhoben: Vor der Intervention wur- Aufbau der Studie, zufällig (randomisiert) in zwei de ein Fragebo- oder mehrere Gruppen eingeteilt, um das neu- gen ausgege- entwickelte Programm oder eine andere Art der ben, nach der » Inhalte der Intervention sind Unterstützung zu bekommen. Intervention der Aspekte der Achtsamkeit, zweite; es folg- Vorgängerstudie ten nach vier Ressourcenaktivierung, 2013 veröffentlichten Fegg und Kollegen (Fegg et Wochen und Sinnfindung, Selbstfürsorge al., 2013) die Ergebnisse der randomisiert- nach sechs und Stressbewältigung kontrollierten Studie zur Existentiell Behavioralen Monaten zwei Therapie (EBT), die an der Klinik und Poliklinik für weitere Frage- sowie die Beschäftigung mit Palliativmedizin des Klinikums der Universität bögen, die den persönlichen Werten. München von den Autoren entwickelt und getestet Angehörigen per worden war. EBT wurde als Gruppen-Intervention Post geschickt mit insgesamt 22 Stunden durchgeführt und be- wurden. Es wurde unter anderem nach Symptomen inhaltete Übungen von Achtsamkeit, Ressourcen- von Depression gefragt sowie Angst, Belastung, aktivierung, Sinnfindung, Selbstfürsorge, Stress- Lebensqualität und Lebenszufriedenheit erhoben. bewältigungsstrategien und die Beschäftigung mit Das Hauptaugenmerk lag darauf, zu testen, ob die persönlichen Werten. Es wurden mittlere bis große Intervention einen Einfluss auf Depressionen hatte. Effekte der Intervention auf Angst und Lebens- qualität sowie mittlere Effekte auf Depression Schwierigkeiten und Chancen von Studien mit gefunden. Angehörigen von Palliativpatienten Angehörige von Patienten einer Palliativstation als Aktuelle Studie Teilnehmer von Studien zu gewinnen, kann eine Derzeit werden die Ergebnisse unserer neuen ran- Herausforderung sein. Die Angehörigen befinden domisiert-kontrollierten Studie zur Unterstützung sich in einer emotionalen Ausnahmesituation, in Angehöriger ausgewertet, die auf der EBT von Fegg der sie zudem vielen Anforderungen gleichzeitig und Kollegen basiert. In der aktuellen Studie wurde gerecht werden müssen. Neben der Übernahme jedoch statt einer Gruppenintervention eine Ein- von finanziellen oder organisatorischen Aufgaben zel-Intervention durchgeführt. Das Einzelsetting für den Patienten (z. B. Planung der Weiterversor- sollte eine schnellere Unterstützung von Angehö- gung) versorgen viele Angehörige noch weitere Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 rigen ermöglichen, da Termine individuell mit der Personen (z. B. eigene Kinder oder Kinder des Therapeutin vereinbart wurden und nicht auf das Patienten). Möglicherweise müssen sie Wohnungs- Zustandekommen einer Gruppe gewartet werden auflösungen regeln oder, in manchen Fällen, vorab musste. Die Kürzung auf nur zwei Termine sollte die vom Patienten gewünschte Beerdigung oder die Teilnahme an der Intervention trotz vollen Überführung ins Heimatland organisieren. Kalenders von Angehörigen ermöglichen. Die teil- nehmenden Angehörigen wurden zufällig in die Viele jüngere Angehörige sind zudem berufstätig Interventionsgruppe oder die Kontrollgruppe ein- und kommen am Abend oder am Wochenende auf
8 Da es sich andererseits bei der ak- tuellen Studie um eine kurze Inter- vention handelt, dürften vor allem Angehörige mit gut ausgepräg- ten Selbsthilfefähigkeiten profitie- ren, die auch selbständig die ange- wendeten Methoden weiterführen und in ihren Alltag implementieren können. Insgesamt bietet die Forschung mit Angehörigen in der Palliativmedizin die Chance, mehr über die Situation die Station zu Besuch. Diese Besuchszeiten liegen der Betroffenen zu erfahren und somit unterstüt- außerhalb der Arbeitszeiten des Studienteams. zende Angebote besser auf ihre Bedürfnisse zu- Einen Telefontermin zu vereinbaren, kann hilfreich schneiden zu können und wir hoffen, mit unserer sein, da sich Angehörige unserer Erfahrung nach Studie dazu einen Beitrag zu leisten. beim Telefonat von Zuhause aus eher auf die an- gebotenen Unterstützungs- angebote einlassen können. Martina Kühnel Möglicherweise wird ihnen » Forschung mit Angehörigen Psychologin M.Sc. ihre eigene Belastung erst hilft, die Angebote den Klinik und Poliklinik für nach Rückkehr von der Palli- Palliativmedizin ativstation bewusst, während Bedürfnissen anzupassen. Klinikum der Universität sie dem Patienten gegenüber München in einem funktionalen Modus sind, der es ihnen Marchioninistr.15 ermöglicht durchzuhalten und ihren Aufgaben und 81377 München Verantwortungen gerecht zu werden. Martina.Kuehnel@med.uni-muenchen.de www.palliativmedizin-muenchen.de Angehörige nehmen in dieser belastenden Zeit der Palliativversorgung nur dann an wissenschaftlichen Literatur Studien teil, wenn sie sich in der Lage sehen, in Fegg, M. J., Brandstätter, M., Kögler, M., Hauke, G., Rechen- ihrer knapp bemessenen Zeit die Fragen von berg Winter, P., Fensterer, V., . . . Borasio, G. D. (2013). Existential Behavioural Therapy for Informal Caregivers of Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Palliative Patients: A Randomised Controlled Trial. Psycho- beantworten. Vermutlich ist die Belastung bei Oncology, 22(9), 2079-2086. doi:10.1002/pon.3260. denjenigen Angehörigen am größten, die nicht an Grande, G., Rowland, C., van den Berg, B., & Hanratty, B. Studien teilnehmen. Über diese Gruppe von Ange- (2018). Psychological Morbidity and General Health among Family Caregivers during End-of-life Cancer Care: A Retro- hörigen haben wir jedoch keine verwendbaren spective Census Survey. Palliative Medicine, 32(10), 1605– Daten. Es könnte daher sein, dass wir die Belastung 1614. doi:10.1177/0269216318793286. von Angehörigen in jeder Studie etwas unter- Hodges, L. J., Humphris, G. M., & Macfarlane, G. (2005). A schätzen. Meta-analytic Investigation of the Relationship between the Psychological Distress of Cancer Patients and their Ca- rers. Social Science & Medicine, 60(1), 1-12. doi:10.1016/ Ausblick j.socscimed.2004.04.018. Die Ergebnisse unserer Studie zur Kurzzeit- Payne, S., & Hudson, P. (2008). Assessing the Family and Ca- Intervention für Angehörige sollen 2019 veröffent- regivers. In D. Walsh, A. T. Caraceni, & R. Fainsinger (Eds.), Palliative medicine: Expert Consult (1st ed.). New York: El- licht werden. Wir erwarten, dass das Angebot im Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 sevier. Einzel-Setting besser angenommen wurde, als das Pitceathly, C., & Maguire, P. (2003). The Psychological Impact Unterstützungs-Angebot der Vorgängerstudie im of Cancer on Patients’ Partners and other Key Relatives: A Rahmen einer Gruppe. Ein Gruppenangebot bedarf Review. European Journal of Cancer, 39(11), 1517-1524. einer längeren Vorlaufzeit von der Anmeldung bis zum Zustandekommen einer Gruppe, während Termine für Einzelgespräche individuell und kurz- fristig vereinbart werden und daher besser in die belastende Zeit der palliativen Versorgung passen.
9 WIE KONNTE ER MIR DAS NUR ANTUN? Die Situation von Mitbetroffenen eines Suizids FRANCISKA ILLES U ngefähr 10.000 Suizidfälle werden jähr- maß der Belastung spielen lich in Deutschland erfasst. Im Jahr 2015 die Beziehung zu dem Sui- verstarben fast dreimal so viele Men- zidenten, die Qualität und schen durch Suizid wie durch einen Häufigkeit des Kontaktes Straßenverkehrsunfall (Statistisches Bundesamt, sowie die Umstände und 2015). Durch einen Suizid sind aber immer auch Auswirkungen des Suizi- andere Menschen mitbetroffen. Man schätzt die des auf die eigene Person Anzahl der Mitbetroffenen pro Suizid auf 6-135 Per- eine entscheidende Rolle sonen (Cerel et al., 2018). Hierzu zählen in erster (Andriessen, 2009). Insbe- Linie die nahestehenden Angehörigen sowie Freun- sondere Suizide mit harten de oder Arbeitskollegen des Suizidenten (Mitchell Methoden (z. B. Sprung et al., 2004). Auch professionelle Helfer wie Ärzte, aus Höhe, Erhängen, Pflegekräfte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Schienensuizid) können Geistliche oder andere professionelle oder ehren- starke emotionale Reaktio- amtliche Bezugspersonen, die mit suizidalen nen bei Mitbetroffenen Dr. Franciska Illes Personen arbeiten, sowie Notärzte, Rettungskräfte auslösen. Die Konfronta- oder diejenigen, die einen Suizidenten auffinden, tion mit Bildern des Suizides, z. B. durch das Auf- können Mitbetroffene sein. finden der Leiche oder durch die Vorstellung des Suizidhergangs, kann sehr belastend sein und die Mitbetroffene können unterschiedlich plötzlich mit Betroffenen manchmal noch Jahre nach dem Todes- der Suizidalität einer anderen Person konfrontiert fall begleiten (Wagner, 2014). Auch die Nachricht werden. Manche Mitbetroffene haben bereits vor über einen Suizid kann mit einer hohen emotiona- dem Suizid eine Phase der Belastung erlebt, in der len Belastung verbunden sein und unterschiedliche sie beträchtliche Anstrengungen unternommen ha- Gefühle wie Schock, Resignation, Erleichterung ben, um den Suizid möglichst zu verhindern und mit dem Betroffenen gegen seine Erkrankung oder belastenden Lebensumstände gekämpft haben. Für » Trauer nach Suizid ist assoziiert andere Mitbetroffene kann ein Suizid plötzlich und unerwartet eintreten, entweder weil ihnen zuvor mit Gefühlen von Scham, weil die Suizidalität nicht bekannt war oder weil sie von Suizid als Stigma erlebt wird. deren Verbesserung (z. B. nach einer begonnen Be- handlung) ausgegangen sind. Personen, die versu- chen einen anderen Menschen von einem Suizid oder Ungläubigkeit auslösen. Manche Mitbetroffe- abzuhalten oder diejenigen waren, die den Verstor- ne erleben auch Ärger oder Wut auf den Verstorbe- benen aufgefunden haben, werden sehr plötzlich nen oder kämpfen mit Scham oder Schuldgefühlen. und unerwartet mit einer lebensentscheidenden Situation konfrontiert. Dies kann beispielsweise Bislang gibt es keine eindeutigen Befunde, ob sich Rettungskräfte, Angehörige, professionelle Helfer, die Trauer nach einem Suizid von der Trauer nach Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 aber auch Passanten betreffen. einem Todesfall aufgrund einer anderen Ursache unterscheidet (McIntosh, 1996; Seibl et al., 2001). Auswirkungen von Suiziden auf Mitbetroffene Einige Autoren sehen vor allem Gemeinsamkeiten Grundlegend ist zu beachten, dass die Reaktionen hinsichtlich Dauer, Prozess, Bewältigung und The- auf einen Suizid sehr unterschiedlich sein können men der Trauer (z. B. DeLeo et al., 2013; Sveen et und eine noch stärkere Variabilität aufweisen als al., 2008). Andere Autoren betonen mehr die Unter- bei Hinterbliebenen von Verstorbenen mit anderen schiede in der Trauer nach Suizid (z. B. Dunne et Todesursachen (Bailley et al., 1999). Für das Aus- al., 2009; Jordan, 2001), wobei diese insbesondere
10 in den ersten zwei Jahren zu bestehen scheinen. beigetragen hat. In der Verzweiflung und Hilflosig- Spezifisch für die Trauer nach Suizid scheinen dem- keit kann es auch zu Vorwürfen an andere Personen nach Gefühle von Schuld und Mitverantwortung am kommen, weil diese vermeintlich nicht ausreichend Suizid zu sein. Aufgrund von Schamgefühlen und aufgepasst haben oder in der Behandlung etwas weil der Suizid als Stigma erlebt wird, kommt es übersehen haben. Insgesamt suchen Mitbetroffene oftmals zu einer Geheimhaltung der Todesumstände. typischerweise nach Gründen für den Suizid. Sie Darüber hinaus wurden wollen verstehen, was den spezifische Auswirkungen Suizidenten zu seinem auf die Familienstruktur in » Bei Nahestehenden, aber auch Suizid bewogen hat, was Folge eines Suizides be- bei den Behandlern, kann es er in seinen letzten Stun- schrieben (Feigelman et zu Selbstbeschuldigung oder den des Lebens gedacht al., 2008; Wagner, 2014; oder erlebt hat, ob er McIntosh et al.,1992). Gefühlen von Unzulänglichkeit gelitten hat und ob der kommen. Suizid irgendwie hätte ver- Einige Mitbetroffene von hindert werden können. Suiziden fühlen sich von Diese Fragen stellen sich dem Verstorbenen zurückgewiesen oder haben das nicht nur nahe Angehörige, sondern auch andere Empfinden, verlassen worden zu sein (Bailly et al., Personen im sozialen Umfeld sowie professionelle 1999). Oft beschäftigt Mitbetroffene die Frage, ob Helfer verschiedener Berufsgruppen. Auch bei den sie hätten etwas tun können oder müssen, um den Behandlern kann es zu Reaktionen wie Selbstbe- Suizid zu verhindern. Manche Mitbetroffene schuldigung, Gefühlen persönlicher Unzulänglich- fragen sich, ob sie etwas gesagt, getan oder ver- keit und zu einem Gefühl der Verantwortung für säumt haben, das zu der suizidalen Entwicklung den Tod des Patienten kommen. Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78
11 Manchmal entsteht bei Mitbetroffenen auch das men Todesfällen oder Suizid zeichnet sich darüber Gefühl der Erleichterung, vor allem wenn dem hinaus durch einen Schock und das Gefühl der Suizid eine lange und schwere (psychische) Erkran- Unwirklichkeit aus. Bei Trauer nach gewaltsamen kungsphase vorausgegangen ist oder eine hoff- Todesfällen oder Suizid haben die Betroffenen nungslose Situation bestand. Als erleichternd kann möglicherweise ein Trauma erlebt, indem sie die es auch empfunden werden, wenn nach einem Leiche eines Menschen, der an einer gewaltsamen längerfristigen Bemühen, den Suizid einer Person Todesursache gestorben ist, gefunden oder gese- zu verhindern, letztlich die ständige Angst und der hen haben. Ferner teilen sie die zerstörte Illusion hiermit verbundene Druck vorbei sind. Auch Ärger der eigenen Un- auf den Suizidenten und die Frage „Wie konnte er verwundbarkeit. mir das nur antun?“ sind nicht untypische Folgen. Typisch für die » Ein Suizid ist häufig mit Manche Mitbetroffene berichten auch das Gefühl Trauer nach Sui- Geheimhaltung nach außen, von Scham in Folge des Suizides. Hierbei spielen zid in Abgren- neben der eigenen Einstellung auch die Ansicht zu zung zu allen aber auch nach innen Suiziden in Kultur, Gesellschaft oder Religion sowie anderen Arten verbunden. die erwartete Einstellung wichtiger anderer Perso- von Todesfällen nen eine entscheidende Rolle. In vielen Kulturen ist der Ärger auf und Religionen ist der Suizid ein Tabu und berührt den Verstorbenen, Wut sowie der Eindruck, zurück- grundlegende Fragen der Lebenseinstellung. Dies gewiesen oder verlassen worden zu sein (Jordan et kann dazu führen, dass Mitbetroffene nicht offen al., 2011). über die Ereignisse sprechen oder es ihnen schwer- fällt, sich Unterstützung zu holen. Befunde zeigen, Unterstützungsangebote für Mitbetroffene dass Hinterbliebene nach Suizid weniger Unterstüt- Welche Unterstützungsangebote von Mitbetroffe- zung erhalten als Hinterbliebene anderer Todesar- nen benötigt werden, variiert in zeitlichem Abstand ten. Ferner sehen sie sich häufiger mit Ablehnung zum Suizidereignis und in Abhängigkeit vom Aus- und Vorurteilen konfrontiert (Seibel et al., 2001; maß der emotionalen Betroffenheit. Im Folgenden Winter et al., 2005). sollen nur die Unterstützungsmöglichkeiten für die Situation unmittelbar nach dem Erhalt der Todes- Familienangehörige von Suizidenten können län- nachricht dargestellt werden. Diese ist von einem gerfristige Folgen durch den Suizid erfahren, weil Schock gekennzeichnet. Mitbetroffene sind auf ge- das bisherige Familiengefüge ins Wanken gerät danklicher und emotionaler Ebene stark durch das (Winter et al., 2005). In manchen Familien wird Geschehen beeinflusst. Auch auf körperlicher nicht über den Verstorbenen gesprochen oder es Ebene kommt es zu Stressreaktionen. Auf Hand- finden keine offenen Gespräche über den Suizid lungsebene kommt es zu einer plötzlichen Unter- und dessen Folgen statt. Manchmal werden die To- brechung der eigentlichen Abläufe und Tätigkeiten. desumstände auch gegenüber einzelnen Familien- Es ist eine Situation, in der innerlich und äußerlich mitgliedern geheim gehalten, so dass der Suizid Chaos und Alarmbereitschaft herrschen. Die als Familiengeheimnis behandelt wird (Pitman et gewohnten Alltagsroutinen sind unterbrochen, eine al., 2014). Durch den Wegfall einer Person kommt Ausnahmesituation liegt vor. es zu veränderten Rollenzuteilungen innerhalb der Familie und der Familienzusammenhalt kann sich Eine Unterstützung in der Verarbeitung der Nach- ändern (Wagner, 2014). richt und zur Reduktion des Stresses kann beispielsweise in der Anwesenheit anderer Perso- In einem Modell hat man versucht, die Unterschiede nen oder der gemeinsamen Durchführung von und Gemeinsamkeiten von Trauer nach verschie- Ritualen liegen. Betroffene sollten über das denen Todesursachen zusammenzufassen. Geschehen sprechen dürfen, aber hierzu nicht Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Verglichen wurden die Charakteristika von Trauer gedrängt werden. Weiterhin kann es für Mitbetrof- insgesamt mit denen von Trauer nach unerwarteten fene hilfreich sein, wenn man ihnen bei der Umor- Todesfällen, von Trauer nach gewaltsamen Todes- ganisation von privaten oder beruflichen Aufgaben fällen sowie von Trauer nach einem Suizid. Der und Terminen hilft und mit ihnen klärt, welche Trauer nach allen Arten von Todesfällen ist der weiteren Unterstützungen sie benötigen. Beispiels- Schmerz, das Leid und die Sehnsucht, mit dem weise könnten weitere Unterstützungen im Familien-, Verstorbenen wieder vereint zu sein, gemeinsam. Freundes- oder Kollegenkreis organisiert werden, Trauer nach unerwarteten Todesfällen, gewaltsa- damit der Mitbetroffene auch in den nächsten
12 Tagen Ansprechpartner hat. Ferner könnte ein Arzt- Study. British Journal of Psychiatry, 170, 441-446. kontakt notwendig sein oder Gespräche mit Seel- DeLeo, D., Cimitan, A., Dyregrov, V., Grad, O., Andriessen, K. (Eds.). (2013). Bereavement after Traumatic Death. Helping sorgern oder einem Psychotherapeuten gewünscht the Survivors. Göttingen: Hogrefe. werden, die organisiert werden müssen (Illes et al., Dunne, E.J., Dunne-Maxim, K. (2009). Why Suicide Loss is dif- 2014; Teismann et al., 2016). ferent for Survivors. In: D. Wasserman, C. Wasserman (Eds.). Oxford Textbook of Suicidology and Suicide Preven- tion. A Global Perspective (605-608). Oxford, UK: Oxford Die bisherigen Unterstützungsangebote für Ange- University Press. hörige beruhen größtenteils auf ehrenamtlicher Ar- Feigelman, W., Jordan, J.R., Gorman, B.S. (2008). How They beit. Die häufigste Form von Unterstützungsange- died, Time since Loss and Bereavement Outcomes, OMEGA- boten sind Selbsthilfegruppen für Suizidhinterblie- Journal of Death and Dying, 58, 251-273. Ilgen, M.A., Kleinberg, D., Ignacio, R.V., Bohnert, A.S.B., Va- bene. Adressen können beispielsweise über AGUS lenstein, M., McCarthy, J.D., Blow, F.C., Katz, I.R. (2013). e. V. (Angehörige um Suizid) bezogen werden Noncancer Pain Conditions and Risk of Suicide. Archives of (www.agus-selbsthilfe.de). General Psychiatry, 70, 692-697. Illes, F., Jendreyschak, J., Armgart, C., Juckel, G. (2014). Suizide im beruflichen Kontext. Bewältigungsstrategien für Mitar- Mitbetroffene, die im beruflichen Kontext einen beiter im Gesundheitswesen und Rettungsdienst. Stuttgart. Suizid erleben, müssen in solchen Situationen Schattauer. trotzdem koordiniert handeln und relevante Jordan, J.R., McIntosh, J.L. (2011). Is Suicide Bereavement Aufgaben erledigen. Daher empfiehlt es sich in different? A Framework for Rethinking the Question. In JR beruflichen Bereichen, in denen häufiger Suizide Jordan & JL McIntosh (Eds.), Grief after Suicide (pp. 19-42). New York, NY: Routledge. auftreten, schon im Vorfeld Ablaufpläne und mög- Keiser, O., Spoerri, A., Brinkhof, M., Hasse, B., Gayet-Ageron, liche Unterstützungsangebote sowie Ansprechpart- A., Tissot, F. et al. (2010). Suicide in HIV-Infected Individuals ner zu definieren. Dies erleichtert die Abläufe in and the General Population in Switzerland, 1988-2008. der Akutsituation, da eine Vorgabe vorliegt, an der American Journal of Psychiatry, 167, 143-150. McIntosh, J.L., Kelly, L.D. (1992). Survivors‘ Reactions: Suicide man sich orientieren kann. In manchen Kliniken vs other Causes, Crisis, 13, 82-93. wurden beispielsweise Teams zur kollegialen Unter- McIntosh, J.L. (1996). Survivors of Suicide: A Comprehensive stützung etabliert und geschult, die für Kollegen Bibliography Update, 1986-1995. Omega, 33, 147-175. als Ansprechpartner in belastenden Situationen Mitchell, A.M., Kim, Y., Prigerson, H.G., Mortimer-Stephens, M. (2004). Complicated Grief in Survivors of Suicide. Crisis, dienen (Illes et al., 2014). 25, 12-18. Pitman, A., Osborn, D., King, M., Erlangsen, A. (2014). Effects of Suicide Bereavement on Mental Health and Suicide Risk. Dr. Franciska Illes Lancet Psychiatry, 3, 1-9. Seibl, R., Antretter, E., Haring, C. (2001). Konsequenzen eines LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie, Suizids für Personen im Umfeld des Suizidenten. Stand der Psychotherapie und Präventivmedizin Forschung, offene Fragen und Aufgaben zukünftiger For- Alexandrinenstr. 1-3 schung. Psychiatrische Praxis, 28, 316-322. 44791 Bochum Statistisches Bundesamt (2015). Todesursachenstatistik, Zu- griff am 23.11.18 unter: https://www.destatis.de/DE/ Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Todesursachen/ Todesursachen2120400157004.pdf?__blob=publicationFile. Literatur Sveen, C.A., Walby, F.A. (2008). Suicide Survivors’ Mental Health Arsenault-Lapierre, G., Kim C., Turecki, G. (2004). Psychiatric and Grief Reactions: A Systematic Review of Controlled Stu- Diagnoses in 3275 Suicides a Meta-Analysis. BMC Psychi- dies. Suicide and Life-Threatening Behavior, 38 (1), 13-34. atry, 4, 37. Teismann, T., Koban, C., Illes, F., Oermann, A. (2016). Psycho- Bailley, S.E., Kral, M.J., Dunham, K. (1999). Survivors of Suicide therapie suizidaler Patienten. Therapeutischer Umgang mit do Grieve differently: Empirical Support for a Common Sen- Suizidgedanken, Suizidversuchen und Suiziden. Göttingen: se Proposition. Suicide and Life-Threatening Behavior, 29 Hogrefe. (3), 256-271. Wagner, B. (2014). Komplizierte Trauer. Wien & New York: Beautrais, A.L. (2002). A Case Control Study of Suicide and At- Springer. tempted Suicide in older Adults. Suicide and Life-Threate- Winter, S., Brockmann, E., Hegerl, U. (2005). Die Situation ning Behavior, 32, 1-9. Hinterbliebener nach Suizid. Verhaltenstherapie, 15, Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Brown, G.K., Beck, A.T., Steer, R.A., Grisham, J.R. (2000). Risk 47-53. Factors for Suicide in Psychiatric Outpatients: A 20-year Prospective Study. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 68, 371-377. Cerel, J., Brown, M.M., Maple, M., Singleton, M., Van de Venne, J., Moore, M., Flaherty, C. (2018). How many people are exposed to Suicide? Not Six. Suicide and Life-Threatening Behavior, https://doi.org/10.1111/sltb.12450. Cheng, A., Chen, T.H.H., Chen, C., Jenkins, R. (2000). Psycho- social and Psychiatric Risk Factors for Suicide; Case Control
13 DYING MATTERS ODER STERBEN GEHT UNS ALLE AN Eine britische Initiative STEPHANIE OWENS D ying Matters ist eine Initiative, die im als 500 Veranstaltungen Jahr 2009 ins Leben gerufen wurde mit im ganzen Vereinigten Kö- dem Ziel, die Aufmerksamkeit für nigreich und etwa 50 Er- Sterben, Tod und Trauer zu fördern. Zu wähnungen in lokalen Zei- Beginn war sie Teil des „National Council for Pallia- tungen. Dying Matters or- tive Care“. Seit Juli 2017 ist sie der Organisation ganisiert dabei selbst „Hospice UK“ angegliedert. keine Veranstaltungen, un- sere Mitarbeiter bemühen Einmal im Jahr findet eine Aktionswoche statt, die sich jedoch, an so vielen unseren Unterstützern die Gelegenheit bietet, Ver- Veranstaltungen wie mög- anstaltungen im Rahmen eines Themas durchzu- lich teilzunehmen. Einer führen. In Vorbereitung auf das zehnjährige Jubi- der diesjährigen Höhe- läum lautete das Thema der Aktionswoche in die- punkte war für mich der sem Jahr: „Are We Ready?“ („Sind wir bereit?“). In Besuch der Stadt Leices- Stephanie Owens diesem Rahmen werden Fragen danach gestellt, ter, wo ich mit Menschen wie wir auf unseren eigenen Tod vorbereitet sind, über Hospiz- und Palliativversorgung sprechen z. B. hinsichtlich der Bestattungsplanung, des Ad- konnte. Es handelte sich um eine ganztägige Ver- vance Care Planning, der Testamentserstellung anstaltung, einschließlich eines Informationsstan- oder der Organspende, oder ob wir bereit sind, des, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger in- anderen zu helfen, z. B. verbunden mit der Frage, formieren und über die Möglichkeit, sich in ihrer wie wir Familie und Freunde in dieses Thema ein- Gemeinde einzubringen, erkundigen konnten. beziehen. Zu den im Verlauf einer Aktionswoche angespro- Ich persönlich habe in diesem Jahr zum vierten Mal chenen Inhalten gehören das Thema „Sterben in an der Aktionswoche, die von Jahr zu Jahr Zuwachs verschiedenen Glaubensgemeinschaf- erfährt, teilgenommen. So gab es im ten und Kulturen“ oder die Fragen Jahr 2018 mehr „Wie spricht man mit Kindern über das Sterben?“ und „Wie geht man am Arbeitsplatz mit Trauer um?“ Wäh- rend diese Themen stets eine hohe Aufmerksamkeit erhalten, glaube Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78
14 ich jedoch, dass es immer das Hauptanliegen von gibt viele Möglichkeiten, sich rund um Dying Dying Matters sein wird, Menschen dazu zu Matters zu engagieren und die damit verbundenen bewegen, den Tod als normalen Bestandteil des Ziele zu unterstützen. Man kann ein „Death Café“ Lebens zu sehen, der offener diskutiert werden sollte oder einen Informationsstand organisieren, man als bisher. Denn während der Tod in der Vergan- kann auf andere Weise kreativ werden oder einfach genheit häufiger zu Hause erlebt wurde und auch mit einem Freund oder Angehörigen sprechen. Das die Pflege durch Angehörige stattfand, ist er in der Wichtigste ist, dass wir über Sterben, Tod und Gegenwart zur vornehmlich medizinischen Trauer reden. Problemstellung gemacht worden, mit dem Kran- kenhaus als Hauptanlaufstelle. Stephanie Owens Außerhalb der Aktionswoche versuchen wir, uns 34-44 Britannia Street ganzjährig für Dying Matters zu engagieren. Im London, WC1X 9JG, UK Januar werden wir ein Seminar ausrichten, in dem s.owens@hospiceuk.org wir erläutern wollen, wie man Veranstaltungen im www.dyingmatters.org Rahmen von Dying Matters arrangieren kann. Es Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78
TRAUER AM ARBEITSPLATZ 15 TRAUERBEGLEITUNG AM ARBEITSPLATZ – EINE HERAUSFORDERUNG FÜR ORGANISATIONSKULTUR UND UNIVERSITÄRE BILDUNG URSULA ENGELFRIED-RAVE T rauer am Arbeitsplatz zuzulassen, offen und Einsamkeit genannt. Gera- mit dem Verlust umzugehen, auch wenn de am Arbeitsplatz ist es aber man vermeintlich Schwäche zeigt, wäre auch oft die zwischenmensch- eine Alternative zur stummen Ignoranz, liche Kommunikation, die Trau- mit der Trauerfällen im Alltag häufig begegnet wird. ernde als wenig hilfreich emp- (Roth 2011, S.: 173) finden. Arbeit kann jedoch für Trauernde eine Hilfe sein, den Ein Anliegen des inzwischen verstorbenen Bestat- Tagesablauf zu strukturieren, ters und Trauerbegleiters Fritz Roth war die Ent- sich abzulenken, soziale Kon- tabuisierung von Trauer. In seinem Buch „Das letzte takte aufrechtzuerhalten und Hemd ist bunt“ plädiert er für einen offenen an den alltäglichen Erfordernis- Umgang mit Trauer – auch am Arbeitsplatz. Trauer- sen des Lebens teilzunehmen. situationen am Arbeitsplatz sind gegeben, wenn Die betriebliche Mitarbeiterfür- Dr. Ursula Engelfried-Rave Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter plötzlich sorge steht dann vor der Aufgabe, oder nach langem Leiden verstorben sind oder den individuelle Unterstützungs- Tod eines nahestehenden Menschen erfahren leistungen für Trauernde anzubieten. haben. Werden Trauernde im privaten Bereich noch weitgehend von Verwandten und Freundeskreis Unternehmensleitungen befinden sich hier in einer aufgefangen, befinden sie sich am Arbeitsplatz in Dilemma-Situation, gilt es doch, einerseits effizient einem öffentlichen Bereich, an dem sie funktionie- zu arbeiten, andererseits Fürsorge für Mitarbeiter- ren müssen. Dies führt häufig dazu, dass Trauer- innen und Mitarbeiter zu tragen. Bei Organisatio- gefühle bei den Trauernden unterdrückt werden nen wie Polizei, Feuerwehr oder Verkehrsbetrieben oder Kollegen und Vorgesetzte die Problematik sind die Mitarbeiter mit Suiziden, tödlichen ignorieren. Unfällen, Gewalttaten oder Katastrophen konfron- tiert. Während solche „katastrophenanfälligen“ Organisationen in der Regel über ein Notfallma- » Trauernde befinden sich am nagement für ihr Personal verfügen, ist es in vielen Arbeitsplatz in einem anderen Organisationen von der Organisationskul- tur abhängig, wie Trauersituationen am Arbeits- öffentlichen Bereich, in dem platz begegnet wird. Neben ethischen Aspekten, sie funktionieren müssen. wie der Wertschätzung den Mitarbeitern und Mit- arbeiterinnen gegenüber, erfordern auch der Fach- Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 An der Arbeitsstelle kann es aber durch psychische kräftemangel und zunehmender Fachkräftebedarf und physische Belastungen während des Trauer- hier ein Umdenken in der Personalpolitik, um die prozesses zu Überforderungen und manchmal auch Beschäftigungsfähigkeit (Employability) der Betrof- zu längeren Krankheitsausfällen kommen. So fenen zu erhalten. klagen Trauernde häufig über Schlafprobleme, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit und Rückenpro- Modelle und Initiativen, die sich dieser Thematik bleme. Als psychische Probleme werden Konzen- annehmen, gibt es bereits. So plädiert das Modell trationsstörungen, Schuldgefühle, Angstzustände der lebensphasenorientierten Personalpolitik von
16 SCHWERPUNKT Jutta Rump und Silke Eilers vom Institut für Be- betrieblichen Mitarbeiterfürsorge zu etablieren. schäftigung und Employability IBE für eine gezielte Gegründet wurde die Initiative von dem Kardiolo- und individuelle Unterstützung des Personals in gen und Palliativmediziner Martin Fuchs. In seinem kritischen Lebenssituationen. Eine gute Unterneh- langen Berufsleben machte er die Erfahrung, dass menskultur zeigt sich nach Ansicht der beiden Trauernde und ihre Probleme häufig nicht wahrge- Wissenschaftlerinnen nommen werden. Bei darin, dass es gelingt, Frau Barbara Koch, die Erfordernisse be- » In einer guten Unternehmens- Geschäftsführerin bei stimmter Lebensphasen kultur gelingt es, die Erfordernisse der Handwerkskammer und kritischer Lebens- Koblenz, stieß die Idee ereignisse im Arbeitsle- kritischer Lebensereignisse zu auf Interesse, da mittle- ben zu berücksichtigen berücksichtigen. re und kleinere Hand- und Unterstützung an- werksbetriebe oft nicht zubieten, ohne dabei die betrieblichen Erforder- die formalen Unterstützungsfunktionen haben, um nisse zu vernachlässigen. Trauernde zu beraten. Wenig später konnte auch das Institut für Soziologie der Universität Koblenz- Seit 2010 arbeitet die Initiative „Trauer und ihre Landau, Campus Koblenz, für die wissenschaftliche Begleitung am Arbeitsplatz“ im institutionellen Begleitung gewonnen werden. Rahmen der Handwerkskammer Koblenz kontinu- ierlich an der Umsetzung, Trauer als Aufgabe der Die Initiative sieht ihre Arbeitsschwerpunkte in der Betreuung eines Notfalltelefons, das offen ist für alle Trauernden und Betriebe, auch außerhalb der Handwerkerschaft. Ein interdisziplinäres Team steht dann für die weitere Begleitung zur Verfü- gung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Öffentlich- keitsarbeit, um Betriebe für die Situation von Trauernden zu sensibilisieren. In diesem Rahmen werden Vorträge, Fortbildungsveranstaltungen und Ausstellungen angeboten. Außerdem werden laufend Handreichungen für die unterschiedlichen Zielgruppen, die von Trauer am Arbeitsplatz betrof- fen sind, erarbeitet. Aktuell wird ein Netzwerk „Trauerbegleitung am Arbeitsplatz“ gegründet, um den ganz unterschiedlichen Trauerinitiativen ein Forum zu bieten. Neben der wissenschaftlichen Begleitung der Initi- ative „Trauerbegleitung am Arbeitsplatz“ bietet Dr. U. Engelfried-Rave auch Lehrveranstaltungen an, um Studierende für die Problematik von Sterben, Tod und Trauer in privaten und beruflichen Kontexten zu sensibilisieren. Das Seminar „Thanatosoziologie“ beschäftigt sich mit aktuellen Diskursen dieser Spezialdisziplin wie dem gesell- schaftlichen Umgang mit Sterbenden, Fragen der Transmortalität und der Erinnerungskultur. Lehrfor- Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 schungsprojekte zur Trauerbegleitung bieten Mög- lichkeiten, vertiefte Kenntnisse zu erwerben. Neben der Auseinandersetzung mit den Grundproblema- tiken der Trauer erhalten die Studierenden auch die Möglichkeit, in einem Wochenendseminar mit einer ausgebildeten Trauerbegleiterin eigene Trau- ererfahrungen zu reflektieren. Abgerundet werden diese Seminare durch eigene Forschungsarbeiten
TRAUER AM ARBEITSPLATZ 17 der Studierenden im Berufsfeld Trauer- und Trau- Literatur erbegleitung. Da die Problematik von Sterben, Tod Engelfried-Rave, U., Fuchs, M., Koch, B. (2018). Trauerbeglei- und Trauer im Pädagogikstudium nur marginal the- tung am Arbeitsplatz – ein Gewinn für alle Beteiligten. In: Marose, Monika (Hrsg.). Sterben, Tod und Trauer im Reli- matisiert wird, haben Studierende im Bachelorstu- gionsunterricht an berufsbildenden Schulen (BRU). Müns- diengang Pädagogik in einem Forschungsseminar ter New York, S.: 37–47. pädagogische Konzepte für die Trauerbegleitung Fässler-Weibel, P. (Hrsg.) (2005). Trauma und Tod am Arbeits- entwickelt. platz. Paulusverlag, Freiburg Schweiz. Offermann, F. (2016). Wenn Kollegen trauern. Wahrnehmen ver- stehen helfen. Kösel-Verlag, München. Die Konzepte beinhalten Unterrichtseinheiten für Roth, F. (2011). Das letzte Hemd ist bunt. Die neue Freiheit in Schulen, Workshops für Berufsanfänger, Bilderbü- der Sterbekultur. Campus Verlag, Frankfurt. cher für Kindergartenkinder, Handreichungen für Rump, J., Eilers, S. (2012). Facetten einer lebensphasen- oder krisenorientierten Personalpolitik. Handlungsreich und Eltern zum Tod eines Haustieres und Materialien maßgeschneidert. In: Leidfaden. Fachmagazin für Krisen, für die Erwachsenenbildung. Das starke Interesse Leid und Trauer. Göttingen, S.: 8–12 und Engagement der Studierenden in diesen Ver- Wurth, K. (2017). Trennungsmanagement in Unternehmen. anstaltungen zeigt, dass sich junge Menschen der Trennungsprozesse in Führung und Personalwesen fair und transparent. Springer, Wiesbaden. Problematik von Sterben, Tod und Trauer stellen und für ihre Persönlichkeitsbildung und ihr künfti- ges berufliches Tätigkeitsfeld zu nutzen wissen. Dr. phil. Ursula Engelfried-Rave Institut für Soziologie der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz engelfried@uni-koblenz.de Kooperation mit der Initiative „Trauerbegleitung am Arbeitsplatz“ der Handwerkskammer Koblenz, vertreten durch Frau Barbara Koch, Geschäftsführerin und Personalleiterin. trauerbegleitung@hwk-koblenz.de Ich arbeite als Grundschullehrerin und leitete, als mein Mann starb, ein zweites Schuljahr. Der intensive Kontakt mit den Kindern tat mir damals sehr gut. Ihr Fokus auf das Hier und Jetzt, ihre Freude, mich nach sieben Wochen wiederzu sehen, gaben mir Kraft. Wenn mir auf dem Schulweg ein fröhliches „Guten Morgen Frau W.“ oder „Hallo Frau W.“ zugerufen wurde, tat das offene Zugehen auf mich einfach gut. Der Umgang zwischen den Kollegen und mir war teilweise durch viel Unsicher heiten und Ängste, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, geprägt. Bis auf wenige Ausnahmen wurde der Tod meines Mannes von den Kollegen tabuisiert. Die Kollegen fühlten sich unsicher und ich spürte, dass es ihnen unangenehm war, Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 mir zu begegnen. Der Umgang miteinander fand fast nur auf fachlicher Ebene statt. Ich habe es als tröstend erlebt, dass mich eine Kollegin einfach nur in den Arm genommen hat und mit mir geweint hat. A., 63 Jahre
18 SCHWERPUNKT TRAU DEINER HOFFNUNG MEHR ALS DEINER VERZWEIFLUNG Institut für berufsorientierte Religionspädagogik der Uni Bonn vermittelt Kompetenzen zu „Sterben, Tod und Trauer“ im Kontext der Arbeitswelt MONIKA MAROSE E rfahrungen von Sterben, Tod und Trauer staltungen der Kompetenzvermittlung zum bestimmen die Lebenswelt Arbeit in weit- Themenfeld „Sterben, Tod und Trauer“. Das bibor aus höherem Maße als gemeinhin ange- veröffentlicht Fachliteratur, Unterrichtsmaterialien nommen. Mittlerweile ist belegt, dass Kri- und bietet Expertise im Rahmen von Veranstaltun- sen in Folge von Verlusterfahrungen Unternehmen gen, Vorträgen und Workshops. Das Institut hat die und Organisationen wirtschaftlich Aufgabe, den Berufsschulreligionsunterricht (BRU) erheblich beeinträchtigen können in Nordrhein-Westfalen zu erforschen und zu (vgl. z. B. Thelen, 2017, S. 1-14), stärken, denn das Fach vermittelt wesentliche mangelt es an Sensibilität im Um- Kompetenzen für Ausbildung und Beruf. Die gang mit betroffenen Mitarbeitern, Bedeutsamkeit des Religionsunterrichts an berufs- Vorgesetzten oder auch Kunden. bildenden Schulen wird bei kaum einem Sujet so Das im Jahr 2015 durch den Deut- deutlich wie angesichts der Konfrontation mit schen Bundestag verabschiedete existentiellen Verlusterfahrungen. Präventionsgesetz rekurriert u. a. auf diesen Bereich und fordert und Das komplexe Phänomen der Trauer erfordert fördert präventives Handeln von konzertierte Anstrengungen möglichst vielfältiger Sozialversicherungsträgern, Län- Partner. Das bibor kooperiert u. a. mit der Hand- dern und Kommunen im Dienste der werkskammer Koblenz, dem Institut für Soziologie Gesundheitsförderung. Trauer- der Universität Koblenz-Landau und dem Institut ereignisse haben nicht nur Auswir- für Politische Wissenschaft und Soziologie der Uni- kungen auf das soziale Miteinander versität Bonn. Die Handwerkskammer Koblenz in Betrieben und Unternehmen, zeichnet verantwortlich für das Projekt „Trauer- sondern auch auf deren Produkti- begleitung am Arbeitsplatz“. Vor acht Jahren wurde Dr. Monika Marose vität. Insolvenzen aufgrund eines es von Frau Barbara Koch, der Geschäftsführerin unsachgemäßen Verfahrens im der Handwerkskammer Koblenz, und dem Pallia- Trauerfall sind nicht selten. Kein Unternehmen tivmediziner Herrn Dr. Martin Fuchs ins Leben heutzutage kann zudem den Verlust von Fachar- gerufen. Wissenschaftlich begleitet wird das Pro- beiterinnen und -arbeitern riskieren, sollten diese jekt durch Frau Dr. Ursula Engelfried-Rave vom sich aus Enttäuschung über unsensibles Auftreten Institut für Soziologie der Universität Koblenz- von Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten Landau; Initiator der Forschungen ist Prof. Clemens einem anderen Arbeitgeber zuwenden. Risiken und Albrecht, der zwischenzeitlich einen Ruf auf den Nachteile, die aus Unkenntnis und Hilflosigkeit im Lehrstuhl Kultursoziologie an der Universität Bonn Umgang mit Erfahrungen von Sterben, Tod und erhielt. Hospiz-Dialog NRW - Januar 2019/78 Trauer in der Arbeitswelt erwachsen, sind zahlreich – und unbedingt vermeidbar. Proprium des (Berufsschul)Religionsunterrichts Zahlreiche Unterrichtsfächer vermitteln wichtige Institut und Kooperationspartner Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit dem Das „Evangelische Institut für berufsorientierte Themenfeld. Soziologie, Pädagogik, (Praktische) Religionspädagogik“ (bibor) der Rheinischen Philosophie, Sozial-, Erziehungslehre, Gesund- Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn widmet sich heitserziehung, um nur einige zu nennen, klären seit Jahren in Projekten, Publikationen und Veran- u. a. auf über Trauerprozesse und die Anatomie des
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