DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media

 
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DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
KOMPAKT ZEITUNG
                                     Ausgabe
                                      2020

                     DRUCKZUSTÄNDE

Die gnadenlosen                Wandel mit              Mediadaten für
  Rezipienten                   Verlust                das Jahr 2020
 Halten Medien dem Druck      Auflagenentwicklung und   So preiswert sind Qualität
     ihrer Nutzer stand?       Strukturveränderungen   und hochwertige Inhalte.
DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
Verlagsprogramm KOMPAKT MEDIA

 SPIELMACHER
 Menschen und ihre Geschichten
 mit dem 1. FC Magdeburg

 Hardcover-Buch, 312 Seiten mit Bildern

 Erschienen bei MAGDEBURG KOMPAKT
 ISBN 978-3-00-061112-4                           Preis:   29.95 €
 „Dieses Buch hat Gewicht. Das merkt man sofort, wenn man es in
 den Händen hält – Spielmacher, das im Dezember 2018 erschienene
 aktuellste Werk über den 1. FC Magdeburg, Hardcover, Fotos, 312
 Hochglanz-Seiten, macht schon allein haptisch einiges her."
                                             Rezension nurderfcm.de

 „Spielmacher“ ist ein Buch mit persönlichen Erzählungen über Menschen, die in fünf Jahrzehnten maßgeblich den Puls
 des 1. FCM mitbestimmten, die Euphorie erlebt und Niederschläge durchlitten haben. Vier Autoren haben in diesem Buch
 intime blau-weiße Zeugnisse über 47 Bekannte und Unbekannte aufgeschrieben. Wer den Club im Sein und Werden ver-
 stehen will, muss die 312 Seiten über „Spielmacher“ lesen, um mehr über Vorlagen, Flanken und Verteidigung der Fußball-
 tradition in Magdeburg zu wissen. Dies ist ein Buch für Fans, das es so noch nie gab.

                                                Ludwig Schumann

                                                Der langsame Leser
                                               „Für mich ist das ein Experiment”, behauptete einmal Ludwig Schumann
                                               (*1951 - †2019) über seine Kolumne „Der langsame Leser” in MAGDEBURG
                                               KOMPAKT. Er schrieb Gedanken zur Zeit, Gedanken über Bücher, Musiker,
                                               „was einem eben gerade durch den Kopf geht”, so Schumann. Zeitgleich er-
                                               schienen seine Zeilen auch auf Konstantin Weckers Website www.hinter-den-
                                               schlagzeilen.de, auf der Schumann zu den Stamm-Gast-Schreibern gehörte.
                                               Dass er spitz formulieren konnte, hat er zur Genüge gezeigt. Eine Auswahl
                                               seiner Schriften aus mehr als vier Jahren sind in diesem Buch zu finden. „Der
                                               langsame Leser” hat seine Aktualität nicht verloren.

                                                                                      Hardcover-Buch mit 200 Seiten
                                                   85
                                  Preis:   21. €                             Erschienen bei: MAGDEBURG KOMPAKT
                                                                                             ISBN 978-3-9821245-0-6

      Die Bücher sind erhältlich im Buchhandel, bei Amazon oder bei KOMPAKT MEDIA.
Breiter Weg 202 in 39104 Magdeburg, Telefon: 0391-79 29 67 50 oder www.kompakt.media
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Was ändert
 ein neuer
  Name?
Neue Besen kehren gut, so lautet eine alte Rede-
wendung. Trifft das auch auf neue Namen zu? Und
warum streichen wir nach sieben Jahren Erfolgsge-
schichte das Wort „Magdeburg“ aus dem Titel unse-
rer Zeitung? Dahinter steckt ein langer Überlegungs-
prozess mit vielen Argumenten auf der Für- und
manchen auf der Wider-Seite. Eine Marke, die sich
im Verbreitungsgebiet und sogar darüber hinaus eta-
bliert hat, einfach zu ändern, ist ein schwieriger
Schritt. Wir gehen ihn dennoch, weil wir davon über-
zeugt sind, dass der neue Name KOMPAKT ZEITUNG
der Anpassung an die bisherige Entwicklung Rech-
nung trägt.

Offenbar hat das Konzept der Zeitung das Zeug, weit
über die Grenzen der Landeshauptstadt Leserinnen
und Leser zu finden. Die Einführung einer Teilauflage
in allen Umlandkreisen im Großraum Magdeburg hat
der Auflage weiteres Wachstum beschert. Anderer-
seits ist der Name der Landeshauptstadt manches
Mal hinderlich, weil man damit die Ausgabe viel zu
eng auf Magdeburg begrenzt beurteilt, obwohl wir
nicht ausschließlich Themen aufgreifen, die sich mit
der Großstadt verbinden.

Außerdem gehen wir neue Wege in der digitalen Ver-
breitung. Auch deshalb ist ein Markenrelaunch nötig
geworden. In das Jahr 2020 starten wir mit einem
neuen Online-Auftritt, tagesaktuellen elektronischen
Nachrichten aus der Region und personeller Verstär-
kung. Damit sind die Vorhaben für 2020 aber noch
lange nicht abgeschlossen. Über Hintergründe und
Details der Genese unserer Medienkanäle und über
Neuigkeiten aus unserem Verlag sowie die allgemei-
ne Medienentwicklung wollen wir Sie in dem vorlie-
genden Heft „Media 2020“ informieren.

Herzlichst
Ronald Floum und Thomas Wischnewski

                     Media 2020
                         3
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Ideen für die
                                           goldenen 20er

                      D
                               ie goldenen 20er sind jetzt wieder in aller        Damit aber noch nicht der Neuerungen genug. Wir
                               Munde. Ob sie wirklich so gülden werden,           nehmen ein weiteres Vorhaben für das Jahr 2020 in
                               wie häufig verklärt gedacht wird, bleibt da-       Angriff. Den Bewegbildbereich wollen wir weiter
                      hin gestellt. Fakt ist, dass sich unser kleines Me-         ausbauen und mehr Beiträge bis hin zu kleinen
                      dienunternehmen         neuen    Herausforderungen          Nachrichtenformaten erzeugen. Um dies umzuset-
                      stellt. Mittlerweile geben wir Zeitungen im 9. Jahr-        zen, werden wir eine zusätzliche Fläche in der In-
                      gang heraus. Auch online waren unsere Inhalte               nenstadt beziehen. Dort soll eine Art kleines Me-
                      stets verfügbar und sie erfreuten sich einer wach-          dienzentrum entstehen, in dem Studioproduktionen
Ronald Floum          senden Nutzerschaft. Zum Auftakt des Jahres                 und Gesprächsformate möglich sind. Auch kleinere
Mitgründer und        2020 gehen wir nun verstärkt neue Wege der                  Veranstaltungen mit Teilnehmern bis zu 80 Perso-
Mitherausgeber        elektronischen Verbreitung. Dazu haben wir das              nen lassen sich realisieren. Unser Medienzentrum
der KOMPAKT           kleine Team von „Wir sind Magdeburg“ zur Mittä-             wird die Onlineredaktion und die Videoproduktion
ZEITUNG ist seit      terschaft gewinnen können. Künftig werden unter             beherbergen. Es soll außerdem Anlaufpunkt für Le-
1990 als Fotograf     dem Namen KOMPAKT MEDIA mit einem gewach-                   serinnen und Leser sein und ein Zusammenwirken
und Journalist        senen Team mehr tagesaktuelle Nachrichten ver-              mit Veranstaltungen in der Innenstadt ermöglichen.
tätig. Er arbeitete   breitet werden.                                             Schon jetzt schaffen wir mit den vorhandenen On-
für verschiedene                                                                  line- und Printprodukten pro Monat bis zu 500.000
Verlage und unter-    Auch der Titel MAGDEBURG KOMPAKT wandelt                    Kontakte.
hielt lange Jahre     sich in KOMPAKT ZEITUNG. Der Wechsel signali-
eine eigene           siert die höhere Auflage und das größer geworde-            Bereits zum Ende des Jahres haben wir als Verlag
Medienagentur.        ne Verbreitungsgebiet. Wir wollen damit eine bes-           unter der Marke KOMPAKT Buch mehrere Bücher
                      sere Verbindung von Inhalten aus der Landes-                herausgegeben. Den Auftakt bildete der Essay-Sam-
                      hauptstadt und dem nahen Umland herstellen.                 melband des 2019 verstorbenen Schriftstellers Lud-
                      Nicht alle Leserinnen und Leser in Burg, Haldens-           wig Schumann. Auch 2020 werden weitere Bücher
                      leben, Schönebeck oder Calbe/Saale können sich              entstehen. KOMPAKT MEDIA versteht sich damit als
                      mit einem reinen Magdeburger Titel identifizieren.          Inhaltedienstleister, der in Zusammenarbeit mit zahl-
                      Sollte das Interesse in der Region ebenfalls weiter         reichen Publizisten Beiträge, Bücher und Videos pro-
                      auf einen fruchtbaren Boden fallen, wird die Aufla-         duzieren wird. Das geistig-kulturelle Leben der Regi-
                      ge der Druckausgabe entsprechend mitwachsen.                on soll dadurch eine kleine Bereicherung finden.

                                                                        IMPRESSUM
                                                Herausgeber: Ronald Floum und Thomas Wischnewski (V.i.S.d.P.)
                                                Herausgebende Gesellschaft: KOMPAKT MEDIA GmbH & Co. KG
                                                          Adresse: Breiter Weg 202 • 39104 Magdeburg
                                                                  Telefon: 0391/ 79 29 67 50
                                                                   E-Mail: post@kompakt.media
                                                                  Internet: www.kompakt.media
                         Bankverbindung: Stadtsparkasse Magdeburg • IBAN: DE58 8105 3272 0641 0143 68 • BIC: NOLADE21MDG
                                            Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Peter Schönfeld, Prof. Dr. Gerald Wolf,
                                                Prof. Dr. Reinhard Szibor, Prof. Dr. Viktor Otte, Prof. Dr. Markus Karp
                      Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unter www.kompakt.media einsehbar. Weiterverwendung von Beiträgen, Fotos
                       und eigens für KOMPAKT-Produkte entworfene Anzeigen ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Gesellschaft gestattet.
                                                       Das nächste Media-Heft erscheint im Januar 2021.

                                                               Media 2020
                                                                   4
DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
Die gnadenlosen
                 Rezipienten

W
            as ist bloß los mit den Lesern, Zuschauern   die Wahrnehmung vieler anderer Positionen, oft so-        Axel Römer
            und Hörern? Medienschaffende rätseln         gar sehr fragwürdiger Welt- und Lebenserklärungen.        ist das Pseudo-
            seit einigen Jahren immer häufiger über      Unter all diesen unzählbaren Informationsmosaik-          nym eines juris-
ihre Rezipienten. In Scharen wenden sich Nutzer          steinchen bereichert sich zwar das eigene Wissen,         tisch gebildeten
von klassischen Medien ab, ja verteufeln sie sogar       aber gleichzeitig bröckeln bisher bekannte und ge-        Journalisten. Seit
und es sprießen aufgrund der Möglichkeiten des           glaubte Überzeugungen. Wie uns das eigene Altern          einigen Jahren
Internets massenhaft Gegenmedien aus dem                 nicht täglich bewusst wird, ändern sich eben auch         schreibt er für un-
virtuellen Boden. Antworten aus zahlreichen Re-          Bewertungen und Denkmuster schleichend.                   sere Ausgaben,
daktionsstuben sind dann der Verweis auf die Quali-                                                                vor allem seine
tät der eigenen Inhalte oder die Professionalität,       Allerdings muss wohl noch auf eine weitere Erschei-       Glosse, und hin
mit der diese erzeugt werden. Doch unter dem                        nung hingewiesen werden, aus der               und wieder taucht
Strich bleiben solche Argumente frag-                                      sich die Abwendung der Rezipien-        er mit essayisti-
würdig. Wären Qualität und Professio-                                           ten von ihren gewohnten, aus       schen Beiträgen
nalität die tatsächlichen Gründe für                                            der analogen Erfahrung stam-       zum Zeitgesche-
eine Mediennutzung, hätte es                                                    menden Medien erklären             hen auf.
doch gar keine Abkehr von                                                              lässt. Manche denken
manchen Fernsehsendungen,                                                                sicher sofort an die
Zeitschriften und Zeitungen                                                                veränderte Medien-
geben dürfen.                                                                               nutzung der nach-
                                                                                            wachsenden Gene-
Medien erleben nur,                                                                         rationen, die aus-
was die Warenwirtschaft                                                                    schließlich   online
schon immer kannte: der                                                                 und eben, wann und
Mensch als Konsument nutzt, was                                                      wo sie wollen, einströ-
ihm gerade genehm, bequem und                                                       men lassen, was ihnen
nützlich ist. Auch Meinungen wohnt                                               gerade beliebt. Das ist nur ei-
Nützlichkeit und Bequemlichkeit inne. Sie                                     ne Seite der Medaille. Wenig Be-
haben ihre Verstandes- und Einstellungs-                             achtung findet die demografische Ent-
grenzen, sie stoßen auf Erfahrungsmängel                 wicklung der Nutzerschaft. Zwar wird in allen gesell-
oder Wissenslücken. Allerdings lassen sich solche        schaftlichen Sphären auf den Aufwuchs der Alten
ganz natürlichen Bewertungserscheinungen nicht           hingewiesen. Doch als Rezipienten gilt der ältere Teil
politisch einsortieren. Dies geschieht grundsätzlich     der Gesellschaft häufig nur als der Teil, der an alten
überparteilich und unabhängig. Eine politische Posi-     Gewohnheiten festhält. Allerdings treffen mit der all-
tion ist nur ein Aspekt des menschlichen Bewertens.      gemeinen Entwicklung der Alterspyramide Medien-
Allerdings neigt die Gesellschaft heute dazu, genau      inhalte auf einen quantitativ erfahrenen Geist ihrer
diesen Punkt überzubewerten und andere Meinun-           Informationskonsumenten. Man sollte also schluss-
gen darauf zu reduzieren. Und das passiert in schö-      folgern, dass vor dem Informationsangebot zahlen-
ner gegenseitiger Verstrickung zwischen Journalisten     mäßig viel mehr differenzierende Individuen sitzen
und ihren Rezipienten, zwischen Politikern und Wäh-      als noch vor 20 Jahren. Denen kann man eben
lern sowie zwischen Individuen, bis hin im Zwist in-     nicht mit altbekannter Qualität begegnen. So lange
nerhalb von Familien, Freunden und Weggefährten.         in Redaktionsstuben vorrangig über Vereinfachung
                                                         und einen schnelleren Transport von Inhalten nach-
Eine Folge des Anwachsens von Informationsvielfalt,      gedacht wird, wird die Irritation bei den Rezipienten
Interpretationsquantität und Meinungsfluten ist eben     zunehmen.

                                                             Media 2020
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DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
Druckzustände
                       D
                                 ie gedruckte Presse steht unter Druck, unter     Amazon (gestartet als Buchplattform) wurde durch
                                 einem existenziellen. Das Internet bedrohe       die Informationsvielfalt, die Medien kostenfrei anbo-
                                 die Printmedien, so lautet der einhellige Chor   ten, erst richtig befeuert. Das ist übrigens ein Grund,
                       über die Entwicklung gedruckter Informations- und          warum man heute von Google eine Teilhabe an den
                       Unterhaltungsprodukte. Ich wage hier die Behaup-           Erlösen verlangt und natürlich, weil viele Suchanfra-
                       tung, dass dies nur ein bescheidenes Argument für          gen schließlich wieder auf die Beiträge von Medien
                       den Wandel der Medienwelt darstellt. Um den viel-          verweisen. Fast 20 Jahre lang dauerte der Prozess,
                       schichtigen Ursachen – auch solchen, die von Verla-        bis Verlage begannen, Bezahlschranken vor ihre Inhal-
Thomas                 gen und Redaktionen selbst befördert wurden – auf          te zu montieren. Damit haben sie über den Zeitraum
Wischnewski            den Grund zu gehen, muss man noch einmal auf die           einer ganzen Generation ihren klassischen Mechanis-
Mitgründer und         Ursprünge blicken. Die Menschheitsgeschichte ist           mus der Wertschöpfung unterlaufen. Getragen war
Mitherausgeber         eben auch die Geschichte der Informationsverbrei-          man dabei von der Angst, dass andere durch Online-
von KOMPAKT            tung. Die Entwicklung des Denkens kann nicht ohne          Kanäle Vorteile hätten. Keiner wollte vor dem ande-
ZEITUNG ist seit       Kommunikation, und zwar Regel- und Verständi-              ren das Nachsehen haben. Jetzt haben es alle.
1991 als Journalist    gungsvereinbarungen gedacht werden. Mit der Ver-           Schließlich schafften es die Plattformen bzw. Sozialen
tätig. Er arbeitete    schriftlichung von Sprache – zunächst in Symbolen –        Medien, die Hürden fürs Mitmachen und Mitverbrei-
für verschiedene       begann wahrscheinlich überhaupt die Entwicklung            ten von Inhalten in rasanter Geschwindigkeit zu sen-
Anzeigenblattver-      verbindlicher Vorstellungen. Davor war es ausschließ-      ken und gaben damit eigentlich jedem die Möglich-
lage, als Korres-      lich die mündliche Überlieferung, unter der Wissen,        keit an die Hand – in welcher Form auch immer – In-
pondent für            Erfahrung und Kultur Verbreitung fanden.                   halte zu produzieren und anzubieten. Dabei ist es
Tageszeitungen                                                                    egal, ob es sich um eine differenzierte schriftliche
sowie Agenturen,       Der Buchdruck verschaffte der Informationsvermitt-         Darstellung, einen kurzen Meinungspost, Fotos vom
konzipierte ver-       lung eine neue Qualität. Wahrscheinlich hätte es die       Essen, Katzenvideos oder Kriegsberichte handelt. Auf
schiedene Maga-        Reformation ohne diese Erfindung zunächst nicht ge-        einer Plattform ist zunächst jeder Inhalt gleich. Unter-
zinprodukte und        geben. Erst mit der Weiterentwicklung der Druckver-        schiede werden nur in Reichweite gemessen. Reich-
verantwortete die      fahren bis hin zum Rollen-Offset-Druck entstanden          weite ist die Währung, mit denen sich Medien ver-
Öffentlichkeitsar-     Zeitungen als Fenster zur Welt, zur Meinungs- und          meintlich auskennen wollen. Das Nutzungsverhalten
beit in öffentlichen   Faktenverbreitung. Printprodukte blieben auch nach         der Google-, Facebook-, Twitter- und Amazon-
Institutionen und      Einzug der elektronischen Medien wie Radio und             Gemeinde ist der andere Wert, mit dem heute
Unternehmen.           Fernsehen zunächst die wichtigste Säule der Informa-       gerechnet wird. Die Werbeindustrie will jeden zielge-
                       tionsverbreitung. Bis in die Mitte der 90er Jahre gab      nau erfassen und ihm möglichst zuspielen, was man
                       es vielfach Wachstum und Auflagensteigerungen. Am          sich im nächsten Moment wünschen würde. Auf
                       Markt der Verlage herrschte Verdrängungswettbe-            dass der Konsument auch gleich bei einem Angebot
                       werb, der sich in kalkulierbaren Bahnen abspielte. Die     in den Kauf einwilligt.
                       Wertschöpfungskette – Inhalte fließen in ein hapti-
                       sches Produkt, dass durch Abo- und Einzelverkauf           In diesem Segment wird leider auch viel Scharlatane-
                       kombiniert mit Werbung refinanziert wurde – funkti-        rie betrieben. Allein die Tatsache, dass der Zielgrup-
                       nierte reibungslos.                                        penmechanismus als Lösung für alles dahergebetet
                                                                                  wird, lässt zwar den allgemeinen Glauben daran
                       Nun kam die Vernetzung. Und es waren maßgeblich            wachsen, aber trifft nie die Variabilität menschlicher
                       die Medien selbst, die aus ihrem Kompetenzan-              Realitäten. Hierbei unterwerfen sich werbende Unter-
                       spruch für Inhalteverbreitung das Internet mit ihren       nehmen, Werbe- und Medienagenturen demselben
                       Beiträgen befeuerten und nach und nach interessan-         selbstzerstörerischen Mechanismus wie ihn Verlage
                       ter machten. Verlage und Redaktionen durchbrachen          durchmachen. Das Gewicht der virtuellen Wertschöp-
                       quasi selbst die bestehende Wertschöpfungskette, in        fung fällt weiter auf die Seite der großen Plattformen.
                       dem sie ihre Inhalte über viele Jahre kostenlos anbo-      Nicht umsonst, werden beispielsweise die Stimmen
                       ten. Die Entwicklung von Google, Facebook und              nach einer Zerschlagung von Facebook oder einer In-

                                                                Media 2020
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DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
stallierung eines datensammelfreien europäischen Gegenange-         fällen bereits Reichweiten erzeugen, die guten TV-Formaten oder
bots lauter. Wer allein auf Facebook sein Geschäftsmodell aufge-    riesigen Zeitungsauflagen entsprechen. Aber selbst diese moder-
baut hat, wird langfristig ins Wanken kommen.                       ne Form von Werbung und Informationsverbreitung wird an
                                                                    Grenzen stoßen. Einzelne Gesichter bzw. Erzählstränge aus einer
Es sind eben Geschwindigkeit und Verbreitungspotenziale von         geistigen Quelle – oder mit wenigen Mitstreitern im Hintergrund
Informationen in einer sich weiter vernetzenden Menschheit, die     erzeugt – werden ihre Halbwertzeit haben. Die Gemeinde der
heute maßgeblich die Welt bewegen. Insofern ist die Mensch-         „Follower“ wird mit der Zeit erfahrener, ändert Interessen und
heitsentwicklung eben die der Informationsverbreitung. Den Vor-     Meinungen bzw. andere Lebensphasen setzen neue Schwer-
teilen für schnelle und umfassende Inhaltsrecherchen stehen         punkte. Es ist schwer vorstellbar, dass die Natur der menschli-
aber auch Schattenseiten gegenüber. Unter der Info-Flut verläss-    chen Neugier über viele Jahrzehnte durch wenige Influenzer be-
liche und wahrhaftige Angaben zu finden, wird einerseits schwie-    friedigt werden könnte. Außerdem wächst die Konkurrenz oder
riger und andererseits raubt die Suche unter einer wachsenden       zumindest die Zahl derer, die sich vom Erfolg anderer anstecken
Fakten- und Meinungsmasse am Ende viel Zeit. Möglicherweise         lassen und damit schaffen sich Influenzer ähnlich wie es Medien
steht bei Nutzern dann häufig Bequemlichkeit und Zeitmangel         in der Netzwelt erfahren haben, ihre Mitbewerber selbst. Am
beim Info-Konsum im Vordergrund. Dadurch lösen sich bisheri-        Ende aller Informationsstränge sitzt immer noch ein Mensch mit
ge Überzeugungen auf und alle möglichen Er-
klärmuster – auch abstruse und widersinnige –
treffen auf neugierige Geister. Der Druck, unter
dem Medien heute stehen, ist derselbe wie ihn
jeder Rezipient erfährt. Die Informationslage
wird unübersichtlicher. Es hilft offenbar wenig,
auf Standpunkten zu beharren und daraus
Kommentierungen und Meinungen abzuleiten.
So fatal es klingen mag, aber durch das Inter-
net mit seinen unzähligen Akteuren formen
sich bisher geglaubte Wahrheiten neu. Selbst
Wissenschaft, die evidenzbasierende Ergebnis-
se vorlegen will, erfährt mitunter eine Paralyse
durch Gegenergebnisse, ideologische Überzeu-
gungen und Contra-Standpunkten.

Übrigens: Printverlage – insbesondere Tageszei-
tungen – werden noch aus anderen Gründen
an Auflage verlieren. Im Jahr 1991 wurden täg-
lich rund 27,3 Millionen Exemplare an Tages-
zeitungen verbreitet bzw. abgesetzt. Über 10
Millionen Käufer und Abonnenten haben die
Verlage bis heute verloren. Der Trend hält an. Und dieser ist       24 Stunden Lebenszeit täglich. Alle buhlen darum, so viel wie
nicht nur durch das Internet zu erklären, sondern erstens aus       möglich von der Aufmerksamkeit des Einzelnen abzubekom-
dem inneren Wandel der Unternehmen und zweitens aus teil-           men. Schon deshalb stehen nicht nur Printmedien unter Druck,
weise verengten Bewertungsmechanismen. Vor allem an der ei-         sondern alle, die sich in der Welt von Information und Unterhal-
gentlichen Kompetenz – verlässliche Fakten und Geschehnisse         tung tummeln. Der Druck steigt mit der wachsenden Zahl der
vorzulegen – haben die Verlage die Säge angesetzt und ganze         Angebote. Darunter bereinigt sich auch die Stellung klassischer
Redakteursscharen über die Jahre entlassen. Es gab online eben      Medien. Nur wenn sie sich auf ihre Kernkompetenz besinnen
keinen vergleichbaren wirtschaftlichen Aufwuchs. Alles, was Ver-    und verlässliche Informationen über das zusammenstellen, bei
lage in der Vergangenheit auf ihren virtuellen Kanälen verbreitet   dem sie dabei sind, authentisch berichten und kommentieren,
haben, fußte letztlich auf ihrer klassischen Wertschöpfungskette.   werden sie ein Gegengewicht zum Schnipsel-Info-Universum
Der große Springer-Verlag ist heute vor allem ein Gemischtwa-       des Netzes in die Waagschale der Kommunikation legen kön-
renladen aus Partnerschaftsbörsen, Verkaufs- und Vergleichspor-     nen. Je mehr sie sich an die Wogen des Internets anpassen,
talen. Die einst so große Bild-Zeitung hat sich seit 2010 von 3,1   umso mehr Bedeutung haben sie zu verlieren.
Millionen verkauften Exemplaren auf 1,4 Millionen halbiert. Wirft
man täglich einen Blick auf die Timeline seines Facebookprofils     Wenn heute Leute über Shitstorms klagen, sollten sie sich
findet man dort oft eine schnellere und unterhaltsamere Art der     manchmal daran erinnern, dass darüber vor ein paar Jahren kein
Bild-Zeitung vor.                                                   Hahn gekräht hätte. Viele Ereignisse sind nicht schlimmer gewor-
                                                                    den, sondern einzig die Erregungszustände darüber. Der emp-
Heute redet man von Influenzern oder YouTubern, die in Einzel-      fundene Druck hat eben immer eine hausgemachte Seite.

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Verlagsprogramm KOMPAKT MEDIA

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                                                                                 Kündigen!
                                                                                 Aber wie?
                                                                                         Jemandem kündigen zu müssen,
                                                                                               ist keine schöne Aufgabe.
                                                                                             Wenn es unvermeidlich ist -
                                                                                               wie macht man es richtig?

                                  Ob der Nebenjob bei der Konkurrenz, das private Surfen im Internet während der Arbeits-
                                  zeit, die getürkte Reisekostenabrechnung oder der häufig mal verschnupfte Mitarbeiter -
                                  Sie fragen sich hierbei möglicherweise, was Sie als Arbeitgeber gegen solche Vorkomm-
                                  nisse tun können. Oder haben Sie die sogenannten Low-Performer, die hemmen und be-
                                  hindern, die unproduktiv sind? Wenn diese und andere Mitarbeiterfehlverhalten in Ihrem
                                  Unternehmen eine Rolle spielen, dann bietet das Buch KÜNDIGEN! ABER WIE? Lö-
                                  sungsansätze an.
Autorin
Iris Kastner-Nauke
                                  Ist eine Abmahnung das richtige Mittel? Wie spricht man eine Abmahnung rechtswirksam
                                  aus? Gibt es Fristen zu beachten und wie soll sie übergeben werden? Sehen Sie sich ver-
                                  anlasst, aufgrund des Verhaltens des Mitarbeiters, eine Kündigung auszusprechen, ist
Kündigen!                         vieles zu beachten. Unbedachte Handlungen führen immer zu nachteiligen Konsequen-
                                  zen für beide Seiten, die häufig auch mit vermeidbaren Kosten verbunden sind.
Aber wie?
                                  In diesem Buch erfahren Sie, welche Mitarbeiterfehlverhalten Sie mit einer Abmahnung rü-
                                  gen sollten, wie eine solche Abmahnung rechtswirksam gestaltet und übergeben werden
© KOMPAKT Buch                    muss und welche Fehlverhalten zu einer Kündigung führen können. Sie lesen weiter, wel-
Erschienen bei                    che Fehlverhalten zu welcher Art von Kündigung führen können und welche Vorausset-
KOMPAKT MEDIA GmbH & Co. KG       zungen erfüllt sein müssen, um eine solche Kündigung wirksam auszusprechen.
Breiter Weg 202 39104 Magdeburg
www.kompakt.media
                                  Was muss im Vorfeld alles beachtet werden, welche Fristen sind einzuhalten, wie ist eine
1. Auflage
                                  etwa vorhandene Arbeitnehmervertretung mit einzubeziehen und wie wird die Kündigung
                                  letztendlich zugestellt oder übergeben?
ISBN 978-3-9821245-3-7
                                  Im Anhang gibt es zahlreiche Praxisbeispiele von echten Fällen, die mit entsprechenden
Preis: 29,89 €                    Urteilen von Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht belegt sind. Aus die-
                                  sen Beispielen erfahren Sie, wie der Arbeitgeber im vorliegenden Fall reagiert hat und, ob
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und Amazon

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DRUCKZUSTÄNDE KOMPAKT ZEITUNG - Die gnadenlosen - Kompakt Media
Was man nicht lernt?
A
        ls ich die Idee hatte, Journalistin zu werden,       ches, soziales und psychologisches Gundlagenwissen
        hatte ich wohl sehr verklärte Vorstellungen von      zu erwerben? Wir müssen in der Lage sein, komplexe
        diesem Beruf. Ich hatte so ein Bild von einer        politische Vorgänge zu beschreiben. Doch sind wir
Karla Kolumna vor meinen Augen. Die war mein ers-            wirklich ausreichend mit staatstheorethischen Wis-
tes Vorbild für den Berufsstand. Immer auf dem Roller        sensfundamenten ausgestattet? Versteht man den
unterwegs, auf der Suche nach den wichtigen Ge-              Gesetzgebungsprozess und auch die Folgen rechtli-
schichten und Skandalen ihrer Stadt, die Kamera stets        cher Regelungen? Da das Studium hier kaum Inhalte
im Anschlag. Also schlug ich mich in Filmen und Erzäh-       vermittelt, muss man sich solche Kenntnisse selbst
lungen stets auf die Seite der Journalisten bzw. derjeni-    aneignen.                                                   Swantje
gen, die versuchten, die Wahrheit ans Licht zu bringen.                                                                  Langwisch
                                                             Das wirklich wichtigste Arbeitsmittel eines jeden Jour-     ist Studentin der
Nach dem Abitur suchte ich mir eine journalistische          nalisten ist die Sprache. Abgesehen davon, dass jeder       Fachrichtung Jour-
Ausbildungsstätte. Heute studiere ich im fünften Se-         die Grundlagen von Orthografie und Grammatik be-            nalismus an der
mester Journalismus an der Hochschule Magdeburg-             herrschen sollte, halte ich es auch für wichtig, ein tie-   Hochschule Mag-
Stendal. Ich bin davon überzeugt, dass im Journalis-         feres Verständnis über Bedeutung von Worten, deren          deburg-Stendal.
mus heute umfassend ausgebildet wird. Das hat den            Anteil am Denken sowie deren Genese, die durch Wis-
Vorteil, dass man als Berufseinsteiger nach dem Studi-       sen und Erfahrung beeinflusst werden, zu erlangen.          Der Beitrag
um als Moderator, Redakteur, Cutter oder auch hinter         Aber Sprachphilosophie als Rüstzeug für das Wort-           entstand mit
der Kamera zum Einsatz kommen kann. Natürlich                handwerk sucht man in der journalistischen Ausbil-          Unterstützung
spielen die eigenen Interessen und Ziele eine große          dung vergebens. Wir nutzen alle täglich Worte, die ei-      von Thomas
Rolle für die späteren beruflichen Ambitionen. Wer tie-      ne Sache oder ein Geschehen in unserem Verständ-            Wischnewski.
fer in die Materie einsteigen will, sollte überlegen,        nis benennen sollen. Doch können wir auch reflektie-
nach dem Bachelorabschluss noch einen Masterstudi-           ren, wie uns diese Begriffe aus welchem kulturhistori-
engang anzuschließen. Eine andere Option wäre ein            schen Zusammenhang vermittelt wurden und wie sie
Volontariat, um in der Praxis Erfahrungen zu sammeln.        sich während unseres eigenen Lebensweges verwan-
                                                             delt haben, sozusagen mit Erfahrung und Wissen an-
Worum sollte es Journalisten gehen? Vor allem doch           gereichert wurde. Das einfachste Beispiel, um sich
um einen Spiegel der Wirklichkeit. Aber wie steht es         diesen Entwicklungsprozess von Sprachcodes vorzu-
um die Frage, ob man als Journalist seine Leser, Zu-         stellen, ist die Verwendung des Wortes „ich“. Erstmals
schauer, Hörer kennen sollte? Kann man lernen, ein           spricht man es als Mensch – vermittelt durch die El-
Geschehen vollständig verständlich zu erzählen? Wir          tern – zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr
lernen innerhalb des Journalismusstudiums notwendi-          aus. Aber ein 83-Jähriger verwendet dieselbe Vokabel.
ge Technik kennen, haben Kurse zu Videokameras,              Derselbe Code für die Selbstbezeichnung enthält
Fotoapparaten, Aufnahmegeräten und Schnittpro-               über 2,5 Milliarden Sekunden unterschiedlichster Au-
grammen. Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere               genblicke. Und letztlich wird jedes Wort genau von die-
im Englischen, werden ausgebaut. Wir erfahren etwas          sen zahlreichen persönlichen Erfahrungen geprägt bzw.
über Ethik, den Pressekodex und die Filmgeschichte.          entwickelt sich daraus eine mehrdimensionale Bedeu-
Medienrecht, Mediengeschichte und Medienfor-                 tung. Von „Framing“ ist heute oft die Rede, wie Begriffe
schung gehören zu den Inhalten meines Studiums.              mit Bedeutung verkettet werden. Darüber weiß man et-
Ein Auslandssemester habe ich bereits absolviert. Ver-       was als Journalist. Doch das ist nur ein Aspekt. Dass
schiedene Produktionen muss jeder Studierende vor-           sich der eigene Bewertungsmaßstab verändert, dass
legen und dafür in TV-, Hörfunk- oder Online-Redak-          man den eines anderen verstehen muss und wie man
tionen arbeiten.                                             diesen Phänomenen auf die Spur kommt bzw. wie
                                                             man damit umgehen kann – das halte ich für ausge-
Die Lehrstoffangebote sind sicher sehr wichtige theo-        sprochen wichtig. Unser Journalismusstudium sagt da-
retische und praktische Kenntnisse. Aber was erfährt         zu nichts. Vielleicht erscheint die Sprache in Medien
ein Journalist über das Funktionieren der Welt? Um           deshalb oft missverständlich oder irritierend, weil das
Politik, Recht, Wirtschaft, Kultur und Soziales zu verste-   Wissen über das eigene Handwerkszeug diesbezüglich
hen, ist es dafür nicht nötig, philosophisches rechtli-      nicht ausreichend vermittelt wurde.

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                        warten auf Godot

                     D
                               er Morgen beginnt mit einer Tasse Kaffee und    Hinzu kommt die ständige Kritik an der Finanzierung
                               akustischen Signalen aus dem Radio. Ohne        des Modells. Aus einem vielfältigen Vollprogramm
                               Werbung, ohne Palaver, ohne eintönige           einen Dudel-Sender zu machen, auch wenn dieser
                     Musik, die alle zwei, drei Stunden wiederholt wird.       klassische Musik spielt, ist jedoch der falsche Schritt.
                     Stattdessen gibt es interessante Features, kurzweilige    Die Reichweite wird auf diese Weise sicher nicht er-
                     Reportagen, Vorstellung von Musikalben und Büchern,       höht. Und das Geld für aufwändige Produktionen, die
                     Nachrichten und natürlich Musik, die von Klassik bis      dadurch entfallen, ließe sich an anderer Stelle einspa-
                     Folk, von Jazz bis Country, von Indie bis Pop reicht.     ren.
                     Kurzum: der Morgen beginnt mit MDR Kultur, einem
Tina Heinz           durchaus ästhetischen Vollprogramm aus Musik, Kunst,      Beispielsweise bei den Gehältern, wie die Kommission
Journalistin, seit   Literatur, Neuigkeiten und Kritik. Nun erreicht man       zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstal-
2014 festes Mit-     damit nicht alle Hörer der Region, denn Geschmäcker       ten (Kef) laut eines Berichts der Fachzeitschrift „Me-
glied der Redak-     sind bekanntlich verschieden. Aber MDR Kultur erfüllt     dienkorrespondenz“ empfiehlt. Dem Kef-Gutachten
tion von KOMPAKT     damit – mehr als andere Programme – die Aufgaben,         zufolge seien die Vergütungsniveaus der neun ARD-
ZEITUNG.             die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im sogenann-      Landesrundfunkanstalten, des ZDF sowie des Deutsch-
                     ten Rundfunkstaatsvertrag auferlegt wurden: zu infor-     landradios überproportional gut. Von den insgesamt elf
                     mieren, zu bilden, zu beraten und zu unterhalten.         Anstalten liegen laut „Medienkorrespondenz“ die Ge-
                                                                               hälter bei fünf Sendern oberhalb des Durchschnitts:
                     Was MDR Kultur für den mitteldeutsche Raum ist, ist       beim Bayerischen Rundfunk (BR), beim Hessischen
                     hr2-Kultur für Hessen. Da nach Meinung der Intendanz      Rundfunk (HR), beim Saarländischen Rundfunk (SR)
                     und der leitenden Gremien in Frankfurt am Main Kul-       und beim ZDF. Beim Westdeutschen Rundfunk
                     turradio jedoch ein Nischenprogramm ist, wird seit        (WDR), heißt es in dem Gutachten, wurde „ein deut-
                     einer Weile darüber diskutiert, ab 1. April 2020 den      lich erhöhtes Gesamtvergütungsniveau“ ausgemacht.
                     Sender in eine reine Hörfunkwelle für klassische Musik    Neben dem internen Vergleich zwischen den einzel-
                     umzuwandeln. Die Kulturberichterstattung aus der Re-      nen Rundfunkanstalten wurden auch die Vergütungs-
                     gion und die kritische Einordnung bestimmter Ge-          leistungen mit drei externen Bereichen – allgemeine
                     schehnisse und Entwicklungen soll auf die                 Wirtschaft, kommerzielle Medien und öffentliche Ver-
                     Internetplattform und zum Nachrichtenkanal hr-Info        waltung – verglichen. Hier kommt das Gutachten zu
                     verbannt werden. Statt zu bündeln, wird weit gestreut.    dem Schluss, dass die Gehälter der Rundfunkanstalten
                     Begründet wird die Maßnahme damit, dass immer we-         höher ausfallen als bei der öffentlichen Verwaltung,
                     niger (junge) Menschen den Hörfunk gezielt einschal-      weshalb die Kef laut Bericht der „Medienkorrespon-
                     ten, um eine bestimmte Sendung oder ein                   denz“ plant, den Personalaufwand der Sender in der
                     bestimmtes Format zu hören. Also soll der Sender          kommenden Vierjahresperiode, die am 1. Januar 2021
                     ohne große Anstrengungen „durchhörbar“ sein. Wer          beginnt, um insgesamt 60,3 Millionen Euro zu kürzen.
                     Informationen oder Meinungen sucht, muss anderswo         Das spart nicht nur Bares. Damit stünden die Öffent-
                     lesen oder hören. Ein Programm mit Ecken und Kan-         lich-Rechtlichen auch nicht unter dem Druck, sich
                     ten, dessen Beiträge zum Nachdenken anregen und           rechtfertigen zu müssen, weshalb ihr Besoldungsni-
                     den Blick über den Tellerrand ermöglichen, wird so zur    veau deutlich höher als der des „restlichen“ öffentli-
                     reinen Abspielstation.                                    chen Dienstes ist und ihr Spitzenpersonal mehr
                                                                               verdient als Spitzen-Staatsdiener bei Behörden, bei der
                     Sicherlich stehen die Öffentlich-Rechtlichen aufgrund     Bundeswehr oder am Gericht.
                     der Potentiale, die sich aus digitalen Technologien er-   Ob der Plan der Kef umgesetzt wird, muss sich noch
                     geben, und den damit einhergehenden sich verän-           zeigen. Zunächst wird der endgültige 22. Bericht der
                     dernden Hör- und Sehgewohnheiten unter Zugzwang.          Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der

                                                             Media 2020
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Rundfunkanstalten im Februar 2020 veröffentlicht.           auch zur Grundversorgung. Denn kaum war die Kef-              Das Hauptstadt-
Darin wird auch der Vorschlag der Kef stehen, den           Prognose, den Beitrag auf „nur“ 18,36 Euro pro                studio der ARD
Rundfunkbeitrag um 86 Cent zu erhöhen – von derzeit         Monat zu erhöhen, und das Jammern der Rundfunk-               in Berlin.
17,50 Euro pro Monat auf 18,36 Euro. Die Öffentlich-        Chefs über die zu geringen Finanzmittel in der Öf-            Foto: 123rf
Rechtlichen hatten bereits verlauten lassen, dass ihnen     fentlichkeit verhallt, da platzte das ZDF mit einem
das zu wenig sei, da sie für die nächste Vierjahresperi-    Mega-Deal heraus: Die Champions League wird künf-
ode einen zusätzlichen Finanzbedarf von drei Milliar-       tig vom Streamingdienst Dazn, von Amazon und –
den Euro benötigten. Der Rundfunkbeitrag müsste             Trommelwirbel – vom Zweiten Deutschen Fernsehen
dazu sogar auf 19,20 Euro pro Monat steigen. Zieht          übertragen. Das ZDF ist offensichtlich nicht so knapp
man jedoch die 60,3 Millionen Euro ab, die bei den          bei Kasse wie der Abosender Sky, der bislang die Über-
Gehältern gespart werden können, sieht die Welt doch        tragungsrechte für die Champions League inne hatte
gleich viel besser aus. Wenn sich die anderen Landes-       und ab der Saison 2021/22 zumindest in Bezug auf
rundfunkanstalten zudem ein Beispiel am Hessischen          die Königsklasse des Fußballs abgemeldet ist.
Rundfunk nähmen und gehaltvolle Kulturprogramme
zugunsten „durchhörbarer“ Sender einstampften, dann         Ob die große Summen verschlingende Übertragung
wäre der Finanzbedarf bestimmt nicht mehr so irratio-       gewisser sportlicher Ereignisse nun im Sinne des Rund-
nal hoch. Vielleicht spränge dabei sogar eine Beitrags-     funkstaatsvertrags ist, darüber lässt sich natürlich strei-
senkung raus …                                              ten. Unumstritten ist allerdings, dass eine Reform des
                                                            öffentlich-rechtlichen Rundfunks längst überfällig ist. In
Generell stellt sich die Frage, warum der finanzielle Be-   einer sich schnell verändernden Medienlandschaft he-
darf der Rundfunkanstalten so hoch ist. Brauchen sie        cheln die Rundfunkanstalten hinterher, sind wenig ef-
mehr Geld, um auf noch mehr Sendern noch mehr               fizient und sparen hin und wieder an der falschen
Talkshows mit denselben Gästen und denselben The-           Stelle – siehe Kultursender hr2. Dass diese notwendige
men auszustrahlen? Oder müssen weitere Krimis pro-          Reform auf sich warten lässt, liegt u.a. an der Struktur
duziert werden, weil es nicht reicht, skandinavische        und Größe des Apparats und an den unterschiedlichen
oder englische Krimis zu adaptieren und mehrere Wie-        Vorstellungen der einzelnen Bundesländer. Wenn die
derholungen (u.a. Tatort) vom Vortag, aus der Vorwo-        potenziellen Zuschauer und Zuhörer auf die Reform
che und aus früheren Jahren zu zeigen? Vielleicht liegt     länger warten müssen als auf Godot, müssen sich die
es aber auch an den Übertragungsrechten für be-             Medienmacher nicht wundern, dass das öffentlich-
stimmte Sportveranstaltungen. Das gehört schließlich        rechtliche Pay-TV den Bus in die Zukunft verpasst.

                                                                Media 2020
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Wandel mit Verlust

              M
                        edien verbreiten viel darüber, was so in der        kann eine vergleichbare regionale und lokale Kraft auf-
                        Welt geschieht, sprechen aber selten über           bringen – hat sich der Verlag selbst beraubt. Eine In-
                        sich selbst. Das soll gar nicht als Generalkritik   vestition in Inhalte hätte die Verluste sicher nicht
              anklingen, denn schließlich besteht das Kerngeschäft          komplett aufgehalten, aber wahrscheinlich zumindest
              von Sendeanstalten und Verlagen in der Verbreitung            abgefedert. Anfang der 1990er Jahre existierte noch
              von Nachrichten, Reportagen und Kommentaren und               eine eigenständige Hauptstadtredaktion und zwei
              nicht in der von Selbstbeweihräucherung. Obwohl es            Chefreporter. Es gab selbstständige Ressorts für Land-
              das manchmal auch in grenzwertiger Form gibt. Aber            wirtschaft, Kultur und Bildung sowie eine Trennung
Thomas        weil man über die Entwicklung unserer Tageszeitung            zwischen Innen- und Außenpolitik. Redakteure der Ta-
Wischnewski   in der Region kaum etwas erfährt, soll an dieser Stelle       geszeitung hatten damals noch ausreichend Zeit, um
              eine kleine Darstellung über die Situation des markt-         Hintergründe und ausführliche Reportagen zu recher-
              beherrschenden Verlages im Norden Sachsen-Anhalts             chieren.
              gegeben werden. Schließlich verfügt die „Volksstimme“
              in ihrem Gebiet zwischen Salzwedel und Harz mit               Der Konzentrationsprozess der Redaktion in Groß-
              einer täglich verbreiteten Auflage von 152.393                raumbüros setzte Mitte der 1990er Jahre ein. Als die
              (Quelle: IVW – Informationsgemeinschaft zur Feststel-         redaktionellen Mitarbeiter der Volksstimme 1998 das
              lung der Verbreitung von Werbeträgern e.V., 3. Quartal        Druckzentrum in Barleben bezogen, war ihre Anzahl
              2019) das nachrichtliche und Meinungs-Monopol für             schon reduziert. Schreibbüro und Redaktionssekretä-
              Zeitungen und Zeitschriften.                                  rinnen waren abgebaut, die Digitalisierung machte Fo-
                                                                            tolaboranten überflüssig, was die gesamte Branche
              Als der Hamburger Bauer Verlag das Blatt 1991 von             betraf. Einst angestellte Fotografen wurden in die Frei-
              der Treuhand übernommen hatte, lag die Auflage                beruflichkeit entlassen. Eine Alternative für die Betrof-
              noch bei 375.000 Exemplaren. Seither geht es mit der          fenen gab es nicht, wollte man die berufliche Existenz
              Auflage kontinuierlich abwärts. 1998 waren es noch            nicht in Gefahr bringen. In den Großraumbüros wurde
              286.700 (Angaben jeweils 3. Quartal) verbreitete Zei-         zunächst die Arbeit in den Fachredaktionen von zwei,
              tungen, 2005 nur noch 228.846. 2015 liegt die Auf-            später nur noch durch einen Redakteur bzw. Redak-
              lage noch bei 176.006, um nun die Marke von                   teurin erledigt. Im Ressort Wirtschaft arbeiteten zu die-
              150.000 zu unterschreiten. In der Auflage sind neben          ser Zeit noch zwei Journalisten, wovon einer jedoch
              140.457 Abos bereits die für e-Paper-Ausgaben                 den Bereich Landwirtschaft abdecken musste. Das
              (3.172 – 3/2019) enthalten. Allein in der Landes-             einstige eigenständige Bildungsressort war da schon
              hauptstadt verbreitete die Volksstimme 1998 noch              längst verschwunden. Dies korreliert offenbar mit der
              70.746 Zeitungen. Die Anzahl hat sich bis Ende 2019           Entwicklung der Bildungslandschaft im gesamten
              auf 35.611 halbiert (inkl. 1.041 e-Paper-Abos). In den        Land.
              Angaben, die an die IVW gemeldet werden, sind stets
              auch die kostenlosen Werbe-Abos enthalten, die re-            Manchem Fachjournalisten wurde immer weniger Platz
              gelmäßig von Promotionteams angeboten werden.                 für eigene Beiträge eingeräumt. Überhaupt änderte
              Die elektronischen Volksstimme-Ausgaben, die es seit          sich das Berufsbild des Redakteurs grundlegend.
              zehn Jahren gibt, fangen in keiner Weise den Reich-           Neben der Textarbeit, kam die Übernahme der Layout-
              weitenrückgang auf.                                           erstellung und Fotografie hinzu. Ab 2000 wurden
                                                                            Kreisredaktionen sukzessive zusammengelegt und die
              Obwohl eine wesentliche Ursache des Auflagen-                 Anzahl der Mitarbeiter regelmäßig reduziert. An vielen
              schwunds die kostenlosen Inhaltsangebote im Internet          Stellen schieden erfahrene Köpfe aus, deren reichhal-
              und das damit veränderte Lese- und Nutzungsverhal-            tiges Detailwissen um Menschen, Entwicklungen und
              ten von Medien ist, können sicher auch hausgemachte           historische Zusammenhänge in der Region von heute
              Gründe angeführt werden. Vor allem die journalisti-           auf morgen aufgegeben wurde. Der Wert von Medien
              schen Kernkompetenzen wurden mit dem Schrump-                 erklärt sich einerseits durch die Köpfe der Macher, aber
              fungsprozess nach und nach zurückgefahren. Der                genauso aus dem Geist der Rezipienten. Bekommen
              eigentlichen Stärke – denn keine andere Redaktion             letztere keine hochwertigen, differenzierten und exklu-

                                                         Media 2020
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siven Informationen mehr geboten, wenden sie sich           Seither suchen die Verlage Lösungen in Konzentratio-         Das Bild zeigt
folgerichtig ab. Das hat zunächst noch gar nichts mit       nen und Zusammenlegung einzelner Titel. Vor einem            den Rotations-
politischen Tendenzen in der Gesellschaft zu tun.           Jahr wurde bekannt, dass der Kölner Dumont-Verlag            druck in der Fa-
Denn 2015, dem Jahr, das man als Spaltungsaus-              seine Regionalzeitungen verkaufen will. Ins Portfolio        berschen
gangspunkt betrachten kann, war der Zeitungstrend           des Verlages gehört die „Mitteldeutsche Zeitung“, die        Buchdruckerei
nicht mehr umkehrbar und die Selbstzerstörung der           in Sachsen-Anhalt Zeitungen für den Süden des Lan-           um 1920.
Kernkompetenz regionaler Tageszeitungen längst mit          des herausgibt. Mittlerweile übernahm das Hamburger          Foto: Stadtarchiv
dem eines fortgeschrittenen Krebsstadiums vergleich-        Verlagsstammhaus der „Volksstimme“ den Hallenser
bar.                                                        Titel. Während so eine Fusion sicher wirtschaftlich ge-
                                                            boten ist und zunächst vor allem in der Verwaltung
Heute beschäftigt die „Volksstimme“ keinen eigenstän-       und Organisation zu Arbeitsplatzverlusten führt, wird
digen Wirtschaftsredakteur mehr. Der weite Bereich          sie nach und nach ebenso mit einem Rückbau redak-
der Kultur muss von einer Mitarbeiterin geleistet wer-      tioneller Ressourcen einhergehen.
den. Überhaupt gibt es nur zwei Ressorts: Sport und
Lokales. Oberbürgermeister Lutz Trümper beklagte ein-       Beklagenswert ist vor allem die schwindende Leucht-
mal, dass er sich die Namen der laufend wechselnden         turmfunktion für hochwertige Inhalte. Es ist ein Mangel
Praktikanten, die von ihm Stellungnahmen einfordern,        an Feuilleton, Essays, Debatten und ausführliche Re-
nicht mehr merken kann. Wer als Journalist die Chance       portagen, die das soziale, kulturelle und politische
hat, in eine Pressestelle von Behörden, Firmen oder         Leben bereichern können, zu verzeichnen. Das Feld
Institutionen zu wechseln, verlässt die Tageszeitungs-      gesellschaftlicher Debatten wird den Schlagwort-
redaktion schleunigst. Mittlerweile arbeiten zahlreiche     Disputen in den Sozialen Medien überlassen. Bewegt-
ehemalige „Volksstimme“-Redakteure an der PR-Front.         bildbeiträge der Fernsehanstalten können die Tiefe
                                                            ausführlicher schriftlicher Texte nicht ersetzen. Insofern
Nun ist das Schicksal der „Volksstimme“ keine außer-        ist der Verlust von differenzierten und fundierten
gewöhnliche Entwicklung. Prinzipiell ist die komplette      Artikeln und Interviews gleichsam eine Aufgabe von
Branche betroffen. Allerdings muss man wohl festhal-        Diskursverantwortung. Der ohnehin disruptive Zustand
ten, dass aufgrund der Einschnitte in die inhaltliche Ar-   der Gesellschaft wird sich dadurch wahrscheinlich
beit der Trend von viel Eigendynamik befeuert wird.         weiter verschäfen.

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Eine wohlfeile Ware
D
          a, wo ansonsten konsumsüchtige Zeitgenossen                              unermesslichen Finanzpolstern gestützt werden, machen
          kräftig in digitalen Warenlagern wühlen, da wird                         beim Angriff auf die Fußballrechte nicht einmal ein Hehl
          künftig auch der gemeine Sportsfreund fündig.                            aus ihren Motiven. Sie wissen: Es gibt kaum noch große
Bei Amazon nämlich. Der US-amerikanische Versand-                                  Live-Ereignisse, die sehr viele Menschen interessieren
Riese führt demnächst die Ware Fußball in seinem An-                               und für gute Einschaltquoten oder für den Abschluss
gebot. Und zwar nicht nur als schnöde Spielkonsole                                 langjähriger Abonnementverträge sorgen – die europäische
oder in Form von Devotionalien und Socker-Kleidung.                                Königsklasse, in der die besten Mannschaften der je-
Das ist, selbst wenn damit immer noch gehörig Umsatz                               weiligen nationalen Ligen spielen, gehört dazu. Ama-
generiert wird, die Vergangenheit. Vergiss es.                                     zon-Deutschland-Chef Ralf Kleber sagte kurz vor Jahres-
Nein, Amazon 3.0, das sind sozusagen die Leibesübungen                             wechsel in München: Dank der Daten über Buch-, Er-
in ihrer Urform. Es geht, wie es sich für den führenden            von             nährungs- und Kleidungsverkäufe wisse man, dass Sport
Verschick-Dienst des Globus gehört, nicht um irgendeinen     Dr. Rudi Bartlitz     ein wichtiges Thema sei. „In das Sport-Highlight Fußball
Sport, sondern die weltweite Nummer eins, den Fußball.                             haben wir uns mit dem Audiostream reingewagt, und
Als leibhaftiges Rasenspektakel, live, aus einem richtigen    Der Sportjourna-     nun wollen wir Stück für Stück herausfinden, was unse-
Stadion, von einem richtigen Wettbewerb, mit richtigen        list ist seit 2014   re Kunden wünschen.“
Profis. Von der Saison 2021/2022 an wird Amazon, so-            festes Mitglied    Kleber weiter: Was Amazon allen anderen Sportrechte-
zusagen als Starterpaket, nämlich sechzehn Champi-              der Redaktion      nutzern voraushabe, sei die Unabhängigkeit vom direk-
ons-League-Spiele zeigen. Jeweils am Dienstag. Bis              von KOMPAKT        ten Ertrag: „Wir müssen nicht mit dem Champions-Le-
zum Finale. Unglaubliche 90 Millionen Euro werden die              ZEITUNG.        ague-Angebot selbst unser Geld verdienen, wir können
Amerikaner dafür wohl hinblättern.                            Seine regionale      es auch mit Popcorn, Bier oder wenn einer danach
Es ist erst der Anfang der schlechten Nachrichten für        Kompetenz ist bei     (nach der Fußball-Übertragung, d. Red.) Schuhe kauft.
Zuschauer des traditionellen Fernsehens. Denn alle an-           Sportlern und     Wir müssen nicht unser ganzes Gewicht auf dieses As-
deren Partien, inklusive des Endspiels, laufen bei DAZN,         Funktionären      set legen. Die Champions League gibt uns mehr Enga-
einem weiteren Bezahl-Strang. Amazon darf sich zudem            gleichsam ge-      gement und mehr Manövrierfläche auf anderen Fel-
aussuchen, welches Dienstags-Spiel es überträgt. Man            schätz wie bei     dern.“ Genau um diese „Manövrierfläche“ – vulgo:
kann darauf wetten, dass es hierzulande Begegnungen               den Lesern.      Ertrag – geht es. Sport als Lockmittel.
mit deutscher Beteiligung ganz hoch im Kurs stehen                                 Unübersehbar sollte bei alldem sein, der Sport und
werden. Das ZDF hat sich vorerst noch eine Position als                            seine TV-Rechte sind kein Allgemeingut. Ein immaterielles
Trittbrettfahrer gesichert, darf abendliche Zusammen-                              Weltkulturerbe, wie mancher Philanthrop meint, sind
fassungen senden. Der Hammer aber: Der Bezahlsender                                sie schon gar nicht. Sie sind im Marxschen Sinne eine
Sky, der die Champions League fast 20 Jahre gepachtet                              Ware, die wohlfeil auf dem Markt angeboten wird. Und
zu haben schien, geht leer aus.                                                    die diejenigen, die sie offerieren – in diesem Falle die
Sky konnte im Wettbieten um die immer teurer wer-                                  Weltfachverbände oder deren kontinentale Ableger
denden und ins Astronomische ausufernden Live-Rechte                               sowie das Internationale Olympische Komitee (IOC) –
von Top-Sportveranstaltungen wie Olympische Spiele,                                versuchen, den höchsten Gewinn für sich herauszu-
Fußball-Weltmeisterschaften oder eben die Champions                                schlagen. Wäre es anders, hätte der europäische Fuß-
League einfach nicht mehr mithalten. Ende der Fah-                                 ballverband (Uefa) die Rechte an der Champions
nenstange. Der Sender, der einst in Deutschland mit                                League nicht vorrangig an Streamer vergeben. Diese
besser dotierten Angeboten die Öffentlich-Rechtlichen                              Rechte für Deutschland allein bringen der Uefa derzeit
(ARD, ZDF) aus dem Wettbewerb um Live-Übertragungen                                geschätzt bis zu 200 Millionen Euro im Jahr ein. Bran-
der Champions League und der Bundesliga drängte,                                   chenkreise sagen voraus, dass die Einnahmen ab
bleibt selbst auf der Strecke. Die Partien der besten eu-                          2021/22 auf sagenhaften 320 Millionen Euro pro
ropäischen Klubs gehörten bislang stets zum Markenkern                             Saison steigen.
des Pay-TV-Anbieters. In diesem Jahr werden zudem                                  Während die Diskussion um die Attacken der Strea-
die Bundesliga-Rechte für die Zeit ab 2021 neu vergeben.                           ming-Dienste auf die Sportrechte noch voll im Gange
Hier steht Sky nun zusätzlich unter Druck. Die Streamer                            ist, zeichnet sich ein weiteres Menetekel an der Wand
lauern schon.                                                                      ab. Wann, fragen Kenner der Szenerie besorgt, wird der
Diese Dienste, die von milliardenschweren US-Unter-                                erste große Sponsor seine Arme nach der Übertragung
nehmen (wie eben Amazon) mit für hiesige Verhältnisse                              von Sport-Highlights ausstrecken. Olympia dann im

                                                                 Media 2020
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Coca-Cola-TV? Die Fußball-WM im Nike Chanel oder bei Adidas-Te-          in US-Friedenskorps diente und dann Mathelehrer wurde. Zumindest
levision? Oder zeigt Red Bull mit seinem unternehmenseigenen             eines ist sicher: Sein Erfolg setzt die alteingesessenen TV-Sender
„Servus TV“ irgendwann exklusiv die Bundesliga? So abwegig, wie          unter Zugzwang. Nach eigenen Angaben nutzen derzeit 83 Millionen
es im Augenblick noch scheinen mag, ist das nicht. Wir erinnern          Abonnenten Hastings Streaming-Dienst – die meisten davon
uns an 2017. Bei der Handball-WM 2017 drohte in Deutschland              kommen aus der heiß begehrten Zielgruppe der 14- bis 29-
der „schwarze Kanal“ fröhliche Urständ zu feiern – weil der              Jährigen. Das Erfolgsrezept: Netflix präsentiert seinen Nutzern ein
Weltverband sich nicht mit den deutschen Sendern einigen konnte.         vermeintlich besseres Fernsehen mit Inhalten jenseits einer linearen
Was passierte? Mit der DKB-Bank offerierte erstmals ein Sponsor          Programmstruktur. Alles ist überall und jederzeit verfügbar.
das Weltchampionat. Ein Präzedenzfall. Die Tochter der Bayerischen       Wenn über Generationen hinweg der Vorteil von Fernsehen auf
Landesbank „rettete“ hierzulande die WM-Übertragung und landete          Nachfrage und nicht nach vorgegebenen Sendezeiten sehr geschätzt
einen dicken PR-Scoop.                                                   wird – was heißt das für ARD, ZDF, RTL, ProSieben und all die
Seit einiger Zeit wird heftig darüber diskutiert, ob das, was sich       anderen? Sind sie am Ende? Die Antwort darauf: ein entschiedenes
gerade im Sport vollzieht, eine Art Blaupause für das gesamte Fern-      Jein. Noch sprechen die großen Zahlen der Abonnenten und tradi-
sehen darstellt. Unübersehbar ist, dass Streamingdienste wie Netflix,    tionelle Sehgewohnheiten fürs althergebrachte TV. Doch die Front
Amazon Prime Video, Maxdome und Co. immer beliebter werden.              bröckelt. Das erkennen auch die Fernsehmacher und bauen ihre
Wer sich einmal an diese kostenpflichtige Anbieter gewöhnt hat,          Mediatheken, im Grundsinne fast vergleichbar mit Streaming-
sagen Medienwissenschaftler, kehrt dem herkömmlichen Fernsehen           Diensten, mit höherer Geschwindigkeit aus. Tempo ist geboten: Mit
schnell den Rücken. Traditionelle TV-Sender müssen sich also             Apple ist im vergangenen Jahr eine der reichsten Firmen der Welt
Sorgen machen. Das bestätigt eine weltweite Umfrage der Unter-           ins Videostreaming-Geschäft eingestiegen und wird viel Geld für
nehmensberatung Simon-Kucher in elf Ländern. Der zufolge sinkt           neue, exklusive Inhalte ausgeben. Fans von Filmen und Serien
das Interesse am gewohnten TV-Angebot dramatisch. „Über zwei             können sich freuen. Und möglicherweise auch die Sportfreunde.
Drittel der Befragten haben durch die Bank weg gesagt, Streaming         Trotzdem werden viele Menschen, so lautet eine weitere Prognose,
ersetze für sie das traditionelle TV beziehungsweise das lineare         am Ende mehr Geld für Videounterhaltung ausgeben als zuvor –
Fernsehen“, sagte Lisa Jäger, Medienexpertin bei Simon-Kucher,           einfach deshalb, weil sie mehrere Dienste abonnieren müssen,
der Deutschen Welle. Vor allem jüngere Menschen seien dieser             um all die schönen Angebote zu sehen. Einen monatlichen Preis
Meinung, doch auch mehr und mehr ältere Fernsehzuschauer                 von circa zehn Euro empfinden viele Nutzer der Simon-Kucher-
wechselten das Angebot.                                                  Umfrage zufolge als „fair“. Andere sagen, zehn Euro seien für be-
Zwar räumt die Expertin ein, dass ihre Umfrage nicht repräsentativ       stimmte Bevölkerungsschichten trotzdem eine Menge Geld. Dem
sei, denn befragt wurden vor allem Streaming-affine Nutzer. Doch         halten Befürworter entgegen: Das ist so viel wie einmal Kino. Aber
es werde eindeutig ein Trend gegen das traditionelle TV sichtbar.        dafür gebe es Zigtausende von Serien-Episoden und Filmen rund
„Man braucht sich nur die steile Wachstumskurve der Streaming-           um die Uhr. Wenn dann noch Disney und Warner ins Geschäft ein-
Anbieter anschauen“, so Jäger. Immer mehr Menschen probieren             steigen, wird die Entertainment-Landschaft noch größer – und
Streaming aus und blieben dann dabei. „Wer es einmal genutzt             weiter zerstückelt. „Game of Thrones“-Folgen sind dann vielleicht
hat, erkennt einen deutlichen Mehrwert.“ Laut Simon-Kucher-              nur noch bei Warner zu sehen, „Star Wars“ und „Marvel“-Superhelden
Angaben nutzten im vergangenen Jahr 1,02 Milliarden Menschen             nur bei Disney. Exklusive Angebote sind in diesem Geschäft über-
weltweit TV-Streamingdienste. Bis 2023 soll dieser Wert auf 1,24         lebenswichtig. Wie eben, richtig, der Fußball.
Milliarden steigen.                                                      Bei allen Vorteilen, Bequemlichkeiten und technologischen Verän-
Bisher ist es doch so: Das lineare Fernsehen findet den Weg zu           derungen, dem gesamten Streaming-Zauber haftet ein schwerwie-
den Zuschauern vielfach noch klassisch über Satellit, Kabel oder         gender Makel an: Die digitalen Kanäle bieten ein Feuerwerk purer
DVB-T. Doch TV-Streaming boomt: Denn zahlreiche Sender lassen            Unterhaltung. Sonst kaum etwas. Zu sehen sind ausschließlich, wie
sich mittlerweile per Internet (IPTV) auf dem heimischen Fernseher       es in der Wirtschaftssprache so schön heißt, „nutzeroptimierte
oder auf mobilen Geräten wie Smartphone und Tablet empfangen.            Inhalte“. Nachrichtensendungen, politische Magazine und Diskussionen
Das Schauen von Sendungen in HD-Qualität ist auch via TV-                sowie Dokumentationen haben dort keinen Platz, Tierfilme vielleicht
Streaming möglich. Es ist vor allem eine Frage, die Befürworter des      ausgenommen. Streaming-Anbieter müssen – im Vergleich zu den
Traditionsfernsehens schwer beantworten können: Warum soll es            öffentlich-rechtlichen Sendern – keine bildungspolitischen Vorgaben
für Max Mustermann besser sein, sagen wir montags um 22.15               erfüllen und können sich daher voll und ganz auf opulente und
Uhr, pünktlich vor dem Schirm zu sitzen, um eine neue Folge              kostspielige Produktionen wie „House of Cards” (Netflix) oder
seiner Lieblingsserie oder seines Lieblingsgenres (beispielsweise        „Transparent” (Amazon) konzentrieren. Einer weiteren Entpolitisierung
Krimi) zu sehen, wenn das zu jeder beliebigen Zeit in diversen           der Gesellschaft öffnet sich so Tür und Tor. Ein verfassungsrechtlicher
Sprachen mit diversen Untertiteln möglich ist und man das Ganze          Auftrag, einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungs-
je nach Lust und Laune unterbrechen und fortsetzen kann?                 bildung zu leisten, existiert für die Dienste eindeutig nicht. Der re-
Es war ein gewisser Reed Hastings, der 2007 in den USA quasi             nommierte britische Regisseur Peter Kosminsky („Warriors“) sieht
den TV-Markt erschütterte, als er dem linearen Fernsehen mit             es, wie er in einem „Zeit“-Interview sagte, so: „Wir erleben die Ame-
seinem Streaming-Dienst Netflix den Kampf ansagte. „Lineares             rikanisierung unserer Sendekultur, weil diese wahnsinnig reichen
Fernsehen wird es bald nicht mehr geben, außer im Museum”,               Unternehmen gerade die Macht an sich reißen. Ich halte das für
lautet nur einer der viel zitierten Schlachtrufe des Mannes, der einst   einen schrecklichen Fehler. Für mich ist das kultureller Imperialismus.“

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