E. A. SEEMANN HENSCHEL VERLAGSGRUPPE - Herbst 2020
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E. A. S E E M A N N H E N S C H E L G M B H & C O . K G HENSCHEL VERLAG Sortiment Mecklenburg-Vorpommern, Auslieferungen E. A. SEEMANN VERLAG Brandenburg Nordrhein-Westfalen, Anika Matzke Deutschland Adresse Hessen, Rheinland-Pfalz, Tel. 0341 / 21339 232 Medien Service Runge (MSR) Karl-Tauchnitz-Straße 6 Saarland, Luxemburg Fax 0341 / 21339 260 Runge Verlagsauslieferung 04107 Leipzig Georg Kroemer vertrieb@seemann-henschel.de Bergstr. 2 Buchvertrieb 33803 Steinhagen UST.-Id.-Nr. DE314385926 Hirschbergstr. 30 Sachsen, Thüringen, Tel. +49(0) 5204 998 124 50939 Köln Sachsen-Anhalt Fax +49(0) 5204 998 114 Verk.-Nr. 14698 Tel. 0221 / 44 82 30 Dr. Torsten Spitta Bestellungen per E-Mail bitte Fax 0221 / 44 36 80 Feldstr. 7d an: team4@rungeva.de Tel. 0341 / 21339 230 gk@kroemer-buchvertrieb.de 04288 Leipzig-Holzhausen Fax 0341 / 21339 260 Tel. 034297 / 4 97 92 Schweiz Niedersachsen, Schleswig- Fax 034297 / 7 77 87 AVA Verlagsauslieferung AG info@seemann-henschel.de Holstein, Hamburg, Bremen torstenspitta@aol.com Centralweg 16 www.seemann-henschel.de Georg Kroemer 8910 Affoltern am Albis Buchvertrieb Österreich und Südtirol Tel. 044 / 7 62 42 50 Hirschbergstr. 30 Verlagsagentur E. Neuhold OG Fax 044 / 7 62 42 10 Ansprechpartnerin 50939 Köln Erich Neuhold & Wilhelm verlagsservice@ava.ch Tel. 0221 / 44 82 30 Platzer Vertrieb Fax 0221 / 44 36 80 An der Kanzel 52 Österreich Anika Matzke gk@kroemer-buchvertrieb.de 8046 Graz Die Auslieferung nach Tel. 0341 / 21339 232 Tel. 0664 / 91 653 92 Österreich erfolgt direkt über Fax 0341 / 21339 260 Baden-Württemberg Fax 0810 / 9554 464886 den Medienservice Runge vertrieb@seemann-henschel.de Anika Matzke buero@va-neuhold.at (MSR). Sprechen Sie gern Ihren Tel. 0341 / 21339 232 Vertreter auf Sonderkonditionen Fax 0341 / 21339 260 Schweiz für den Versand an. vertrieb@seemann-henschel.de Petra Troxler AVA Verlagsauslieferung AG USA/Kanada Bayern Centralweg 16 Art Stock Books Bernhard Daumüller 8910 Affoltern am Albis Independent Publishers Group Eichendorffstr. 51 Tel. +41 044 762 42 05 814 North Franklin Street 88450 Berkheim p.troxler@ava.ch Chicago, IL 60610 Tel. 0 83 95 / 72 25 Tel. 1-800-888-4741 Fax 0 83 95 / 75 44 or 312-337-0747 bdaumueller@t-online.de Medienarbeit Fax 312-337-5985 orders@ipgbook.com Berlin, Potsdam Kirchner Kommunikation www.ipgbook.com Georg Kroemer Katrin Ritte Buchvertrieb Gneisenaustr. 85 Hirschbergstr. 30 10961 Berlin 50939 Köln Tel. 030 / 84 71 18 14 Tel. 0221 / 44 82 30 Fax 030 / 84 71 18 11 Änderungen vorbehalten. Fax 0221 / 44 36 80 ritte@kirchner-pr.de Genehmigte Rücksendungen gk@kroemer-buchvertrieb.de www.kirchner-pr.de bitte nur an RungeVA. Preisstand: 1. 6. 2020 Gestaltungskonzeption: Mario Moths Layout und Satz: Abonnieren Sie unseren Newsletter für Presse, Handel oder Leser/innen www.grafik-scheffler.de auf der Homepage oder per E-Mail an info@seemann-henschel.de. Cover: Maria Orska, © ullstein bild / Hans Natge. www.seemann-henschel.de 2
© Florian Merdes Peter Kamber: Fritz und Alfred Rotter. Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil 3
Eine der wandlungsfähigsten und modernsten Schauspielerinnen ihrer Zeit (hier 1928) Oskar Kokoschka zeichnete Maria Orska 1922 Publikumsmagnet, Theater- und Stummfilmstar und Liebling der Klatsch- presse: Maria Orska (auf dem Stuhl stehend) während eines Pferderennens in Berlin-Grunewald, 1922 Sie war die Lulu: Maria Orska in ihrer berühmtesten Rolle 4 HENSCHEL
URSULA OVERHAGE »Sie spielte wie im Rausch« Die Schauspielerin Maria Orska 256 Seiten 40 s/w Abbildungen Hardcover 13,5 x 21,5 cm € 24,– [D] € 24,70 [A] WGS 1 961 Oktober 2020 ISBN 978-3-89487-816 - 0 Sie spielte in Berlin, Wien, Mann- heim u. a. folgende Rollen: Lulu in »Lulu« von Frank Wedekind Salome in »Salome« von Oscar Wilde Hedvig in »Die Wildente« von Henrik Ibsen Effie in »Schloss Wetterstein« von Frank Wedekind Laura in »Der Vater« von August Strindberg Charlotte in »Karussell« von Louis Verneuil Wiederentdeckung einer der aufregendsten Frauen der »Goldenen Zwanziger« Sie betörte Publikum wie Kritiker ihrer Zeit Für alle Leser außergewöhnlicher, dramatischer Lebensgeschichten 1893 als Rahel Blindermann in eine großbürgerliche russisch-jüdische Familie mit DR. URSULA OVERHAGE, deutschen Wurzeln in Odessa geboren, gelingt Maria Orska der Aufstieg zum Star geb. 1951, studierte Germa- am deutschsprachigen Theater in der Weimarer Republik. Ihre Verkörperung der nistik, Geschichte und Philo- wichtigsten zeitgenössischen Frauenrollen treibt die Theatermoderne voran. Doch sophie. Sie hat bereits mehrere »Lulu« und »Salome« kosten Kraft: Drogenabhängig stirbt Orska 1930. Ihr auf- Bücher zu biografisch-histori- regendes Leben im Umfeld der großen Theaterzeit wird temporeich und mit starker schen Themen veröffentlicht. Anschaulichkeit erzählt. Unter ihrem Familiennamen El-Akramy erschienen die Biografien »Die Schwestern PETER KAMBER THOMAS BLUBACHER Berend. Geschichte einer Fritz und Alfred Rotter Gibt es etwas Schöneres Ein Leben zwischen Theater- als Sehnsucht? Berliner Familie«, »Transit glanz und Tod im Exil Die Geschwister Eleonora und Moskau« über die Schriftstel- € 26,00 [D] € 26,80 [A] Francesco von Mendelssohn lerinnen Margarete Steffin und ISBN 978-3-89487-812-2 € 16,95 [D] € 17,40 [A] ISBN 978-3-89487-623-4 Maria Osten, u. a. m. HENSCHEL 5
Willem Bruls begibt sich in Venedig auf die Suche nach historischen Theatern, Palästen, Kirchen und anderen Gebäuden, nimmt den Leser buchstäblich mit auf seine Suche und schildert dabei vierhundert Jahre Operngeschichte. Gegenwart und Vergangenheit in ständigem Wechsel geben dabei dem Buch einen lebendigen Rhythmus. --- Place de L’Opera – Magazine voor Operaliefheber Ein prachtvolles Buch. Auf jeden Fall lesen! --- Stretto – Magazine voor kunst, geschiedenis en muziek Dieses Buch lässt sowohl inhaltlich als auch in seinem Tiefgang alle Stereotypen eines rein kommerziellen Reiseführers meilenweit hinter sich. »Gewöhnliche« Venedigtouristen werden für dieses fesselnd und flüssig geschriebene Buch nicht viel Verwendung haben; alle Lieb- haber und Kenner von Kunst, Musik und Oper umso mehr. --- Kunsttijdschrift Vlaanderen Willem Bruls hat ein wundervolles Buch ge- schrieben. Als Kenner hat er sich eine große Neugier bewahrt, die seine Leser inspiriert. --- Luister Die Oper als Kunstform wurde um 1600 in Florenz erdacht, doch geboren wurde sie in Venedig. Das ist die These des nieder- Mit kurzen Passagen versteht es Bruls ausge- ländischen Dramatikers Willem Bruls. Auf zeichnet, Atmosphäre zu erzeugen, und die Ab- Spaziergängen und Streifzügen durch die folge dieser Passagen ist sehr wohl durchdacht. Lagunenstadt […] entwirft er ein facetten- Menschliches Drama, Sublimierung in der reiches Porträt – eine eindrucksvolle Reise. Kunst, banale Realität, Wissenswertes aus der --- Theaterkrant Literatur und persönlichen Erfahrungen gehen Hand in Hand. --- Opus Klassiek 6 HENSCHEL
WILLEM BRULS Venedig und die Oper. Auf den Spuren von Vivaldi, Verdi und Wagner 264 Seiten eine Karte Flexcover 12 x 18,5 cm € 20,– [D] € 20,60 [A] WGS 1 362 Oktober 2020 ISBN 978-3-89487-818-4 Aus dem Inhalt: · Die Stadt und der Mythos · Cavalli und Monteverdi · Tizian und Tintoretto · Händel und Vivaldi · Casanova und Mozart · Lord Byron und Verdi · Thomas Mann und Wagner · Luigi Nono und Strawinsky · Die Bedeutung der Stille Ort der Inspiration und Sehnsucht für Komponisten und Musiker Musikalische Streifzüge durch die Lagunenstadt Vielfältige Bezüge zwischen allen Künsten, lebendig erzählt »Venedig ist Oper«, schreibt Bruls: Zwischen Palazzi, Gassen und Kanälen finden W I L L E M B R U L S , geb. 1963, ist sich überall Spuren der Oper und ihrer Komponisten. Wir folgen dem Autor vom Dramaturg, Librettist, Autor Teatro La Fenice bis ins jüdische Ghetto, vom Palazzo Grimani bis zum Ridotto, und Journalist. Der Literatur- vom Friedhof San Michele bis zum Hotel des Bains am Lido, und erfahren, wo und Kunsthistoriker hat bereits Monteverdi, Vivaldi, Händel, Mozart, Verdi, Wagner und Strawinsky inspiriert mehrere Bücher und Essays wurden. Das Buch erzählt sinnlich und kenntnisreich von faszinierenden vierhun- veröffentlicht sowie für mehrere dert Jahren Operngeschichte. europäische Opernhäuser und Festivals gearbeitet. TOBIAS BLEEK U. A. (HG.) SILKE LEOPOLD Musik B Ä R B E L J Ä N I C K E , geb. 1963, Verdi – La Traviata Ein Streifzug durch € 14,95 [D] € 15,40 [A] ist freiberufliche Übersetzerin 12 Jahrhunderte ISBN 978-3-89487-905-1 wissenschaftlicher Texte und € 34,95 [D] € 36,– [A] ISBN 978-3-89487-933-4 literarischer Sachbücher aus dem Niederländischen. HENSCHEL 7
28 I Die DDR als Opernland – Problemaufriss 29 hochgeschraubte und heftige Diskussion um Franz Kafka Oper mit Anfang und Mitte der 60er Jahre (literaturästhetische Debatte um »Entfremdung« als Vorbote des »Prager Frühlings«), die doppeltem Boden auch in der DDR hohe Wellen schlug und hier aus Angst vor kulturpolitischem »Revisionismus«unterdrückt wurde, oder an das für die neue Filmkunst der DDR (gemeint waren jedoch alle Kunstbereiche) so niederschmetternde Die Bühnen des Musiktheaters in der DDR waren gewisser- 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965. maßen mit einem doppelten Boden erlebbar, zumindest in So schmerzhaft diese Auseinandersetzungen doch recht zahlreichen herausragenden Aufführungen, nicht einerseits auch waren, so sorgten sie anderer- nur in der Hauptstadt, sondern mehr und mehr auch in der seits doch für Schärfungen kultureller Sensi- »Provinz«. Das Theaterpublikum der DDR lernte sehr schnell, bilität, sorgten auch für produktive geistige zwischen den Zeilen zu lesen, Zwischentöne zu hören, gemäß Widerständigkeit in den Künsten im Dialog jenem feinen Wort, wie es der Dramatiker Heiner Müller dann mit dem großen Gesellschaftsmodell eines 1970 anlässlich seines Librettos zur Oper »Lanzelot« von Paul Sozialismus auf deutschem Boden. Dieses Dessau formulierte: »Was man noch nicht sagen kann, kann Modell war aber nicht an sich in Frage gestellt, man vielleicht schon singen.«16 auch nicht durch die Künste, diskutiert wurde Das Operntheater der DDR war gezwungen, dank (oder jedoch mit zunehmender Vehemenz über eine undank) der internationalen Isoliertheit des DDR-Staates und notwendige geistige Vielfalt und Souveränität seiner daraufhin selbstbestimmten Abgrenzung ein Eigenle- im Kulturleben der DDR. ben zu entwickeln, aus eigener Kraft sich selbst zu definie- Eine solche Frontenbildung war – aus his- ren und ganz Eigenes zutage zu fördern. Es war weitgehend torischem Abstand betrachtet – geradezu das gezwungen, quasi ein Inselleben zu führen, das jedoch ein Lebenselixier, eben das Besondere von Kultur ungemein starkes Streben nach Außenwirkung in sich trug, und Kunst in der DDR. Denn stellvertretend tragen musste. Dank seiner Isoliertheit gerierte es zu einem fand auf diesem Felde doch auch eine grund- unikalen Kunstereignis. Und da tat sich eben ein interessanter, sätzliche kritische Diskussion über Wege und befördernder Widerspruch auf. So sehr es dem Staat DDR an Irrwege nicht nur zu einer Kunst im Sozia- internationaler Anerkennung mangelte, so sehr war die Welt Bertolt Brecht und der Kompo- lismus, sondern zum Sozialismus selbst statt. Und das war doch von den dort stattfindenden Kunstereignissen, nament- nist Paul Dessau am Klavier, 1951 allen Beobachtern und Beteiligten der Kunstszene klar. Kaum lich ihrem Operntheater, fasziniert. Der steigende Weltruf des anderswo gestaltete sich die Beziehung von Politik und Kunst kleinen Landes basierte wesentlich auch auf seiner Kunster- so spannungsvoll wie in der DDR. Radikaler politischer Rea- scheinung und speziell auch auf seinen als originell und ein- lität stand in der Kunst zunehmend eine souveräne, liberale, zigartig empfundenen Opernereignissen. weltoffene Kunstrealität gegenüber. Es war eine von großen Da wäre zunächst und ganz akzentuiert auf das Phänomen Teilen der Bevölkerung freudig angenommene und auch aus- Komische Oper in Berlin unter der Leitung von Walter Felsen- gelebte Gegenwelt, die sich schon früh bestätigt fühlte durch stein zu verweisen. Hier wurden künstlerische bzw. szeni- äußere, sehr markante politische Ereignisse: Stalins Tod 1953, sche Maßstäbe gesetzt, die sich konträr jahrzehnte-, ja, jahr- der Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 und die 1956 hundertealter Tradition, in dem Sinne wie es Gustav Mahler mit dem XX. Parteitag der KPdSU eingeleitete »Entstalinisie- einmal mit den lapidaren Worten »Tradition ist Schlampe- rung« mit entsprechenden Kurskorrekturen auch im kultur- rei« bezeichnete, entgegenstellten und einen ganz originären politischen Bereich. Aufführungsstil auf der Musikbühne inaugurierten. Gemeint war eine realistische Darstellungsweise, die den sängerischen Ausdruck als unbedingte Wahrhaftigkeit in stringent ausge- 16 Heiner Müller. Sechs Punkte loteter szenischer Konzeption begriff. Noch einmal zurück zu zur Oper, S. 18. 308 V Die 80er Jahre – Ästhetisierung in einer Endzeit 309 Mit den genannten Institutionen verbinden sich auch die Namen vieler unvergessener Künstler, die dem Kulturleben in der DDR ein unverwechselbares individuelles Gepräge gaben. Sie alle haben dem DDR-Pub- likum unvergleichliche und einprägsame Kunsterlebnisse geboten, und sie haben gleichermaßen über die Grenzen des kleinen Landes weit hinaus internationale Wirkung ausgeübt: Schriftsteller , Bildende Künstler Dirigenten Sänger Dichter und Fritz Cremer Heinz Fricke Theo Adam Theaterautoren Wieland Förster Hartmut Haenchen Bernd Aldenhoff Johannes R. Becher Bernhard Heisig Herbert Kegel Irmgard Arnold Johannes Bobrowski Wolfgang Mattheuer Joseph Keilberth Rudolf Asmus Volker Braun Willi Sitte Rudolf Kempe Kurt Böhme Bertolt Brecht Franz Konwitschny Annelies Burmeister Franz Fühmann Schauspielregisseure Siegfried Kurz Celestina Casapietra Peter Hacks Frank Castorf Kurt Masur Ludmila Dvořáková Christoph Hein Erich Engel Kurt Sanderling Diana Eustrati Stephan Hermlin Wolfgang Engel Otmar Suitner Sylvia Geszty Stefan Heym Wolfgang Langhoff Rolf Reuter Reiner Goldberg Heiner Müller Horst Schönemann Klaus Tennstedt Christel Goltz Brigitte Reimann Manfred Wekwerth Ernst Gruber Erwin Strittmatter Schauspieler Josef Hermann Anna Seghers Filmregisseure Ernst Busch Fritz Hübner Christa Wolf Frank Beyer Angelika Domröse Sigrid Kehl Friedrich Wolf Kurt Maetzig Horst Drinda Margarete Klose Die legendäre »Fidelio«-Inszenie- Ensemble erstrangiger Künstler ausgestattet werden können. Arnold Zweig Wolfgang Staudte Fred Düren Klaus König rung von 1989, Semperoper Natürlich hatte das den Vorteil, daß das Theater als solches Konrad Wolf Eberhard Esche Jochen Kowalski Dresden, Regie: Christine Mielitz sehr breiten Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht wer- Komponisten Winfried Glatzeder Wilfried Krug den konnte. Aber statt sich mit einem Spielplan zu genügen, dem Reiner Bredemeyer Opernregisseure Wolfgang Heinz Hanne-Lore Kuhse die vorhandenen Kräfte gewachsen gewesen wären, forderten Paul Dessau Heinz Arnold Jutta Hoffmann Hanns Nocker die zuständigen Behörden von den Intendanten und Direkto- Paul-Heinz Dittrich Ruth Berghaus Rolf Hoppe Martin Ritzmann ren – die ihnen nur allzu bereitwillig nachgaben –, daß in ihren Hanns Eisler Walter Felsenstein Wolf Kaiser Peter Schreier Häusern die anspruchsvollsten Werke der Bühnenliteratur auf- Fritz Geißler Erhard Fischer Manfred Karge Gisela Schröter geführt werden müßten, auch dann, wenn der künstlerische Friedrich Goldmann Götz Friedrich Ursula Karusseit Anna Tomowa-Sintow Gehalt und Ausdruck dieser Werke nicht annähernd verwirk- Georg Katzer Joachim Herz Inge Keller Gerhard Stolze licht werden konnte. Um das zu rechtfertigen, behauptete man, Günter Kochan Peter Konwitschny Manfred Krug Elfride Trötschel eine ›Stätte der kulturellen Repräsentation‹, eine ›Bildungsan- Rainer Kunad Harry Kupfer Gisela May Siegfried Vogel stalt‹ sei zu einer solchen Produktion verpflichtet.« 207 Siegfried Matthus Otto Mellies Jutta Vulpius Das war eine harsche Kritik am in hochtrabender Ambitio- Ernst Hermann Meyer Armin Müller-Stahl Ingeborg Wenglor nierung gängigen Trott der Kultur- und Theaterpolitik auch Friedrich Schenker Ekkehard Schall Spas Wenkoff und gerade in der DDR, dem 1963 tatsächlich, aber nur halb- Karl Ottomar Treibmann Horst Schulze Ekkehard Wlaschiha herzig mit einer kleinen Theaterreform, nämlich der Schlie- Rudolf Wagner-Régeny Hilmar Thate ßung etlicher zu klein dimensionierter Theater im Lande, Gerhard Rosenfeld Helene Weigel 207 Walter Felsenstein und Siegfried Melchinger. Musik- entgegengetreten werden sollte. Dennoch aber herrschte Udo Zimmermann Eduard von Winterstein theater, S. 83. nach 1945 im ganzen Land unübersehbar der beschwingte 8 HENSCHEL
ECKART KRÖPLIN Operntheater in der DDR Zwischen neuer Ästhetik und politischen Dogmen 360 Seiten 80 s/w Abbildungen Hardcover 17 x 24 cm € 28,– [D] € 28,80 [A] WGS 1 963 Oktober 2020 ISBN 978-3-89487-817-7 Die Stars der ostdeutschen Opernszene: Walter Felsenstein Paul Dessau Bertolt Brecht Götz Friedrich Joachim Herz Ruth Berghaus Peter Hacks Udo Zimmermann Harry Kupfer Peter Konwitschny u. v. m. Die Einzigartigkeit des DDR-Musiktheaters, erstmals umfassend vermittelt Von Paul Dessaus »Lukullus« 1951 bis zum »Fidelio« in Dresden 1989 Aufführungspraxis, Zensur, Rezeption, Repertoire- und Kulturpolitik »Was man noch nicht sagen kann, kann man vielleicht schon singen« – diese Wor- PROF. DR. ECKART KRÖPLIN te von Heiner Müller beschreiben die außergewöhnliche Rolle des Operntheaters lehrte Musik- und Opernge- in der DDR. Die erste komplexe Aufarbeitung des Themas widmet sich u. a. den schichte an der Leipziger Thea- wichtigsten Inszenierungen, neuen Werken und ästhetischen Diskussionen – in ei- terhochschule und war ab 1984 nem großen historischen Bogen, der immer auch die politische, künstlerische und Chefdramaturg der Dresdner menschliche Dimension einbindet. Entstanden ist ein Standardwerk, das über die Semperoper. Etliche Buchpubli- Strahlkraft von Kunst und Kultur in der DDR erzählt. kationen begründen seinen Ruf als Experte für Operntheater und -ästhetik. Der Autor lebt in PETER SIMHANDL ROBERT MASCHKA Dresden und steht für Veran- Theatergeschichte in einem Beethoven – Fidelio Band € 14,95 [D] € 15,40 [A] staltungen zur Verfügung. Mit Beiträgen von Franz ISBN 978-3-89487-904-4 Wille und Grit van Dyk € 14,95 [D] € 15,40 [A] ISBN 978-3-89487-770-5 HENSCHEL 9
12 Vorderer Orient NDB Vorderer Orient 13 Die frühen Hochkulturen entstanden Ackerland sorgten. Schon seit frühester Zeit 2 trotz vergleichbarer Rahmenbedin- gungen zumeist unabhängig voneinander sind dort Siedlungen nachgewiesen und bis zu Beginn des 3. Jahrtausends entstanden und entwickelten unterschiedliche Charak- Bauten, die in Ruinen bis heute überdauert teristika. Im Vorderen Orient kam es haben. Zu den bemerkenswertesten Über- hingegen durch die große Nähe der antiken resten zählen Grabanlagen und Tempel, die Zivilisationen schon früh zu wechselseitiger die theokratischen Grundlagen des antiken Beeinflussung. Auch wirkten sie mit an der Ägypten widerspiegeln. Die Entwicklung der Herausbildung der griechischen Klassik und Architektur gewährt auch Einblicke in die wurden wiederum von dieser beeinflusst. wechselhaften Machtverhältnisse zwischen Königen und Priestern. Die bekanntesten ägyptischen Bauwerke, Monumentalität, Gedenken, die Pyramiden, dienten als Königsgräber und 3 Sklavenarbeit, Zivilisation symbolisieren den Übergang des Pharaos von der irdischen Sphäre in das Jenseits. Erste Beispiele datieren aus dem frühen Im 2. und 3. Jahrtausend v. Chr. waren 3. Jahrtausend. Ihren Höhepunkt erreichten 4 im Vorderen Orient mit einem stabilen Klima und der Verfügbarkeit von Flusswasser sie mit den um 2500 v. Chr. erbauten Pyra- miden von Giseh. Ab 2000 v. Chr. entstan- die Voraussetzungen für die Entwicklung den Tempelanlagen wie der Amuntempel hochstehender Zivilisationen gegeben. Die von Karnak, an dem ganze Herrscherdynas- einflussreichste und langlebigste entstand im tien mehrere Jahrhunderte bauen ließen. Wüstenland Ägypten, wo die regelmäßigen Der Amuntempel ist damit nicht Monument Nilüberschwemmungen für fruchtbares eines Einzelregenten, sondern verdeutlicht spezifische Glaubensvorstellungen in ihrer HAUPTWERKE WEITERE BAUWERKE Entwicklung. In einzelnen Elementen nimmt Die Pyramiden von Giseh, Stadtrand von Kairo, ÄGYPTEN Stufenpyramide des Djoser, Sakkara, 8 er die griechisch-römische Baukunst vorweg, um 2631–2498 v. Chr. 2778–2723 v. Chr.; nördliche und südliche Pyramide des Von links: Mykerinos-, Chephren- und Cheopspyramide. Snofru, Dahschur, 2723 v. Chr.; Sphinx, Giseh, um 2600 etwa in den Säulen, deren Dekor durch die Das größte erhaltene Bauwerk der Antike –und vermut- v. Chr.; Amuntempel, Karnak, 1530–323 v. Chr.; Tempel Natur inspiriert ist und die doch symboli- lich das berühmteste – ist die fast 150 Meter hohe von Luxor, 1408–1300 v. Chr. schen Gehalt zum Ausdruck bringen. Cheopspyramide. Die Pyramiden von Giseh waren Reste von Zivilisationen vergleichbaren Königsgräber und reflektieren die ägyptischen Jenseits- MESOPOTAMIEN Zikkurat und Tempelanlagen Alters finden sich auch in Mesopotamien. vorstellungen. Die Pyramiden sind an den Himmelsrich- von Ur, 2125 v. Chr.; die Städte Assur, Nimrud und tungen ausgerichtet. Jede Seitenfläche stellt ein Khorsabad, 1250–700 v. Chr. Zwischen Euphrat und Tigris und ihren nahezu gleichseitiges Dreieck dar, und die Anordnung Nebenflüssen entstanden zahlreiche Klein- berücksichtigt wichtige Sternkonstellationen. staaten, ohne jedoch die Einheit oder Konti- nuität des ägyptischen Reiches zu erreichen. 8 Ischtartor, Babylon, 605–563 v. Chr. »Die Menschheit wird von Staunen erfüllt«, schrieb Viele Bauwerke wurden aus sonnengetrock- Nebukadnezar II. über das Ischtartor. Es war Teil seines neten Ziegeln errichtet. Die durch kolossale Bauprogramms für die Hauptstadt Babylon und wurde Größe und wuchtige Wände charakterisierte Ischtar geweiht, der babylonischen Göttin des Kampfes Monumentalarchitektur erhielt zunehmend und der uneingeschränkten Sexualität. Farbig glasierte Ziegelreliefs schmücken das massive Mauerwerk. Wich- Griechische Vorklassik, Präkolumbische kunstvolleren Oberflächendekor. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. kam es wie in Ägypten 9 tiges Motiv ist der Löwe als heiliges Tier der Ischtar. Kulturen, Indien, Konfuzianismus, Sprechende Architektur auch zum zunehmenden Austausch mit der Expressionismus Expressionismus 0 Gotik, Rokoko, Klassizismus, Rationalismus ADB aufblühenden griechischen Kultur. 98 99 Konstruktivismus ein Versuch war, zu einer HAUPTWERKE 8 Einsteinturm, Potsdam, ERICH MENDELSOHN, neuartigen, auf Maschinenwelt und Wissen 1919–1921 schaft begründeten Ästhetik zu gelangen, Der Einsteinturm dient als Observatorium und astro ging es dem Funktionalismus um eine physikalisches Labor. In der stromlinienförmigen skulp Ableitung der Formen aus den Baufunk turalen Ausbildung versinnbildlicht der Entwurf die Suche nach der Beziehung zwischen neuen Funktionen tionen. In seinen reinsten Schöpfungen und Formen, die die Epoche um 1920 kennzeichnet. suchte der Expressionismus dagegen keine Rechtfertigung jenseits der im Geist des Inhalt: 9 Opernhaus, Sydney, JØRN UTZON, 1956–1973 Architekten existenten Idee. Als einer der ersten Architekten nutzte Utzon – Seinen Höhepunkt erreichte der Expressio zusammen mit Ove Arup und Partner – das Ausdrucks potenzial einer Schalenkonstruktion aus Beton und nismus in Erich Mendelsohns Einsteinturm in erdachte eine extravagante Form, die in einer architek Potsdam (1919–1921) in dem Versuch, die Antike & Mittelalter tonisch unauffälligen Stadt Akzente setzte. Formeln des berühmten Physikers gleichsam in fließende Bauformen zu übersetzen. Wie WEITERE BAUWERKE DEUTSCHLAND Jahrhunderthalle, Breslau, MAX Mendelsohn fanden auch die meisten Prota BERG, 1912–1913; Glaspavillon auf der Werkbund gonisten des Expressionismus später wieder Renaissance & Barock Ausstellung, Köln, BRUNO TAUT, 1914 (zerstört); Großes zur Ruhe und näherten sich oft dem Funktio Schauspielhaus, Berlin, HANS POELZIG, 1918–1919 nalismus oder Rationalismus an. Dennoch ist (zerstört); Verwaltungsgebäude Farbwerke Hoechst, es die Leistung des Expressionismus, in einer Frankfurt am Main, PETER BEHRENS, 1920–1925; Chile haus, Hamburg, FRITZ HÖGER, 1922/23; Olympiapark, Epoche, in der jede Autorität und alle Vorbilder infrage gestellt schienen, das lustvolle Experimentieren mit formalen Ideen München, GÜNTER BEHNISCH und Partner, 1967–1972 NIEDERLANDE Wohnbau an der Spaarndammerbuurt, Amsterdam, MICHEL DE KLERK, 1917–1921; Wohnblock 19. Jahrhundert ermöglicht zu haben. Eigen Haard, Amsterdam, MICHEL DE KLERK, 1921 Eher eine Geisteshaltung als eine klar Die Fabrikarchitektur bot in den Expressionistische Formen faszinierten 2 umrissene Bewegung, wurzelt der Expressionismus in der Überzeugung, dass 4 Jahren bis 1914 am ehesten die Frei heit, mit aufregenden Architekturformen zu auch später noch – so fand der dänische Architekt Jørn Utzon für sein Opernhaus in 9 Mittelalterbegeisterung, Jugendstil, Konstruktivismus, Dekonstruktivismus Moderne ein Bauwerk eine subjektive Idee ohne die experimentieren. Ein frühes Beispiel dafür Sydney eine spektakuläre Formensequenz, Vermittlung über Architekturstile transpor tiert. Seine effektvollpointierte Formen war die ungewöhnliche Kombination aus Wasserturm und Ausstellungspavillon, die die Funktion und Kontext sublimiert. 0 Rationalismus, Corporate Architecture, Klassizismus, Neorationalismus Jenseits der Moderne sprache entwickelte sich nach dem Ersten Hans Poelzig 1911 in Posen errichtete. Nach Weltkrieg und bot ein Sammelbecken für die dem Ersten Weltkrieg erkundeten zahlreiche Architektur der Moderne. Architekten vor allem in Deutschland das Spiel mit freien Formen und dramatischen GÜNTER BEHNISCH (*1922), PETER 1 BEHRENS (1868–1940), MAX BERG (1870– 1947), FRITZ HÖGER (1877–1949), MICHEL Wirkungen. Oft handelte es sich wie etwa bei Mies van der Rohes gläsernen Hochhäu DE KLERK (1884–1923), ERICH MENDELSOHN (1887– sern um bewusst unrealisierbare Entwürfe. 1953), HANS POELZIG (1869–1936), BRUNO TAUT Die Arbeit der Amsterdamer Schule war (1880–1938), JØRN UTZON (*1918) praxisorientierter: Das gilt vor allem für ihre Wohnbauten, die die Süderweiterung der Stadt in den 1920er Jahren mit nahezu Ausdruck, Unruhe, Instabilität, anthropomorphen Formen belebten. 3 Anthropomorphismus Bioklimatismus Trotz Vergleichbarkeiten gibt es deutliche Unterschiede zur konstruktivistischen ADB Bioklimatismus 148 und 149 funktionalistischen Architektur. Wo der Bioklimatische Architektur ist ein Be diese Prinzipien mitentwickelt. Die Gebäude 2 griff, den der malaysische Architekt Ken Yeang verwendete, um Gebäude zu be dieses Büros beziehen die Natur in die gebaute Umgebung ein und reagieren gleichzeitig auf schreiben, die mit tropischen Klimabedingun die Herausforderungen schnell wachsender gen umgehen. Wenn möglich, nutzt sie pas Städte und Ökonomien in der Region. Ihre sive Mittel wie Beschattung und Formen, die hohen Gebäude wenden Verdichtung ins den Wind beschleunigen, um Kreuzventilation Positive, indem sie Winde in der Höhe zur zu schaffen, häufig mithilfe ausgeklügelter Klimatisierung und Ventilation einfangen und Computermodelle. Insbesondere in Ostasien Vegetation auf den Fassaden zur Beschattung untersuchen weitere Architekten, wie sich nutzen. Kongjian Yu und Li Xiaodong bringen Klimakräfte mit zeitgenössischem Design kom die traditionelle chinesische Rücksichtnahme binieren lassen, um Ressourcen zu optimieren auf die Natur in Entwürfe des 21. Jahrhun und angenehme Umgebungen zu schaffen. derts ein. Yu gründete das riesige Büro Turenscape (der Name ist eine Kombination KEN YEANG (1948–); KENGO KUMA (1954–); vom chinesischen „Tu“ für Land und „Ren“ 1 WONG MUN SUMM (1962–); LI XIAODONG (1963–); KONGJIAN YU (1963–); RICHARD für Volk mit dem englischen „Scape“), das sich auf die Schaffung großflächiger Stadt HASSELL (1966–); VO TRONG NGHIA (1976–) landschaften, spezialisiert hat, um die Natur Klima; Regionalismus; Natur; 3 tropische Architektur mit den städtischen Bedingungen des heu tigen China zusammenzuführen. Li arbeitet HAUPTWERKE 0 LiYuan Bibliothek, Peking, LI XIAODONG, 2011 Diese Landbibliothek adaptiert traditionelles chinesisches Regionale, ans Klima angepasste in einem konventionelleren, architekto 4 Varianten moderner Architektur tauchten zuerst in den 1950er Jahren auf. nischen Maßstab. Projekte wie seine LiYuan Bibliothek (2011) in einer spektakulären Bauhandwerk und material. Dicke Hölzer bilden die Hauptkonstruktion, dünnere Bretter die inneren Formen, und wie Flechtwerk wirkende Stöcke sorgen für Mit dem Heranwachsen neuer Wirtschafts natürlichen Umgebung im Norden Pekings Beschattung. Die Unterscheidung zwischen Möbeln räume standen Architekten vor der Heraus sind Entwürfe, die auf Natur, Bedarf und (Sitze und Regale) und Architektur (Treppen und Trennwänden) ist mit Bedacht verwischt. forderung, Gebäude zu entwerfen, die mit Kontext reagieren. unterschiedlichen ökonomischen und klima Vietnam mit seiner nach Jahrzehnten des 8 Oasia Hotel Downtown, Singapur, WOHA, 2016 tischen Bedingungen umgehen. Mit der Ent Konflikts wieder wachsenden Wirtschaft ist Die Kombination von Bepflanzung und unbelebter wicklung digitaler Entwurfs und Herstellungs ebenfalls ein fruchtbarer Boden für Architek Baukonstruktion ist kennzeichnend für Gebäude von techniken steigt die Zahl möglicher Lösungen, ten, die nach einer kulturspezifischen Synthese WOHA. Hier liefert das äußere Grün Schatten, ohne kühlenden Luftzug zu bremsen, und hilft so, das während auf die lokalen Besonderheiten von Modernität, örtlichen Bedingungen und unwirtliche Klima zu mildern. reagierende Architektur und Stadtplanung Tradition streben. Vo Trong Nghia gehört zu unverzichtbar scheinen, um dem Klima den Pionieren, und sein Agrarkindergarten WEITERE GEBÄUDE wandel zu begegnen. Zu den Kennzeichen (2014) in Dong Nai bringt Landwirtschaft National Library, Singapur, KEN YEANG, 2005; The Met, Bangkok, WOHA, 2009; Yusuhara Holzbrückenmuseum, bioklimatischen Designs gehören passive und Erziehung ebenso zusammen wie Natur Präfektur Kochi, Japan, KENGO KUMA, 2011; Sonnenenergiesysteme, Beschattung, die und Architektur. Der japanische Architekt Agrarkindergarten, Dong Nai, Vietnam, VO TRONG Kontrolle direkter Sonneneinstrahlung und Kengo Kuma versucht, traditionelle kulturelle NGHIA, 2014 Bepflanzung, um eine Balance zwischen der Formen zu modernisieren, Sein Noh Stage in entworfenen und der natürlichen Umgebung the Forest (1996) in der Präfektur Miyagi zu erreichen. Die Aufteilung zwischen inner bringt innerhalb eines erkennbar japanischen em und äußerem Raum wird durch Zwischen zonen verwischt. WOHA, gegründet von kulturellen Kontexts die Darstellungs tradition und das Schreinerhandwerk auf 9 Shintoismus, Regionalismus, Ökologisches Bauen Wong Mun Summ und Richard Hassell, haben den heutigen Stand. 0 Corporate Architecture, Postmoderne, Dekonstruktivismus 10 E. A . S E E M A N N
JEREMY MELVIN Architektur verstehen Von der alten Welt zum Bioklimatismus 168 Seiten, Broschur 124 farbige und sw Abbildungen 13,5 x 20 cm € 16,95 [D] € 17,50 [A] WGS 1 955 August 2020 ISBN 978-3-86502-440 -4 Mit herausragenden Architekten von heute: Arato Isozaki Daniel Libeskind Frank Gehry Frank Lloyd Wright Rem Koolhaas Kenzo Tange Li Xiaodong Mies van der Rohe Moshe Safdie Norman Foster Zaha Hadid Rund 60 Architekturstile auf einen Blick Wie Kultur, Klima und Ästhetik das Bauen beeinflussen Mit Glossar, Zeitleiste und vielen Reisetipps Klassizismus, Gotik, Renaissance, Barock: diese Architekturformen werden hier JEREMY MELVIN, Kurator, Autor übersichtlich erklärt. Doch was sind eigentlich Metabolismus und Purismus? Die- und Journalist, ist Dozent ser gut strukturierte Überblicksband erklärt rund 60 Stile, nennt die maßgeblichen für Architekturgeschichte an Architekten und präsentiert ihre Hauptwerke. Renzo Piano, Zaha Hadid und der South Bank University in Oscar Niemeyer sind nur einige der Stararchitekten, die ihre genialen Ideen und London und Gastdozent in weltbekannten Innovationen nachhaltig-öklogisch oder funktional-monumental Cambridge bzw. der ETH Zü- umsetzten. rich. Er publiziert über Archi- tekturtheorie und renommierte Architekten. Seit 2007 kuratiert SAM PHILLIPS Weltarchitektur-Memo Melvin das »World Architecture Moderne Kunst verstehen € [D] / € [A] 12,90 Vom Impressionismus ins EAN 4260044150376 Festival« in Spanien. 21. Jahrhundert € 16,95 [D] € 17,40 [A] ISBN 978-3-86502-316-2 E. A . S E E M A N N 11
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Karl Schmidt-Rottluff, Dünenlandschaft, 1963, Öl auf Leinwand, 76,5 x 100,2 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. 726 ken – von Dagmar Ranft-Schinke, Thomas Ranft und Michael Morgner Ausstellungskatalog von 1974 schrieb Brix, dass die Werke Schmidt- zeigen, dass er dabei keine staatsnahe Ästhetik präferierte. Neben Rottluffs »[...] eindringliche Bekenntnisse seines von tiefer Liebe zur Werken Schmidt-Rottluffs, kamen – vermutlich der knappen Gelder Natur und zum Menschen durchdrungenen Humanismus«33 seien und wegen – nur vereinzelt Stücke des Expressionismus oder der Neuen bezeichnet dessen Kunst weiter als »[...] in der Ausdrucksform sich Sachlichkeit in die Kunstsammlung, wie 1978 Schwangere,.1966, (Abb. wandelnden Realismus, der mit einem tiefgreifenden Humanismus S. X) von Otto Dix; (Abb. S. X) 1979 die Flußlandschaft mit Brücke und unlösbar verbunden ist«34, um diese so in den Wertekanon der DDR ein- Zug, 1905, von Erich Heckel (Abb. S. X) oder 1980 Märzenschnee, zuordnen. Besonders auffällig ist ein Kommentar von Brix zur Wander- 1909, von Max Pechstein (Abb. S. X). Werke des 19. Jahrhunderts, wie ausstellung Progressive Kunst. Künstler aus der BRD stellen aus von das 1975 erworbene Gemälde Kloster San Francesco di Civitella im 1976. Dabei handelt es sich um eine Exposition mit über 100 Künstlern Sabinergebirge, 1814, von Joseph Anton Koch (Abb. S. ) waren eher die aus der BRD, hauptsächlich vertreten mit Themen der Arbeit und des Ausnahme.28 Antikapitalismus – also einer in der damaligen BRD unpopulären Kunst – von denen vor allem HAP Grießhaber und Karl Hubbuch erwähnenswert sind. Brix schreibt hierzu: »Ihre Aufgabe [d. h. die der gezeigten Werke, Politische Angleichungen J. W.] ist in erster Linie, dem manipulierten Bundesbürger die Augen zu öffnen über die Zeit, in der er lebt. Sie wollen Waffe sein im Klassen- Wie schon seine Vorgänger Friedrich Schreiber-Weigand oder – mehr kampf für den gesellschaftlichen Fortschritt. Doch wie kunstverständig noch – Josef Müller, war auch Karl Brix genötigt, sich ungeachtet seiner ist dieser Bundesbürger, insbesondere der westdeutsche Arbeiter? fachlichen Kompetenzen den politisch vorherrschenden Verhältnissen Gibt ihm die Gesellschaftsordnung der BRD überhaupt die Möglichkeit, in gewissem Maße anzupassen, um sein Amt überhaupt ausführen zu sich zu bilden und Kunst genießen zu lernen? Beide Antworten fallen können.29 Bei seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu Schmidt-Rott- negativ aus, denn die herrschende Klasse in der BRD ist an der Aus- luff versuchte er, den Maler in die kulturpolitische Agenda der DDR ein- beutung der Arbeiter interessiert, nicht aber an deren Bildung.«35 Diese zuordnen und so eine Rechtfertigung für dessen Schaffen und die Plat- plakativen Worte wollen zum Bild des differenziert denkenden, fachlich zierung seiner Kunst in Karl-Marx-Stadt zu finden. So stellte Brix zum engagierten Karl Brix nicht so recht passen. Bedenkt man seine Reisen Beispiel 1984 im Karl-Marx-Städter Almanach gezielt Schmidt-Rottluffs nach West-Berlin und die ausgewogenen Betrachtungen in dem Bericht Karl Schmidt-Rottluff, Seehofallee, 1956, Öl auf Hartfaser, 88,3 x 102,3 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Inv.-Nr. 725 »antibourgeoise Haltung« während seiner Jugend und eine Verbindung 1968 über seine Besuche im Brücke-Museum und dem Georg-Kolbe- zu Schriften von Dostojewski, Ibsen und Strindberg heraus.30 Ebenso Museum, so erscheint der Artikel zur Kunst der BRD wie die Bedienung zitiert er Schmidt-Rottluffs formulierte Einsicht: »Der größte Fehler des einer stummen politischen Forderung, nicht wie die Wiedergabe einer deutschen Künstlers vor 1933 war [...], daß er nicht die Verbindung zu eigenen Meinung.36 den arbeitenden Schichten finden konnte [...].«31 Weiter wird auch die Ablehnung des Künstlers gegenüber der ungegenständlichen Malerei In der Hochzeit des kalten Krieges während der 1960er- und 1970er- thematisiert, die nach 1945 in der Bundesrepublik präferiert wurde.32 Im Jahre war Karl Brix ein Glücksfall für die Kunstsammlung. Er stellte 163 164 Unsicherer Standort. Die Galerie am Brühl als Schau platz kulturpolitischer und künstlerischer Aktivitäten zwischen 1980 und 1989 Frank Rassbach und Martin Rothe in der Ausstellung Kandidaten des VBK, 1988, vor Blättern von Klaus Wolfgang Hartzsch und Frank Bretschneider (»Palucca«) in der Ausstellung Kandidaten des VBK, 1983, Sobolewski. In der Tür Wolfgang Hartzsch, dahinter Carlfriedrich Claus vor Bildern von Wolfgang Hartzsch Die architektonische Entwicklung in Chemnitz nach 1945 und in Karl- Ausstellungsbetrieb im Eckhaus Brühl 30/Untere Aktienstraße auf- seinem Schreiben auch den konzeptionellen Rahmen und den Charakter kulturellen Einrichtung ihrem potenziellen Zielpublikum entgegen? Wie Marx-Stadt ab 1953 stellt sich heute als eine lange Geschichte von nehmen konnte.2 Zwischen Planungsbeginn und Eröffnung lagen also der kommenden Ausstellungen: »Aufgrund der beengten Raumverhält- sahen die Angebote konkret aus? mutwilligen Fehlentscheidungen dar. Irreversible Eingriffe in die vormals nur drei Jahre. »Die ›Galerie am Brühl’ wurde anlässlich des V. Festivals nisse [...] empfiehlt es sich nicht, dort auf eine Häufung von Besuchern organisch gewachsene urbane Struktur folgten primär ideologischen der Freundschaft eröffnet. Die erste Ausstellung [...] trägt das Motto zu orientieren bzw. repräsentative Veranstaltungen durchzuführen.«6 Brix Nach den beiden genannten Ausstellungen über die Geschichte des Maßgaben. Die Auflösung des alten Stadtkerns vollendete die durch die ›Unser Brühl gestern und heute’ und gibt Auskunft über die Geschichte kündigte »kleine Kunstausstellungen«7 an, die »[...] der Propagierung Wohnviertels Brühl und über das Freundschaftstreffen mit Jugendlichen Bombenangriffe des Jahres 1945 vollzogene Zerstörung. Sie manifes- dieses traditionsreichen Arbeiterwohnviertels. Künftig wird das Profil möglichst vieler Probleme der Gegenwartskunst [sic!]8 unserer Stadt aus der Sowjetunion ging es Ende November 1980 mit einer Ausstellung tierte sich im Abriss von den meisten der noch verbliebenen Häuser und der Galerie durch Kabinettausstellungen bestimmt, mit denen vor allem und unseres Bezirkes [...]«9 dienen sollten. Er bemängelte vor allem die namens Angewandte Kunst aus der Volksrepublik Bulgarien weiter. Nun der Schaffung von strukturell nahezu funktionslosen Straßenführungen, unterschiedliche Bereiche der bildenden und angewandten Kunst vor- Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.10 Abschließend versicherte Brix dem hatten die kunstinteressierten Karl-Marx-Städter Bürgerinnen und Bürger die an zentralen Punkten der alten Mitte in Sackgassen mündeten. An rangig aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt gezeigt werden«, hieß es damals Stadtrat optimistisch, wenn auch sprachlich nicht ganz einwandfrei, sicher nichts gegen die Arbeit ihrer Zeitgenossen vom Balkan. Doch der nordöstlichen Peripherie setzte sich diese fragmentarische Planung in der SED-Tagespresse.3 Die erste richtige Ausstellung wurde dann am »[...] dass wir alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen, dass diese kleine setzte eine solche Präsentation auch nicht gerade verheißungsvolle fort. Ausgerechnet das einstige Arbeiterviertel Brühl in Bahnhofsnähe 21. September 1980 unter dem Titel Begegnungen eröffnet. Sie ver- Galerie das kulturelle Leben am Brühl im Sinne der Propagierung unserer Zeichen eines konzeptionellen Neubeginns. Nach dem Jahreswechsel wurde ab 1973 renoviert und mit einem Fußgängerboulevard versehen. sprach »[...] die besten Ergebnisse eines Grafikwettbewerbs, der die sozialistischen Kunst bereichert.«11 1980/1981 setzten sich die wenig aufregenden Angebote fort. Zunächst Während zahlreiche nach Kriegsende notdürftig zusammengeflickte Volkskunstschaffenden unseres Bezirkes dazu aufrief, persönliche Erleb- waren ein Vierteljahr lang Kinderzeichnungen (Kinder vom Brühl) zu Häuser auf der vorderen Mühlenstraße mit ihren angelagerten Neben- nisse während des V. Festivals der Freundschaft zwischen der Jugend Einrichtung und Inbetriebnahme der Galerie am Brühl waren vom politi- sehen, im April dann eine von der FDJ-Stadtleitung initiierte Schau mit straßen reihenweise verfielen und abgerissen wurden, erfolgte in der der UdSSR und der DDR oder Reiseeindrücke aus den uns befreundeten schen Willen der lokalen Entscheidungsträger getragen. Nur innerhalb dem Titel Stadtgalerie der Freundschaft14 und des Weiteren eine zwei- namensgebenden Kernzone des Brühl eine aufwändige Restaurierung Ländern zu reflektieren und bildkünstlerisch umzusetzen.«4 der klaren hierarchischen Strukturen war die schnelle Umsetzung des teilige Bilanz des Bildnerischen Volksschaffens (Juni 1981)15. Für den der Bausubstanz. Doch anders als am Rosenhof oder in der Inneren Bauvorhabens möglich. Eine Einbeziehung der unmittelbaren Anwohner weiteren Jahresverlauf wurden noch eine Ausstellung der Fachgruppe Klosterstraße gab es hier für Fußgänger keinerlei Anziehungspunkte Der Eröffnung und dem nachfolgenden kontinuierlichen Veranstaltungs- im urbanen Umfeld oder anderer Bürger in der Bezirkshauptstadt gab Numismatik beim Kulturbund (September 1981) und eine Ausstellung sowie kaum irgendwelche Ämter, Restaurants oder Geschäfte. Ein angebot war eine weitreichende Konzeptphase vorausgegangen. es damals selbstverständlich nicht. Im kulturell chronisch unterver- des jugoslawischen Partnerbezirkes (November 1981) in Aussicht zweckgebundener Durchgangsverkehr für Passanten fand nicht statt.1 Zunächst war noch von einer »[...] öffentlichen Studiengalerie mit Künst- sorgten Karl-Marx-Stadt war jedoch jedes zusätzliche Angebot will- gestellt. Das waren nun durchweg keine Perspektiven, die in Karl-Marx- Wer nicht gerade das Glück hatte, eine der auf relativ hohem Niveau lercafé für Besucherverkehr«5 die Rede. Ab Oktober 1977 erfolgte die kommen. Gerade im räumlich eher kleinteiligen Spektrum lagen Defizite Stadt irgendein kunstambitioniertes, geschweige denn junges Publi- modernisierten Wohnungen zugewiesen bekommen zu haben, für den Erarbeitung eines Raumprogramms. Im Herbst desselben Jahres wurde vor. Die genossenschaftlich betriebene Galerie Oben12 im alten Zentrum kum hinter dem Ofen hätte hervorlocken können. Ein gewisser Unmut gab es eigentlich wenig Grund, sich in dieser Gegend aufzuhalten. Um das Konzept abgeschlossen und an das VE Kombinat Bau und Rekons- der Stadt hatte bereits seit 1973 unter Beweis gestellt, wie groß das angesichts dieser Situation machte sich auch bei den Kulturfunktionären das Areal nach der baulichen Erneuerung für alle Einwohner der Stadt truktion weitergeleitet. In dieser frühen Projektierungsphase änderten Bedürfnis nach wechselnden Ausstellungen und begleitenden Ver- breit. Davon zeugt eine vom stellvertretenden Sammlungsleiter Stephan attraktiver und damit zum Ausflugsziel zu machen, mussten erst not- sich die administrativen Strukturen. Sollte die geplante Galerie zunächst anstaltungen war. Mit der Produzenten-Galerie Clara Mosch13 war ab 1977 Gerhardt am 20. April 1981 ausgefertigte Kulturpolitische Zielstellung16. wendige Anlässe geschaffen werden. Neben Ladenlokalen, Handwerks- direkt vom Bezirk verwaltet werden, so war die Zuständigkeit im Laufe am südöstlichen Stadtrand eine weitere, zunächst sogar weitgehend In diesem fünfseitigen Schreiben wurde auf die offensichtliche Dis- betrieben und Gastronomie gehörte auch Kultur zur Palette des neuen des Jahres 1978 an die Städtischen Museen übertragen worden. In unabhängig arbeitende Initiative hinzugekommen. In der viertgrößten krepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit des neuen kulturellen Geschäfts- und Freizeitangebots. einer sechsseitigen Einschätzung äußerte sich Karl Brix als Leiter der Stadt der DDR gab es ohne Zweifel weiteren Bedarf. Der Galerie am Brühl Angebots hingewiesen und Schritte zu einer Modifizierung des Status Städtischen Kunstsammlungen am 1. April 1980 gegenüber Genossen schlug deshalb keineswegs Ablehnung entgegen. Es konnte von einer quo angeregt. Seine Bestandsaufnahme legt eine notwendige Trennung Im Rahmen der Aufwertungspläne des neuen alten Viertels wurde ab Ernst Uschpilkat (Stadtrat für Kultur) kritisch über den Wunsch- und prinzipiellen Aufgeschlossenheit ausgegangen werden. Auf welche der berufskünstlerischen Präsentationen von denen des Laienbereichs 1977 deshalb die Galerie am Brühl konzipiert, die am 16. Mai 1980 ihren Ist-Zustand der kurz vor der Eröffnung stehenden Galerie. Brix umriss in Weise aber traten nun die Städtischen Museen als Betreiber der neuen nahe: »Für Expositionen des Volkskunstschaffens müssen unbedingt 167 168 Carsten Nicolai, unitape, Installationsansicht aus der damaligen Ausstellung 2015 konnte Mössinger mit ihrem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissen- zukünftigen Aufgaben des Museums Einfluss nimmt. Heute, wo wissen- schaftlern realisieren, darunter Kerstin Drechsel, Brigitta Milde, Beate schaftliche und ästhetische Kanonisierungen vielfach in Frage gestellt Ritter, Katharina Metz, Thomas Bauer-Friedrich, später Anja Richter und werden und auch ein grundlegender gesellschaftspolitischer Konsens Diana Kopka und viele mehr. Es entstanden ein wichtiges Werkverzeich- in multiperspektivische und extrem polarisierende Facetten zerfällt, nis zu Karl Schmidt-Rottluff, Bestandskataloge zu den Skulpturen und ist ein konzeptueller Ansatz für Museen neu zu denken. Zudem fallen Objekten sowie zu den Altägyptischen Textilien aus koptischen Gräbern, Museen als Orten ästhetisch reflektierter Diskurse und gesellschafts- Galerieführer der verschiedenen Häuser und zahlreiche monografische politischer Debatten neue Aufgaben zu. Ingrid Mössinger konnte die Publikationen und Ausstellungskataloge, die angesichts des Umfangs aufregende Zeit der neuen deutschen Einheit mitgestalten, nachdem an dieser Stelle nicht weiter aufgeführt werden. Was übrig bleibt, ist Jahrzehnte zuvor unterschiedliche politische Systeme aufeinander- also ein reiches Erbe aus materiellen, aber auch immateriellen Leistun- geprallt waren. Das hat sich nach dreißig Jahren grundlegend geändert. gen, ohne dass diesen – wie die Geschichte des Hauses immer wieder Nun zeichnen sich neue Herausforderungen ab. Die Kunstsammlungen gelehrt hat – eine ewige Endgültigkeit beschieden bleiben muss. Chemnitz werden auch hier wieder eine Verortung in der Stadtgesell- schaft und im internationalen Austausch entwickeln müssen. Wurde alles gemacht? Nicht alle Träume konnten erfüllt werden, darunter ein Erweiterungsbau des Hauses mit öffentlich zugänglicher — Sabine Maria Schmidt Bibliothek. Dennoch ist Ingrid Mössinger auch nach ihrem Abschied noch als »Botschafterin von Schmidt-Rottluff« für Chemnitz unterwegs. Es geht darum, die ehemaligen Wohnhäuser der Familie des Künstlers 1 Z.B. Chemnitz hat genug gelitten. Ingrid Mössinger im Gespräch mit Norbert Seitz, Deutschlandfunk Kultur, im Stadtteil Rottluff zu erhalten. Karl Schmidt-Rottluff hat dort seine https://www.deutschlandfunk.de/ostdeutsche-identitaeten-chemnitz-hat-genug-gelitten.911.de.html?dram:artic- le_id=460190 [letzter Zugriff: 4.1.2020]. 2 Ingrid Mössinger in einem Gespräch mit Sabine Maria Schmidt am Kindheit und Jugend verbracht und sich künstlerisch arbeitend dort 16.10.2019. 3 Ebd. 4 Hierzu hatte es vorab zahlreiche Anekdoten gegeben, dass dort angeblich verschiedenes bis an sein Lebensende jährlich aufgehalten. 2001 wurden die Kunst- Getier gehalten, Bienen gezüchtet und Großsäugetiere wie Löwen präpariert wurden, siehe auch: Anne Hähnig, »Na, wer ist denn jetzt verrückt?. Interview mit Ingrid Mössinger«, https://www.zeit.de/2018/17/ingrid-moessinger- sammlungen Chemnitz von Paul Rabe als überregional bedeutende kunstsammlung-chemnitz-bekanntheit [letzter Zugriff: 4.2.2020]. 5 Das Konzept folgt der Idee, dass die Kinder Kultureinrichtung in Mitteldeutschland evaluiert. Nun ist es Mössingers von unterschiedlichen Schulfächern her, wie der Chemie, Mathematik, Deutsch oder Physik an die Kunstwerke herangeführt werden. Das Projekt startete im März 2011 und hatte bis 2015 über 30 000 Schülerinnen und Schüler Wunsch, dass auch die beiden Elternhäuser Karl Schmidt-Rottluffs transportiert. Unter intensivsten Bemühungen gelang es, eine längerfristige finanzielle Infrastruktur für das Projekt als leuchtende, kulturelle Gedächtnisorte von nationalem und inter- aufzubauen. 6 Schenkung Ferdinand Reich, Chemnitz, 1937 als »Entartete Kunst« beschlagnahmt, 1996/1997 Wiedererwerb über das Auktionshaus Christies’s, London; erworben mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder, des nationalem Interesse gewürdigt werden. »Die Restaurierung und Freistaates Sachsen, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Instandsetzung sollte daher kein Traum sein, sondern eine von Freude Sparkasse Chemnitz und der Stadt Chemnitz 7 Vgl. Ausst.-Kat. Chemnitz 2015a. 8 Erworben mit Hilfe der Kultur- stiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der envia Mitteldeutsche Energie getragene Pflicht«, äußerte sie dazu.11 AG und der Stadt Chemnitz. 9 Niemand war zuvor jemals auf die Idee gekommen, die künstlerischen Arbeiten des Ausnahmemusikers auszustellen. Vgl. auch Anne Hähnig, »Na, wer ist denn jetzt verrückt?. Interview mit Ingrid Mössinger«, https://www.zeit.de/2018/17/ingrid-moessinger-kunstsammlung-chemnitz-bekanntheit [letzter Zugriff: Freilegen, was vergessen zu werden droht. Zugleich ist in den letz- 4.2.2020]. 10 Zur Ausstellung wurde zudem eine anspruchsvolle, vom Künstler konzipierte Monografie publiziert: ten fünf Jahren wieder vieles in Bewegung geraten, das auch auf die Ausst.-Kat. Chemnitz 2015b. 11 Ingrid Mössinger in einem Gespräch mit Sabine Maria Schmidt am 16.10.2019. Georg Baselitz, Mondrians Schwester, 1997, Lindenholz und Ölfarbe, 278,0 x 102,0 x 74,0 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Inv. Nr. PL 220 177 178 18 E. A . S E E M A N N
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