Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)

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Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
ecke
                                                                      nr. 4– sept /okt 2020

                                                           köpenicker
Zeitung für das Sanierungsgebiet Nördliche Luisenstadt Erscheint sechsmal im Jahr kostenlos.
Herausgeber: Bezirksamt Mitte von Berlin, Stadtentwicklungsamt, Fachbereich Stadtplanung
 Ch. Eckelt
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
2 —— E CKE KÖP ENIC KER                                                                                                                                                                                                                                       E CKE KÖPE NI CKE R—— 3

W E LC H E E C K E ?
                                                                                                                                          Öffentlichkeit – aber wie?

                                                                                                                                                                                                                                                                                     Ch. Eckelt
                                                                                         ———————————————————— I N H A LT
                                                                                     —————
                                                                                                                                          Auf einem digitalen Forum wurde
                                                                                     Seite 3 Forum zur Zukunft des Bärenzwingers          über die Zukunft des Bärenzwingers
                                                                                     Seite 4 Sanierungsarbeiten im Köllnischen Park       als Kulturort debattiert
                                                                                     Seite 5 Luisenstädtischer Friedhof / Nachrichten
                                                                                                                                          Die letzten Bewohner hießen Thilo, Maxi und Schnute:
                                                                                     Seite 6 B-Plan zum Spreeuferweg zwischen             drei Braunbären, die im Bärenzwinger am Köllnischen
                                                                                     ­Brücken- und Michaelkirchstraße                     Park lebten. Nachdem die letzte Bärin 2015 gestorben war,
                                                                                                                                          stand das legendäre Gehege leer. Schließlich nahm sich
                                                                                     Seite 7 Einwendungen zum B-Plan
                                                                                                                                          2017 in Absprache mit dem Stadtplanungsamt Mitte der
                                                                                     Seite 8 Neues vom Bürgerverein Luisenstadt           bezirkliche Fachbereich Kunst, Kultur und Geschichte des
                                                                                                                                          denkmalgeschützten Gemäuers an: als neuen Ort für zeit-
                                                                                     Seite 9 Gebietskolumne: Die Glockengasse
                                                                                                                                          genössische Kunst. Die letzten drei Jahre hatten junge
                                                                                     4711 der Luisenstadt
                                                                                                                                          Kunstschaffende und angehende Kuratoren hier die Mög-
 Ch. Eckelt

                                                                                                                                          lichkeit, mit neuen Formaten zu experimentieren.
                                                                                                                                          Doch wie geht es weiter? Sicher ist bislang nur: Langfristig
                                                                                     Aus dem Bezirk Mitte:
                                                                                                                                          soll der Kunstort erhalten bleiben. Und: es soll einen Ar-     Denn für nicht wenige Außenstehende waren genau die
                                                                                     • Seite 10 / 11 »Chaos & Aufbruch« – Ausstellung   chitekturwettbewerb dazu geben, der Umbau ist ab 2023          letzten beiden Faktoren in den letzten Jahren problema-
Die Luisenstadt hat ja bekanntlich viele schöne Ecken. Aber wo wurde diese             im Märkischen Museum                               vorgesehen.                                                    tisch. Schon die Einladungstexte zu den Ausstellungen und
Ecke aufgenommen? Wenn Sie den Ort wissen, schreiben Sie uns die Lösung                                                                   Um inspirierende Anregungen für die Zukunftsdebatte zu         Aktionen wurden oft als eher abschreckend, sogar elitär
                                                                                     • Seite 12 /13 Geschichte der Berliner Mieten­
und vergessen bitte auch nicht Ihre Post-Adresse! Denn unter allen richtigen                                                              sammeln, luden der Fachbereich Kunst, Kultur und Ge-           und elaboriert empfunden: die Sprache zu sehr dem akade-
                                                                                       deckel
Einsendungen verlosen wir wieder einen Büchergutschein der Buchhandlung                                                                   schichte sowie Stadtplanung des Bezirksamts Mitte Anfang       misch-theoretischen Kunstdiskurs verhaftet, eher selbst­
am Moritzplatz.                                                                      • Seite 14 Zum Rücktritt von Katrin Lompscher      September zum digitalen Forum »Bärenzwinger – Visio-           reflexiv und ausschließend denn einladend. Der vom Lan-
Schicken Sie uns Ihre Antwort per Post an: Ulrike Steglich c/o Ecke Köpenicker,                                                           nen für den Kulturstandort« ein.                               desdenkmalamt beauftragte Architekt Gerhard Schlotter
Elisabethkirchstr. 21, 10115 Berlin oder per Mail an: ecke.koepenicker@gmx.net                                                            Öffentlicher hätte das vom Büro KoSP organisierte und          formulierte, dass man »nach der Monokultur der Bären
                                                                                     Seite 15 Gebietsplan und Adressen
Der Einsendeschluss ist Montag, der 26. Oktober.                                                                                          moderierte Forum nicht sein können: Bei Youtube konnte         keine Monokultur der Künstler« brauche – derzeit sei der
Unser letztes Bilderrätsel zeigte ein Detail der Relieftafel am Heinrich-Heine-      Seite 16 Eckensteher + Pflastersteine                jeder das Symposium im Livestream verfolgen und sich –         Bärenzwinger ja »nicht gerade ein überfüllter Ort«.
Denkmal, Köpenicker Str. 101. Vielen Dank für alle Einsendungen! Den Bücher-                                                              Google-Konto-Anmeldung vorausgesetzt – mit Kommenta-           Auch Susanne Prinz, die den kleinen Kultur-Pavillon »L40«
gutschein erhält Andreas Meyer. Herzlichen Glückwunsch!                                                                                   ren beteiligen. Dennoch blieb die Teilnehmerzahl auch          am Rosa-Luxemburg-Platz betreibt, plädierte für eine stär-
                                                                                                                                          online überschaubar. Die technische Übertragung war teils      kere Öffnung nach außen. Ebenso Martin Peschken, der
                                                                                      ——————————————————— I M P R E S S U M
                                                                                     ——                                                   tückenreich, der Ton oft nur schwer zu verstehen.              anmerkte, es gehe nicht um Kunst als exklusive Veranstal-
                                                                                                                                          Eingeladen waren mehrere Expertinnen und Experten, de-         tung. Er vermisste eine bestimmte Dimension: nämlich
                                          Weiterhin trifft sich auch die Betrof-     Herausgeber: Bezirksamt Mitte von Berlin,            ren Impulsvorträge unterschiedliche Aspekte in die Debat-      eine Öffentlichkeit im politischen Sinn: ereignishaft, ver-
Bürgerberatung – Sprechstunden            fenenvertretung Nördliche Luisen-          Stadtentwicklungsamt                                 te einbringen und zur Debatte anregen sollten. So widmete      handelnd, anstoßend, ein Raum für Debatte und Auseinan-
im Stadtteilladen                         stadt wieder in den Räumen des dia-        Redaktion: Christof Schaffelder,                     sich Luise Rellensmann von der BTU Cottbus als Expertin        dersetzung, ein Katalysator. Das sei zwar nicht planbar,
Im Stadtteilladen dialog 101 (Köpe-       log 101. Die monatlichen Plena sind        Ulrike Steglich                                      für Denkmalpflege dem Aspekt des »offenen Denkmals«.           doch könne man zumindest räumliche Angebote machen.
nicker Straße 101) finden wieder die      öffentlich und finden jeden 3. Diens-      Redaktionsadresse: »Ecke Köpenicker«,                Susanne Hauser, die an der UdK Kunst- und Kulturge-            Welche Schlussfolgerungen die bezirkliche Kulturverwal-
wöchentlichen Bürgersprechstunden         tag im Monat um 18.30 Uhr statt. In-       c /o Ulrike Steglich, Elisabethkirchstraße 21,       schichte lehrt, wandte sich der Verbindung von Bären-          tung nun aus dem Forum zieht, wird sich zeigen. Peschkens
statt:                                    teressierte sind herzlich willkommen!      10115 Berlin, Tel (030) 283 31 27,                   zwinger und Park zu. Die Kunsthistorikerin Nele Heinevet-      Schlussstatement, vielleicht sollte man das Geld statt in
Sprechstunde Gebietsbetreuung Lui­        Und auch die Nähwerkstatt ist hier         ecke.koepenicker@gmx.net                             ter, die zusammen mit anderen Kulturschaffenden auch           einen Architekturwettbewerb lieber in einen Kreativ-
senstadt durch die KoSP GmbH:             wieder aktiv und trifft sich jeden Mitt-   Fotoredaktion:                                       den »Tropez«-Kiosk im Sommerbad Humboldthain be-               Workshop für die Verwaltung investieren, war vielleicht
dienstags 14–18 Uhr                       woch von 17 bis 19 Uhr im Stadtteilla-     Christoph Eckelt, eckelt@bildmitte.de                treibt, war zum Thema »alternative Kunstorte« eingela-         nur zum Teil scherzhaft gemeint.                        us
Mieterberatung für Mieter im Sanie-       den.                                       Entwurf und Gestaltung:                              den. Martin Peschken, Autor und Kurator u.a. am Bauhaus,
rungsgebiet Nördliche Luisenstadt         Bitte beachten Sie die dort geltenden      capa, Anke Fesel, www.capadesign.de                  der auch an der IBA 2010 beteiligt war, trug zum Thema         Die vollständige Dokumentation des Forums erhalten Sie bei
und in den Erhaltungsgebieten: mon-       Abstands- und Hygieneregeln. Dazu          Druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH,              »Katalysator für Öffentlichkeit« einiges Bemerkenswerte        der KoSP GmbH (Ansprechpartner siehe S. 15).
tags 15–18 Uhr (jeden 1. Und 3. Mon-      gehört auch das Tragen einer Alltags-      www.berliner-zeitungsdruck.de                        bei.
tag mit Rechtsanwältin)                   maske in den Räumlichkeiten.               V.i.S.d.P.: Ulrike Steglich                          Also kreisten etliche Gedanken um den Bärenzwinger als
                                                                                     Für den Inhalt der Zeitung zeichnet nicht der        Baudenkmal, sein Verhältnis zum Park, die Nähe zum Mär-
                                                                                     Herausgeber, sondern die Redaktion verant-           kischen Museum und dem Marinehaus (das eine Art Stadt-                              Gesundheitsamt sucht dringend Mitarbeiter
                                                                                     wortlich.                                            labor werden soll), mögliche architektonische Umgestal-                             Zum 1. Oktober muss die Hälfte des gegenwärtig eingesetz-
                                                                                                                                          tungen, die Bespielung des Freigeheges, eventuell auch                              ten Personals im Gesundheitsamt zurück in ihre regulären
                                                                                                                                          Gastronomie.                                                                        Dienststellen, wodurch sich der Personalmangel bei der
Ecken im Web                              Elektronischer Versand                                                                          Doch kommt man – egal, ob Parkverbindung, Umbau oder                                Pandemiebekämpfung drastisch verstärkt. Das Team des
Sämtliche Ausgaben der »Ecke              Sie möchten auf elektronischem Weg                                                              Gastronomie – beim Nachdenken über den Ort letztlich zu                             Gesundheitsamtes Mitte sucht daher Beschäftigte für zu-
­Köpenicker« sind als PDF archiviert      die aktuelle Zeitung als PDF erhalten?     Die nächste Ausgabe                                  drei entscheidenden Faktoren, von denen einer, der Ort                              nächst ein Jahr. Gesucht werden insbesondere medizini-
 und abrufbar unter:                      Schreiben Sie uns eine kurze E-Mail,       der Ecke Köpenicker erscheint Anfang                 selbst nämlich, gesetzt ist. Die beiden anderen sind Varia­                         sche Fachangestellte, Mitarbeiter in der Pandemiekoordi-
 www.luisenstadt-mitte.de sowie auf der   und wir nehmen Sie in unseren Mail-        November 2020.                                       blen: zum einen das Konzept und der Charakter der hier                              nation, Fallmanager sowie Ärztinnen bzw Ärzte.
 Website des Bürgervereins Luisenstadt:   Verteiler auf!                                                                                  gezeigten Kunst, zum zweiten die Herstellung von Öffent-                            Die Stellenangebote finden sich auf dem Karriereportal des
 www.buergerverein-luisenstadt.de                                                                                                         lichkeit.                                                                           Landes Berlin: www.berlin.de / karriereportal /stellensuche
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
4 —— EC K E KÖP ENIC KER                                                                                                                                                                                                                                          E CKE KÖPE NI CKE R—— 5

Gefährliche                                                   leuchtete Anfang September noch tief im roten Bereich.                                                                                                              und der Verzahnung von Teilen der protestantischen Kir-

                                                                                                                                                                                                                     Ch. Eckelt
                                                              Nachdem im extrem heißen August die Feuchtigkeit in                                                                                                                 che mit der NS-Diktatur.
                                                              85 cm Tiefe auf Null gesunken war, hat sie sich zwar lang-                                                                                                          Vor der Erstellung der Tafel hatte der Friedhofsverband

Herbststürme                                                  sam wieder auf etwa 10 % erhöht. Das ist aber nach wie vor
                                                              viel zu trocken, auf »gelb« springt die Ampel erst ab 30 %,
                                                                                                                                                                                                                                  eine Fachgruppe zum Umgang mit der NS-Zeit des Fried-
                                                                                                                                                                                                                                  hofs einberufen.
                                                              auf »grün« ab 50 %. Viele Bäume und die meisten Sträu-
 Bodenfeuchte immer noch                                      cher leiden deshalb unter schwerem Trockenstress. Das ist
­extrem gering­                                               oft auch mit bloßem Auge gut erkennbar, bei Laubbäumen
                                                              zum Beispiel daran, dass an den Spitzen vermehrt kahle
                                                              Stellen und oft auch schon tote Äste auftreten.                                                                                                                     Große Familiennacht
Bereits am 27. August hat in diesem Jahr das Straßen- und                                                                                                                                                                         Das frisch sanierte Kinderzentrum Ottokar lädt ein zur 10.
Grünflächenamt des Bezirks Mitte seine erste »Warnung         Der Trockenstress hängt natürlich auch vom Standort und                                                                                                             Großen Familiennacht: Sie findet am Samstag, dem 26.
von dem Betreten der Grünanlagen« veröffentlicht. Grund       von der Baumart ab. In der Nähe der Spree oder anderer                                                                                                              September statt und beginnt um 17 Uhr.
war das Sturmtief »Kirsten«, das Ende August über die         Gewässer reicht das Grundwasser ja noch relativ nahe bis                                                                                                            Es gibt Gute-Nacht-Geschichten für Groß und Klein – span-
Stadt fegte: »Vor allem abseits der offiziellen Wege können   an die Oberfläche. In größerer Entfernung und sobald das                                                                                                            nende und lustige Geschichten werden am Lagerfeuer er-
abgebrochene Äste oder gespaltene Kronen ausbrechen           Gelände auch nur leicht ansteigt, kommen auch ältere                                                                                                                zählt. Zeitgleich wird in unterschiedlichen Räumen für die
und zu schweren Verletzungen führen«, Die Kontrollen          Bäume inzwischen an ihre Grenzen. Vor allem Flachwurz-                                                                                                              verschiedenen Altersgruppen vorgelesen. Traumfänger und
durch die Beschäftigten des Straßen- und Grünflächenam-       ler wie Rosskastanien, Fichten oder Weiden haben Proble-                                                                                                            Lampions können gebastelt werden. Feuershow, Stockbrot
tes würden erfahrungsgemäß mehrere Tage erfordern. Am         me. Geht es gleich mehrere Meter in die Höhe, können                                                                                                                am Feuerkorb und Musik ergänzen das Angebot.
Schluss der Meldung hieß es in fetten Lettern: »Die Bäume     auch tief wurzelnde Bäume wie Eichen, Kiefern oder                                Neue Gedenktafel                                                                  Anmeldung erforderlich unter Telefon (030) 275 48 46
können unvermittelt umstürzen.«                               Eschen vom Trockenstress betroffen sein. Das betrifft auch                                                                                                          Oder per E-Mail: kizottokar@kinderverein-ottokar.de
                                                              viele Wälder am Stadtrand von Berlin oder im Umland:                              Ein Stück Luisenstädter Geschichte ­findet sich am
Besonders gefährlich sind Stürme, wenn sie früh im Jahr       Herbstliche Waldspaziergänge könnten in diesem Jahr be-                           ­Südstern: der Alte Luisenstädtische Friedhof
auftreten. Das Laub ist dann noch grün und die Blätter haf-   sonders gefährlich werden. Vor allem, wenn in den Tagen
                                                                                                                                                                                                                                  ———————
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                                                                                                                                                                                                                                                   ———
                                                                                                                                                                                                                                                     ———
                                                                                                                                                                                                                                                       ————
                                                                                                                                                                                                                                                          ——               LESERECKE
ten noch fest an den Zweigen, so dass Laubbäume den Stür-     zuvor Herbststürme gewütet haben. Abseits der Wege nach
men großen Widerstand bieten. Durch die langanhaltende        Pilzen zu suchen wäre dann nicht empfehlenswert, zumal
Trockenheit der vergangenen drei Jahre sind zudem beson-      durch die Trockenheit der Böden die Ausbeute ohnehin                                            Es ist ein bisschen kompliziert. Also: Die neue Gedenktafel         Dieses Foto schickte uns die Anwohnerin Anne Thyrolf
ders viele Bäume geschwächt. Daran könnten auch die er-       nur sehr gering sein dürfte.                                                                    wurde kürzlich auf dem Alten Luisenstädtischen Kirchhof             und schrieb dazu:
hofften starken Regenfälle im Herbst nichts mehr ändern.      Das Straßen- und Grünflächenamt Mitte wird in diesem                                            aufgestellt. Dieser befindet sich jedoch nicht unmittelbar
Falls sie denn kämen: bis September blieb der Regen noch      Herbst wohl häufiger vor dem Betreten der Grünanlagen                                           in der Luisenstadt, sondern seit Mitte des 18. Jahrhunderts         Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der »Köpenicker
spärlich. Das vom Berliner Pflanzenschutzamt ständig          warnen.                                                 cs                                     am Südstern.                                                        Ecke«,
­aktualisierte Diagramm zur Bodenfeuchte in der Stadt                                                                                                         Die neue Tafel steht am Haupteingang nahe der Trauerka-             vielen Dank für Ihre letzten beiden, wiederum interessanten
                                                                                                                                                              pelle und informiert über die Geschichte des Friedhofs ab           und aktuellen, Ausgaben, die uns BürgerInnen immer dar-
                                                                                                                                                              dem Jahr 1753, als der vorherige Friedhof an der Luisen-            über auf dem Laufenden halten, was im Kiez passiert. Auch
                                                                                                                                                              stadtkirche in der Alten Jakobstraße seine Kapazitäten er-          die Fotos sind immer toll.
                                                                                                                                                              schöpft hatte.                                                      Mein erster Blick am Morgen fällt stets auf das wunderschöne
                                                                                                                                                              Auf dem Friedhof befinden sich teilweise aufwendige Erb-            Engelbecken, aber am Morgen des 30. August waren wohl die
Köllnischer Park: ­Sanierung                                                      Mitte August begannen die Sanierungsarbeiten im Köllni-
                                                                                  schen Park. Die denkmalgeschützte Grünanlage wird neu-
                                                                                                                                                              begräbnisstätten von bedeutenden Berliner Persönlich­
                                                                                                                                                              keiten (u.a. wurde Gustav Stresemann hier bestattet, Frie-
                                                                                                                                                                                                                                  Folgen von in der Nacht wütenden Vandalen zu sehen. Wer
                                                                                                                                                                                                                                  macht nur so etwas? Und es war leider nicht das erste Mal.

hat ­begonnen                                                                     gestaltet. Bis zum Abschluss der Arbeiten Ende Mai 2021
                                                                                  bleibt der Park für Besucherinnen und Besucher gesperrt.
                                                                                                                                                              densnobelpreisträger, früherer Reichskanzler und Außen-
                                                                                                                                                              minister), aber auch einige Gräber vergessener Persönlich-
                                                                                                                                                                                                                                  Innerhalb einer Stunde hatten jedoch die MitarbeiterInnen
                                                                                                                                                                                                                                  des Cafés am Engelbecken Tische und Stühle aus dem Wasser
                                                                                  Alle Wege im Park und die Vegetationsflächen werden er-                     keiten mit kunstgeschichtlich bedeutsamem Grabschmuck.              gezogen – nicht alle waren noch unversehrt – und den größ-
                                                                                  neuert. Der bestehende Kinderspielplatz erhält eine neue                    Heutiger Eigentümer des Friedhofs ist der Evangelische              ten Schaden behoben.
                                                                                  Nestschaukel und eine zusätzliche Wippe. Rund um den                        Friedhofsverband.
                                                                                  Bärenzwinger werden sieben Silberlinden sowie ein Trom-                     Ein Kapitel der deutsch und englisch beschrifteten Infor-           An dieser Stelle verweisen wir auch auf die große Putzakti-
                                                                                  petenbaum am Zille-Denkmal neu gepflanzt. Die Skulptu-                      mationstafel berichtet über den Umgang der Friedhofsver-            on am Engelbecken, zu der der Bürgerverein Luisenstadt
                                                                                  renterrasse bekommt einen barrierefreien Ausbau und ist                     waltung mit dem Nationalsozialismus in den 1930er Jah-              am Samstag, 19. September aufruft – siehe S. 8.
                                                                                  künftig auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkun-                       ren. In diesen Jahren wurde versucht, den Friedhof zu ei-
                                                                                  gen besser zu erreichen. Die vorhandenen Skulpturen und                     nem Schauplatz »pompös inszenierter Beerdigungskultur
                                                                                  Spolien werden saniert. Der Terrakottabrunnen wird eben-                    für rangniedere NS-Anhänger« zu etablieren: als »Haupt-
                                                                                  falls überarbeitet und die Brunnentechnik erneuert. Im                      friedhof der Bewegung«. Zwischen September 1931 und
                                                                                  Zuge der Arbeiten lässt das Bezirksamt Mitte die Mauern                     April 1935 wurden dort insgesamt 22 Nationalsozialisten
                                                                                  des historischen Mühlenstumpfs und des Wusterhausener                       beerdigt, prominente Parteigrößen gehörten nicht dazu.
                                                                                  Bärs überarbeiten.                                                          Viele von ihnen waren bei gewaltsamen Auseinanderset-
                                                                                  Bereits im Jahr 2013 wurde die Planung erstellt und in den                  zungen mit Parteigegnern ums Leben gekommen, manche
                                                                                  Jahren 2018 bis 2019 komplett überarbeitet. Insgesamt be-                   aber auch durch Schüsse der eigenen Leute oder durch
                                                                                  laufen sich die geplanten Kosten auf ca. 1,6 Mio. Euro. Die                 Selbstmord. Die Trauerfeiern wurden mit nationalsozia­
                                                                                  Finanzierung des Projektes erfolgt aus Mitteln der Senats-                  listischen Elementen zelebriert. Der zuständige Pfarrer
Ch. Eckelt

                                                                                  verwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen über das                         ­Johannes Wenzel, der Pastor der Neuen Garnisonkirche, zu
                                                                                  Förderprogramm »Zukunft Stadtgrün / Lebendige Zentren                        der der Friedhof gehörte, war ein offener Nazi-Sympathi-
                                                                                  und Quartiere«.                                                              sant und spielte eine wichtige Rolle bei der Inszenierung
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
6 —— E CKE KÖP ENIC KER                                                                                                                                                                                                                         E CKE KÖPE NI CKE R—— 7

                                                                                                                                                                                                               ist. Schon heute werden die Treppen auf dem Flurstück
                                                                                                                                                                                                               280 am Uferweg von alkoholisierten und drogeneinneh-
                                                                                                                                                                                                               menden Touristen belagert, so dass man als Anwohner
                                                                                                                                                                                                               beim Durchgang zur Haustür einen Spießroutenlauf vor-
                                                                                                                                                                                                               bei an torkelnden, nach Alkohol und Gras riechenden
                                                                                                                                                                                                               Menschen machen muss. Insofern irritiert es, dass Sie hier
                                                                                                                                                                                                               jetzt auch noch an Ausschank, Bouleplätze und derglei-
                                                                                                                                                                                                               chen denken zur angeblichen Aufwertung des Platzes. In
                                                                                                                                                                                                               Ihrem Bebauungsplan wird explizit auch die Notwendig-
                                                                                                                                                                                                               keit der Berücksichtigung lebenswerten Wohnens erwähnt.
                                                                                                                                                                                                               Dann kann man nicht dem Uferweg jetzt auch noch weite-
                                                                                                                                                                                                               ren Partylärm, Durchgangsverkehr und weiteren Alkohol-
                                                                                                                                                                                                               leichen zuführen! Hier bitte ich mal um nächtliche Besich-
                                                                                                                                                                                                               tigung und Messungen vor Ort vor der Rungestraße 21f

                                                                                                                            Ch. Eckelt
                                                                                                                                                                                                               und c spreeseitig. Zwar war es einige Wochen coronabe-
                                                                                                                                                                                                               dingt tatsächlich spürbar leiser. Die Bumbum-Belästigung
                                                                                                                                                                                                               durch Musik die ganze Nacht durch an Wochenenden ist
                                                                                                                                                                                                               jedoch wieder angelaufen.«
                                                                                                                            —
                                                                                                                            ————————————————————————————————
                                                                                                                                                           ———
                                                                                                                                                            — —                 D O KU M E N TAT I O N        Ergebnis der Prüfung und Abwägung

                                                                                                                             Stellungnahme zum                                                                 »Die Lärmkonflikte zwischen heranrückender Wohnbebau­
                                                                                                                                                                                                               ung südlich der Spree und dem Schienenverkehr nördlich

Ein weiterer Schritt                                          Uferweg benötigten Grundstücksteil aufkaufen oder gar
                                                              enteignen, sondern muss sich mit Vattenfall vertraglich       ­Bebauungsplan 1-81
                                                                                                                                                                                                               der Spree stehen nicht im Zusammenhang mit diesem Be-
                                                                                                                                                                                                               bauungsplan. (…) Die Errichtung einer Lärmschutzwand
                                                              über öffentliche Wegerechte am Ufer entlang einigen. Ein                                                                                         am Ufer würde den Planungszielen völlig zuwiderlaufen
zum Uferweg                                                   solcher Vertrag ist mit dem Land Berlin bereits verhandelt    Der Entwurf des Bebauungsplans 1-81 lag in diesem Jahr wegen Corona gleich         und wäre wegen der Entfernung und der Höhenlage der
                                                              und wird demnächst unterzeichnet.                             zweimal öffentlich aus, zuletzt zwischen dem 15. Juni und dem 15. Juli im Stadt-   Stadtbahn als Hauptschallquelle voraussichtlich auch weit-
 Bebauungsplan 1-81 vom                                       Etwas anders gelagert sind die Verhältnisse bei dem Grund-    teilladen dialog 101. Insgesamt gingen 55 Stellungnahmen ein. Davon kamen          gehend wirkungslos. Maßnahmen zur Lärmreduzierung an
                                                              stück, das direkt an die Brückenstraße grenzt. Hier wurde     etwa 40 Einwendungen aus der Rungestraße 21. Dieser Neubau mit mehr als 120        der Lärmquelle (Bahnschienen) sind gemäß § 1 der 16.
­Bezirksamt beschlossen                                       in den 1990er Jahren das »Jannowitzcenter« errichtet, da-     Eigentumswohnungen wurde 2012 genehmigt und im Jahr 2016 bezugsfertig. Die         BImSchV nur im Falle eines Baus oder der wesentlichen
                                                              bei wurde der Uferbereich bereits umgestaltet und öffent-     Planungen für den Uferweg waren da schon bekannt.                                  Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwe­
Für den mittleren Teilbereich des geplanten Uferweges         lich zugänglich gemacht. Zudem sind seit einigen Jahren       Wir dokumentieren an dieser Stelle beispielhaft die Stellungnahme eines Haus-      gen erforderlich. Dies ist hier nicht der Fall, da es sich um
entlang der Spree hat das Bezirksamt Mitte am 8. August       für diesen Bereich Geh- und Radfahrrechte für die Allge-      bewohners sowie, leicht gekürzt, die Antwort des Stadtentwicklungsamts. Alle       einen bestehenden, unveränderten Schienenweg handelt.
2020 den Bebauungsplan beschlossen. Trotz »beschleu-          meinheit Im Grundbuch eingetragen. Im Gegenzug hatte          Stellungnahmen und findet man im Netz unter www.berlin.de / ba-mitte /politik-     Im Rahmen des Realisierungswettbewerbs sollen jedoch
nigtem Verfahren« wurden dazu neun Jahre benötigt.            der Bezirk auf sein Vorkaufsrecht im Sanierungsgebiet ver-    und-verwaltung / bezirksamt / beschluesse-des-bezirksamts /2020 unter dem Da-      einzelne Maßnahmen zum Lärmschutz geprüft werden. So
­Allerdings sind die Verhältnisse in dem betroffenen Ab-      zichtet.                                                      tum 04.08. 2020 als »Anlage 2 zur BA-Vorlage 1198/2020«.                           können z. B. kleinräumig wirksame lärmabschirmende Ge-
 schnitt zwischen Jannowitz- und Michaelkirchbrücke auch      Anderenorts wurden Uferstreifengrundstücke vom Land                                                                                              staltungselemente integriert werden, um die Aufenthalts-
 besonders vertrackt.                                         Berlin bereits erworben. Obwohl der Kaufpreis dabei wert-                                                                                        qualität in Teilbereichen zu erhöhen. Verbleibende Lärm-
                                                              gemindert ist, war das für die Eigentümer oftmals ein gutes                        Stellungnahme eines Anwohners                                 belastungen sind nicht vermeidbar, müssen in der Ab­
Denn hier führt der künftige Uferweg am Heizkraftwerk         Geschäft: Denn durch den Verkauf wurden sie auch von                                                                                             wägung mit übrigen Planungszielen, insbesondere den
Mitte vorbei. Zwar wurde bereits Mitte der 1990er Jahre       der Zuständigkeit für die Spundwände an der Spree befreit                          »Der nun öffentlich bekannt gemachte Bebauungsplan            Belangen von Freizeit und Erholung, sowie im Hinblick
der Uferweg am Kraftwerk zu einem begehbaren Weg um-          – und die sind an manchen Stellen reparaturbedürftig. In-                          1-81 irritiert in weiten Teilen. In der Rungestraße 21c ist   auf die nur untergeordnete Aufenthaltsfunktion der Flä-
gebaut (und dabei sogar mit beheizbaren Parkbänken aus-       zwischen hat sich auch herausgestellt, dass der Bund als                           spreeseitig die Lärmbelastung jetzt schon unerträglich        chen, hingenommen werden. Bei einer ordnungsgemäßen
gestattet). Öffentlich zugänglich war dieser Bereich aber     Eigentümer der Wasserstraße für die oft hohen Kosten die-                          (und die Schlafzimmer in meiner Wohnung sind leider           Benutzung des Uferwegs sind erhebliche Lärmbelästigun-
nie: Ein massiver Zaun zur Michaelkirchstraße hin verhin-     ser Reparaturen nicht aufkommt, denn für die Unterhal-                             auch spreeseitig gelegen). Hier ist unter anderem die Lärm­   gen für die Nachbarschaft nicht zu erwarten. Darüberhin-
dert eine öffentliche Nutzung seit etwa einem Viertel­        tung der Uferwände ist in der Regel der »landseitige«                              belastung durch die S-Bahnen und Züge zu erwähnen, ins-       ausgehender, sogenannter »verhaltensbedingter Lärm« ist
jahrhundert. Mit dem Bebauungsplan sind jetzt die Vor-        Grundstückseigentümer zuständig.                                                   besondere jedoch das Bremsen der Züge in der Kurve der        dem Betrieb des Uferwegs nicht zuzurechnen. Er ist nach
aussetzungen dafür geschaffen, dass sich dies in absehba-                                                                                        Jannowitzbrücke (lautes und langanhaltendes Quietschen        Maßgabe des Landesimmissionsschutzgesetzes unzulässig
rer Zeit ändern könnte.                                       Der nunmehr beschlossene B-Plan soll jetzt als Grundlage                           auch nachts) bei Zügen, die am Ostbahnhof halten wer-         und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die
                                                              für die weitere Planung des Uferwegs dienen, der im an-                            den. Es ist zu erwarten, dass mit Eröffnung des BER auch      angedachten Sondernutzungen auf dem geplanten Ufer-
Das Kraftwerk ist nämlich in mehrerlei Hinsicht mit dem       grenzenden Abschnitt zwischen Michaelkirchstraße und                               die Taktung der Regionalbahnen, die zum BER fahren, er-       weg können und sollen jedoch nur insoweit geplant bzw.
Spreeufer verflochten: So befindet sich auf dem Abschnitt     Engeldamm zunächst einmal als Provisorium errichtet                                höht wird und damit die Lärmbelästigung weiter steigen        zugelassen werden, wie sie die Anforderungen an den
die Hafenanlage, über die u.a. das Öl angeliefert wird, das   werden wird. Die Landschaftsarchitektinnen und -archi-                             wird. Erwähnt wird in Ihrem Bebauungsplan nur Schie-          Lärmschutz für die Nachbarschaft einhalten. Die Belange
Ch. Eckelt

den Notbetrieb sichern soll, falls die Gasversorgung aus      tekten, die für beide Abschnitte konkretere Entwurfsideen                          nenschmiereinrichtungen. Dies wird nicht ausreichend          der anliegenden Wohnnutzungen werden bei der Gestal-
­irgendwelchen Gründen unterbrochen sein sollte. Von die-     entwickeln sollen, finden jedenfalls in den Materialien                            sein. Auch eine Lärmschutzwand sollte installiert werden.     tung berücksichtigt. Es ist zudem offensichtlich, dass auf-
 sem Hafen führen eine Pipeline und ein unterirdischer        zum B-Plan reichhaltigen Lesestoff: Alleine die dem Be-                            Als weitere Lärmbelästigungen sind hiesige Partylocations     grund der geringen Größe der – neben den für Wege-, An-
 Verbindungsgang zum Kraftwerk. Im fraglichen Bereich         zirksamtsbeschluss beigefügte »Begründung zum Bebau-                               zu nennen, die sich nicht an die Nachtlärmschutzimmissi-      pflanz- und ggf. Entwässerungsflächen – für Freizeitaktivi-
 steht zudem ein Bauwerk für die Ver- und Entsorgung mit      ungsplan 1-81« umfasst 67 Seiten.                      cs                         onsgrenzwerte halten, so dass teilweise die ganze Nacht       täten zur Verfügung stehenden Flächen, die ergänzenden
 Kühlwasser, das für den Betrieb des Kraftwerks unabding-                                                                                        durch bis ca. 5 Uhr das Schlafzimmer trotz dreifachverglas­   Nutzungsangebote lediglich kleinere, vereinzelte Anlagen
 bar ist. Das Land Berlin kann hier also nicht den für den                                                                                       ten Fenstern einer elendigen Bassbeschallung ausgesetzt       umfassen können.«
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
8 —— E CKE KÖP ENIC KER                                                                                                                                                                                                                                                  E CKE KÖPE NI CKE R—— 9

 Neues vom Bürger­verein                                                        nen der Verein als Anerkennung Gutscheine von Cafés,
                                                                                Restaurants und Servicebetrieben unseres Viertels überrei-     Die Glockengasse 4711
                                                                                chen wollte. Die Gutscheine sollten über die Spendenakti-
­Luisenstadt                                                                    on finanziert werden, was gleichzeitig – neben dem Dan-        der Luisenstadt
                                                                                keschön für die Alltagshelden – auch die Cafés und Restau-
                                                                                rants im Kiez in der finanziellen Krise unterstützen sollte.   Fluchtweg durch die Mauer
                                                                                Die Aktion konnte am 13. August mit der Überreichung der
                                                                                Gutscheine abgeschlossen werden. Der Verein erlebte dabei
                                                                                große Freude und Zustimmung, erfuhr aber auch von neu-         Inzwischen ruft die Bezeichnung »Glockengasse 4711«
                                                                                en Problemen. Insgesamt waren durch Spenden 2550 Euro          nicht mehr bei allen die Erinnerung an das Parfüm
                                                                                zusammengekommen. Das ergab 162 Gutscheine im Wert             ­Kölnisch Wasser hervor. Wo war in der Luisenstadt die
                                                                                von 16 Euro. Der Bürgerverein bedankt sich noch einmal          Glockengasse 4711? Es war ein etwas rätselhaft verwinkel-
                                                                                bei allen Spenderinnen und Spendern sowie bei der Woh-          ter Weg durch die Kanalisation unter der Neuen Grünstra-

                                                                                                                                                                                                                                                                                   F. Hennig
                                                                                nungsbaugenossenschaft BEROLINA und die Wohnungs-               ße und der Seydelstraße. Klar, dass es in der Kanalisation
                                                                                baugesellschaft Mitte (WBM) für die Unterstützung.              nach allem anderen, nur nicht nach Parfüm riecht und es
                                                                                                                                                sich also um eine ironische Glockengasse handelt. Es war
                                                                                                                                                der erfolgreichste Fluchtweg durch die Mauer oder genau-
                                                                                Putzaktion am Engelbecken                                       er, unter der Mauer hindurch.                                    Einstieg zur Freiheit, der Gullydeckel über der Kanalisation,
                                                                                Am 19. September heißt es »Gemeinsame Sache« – im Rah­          Entdeckt hatten diesen Weg zwei Ostberliner Ehepaare:            durch die 500 Menschen aus Ostberlin nach Westberlin ent-
Ch. Eckelt

                                                                                men der Berliner Freiwilligentage. An diesem Samstag lädt       Ulrich und Waltraud Schulze und Hans und Gerda Liedtke.          kamen.
                                                                                der Bürgerverein zwischen 10 und 13 Uhr alle Vereinsmit-        Schon vor dem Mauerbau wollten sie in den Westen und
                                                                                glieder und Anwohner wieder zu einer Reinigungsaktion           wurden vom 13. August 1961 überrascht. Bis zu ihrer gelun-       wurde die erfolgreichste Aktion dieser Art: Ca. 500 Men-
                                                                                am Engelbecken ein, um den Teich und das Umfeld von             genen Flucht durch die Glockengasse am 13. September             schen konnten so bis zum 14. Oktober 1961 in den Westen
                                                                                Müll und Unrat zu befreien.                                     desselben Jahres hatten sie nicht weniger als 14 gescheiter-     fliehen.
                 Anerkennung                                                    Treffpunkt ist die Plattform über dem Café am Engel­            te Fluchtversuche hinter sich.                                   Das lag an der professionellen Organisation mit Arbeitstei-
                 Die schönste Nachricht zuerst: Der Bezirk Mitte zeichnet       becken. Bitte Arbeitsbekleidung, Handschuhe und festes          Der Tunnel war so niedrig, dass sie nur auf allen vieren vor-    lung: Läufer, die in der Wallstraße die vom U-Bahnhof Spit-
                 den Bürgerverein mit der Bezirksverdienstmedaille aus –        Schuhwerk mitbringen und auch den Mund-Nasenschutz              ankriechen konnten. Es knallte zweimal laut, die Frauen          telmarkt kommenden Flüchtenden in Empfang nahmen
                 es ist eine offizielle und wohlverdiente Anerkennung für       nicht vergessen! Und wer Unrat aus dem Wasser holen             waren überzeugt, ihre Männer seien erschossen worden.            und an die »Deckelmänner« an der Ecke Wallstraße und
                 sein langjähriges Engagement. Der Bürgerverein Luisen-         will, muss sich Badesachen und Badeschuhe mitbringen.           Aber es war nur ein Auto über einen losen Gullydeckel ge-        Neuer Grünstraße übergaben. Diese begleiteten sie zum
                 stadt gründete sich bereits 1991 mit engagierten Anwohne-      Um Gerätschaften und Container zum Einsammeln küm-              fahren. Sie wurden alle mehrfach von aggressiven Ratten          Gully, öffneten ihn und wiesen sie genau ein. Die Flücht-
                 rinnen und Anwohnern aus Ost und West, die ja an diesem        mert sich der Bürgerverein Luisenstadt e.V.                     gebissen, ohne dass sie diese abwehren konnten. Ein Gitter       linge stiegen teils im Viertelstundentakt in Gruppen ein
                 Ort unmittelbar aufeinandertrafen: Denn die historische        Nach getaner Arbeit gibt es eine kleine Erfrischung.            versperrte ihnen den Weg, das sie nicht durchsägen konn-         und wurden von Fluchthelfern aus Westberlin am Gitter
                 Luisenstadt war erstmals durch die Gründung Groß-Ber-                                                                          ten, weil direkt über ihnen die bewachte Mauer und die           mit Lichtzeichen in Empfang genommen. Die Ratten ge-
                 lins vor 100 Jahren geteilt worden – mit dem Zuschnitt der                                                                     Grenzer standen. Schließlich fanden sie im Sinne des             wöhnten sich an den Verkehr und bissen die kriechenden
                 Berliner Bezirke befand sich die südliche Luisenstadt von      Mehr Wasser für die Bäume: Gießen mit der AG Grün               ­Wortes in der Scheiße grabend unter dem Gitter einen 30         Menschen nicht mehr.
                 nun an im Bezirk Kreuzberg, der Nordteil gehörte zum Be-       Auch wenn es manchem in diesem Sommer vielleicht                 Zentimeter schmalen Durchlass. Sie mussten sich nackt           Noch dramatischer als die erste Flucht war die letzte in der
                 zirk Mitte. Und 1961 wurde das historische Gebiet noch-        nicht so vorkam: Es ist immer noch viel zu trocken, nicht        ausziehen, um sich durch ihn hindurchzudrücken. Gerda           Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1961. Eine Streife der
                 mals durch die Berliner Mauer zerschnitten. Nach dem           nur in den Wäldern, sondern auch für das Stadtgrün. Die          Liedtke blieb beim Versuch, mit Kleidung hindurchzukom-         Grenzer entdeckte den noch offenen Gullydeckel und
                 Mauerfall 1989 fanden schließlich Luisenstädter von hüben      pflanzen leiden unter dem Trockenstress der letzten Jahre,       men, hängen, so dass Ulrich von vorn ziehen musste, wäh-        schloss richtig, dass hier Menschen versuchten, in den
                 und drüben zusammen, um die Geschichte des Quartiers           und auch dieses Jahr reichte der Regen bei weitem nicht          rend Hans von hinten schob.                                     ­Westen abzuhauen.
                 wieder sichtbar zu machen, sich für den Erhalt historischer    aus, um in der Tiefe die Baumwurzeln ausreichend zu ver-         Doch schließlich hatten sie es geschafft und auch, dass es       Den Flüchtlingen half das Glück, dass oberirdisch der Ver-
                 Substanz einzusetzen, ein nachbarschaftliches Miteinander      sorgen.                                                          ihnen unmöglich war, einen der Gullydeckel im Westen             lauf des Mischwasserkanals nicht zu erraten war. Denn er
                 zu fördern und sich für ein lebenswertes Wohngebiet zu         Die »AG Grün für Luise« des Bürgervereins unterstützt            anzuheben und aus dem Kanal zu steigen, minderte ihre            biegt nach etwa 100 Metern fast rechtwinklig links unter
                 engagieren. Dabei entwickelte sich im Laufe der Jahre ein      seit geraumer Zeit die Bewässerung von Bäumen und                gute Laune nicht: Sie waren im Westen!                           die Seydelstraße ab, anstatt, wie man überirdisch annimmt,
                 überaus vielfältiges Vereinsleben, die Liste der Erfolge und   Sträuchern im Kiez und trifft sich zu gemeinsamen Gieß-          Erst unter der Gitschiner Straße neben dem Patentamt war         geradeaus zur Kommandantenstraße zu führen, wo die
                 Aktivitäten ist zu lang, um sie hier würdigen zu können.       aktionen. Der neue Gieß- und Aktionskalender verzeich-           ein Deckel lose und sie konnten aussteigen. Niemand be-          Mauer stand. Volkspolizisten rissen in der Kommandan-
                 Herzlichen Glückwunsch also zur Medaille! Sie wird am          net die wechselnden Aktionsorte und Termine.                     achtete im morgendlichen Berufsverkehr die stinkenden            tenstraße alle Kanaldeckel auf, leuchteten in die Schächte,
                 22. September im Teehäuschen im Tiergarten feierlich ver-      Nächster Termin ist Samstag, der 10 Oktober. Dann wird           Flüchtlinge. Sie setzten sich auf die Verkehrsinsel und leer-    stellten sich mit Maschinenpistolen im Anschlag auf und
                 liehen.                                                        zur »Razzia: Götterbaum-Aktion« geladen, denn in den             ten eine Flasche Weinbrand, die sie zum Aufwärmen bei            warfen Tränengasgranaten hinein. Auf der Westseite wie-
                                                                                letzten trockenen Hitzesommern haben sich an Straßen-            Kälte mitgenommen hatten.                                        derum rissen die Fluchthelfer die Deckel auf, damit sich
                                                                                rändern, in Parks und rings um Spielplätze und verwilderte       Von dieser erfolgreichen Flucht erfuhr die Girrmann-             das Gas verziehen konnte.
                 Aktion Dankeschön                                              Gebüsche die Jungpflanzen des Götterbaums stark ver-             Gruppe, auch bekannt als »Unternehmen Reisebüro«. Es             Happy End: Die letzten Flüchtenden wurden in Westberlin
                 Die vom Bürgerverein gestartete Spendenaktion AKTION           mehrt. Die Schößlinge sprießen bis zu 4 Meter im Jahr und        war eine studentische Fluchthilfegruppe der Freien Uni-          fast ohnmächtig aus der Kanalisation gezogen. Aber es gab
                 DANKESCHÖN (wir berichteten in unserer letzten Aus­            bedrohen durch ihre massenweise Ausbreitung heimische            versität Berlin um Detlef Girrmann, Dieter Thieme und            keine Verhaftungen.                           Falko Hennig
                 gabe) sollte ein Dankeschön und eine Würdigung der Leis­       Bäume und Pflanzen. Wo das schnell wuchernde Gehölz              Bodo Köhler. Thieme erkannte die Möglichkeiten dieses
                 tungen jener »Alltagshelden« sein, die auch während des        (von der EU wird es in der Liste invasiver Arten geführt)        neuen Weges. Zuerst sägten Studenten mit viel Zeit in           Der Autor lädt täglich zum Stadtspaziergang »Die Mauer
                 Lockdowns dafür sorgten, dass das Leben im Viertel weiter      einmal wurzelt, überwuchert es alles und ist nur noch sehr       nicht weniger als drei Nächten das Gitter durch, setzten es     der Luisenstadt« (min. 5 Teilnehmer, 2h / € 12,–, in der
                 funktioniert, und die teils auch heute noch unter erschwer-    schwer auszumerzen.                                              danach wieder ein und machten die Fugen durch Ver-              ­Corona-Zeit auch telefonisch) durch die Luisenstadt und
                 ten Bedingungen arbeiten müssen: in Super- und Drogerie-       Mitstreiter sind herzlich willkommen!                            schmieren mit Exkrementen unsichtbar.                            den schmalsten Park Berlins ein, Treffpunkt: 11 & 14 Uhr,
                 märkten, den Apotheken und Pflegediensten. Rund um das         Weitere Informationen unter                                      Ab dem 25. September 1961 begann die Gruppe, DDR-Bür-            U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße Ecke Köpenicker,
                 Heinrich-Heine-Viertel waren das etwa 170 Menschen, de-        www.buergerverein-luisenstadt /aktuelles               us       ger durch diesen Kanal in den Westen zu schleusen. Es            ­Anmeldung erforderlich (0176) 20 21 53 39.
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
10 —— EC KE KÖP ENIC KER                                                                                                                                                                                                 AUS DE M BE ZI R K MI T TE —— 11

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        ——       10 0 J A H R E G R O S S - B E R L I N                                                                       Börsencrash von 1929, der vielen hoffnungsvollen Ent-         entgegenzuwirken. In der Folge wird der soziale Woh-
                                                                                                                               wicklungen wieder ein Ende setzte. Und auch der Skandal       nungsbau zu einem der wichtigsten Themen der Stadt, die
                                                                                                                               um den Berliner Bürgermeister Gustav Böß war durchaus         »Baumaschine« springt an: Zahlreiche Siedlungen nach

»Chaos & Aufbruch –                                                                                                            folgenreich.
                                                                                                                               Aufschlussreich sind aber auch beispielsweise die sehr un-
                                                                                                                                                                                             dem Prinzip Licht, Luft, Sonne entstehen im Stil der Mo-
                                                                                                                                                                                             derne, die heute immer noch vorbildhaft sind und zum
                                                                                                                               terschiedlichen Reaktionen auf das »Groß-Berlin-Gesetz«       Unesco-Welterbe zählen.
Berlin 1920 I 2020«                                                                                                            – während vorwiegend proletarische Innenstadtgebiete den      Die Synchronisierung unterschiedlicher Verkehrsbetriebe,
                                                                                                                               Zusammenschluss befürworteten, wehrten sich die bürger-       Verkehrsmittel und -systeme ist eine weitere Mammutauf-
Eine überaus empfehlenswerte                                                                                                   lich geprägten, wohlhabenderen Stadtteile wie z.B. Zehlen­    gabe. Noch heute ist es erstaunlich, in welchem Tempo da-
­Ausstellung im Märkischen Museum                                                                                              dorf und Randgemeinden wie Spandau oder Köpenick ve-          mals der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und ertüchtigt
                                                                                                                               hement dagegen. Diese Gegenbewegung setzte schon vor          wurde, um Millionen Menschen durch die Stadt zu trans-
»Im Kaiserreich ist die Wohnung eine Ware, die von priva-                                                                      der Gesetzgebung ein und hielt teils noch bis Ende 1924 an.   portieren.
ten Investoren gehandelt wird. Sogenannte Terraingesell-                                                                                                                                     Wo die Stadt sich enorm verdichtet, wächst natürlich auch
schaften erwerben mithilfe von Banken und Kapitalanle-                                                                         Bau- und Verkehrspolitik                                      das Bedürfnis nach Freiräumen und Erholung. In dieser
gern große Areale, um sie zu erschließen und zu bebauen.                                                                                                                                     Zeit entstehen die Volksparks, überhaupt Park- und Grün-
Besonders lukrativ sind hochwertige Immobilien für das                                                                         Ein Schwerpunkt ist natürlich die Wohnungspolitik im          anlagen für alle, aber auch Strand- und Freibäder wie jenes
vermögende Bürgertum. Mietwohnungen für Geringver-                                                                             neuen Berlin: Der Wohnungsmangel ist eklatant und eines       am Wannsee oder zahlreiche Sportplätze.
diener rentieren sich durch extreme Wohndichte, minder-       Willy Dzubas: S-Bahnhof Gesundbrunnen während des Baus           der größten Defizite der Stadt, die auch durch Zuwande-       Dabei versammelt die Ausstellung eine Fülle historischer
wertige Ausstattung und Vernachlässigung der Bausub-          der U-Bahnlinie D (heute: U8), 1929                              rung förmlich explodiert: Die um die Mitte des 19. Jahr-      Dokumente, Fotografien und Exponate (etwa ein alter Ha-
stanz. Gewinnspekulation treibt die Mieten in die Höhe.«                                                                       hunderts begonnene Industrialisierung und die weiter ex-      nomag) ebenso wie anschauliche Grafiken, per Knopfdruck
                                                                                                                               pandierende Industrie mit ihrem hohen Bedarf an Arbeits-      abrufbare Filmaufnahmen oder spielerische Elemente.
Das kommt Ihnen irgendwie so vertraut vor? Es ist eine        teils sehr unterschiedlichen Stadtteilen auszugleichen.          kräften sorgte für einen stetigen Zustrom vom Land in die     Wirklich beeindruckend ist, wie es in der Gesamtheit des 1.
Beschreibung des Berliner Wohnungsmarktes vor 1920.           Eine »Politik für alle« hatte zum Ziel, allen in der Stadt le-   Stadt, die Arbeit, Lohn und auch Freiheit versprach. Sie      Teils gelingt, die Stimmungen jener Zeit lebendig werden
Und es ist nicht die einzige Parallele zum heutigen Berlin,   benden Menschen einen Mindeststandard bei Bildung, Ge-           alle mussten irgendwo wohnen, möglichst in der Nähe der       zu lassen, die drückende Not ebenso wie den Aufbruchs-
wie man an Sätzen wie den folgenden sieht:                    sundheit, Wohnen und Erholung zu ermöglichen. Zudem              Fabriken – die Folge war ein immer dichteres Geflecht von     geist, den Galuben an die Moderne und an Fortschritt.
»Der moderne Großstadtverkehr bewegt auch die Gemüter         war endlich auch eine einheitliche Verkehrs- und Stadt­          Mietskasernen, oft mit engen, dunklen Hinterhöfen, in de-
der Fahrgäste: Weite Entfernungen schrumpfen, die All-        planung möglich. Das Groß-Berlin-Gesetz war somit die            nen insbesondere die Arbeiterfamilien zusammenge-             Zukunftsfragen
tagswahrnehmung wird beschleunigt und Zeit zu einem           Grundlage für die Metropole von heute.                           pfercht auf engstem Raum unter erbärmlichen Bedingun-
kostbaren Gut. Auf engem Raum begegnen sich Menschen          In der Ausstellung laden eine historische und eine aktuelle      gen lebten, während das Bürgertum in den Beletagen oder       Naturgemäß kann der zweite Teil, das gegenwärtige Berlin
verschiedenster sozialer Herkunft – unbeteiligt, neugierig    Zeitebene zu einer Entdeckungsreise ein, die von den Pro-        gleich in den vornehmeren Villenvierteln residierte.          mit seinen Zukunftspotentialen, nicht mit einer solchen
oder ablehnend.«                                              blemen der Stadt über Lösungsansätze bis hin zu ihren Zu-        Es galt um 1920 also nicht nur, die massive Wohnungsnot       dokumentarischen Fülle aufwarten – Zukunft ist nun mal
Oder: »Freie Fahrt für freie Großstädter? Viele Menschen      kunftspotentialen führt. Dabei geht es um Wohnen, Ver-           zu lindern, sondern auch, den schlimmsten Missständen         nicht vorhersehbar. Stattdessen formuliert die Ausstellung
möchten mit einem Privatfahrzeug mobil sein. (…) Berlin       kehr, Erholung, Verwaltung, um die Anbindung an das Um-                                                                        hier per Videos, Interviews und (manchmal eher futuris­
steht eine Verkehrswende hervor.«                             land und auch um Identität.                                                                                                    tisch-verspielten) Exponaten Fragen zu wichtigen Themen­
Oder: »Wem gehört das Tempelhofer Feld? Bereits im Kai-       Thematisch wie räumlich ist die Ausstellung klar struktu-                                                                      feldern. Sechs Impulsprojekte zeigen mit wissenschaftli-
serreich ist der Militärübungsplatz im Süden Berlins eine     riert: Der erste Teil im Erdgeschoss umfasst die Spanne                                                                        chen, künstlerischen oder journalistischen Beiträgen unter­
Spielwiese für Sportvereine, Ausflugsziel für Erholungssu-    von der Ausgangssituation in der Kaiserzeit über die gro-                                                                      schiedliche Ansätze der Auseinandersetzung und regen
chende und Austragungsort von Motorflugwettbewerben.«         ßen Veränderungen nach 1920 bis 1933. Mit der Machter-                                                                         zum Nachdenken und zur Debatte an. Weitere Elemente
Es gibt also einige Parallelen zwischen dem Berlin von        greifung der Nazis endet der erste Teil und führt durch                                                                        sind Umfragestationen für die Besucherinnen und Besu-
1920, das per Eingemeindung schlagartig zur Weltmetro-        ­einen »Zeittunnel« in den zweiten Ausstellungsteil im                                                                         cher zu wichtigen Themen. Und in der »Stadtwerkstatt«
pole wurde, und dem Berlin von heute. Ob Zuwanderung           Ober­geschoss, der sich der Gegenwart, dem Berlin von                                                                         können Ideen zum künftigen Leben in der Stadt entwickelt
und Bevölkerungswachstum, Wohnungsmangel, Großstadt­           2020 zuwendet.                                                                                                                und ausgetauscht werden.
verkehr oder Freiräume für Erholung – solche Themen und
Problemlagen bewegen die Stadt damals wie jetzt.              Politische und ökonomische Hintergründe                                                                                        »Chaos & Aufbruch« ist die zentrale Sonderausstellung des
                                                                                                                                                                                             Kooperationsprojekts »Großes B – dreizehnmal Stadt«, mit
1920, 2020 – zwei Zeitebenen                                  Besonders spannend, informativ und anschaulich aufberei-                                                                       dem das Stadtmuseum Berlin die zwölf Berliner Bezirks-
                                                              tet ist der erste Teil gelungen. Das liegt wohl auch in der                                                                    museen eingeladen hat, sich mit je einem dezentralen Aus-
»Chaos & Aufbruch – Berlin 1920 | 2020« heißt die Sonder-     Natur der Sache, schließlich gibt es unendlich viel Erzähl-                                                                    stellungsprojekt zu beteiligen. Zu den einzelnen Bezirks-
ausstellung zum Thema »100 Jahre Groß-Berlin«, die seit       stoff und museales Material über diese Zeit des allgemei-                                                                      ausstellungen lädt die Große Halle des Märkischen Muse-
Ende August im Märkischen Museum zu sehen ist. Mit            nen Umbruchs. Wunderbar ist es den Ausstellungsmachern                                                                         ums eindrucksvoll mit großen Bannern ein.
Blick auf die Vergangenheit und die Gegenwart Berlins         gelungen, die Schau nicht nur auf eine Weise in die histori-                                                                   Begleitet wird das Projekt von einem umfangreichen Pro-
geht sie der Frage nach, wie aus einem chaotischen Um-        schen Räume des Märkischen Museums zu bauen, dass bei-                                                                         gramm und dem Online-Portal 1000x.berlin mit Fotografi-
bruch ein konstruktiver Aufbruch gestaltet werden kann:       des miteinander harmoniert und doch ein reizvolles Span-                                                                       en und Biografien aus einhundert Jahren Groß-Berlin. us
Wie kann Großstadt gelingen?                                  nungsfeld bildet – darüber hinaus gelingt auch eine über-
Durch das »Groß-Berlin-Gesetz« hatte sich 1920 die Ein-       aus lebendige, nachvollziehbare Darstellung jener Zeit, der                                                                    »Chaos & Aufbruch«, Ausstellung im Märkischen Museum,
wohnerzahl Berlins quasi über Nacht verdoppelt – durch        politischen und ökonomischen Hintergründe und Zusam-                                                                           Am Köllnischen Park 5, noch bis 30. Mai 2021
Eingemeindung benachbarter, bis dahin selbstständiger         menhänge von Entwicklungen, aber auch von Stimmungen                                                                           Öffnungszeiten: Di–Fr 12–18 Uhr, Sa+So 10–18 Uhr
Städte und Gemeinden entstand eine der damals größten         und Zeitgeist.                                                                                                                 Eintrittspreis: 7,00 / erm. 4,00 Euro (inkl. Audioguide),
Städte der Welt. Mit 20 neu gebildeten Bezirken als Ver-      Deutlich wird beispielsweise, wie stark die Wirtschaftskri-                                                                    bis 18 Jahre Eintritt frei. Zur Ausstellung ist eine Broschüre
waltungseinheiten bemühte sich die Kommune, die großen        se und Hyperinflation von 1923 die Entwicklung der Stadt         Notenblatt »Die Wohnungsnot«, Couplet aus der Revue           erschienen, die im Museum kostenlos erhältlich ist.
finanziellen und sozialen Ungleichgewichte zwischen den       beeinflussten – kurz darauf gefolgt vom großen weltweiten        ­»Halloh! Halloh!«, 1919
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
12 —— AU S DEM BEZIRK MIT TE                                                                                                                                                                                                                                     AUS DE M BE ZI R K MI T TE —— 13

                 Mieterstadt dank
                                                                                   cherseits gedeckelt waren, also in den Jahren zwischen        In der Zeit der Beratungen der verfassungsgebenden Ver-
                                                                                   1922 und 1988. Etwa 665.000 Wohnungen in der Stadt ent-       sammlung der Bundesrepublik Deutschland, dem Parla-
                                                                                   standen zum Beispiel in der Nachkriegszeit zwischen 1949      mentarischen Rat in den Jahren 1948 und 1949, war die

                 Mietendeckel                                                      und 1978, als sowohl im West- als auch im Ostteil Berlins
                                                                                   Mietbegrenzungen galten. Nach der Freigabe der Mieten
                                                                                   und der Wiedervereinigung wurden in einem annähernd
                                                                                                                                                 staatliche Mietpreisbindung also ein nahezu selbstver-
                                                                                                                                                 ständlicher Teil der Konstitution Deutschlands. Deshalb
                                                                                                                                                 dürfte es auch nicht so einfach sein, dem Berliner Mieten-
                 In Berlin haben staatlich festge-                                 gleich langen Zeitraum nur etwa 205.000 neue Wohnun-          deckel grundlegende Verstöße gegen die Landesverfassung
                                                                                   gen gebaut (zwischen 1991 und dem Mikrozensus 2018).          Berlins oder das Grundgesetz der Bundesrepublik nachzu-
                 setzte Mietobergrenzen Tradition                                  Die Behauptung, dass deregulierte Märkte mit »unsichtba-      weisen.
                                                                                   rer Hand« quasi automatisch Wohnungen schaffen, ist also      In den 1950er Jahren galten staatlich regulierte Mieten
                                                                                   eine neoliberale Legende.                                     also auch in Westdeutschland. Erst in den 1960er Jahren
                 Berlin ist Mieterstadt wie kaum eine andere auf der Welt:                                                                       sollte sich das ändern: Im Jahr 1960 brachte das Kabinett
                 Nur etwa jede sechste Wohnung wird bei uns von ihren              »Reichsmietengesetz«: Mietpreisbindung für ganz               unter Konrad Adenauer das »Gesetz über den Abbau der
                 ­Eigentümern bewohnt. Damit ist das Land Berlin Spitzen-          Deutschland                                                   Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet-

                                                                                                                                                                                                                                                                                             Ch. Eckelt
                  reiter: in Gesamtdeutschland ist fast die Hälfte der Woh-                                                                      und Wohnrecht« in den Bundestag ein. Darin wurden die
                  nungen im Besitz ihrer Bewohner. Deutschland hat wie-            Eine staatlich verordnete Mietpreisbindung galt in der        Mieten für bis dahin preisgebundenen Wohnraum ab dem
                  derum in der Europäischen Union die niedrigste »Wohnei-          Weimarer Republik seit 1922, als das »Reichsmietengesetz«     1. Januar 1966 grundsätzlich freigegeben.
                  gentumsquote«. Es gibt also kaum eine andere Metropole           in Kraft trat. Darin wurden die Wohnungsmieten de facto
                  auf dieser Welt, in der Mietenpolitik eine ähnliche Rolle        auf den Stand der Vorkriegsmiete von 1914 eingefroren, sie    »Schwarzer Kreis« im Westteil bis 1988
                  spielt wie bei uns. In den vergangenen 100 Jahren waren in       durften damals nur um Zuschläge erhöht werden, die von                                                                       stark gestiegenen Mieten beigetragen, die seit Mitte der
                  Berlin staatlich verordnete Mietobegrenzen deshalb auch          den Landesbehörden per Verordnung festgesetzt wurden.         Tatsächlich verzögerte sich dies aber oft – in manchen         2010er Jahre bei dem Neuabschluss eines Mietvertrages zu
                  eher die Regel als die Ausnahme. Der »Mietendeckel«, der         Die maximale Miethöhe der allermeisten Wohnungen war          Städten bis in die Mitte der 1970er Jahre und im Westteil      entrichten sind. Aber auch die extremen Bodenwertsteige-
                  seit diesem Jahr für den größten Teil des Berliner Bestan-       also nicht mehr vom Kräftespiel des freien Marktes abhän-     Berlins sogar bis zum Jahr 1988. Solange galt hier der         rungen in der Stadt haben dieser Renaissance der Miet-
                  des an Mietwohnungen gilt und der zuvor für heftige De-          gig, sondern das Ergebnis von politischen Aushandlungen       »Schwarze Kreis«, in dem die Mietobergrenzen für Altbau-       preisregulierung den Boden bereitet: Warum soll die Stadt-
                  batten gesorgt hatte, ist für die Stadt also eigentlich nichts   auf Landesebene. Das Reichsmietengesetz wurde im Ver-         ten aus der Zeit vor 1948 vom Senat regelmäßig neu ausge-      politik auch tatenlos dabei zusehen, wie große Kapitalge-
                  Besonderes.                                                      lauf der Weimarer Republik eher noch verschärft: Ange-        handelt und festgesetzt wurden. Das war in der Bevölke-        sellschaften, internationale Fonds und ein kleiner Teil der
                                                                                   sichts der Weltwirtschaftskrise wurde z.B. im Jahr 1931 die   rung sehr populär, auch bei sonst eher konservativen Wäh-      Bevölkerung Jahr für Jahr immense Vermögensgewinne
                 Wohnungsbau trotz Mietendeckel                                    gesetzlich zulässige Miete per Notverordnung gesenkt.         lerschichten: Im Wettlauf der Systeme wollte man sich in       einstreichen, die letztlich von den Wählerinnen und Wäh-
                                                                                   Und auch die Nazis dachten gar nicht daran, die Mietpreis-    Westberlin lange Zeit offenbar keine Blöße geben, indem        lern über die Miete finanziert werden?
                 Gegen die staatliche Preisbindung für Wohnraum wird hef-          bildung wieder den Kräften des Marktes zu überlassen. Sie     man stark steigende Mieten riskierte, wie sie nach der Frei-
                 tig polemisiert, zum Teil mit falschen Behauptungen. So           verhängtem im Jahr 1936 sogar einen allgemeinen Miet-         gabe etwa in München oder anderen westdeutschen Groß-          Mieterstadt als Standortvorteil
                 heißt es beispielsweise immer wieder, die staatliche Miet-        preisstopp, obwohl in dieser Zeit die Weltwirtschaftskrise    städten zu beobachten waren. Erst am Ende der 1980er
                 preisbindung verhindere den so dringend erforderlichen            längst überwunden war.                                        Jahre traute sich der schwarz-gelbe Westberliner Senat die-    Dazu kommt: Der Aufschwung, den Berlins Wirtschaft seit
                 Wohnungsbau in der Hauptstadt, weil sie private Investo-          Das Reichsmietengesetz war eine Reaktion auf die Woh-         sen Schritt zu. Allerdings gab es starken Widerstand in der    etwa 2010 verzeichnete, war sehr eindeutig auf »weiche«
                 ren abschrecke. Dabei gilt der Mietendeckel ausdrücklich          nungsnot, die sich nach dem ersten Weltkrieg in ganz          Bevölkerung, rund 500.000 Unterschriften wurden gegen          Standortfaktoren wie bezahlbare Mieten zurückzuführen.
                 nur für Wohnungen, die bereits vor dem Jahr 2014 bezugs-          Deutschland ausgebreitet hatte. Der Wohnungsneubau war        den »Weißen Kreis« gesammelt, wie die Übergangsregeln          Das macht die Stadt international attraktiv für junge, gut
                 fertig waren: Neubauten aus späteren Jahren werden von            im Krieg faktisch eingestellt worden. Nach dessen Ende        genannt wurden. Die Wahl zum Abgeordnetenhaus im Ja-           ausgebildete Erwachsene, die hier, anders als in Metropo-
                 ihm gar nicht erfasst. Wer heute in Berlin ein Mietshaus          strömten Millionen Soldaten zurück in ihre Heimatorte,        nuar 1989 ging für die damaligen Regierungsparteien je-        len wie London, Paris, New York oder San Francisco, noch
                 bauen will, wird also vom Mietendeckel in keiner Weise            hinzu kamen Flüchtlinge: Kurz nach Kriegsende ging man        denfalls krachend verloren – CDU und FDP büßten zusam-         Wohnraum finden, der für Familiengründungen geeignet
                 eingeschränkt.                                                    von einem Fehlbestand von reichsweit rund einer Million       men mehr als 13% der Wählerstimmen ein. Die FDP flog           ist. Deshalb ist Berlin ja für jene Firmen so interessant, die
                 Zudem ist knapp zwei Drittel des Berliner Wohnungsbe-             Wohnungen aus. In Berlin verschärften sich die Konflikte      aus dem Parlament, die rechtspopulistischen »Republika-        diese jungen Erwachsenen brauchen, um innovative Pro-
                 standes in Zeiten entstanden, zu denen die Mieten staatli-        vor allem in den nördlichen, proletarisch geprägten Stadt-    ner« zogen stattdessen ein. Der letzte Westberliner Senat      dukte zu entwickeln. Eine Mieterstadt wie Berlin bietet
                                                                                   gebieten: hier gründeten sich etliche »Mieterräte«, die zu    unter Walter Momper war rot-grün.                              Vorteile, die Städte, in denen Wohneigentum dominiert,
                                                                                   Mietstreiks und zum Widerstand gegen Zwangsräumun-                                                                           nicht haben: Man braucht kein riesiges Eigen- oder Famili-
                                                                                   gen aufforderten. Diese Mieterräte polemisierten auch ge-     Neoliberale Wende nach 1990                                    enkapital, um neue Hausstände gründen zu können. Man
                                                                                   gen das geplante Reichsmietengesetz, das ihnen nicht weit                                                                    ist flexibel und kann seine Wohnsituation seinen Le-
                                                                                   genug ging: Auf einer Großkundgebung im Lustgarten im         Nach der Wiedervereinigung der Stadt brachen dann aber         bensumständen schnell anpassen. Es macht keine großen
                                                                                   Februar 1921 riefen sie zum Mieterstreik gegen das Geset-     auch in Berlin neoliberale Zeiten an: Staatlich regulierte     Umstände, in Berlin mal ein paar Jahre zu arbeiten – aus
                                                                                   zesvorhaben auf, der allerdings nach nur einem Monat          Mieten standen jetzt für das System der DDR und ihre           denen in diesem Lebensabschnitt schnell auch größere
                                                                                   weitgehend in sich zusammenbrach.                             stark vernachlässigte Altbausubstanz. Und die rapiden          Zeiträume werden. Und man findet als Berufseinsteiger
                                                                                                                                                 Steigerungen der Mieten im gesamten Stadtgebiet konn-          schnell ein Umfeld von Menschen mit ähnlichen Lebens-
                                                                                   Nach dem Krieg: Mietendeckel unumstritten                     ten als unvermeidliche Begleiterscheinung einer »Norma-        entwürfen. Das beschleunigt den Aufbau von Netzwerken,
                                                                                                                                                 lisierung« der Verhältnisse Berlins abgetan werden. Dass       die wiederum oft die eigentliche Grundlage für Innovatio-
                                                                                   Das Reichsmietengesetz erwies sich trotz turbulenter Zei-     es im Westteil gelungen war, mit Hilfe der »behutsamen         nen darstellen und die Stadt für Unternehmensgründer so
                                                                                   ten als sehr stabil und überstand, wie gesagt, auch den       Stadterneuerung« in relativ kurzer Zeit einen Großteil der     attraktiv macht: Als Mieterstadt scheint Berlin für das 21.
                                                                                   ­Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Auch in       Altbauten auch unter den Bedingungen einer staatlichen         Jahrhundert also sehr gut gerüstet zu sein!                cs
                                                                                    der Nachkriegszeit blieben in ganz Deutschland die Regu-     Mietpreisbindung zu sanieren, spielte in den wohnungs­
                                                                                    lierungen in Kraft. Angesichts der Wohnungsnot in den        politischen Debatten kaum eine Rolle.
Ch. Eckelt

                                                                                    zerbombten Städten und der vielen Millionen Flüchtlinge      Erst in jüngerer Zeit fanden sich in der Mieterstadt wieder
                                                                                    stand unmittelbar nach dem Krieg bei keiner politischen      politische Mehrheiten für stärkere mietenpolitische Ein-
                                                                                    Partei eine Reform dieses Gesetzes auf der Tagesordnung.     griffe wie den Mietendeckel. Dazu haben natürlich die
Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte) Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte) Ecke köpenicker nr. 4-sept /okt 2020 - Fördergebiet Luisenstadt (Mitte)
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