Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag

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Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Hauptversammlung des Deutschen Städtetages
vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund

Forenpapiere
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Fotos: S. 5 – 1. Wolfgang Borrs, 2. dielichtbildmanufaktur, 3. Laurence Chaperon / S. 10 – 1. Beatrice Teydel, 2. Gabriel Moreno,
3. Difu / S. 15 – 1. Marlen Helene, 2. Volker Wiciok, 3. Christoph Papsch / S. 20 – 1. privat, 2. Anja Beutler, 3. Armin Maier, 4. Werner Bartsch /
S. 24 – 1. Alexander Heimann, 2. privat, 3. Theo Klein, 4. Heike Schröder (VDV) / S. 29 – 1. privat, 2. privat, 3. privat, 4. ZGF

                            2     Forenpapiere
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Inhalt

Inhaltsverzeichnis

Forum A
Städte leben Zusammenhalt – Vielfalt und Integration gehören dazu                Seite 4

Forum B
Haushalts- und Sozialpolitik nachhaltig gestalten – für Jung und Alt             Seite 9

Forum C
Gemeinsam Herausforderungen meistern – in Europa und weltweit                    Seite 14

Forum D
Hochkultur und Freie Szene – Zusammenhalten im Quartier                          Seite 19

Forum E
Mobilität in Stadt und Region – nachhaltig und gemeinsam                         Seite 23

Interfraktionelle Frauensitzung
Gleichstellung – ein Gradmesser für Demokratie und
Zusammenhalt in den Städten                                                      Seite 28

                                                              Forenpapiere   3
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Forum A

Städte leben Zusammenhalt – Vielfalt und Integration gehören dazu
Die Fluchtmigration und die damit einhergehenden         vor Ort zu gestalten, die Integration von zugewanderten
Herausforderungen haben die öffentliche Diskussion       Menschen ist dabei ein wesentlicher Punkt. Wie steht
geprägt und prägen sie bis heute. In der Gesellschaft    es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den
kann eine Polarisierung entlang der Frage um die         Städten nach der Fluchtmigration in den letzten
Flüchtlingszuwanderung festgestellt werden. Zentrale     Jahren? Welchen Stellenwert hat die Integration? Mit
Aufgabe der Städte ist es, das soziale Zusammenleben     diesen Fragen wird sich das Forum beschäftigen.

        Mittwoch, 5. Juni 2019:        14:30 bis 15:30 Uhr

        Veranstaltungsort:             Messe Dortmund (Eingang Nord)
                                       Rheinlanddamm 200
                                       44139 Dortmund

                                       Der Raum wird vor Ort bekannt gegeben.

        Gesprächsrunde:                Prof. Dr. Thomas K. Bauer
                                       Vorsitzender des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen
                                       für Integration und Migration

                                       Wolfgang Griesert
                                       Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück und Stellvertreter
                                       des Präsidenten des Deutschen Städtetages

                                       Serap Güler
                                       Staatssekretärin für Integration im Ministerium
                                       für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes
                                       Nordrhein-Westfalen

        Moderatorin:                   Asli Sevindim
                                       Moderatorin WDR, Aktuelle Stunde

        Hauptgeschäftsstelle:          Dr. Uda Bastians
                                       Beigeordnete des Deutschen Städtetages
                                       im Dezernat Recht und Verwaltung

                                       Kirstin Walsleben
                                       Hauptreferentin des Deutschen Städtetages
                                       im Dezernat Recht und Verwaltung

                    4   Forenpapiere
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Forum A

              Prof. Dr.                    „Sozialer Zusammenhalt kann sich nur dort entwickeln, wo
   Thomas K. Bauer                         Menschen einander begegnen und kennenlernen. Deshalb ist es
     Vorsitzender des
                                           wichtig, dass Städte Räume bieten, in denen solche Begegnungen –
Sachverständigenrates
 deutscher Stiftungen                      über das Zusammentreffen in der Kita, in der Schule, am Arbeitsplatz
   für Integration und                     hinaus – stattfinden können und allen offenstehen, auch den neu
             Migration                     Zugewanderten. Städte können beispielsweise Akteure vor Ort
                                           fördern, die Flüchtlinge bei Behördengängen oder der Arbeitsplatz-
                                           suche unterstützen oder gemeinsame Freizeitaktivitäten anbieten.
                                           Damit die Integration gelingt, ist zielgruppengerechte Sprach-
                                           förderung besonders wichtig.“

„Osnabrück lebt als Friedensstadt den Leitgedanken „Frieden als                                Wolfgang Griesert
Aufgabe – dem Frieden verpflichtet“ und ist stolz auf ihre gelebte                             Oberbürgermeister der
                                                                                               Stadt Osnabrück und
Vielfalt. Zugewanderte sind seit Jahrzehnten Teil der Bürgerschaft.
                                                                                               Stellvertreter des
Anhaltend hohe Wanderungsintensitäten, eine wachsende diverse                                  Präsidenten des
Gesellschaft aber auch aktuelle Fluchtbewegungen erfordern jedoch                              Deutschen Städtetages
ein neues Denken im Sinne eines ganzheitlichen Integrations-
managements bei dem Stadtrat, Stadtverwaltung, Bürgergesellschaft
und Institutionen eng zusammenarbeiten.“

            Serap Güler                    „Mehr als 4,6 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen haben eine
     Staatssekretärin für                  Einwanderungsgeschichte. Vielfalt und Zusammenhalt machen
           Integration im
                                           unsere Stärke aus. 87 Prozent der Menschen mit Migrations-
  Ministerium für Kinder,
Familie, Flüchtlinge und                   geschichte fühlen sich ihrer Heimatstadt verbunden. Das belegt das
 Integration des Landes                    aktuelle Integrationsbarometer des Sachverständigenrates deutscher
    Nordrhein-Westfalen                    Stiftungen für Integration und Migration. NRW ist ein weltoffenes
                                           Land, in dem Integration gelingt. Unsere Kommunen leisten dazu
                                           einen wichtigen Beitrag. Denn: wie schnell und wie gut Integration
                                           gelingt, entscheidet sich vor Ort, wo die Menschen leben. Trotz des
                                           guten Integrationsklimas in Nordrhein-Westfalen stehen unsere
                                           Städte weiter vor großen Herausforderungen. Wir als Landes-
                                           regierung unterstützen sie dabei.“

                                                                            Forenpapiere   5
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Forum A

Forenpapier für das Forum A
                                                            Seit mehreren Jahren nimmt die Zuwanderung von
Eine Gesellschaft funktioniert nur gut, wenn ihre           Menschen deutlich zu, die zur Arbeitsaufnahme und
Bürgerinnen und Bürger gut zusammenleben. Ver-              Existenzgründung nach Deutschland kommen. Der
schiedene Entwicklungen in den vergangenen Jahren           überwiegende Teil stammt aus EU-Mitgliedsstaaten.
haben zu einem rasanten gesellschaftlichen Wandel           Nach Deutschland kamen und kommen aber auch
beigetragen. Globalisierung, Digitalisierung und            Menschen aus allen Teilen der Welt, die vor Bürgerkrieg
Zuwanderung befördern tiefgreifende Transformations-        und Verfolgung fliehen und Schutz und Zuflucht
prozesse, die Staat und Gesellschaft vor große Heraus-      suchen.
forderungen stellen. Durch die Fluchtmigration aus
Syrien und anderen krisenbehafteten Regionen 2015
und 2016 nach Europa wurde eine Brüchigkeit der
                                                            Zuwanderung verändert Stadtgesellschaften
Europäischen Union sichtbar. Aber auch die Stadt-
gesellschaften sind unmittelbar von diesen Ver-
                                                            Zuwanderung verändert die aufnehmende Gesellschaft.
änderungen betroffen: Zuwanderung verstärkt Hetero-
                                                            Kulturelle Vielfalt und sprachlicher Reichtum sind ein
genität und Vielfalt.
                                                            Gewinn für die Stadtgesellschaften. Gesellschaften, die
                                                            Vielfalt ermöglichen und die offen sind, sind seit jeher
Die Reaktionen auf die Fluchtmigration fallen in der
                                                            wirtschaftlich erfolgreicher, kulturell reicher und
aufnehmenden Bevölkerung sehr unterschiedlich aus.
                                                            kreativer als Gesellschaften, die sich abschotten.
Es kann eine Polarisierung entlang der Frage um die
                                                            Gerade in den Städten wird das Potenzial deutlich, das
Fluchtmigration festgestellt werden. Auf der einen Seite
                                                            Zugewanderte in unsere Gesellschaft einbringen und
gab und gibt es eine große Willkommenskultur sowie
                                                            die Chancen, die daraus für die Städte und die Gesell-
hohes ehrenamtliches Engagement, um Geflüchtete bei
                                                            schaft erwachsen. Viele zu uns kommende Menschen
ihrer Ankunft in der Gesellschaft zu unterstützen. Auf
                                                            sind jung, bringen Qualifikationen mit und den Willen,
der anderen Seite wurde gerade diese Willkommens-
                                                            sich dauerhaft einzubringen. In manchen Regionen
kultur zu einer Angriffsfläche, auch für rechts-
                                                            kann Zuwanderung den demografischen Wandel zwar
populistische Gruppierungen und Parteien. Es ver-
                                                            nicht aufhalten, aber doch zumindest abbremsen.
schaffen sich Stimmen deutlich Gehör, die die
Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft überschritten
                                                            Eine Erwerbsmigration innerhalb der EU steht dabei
sehen, den Verlust ihrer kulturellen Identität befürchten
                                                            unter anderen Vorzeichen als eine Fluchtmigration aus
und sich vor Überfremdung fürchten. In diesen Aus-
                                                            einem völlig anderen Gesellschafts- und Kulturkreis. So
einandersetzungen wird oft unterschieden zwischen
                                                            sind in der Gesellschaft kulturelle Veränderungen zu
der Zuwanderung von Fachkräften und der Migration
                                                            verarbeiten, die sich auf andere Lebensweisen,
aus humanitären Gründen.
                                                            bestimmte Wertvorstellungen und rechtliche Grund-
                                                            überzeugungen erstrecken. Diese Veränderungen sind
                                                            vielfältig und fordern die Gesellschaft heraus.
Zuwanderung in die Städte hat Tradition

In unseren Städten leben schon lange Zugewanderte
                                                            Offene und vielfältige Gesellschaft wird
und ihre Nachkommen aus vielen Nationen. Knapp
                                                            herausgefordert
jede vierte Person in Deutschland hat einen Migrations-
hintergrund. Etwa ein Drittel teilt die Zuwanderungs-
                                                            An vielen Orten in Deutschland sind gegensätzliche
geschichte über die Eltern, hat aber keine eigene
                                                            Interessen und Ideologien, insbesondere um die Flucht-
Migrationserfahrung mehr.
                                                            migration und Integration, deutlich zu Tage getreten. In
                                                            Teilen der aufnehmenden Gesellschaft hat die Flucht-
Die Städte blicken insofern auf eine lange Tradition von
                                                            migration Skepsis, aber auch Ablehnung und
Zuwanderung und erfolgreicher Integration Zuge-
                                                            Bedrohungsgefühle ausgelöst. Es kam und kommt zu
wanderter zurück. All diese Menschen sahen für sich in
                                                            populistischen Reaktionen. Zu beobachten ist ferner
Deutschland temporäre oder sogar dauerhafte
                                                            eine verschärfte politische Debatte. Lässt dies auf eine
Zukunftsperspektiven.

                      6   Forenpapiere
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Forum A

kontinuierliche Verschlechterung des Integrationsklimas     führt und auch nie abgeschlossen ist. Der aufnehmen-
in der Gesellschaft schließen?                              den Gesellschaft und ihren Lebensbedingungen muss
                                                            dabei die gleiche Aufmerksamkeit entgegengebracht
Mehrere Studien aus jüngerer Zeit (SVR, Mercator            werden, wie den Menschen, die neu in die Städte
Stiftung, DESI-Institut) sind dieser Frage nachgegangen     kommen. Denn Integration bedeutet Erneuerung – das
und haben ein weitgehend stabiles Integrationsklima         bezieht Einheimische und Zugewanderte mit ein.
festgestellt. Insbesondere dann, wenn kulturelle Vielfalt   Integration ausschließlich auf Neu-Zugewanderte zu
im Alltag erlebt wird, wird das Zusammenleben in der        beziehen, erweckt den Eindruck, dass die aufnehmende
Gesellschaft überwiegend positiv wahrgenommen. Eine         Gesellschaft keinen Integrationsanforderungen unter-
weitere wichtige Frage ist zudem, welche Kriterien          liegt, dass Integration statisch zu verstehen ist und
entscheidend sind, um zur Gesellschaft dazuzu-              führt dazu, dass die Integrationsbedarfe in den übrigen
gehören. Es zeigt sich, dass für die Akzeptanz von          Teilen der Gesellschaft vernachlässigt werden.
Zugewanderten prinzipiell erwerbbare Kriterien wichtig
sind: das Beherrschen der deutschen Sprache, eine           Diesem Prozess stellen sich die Städte. Die OECD hat
Erwerbstätigkeit und die Achtung der Gesetze. Weniger       jüngst festgestellt, dass die Integration in Deutschland
entscheidend sind Kategorien wie Geburtsland, ver-          besser gelingt als in Ländern mit vergleichbarer
brachte Lebenszeit in Deutschland oder                      Migrationsgeschichte. Gleichwohl brauchen die Städte
Religionszugehörigkeit.                                     Unterstützung! Deutschland muss Integration als
                                                            gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe verstehen. Bund
Bei allen positiven Signalen und Akzeptanz von Vielfalt     und Länder müssen die Städte weiter unterstützen,
gibt es jedoch Teile in der Gesellschaft, die die           wenn es um Kitas, Schulen und Wohnraum geht – für
Integrationsfähigkeit der Gesellschaft als bedroht anse-    Einheimische und Zugewanderte. Die Städte brauchen
hen. Diese Haltungen müssen ernst genommen und              ab 2020 eine verlässliche, auf Dauer angelegte
diskutiert werden, soll der Zusammenhalt nicht ernst-       Finanzierungsregelung für die Unterbringung und Ver-
haft in Gefahr geraten. Es muss in den Blick                pflegung sowie die Integration von Flüchtlingen. Die
genommen werden, dass soziale Ungleichheit, Armut           Städte erwarten, dass sich der Bund und die Länder
und Jugendarbeitslosigkeit den sozialen Zusammenhalt        auch in Zukunft maßgeblich an den Kosten der
gefährden kann. So kann auch der soziale Zusammen-          Kommunen beteiligen.
halt innerhalb einer Kommune auf Quartiers- und
Stadtteilebene unterschiedlich ausgeprägt sein.             Eine gelingende Integration ist unerlässlich für ein fried-
Wachsende kulturelle Vielfalt schwächt das gemein-          liches und den unterschiedlichen Interessen gerecht
schaftliche Miteinander dagegen nicht.                      werdendes Zusammenleben in der lokalen Gemeinschaft.

Integration gelingt vor Ort                                 Thesen und Fragestellungen für das Forum

Eine pauschale Gefährdung des sozialen Zusammen-            ● Debatte muss entdramatisiert werden
halts existiert jedoch nicht. Gleichwohl sind verstärkte
                                                            Die Debatte um Auswirkungen der Flüchtlingsmigration
Anstrengungen zur Verbesserung des Integrations-
                                                            auf den sozialen Zusammenhalt muss entdramatisiert
klimas erforderlich, soll der soziale Zusammenhalt nicht
                                                            werden. Die Akzeptanz von Vielfalt ist weiter groß. Das
ernsthaft in Gefahr geraten.
                                                            Integrationsklima wird von den Menschen in Deutsch-
                                                            land überwiegend positiv gesehen. Es gibt aber eine
Die Städte tragen engagiert dazu bei, dass die gesamt-
                                                            deutlich erkennbare Minderheit, die sich bedroht fühlt,
gesellschaftliche Aufgabe der Integration gelingt. Sie
                                                            die den sozialen Zusammenhalt in Deutschland für
haben bei der Integration viel Erfahrung. Integration
                                                            gefährdet hält. Die Integration darf sich nicht aus-
fordert die Städte aber auch heraus und verläuft nicht
                                                            schließlich auf Neu-Zugewanderte beziehen, sondern
problemlos.
                                                            muss die aufnehmende Gesellschaft einbeziehen.
                                                            Welche Strategien sind notwendig, um ein
Integration stellt einen dauerhaften gesamtgesellschaft-
                                                            Auseinanderdriften der Gesellschaft aufzufangen?
lichen Prozess dar, der immer wieder zu Veränderungen

                                                                                 Forenpapiere   7
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
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● Sprachkenntnisse sind ein entscheidender                  naher Beginn sollten der Regelfall sein. Aber auch die
  Erfolgsfaktor                                             Kursqualität und die Lernerfolge müssen eine wichtige
                                                            Rolle spielen.
Für eine gesellschaftliche Integration sind Kriterien wie
der Erwerb der deutschen Sprache, eine Erwerbstätig-
                                                            ● Städte brauchen finanzielle Unterstützung
keit oder die Achtung von Gesetzen von großer
Bedeutung. Zuversichtlich stimmt, dass die Arbeits-         Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Integration
marktintegration von Geflüchteten etwas schneller           muss weiter einen hohen Stellenwert haben. Die
vorangeschritten ist, als ursprünglich angenommen.          Anstrengungen zur Verbesserung des Integrations-
Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die       klimas sind fortzusetzen und zu verstärken. In den
Beschäftigungsquoten von Beschäftigten aus den              Städten entscheidet sich, wie schnell und gut
Hauptherkunftsländern mit rund 35 Prozent vergleichs-       Integration gelingt. Hierfür brauchen die Städte
weise gering sind. Fehlende Sprachkenntnisse, Schul-        weiterhin die Unterstützung von Bund und Ländern.
und Bildungsabschlüsse sowie berufliche Qualifikationen     Nur mit einer verlässlichen auf Dauer angelegten
sind nach wie vor eine große Hürde. Gute Deutsch-           Finanzausstattung lassen sich die anstehenden
kenntnisse sind ein entscheidender Erfolgsfaktor. Viele     Integrationsaufgaben bewältigen. Die Städte erwarten,
Geflüchtete verfügen trotz absolvierter Integrations-       dass sich der Bund und die Länder auch ab 2020 maß-
kurse über keine ausreichenden Sprachkenntnisse.            geblich an den Kosten der Integration beteiligen.
Eine schnelle Vermittlung in einen Kurs und ein zeit-

                      8   Forenpapiere
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
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Haushalts- und Sozialpolitik nachhaltig gestalten – für Jung und Alt
Die Alterung der Gesellschaft führt zu hohem Kosten-        zwischen Erträgen und Aufwendungen. Zu bedenken
druck. Gleichzeitig müssen die Kommunen flexibel auf        ist: Für welche Zwecke werden Steuermittel eingesetzt
neue gesellschaftliche Anforderungen reagieren              und mit welchen Wirkungen? Wo bestehen Gestaltungs-
können, zum Beispiel mit dem Ausbau der Kinder-             spielräume? Städtische Bilanzen bieten der Politik eine
betreuung. Verteilungskonflikte zwischen „Jung“ und         Entscheidungsgrundlage für Generationengerechtigkeit
„Alt“ sind zu lösen. Gleichwohl: Grundsätzlicher Maß-       und nachhaltiges Handeln.
stab für die Haushaltspolitik ist der jährliche Ausgleich

         Mittwoch, 5. Juni 2019:          14:30 bis 15:30 Uhr

         Veranstaltungsort:               Messe Dortmund (Eingang Nord)
                                          Rheinlanddamm 200
                                          44139 Dortmund

                                          Der Raum wird vor Ort bekannt gegeben.

         Gesprächsrunde:                  Katja Dörner
                                          Stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion
                                          Bündnis 90/Die Grünen

                                          Dr. Matthias Haß
                                          Sächsischer Staatsminister der Finanzen

                                          Prof. Dr. Carsten Kühl
                                          Geschäftsführer und Institutsleiter des Deutschen Instituts
                                          für Urbanistik

         Moderator:                       Michael Brocker
                                          WDR-Moderator

         Hauptgeschäftsstelle:            Verena Göppert
                                          Ständige Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers und
                                          Beigeordnete des Deutschen Städtetages im Dezernat Finanzen

                                          Stefan Hahn
                                          Beigeordneter des Deutschen Städtetages
                                          im Dezernat Arbeit, Jugend, Gesundheit und Soziales

                                          Dr. Birgit Frischmuth
                                          Hauptreferentin des Deutschen Städtetages
                                          im Dezernat Finanzen

                                          Regina Offer
                                          Hauptreferentin des Deutschen Städtetages
                                          im Dezernat Arbeit, Jugend, Gesundheit und Soziales

                                                                                Forenpapiere   9
Forenpapiere Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni 2019 in Dortmund - Deutscher Städtetag
Forum B

         Katja Dörner                           „Eine generationengerechte Haushalts- und Sozialpolitik kann nur
       Stellvertretende                         gelingen, wenn wir uns an einer nachhaltigen Entwicklung
       Vorsitzende der
                                                orientieren. Wir dürfen nicht auf Kosten künftiger Jahrgänge Politik
   Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen                           machen und auf diesem Weg Generationen gegeneinander aus-
                                                spielen. Gestaltungschancen müssen auch in der Zukunft gewahrt
                                                bleiben. Die „schwarze Null“ ist kein Wert an sich. Vielmehr bedarf es
                                                jetzt einer Investitionsoffensive: sei es im Klimaschutz, in der Bildung,
                                                beim Ausbau von Kitaplätzen oder bezahlbarem Wohnraum. Denn
                                                davon profitieren letztendlich alle Generationen.“

„Nachhaltige Finanzpolitik heißt für mich, dass wir durch gesunde                                   Dr. Matthias Haß
Staatsfinanzen die Grundlagen für die nächsten Jahrzehnte legen.                                    Sächsischer Staats-
                                                                                                    minister der Finanzen
Dazu gehören Investitionen in Bildung, Wachstum und Arbeitsplätze,
damit wir den Wohlstand in unserem Land sichern. Sachsen ist
Vorreiter bei der Schuldenbremse, weil wir nachkommenden
Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen wollen.“

Prof. Dr. Carsten Kühl                          „Gesellschaftliche Veränderungen werden auf der kommunalen
  Geschäftsführer und                           Ebene zumeist unmittelbar spürbar. Mehr Kinderbetreuung, eine älter
      Institutsleiter des
                                                und pflegebedürftiger werdende Gesellschaft, Emissionsgrenzwerte
Deutschen Instituts für
              Urbanistik                        von Fahrzeugen, Einkäufe im Internet oder zu wenig bezahlbarer und
                                                barrierefreier Wohnraum – Kommunalpolitik muss darauf reagieren:
                                                innovativ, kreativ, aber letztlich auch fiskalisch. Eine spannende
                                                Frage ist, wo sind die Kommunen in der Pflicht und wo ist es Pflicht
                                                von Ländern und Bund, den Kommunen die notwendigen finanziellen
                                                Rahmenbedingungen für kluge, zukunftsorientierte Lösungen zu
                                                bereiten.“

                            10   Forenpapiere
Forum B

Forenpapier für das Forum B                                Mutterschaft, Arbeitslosigkeit, Wohnen und allgemeine
                                                           Lebenshilfe.
Die Bevölkerungsstatistiken zeigen, dass die
Bevölkerung in Deutschland in den kommenden                Für die nähere Zukunft bis zum Jahr 2021 wird ein
Jahren altern und trotz Zuwanderung stark                  paralleler Anstieg der Sozialleistungssumme auf insge-
schrumpfen wird. Die Bundesbank hat im April 2017          samt 1,1 Billionen Euro und des BIP vorhergesagt. Die
berichtet, dass die Bevölkerungszahl bei den 15- bis       Bundesregierung erwartet, dass das BIP um jährlich
74-Jährigen bis zum Jahr 2025 um 2,5 Millionen             3,2 Prozent wächst und die Sozialleistungsquote im
abnehmen wird. Gleichzeitig steigt der Anteil der          Jahr 2021 bei ungefähr 30 Prozent liegt.
Älteren (zwischen 55 und 74 Jahren) auf etwa
40 Prozent an. Die Betrachtung der Altersgruppen
wurde bewusst weit gefasst, um auf die Bedeutung
                                                           Schlussfolgerungen für die Zukunft
der Frage der Erwerbsbeteiligung der Älteren und
                                                           der Sozialleistungssysteme
das Renteneintrittsalter hinzuweisen.

                                                           Die Bundesbank geht davon aus, dass das Wirtschafts-
Auch im Sozialbericht der Bundesregierung (2017)
                                                           wachstum ab dem Jahr 2021 durch die demografische
werden die Auswirkungen der seit Jahrzehnten
                                                           Entwicklung deutlich gebremst wird. Die Finanzierungs-
niedrigen Geburtenziffer und des kontinuierlichen
                                                           probleme der Sozialleistungen werden verstärkt durch
Anstiegs der Lebenserwartung auf die sozialen
                                                           steigende Ausgaben im Renten-, Gesundheits- und
Sicherungssysteme beschrieben. Der demografische
                                                           Pflegesystem. Auf dieses zu erwartende Missverhältnis
Wandel wird sich vor allem bei der Betrachtung der
                                                           zwischen den Leistungsansprüchen der alternden
einzelnen Altersgruppen zeigen. Die Zahl der Jüngeren
                                                           Gesellschaft und ihrer Leistungskraft muss im Sinne
geht trotz der Zuwanderung zurück. Die Zahl der
                                                           einer generationengerechten Politik reagiert werden.
Älteren ab 65 Jahren steigt dagegen stark an.

                                                           Generationengerechtigkeit erfordert, dass die Jüngeren
Ab dem Jahr 2021 wird ein deutlicher Rückgang der
                                                           nicht durch eklatante Steuer- und Abgabenerhöhungen
Erwerbstätigen durch das Ausscheiden der sogenannten
                                                           zum „Zahlmeister“ der gealterten Gesellschaft gemacht
Baby-Boomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt
                                                           werden. Die Rahmenbedingungen für eine möglichst
erwartet. Dieser Trend wird durch Ältere und Zuwanderer
                                                           umfangreiche Erwerbsbeteiligung, zum Beispiel der
am Arbeitsmarkt zwar gebremst, aber nicht aufge-
                                                           Ausbau der Kindertagesbetreuung und der
halten. Der demografische Wandel wird nicht nur das
                                                           Pflegedienstleistungen sowie Verbesserungen im
Arbeitsvolumen beeinflussen, sondern auch die
                                                           Bildungssystem, müssen vom Staat geschaffen und
Arbeitsproduktivität. Die Alterung der Gesellschaft wird
                                                           finanziert werden. Gleichzeitig müssen aber auch
daher zukünftig das Wirtschaftswachstum dämpfen.
                                                           erworbene Rechtsansprüche erfüllt und ein akzeptables
Dienstleistungen, zum Beispiel Gesundheits- und
                                                           soziales Sicherungsniveau für Jung und Alt gehalten
Pflegedienstleistungen, gewinnen gegenüber der
                                                           werden. Der seit langem bestehende Generationen-
Güterproduktion an Bedeutung. Die Produktivität von
                                                           vertrag muss eingehalten werden, um den sozialen
Dienstleistern ist aber in aller Regel geringer als im
                                                           Frieden nicht zu gefährden.
produzierenden Gewerbe.

                                                           Generationengerechte Haushaltspolitik –
Zusammenhang Wirtschaftskraft und
                                                           kann das gelingen?
Sozialleistungsquote
                                                           Gute wirtschaftliche Zeiten verleiten gern dazu, neue
Diese langfristige Prognose ist bedeutend, denn das
                                                           Ausgaben zu beschließen, weil Steuereinnahmen und
Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Sozialleistungs-
                                                           Zuwendungen steigen. Doch neue Programme mit
quote (Leistungen gemessen am BIP) müssen weiterhin
                                                           zusätzlichen Ausgaben müssen auch finanzierbar
in einem tragfähigen Verhältnis stehen. Die Sozial-
                                                           bleiben, wenn Steuereinnahmen zurückgehen oder
leistungsquote berücksichtigt die Themen Krankheit,
                                                           Zinsen steigen.
Invalidität, Alter, Hinterbliebene, Kinder, Ehegatten,

                                                                              Forenpapiere   11
Forum B

Kommunale Sozialausgaben steigen seit vielen Jahren       Regionale Disparitäten
überproportional an. Die Ursachen sind klar benannt:
mangelnde Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen,           Daten der Statistik signalisieren eindeutig, dass in den
Leistungsausweitungen und zunehmend größere               letzten Jahren regionale Disparitäten unübersehbar zuge-
Herausforderungen aufgrund einer sich ändernden           nommen haben. Aktuell muss es darum gehen, Investi-
Bevölkerungsstruktur.                                     tionen und Schuldenabbau voranzubringen, um den
                                                          wachsenden Disparitäten entgegenzuwirken und gleich-
Die Durchsetzung des Grundsatzes „Wer bestellt,           wertige Lebensverhältnisse in Deutschland herzustellen.
bezahlt.“ (Konnexitätsprinzip) ist entscheidend, um den
Kommunen wieder Gestaltungsspielräume zu eröffnen.        Strukturschwache Städte und Regionen dürfen nicht
                                                          abgehängt, sondern müssen gezielt gefördert werden.
                                                          Eine Lösung für die kommunalen Altschulden ist
                                                          gegenwärtig machbar und notwendig. Die Lösung kann
Neue Transparenz der Stadtpolitik
                                                          direkt erfolgen, indem der Bund und die betroffenen
                                                          Länder das Zinsrisiko verringern und den Kommunen
Knappe öffentliche Mittel und wachsende Komplexität
                                                          bei der Schuldentilgung helfen. Sie kann aber auch
erfordern Transparenz, um besser zu entscheiden. Ein
                                                          indirekt durch eine deutliche Erhöhung der Bundes-
prüfender Blick allein auf den jährlichen Haushaltsaus-
                                                          beteiligung an den Kosten der Unterkunft gelingen.
gleich zwischen Einnahmen und Ausgaben springt
deutlich zu kurz. Die Abbildung des vollständigen
Ressourcenverbrauchs (auch von Abschreibungen auf
kommunales Vermögen und Pensionslasten) schärft           Verbesserte Finanzausstattung –
den Blick auf die Belastungen künftiger Generationen      mehr kommunale Investitionen
durch heutige politische Entscheidungen.
                                                          Fehlende kommunale Gestaltungsmöglichkeiten sind
Seit der Einführung der kommunalen Doppik sind ent-       ursächlich für den Verfall kommunaler Infrastruktur in den
sprechende Daten verfügbar. Die Umstellung des            letzten Jahrzehnten. Kommunale Investitionen steigen
kommunalen Rechnungswesens der letzten Jahre war          selbst gegenwärtig nicht in dem Umfang, wie es ange-
mühsam. Die jetzt vorliegenden Zahlen sind oft unbe-      sichts des bestehenden Investitionsbedarfs notwendig
quem, der jährliche Haushaltsausgleich gestaltet sich     wäre. Investitionen haben seit Jahren eine extreme
schwieriger. Das mag anstrengend für die politischen      Spreizung: In Bayern sind sie je Einwohner nahezu drei-
Akteure sein. Um eine generationengerechte Haus-          mal so hoch wie in NRW je Einwohner. Mittlerweile
haltspolitik zu betreiben, ist es unvermeidbar.           investieren alle ostdeutschen Länder je Einwohner
                                                          weniger als der Durchschnitt der westdeutschen Länder.
Bürgerhaushalte, Geschäftsberichte und Kosten-
berichte geben Aufschluss über den Einsatz und die        Werden Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit und
Verwendung städtischer Mittel, aber auch über das         gesellschaftlicher Zusammenhalt als wesentliche
Leistungsspektrum der Städte. Finanzielle Kennzahlen      politische Zielsetzungen anerkannt, sind diese Unter-
(wie Gebühren und Kosten für städtische Kinder-           schiede ernst zu nehmen. Zur Sicherung gleichwertiger
einrichtungen) werden Leistungskennzahlen (wie dem        Lebensverhältnisse sind kommunale Investitionen ent-
Versorgungsgrad bei der Kinderbetreuung) gegen-           scheidend.
übergestellt. Solche Informationen werden für die
politische Debatte vor Ort, aber auch für inter-
kommunale Vergleiche genutzt. Auch bei sozialen
                                                          Thesen für das Forum
Dienstleistungen durch freie Träger sollte mehr
Transparenz eingefordert werden und gegebenenfalls
                                                          ● Abnehmende Wirtschaftskraft bei gleichzeitiger
Erfahrungen mit der Nutzung von Vergabeverfahren
                                                            Alterung der Gesellschaft
gesammelt werden.
                                                          Das Wirtschaftswachstum wird bis zum Jahr 2025 aus
                                                          demografischen Gründen deutlich zurückgehen. Bei
                                                          gleichzeitiger Alterung der Gesellschaft bedeutet dies

                     12   Forenpapiere
Forum B

eine ernstzunehmende Herausforderung der kommen-           und der kommunalen Ebene in Gänze zu konsolidieren,
den Jahre.                                                 um in den kommenden Jahren handlungsfähig zu blei-
                                                           ben. Der Bezug allein auf die Sozialbudgets für mögli-
● Generationengerechtigkeit                                che Lösungsansätze reicht nicht aus.

Jüngere dürfen nicht durch eklatante Steuer- und
                                                           ● Transparenz für generationengerechte
Abgabenerhöhungen zum „Zahlmeister“ der gealterten
                                                             Haushalte
Gesellschaft gemacht werden. Die Wirtschaftskraft
Deutschlands kann nur bei Schaffung der notwendigen        Basis für eine generationengerechte Haushalts-
Rahmenbedingungen weiter gesteigert werden. Der            steuerung sind Transparenz des vollständigen
Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Pflege-            Ressourceneinsatzes und die Benennung klarer Ziele
dienstleistungen entlasten Arbeitnehmerinnen und           für das Verwaltungshandeln, die über Kennzahlen
Arbeitnehmer. Verbesserungen im Bildungssystem             nachgehalten werden. Einheitliche Standards für die
ermöglichen die Ausschöpfung des Beschäftigungs-           öffentliche Rechnungslegung erhöhen die Transparenz
potentials. Es ist ein gesellschaftlicher Diskurs          und ermöglichen die bessere Vergleichbarkeit von
erforderlich u.a. über Chancen der Digitalisierung, eine   Daten zur Haushaltssteuerung und der Finanz-
Erhöhung des Arbeitsvolumens, zum Beispiel durch die       beziehungen zwischen der staatlichen und kommunalen
Verlängerung der Lebensarbeitszeit und weniger Teil-       Ebene.
zeitarbeit, sowie Einsparungen im Sozialsystem.
                                                           ● Abbau von regionalen Disparitäten und Sicher-
● Soziales Sicherungsniveau für Jung und                     stellung einer ausreichenden Mittelausstattung
  Alt erhalten
                                                           Um Haushaltspolitik vor Ort zukunftstauglich für Jung
Erworbene Rechtsansprüche müssen auch weiterhin            und Alt zu gestalten, müssen Altschulden abgebaut
erfüllt werden, um den seit langem bestehenden             und Investitionen in die kommunale Infrastruktur
Generationenvertrag einzuhalten und den sozialen           gesichert werden. Dafür bedarf es einer gesicherten
Frieden nicht zu gefährden.                                Finanzausstattung.

● Öffentliche Haushalte konsolidieren
Mit Blick auf den bevorstehenden demografischen
Wandel sind die öffentlichen Haushalte der staatlichen

                                                                              Forenpapiere   13
Forum C

Gemeinsam Herausforderungen meistern – in Europa und weltweit
Globale Ziele, kommunale Praxis: Herausforderungen        haltigkeitsziele der Vereinten Nationen für deutsche
wie der Klimawandel, die weltweite Armut oder der         Städte übersetzt werden? Welche Erwartungen haben
wachsende Urbanisierungsdruck fordern die Städte in       insbesondere Jugendliche mit Blick auf die Zukunft an
Deutschland, in Europa und weltweit. Welchen Beitrag      ihre Stadt? Wir wollen gemeinsam globale Ziele
leisten Kommunen zur Erreichung der Klimaziele oder       debattieren und ihre Bedeutung und Umsetzbarkeit für
zur Bekämpfung von Fluchtursachen und wo kommen           Städte diskutieren.
sie an Grenzen? Wie können die abstrakten Nach-

        Mittwoch, 5. Juni 2019:         14:30 bis 15:30 Uhr

        Veranstaltungsort:              Messe Dortmund (Eingang Nord)
                                        Rheinlanddamm 200
                                        44139 Dortmund

                                        Der Raum wird vor Ort bekannt gegeben.

        Gesprächsrunde:                 Luisa Neubauer
                                        Sprecherin der Jugendklimainitiative „Fridays for Future“

                                        Ullrich Sierau
                                        Oberbürgermeister der Stadt Dortmund

                                        Marlehn Thieme
                                        Präsidentin der Welthungerhilfe

        Moderatorin:                    Monika Zimmermann
                                        Moderatorin

        Hauptgeschäftsstelle:           Lina Furch
                                        Leiterin der Abteilung Europa und Internationales
                                        des Deutschen Städtetages

                                        Sabine Drees
                                        Referentin des Deutschen Städtetages
                                        in der Abteilung Europa und Internationales

                    14   Forenpapiere
Forum C

      Luisa Neubauer                         „Der Klimawandel führt zur größten Krise der Menschheit. Wir ziehen
        Sprecherin der                       die Notbremse, denn unsere Zukunft ist in Gefahr. All das, was ver-
  Jugendklimainitiative
                                             schlafen wurde, wird auf unsere Kosten gehen und auf die Kosten
   „Fridays for Future“
                                             des Planeten. Wir sind eine Protestbewegung, die an ganz klare
                                             zeitliche Limits gebunden ist und an physikalische Grundsätze, die
                                             unser Weltklima bestimmen. Wir müssen gemeinsam umdenken und
                                             begreifen, dass unser Planet endlich ist. Von der Politik auf allen
                                             staatlichen Ebenen und den Städten erwarten wir, dass sie die
                                             Augen aufmachen und entsprechend handeln. Wir brauchen eine
                                             Veränderung und deswegen gehen wir auf die Straßen und streiken.“

„Städte spielen eine entscheidende Rolle für die weltweite nach-                                 Ullrich Sierau
haltige und ressourcenschonende Entwicklung. Die westfälische                                    Oberbürgermeister der
                                                                                                 Stadt Dortmund
Metropole Dortmund lebt einen integrierten Nachhaltigkeitsansatz
und wurde dafür 2014 als Deutschlands nachhaltigste Großstadt
ausgezeichnet. Wir betreiben eine nachhaltige und integrierte Stadt-
entwicklungspolitik. Das heißt, alle unsere Maßnahmen und
Handlungen prüfen wir auf ihre ökonomische, ihre soziale, ihre
ökologische und ihre zivilgesellschaftliche – und damit ihre nach-
haltige – Bedeutung hin.“

     Marlehn Thieme                          „Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ist
      Präsidentin der                        für die Zukunft junger Menschen entscheidend – in Deutschland und
      Welthungerhilfe
                                             in den Ländern des Südens. Es braucht Bildung und Verständnis für
                                             die Situation der Menschen in anderen Kontinenten. Damit können
                                             im täglichen Leben wie auch in Politik und Wirtschaft Lösungen für
                                             die wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen den Klima-
                                             wandel gefunden werden, die jungen Menschen Zukunftsperspektiven
                                             eröffnen.“

                                                                             Forenpapiere   15
Forum C

Forenpapier für das Forum C                                sich für das Jahr 2030 eine Lücke zur Reduzierung von
                                                           CO2-Emissionen von 13,5 Gigatonnen.
Wie können die Klimaziele erreicht werden und welche
Erwartungen haben Jugendliche an die ältere Genera-        Staatliche Klimavereinbarungen und andere Selbstver-
tion und an ihre Stadt? Können Städte dazu beitragen,      pflichtungen, zum Beispiel auf kommunaler Ebene,
Fluchtursachen zu bekämpfen und Lebensbedingungen          reichen vielen Menschen nicht. Insbesondere Jugend-
in den Herkunftsländern zu verbessern? Wie können          liche rufen zum Streik für mehr Klimaschutz auf und
die abstrakten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten          sind Teil der weltweiten Bewegung „Fridays for Future“.
Nationen für deutsche Städte übersetzt werden? Im          Die junge Klimastreikbewegung ist weder an eine Partei
Folgenden werden die drängendsten Heraus-                  noch an eine Organisation gebunden und hat am
forderungen beschrieben und Thesen und Fragen zur          15. März 2019 in verschiedenen Städten weltweit laut
Diskussion gestellt.                                       Veranstaltern über 1,4 Millionen junge Menschen
                                                           mobilisiert.

Bekämpfung des Klimawandels
                                                           Was leisten die Kommunen?
Im Pariser Klimaabkommen, das 2015 während der
COP 21 verabschiedet wurde, haben sich alle Mitglied-      Immer mehr deutsche Städte gehen Selbstverpflich-
staaten der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, den      tungen ein zur Minderung von CO2-Emissionen und
Anstieg der Erdtemperatur auf deutlich unter 2°C zu        stellen Klimaschutzkonzepte auf. Neben der Energie-
begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, auch           einsparung und dem Einsatz erneuerbarer Energien
die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten. Das               stehen die energetische Gebäudesanierung und eine
Abkommen gilt als Wendepunkt hin zu einer größeren         Verkehrswende durch die Förderung umweltfreund-
weltweiten Anstrengung zur Beschränkung der Erd-           licher Verkehrsträger im Vordergrund. Klimaschutz-
erwärmung. Die allgemeinen Formulierungen des              kriterien sind zunehmend wichtiger Bestandteil der
Pariser Klimaabkommens wurden in den nach-                 Bauleitplanung. Rund 60 deutsche Kommunen
folgenden Weltklimakonferenzen, insbesondere der           engagieren sich auch weltweit und erarbeiten im
COP 23 in Bonn und der COP 24 in Kattowitz (Polen) in      Rahmen von Klimapartnerschaften – einem Angebot
konkrete Regelwerke gefasst. Dabei setzt jedes Land        der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt
seine Klimaziele und Aktionspläne selbst fest.             (SKEW) – gemeinsame Handlungsprogramme für
                                                           Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen mit
Deutschland könnte die selbstgesteckten Ziele ver-         ihren kommunalen Partnern aus dem globalen Süden.
fehlen: In dem 2018 verabschiedeten Klimaschutz-           Die Handlungsprogramme sind mit konkreten Maß-
bericht der Bundesregierung heißt es, dass Deutsch-        nahmen und Ressourcen unterlegt.
land bis 2020 die Treibhausgasemissionen nicht um
40 Prozent, zu denen es sich verpflichtet hatte,
sondern lediglich um 32 Prozent verringern wird.
                                                           Armutsbekämpfung und Beseitigung
                                                           von Fluchtursachen
Im letzten Jahr legte die EU ihre langfristige
strategische Vision für eine wohlhabende, moderne,
                                                           Weltweit ist die Zahl der Flüchtlinge so hoch wie nie
wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft für
                                                           seit dem Zweiten Weltkrieg. Über 60 Millionen
den Zeithorizont 2050 vor. Nach den Ergebnissen
                                                           Menschen sind derzeit auf der Flucht. Sie verlassen
unabhängiger Wissenschaftler von „Climate Action
                                                           ihre Heimat, weil sie keine Perspektive auf ein fried-
Tracker“, die ihre Ergebnisse im Rahmen der COP 24 in
                                                           liches, stabiles und würdiges Leben haben. Die meisten
Kattowitz präsentiert hatten, erreicht auch die EU nicht
                                                           Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen,
das 2°C-Ziel. Die Anstrengungen der EU wurden insge-
                                                           stammen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Eritrea,
samt als unzureichend eingestuft. Nur die industrie-
                                                           Nigeria und Pakistan. Die EU arbeitet mit einigen
armen afrikanischen Nationen Marokko und Gambia
                                                           Ländern Afrikas verstärkt zusammen, damit sich die
erfüllen derzeit das 1,5°C- Ziel. Nach Berechnungen
                                                           Lebensbedingungen verbessern und damit Flüchtlinge
des „United Nations Environment Programme“ ergibt

                     16   Forenpapiere
Forum C

näher an ihrer Heimat bleiben können, auch um die          Verabschiedung der neuen Städteagenda „Neue
Rückkehrperspektiven zu verbessern. Hierfür hat die        Urbane Agenda“ auf dem „Dritten Weltgipfel der Verein-
EU 2016 einen Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika von        ten Nationen zu Wohnungswesen und nachhaltiger
mehr als 2,4 Milliarden Euro eingerichtet.                 Stadtentwicklung“ 2016 in Quito/Ecuador einigte sich
                                                           die Staatengemeinschaft darauf, die nachhaltige Stadt-
Mit der Gemeinschaftsinitiative „1.000 Schulen für         entwicklung in der Welt voranzubringen. Im Rahmen
unsere Welt“ (www.1000schulenfuerunserewelt.de)            der alle zwei Jahre stattfindenden World Urban Foren
leisten auch die kommunalen Spitzenverbände einen          werden praktische Lösungen zur nachhaltigen Stadt-
Beitrag, Bildungs- und Zukunftschancen in Herkunfts-       entwicklung weltweit und zur Bewältigung einer fort-
ländern zu verbessern. Viele Kommunen kooperieren          schreitenden Urbanisierung gesucht. Die Ziele für
mit flüchtlingsaufnehmenden Kommunen im Libanon,           nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 schlagen
in der Türkei oder in Jordanien. Deutsche Städte           sich in allen zehn Prioritäten der Europäischen
entwickeln mit ihren Partnern Integrationsmaßnahmen        Kommission nieder.
für Flüchtlinge und Beratungsangebote oder sie
konzeptionieren Berufsbildungsmöglichkeiten für            Der Deutsche Städtetag schlägt seinen Mitgliedern vor,
Flüchtlinge. Insgesamt gibt es in deutschen Städten        sich für ausgewählte Ziele der Agenda auf lokaler
eine große Bereitschaft, sich für entwicklungspolitische   Ebene zu engagieren. Die Musterresolution „2030-
Themen und Ziele einzusetzen. Über 800 Kommunen            Agenda für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf
sind in der kommunalen Entwicklungszusammen-               kommunaler Ebene gestalten“ wurde inzwischen von
arbeit aktiv. In Kooperation mit der SKEW wurden           über 100 Kommunen unterzeichnet. Der Deutsche
entsprechende Finanzierungsinstrumente und Rahmen-         Städtetag hat mit der Bertelsmann Stiftung und
bedingungen geschaffen. Die internationale Städte-         anderen Akteuren ein SDG-Portal für Kommunen ent-
plattform „Connective Cities“ – ein Gemeinschafts-         wickelt, das Nachhaltigkeitsindikatoren für alle
projekt des Deutschen Städtetages, von Engagement          deutschen Kommunen mit über 5.000 Einwohnern
Global und der Gesellschaft für internationale             systematisch mit den Nachhaltigkeitszielen der
Zusammenarbeit (GIZ) – fördert den weltweiten              Vereinten Nationen verbindet. (www.sdg-portal.de)
Fachaustausch auf Augenhöhe, um praktische
Lösungen für urbane Herausforderungen zu finden.
(www.connective-cities.net)
                                                           Thesen und Fragestellungen für das Forum

                                                           ● Bekämpfung des Klimawandels
Nachhaltige Entwicklungsziele
                                                           Städte können insbesondere bei der Dekarbonisierung
Weltweit leben eine Milliarde Menschen in Slums oder       des Energiesektors, im Verkehrsbereich, durch
informellen Siedlungen, fast 750 Millionen Menschen        Planungsverfahren und bei Gebäuden Weichen für eine
haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und rund            CO2-neutrale Entwicklung stellen. Es ist dringend
1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität.     erforderlich, die kommunalen Beiträge zur Erreichung
Bis 2030 werden nach Schätzungen der Vereinten             der Klimaziele stärker in das Gesamtkonzept staatlicher
Nationen fünf Milliarden Menschen oder 60 Prozent der      und internationaler Klimastrategien zu integrieren.
Weltbevölkerung in städtischen Gebieten leben, so          Kommunen sollten auf Entscheidungsebene in
dass ein enormer Bedarf an städtischen Dienst-             internationale Klimavereinbarungen einbezogen
leistungen entsteht.                                       werden. Weiter ist es erforderlich, dass kommunale
                                                           Vertreter in offizielle staatliche Delegationen zu den
Die Vereinten Nationen haben 2015 im Rahmen der            Klimagipfeln aufgenommen werden. In vielen
Agenda 2030 insgesamt 17 Ziele mit 169 Unterzielen         europäischen und außereuropäischen Staaten wird dies
für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Develop-     bereits verwirklicht. Klimaschutz- und Anpassungs-
ment Goals, SDGs) verabschiedet. Die Entwicklungs-         strategien können dennoch nicht alleine von den
ziele der Vereinten Nationen sind zwar völkerrechtlich     Städten umgesetzt werden. Erforderlich sind ins-
nicht verbindlich, stellen aber dennoch einen Hand-        besondere unbürokratische und finanzielle Unter-
lungsrahmen für Staaten und Kommunen dar. Mit der          stützungen durch Bund und Länder.

                                                                              Forenpapiere   17
Forum C

Wie können aus internationalen Regelwerken konkrete        noch besser strukturiert werden? Welche Beiträge
Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung ent-          können deutsche Städte zur weltweiten Armuts-
stehen? Wie gelingt es, städtische Leistungen inter-       bekämpfung leisten und wo kommen sie an Grenzen?
national sichtbar zu machen und internationale
Abkommen auf lokaler Ebene mit Leben zu füllen?            ● Nachhaltige Entwicklungsziele
Welche Interessen müssen vor Ort ausgehandelt
                                                           Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die
werden? Welchen Beitrag leistet die Jugendinitiative
                                                           Überprüfung der Entwicklungen durch Indikatoren
„Fridays for Future“? Welche Beiträge können deutsche
                                                           stellen einen Handlungsrahmen auch für deutsche
Städte zur Erreichung internationaler Klimaziele leisten
                                                           Städte dar. Allerdings sitzen die Kommunen bei allen
und wo kommen sie an Grenzen?
                                                           Konferenzen zu den relevanten Nachhaltigkeitsagenden
                                                           der Vereinten Nationen, wie der Neuen Urbanen
● Armutsbekämpfung und Beseitigung von
                                                           Agenda, der Agenda 2030 und den Klimaabkommen,
  Fluchtursachen
                                                           nicht am Verhandlungstisch, sondern werden als nicht-
Städte leisten im Rahmen der kommunalen Ent-               staatliche Akteure nur beobachtend einbezogen.
wicklungszusammenarbeit wichtige Beiträge, um auch         Anders als bei den Klimagipfeln sind Vertreterinnen und
die staatliche Entwicklungszusammenarbeit voranzu-         Vertreter aus den Städten bei den Umsetzungs-
bringen. Das Wissen der Experten aus Stadtver-             konferenzen der Agenda 2030 und Habitat aber Teil
waltungen und aus kommunalen Unternehmen von der           offizieller Delegationen. Der Deutsche Städtetag fordert
Energieversorgung und Abfallwirtschaft über die            mit seinem Weltverband „United Cities and Local
soziale Fürsorge bis zum zukunftsfähigen Städtebau         Governments“ darüber hinaus Mitentscheidungsrechte
und zur sektor- und ressortübergreifenden integrierten     für Kommunen.
Stadtentwicklung ist weltweit gefragt. Zentrale
Erkenntnis ist auch, dass Städte die weltweite Not         Welchen Beitrag leisten Vereinbarungen der Vereinten
nicht alleine in Deutschland lösen können. Umso            Nationen für eine nachhaltige Stadtentwicklung welt-
wichtiger ist es, die Hilfe vor Ort zu verstärken und      weit und in deutschen Städten? Wie können die Ent-
den Menschen in ihrer Heimat bessere Lebens-               scheidungsmöglichkeiten der Städte im Rahmen inter-
perspektiven zu geben.                                     nationaler Vereinbarungen verbessert werden? Welche
                                                           Beiträge können deutsche Städte zur Lösung welt-
Kann das kommunale Engagement in der Entwick-              weiter Herausforderungen im Bereich der nach-
lungszusammenarbeit weiter gesteigert werden? Wie          haltigen Stadtentwicklung leisten und wo kommen sie
kann der Multi-Ebenen-Ansatz zur gemeinsamen Ent-          an Grenzen?
wicklungszusammenarbeit von Staat und Kommunen

                     18   Forenpapiere
Forum D

Hochkultur und Freie Szene – Zusammenhalten im Quartier
Welchen Beitrag leisten Kunst und Kultur zum gesell-       von der Soziokultur bis zur Bildenden Kunst. Die
schaftlichen Zusammenhalt? Dieser Frage geht das           Grenzen zwischen den Modellen weichen auf, auch
Forum im Spannungsfeld von „Hochkultur“ und Freier         weil gesellschaftliche Entwicklungen wie Migration,
Szene zwischen Stadtzentrum und Quartier nach. Mit         Digitalisierung, Globalisierung neue Impulse für Kultur
Hochkultur sind die etablierten Einrichtungen in der       und Quartier bringen. Hochkultur und Freie Szene
Stadt gemeint – das Stadttheater, das Konzerthaus,         gehen zunehmend gemeinsame Wege – das eröffnet
das Kunstmuseum. Die Freie Szene umfasst die               Chancen für ihre jeweiligen Standorte in Quartieren
komplette Bandbreite freier Kultur- und Kunstinitiativen   oder Stadtzentren.

         Mittwoch, 5. Juni 2019:         14:30 bis 15:30 Uhr

         Veranstaltungsort:              Messe Dortmund (Eingang Nord)
                                         Rheinlanddamm 200
                                         44139 Dortmund

                                         Der Raum wird vor Ort bekannt gegeben.

         Gesprächsrunde:                 Ulrich Aengenvoort
                                         Direktor des Deutschen Volkshochschul-Verbandes

                                         Janina Benduski
                                         Vorsitzende des Bundesverbandes für Freie Darstellende Künste

                                         Marianne Grosse
                                         Beigeordnete der Stadt Mainz im Dezernat für
                                         Bauen, Denkmalpflege und Kultur

                                         Dr. Peter Kurz
                                         Oberbürgermeister der Stadt Mannheim und Mitglied
                                         im Präsidium des Deutschen Städtetages

         Moderator:                      Peter Grabowski
                                         Fachjournalist

         Hauptgeschäftsstelle:           Klaus Hebborn
                                         Beigeordneter des Deutschen Städtetages
                                         im Dezernat Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung

                                         Christina Stausberg
                                         Hauptreferentin des Deutschen Städtetages
                                         im Dezernat Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung

                                         Dr. Ing. Timo Munzinger
                                         Referent des Deutschen Städtetages
                                         im Dezernat Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr

                                                                               Forenpapiere   19
Forum D

   Ulrich Aengenvoort                        „Zusammenleben funktioniert nur dann, wenn sich Menschen aus
Direktor des Deutschen                       unterschiedlichen Kulturen und Milieus mit Interesse, Verständnis
       Volkshochschul-
                                             und Respekt begegnen. Kulturschaffende sind wichtige Akteure in
             Verbandes
                                             diesem Prozess: Sie bauen Brücken, erleichtern Verständigung und
                                             gesellschaftliche Teilhabe. Und auch die Volkshochschulen können
                                             eine zentrale Rolle spielen: Sie sind bestens vernetzt, bieten einen
                                             niedrigschwelligen Zugang zu neuen Themen und Handlungsfeldern,
                                             eröffnen Räume der Begegnung, des Austauschs und der kulturellen
                                             Selbsterfahrung. Ressentiments abzubauen und Zusammenhalt zu
                                             fördern, ist ihnen ein wichtiges Anliegen.“

„Regional und im internationalen Kontext entstehen in der Freien                               Janina Benduski
Szene facettenreiche künstlerische Projekte. Die Auseinandersetzung                            Vorsitzende des
                                                                                               Bundesverbandes für
mit der Stadtgesellschaft spielt dabei eine große Rolle. Arbeitsweisen
                                                                                               Freie Darstellende
und -prozesse beziehen bewusst Themen des Quartiers ein, bieten                                Künste
Reflexionsräume und Möglichkeiten der Begegnung. Der künstlerische
Zugang betont dabei die Vielschichtigkeit der Perspektiven sowie
den Prozess der Entstehung und entfaltet damit gesellschaftliche
Wirkkraft. Städte und Kommunen können bei Stadtentwicklung und
Gestaltung von Quartiersräumen unterstützen, damit sich dieses
Potential voll entfalten kann.“

     Marianne Grosse                         „Wir sind in Mainz stolz darauf, dass wir eine vielfältige Kulturland-
Beigeordnete der Stadt                       schaft haben. Das Publikum fragt unterschiedlichste Angebote nach,
 Mainz im Dezernat für
                                             die von Hochkultur bis hin zur Freien Szene reichen und sich immer
Bauen, Denkmalpflege
            und Kultur                       mehr den klassischen Kategorien entziehen – und das ist gut so, weil
                                             es ein größeres Maß an Freiheit und Kreativität bedeutet. Das spüren
                                             wir in unserer Stadt vor allem an starken und fruchtbaren
                                             Kooperationen unterschiedlichster Akteure. Damit stärkt die Kultur
                                             den Zusammenhalt und schafft Gemeinschaft, im Zentrum ebenso
                                             wie in den Stadtteilen. In der Weiterentwicklung dieser Kultur-
                                             Aspekte sehe ich eine wichtige Aufgabe der Stadtpolitik.“

„Kunst und Kultur sind wesentliche Treiber für nahezu alle Dimensionen                         Dr. Peter Kurz
von Stadtentwicklung. Sie spielen gerade auch für den Zusammen-                                Oberbürgermeister
                                                                                               der Stadt Mannheim
halt einer super-diversen Stadtgesellschaft in den Quartieren eine
                                                                                               und Mitglied im
zunehmend wichtige Rolle. Dialog, Identitätsfragen, das Zulassen                               Präsidium des
von Widersprüchen sind wichtige Stichworte. Frei zugängliche                                   Deutschen Städtetages
„dritte“ Orte für die Begegnung, das Kennenlernen, den Austausch,
das gemeinsame Agieren in einem – im weitesten Sinne – kulturellen
Kontext zu schaffen, ist eine Aufgabe der Stadt in Zusammenarbeit
mit etablierten Institutionen, Freier Szene, Künstlerinnen und
Künstlern, Vereinen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern.“

                         20   Forenpapiere
Forum D

Forenpapier für das Forum D                                  kultur lernen. Umgekehrt bieten die etablierten Häuser
                                                             mit ihrer (vergleichsweise) hohen Stabilität und
Welchen Beitrag leisten Kunst und Kultur zum gesell-         Sicherheit, mit ihren Ressourcen an Raum, Geld und
schaftlichen Zusammenhalt im Quartier? Dieser Frage          Personal enorm viele Möglichkeiten, Wirkung vor Ort zu
geht das Forum im Spannungsfeld von „Hochkultur“             entfalten – beispielsweise durch die Einbindung der
und Freier Szene nach. Der Begriff „Hochkultur“ ist          Bewohnerinnen und Bewohner oder die Öffnung der
dabei nicht unproblematisch, denn er impliziert ein          Räumlichkeiten für das Quartier. So entwickeln sich viel-
elitäres Kulturverständnis. Mit Hochkultur sind hier aber    fältige Formen der Zusammenarbeit – von der Ko-
die etablierten Einrichtungen in der Stadt gemeint – das     Existenz verschiedener Produktionsweisen bis hin zur
Stadttheater, das Konzerthaus, das Kunstmuseum. Die          Verschmelzung der Systeme. Hochkultur und Freie
Freie Szene umfasst im Unterschied dazu das                  Szene gehen zunehmend gemeinsame Wege – das
komplette Portfolio nicht-staatlicher und privater Kultur-   eröffnet Chancen für ihre jeweiligen Standorte in
und Kunstinitiativen über alle Sparten hinweg, von der       Quartieren oder Stadtzentren.
Soziokultur bis zur Bildenden Kunst.
                                                             Es stellt sich die Frage, inwieweit gemeinsame Strukturen
Wie wirken Kunst und Kultur in der Stadt und ihren           vor Ort verstetigt werden können und sollten. Obwohl
Stadtteilen? Welche Beziehung besteht zu den                 die Ausgangslagen der etablierten Einrichtungen und
Menschen vor Ort, der Gesellschaft in der Stadt? Einer-      der Freien Szene sehr unterschiedlich sind, leiden
seits prägen die Bauten der Hochkultur oftmals ihr           beide Seiten unter Legitimationsdruck, Sparzwängen,
Umfeld – sie sind Identifikations- und Integrationsorte.     knappen Ressourcen und der schwierigen wirtschaft-
Andererseits wirkt sich die Anwesenheit einer Kunst-         lichen Situation von Künstlerinnen und Künstlern. Oft-
und Kulturszene auch auf das soziale Gefüge aus, das         mals konkurrieren die Einrichtungen und Akteure beider
sich aus den Handlungen und Aktivitäten der Menschen         Seiten auch um zusätzliche Fördermittel. Ein
im Quartier entwickelt. Dabei bilden die heutigen Stadt-     Zusammenwirken könnte auch in dieser Hinsicht neue
gesellschaften keine homogenen Gemeinschaften,               Spielräume und Möglichkeiten eröffnen und die Durch-
sondern sie sind heterogen und pluralistisch, gekenn-        setzungskraft vor Ort erhöhen.
zeichnet durch eine Vielfalt von Lebensformen und
kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründen.

                                                             Kunst und Kultur als essentielle Faktoren
                                                             der Stadtentwicklung
Zusammenarbeit von Hochkultur und
Freier Szene eröffnet neue Chancen                           Kunst und Kultur sind starke Faktoren der städtischen
                                                             Entwicklung. Die Kultureinrichtungen und -aktivitäten
Hochkultur und Freie Szene galten lange Zeit als             im Quartier leisten einen wichtigen Beitrag zur Identität
Gegenmodelle, hat sich doch die Freie Szene auch in          und Teilhabe vor Ort. Sie nehmen als Anlaufstellen,
Abgrenzung zu etablierten Kultureinrichtungen definiert.     Mittler und Sprecher eine Schnittstellenfunktion
Zunehmend weichen diese Grenzen jedoch auf, bedingt          sowohl in baulicher als auch in sozialer Hinsicht ein.
durch gesellschaftliche Entwicklungen wie Migration,         Dies gilt umso mehr angesichts der aktuellen gesell-
Digitalisierung, Globalisierung, die neue Impulse bringen    schaftlichen Herausforderungen, zum Beispiel durch
und zu neuen Rezeptionsgewohnheiten führen, also zu          die Globalisierung und die Zuwanderung von
neuen Formen, Kunst aufzunehmen und zu verstehen.            Menschen unterschiedlicher Nationalitäten.
Während die etablierten Kultureinrichtungen oftmals
große Strahlkraft über die Grenzen des Stadtteils und        Mit ihrer kulturellen und gesellschaftspolitischen Arbeit
der Stadt hinaus haben, hat sich die Freie Szene schon       in multifunktionalen Gebäuden können Kulturein-
immer über ihren Bezug zu den Menschen vor Ort               richtungen sowohl als Anlaufstellen dienen als auch in
definiert. Teilhabe und „Empowerment“ – also die Unter-      das Quartier ausstrahlen. Mit dem Programm
stützung dabei, die eigenen Interessen selbstbestimmt        „Utopolis“ fördert der Bund die Verbindung von Maß-
zu vertreten – und die Begegnung auf Augenhöhe mit           nahmen der Städtebauförderung mit Kunst und Kultur
den Menschen im Quartier sind essentielle Bestandteile       in Form von Modellprojekten von soziokulturellen
ihrer Arbeit. Davon können Einrichtungen der Hoch-           Zentren. Zur Stärkung der sozialen Entwicklung im

                                                                                 Forenpapiere   21
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