Editorial von Dr. Dirk-M. Harmsen - Evangelische ...
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FFE Rundbrief 1/2021 Ausgabe Januar 2021 FORUM FRIEDENSETHIK in der Evangelischen Landeskirche in Baden FFE-Rundbrief (Print) ISSN 2198-6878 FFE-Rundbrief (Online) ISSN 2198-6886 Leitungskreis: Dr. Dirk-M. Harmsen, Manfred Jeub, Johannes Maier, Jürgen Stude, Dr. Wilhelm Wille, Dietrich Zeilinger, Dr. Theodor Ziegler Editorial von Dr. Dirk-M. Harmsen Eigentlich sollte dieser Rundbrief noch im Dezember Kirchenleitungen entlang des Rheines um ein "kon- 2020 erscheinen. Doch andere Verpflichtungen hat- sentiertes Vorgehen" in Bezug auf absehbare Bera- ten Vorrang. Das hatte vielleicht auch sein Gutes, tungen zu Israel / Palästina während der Vollver- denn der Inhalt dieses Rundbriefes ist kein fröhlich sammlung. In der Einleitung des am 1.12.2020 veröf- stimmender. fentlichten Diskussionspapiers heißt es: "Aus theolo- gisch-kirchlicher Perspektive über Möglichkeiten ei- Mit Unterstützung der US-amerikanischen Admini- ner friedlichen Koexistenz von Israel und Palästina stration unter Donald Trump beabsichtigte die israeli- nachzudenken ist für uns als Kirche bleibende Aufga- sche Regierung unter Benjamin Netanjahu, nachdem be und innerstes Anliegen zugleich. Jenseits festge- mit dem Nationalstaatsgesetz vom 19. Juli 2018 Isra- fahrener Zuschreibungen und Positionierungen im el endgültig zu einem Apartheidstaat geworden war, gesellschaftlichen wie auch im kirchlichen Raum su- bereits seit 2019 die Annexion wesentlicher Teile chen wir eine so weit wie möglich konsentierte Spra- Palästinas. Am 1. Juli 2020 sollte die Knesset das che im Diskurs über eines der schwierigsten Konflikt- entsprechende Gesetz beraten und verabschieden. felder, das Verhältnis zwischen Israel und Palästina (Aufgrund internationalen Widerstandes wurde das sowie unserem Verhältnis zu beiden" (Seite 20 ff.). Vorhaben jedoch noch nicht vollzogen). Der FFE-Leitungskreis hat zu diesem Diskussionspa- Angesichts der drohenden Annexion verfassten die pier, wie erbeten, eine Stellungnahme verfasst (Seite leitenden Mitglieder der christlichen Organisation 25 ff.), deren Lektüre wir Ihnen anempfehlen. Kairos Palestine den Aufruf "Cry for Hope", der weltweit zum 1. Juli 2020 bekannt gemacht wurde. Schließlich noch ein wichtiger Spendenaufruf. Sie werden sich erinnern: In den Jahren 2015 – 2018 hat In Deutschland wurde der Aufruf am 26.06.2020 mit eine von der Evangelischen Landeskirche in Baden Mahnwachen vor den Gebäuden der evangelischen eingesetzte Arbeitsgruppe Szenarien unter dem Titel Kirchenleitungen und Übergabe des Aufrufs und be- "Sicherheit neu denken" entwickelt. Fünf der elf Mit- gleitender Briefe an die Kirchenleitungen veröffent- glieder dieser Arbeitsgruppe sind FFE-Mitglieder. licht. Wir dokumentieren auf den Seiten 3-18 deut- Als Ergebnis dieser Arbeit ist eine Initiative Sicher- sche, zum Teil unerfreuliche Reaktionen auf den heit neu denken gegründet worden, in der sich ge- Aufruf "Cry for Hope". genwärtig 30 friedensorientierte deutsche Organisa- Ende November 2020 wehrten sich die leitenden tionen engagieren. Sie verfolgt einen Paradigmen- Mitglieder der Organisation Kairos Palestine in ei- Wechsel, in dem eine Sicherheitspolitik entwickelt nem Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD und den wird, die nicht mehr auf militärischer Stärke und In- Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ge- tervention, auf Gewalt und Krieg beruht, sondern auf gen eine Feststellung eines deutschen Bischofs, in der Kooperation, zum Wohlergehen aller Menschen und es heißt: "... we must not ignore it (…) when the State der Natur. Um für die Initiative auch junge Menschen of Israel is demonized". Sie bitten um Klärungen, zu interessieren, denn es geht um deren Zukunft, sind was mit dieser Formulierung gemeint ist angesichts zwei junge Friedens- und Konfliktforscherinnen en- der andauernden Menschenrechtsverletzungen gegen gagiert worden, deren Bezahlung durch Spenden er- palästinensische Bewohner, Unterdrückungen, Ver- möglicht werden muss. Die Initiative Sicherheit neu treibungen und Morden durch den Staat Israel. De- denken soll demnächst zu einer politischen Kampa- tails entnehmen Sie bitte dem Brief (Seite 19 f.). gne erweitert werden, damit durch unsere Bundespo- litiker endlich eine Politikänderung in Gang gesetzt Mit Blick auf die Vollversammlung des Ökumeni- wird. Bitte lesen Sie nicht nur den Spendenaufruf, schen Rates der Kirchen (ÖRK), die im Sommer sondern spenden Sie bitte großzügig! 2022 in Karlsruhe stattfinden wird, bemühen sich die
2 FFE Inhalt Editorial von Dr. Dirk-M. Harmsen ............................................................................. 1 Pressemitteilung des Kairos Palästina Solidaritätsnetzes Deutschland (22.06.2020) 3 Anschreiben an Kirchenleitungen von Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland(26.06.2020) .............................................................................................. 4 Brief an den Landesbischof Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh von Rifat Kassis, Kairos Palestine (25.06.2020) ...................................................................................... 5 Cry for Hope – Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln. Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser schweigen! (01.07.2020) ........................................................................ 7 Antwortbrief des badischen Landesbischofs Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh an Rifat Kassis, Kairos Palestine (10.07.2020) ................................................................ 9 Bericht über die Mahnwachen zur Übergabe des „Schrei nach Hoffnung“ aus Palästina an Bischöfinnen/Bischöfe und Kirchenpräsidenten in Deutschland von Prof. Dr. Ulrich Duchrow (01.07.2020) ..................................................................... 11 Hoffen für Palästina und Israel. Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck zu «Cry for Hope / Kairos Palestine» (25.09.2020)............ 12 E-Mail an Bischöfin Dr. Beate Hofmann von Manfred Jeub (09.10.2020) ............. 13 E-Mail an Bischöfin Dr. Beate Hofmann von Manfred Jeub (11.10.2020) ............. 14 Brief an Bischöfin Dr. Beate Hofmann von Prof. Dr. Johannes Wallmann (20.10.2020) ................................................................................................................ 15 E-Mail an Manfred Jeub von Bischöfin Dr. Beate Hofmann (05.11.2020) .............. 17 Brief an Bischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD und Bischof Georg Bätzing, Präsident der Deutschen Bischofskonferenz von Kairos Palestine Board Members (27.11.2020) ..................................................................................... 17 E-Mail an Engagierte im Themenfeld Israel-Palästina! von Prof. Dr. Klaus Müller (01.12.2020) ................................................................................................................ 19 Israel – Palästina: Leitgedanken und erläuternde Thesen mitgetragen von den Kirchenleitungen der Evangelischen Landeskirchen in Baden, in Hessen-Nassau, der Pfalz und im Rheinland (04.10.2020) ......................................................................... 20 Stellungnahme des Leitungskreises Forum Friedensethik zum Grundsatzpapier „Israel-Palästina: Leitgedanken und erläuternde Thesen“ der Kirchenleitungen der Evang. Kirchen in Baden, Hessen-Nassau, Rheinlandpfalz und im Rheinland (10.12.2020) ................................................................................................................ 23 Impressum .................................................................................................................. 26 Spendenaufruf für unser Projekt "Sicherheit neu denken".................................... 27
FFE 3 Pressemitteilung des Kairos Palästina Solidaritätsnetzes Deutschland (22.06.2020) Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland im KAIROS EUROPA e.V. Willy-Brandt-Platz 5 69115 Heidelberg Tel.: +49 (0)6221-4333622 Fax: +49 (0)6221-4333629 info@kairoseuropa.de www.kairoseuropa.de Pressemitteilung Schrei nach Hoffnung aus Palästina an die Christenheit weltweit Mahnwachen vor Bischofssitzen am 26. Juni 2020 und Übergabe des „Cry for Hope aus Palästina“ Im Blick auf die drohende Annexion von Teilen Palästinas wird es am Freitag 26. Juni 2020 in der Zeit von 11-12 Uhr an vielen Orten Deutschlands zu Mahnwachen kommen: Christinnen und Christen versammeln sich an mehr als 20 Orten vor den Sitzen ihrer Bischöfe und Bischöfinnen, Präsides und Kirchenpräsidenten - u.a. in Mün- chen, Stuttgart, Karlsruhe, Bonn, Düsseldorf, Bielefeld, Bremen, Hamburg, Lübeck, Berlin und Schwerin. Anlass ist die Übergabe eines Briefs der Kirchen in Palästina und des Netzwerks Globaler Kairos für Gerechtigkeit an alle ChristInnen und Kirchen. Der Aufruf ist an die weltweite Christenheit gerichtet und wird in allen Kontinenten zum 1.7.2020 veröffentlicht. Er trägt den Titel: „Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln. Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser schweigen!“ Die Mahnwachen verfolgen das Ziel, dass der „Schrei nach Hoffnung“ auch in Deutschland die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient, und kirchliche Synoden, Kirchenvorstände und Gemeinden erreicht. Christliche Theologie dürfe nicht länger als Software zur Verschleierung von Unrecht dienen. Die Zeit bloßer Worte gegen die Völker- rechts- und Menschenrechtsverletzungen durch den Staat Israel und die geplante Annexion von Teilen der West- bank sei vorbei. International haben auch der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und der Rat der Kirchen im Nahen Osten (MECC) nachdrücklich gefordert, dass einer „Annexion tatsächliche Konsequenzen folgen“ müssen (Gemeinsamer Brief an die Außenminister der Europäischen Union vom 8.5.2020). Veranstaltet werden die Mahnwachen vom Kairos-Palästina-Solidaritäts-Netz Deutschland und zahlreichen lokalen Initiativen. Die Veranstalter bitten, dass Vertreter der Presse bei den Mahnwachen präsent sind und in Wort und Bild berichten. Kontakt: Anlagen Kairos Palästina Solidaritätsnetz in Deutschland , V.i.S.d.P. Gesine Janssen (Gesine-Anna.Janssen@t-online.de)
4 FFE Anschreiben an Kirchenleitungen von Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland(26.06.2020) Kairos Palästina Solidaritätsnetz Deutschland im KAIROS EUROPA e.V. Willy-Brandt-Platz 5 69115 Heidelberg Tel.: +49 (0)6221-4333622 Fax: +49 (0)6221-4333629 info@kairoseuropa.de www.kairoseuropa.de An den Rat der EKD die Deutsche Bischofskonferenz die geistlichen Leitungen der Landeskirchen die Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) Mahnwache und Briefübergabe Cry for Hope aus Palästina am 26.Juni 2020 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, wir wissen und schätzen, dass Kirchen, kirchliche Institutionen und Gruppen die Menschen in Palästina in vielfälti- ger Weise unterstützen und ermutigen. Dadurch haben wir gute Kenntnisse von der Lebenssituation der Menschen vor Ort und sind uns der Leiden der palästinensischen Bevölkerung unter der Besatzung bewusst. Gerade deshalb vermissen wir die klare Stimme der Kirchen in Bereich der Öffentlichkeit und Politik. Wir werden am 26.6. von 11-12 Uhr an 20 Orten in Deutschland vor den Sitzen der BischöfInnen, Praesides und Kirchenpräsidenten stehen und mahnen diese klare Stimme an. Wir überreichen persönlich einen Brief und Aufruf der Kirchen in Palästina: Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser schweigen! - Wir hoffen und erwarten, dass dieser Schrei nach Hoffnung die Gremien der Kirchen, Synoden, Kirchenvorstände und Gemeinden erreicht, gehört wird, damit nicht nur Stimmen laut werden gegen die Völkerrechts- und Men- schenrechtsverletzungen durch den Staat Israel und gegen die geplante Annexion von Teilen der Westbank, son- dern der Aufruf darüber hinaus zu grundsätzlichen Entscheidungen und Handlungen der Kirchen führt. Der christlich-jüdische Dialog wird missbraucht, wenn er die offene Auseinandersetzung mit den pseudotheolo- gisch gerechtfertigten Menschen- und Völkerrechtsverletzungen des Staates Israels verhindert. Christliche Theolo- gie darf nicht die Software liefern zur Verschleierung von Unrecht. Die Bibel darf nicht missbraucht werden für Unrecht. Sie unterstützt das Recht und damit heute auch Völkerrecht, Menschenrechte und dier Vereinten Natio- nen. Daran wollen wir uns als Christen orientieren. Damit ist unsere Aktion auch im Sinne der EMOK-Erklärung, „der Stimme der Menschen im Heiligen Land Gehör zu verschaffen“, auch des Ökumenischen Rates der Kirchen und des Kirchenrates Mittlerer Osten in ihrem gemeinsamen Brief vom 8.5.2020 an die Außenminister der Euro- päischen Union Wir bitten darum, dass der/die Leitende Geistliche oder deren Vertreter/ Vertreterin zwischen 11 und 11:30 bereit ist, den Brief der Kirchen aus Palästina entgegenzunehmen.
FFE 5 i.A. Brief an den Landesbischof Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh von Rifat Kassis, Kairos Palestine (25.06.2020) Bethlehem, June 25, 2020 Landesbischof Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh Blumenstraße 1-7, 76133 Karlsruhe Dear Bishop Cornelius-Bundschuh, This letter will be personally delivered to you by brothers and sisters of your church. The Church Universal has arrived at a defining moment in the struggle to end the oppression of the Palestinian people. A broad coalition of Palestinian Christians and partners around the world—theologians, church leaders, lay and clergy—has just issued Cry for Hope: A Call to Decisive Action (copy attached). We write to ask you, please, embrace this Cry. Share it widely with members of your community. Implement and encourage the work of its seven calls to action. The personal, cultural, economic and ecological suffering of Palestinians under a brutal occupation increases day- by-day. Soon with support from the U.S. administration, the State of Israel is expected to annex over a third of the West Bank (including our fertile Jordan Valley). If implemented, Israel will openly exercise control over the entire territory of Palestine, practically eliminating the possibility for a Palestinian state and a just peace any time in the near future. The Body of Christ can no longer stand by as world leaders and the international community refuse to insist on the rights of Palestinians to dignity, justice and self-determination under international law. Our Cry is rooted in the logic of love which has as its goal the liberation of both the oppressor and the oppressed. For the sake of justice and an end to the bloodshed, join us in this call. We will greatly appreciate your letting us know that you have received the Cry attached and how you plan to share and implement it. You may respond by emailing info@kairospalestine.ps. Sincerely, Rifat Kassis Rifat Kassis General Coordinator: Global Kairos for Justice
6 FFE Bethlehem, June 25, 2020 Übersetzung des Begleitbriefs von Rifat Kassis zum Aufruf an die Leitenden Geistlichen Dieser Brief wird Ihnen persönlich durch Schwestern und Brüder aus Ihrer Kirche übergeben werden. Die weltweite christliche Kirche hat einen entscheidenden Moment im Kampf für die Beendigung der Unterdrüc- kung des palästinensischen Volkes erreicht. Ein breites Bündnis palästinensischer ChristInnen und Partner aus allen Teilen der Welt – TheologInnen, kirchenleitende Personen, Kirchenmitglieder und Geistliche – haben gerade einen „Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur Entscheidung und Handeln“ veröffentlicht (s. Anhang). Wir schreiben Ihnen mit der Bitte: Hören Sie diesen Schrei mit dem Herzen. Teilen Sie ihn mit den Mitgliedern Ih- rer Gemeinschaft. Setzen Sie ihn um und ermutigen Sie Menschen, für die sieben Handlungsvorschläge zu arbeiten. Das persönliche, kulturelle, ökonomische und ökologische Leiden der Palästinenser unter der brutalen Besatzung nimmt täglich zu. Es wird erwartet, dass der Staat Israel mit der Unterstützung der US Regierung mehr als ein Drit- tel des Westjordanlands (einschließlich des fruchtbaren Jordantals) annektiert. Wenn dies wirklich geschieht, wird Israel ohne Maske die vollständige Kontrolle über das gesamte Territorium Palästinas ausüben, also faktisch die Möglichkeit für einen palästinensischen Staat und einen gerechten Frieden irgendwann in der nahen Zukunft zer- stören. Der Leib Christi kann nicht länger teilnahmslos dabeistehen, während die Herren der Welt und die „Internationale Gemeinschaft“ es ablehnen, auf dem Recht der Palästinenser auf Würde, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung auf der Grundlage des Völkerrechts zu bestehen. Unser Schrei ist in der Logik der Liebe gegründet, die als Ziel die Befreiung sowohl des Unterdrückers wie der Unterdrückten hat. Um der Gerechtigkeit willen und für ein Ende des Blutvergießens schließen Sie sich diesem Aufruf an! Wir wären sehr dankbar, von Ihnen zu hören, dass Sie den beigefügten Schrei erhalten haben und wie Sie ihn wei- ter zu verbreiten und umzusetzen gedenken. Bitte senden Sie Ihre Antwort an die Adresse info@kairospalestine.ps. Mit herzlichen Grüßen Rifat Kassis Rifat Kassis General Coordinator: Global Kairos for Justice
FFE 7 Cry for Hope – Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln. Wir können nicht Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser schweigen! (01.07.2020) meinschaft anzuerkennen, dass Israel ein Apartheid- Wir, Kairos Palästina und die weltweite Koalition staat im Sinn des Völkerrechts ist. „Globaler Kairos für Gerechtigkeit“, die entstand als Antwort auf das Kairos Palästina Dokument „Die Indem wir diese Realität anerkennen, sehen wir, dass Stunde der Wahrheit: Ein Wort des Glaubens, der es als Jesus Nachfolgende an uns ist, entschieden zu Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens handeln. Das Kirchesein der Kirche, die Integrität der Palästinenser und Palästinenserinnen“, richten des christlichen Glaubens und die Glaubwürdig- diesen dringenden Aufruf an ChristInnen, Kirchen keit des Evangeliums stehen auf dem Spiel. Wir und ökumenische Organisationen. Wir tun dies zu- erklären, dass die Unterstützung der Unterdrückung sammen mit engagierten ChristInnen in Palästina und des palästinensischen Volkes, sei es aktiv oder pas- der ganzen Welt. Dies ist ein Aufruf zur Entschei- siv, durch Schweigen, mit Worten oder Taten, Sünde dung und zum Handeln in einer Angelegenheit, bei ist. Wir stellen fest, dass christliche Unterstützung der es um die Integrität unseres christlichen Glaubens des Zionismus als einer Theologie oder Ideologie, die geht. das Recht eines Volkes legitimiert, einem anderen die Menschenrechte zu verweigern, unvereinbar mit dem Wir haben einen kritischen Punkt im Kampf für christlichen Glauben und ein schwerer Missbrauch die Beendigung der Unterdrückung des palästi- der Bibel ist. nensischen Volkes erreicht. Mit der Annahme des Nationalstaatsgesetzes von 2018 hat der Staat Israel Wir rufen alle ChristInnen und die Kirchen auf die institutionelle Diskriminierung in Israel und den gemeindlicher, konfessioneller, nationaler und welt- palästinensischen Landesteilen legalisiert. Damit be- weiter ökumenischer Ebene auf, sich in einem Pro- raubt er die PalästinenserInnen offiziell ihres Rechts zess des Studierens, Reflektierens und Bekennens zu auf Leben, Grundversorgung und auf eine Zukunft in engagieren. Es geht dabei um die historische und sy- ihrem Heimatland. Die jüngsten Akte der US- stemische Entrechtung des palästinensischen Volkes Regierung haben Israels kontinuierliches Projekt un- und um den Missbrauch der Bibel, mit dem viele die- terstützt, sich Land anzueignen und die Kontrolle se Unterdrückung rechtfertigen und unterstützen. Wir über das gesamte palästinensische Territorium zu er- rufen die Kirchen auf, darüber zu reflektieren, wie ih- langen. Im Einzelnen handelt es sich um die Verle- re eigenen Traditionen die heilige Pflicht zum Aus- gung ihrer Botschaft nach Jerusalem im Jahr 2018, druck bringen können, die Integrität der Kirche und 2019 ihre Ankündigung, die Siedlungen im Westjor- des christlichen Glaubens in Bezug auf diese Frage danland nicht mehr als „völkerrechtswidrig“ anzuse- aufrechtzuerhalten. Wir können nicht Gott dienen hen, und Anfang 2020 den sogenannten Friedensplan. und gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser Angespornt durch die US-amerikanische Unterstüt- schweigen. zung und ermutigt durch die zahnlose Antwort der in- ternationalen Gemeinschaft hat die gerade gebildete Angesichts dieses Kairos sind wir uns des Glaubens- israelische Koalitionsregierung den Weg freigemacht und Handlungsvermächtnisses derjenigen bewusst, für die vollständige Annexion ungefähr eines Drittels die uns vorausgingen und mit dringlichen Krisensi- des besetzten Westjordanlands einschließlich des tuationen konfrontiert waren. Jordantals. Diese Entwicklungen machen nun noch klarer, dass es endgültig vorbei ist mit der Illusion, • 1933 erklärte der deutsche Pfarrer Dietrich Bon- dass Israel und die Weltmächte beabsichtigen, das hoeffer, dass die Entrechtung der Juden durch das Recht des palästinensischen Volkes auf Würde, Nazi-Regime und der Eingriff des Staates in Re- Selbstbestimmung und die vom Völkerrecht garan- ligionsangelegenheiten den status confessionis tierten fundamentalen Menschenrechte einschließlich für die Kirche bedeute. der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge zu • Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 beherzigen und zu verteidigen. Im Licht dieser Erei- verstärkte die Verpflichtung der Kirche, gegen gnisse, speziell der Verabschiedung des „National- Ungerechtigkeit aufzustehen und unmissver- staatsgesetzes“, ist es Zeit für die Internationale Ge- ständlich den Ideologien der Tyrannei zu wider-
8 FFE stehen. kennens beizutreten und selber Prozesse zu initi- ieren mit dem Ziel, die Unterdrückung der Palä- • 1964 stellte der erste Generalsekretär des Öku- stinenser und Palästinenserinnen sowie den Miss- menischen Rates der Kirchen (ÖRK), Willem brauch der Bibel zur Rechtfertigung dieses Un- Visser't Hooft, fest, dass Rassismus wie Apart- rechts in aller Form zu verwerfen und sich zu fol- heid einen status confessionis (Bekenntnisfall) genden Aktionen zu verpflichten: für die Kirchen darstellt. Der ÖRK ließ diesem Wort Taten folgen, indem er 1969 das mutige • Prozesse auf lokaler, konfessioneller und ökume- und weit reichende Programm zur Bekämpfung nischer Ebene zu initiieren, um den gegenwärti- des Rassismus durchführte. gen Kairos und die dringende Pflicht zur Ent- • 1977 erklärte der Lutherische Weltbund (LWB), scheidung und zum Handeln angesichts der Ent- dass Apartheid einen Status Confessionis für die rechtung der Palästinenser und des Missbrauchs Kirche darstellt, und suspendierte 1984 die Mit- der Bibel zu diesem Zweck zu erkennen. Damit gliedschaft der weißen lutherischen Kirchen im wird die Einheit der Kirche im engagierten Auf- südlichen Afrika, die Apartheid praktizierten. stehen gegen Unrecht, wo immer es geschieht, 1982 erklärte der Reformierte Weltbund (RWB) zum Ausdruck kommen. Apartheid für unvereinbar mit dem christlichen • Theologien und Bibelverständnisse zu studieren Glauben und suspendierte die Mitgliedskirchen, und kritisch zu beurteilen, die zur Rechtfertigung die Rassentrennung praktizierten. der Unterdrückung des palästinensischen Volks • Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen benutzt werden. Eine Theologie vorzustellen, die (WGRK) bekräftigte 2017, „dass angesichts der prophetisch zu einer inklusiven Vision des Lan- Situation der Ungerechtigkeit und des Leidens in des für Israelis und Palästinenser aufruft und so Palästina und aufgrund des Notschreis der palä- bekennt, dass der Schöpfergott ein Gott der Lie- stinensischen christlichen Gemeinde die Integri- be, der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, nicht tät von christlichem Glauben und Leben auf dem aber der Diskriminierung und Unterdrückung ist. Spiel steht“. Sie gaben dem Generalsekretär sechs unmittelbare Handlungsanweisungen auf. • Das palästinensische Recht zum Widerstand ge- gen die Besatzung, Enteignung und Entzug ihrer • Seit 2009 entstanden weltweit Kairos Dokumente Grundrechte zu bekräftigen und an die Seite der von ökumenischen Organisationen als Antwort Palästinenser in ihrem kreativen und gewaltfreien auf das Kairos Dokument „Die Stunde der Wahr- Widerstand zu treten. Der palästinensische Auf- heit“ der palästinensischen Christen. Darin ruf zum Boykott, Desinvestition und Sanktionen kommt die Verpflichtung zum Handeln und die (BDS) von 2005 bietet einen Rahmen für öko- theologische Bekräftigung dieses prophetischen nomische, kulturelle und akademische Maßnah- Aufrufs der palästinensischen Kirchen zum Aus- men und für politische Interventionen als gewalt- druck. freie Mittel, die Besatzung und Unterdrückung zu Die gegenwärtige Situation ruft nach Handeln – beenden. Der Zweck von BDS ist nicht, Israel zu ebenso kühn, ebenso treu und ebenso entschieden. bestrafen oder zu isolieren. Vielmehr geht es dar- Die Zeit der Entscheidung ist gekommen. „Als um, Druck auf Israel auszuüben, sich an das Völ- Christen und Palästinenser wenden wir uns kerrecht zu halten und Regierung und Volk auf- an...unsere christlichen Brüder und Schwestern in den zurufen, im Geist des Wortes Gottes auf den Weg Kirchen in aller Welt“, heißt es im Kairos Palästina der Gerechtigkeit und des Friedens zu treten und Dokument von 2009. 2017, acht Jahre später, schrieb so für das eigene Recht und das der Palästinense- die Nationale Koalition Christlicher Organisationen rInnen einzustehen. in Palästina in ihrem Offenen Brief an den ÖRK und • Die Regierungen und internationalen Institutio- die ökumenische Bewegung: „Die Lage ist mehr als nen aufzufordern, politische, diplomatische und dringlich. Wir stehen an der Schwelle eines katastro- wirtschaftliche Mittel einzusetzen, um Israels phalen Kollapses. Dies ist nicht eine Zeit für schale Verletzungen der Menschenrechte und des Völ- Diplomatie, ihr Christen!“ Jetzt, nach weiteren drei kerrechts zu beenden. Jahren, ist dies ein Hoffnungsschrei an unsere Brüder und Schwestern in aller Welt. • Dem Antisemitismus durch Arbeit für Gerechtig- keit und gegen Antijudaismus, Fremdenfeind- Wir laden unsere MitchristInnen, Ortsgemeinden, lichkeit und Rassismus ebenso wie der Gleichset- Kirchen und internationale ökumenische Organi- zung von Kritik am Unrechthandeln des Staates sationen ein, unser gemeinsames Zeugnis anzu- Israel mit Antisemitismus entgegenzutreten. nehmen und zu beantworten, dem Prozess des Be-
FFE 9 • Gemeinsame Initiativen von Israelis und Palästi- sion der Inklusion und Gleichheit aller Menschen des nensern sowie interreligiöse Partnerschaften zu Landes aufrecht erhalten und uns hartnäckig dafür unterstützen, die gegen Apartheid und Besatzung einsetzen, dass sie umgesetzt wird. kämpfen und Gelegenheiten schaffen, für eine gemeinsame Zukunft gegenseitigen Respekts und Wir bekennen, dass wir mit unserem Einsatz als der Würde einzutreten. ChristInnen für die Befreiung des palästinensischen Volkes der Theologie des Imperiums widerstehen – • „Kommt und seht“ die Realität im Heiligen Land einer globalen Ordnung der Herrschaft, die sich in mit Augen, die Mitgefühl für die Leiden der Pa- rassistischer, wirtschaftlicher, kultureller und ökolo- lästinenserInnen haben. Übt Solidarität mit Basis- gischer Unterdrückung manifestiert, welche die initiativen in allen Glaubensgemeinschaften und Menschheit und Gottes ganze Erde bedroht. Mit die- säkularen Gruppen, die der Besatzung den sem Bekenntnis nehmen wir unsere Zugehörigkeit Kampf ansagen und für gerechten Frieden arbei- zur Gemeinschaft des gebrochenen Brotes und der ten. Kirche wahr in der Erfüllung ihrer Mission, allen die gute Botschaft von Gottes Gabe der Liebe, der Barm- Wir machen diesen Aufruf aus Sorge für die Zu- herzigkeit, des Mitgefühls und des Lebens in Fülle kunft beider Völker. In der Sprache von Kairos Pa- für alle zu bringen. lästina ist er in der Logik der Liebe verwurzelt, die danach trachtet, sowohl Unterdrücker und Unter- H.B. Michel Sabbah drückte zu befreien, um eine neue Gesellschaft für al- H.B. Michel Sabbah le Menschen des Landes zu schaffen. Wir halten wei- Patriarch Emeritus: Latin ter an der Hoffnung fest, die im Kairos Dokument Patriarchate of Jerusalem ausgedrückt wird, dass Palästinenser und Israelis eine President: Kairos Palestine gemeinsame Zukunft haben, dass „wir unser politi- sches Leben, in all seiner Komplexität, nach dem Rifat Kassis Grundprinzip der Liebe und ihrer Kraft organisieren Rifat Kassis können, wenn erst einmal die Besetzung beendet und General Coordinator: Global die Gerechtigkeit wiederhergestellt ist“. Als Jesus Kairos for Justice Nachfolgende antworten wir auf Ideologien der Ex- klusivität und der Apartheid damit, dass wir eine Vi- Antwortbrief des badischen Landesbischofs Dr. Jochen Cornelius- Bundschuh an Rifat Kassis, Kairos Palestine (10.07.2020) Der Landesbischof ⋅ _Postfach 2269 ⋅ _76010 Karlsruhe Herrn Rifat Kassis As Protestant Christians in Germany, for biblical- General Coordinator theological reasons and against the background of Global Kairos for Justice our catastrophic history of anti-Judaism, our turn to- ward reconciling with the Jewish people has been of essential importance to us. As a result we have often Karlsruhe, 10. Juli 2020 not perceived the situation of our Palestinian brothers and sisters with the appropriate clarity, fervor and Dear Mr. Kassis, dear sisters and brothers, commitment. But the efforts for justice, for dialogue and reconciliation are indivisible. Grace be with you and peace from God our Father and the Lord Jesus Christ! That is why it is important for us to assure you in reply to your letter that we hear your "cry" and sin- On June 26, 2020, your "Cry for Hope: Call to Deci- cerely share your great concern for this intolerable sion and Action" was handed over to me personally. situation. With this you have shared with us the deplorable po- litical circumstances which the Christian communi- We support and strengthen the Palestinians' quest for ties in Palestine have been facing for years and which state sovereignty: spiritually, morally, materially, and have worsened rather than improved. You rightly re- politically. Even though the possibility for coexist- mind us of the responsibility we have as brothers and ence through the two-state solution seems to be a dis- sisters in faith towards our Christian brothers and sis- tant prospect, we currently see no other way to justice ters in the Palestinian region. and peace in the Holy Land. We clearly hear the bib-
10 FFE lical admonition that the gift of the land for all who struction and Israeli occupation of Palestinian lands. live there is linked to the demand for justice and mu- We reaffirm the declaration of the Evangelical Mid- tual respect. dle East Commission of 28.5.2020, because any uni- lateral annexation cements injustice and fuels vio- With you we are convinced that the Bible cannot be lence. We call for clear steps towards political inde- used to legitimize disenfranchisement and discrimi- pendence for Palestine as well as for a renunciation nation or justify geopolitical claims to power at the of terror and acts of violence against Israel. We urge expense of law and justice. We oppose any instru- all parties in the region to respect human rights and mentalization of religion by political interests. the international community's international legal pro- We reject the view of current conditions in the Holy visions. Land according to so-called “Christian Zionism” as The Kairos Document was published 10 years ago. presaging the End Times. We regard this understand- The Regional Synod will therefore deal with the "Cry ing of biblical texts as inimical to dialogue and as for Hope" of Palestinian Christians at its next or the worsening the potential for conflicts. next but one meeting and thus address the issues be- Rather, we gather around the vision of a free and hind it in greater depth. Your letter of 25 June with sovereign Palestine side by side with a state of Israel its seven proposals for action will be included in in a peaceful Middle East. We give our undivided these discussions. We will inform you about the re- sults of the discussion and decision processes. support to those who strive for this goal without vio- lence; we vigorously oppose all those who rely on We conclude our response with the assurance of the violence. Against this background, we also consider 1st letter of Peter: But the God of all grace, who has boycott measures to be legitimate in principle as a called you to his eternal glory in Christ, will raise nonviolent form of resistance, even if we do not want you up, strengthen you, who suffer for a little while, to join calls for a boycott ourselves. and give you strength and foundation. To him be We want to contribute to the growth of justice and power for all eternity! Amen. peace in Israel and Palestine. We reaffirm our com- I wish you much strength and God's blessing, warm mitment to use all our means to promote and greetings to you, strengthen actors and initiatives in the region who are willing to engage in dialogue and have an affinity for Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh reconciliation. We believe that God's command is fundamentally aimed at justice and peace for all peo- Bishop ple. We call for an end to continued settlement con- Karlsruhe, 10. Juli 2020 Darum ist es uns ein Anliegen, Ihnen in Beantwortung Ih- Antwort zu Ihrem Brief vom Juni 2020 res Schreibens zu versichern, dass wir Ihren „Schrei“ hö- Lieber Herr Kassis, liebe Schwestern und Brüder, ren und Ihre große Sorge um die untragbare Situation auf- Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater richtig teilen. und dem Herrn Jesus Christus! Wir unterstützen und stärken das Streben der Palästinense- Am 16. Juni 2020 wurde mir Ihr „Schrei nach Hoffnung: rinnen und Palästinenser nach staatlicher Souveränität: Aufruf zur Entscheidung und zum Handeln“ persönlich geistlich, moralisch, materiell und anwaltschaftlich- übergeben. Damit geben Sie uns Anteil an den beklagens- politisch. Auch wenn die Perspektive für eine Koexistenz werten politischen Um- ständen, denen die christlichen unter der Formel der Zweitsaatenlösung in weite Ferne zu Gemeinden in Palästina seit Jahren ausgesetzt sind und die rücken scheint, sehen wir derzeit keinen anderen Weg zu sich eher verschärft als verbessert haben. Sie rufen uns zu- Gerechtigkeit und Frieden im Heiligen Land. Bewusst hö- recht in Erinnerung, welche Verantwortung wir als Ge- ren wir die Mahnung aus dem biblischen Wort, dass die schwister im Glauben gegenüber den christlichen Brüdern Gabe des Landes für alle, die darin wohnen, verknüpft ist und Schwestern im palästinensischen Raum haben. mit der Forderung nach Gerechtigkeit und gegenseitiger Als evangelischen Christen in Deutschland ist uns aus bi- Achtung. blisch-theologischen Gründen, auf dem Hintergrund unse- Mit Ihnen sind wir davon überzeugt, dass kein Bibelzitat rer Geschichte und den katastrophalen Folgen des Antiju- Entrechtung und Diskriminierung legitimieren oder geopo- daismus die Hinwendung zum Judentum essenziell und litische Machtansprüche auf Kosten von Recht und Ge- bleibend wichtig. Diese Tatsache mag dazu beitragen, dass rechtigkeit begründen kann. Wir widersprechen jedweder wir oft nicht mit der angemessenen Schärfe die Situation Instrumentalisierung der Religion durch politische Interes- unserer palästinensischen Geschwister wahrgenommen sen. haben. Doch das Bemühen um Gerechtigkeit, um Dialog Eine biblizistisch-apokalyptische Überhöhung der Gege- und Versöhnung ist unteilbar. benheiten im Heiligen Land wie z.B. im sogenannten
FFE 11 „christlichen Zionismus“ lehnen wir als dialogfeindlich Gewaltakten gegen Israel. Wir fordern alle Beteiligten in und konfliktverschärfend ab. der Region dringend auf, die Menschenrechte und die völ- Wir versammeln uns vielmehr um die Vision eines freien kerrechtlichen Bestimmun- gen der internationalen Staa- und souveränen Palästina Seite an Seite mit einem unbe- tengemeinschaft zu achten. drängt und anerkannt lebenden Staat Israel inmitten eines Die Erstveröffentlichung des Kairos-Dokuments liegt nun befriedeten Mittleren Ostens. Die sich gewaltfrei um die- 10 Jahre zurück. Aufgrund einer Eingabe wird sich darum ses Ziel bemühen, finden unsere ungeteilte Unterstützung; die Landessynode mit dem „Schrei der Hoffnung“ der pa- energisch widersprechen wir allen, die auf Gewalt setzen. lästinensischen Christen auf ihrer nächsten oder übernäch- Vor diesem Hintergrund halten wir auch Boykottmaßnah- sten Tagung beschäftigen und sich damit vertieft den da- men grundsätzlich als gewaltfreie Form des Widerstandes hinter stehenden Anliegen zuwenden. Ihr Schreiben vom für legitim, selbst wenn wir uns Aufrufen zu einem Boy- 25. Juni mit seinen sieben Handlungsvorschlägen wird in kott selbst nicht anschließen wollen. diese Gespräche einfließen. Über die Ergebnisse der Wir wollen dazu beitragen, dass Gerechtigkeit und Frieden Diskussions- und Entscheidungsprozesse werden wir Sie in Israel und Palästina wachsen: Wir bekräftigen die Zusa- informieren. ge, dialogbereite und versöhnungsaffine Akteure und In- So schließen wir unsere Antwort in der Zuversicht des 1. itiativen in der Region mit all unseren Möglichkeiten zu Petrusbriefes: fördern und zu stärken. Wir glauben, dass Gottes Weisung Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner im Kern auf Gerechtigkeit und Frieden aus ist für alle ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr ei- Menschen. Wir fordern die Beendigung des fort- gesetzten ne kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, grün- Siedlungsbaus und der israelischen Besatzungspolitik. Wir den. Ihm sei die Macht in alle Ewigkeit! Amen. bekräftigen die Erklärung der Evangelischen Mittelost- Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Gottes Segen, herzliche kommission vom 28.5.2020, denn jegliche einseitige An- Grüße nexion zementiert Unrecht und schürt Gewalt. Wir rufen Ihr Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh Landesbischof auf zu klaren Schritten in Richtung politischer Eigenstän- digkeit Palästinas ebenso wie zur Abkehr von Terror und Bericht über die Mahnwachen zur Übergabe des „Schrei nach Hoffnung“ aus Palästina an Bischöfinnen/Bischöfe und Kirchen- präsidenten in Deutschland von Prof. Dr. Ulrich Duchrow (01.07.2020) Schrei/Aufruf und die Liste der UnterstützerInnen di- Am 26. Juni 2020 fanden von 11-12 Uhr 20 Mahn- rekt an die Leitenden Geistlichen geschickt. wachen und persönliche Begegnungen an den Sitzen von Bischöfinnen/ Bischöfen und Kirchenpräsidenten Viele Poster sind auf den Bildern der Mahnwachen der protestantischen Kirchen und am Sitz der Katho- zu sehen. Alle aber kündigten auf Spruchbändern an: lischen Bischofskonferenz (Bonn) und der Diözese Schrei nach Hoffnung aus Palästina an die Christen- Rottenburg statt. BotInnen übergaben persönliche heit weltweit! In Bielefeld fand die größte Mahnwa- Briefe und den „Schrei nach Hoffnung: Aufruf zur che mit über 70 Teilnehmenden statt. In Berlin betei- Entscheidung und zum Handeln“ aus Palästina an die ligten sich u.a. der frühere Generalsekretär des Öku- Leitenden Geistlichen. Der Schrei und Aufruf steht menischen Rats der Kirchen, Konrad Raiser, und unter dem Motto: Wir können nicht Gott dienen und auch seine Frau Elisabeth, frühere Präsidentin des gleichzeitig zur Unterdrückung der Palästinenser Deutschen Evangelischen Kirchentags und auch der schweigen! Er hat inzwischen international etwa 300 Organisation „ Aktion Sühnezeichen“. UnterstützerInnen. Die Mahnwachen fanden u.a. statt in Berlin, Bielefeld, Hannover (zwei Mahnwachen Die meisten leitenden Geistlichen sandten eine Ver- 10h am Bischofssitz und 11h30 bei der EKD), Bre- tretung. Kirchenpräsident Liebig (Anhalt) und Lan- men, Magdeburg, Dresden, Schwerin, Hamburg, desbischof Jochen Cornelius-Bundschuh (Ev. Kirche Düsseldorf, Bonn, Leer, Darmstadt, Speyer, Stuttgart, in Baden) nahmen die Botschaft aus Palästina persön- München, und auch Karlsruhe. Hier wird die Voll- lich entgegen. Letzterer wird der gastgebende Ortsbi- versammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen schof für die Vollversammlung des ÖRK in Karlsru- 2022 stattfinden. In einigen Fällen wurden die Do- he sein. kumente ohne Mahnwachen direkt an die Bischöfe überreicht wie z.B. in Dessau, Schwerin und Kassel. In wenigen Fällen wurden die Briefe, der
12 FFE Hoffen für Palästina und Israel. Stellungnahme des Rates der Evangeli- schen Kirche von Kurhessen-Waldeck zu «Cry for Hope / Kairos Palestine» (25.09.2020) den zu dienen, mit Aussagen, die dem erkennbar wi- «Ende Juni wurde der Kirchenleitung der EKKW ein dersprechen. Das betrifft insbesondere drei Punkte: Brief übergeben, der neben zwei Begleitschreiben (aus Kassel und aus Bethlehem) den Aufruf «Cry for 1. Die historische Parallelisierung mit dem Hope» enthielt, unterzeichnet von Michel Sabbah und Apartheidsstaat in Südafrika wird der Komplexität Rifat Kassis für die Gruppe «Kairos Palestine». Der der Situation in Israel und Palästina nach unserer Untertitel lautet programmatisch: «Wir können nicht Überzeugung nicht gerecht. Sie ist durch die Rassis- Gott dienen und gleichzeitig zur Unterdrückung der musdebatte in den Vereinten Nationen (kulminierend Palästinenser schweigen!» in den UN Deklarationen 3379 von 1975 und 46/86 von 1991) seit Jahrzehnten hochgradig ideologisch Die große Sorge um die Entwicklung in Israel und aufgeladen. Für ein Verstehen der vielschichtigen Palästina teilen wir als Evangelische Kirche. Insbe- Problemlage im Nahen Osten trägt sie wenig aus, sondere die geplante Annexion großer palästinensi- umso mehr jedoch zu einer immer neuen, destrukti- scher Gebietsteile im Westjordanland durch Israel ven Polarisierung, bis in aktuelle Debatten hinein halten wir für einen falschen Schritt, der die Zukunft (z.B. die um Achille Mbembe und sein Auftreten in beider Völker in dem einen Land weiter gefährdet. Deutschland). Auch, wenn die Annexion nun noch nicht vollzogen worden ist, bleibt die Sorge unverändert groß. Dabei 2. In dem Text wird die Schuld an diesem komple- halten wir für selbstverständlich, dass sachliche Kri- xen, asymmetrischen Konflikt durchweg völlig ein- tik an politischen Entscheidungen der israelischen seitig der israelischen Seite zugeschoben, das zioni- Verantwortlichen grundsätzlich eine legitime Mög- stische Grundanliegen wird polemisch verzerrt. Auch lichkeit ist. In der aufgeheizten Situation muss sie diese fundamentale Einseitigkeit weist aus unserer freilich besonders gut überlegt sein, wenn sie etwas Sicht keinen Weg in Richtung Frieden, sondern ze- zum Guten bewirken soll. Für den Bereich der Evan- mentiert vielmehr Hindernisse und Feindbilder. gelischen Kirche in Deutschland hat die Evangelische 3. Der Text fordert zu einer Beteiligung an der BDS- Mittelostkommission (EMOK) eine aktuelle Erklä- Kampagne (BDS für: «Boykott, Deinvestitionen, rung zur Annexionsfrage verfasst. Der hier umrisse- Sanktionen») auf, die den jüdischen Staat nicht nur nen Position schließen wir uns im Grundsatz vollin- pauschal ökonomisch treffen, sondern auch seine in- haltlich an. (1) ternationale Stigmatisierung noch massiv steigern Darüber hinaus beziehen wir zu dem an uns gesand- würde – mit unkalkulierbaren Folgen auch für den ten Aufruf wie folgt Stellung: ohnehin stark anwachsenden Antisemitismus welt- weit. Damit würde das Leben von Jüdinnen und Ju- In großer Vielfalt und auf unterschiedlichen Ebenen den überall – und auch ganz unabhängig von der je gibt es im Bereich der Evangelischen Kirche von individuellen Haltung zur israelischen Politik – zu- Kurhessen-Waldeck ein Engagement für Frieden in sätzlicher Gefährdung ausgesetzt. Denn der Antise- Palästina und Israel, institutionell wie individuell: in mitismus differenziert ja nicht; er sucht Haftpunkte Reiseveranstaltungen, Akademietagungen, Friedens- für seine duale Weltsicht und blendet prinzipiell aus, gebeten, Partnerschaftsarbeit, Spendentätigkeit, was nicht in sein irrationales Opfer-Täter-Schema Mahnwachen, Freundschaftsarbeit, Freiwilligendien- passt. sten, Fortbildungsangeboten, Leitungskonferenzen, ökumenischen Tagungen u.v.m. Dies macht auf seine Den Verfassern dieses Aufrufs soll nicht unterstellt Weise deutlich, dass das Schicksal der Menschen in werden, bewusst antisemitisch zu agieren. Zugleich Palästina und Israel ein ausgesprochen präsentes An- gehört es zu den Abgründen der antisemitischen liegen ist. Angesichts der seit langer Zeit entmuti- Ideologie, dass einige ihrer charakteristischen Muster genden Gesamtentwicklung im Nahen Osten bedarf in der modernen Kultur eben auch unterschwellig es sicher immer wieder neuer Energie, in diesem En- präsent und wirksam sind. Und auch der vorliegende gagement nicht nachzulassen und es ggf. auszubauen. Aufruf liefert hierfür in seinem Schlussabschnitt ei- Als Ansporn hierzu ist der Impuls von «Cry for Ho- nen bemerkenswerten Beleg: Dort wird zunächst in pe» uns wichtig und willkommen. mythisierender Weise vom dem «Imperium» geredet, das einerseits anonym bleibt, gleichwohl angeblich Abgesehen hiervon können wir den Aufruf inhaltlich global wirksam ist, ja, die globale Agenda so sehr be- nur mit großen Vorbehalten aufnehmen. Denn er ver- stimmt, dass jedes Mittel des Widerstands dagegen bindet das erklärte Anliegen, einem gerechten Frie-
FFE 13 gerechtfertigt scheinen könnte. Und nach allem, was Fazit: Wir nehmen den Hinweis von «Cry for Hope» der Text entfaltet hat, kann kein Zweifel bestehen, auf die weiterhin quälende, nach einer Lösung dass die Charakterisierung des Imperiums u.a. als schreiende Situation in Israel-Palästina, die zum fort- «rassistisch» auch und gerade auf den Zionismus gesetzten Engagement für gerechten Frieden drängt, zielt. Der unheilvolle, antisemitische Stereotyp von im Grundsatz zustimmend auf, machen uns aber die der jüdischen Weltverschwörung ist hier zwischen Argumentation, mit der dieser Hinweis untermauert den Zeilen deutlich präsent. wird, ausdrücklich nicht zu eigen. Angesichts solcher Tendenzen in dem Aufruf müssen Hofgeismar, den 25. September 2020» wir als Kirche – in Abwandlung des Untertitels von (1) Siehe unter: https://www.ekd.de/EMOK-Texte- «Cry for Hope» - sagen: Wir können nicht Gott die- 22521.htm nen und wissentlich Dinge tun, die dem Antisemitis- mus noch Vorschub leisten. E-Mail an Bischöfin Dr. Beate Hofmann von Manfred Jeub (09.10.2020) An den ist denn für die um Hilfe rufenden palästinensi- Rat der Evangelischen Landeskirche Kurhessen- schen Christen in all den Jahren zum Guten be- Waldeck wirkt worden? Oder muss man Ihre später erfol- Sehr geehrte Frau Bischöfin Dr. Hofmann, gende Fürsprache für den Zionismus so deuten, dass das „Gute“ auch für Sie eher die Wiederher- ich wende mich an Sie als Vorsitzende des Rates der stellung von Erez Israel mit Samaria und Judäa kurhessischen Landeskirche, der auf das Ihnen über- und der Hauptstadt Jerusalem ist? gebene Schreiben „Cry for hope“ der Christen aus Palästina reagiert und seine Antwort auf der Home- • Sie legitimieren sich, wie üblich, gegenseitig, page Ihrer Kirche publik gemacht hat. wenn Sie „vollinhaltlich“ mit dem jüngsten https://www.ekkw.de/aktuell/meldung/aktuell_31386. EMOK-Papier übereinstimmen. Das Alleinstel- htm lungsmerkmal dieser EKD-Stellungnahme zu den Die rüde Art, wie hier der Hilferuf von Mitchristen israelischen Annexionsplänen im internationalen aus dem Heiligen Land abgefertigt wird, verstört kirchlichen Raum ist, dass hier nicht zur Unter- mich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich eine öf- lassung, sondern nur zur „Aussetzung“ dieser fentliche kirchliche Erklärung gelesen hätte, aus der Maßnahme aufgerufen wird, es werden Fragen so viel unverhohlene Aggressivität spricht. gestellt, die die Annexion bereits voraussetzen Doch nicht nur diese Tonart, auch die Fülle sachli- und – im großen Unterschied zur ÖRK- und cher Fragwürdigkeiten irritiert. MECC-Reaktion – werden keinerlei Sanktionen gefordert. Ist es wirklich die Position der EKKW, • Der Elder Statesman der Europäischen Union, dass die Annexion völkerrechtlich palästinensi- Jean Asselborn, ordnete die von Israel geplante scher Gebiete nur verschoben werden sollte? Annexion rechtlich ein als „eine der gröbsten Verletzungen des Völkerrechts“. Der Rat der • Um die Angemessenheit der Bezeichnung kurhessischen Landeskirche hält sie „für einen „Apartheid“ für die Zustände in Israel und den falschen Schritt“. So wird bereits in ersten Sätzen Gebieten seines Besatzungsregimes zu beurtei- Ihrer Verlautbarung eine Parteilichkeit deutlich, len, genügen Gemeinplätze wie „Komplexität der die rechtliche und ethische Maßstäbe verrutschen Situation“ und „vielschichtige Problemlage“ lässt. nicht. Zu beantworten sind vielmehr ganz kon- krete Fragen: Wie ist das Nationalstaatsgesetz Is- • Elf Jahre sind vergangen seit dem ersten Hilferuf raels vom 19. Juli 2018 zu bewerten? Was sagt der Kirchen in Palästina (Kairos-Dokument, unser Rechtsstaatsempfinden dazu, dass es Stra- 2009). Die Situation der Palästinenser hat sich ßen gibt, die nur von Juden befahren werden dür- seither nur verschlechtert, humanitär, menschen- fen? Dass die nichtjüdischen Einheimischen in rechtlich, politisch. NGOs sprechen von einer Ost-Jerusalem als staatenlos gelten? Dass Katastrophe – und Sie erkennen, „dass sachliche Rechtsbestimmungen Palästinenser gezielt um ih- Kritik an politischen Entscheidungen der israeli- re Immobilien bringen? Zu lange abwesend: schen Verantwortlichen grundsätzlich eine legi- Haus weg – für wie rechtstaatlich halten Sie das, time Möglichkeit ist. In der aufgeheizten Situati- sehr geehrte Frau Bischöfin? Mir erscheint es on muss sie freilich besonders gut überlegt sein, christlich inakzeptabel, solche entsetzlichen Gra- wenn sie etwas zum Guten bewirken soll.“ Was
14 FFE vamina in der Weise wegzuwischen, wie Ihr säglichen Manier: „Wir wollen ja nichts gesagt Rats-Papier das tut. haben, aber…“ Als Beweismittel soll dabei der Begriff „Imperium“ dienen, doch bewiesen wird • Merken Sie denn nicht, dass es zynisch ist, den nur Ihre völlige Unkenntnis der Befreiungstheo- Opfern eines Besatzungsregimes „fundamentale logie und ihrer Terminologie. Mit einer „jüdi- Einseitigkeit“ vorzuwerfen, wenn sie die Stimme schen Weltverschwörung“ hat deren Imperiums- erheben und auf ihre Situation aufmerksam ma- metapher nichts zu tun; was Sie „zwischen den chen. Sind nicht auch Missbrauchsopfer einseitig, Zeilen“ lesen, ist nur das unterstellte eigene Kon- wenn sie sich melden, sind nicht alle Opfer ein- strukt. Haben Sie einmal einen Blick auf die Un- seitig, wenn sie beklagen, was ihnen angetan terstützerliste des „Cry für hope“ geworfen? Der wird? Wer sich der Solidarität mit den Opfern hohe Anteil aus den armen Ländern ist kein Zu- durch Forderung nach Ausgewogenheit entzieht, fall: die Südafrikaner, die wissen wie Apartheid wie Sie es hier tun, begeht m. E. fundamentalen schmeckt, die Lateinamerikaner, die wissen, was Verrat am Evangelium. Unterdrückung ist, die international engagierten • Ihre Argumentation mit dem weltweit verbreite- Kirchenleute und die ökumenischen Theologen. ten Antisemitismus läuft darauf hinaus, den Staat Es muss Ihnen klar sein, dass Sie mit Ihrer zum Israel gegen wirksame Kritik zu immunisieren Pamphlet entgleisten Stellungnahme auch deutsche und seine Nötigung zum Beenden unrechter Zu- Kirchenleute wie Heino Falcke, Rolf Koppe, Jürgen stände zu verhindern. Dieser Logik folgend hätte Moltmann, Konrad Raiser und seine Frau, Eberhardt die Chefanklägerin des Internationalen Strafge- Renz und Bärbel Wartenberg-Potter abwatschen. richtshofs Fatou Bensouda – „diese Frau aus Man fragt sich, wie diese ungewöhnlich krude Ein- Gambia“ (Knesset-Präsident Juli Edelstein) – ih- seitigkeit und das hohe Diskriminierungspotential ih- rer Erklärung motiviert sind. Ist es der Schulter- re Untersuchung zu israelischen Kriegsverbre- schluss mit dem israelhörigen Zentralrat der Juden, chen in Gaza einzustellen, Human Rights-Watch den Ihre Landeskirche schon im März 2019 bewies, und Amnesty International hätten über die fort- als sie der israelkritischen ‚Jüdischen Stimme für ei- währenden Menschenrechtsverletzungen still zu nen gerechten Frieden in Nahost’ ihre Räumlichkei- schweigen, die Presse hätte sich zurückzuhalten, ten zur Verleihung des Göttinger Friedenspreises wenn wieder einmal ein unbewaffneter Palästi- verweigerte? Oder ist es das durch keine historische Erfahrung belehrbare Bedürfnis, im Gleichschritt mit nenser erschossen wird, etc. – denn all das würde der jeweiligen „Staatsräson“ zu marschieren? Gegen ja „dem Antisemitismus Vorschub leisten“. Wer den Antisemitismus einer erstarkenden Rechten, die nicht sehen will, dass die „internationale Stigma- sich auf der Basis von Nationalismus und Islamfeind- tisierung“ Israels etwas mit dessen Verhalten zu lichkeit mit dem Staat Israel durchaus arrangieren tun hat, tritt offen an die Seite Netanjahus, der al- kann, haben Sie mit Ihrer Denunziation von Men- le internationale Kritik als Antisemitismus abtut schenrechtsengagement als antisemitismusfördernd und die Vereinten Nationen als „Haus der Lüge“ jedenfalls gar nichts ausgerichtet, sondern ihm eher zugearbeitet. bezeichnet. Mit freundlichen Grüßen • Im Schlussabschnitt bringen Sie schließlich die M. Jeub palästinensischen Autoren selbst in Zusammen- hang mit Antisemitismus. Sie tun das in der un- E-Mail an Bischöfin Dr. Beate Hofmann von Manfred Jeub (11.10.2020) Landeskirche, sondern die Hannoversche. Ich bitte Sehr geehrte Frau Bischöfin Dr. Hofmann, den weißwurstäquatorialen Irrtum zu entschuldigen! an meinem an den Rat der Landeskirche gerichteten Meiner Kritik an Ihrer Stellungnahme tut dies keinen Schreiben vom 9.10.20 muss ich eine Korrektur an- Abbruch. Erst gestern bin ich auf einer Tagung badi- bringen, denn keinesfalls möchte ich Sie für etwas schen Kirchenleuten begegnet, die ebenso irritiert haftbar machen, das Sie nicht zu vertreten haben. waren. Der Bezug auf die Vorgänge bei der Göttinger Frie- Mit freundlichen Grüßen denspreisverleihung 2019 im Schlussabschnitt ist falsch; verantwortlich ist hier natürlich nicht Ihre M. Jeub
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