Ein starkes Team: ökonomische und grüne Nachhaltigkeit! - LBBW
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Bereit für Neues Bereit für Neues Ein starkes Team: ökonomische und grüne Nachhaltigkeit! LBBW Research auf Twitter https://twitter.com/lbbw_research LBBW auf Twitter https://twitter.com/lbbw LBBW auf Facebook https://www.facebook.com/LBBW.Stuttgart/ LBBW auf LinkedIn https://de.linkedin.com/company/lbbw LBBW auf Xing https://www.xing.com/company/lbbw LBBW auf YouTube https://www.youtube.com/user/LBBWDirekt Wie entwickelt sich die Weltwirtschaft? Wirtschaftsausblick Seite 08 – 24 ➜ Wichtige Ereignisse 2022. Seite 25 ➜ 11/21 29 tcf Nachhaltigkeit Seite 26 – 35 ➜ Landesbank Baden-Württemberg www.LBBW.de kontakt@LBBW.de Unsere Prognosen Hauptsitze für 2022. Seite 36 – 59 ➜ Stuttgart Karlsruhe Mannheim Mainz Am Hauptbahnhof 2 Ludwig-Erhard-Allee 4 Augustaanlage 33 Rheinallee 86 70173 Stuttgart 76131 Karlsruhe 68165 Mannheim 55120 Mainz Telefon 0711 127-0 Telefon 0721 142-0 Telefon 0621 428-0 Telefon 06131 64-0 B0221003_02_01_Umschlag_LB_Ausblick2022_210x280.pdf - Nov_02_2021 11_31_25
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, es freut uns sehr, Ihnen an dieser Stelle unseren Jahresausblick 2022 zu überreichen. Er trägt den Titel »Ein starkes Team: ökonomische und grüne Nachhaltigkeit!«. Nachhaltigkeit wird die nächsten Jahre prägen. Dabei bedeutet sie mehr als Klimaschutz. Es geht ebenso um die öffentlichen Finanzen, um die Freiheit von inflationären Verspannungen und um Wachstum. Nachhaltigkeit ist ein um fassendes Konzept. In der vorliegenden Publikation finden Sie unsere Erwartungen an die Entwicklungen der Weltwirt schaft und der Finanzmärkte im kommenden Jahr. Ihr LBBW ResearchTeam B0221003_02_01_Umschlag_LB_Ausblick2022_210x280.pdf - Nov_02_2021 11_31_26
Der LBBW Research-Jahresausblick Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 in zehn überschaubaren Thesen. 1 2 Weltwirtschaft: Trotz vieler Störfeuer Lieferketten: Lagerbestände der Unter- auf Erholungskurs. nehmen vielfach auf Rekordtiefs; Auf- füllen der Bestände dürfte eine starke Nachfrage entfalten. 3 Nachhaltigkeit: Ein allumfassendes Konzept prägt die Politik, der Euro- 4 Inflation: Sie steht zwar kurz vor päischen Union nicht weniger als der einem zyklischen Hoch, wird aber neuen deutschen Bundesregierung. bis auf Weiteres nicht wieder auf 03 Vor-Corona-Niveau absinken. 5 6 Geldpolitik: US-Notenbank beginnt mit einem »Tapering«; EZB-Leitzinswende Rentenmarkt: Hohe Bewertungen sollten dürfte auch 2022 kein Thema sein. sich auch 2022 nur schleichend abbauen. 7 8 Devisenmarkt: US-Dollar einstweilen Rohöl: Angebotsüberschuss am Markt weiter gut unterstützt. absehbar; Rohölpreisanstieg dürfte langsam auslaufen. 9 10 Top-10-Thesen Immobilien: Preisentwicklung darf Asset Allocation: Bewertungen der sich nicht von der fundamentalen Aktien erscheinen »gedehnt«, trotz- Entwicklung abkoppeln! dem sind Alternativen rar gesät! B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_10
Inhalt Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 01 Editorial Seite 06 ➜ 03 Kalender wichtiger Ereignisse 2022. 02 Seite 25 ➜ Wirtschafts- ausblick Seite 08 ➜ 04 Spezial- 02.1 Weltwirtschaft themen 04 Seite 10 ➜ Seite 26 ➜ 02.2 Vereinigte Staaten. 04.1 Die Inflation ist da. Seite 13 ➜ Seite 28 ➜ 02.3 Asien 04.2 Nachhaltigkeit erobert Seite 15 ➜ den Bondmarkt. Seite 30 ➜ 02.4 Vereinigtes Königreich. Seite 18 ➜ 04.3 Megatrend Gesundheit. Seite 33 ➜ 02.5 Schweiz Seite 19 ➜ 02.6 Euroraum Seite 20 ➜ 02.7 Deutschland Seite 22 ➜ 02.8 Wirtschaftsentwicklung: unsere Szenarien. Seite 24 ➜ Inhalt B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_11
05 Unsere Prognosen für 2022. Seite 36 ➜ 05.1 Unsere Prognosen im Detail. Seite 38 ➜ 05.2 EZB, Fed und Bank of England. Seite 39 ➜ 05.3 Rentenmärkte Seite 42 ➜ 05.4 Devisenmärkte Seite 44 ➜ 05.5 Rohstoffmärkte Seite 46 ➜ 05.6 Immobilienmärkte Seite 48 ➜ 05.7 Aktienmärkte Seite 51 ➜ 05.8 Krypto-Währungen Seite 57 ➜ 05.9 Asset Allocation. Seite 58 ➜ Disclaimer | Impressum Seite 60 ➜ B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_14
01 Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Editorial Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, im Jahr 2022 sollten die schlimmsten wirt- ein unzweideutiges Bekenntnis dazu, dass ohne 06 schaftlichen und sozialen Verwerfungen eine leistungsfähige Wirtschaft alle weiteren Zie- le verfehlt werden dürften. der Corona-Krise endlich hinter uns liegen. Dann werden auch wieder langfristige Der Begriff Nachhaltigkeit ist seit einigen Jahren strategische Überlegungen in den Fokus allgegenwärtig. Er ist mittlerweile sogar derartig wirtschaftspolitischer Debatten rücken. geläufig, dass er in eine Worthülse wohlfeiler Be- liebigkeit abzudriften droht. Jeder ist dafür, aber In einem Punkt herrscht diesbezüglich sel- jeder meint auch etwas anderes damit. Für man- tene Einmütigkeit: Eine Zukunftsstrategie che bedeutet Nachhaltigkeit vor allem, dass wir für Deutschland soll nachhaltig sein! Aber ein intaktes Weltklima und natürliche Ressourcen was bedeutet das überhaupt? Und wie ist hinterlassen, damit auch nachkommende Genera- tionen in den Genuss eines gesunden Lebens und mit möglichen Konflikten zwischen ver- materieller Sicherheit kommen können. Andere schiedenen Nachhaltigkeitszielen umzu- dagegen meinen mit Nachhaltigkeit, dass Staats- gehen? Mit solchen komplexen Fragen wird finanzen auf einem soliden Fundament ruhen sich nicht nur die Wirtschaft auseinander- und unsere Kinder und Enkel keinen überborden- den Schuldenberg erben sollen. Weitere Interpre- setzen müssen. Darauf muss auch die neue tationen von Nachhaltigkeit kursieren ebenfalls Bundesregierung Antworten geben. in der Diskussion. In der politischen Debatte scheint bisweilen die Das Bündnis der Ampelparteien verbreitet Auf- Wahrnehmung vorzuherrschen, dass diese ver- bruchstimmung. Das ist gut, aber nicht genug. schiedenen Facetten der Nachhaltigkeit nicht nur Die Wirtschaft benötigt nun Planungssicherheit miteinander vereinbar sind, sondern sich sogar und nachvollziehbare Leitlinien, welche Vision gegenseitig befördern werden, nach der Devise die Politik bei der Umsetzung gesellschaftlicher »Klimaschutz schafft Wachstum und Steuerein- Editorial Nachhaltigkeitsstrategien verfolgt. Das erfordert nahmen«. In einigen Bereichen ist diese hoff- politische Klarheit und Mut. Es braucht aber auch nungsfrohe Erwartung vermutlich auch berechtigt. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_16
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Zugleich bedarf es einer klaren Prioritätenset- wird. Denn ob nach Jahren zurückhaltender Fi- zung, falls es einmal zu einem Zielkonflikt kom- nanzpolitik noch ausreichend Einsparpotenziale men sollte. Derartige Spannungen zwischen öko- und Mut zu Subventionsstreichungen vorliegen, nomischer und ökologischer Nachhaltigkeit sind muss sich erst noch erweisen. aber zu erwarten. Ein Beispiel hierfür sind die sprunghaft angestiegenen Preise für Energieträ- Die Nachhaltigkeit des Staatshaushaltes ist nicht ger im Herbst 2021. Das macht Investitionen in in Gefahr. Selbst nach dem heftigen Corona- erneuerbare Energien zwar attraktiver, droht aber Schock liegt die öffentliche Verschuldung bei un- zugleich auch die ohnehin schon schwächelnde gefähr 70 % des BIP, unter dem Niveau von 2009. Erholung abzuwürgen, was Bremsspuren im Bun- Die Zinslast ging im selben Zeitraum von 2,6 % deshaushalt hinterlassen wird. Politik, Wirtschaft des BIP auf 0,6 % zurück. Auch unter Berücksich- und Gesellschaft müssen lernen, solche Konflikte tigung der früher oder später zu erwartenden umsichtig und undogmatisch zu lösen. Zinswende sind die öffentlichen Finanzen in ver- gleichsweise robuster Verfassung. In Deutschland wie anderswo wird der Privatsek- tor die treibende Kraft der Transformation unse- Dagegen ist der Grad der Zielverfehlung bei den rer Wirtschaft sein. Dieser zentralen Rolle kann selbst gesteckten und vom Bundesverfassungs- er aber nur dann gerecht werden, wenn die Po- gericht eingeforderten Klimazielen beträchtlich. litik ein kluges und verständliches Rahmenwerk Auch im Vergleich mit den EU-Partnerländern vorgibt. Was sollte deshalb im Aufgabenheft der steht Deutschland schlecht da: Der CO2-Verbrauch neuen Bundesregierung stehen? Zunächst einmal pro Kopf liegt nicht nur deutlich über dem euro- sollte alles unternommen werden, damit Wirt- päischen Durchschnitt, er geht auch langsamer schaft und Beschäftigung an Fahrt gewinnen. zurück als anderswo. 23 EU-Mitgliedsländer ha- Nach unserer Schätzung beläuft sich das Wachs- ben in der vergangenen Dekade mehr Staatsaus- tumspotenzial der deutschen Wirtschaft auf we- gaben für Umweltschutz eingesetzt (in % des BIP) nig mehr als 1 % jährlich. Mit solch anämischen als Deutschland. Wachstumsraten wird es schwierig werden, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Und zwar ganz Und kaum irgendwo ist seit der Finanzkrise in 07 gleich, ob der Begriff auf die Staatsfinanzen ähnlich geringem Maße in die öffentliche Infra- oder unsere Umwelt bezogen wird. Natürlich ist struktur investiert worden. Wettbewerbsrisiken Wachstum nicht alles. Aber ohne eine florierende für deutsche Unternehmen werden wachsen, Wirtschaft ist fast alles nichts. wenn nicht zügig damit begonnen wird, verloren gegangenes Terrain wieder aufzuholen. Die Per- Insofern finden sich im Sondierungspapier der spektive einer kurzfristigen Schuldenreduktion sich selbst als »Fortschrittskoalition« bezeich- darf nicht erkauft werden mit einer Stagnation nenden Ampelparteien zahlreiche positive Initia- des langfristigen Wachstumspotenzials. tiven, denen freilich noch mit konkreten Maß- nahmen Leben eingehaucht werden muss. Der Für den vorliegenden Ausblick auf das Jahr 2022 Ruf nach Entbürokratisierung der öffentlichen haben unsere Analystinnen und Analysten die Verwaltung, beschleunigte Digitalisierung, Flexi- Perspektiven für die wichtigsten Volkswirtschaf- bilisierung in der Arbeitswelt sowie Gründungs- ten und Kapitalmarktsegmente auch durch das und Innovationsförderung stimmen hoffnungs- Prisma der Nachhaltigkeit beleuchtet. Ich wün- froh. Sie sind aber auch vergleichsweise wenig sche Ihnen eine anregende und erkenntnisreiche kontrovers. Lektüre, und dass 2022 ein von positiven Über- raschungen und Erfolgserlebnissen geprägtes Das wirklich dicke Brett liegt anderswo: Wie kön- Jahr werden möge. nen Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung und Klimaschutz (= ökologische Nachhaltigkeit) mit Bleiben Sie uns gewogen, vor allem aber gesund soliden Staatsfinanzen (= finanzpolitische Nach- und guten Mutes! haltigkeit) versöhnt werden? Das Sondierungs- papier der Ampel bleibt diesbezüglich im Ungefähren. Es besteht die Gefahr, dass die ver- Ihr einbarten finanzpolitischen Leitlinien (Schulden- bremse beibehalten, keine Steuererhöhungen) Dr. Moritz Kraemer Editorial zulasten des für die wirtschaftliche Transforma- Chefvolkswirt und tion notwendigen Investitionsprogramms gehen Leiter des Konzernbereichs Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_18
Wirtschaftsausblick Das Jahr 2021 geht zu Ende. Corona weicht vielerorts zurück, ohne in Gänze zu verschwinden. Die Hinterlas- senschaften wiegen schwer. Die Wirtschaftspolitik hielt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in den zurücklie- genden Quartalen hoch, auf Kosten eines immensen Preisdrucks jetzt und einer nunmehr höheren Verschul- dung. Am aktuellen Rand streuen Angebotsengpässe Sand in das Getriebe des Wirtschaftslebens rund um den Globus. Die Chancen stehen gut, dass diese Schwie- rigkeiten in überschaubarer Zeit überwunden werden. Bei alledem sollten tunlichst keine weiteren schweren Prüfungen für die Weltwirtschaft hinzukommen! 5,0 % Prognose des LBBW Research zum Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Leistung Deutsch- lands 2022 – genauso hoch wie die entspre- chende Prognose zur Volksrepublik China. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_20
02.1 Weltwirtschaft: der lange Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Schatten der Pandemie. Lieferengpässe und Delta-Variante bremsen Erholung. • Knappheit bei Vorprodukten bremst weltwirtschaftliche Erholung • Rigide Corona-Eindämmungsstrategie Chinas verschärft Lieferengpässe • Weltwirtschaft bleibt trotz alledem auf Erholungskurs Matthias Krieger Erst Nachfrage-, nun Angebotsprobleme. im Falle der Industriestaaten nach wie vor deut- lich oberhalb der kritischen Marke von 50 Zäh- Nach dem pandemiebedingten schweren Ein- lern; die Erholung dürfte hier also andauern, bruch Anfang des vergangenen Jahres hatte die wenngleich mit verminderter Dynamik. Bei den Weltwirtschaft etwa ab Mitte der zweiten Jah- Schwellenländern hat der Frühindikator hinge- reshälfte 2020 wieder signifikant Fahrt aufge- gen, gleichfalls von oben kommend, bereits wie- nommen. Am aktuellen Rand haben dann die der die 50er-Marke touchiert. Dies ist insbeson- Einkaufsmanagerindizes speziell für das Verar- dere auf eine zuletzt eher »durchwachsene« beitende Gewerbe erneut nach unten gedreht. Entwicklung in China zurückzuführen (siehe auch 10 Zwar bewegen sich diese Stimmungsindikatoren Beitrag »02.3 Asien«). Welt, Industrie- und Schwellenländer: Indizes für die Stimmung unter den Einkaufs- managern im Verarbeitenden Gewerbe. 65 65 60 60 55 55 50 50 45 45 40 40 Wirtschaftsausblick 35 35 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 2018 2019 2020 2021 PMI Manufacturing: Welt PMI Manufacturing: Entwickelte Länder PMI Manufacturing: Schwellenländer Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_21
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Die extrem ansteckende Delta-Variante des Coro- Knappheit an Mikrochips leiden. Dies mag den na-Virus führte in der Volksrepublik, in Verbin- Produktionsanstieg in einigen Sektoren weiter dung mit einer dort äußerst rigide gehandhab- dämpfen, damit das Güterangebot hier verknap- ten »Zero-Covid-Strategie«, immer wieder zu pen und somit auch das Preisniveau in diesen Abriegelungen ganzer Städte bis hin zur zeitwei- Bereichen eher hochhalten. sen Schließung wichtiger Seehäfen. Unmittelbar traf dies die chinesische Wirtschaft; mittel- bar brachte dieses Vorgehen darüber hinaus die Bei alledem: Erholung der Weltwirtschaft internationalen Zulieferketten gehörig aus dem dürfte andauern. Takt. Unter einem Mangel an Vorprodukten und Energierohstoffen leiden derzeit große Teil des Bei alledem sollte sich die Erholung der Weltwirt- Produzierenden Gewerbes weltweit. Inzwischen schaft in den anstehenden Quartalen fortsetzen. arbeiten die chinesischen Containerhäfen zwar Denn: Letztlich ist die aktuelle Angebotsknapp- wieder; ein neuer Covid-Fall könnte aber jeder- heit vor allem Folge einer weltumspannend, zeit zu erneuten Störungen führen. Gemäß den überaus starken Nachfrage im Nachgang der Vorgaben der chinesischen Führung hat beispiels- Pandemie. Unsere These lautet: Diese Nachfra- weise bereits ein einziger Covid-Fall in einem ge wird die Weltwirtschaft nach aller Erfahrung Hafen dessen weitgehende Schließung zur Folge. weiter stützen. Das Welthandelsvolumen hat sich bereits kräftig erholt. Es liegt derzeit trotz Diese eher kürzerfristigen logistischen Prob- Lieferengpässen über den Werten aus der Zeit leme im Seehandel sind das eine. Etwas ande- vor Beginn der Pandemie. Dies mag zwar zum res, weil gravierender in den Auswirkungen und Teil als lediglich temporäres »Überschießen« ge- vor allem auch dauerhafter, ist ein gegenwärtig wertet werden, für einen erneuten Rücksetzer zu beobachtender, weltweiter Mangel an Halb- unter die Werte aus der Zeit vor 2020 spricht leitern. In langen Lockdown-Phasen seit Anfang derzeit aber wenig. So ist die Fiskalpolitik der 2020 bildete sich ein gehöriger Nachholbedarf meisten Staaten nach wie vor akkommodierend nach Gütern aller Art. Zusätzlich trieb die Pan- angelegt, ebenso die Geldpolitik. Darüber hinaus demie die Digitalisierung im globalen Rahmen stützt der Digitalisierungsboom entsprechen- 11 voran. In der Folge wuchs rund um den Globus de Industrien, und schließlich dürfte das Mega- die Nachfrage nach Computer-Chips kräftig an. thema Klimaschutz über viele Jahre hohe Nach- Hiermit können es die zugehörigen, vorhande- frage generieren. nen Produktionskapazitäten aktuell nicht auf- nehmen. In der Folge verfügen zwar viele Un- ternehmen, in Europa und in Übersee, über volle Welthandelsvolumen, real Auftragsbücher; sie können aber die Aufträge (Index; 2010 = 100). wegen fehlender Bauteile nur eingeschränkt abarbeiten. Dies dämpft den Produktionsanstieg 135 signifikant und bremst die Erholung der gesam- ten Weltwirtschaft. 130 Betroffen von der Halbleiterknappheit sind zu- 125 nächst insbesondere Staaten mit Produkten im oberen Segment der Wertschöpfungskette. In 120 Deutschland sind beispielsweise die Kernberei- che Automobil und Maschinenbau stark betrof- 115 fen. Da der Produktionsausfall dann, in einer zweiten Runde, zu einem geringeren Bedarf an 110 sonstigen Vorprodukten bis hin zu Rohstoffen führt, sind letztlich alle Wertschöpfungsketten 105 negativ tangiert. Branchenvertreter der Halb- leiterindustrie sehen die Talsohle zwar erreicht, Wirtschaftsausblick 100 bis die gesamte Nachfrage bedient werden kann, 2017 2018 2019 2020 2021 dürfte aber noch gehörige Zeit ins Land gehen. Auch 2022 könnte die Industrie noch unter einer Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_22
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Derweil dürften dem Dienstleistungssektor, der Emerging Markets für ein steigendes Impftempo besonders unter wiederholten Lockdowns zu sorgen. Darüber hinaus werden jetzt Produk- leiden hatte, steigende Impfquoten weltweit zu- tionskapazitäten für Impfstoffe in den Schwel- gutekommen. Dies sollte mithelfen, die Welt- lenländern selbst aufgebaut, so in Südafrika. wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen bzw. dort Von einer allgemein hohen Nachfrage nach Zu- zu halten. Die Schwellenländer leiden aufgrund lieferungen aller Art profitieren derweil speziell der dort noch immer relativ niedrigen Impf- die in die globalen Wertschöpfungsketten stark quoten weiterhin stärker unter der Pandemie integrierten Emerging Markets in Süd- und Ost- als die Industriestaaten. Die fortgeschrittene asien; stark gestiegene Rohstoffpreise helfen »Durchimpfung« in den Industrieländern setzt Rohstoffexporteuren speziell in Lateinamerika aber Kapazitäten frei und dürfte so auch in den und in Afrika. »Stark gestiegene Staatsschulden könnten zu einem konjunkturellen Problem heranwachsen, wenn die NotenbankenwegenanhaltendhoherInflationsraten früh im Zyklus ihre Zinsen anheben müssten.« Matthias Krieger, Senior Economist Das größte Risiko für unser Basisszenario ei- Ländern auf die jeweilige Konjunktur auswirken ner fortschreitenden weltwirtschaftlichen Erho- wird. Verschiedene Notenbanken könnten sich 12 lung 2022 bleiben Mutationen des Corona-Virus, aufgrund dauerhaft doch höher als derzeit er- die den Impfschutz unterlaufen. Für diesen Fall warteter Inflationsraten aufgerufen fühlen, Zins könnten erneut flächendeckende Lockdowns erhöhungen vorzunehmen, was nicht zuletzt die am Horizont aufscheinen. Darüber hinaus muss öffentlichen Budgets belasten würde. sich erst noch zeigen, wie sich die exorbitante Ausweitung der Staatsverschuldung in vielen Aus Sicht der Emerging Markets dürfte sich beim Blick voraus positiv auswirken, dass diese in ihrer großen Mehrheit mit moderaten Staats- Weltproduktion und zugehörige LBBW- schuldenquoten in die jüngste Krise gingen und Prognosen (BIP, Veränderung in % Y–Y). der Großteil dieser Schulden inzwischen in Lan- deswährung denominiert ist. Schieflagen großer 7,0 Unternehmen, insbesondere solcher mit hoher Fremdwährungsverschuldung, könnten gleich- 5,0 wohl zu Verwerfungen führen – ein Punkt, dem zukünftig wieder mehr Beachtung geschenkt 3,0 werden muss. 1,0 Das weltweite Zinsniveau dürfte noch mindes- tens zwei Jahre auf extrem bis sehr niedri- – 1,0 gem Niveau verharren. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für die aufstrebenden Volkswirt- –3,0 schaften akut nicht mit neuerlichen Schulden- krisen. Die größte wirtschaftliche Dynamik wird Wirtschaftsausblick nach unserem Dafürhalten auf Sicht weiter die – 5,0 Region Asien/Pazifik entfalten. Unsere Prognose 14 15 16 17 18 19 20 1 2 02 02 20 20 20 20 20 20 20 für den Zuwachs der Weltproduktion 2022 liegt )2 )2 (p (p Quellen: Refinitiv, LBBW Research bei 4,6 %. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_23
02.2 Vereinigte Staaten. Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Veritabler Preisdruck in der Frühphase des Zyklus. • Realwirtschaft dürfte 2022 etwas an Schwung verlieren • Inflation auf über 5 % emporgeschossen; Aufhol- und Sondereffekte hier maßgeblich • Bei alledem: auch die »unterliegende« Inflation zuletzt mit Aufwärtstrend Dirk Chlench US-Wirtschaft lässt Corona-Einbruch Im Jahr 2022 sollte sich die Expansion fortset- hinter sich. zen, wenn auch mit weniger Schwung. Erneut dürfte der persönliche Verbrauch die gesamt- Die US-Wirtschaftsleistung schnellte in der ers- wirtschaftliche Nachfrage stützen. Lange Mo- ten Jahreshälfte 2021, nicht zuletzt infolge üp- nate der Anti-Corona-Einschränkungen führten pig dimensionierter Rettungspakete und einer auf Seiten der privaten Haushalte zu einem be- Lockerung der Corona-Restriktionen, mit einer trächtlichen Nachholbedarf. In Verbindung mit auf das Jahr hochgerechneten Rate von 6,4 % einem regelrechten »Geldregen« aus Washing- empor. Damit erreichte sie wieder ihr Vorkrisen- ton liegt die Sparquote in den Vereinigten Staa- niveau. Es liegt auf der Hand, dass ein solch ho- ten am aktuellen Rand deutlich höher als üblich. hes Tempo nicht von Dauer sein wird. Für das Nach unserer Überschlagsrechnung ergibt sich 13 auslaufende Jahr insgesamt zeichnet sich eine eine kumulierte Überersparnis in Höhe von rund Zuwachsrate von 5,5 % ab. 2,3 Bio. USDollar. Eine in großen Schritten vo- ranschreitende Erholung am US-Arbeitsmarkt, eine Hausse am Aktienmarkt sowie eine nord- Sozialleistungen des Staates an natürliche wärts gerichtete Preisentwicklung bei Wohn- Personen (in Mrd. US-Dollar). immobilien dürften die US-Konsumenten dazu bewegen, ihre Überersparnis im Verlauf des Jah- 8.000 res 2022 zumindest teilweise abzubauen. Auch erwarten wir ein reges Wachstum der Lohn- und Gehaltssumme; ein nunmehr wieder angespann- 7.000 terer Arbeitsmarkt und eine politische Agenda in Richtung Umverteilung spielen hier die wesent- 6.000 liche Rolle. Vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen 5.000 Konsumnachfrage dürften die Unternehmen ihre Investitionen in Ausrüstungen weiter aus- 4.000 weiten, ungeachtet einer im Raum stehenden Erhöhung des Unternehmensteuersatzes. Die 3.000 Finanzierungsseite mag, angesichts gelockerter Vergaberichtlinien bei den US-Geschäftsbanken, nicht bremsen, auch nicht bei einer von uns er- 2.000 warteten Aufstockung der leergefegten Lager. Wirtschaftsausblick 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Allein hieraus erwarten wir einen Wachstums- Hinweis: beitrag von einem Prozentpunkt. Für 2022 prog- Saisonbereinigte Monatswerte, auf das Jahr hochgerechnet nostizieren wir eine Zuwachsrate des US-Brutto- Quellen: Refinitiv, LBBW Research inlandsprodukts von 4,5 %. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_24
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Inflation so kräftig wie seit mehreren Reale Kursentwicklung des S&P 500 (in %). Jahrzehnten nicht. 12 InflationsZielmarke der Der Konsumentenpreisindex kletterte im ab- US-Notenbank Fed von 2 % 10 laufenden Jahr mit Jahresraten jenseits der 5 % nach oben. Die Teuerung heizten speziell auch 8 pandemiebedingte Aufhol- und Sondereffekte an, so bei Flugtickets, Hotelübernachtungen und 6 Gebrauchtwagen. Die Inflationsrate wird gemäß unserer Prognose für das Gesamtjahr 2021 bei 4 4,4 % zu liegen kommen, nach lediglich 1,2 % im 2 Jahr 2020. 0 Im neuen Jahr sollten die genannten Aufhol- und
02.3 Asien Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Gemischtes Bild bei positiver Tendenz. • Chinas Wachstum wird sich voraussichtlich deutlich verlangsamen • Japans Wirtschaft wird 2022 nur unterdurchschnittlich zulegen • Ostasien dürfte auch 2022 die wachstumsstärkste Region der Welt sein Matthias Krieger Volksrepublik China. Lieferprobleme, unter denen Unternehmen auf der ganzen Welt leiden. Daneben belasten Ver- Die Volksrepublik hatte als erstes Land die Aus- schuldungsprobleme großer Land- und Immobi- wirkungen der Corona-Pandemie zu spüren be- lienentwickler (»Evergrande«), Überkapazitäten kommen und schwenkte dann als erstes wieder im Bausektor, eine hohe Verschuldung vieler auf Wachstumskurs ein. Aktuell stottert der Wirt- Staatsunternehmen sowie eine Regulierungs- schaftsmotor der größten Volkswirtschaft Asiens, offensive der Regierung. Vor diesem Hinter- was auf ein ganzes Bündel an Ursachen zurückzu- grund fielen in China zuletzt sowohl der PMI für führen ist. So wirken rigide Maßnahmen zur Ein- die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes dämmung der Corona-Delta-Variante belastend. als auch der des Dienstleistungssektors unter die Aus Furcht vor einem erneuten flächendeckenden kritische Marke von 50 Punkten. Eine wirtschaft- 15 Ausbruch der Pandemie fährt China eine extreme liche Abschwächung steht dem »Reich der Mitte« Eindämmungsstrategie. Selbst die Infektion eines ins Haus. einzigen Hafenarbeiters zog schon die zeitweise Schließung des größten Terminals eines der größ- Ein Dauerproblem bleibt die exorbitante Ver- ten Containerhäfen der Welt nach sich. Das kom- schuldung diverser, meist unter staatlicher Ein- promisslose Vorgehen verursacht immer wieder flussnahme stehender Unternehmen. Um die China: Indizes für die Stimmung unter den Einkaufsmanagern im Verarbeitenden Gewerbe und unter Dienstleistern (Caixin). 60 60 55 55 50 50 45 45 40 40 35 35 Wirtschaftsausblick 30 30 25 25 2018 2019 2020 2021 PMI Manufacturing (Caixin) PMI Service Sector (Caixin) Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_27
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Konjunktur anzukurbeln, wurden staatsnahe Un- oben, was wachstumsdämpfend wirkt. Die Poten- ternehmen über viele Jahre zu Investitionen an- zialwachstumsrate der chinesischen Wirtschaft gehalten, so im Bausektor, und dabei von den wird vor diesem Hintergrund weiter fallen. Nach staatlichen Banken großzügig mit Krediten ver- 7,5 % im zu Ende gehenden Jahr sehen wir für sorgt. Die oft wenig rentablen Engagements 2022 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts rächen sich nun in Form eines zunehmenden von 5,0 % – Tendenz weiter fallend. Überschuldungsrisikos. Um Dominoeffekte zu verhindern, wird der Staat hier immer wieder tief Mit Blick auf ein gestiegenes Pro-Kopf-Einkom- in die Tasche greifen. Dabei dürfte inzwischen men in China bleibt der Markt des Landes, auch klar sein, dass dieser zukünftig nicht alle Unter- bei einem geringeren Wachstum von Jahr zu nehmensgläubiger kompensieren wird. Dies treibt Jahr, einer der bedeutendsten Treiber der Welt- die Risikoprämien für Unternehmenskredite nach wirtschaft. »Die Potenzialwachstumsrate Chinas dürfte tendenziell weiter fallen und sich inwenigenJahrennahe4%einfinden.« Matthias Krieger, Senior Economist Japan nebulöse Reformen und – natürlich – ein neues Konjunkturprogramm. Insofern steht Kishida für Auch in Japan liefen die Zahlen zu den Corona- Kontinuität. Ob er neue Impulse bringen wird, 16 Infektionen zeitweise aus dem Ruder. Vor dem bleibt abzuwarten. Der private Konsum erholt Hintergrund einer extrem ansteckenden Delta- sich derweil eher anämisch. Auch lässt die Inves- Variante litt das Land dann unter einer nur zäh titionstätigkeit der Unternehmen zu wünschen vorankommenden Impfkampagne. Dies kostete übrig. Immerhin verzeichnet der Außenhandel am Ende Premier Yoshihide Suga sein Amt. wieder Zuwächse: Sowohl die Exporte als auch Nachfolger Fumio Kishida verspricht nun, was die Importe lagen zuletzt etwas über den Ver- alle neuen Regierungschefs in Japan versprechen: gleichswerten aus der Zeit »vor Corona«. Japan: Exporte und Importe (gleitender Dreimonats-Durchschnitt in Mrd. US-Dollar). 70 70 65 65 60 60 55 55 50 50 Wirtschaftsausblick 45 45 40 40 2017 2018 2019 2020 2021 Exporte Importe Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_28
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Inzwischen treibt die Regierung die Impfkam- partizipieren aufgrund dort ansässiger Elektro- pagne mit Elan voran. Mittlerweile sind über nikunternehmen vom Digitalisierungsboom rund 70 % der Bevölkerung vollständig geimpft. Hö- um den Globus. Derweil dürfte eine weltweit an- here Impfquoten als in Europa oder in den Ver- haltend hohe Nachfrage nach Zulieferungen aller einigten Staaten zeichnen sich ab, was auch der Art auch anderen, in der Regel gleichfalls stark Binnenkonjunktur Auftrieb verleihen sollte. Im in die internationalen Wertschöpfungsketten ein- Zuge einer weiteren weltwirtschaftlichen Erho- gebundenen Ländern der Region zugutekommen. lung sollte bis dahin vor allem der Export die Konjunktur in Japan stützen. Wir rechnen für 2022 bei alledem mit einer im Vergleich zu an- »Developing Asia«: deren Industriestaaten eher unterdurchschnitt- Wirtschaftsleistung sowie zugehörige IWF- lichen Expansion der Volkswirtschaft um 2,4 %. Prognosen (BIP, Veränderung in % Y–Y). 8 »Developing Asia« und »Newly Industrialized Economies«. 6 Mit Blick auf die Wachstumsdynamik stellen die ostasiatischen Schwellenländer, mit und ohne 4 China, zusammen mit den »Newly Industrialized Economies« (NIE) Südkorea, Taiwan und Singa- pur seit vielen Jahren ein wirtschaftliches Kraft- 2 zentrum der Welt dar. Derzeit läuft die Wirt- schaft aber auch hier stellenweise unrund, was im Wesentlichen auf immer wieder aufbrechende 0 Infektionscluster und einen Mangel an Impfstof- fen zurückzuführen ist. Letztlich handelt es sich bei den meisten Staaten der Region um Schwel- –2 17 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 lenländer, die nach wie vor Defizite in Bereichen wie dem Gesundheitswesen und der staatlichen Quellen: Refinitiv, LBBW Research Organisation und Verwaltung aufweisen. So dro- hen in Indien und in Indonesien nach wie vor Rückschläge infolge der Pandemie, solange die Die neue Megafreihandelszone »Regional Com- Impfquoten deutlich niedriger liegen als in den prehensive Economic Partnership« (RCEP) wird Industrieländern. Allerdings weisen die meisten hier zusätzliche Impulse liefern und die wirt- Staaten hier eine relativ junge Bevölkerung auf, schaftliche Integration der Region Asien/Pazi- die i. d. R. besser mit dem Virus zurechtkommt. fik vorantreiben. Zwar stellt das Abkommen Auch macht eine zunehmende »Durchimpfung« eher eine Konsolidierung existierender bilate- in den Industriestaaten Kapazitäten frei für eine raler Freihandelsabkommen dar, sodass bei den Ausweitung der Impfungen andernorts. Darüber Zöllen meist nur noch wenig Spielraum für wei- hinaus versucht China, sich als Schutzmacht der tere Senkungen besteht, dennoch wird es Pro- Region zu gerieren, die großzügig die Nachbar- fiteure geben, vor allem China, Japan und Süd- staaten mit Impfstoffen versorgt. Insgesamt ge- korea. Diese konkurrieren mit europäischen und sehen ist in vielen Ländern der Region auch amerikanischen Unternehmen, verfügten bislang 2022 noch mit pandemiebedingten Rückschlägen aber über keine Freihandelsabkommen unter- bei der wirtschaftlichen Erholung zu rechnen. einander. Die RCEP schafft nun einen Rahmen, Belastend kommen Zulieferprobleme hinzu, so innerhalb dessen zum Beispiel japanische und bei Halbleitern und Kohle. südkoreanische Unternehmen nahezu zollfrei nach China liefern können und umgekehrt. Der Grundsätzlich dürfte »Developing Asia«, den Druck auf europäische und amerikanische Kon- Blick nach vorne geworfen, bald wieder zufrie- kurrenten steigt, sich noch mehr als bisher mit Wirtschaftsausblick denstellende Wachstumsraten buchen. Der In- eigenen Produktionsstätten in Asien anzusiedeln, ternationale Währungsfonds (IWF) rechnet für um Zollschranken unterlaufen und gegenüber die kommenden Jahre mit Werten bei um die 6 % japanischen, koreanischen und chinesischen Kon- p. a.: deutlich über dem Durchschnitt der Welt- kurrenten in der Region wettbewerbsfähig blei- wirtschaft. Staaten wie Taiwan, Südkorea und ben zu können. Diese Direktinvestitionen dürften Singapur oder auch Malaysia und die Philippinen vielen Staaten der Region zugutekommen. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_29
02.4 Vereinigtes Königreich. Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Erholung trotz leerer Supermarktregale. • 2021 wahrscheinlich mit stärkster Expansion aller Industrieländer • Explodierende Gaspreise treiben die Inflation an • Bank of England im Zinserhöhungsmodus Dirk Chlench Noch 2020 war die Wirtschaftsleistung des Ver- Beispiel. Gleichwohl dürfte die britische Wirt- einigten Königreichs um rund 10 % eingebrochen: schaftsleistung das Gesamtjahr 2021 mit ei- stärker als in jedem anderen Industrieland. 2021 ner Veränderungsrate von 6,4 % gegenüber dem schickt sich der Inselstaat nun an, zum Wachs- Vorjahr abschließen: stärker als in allen anderen tumsspitzenreiter zu avancieren. Zwar schrumpf- Industriestaaten. te die britische Wirtschaft im ersten Quartal erneut, dann aber setzte eine schrittweise Locke- 2022 sollte die Erholung der britischen Wirt- rung der Corona-Restriktionen im zweiten Quar- schaft weitergehen. Die Auftriebskräfte sind ähn- tal aufgestaute Nachfrage frei. Die Wirtschafts- lich gelagert wie andernorts: eine Überersparnis leistung legte gegenüber dem Vorquartal um der Verbraucher aufgrund eines coronabedingt sage und schreibe 5,5 % zu. zurückgestauten Konsums, steigende Preise für 18 Wohnimmobilien, eine Hausse am Aktienmarkt sowie leergefegte Lager der Unternehmen. Im Fall des Vereinigten Königreichs kommt eine bis Ende 2023 befristete Verbesserung der Ab- schreibungsbedingungen als Impuls für eine ver- stärkte Investitionstätigkeit hinzu. Dem steht das Risiko entgegen, dass die britische Wirtschaft aufgrund des Brexits die weltweit bestehenden Lieferkettenprobleme langsamer überwindet als vergleichbare Länder. In der Gesamtschau dürfte die britische Wirtschaft im Jahr 2022 mit einer Rate von 4,0 % zulegen. Die Konsumentenpreise stiegen zuletzt mit ei- ner Rate von mehr als 3 % im Vergleich zum Vorjahresmonat an. Speziell angesichts empor- schießender Notierungen für Gas stehen für die kommenden Monate Werte oberhalb von 4 % ins Haus. Zusätzlichen Preisaufwärtsdruck übt ein starker Anstieg der Löhne aus. Im April 2022 wird des Weiteren ein geplanter Zuschlag zur Sozialversicherung die Unternehmen belasten. Das Tempo setzte sich in der zweiten Jahres- Nach unserer Prognose wird die britische In- Wirtschaftsausblick hälfte nicht in der gesehenen Art fort. Allein flationsrate im Jahr 2022 auf 3,5 % ansteigen; schon vielfältige Lieferschwierigkeiten streu- noch 2020 standen lediglich 0,9 % zu Buche. Wir ten erheblich Sand ins Getriebe; die Bilder lee- gehen davon aus, dass die Notenbank bis Jah- rer Supermarktregale, nicht zuletzt Folge eines resende 2022 ihren Leitzins auf 0,75 % herauf- Mangels an Lkw-Fahrern, geben ein illustres setzen wird. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_30
02.5 Schweiz Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Solide Erholung schreitet voran. • Schweizer Wirtschaft kommt glimpflich durch die Krise • Pharmaindustrie als Stütze • Vorkrisenniveau bei Wirtschaftsleistung bereits 2021 wieder erreicht Dr. Katja Müller Unaufgeregte Erholung. Im Frühjahr 2021 ließ die Schweiz das Rahmen- abkommen mit der EU platzen. Dieser Vertrag Die Schweizer Wirtschaft war 2020 weniger sollte den Beziehungen zwischen den beiden stark eingebrochen als zunächst befürchtet. Zwar Wirtschaftsräumen einen institutionellen Rah- schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) co- men geben. Bislang sind diese Beziehungen über ronabedingt um 2,5 %; dieser Rückgang lag aber ein Geflecht bilateraler Verträge geregelt, das niedriger als in den meisten anderen Industrie- der Schweiz weitgehenden Zugang zum Binnen- ländern. Entsprechend geringer fällt das Aufhol- markt der EU gewährt und umgekehrt. Kurzfris- potenzial aus. Eine wertvolle Konjunkturstütze tig hat das Aus für das Rahmenabkommen für die stellte die gewichtige chemisch-pharmazeutische Schweiz keine gravierenden Folgen. Allerdings Industrie dar. Im Frühjahrsquartal 2021 kletter- drohen mittel- bis langfristig Probleme, da die 19 te deren Wertschöpfung gut 9 % über das Vor- bestehenden Verträge veralten und nachverhan- krisenniveau. Im Zuge erlassener Corona-Locke- delt werden müssen. rungen legte auch der Dienstleistungssektor und hier insbesondere das Gastgewerbe wieder zu. Positiv wirkten sich zudem die Fußball-EM und SNB hält Kurs. die Olympischen Sommerspiele aus; regelmäßig hat die Buchung von Lizenzeinnahmen für sol- Die Schweizerische Nationalbank (SNB) bleibt che Großereignisse durch die in der Schweiz an- unbeirrt bei ihrem Kurs einer ultraexpansiven sässigen großen Sportverbände nennenswerten Geldpolitik. Der Leitzins verharrt seit 2015 bei re- Einfluss auf das BIP. Bereits im zweiten Halbjahr kordtiefen – 0,75 %. Im Fokus der SNB steht nach 2021 dürfte die Schweizer Wirtschaftsleistung wie vor der Schweizer Franken, den die Wäh- wieder das Niveau aus der Zeit unmittelbar vor rungshüter als »hoch bewertet« ansehen. Auch Ausbruch der Corona-Krise erreicht haben. Aller- im laufenden Jahr machte die Notenbank von der dings kann sich die eidgenössische Wirtschaft Möglichkeit Gebrauch, die eigene Währung durch nicht den derzeitigen Problemen hinsichtlich Lie- Devisenmarktinterventionen zu schwächen. Die fer- und Materialengpässen entziehen. Für das Verbraucherpreise ziehen zwar in der Schweiz Gesamtjahr 2021 rechnen wir mit einem BIP- derzeit an, aber die Teuerung liegt deutlich nied- Zuwachs von 3,2 %. riger als im Euroraum oder in den USA. Die SNB blickt derzeit gelassen auf die Inflationsentwick- Aufholeffekte beim privaten Konsum und bei den lung und dürfte der EZB und der Federal Reserve Investitionen dürften die gesamtwirtschaftliche den Vortritt bei Zinserhöhungen lassen. Nachfrage weiter prägen. Auch sollte die globa- le Konjunkturerholung die Exporte stützen. Einen Mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachten die Wirtschaftsausblick positiven Sondereffekt auf den BIP-Zuwachs mag Schweizer Währungshüter aktuell den Immobi- zudem die Fußball-WM 2022 haben. Für das lienmarkt. Hier sehen sie zunehmende Verwund- anstehende Jahr rechnen wir mit einer etwas barkeit. Laut LBBW Hauspreisindikator lag die schwächeren Zunahme der Wirtschaftsleistung Überbewertung des Schweizer Immobilienmarktes als 2021. Unsere Prognose für den BIP-Zuwachs im ersten Quartal 2021 mit gut 24 % um fast zehn 2022 lautet auf 2,9 %. Prozentpunkte höher als noch zwei Jahre zuvor. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_31
02.6 Euroraum Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Lieferengpässe hemmen den Aufschwung – auch 2022? • Lagerbestände vielfach auf jeweiligem Rekordtief • Gesamtwirtschaftliche Leistung dürfte auch 2022 kräftig zulegen • Preisdruck sollte im kommenden Jahr ganz allmählich abflauen Dr. Jens-Oliver Niklasch Lieferengpässe: Zusammentreffen vieler jüngst überwiegend niedrige Zahlen zu den Be- misslicher Umstände. ständen an Vorleistungen, Kapitalgütern und Ge- brauchsgütern zutage; Verbrauchsgüter sind bis- Lieferengpässe sind derzeit in aller Munde: das lang in ausreichender Menge vorrätig. In diesem lange nicht gekannte Phänomen eines breitflä- Zusammenhang sprach die Welthandelsorganisa- chigen Defizits beim Angebot vieler Güter. Gleich tion zuletzt von Zeichen einer Entspannung. Dem- mehrere Faktoren spielen hier hinein: Produkti- gegenüber könnte es im wichtigen Halbleiter- onsausfälle, verursacht durch Brände oder Strom- bereich noch längere Zeit Lieferschwierigkeiten ausfälle in wichtigen Fertigungsstätten in Asien; geben, möglicherweise über das Jahr 2022 hinaus. Werkschließungen im Zuge diverser coronabe- dingter Lockdowns; logistische Hindernisse, sei Bei alledem erwarten wir, dass im neuen Jahr ein 20 es im Suezkanal, sei es durch Hafenschließungen großer Teil der derzeit aufgelaufenen Aufträge ab- in China angesichts lokaler Pandemieausbrüche. gearbeitet wird. Dies trifft 2022 auf einen anhal- Gepaart ist all dies mit Nachfragespitzen im glo- tenden, wenn auch nachlassenden Rückenwind balen Rahmen, nicht zuletzt durch Aufholeffekte durch die Geld- und Fiskalpolitik sowie auf einen im Zuge coronabedingt zurückgestauter Konsum- großen statistischen Überhang von knapp zwei ausgaben und Investitionen. Prozentpunkten. In der Summe tun wir uns leicht damit, für den Euroraum sowohl für 2021 als auch Die monatliche Umfrage der EU-Kommission zu für 2022 eine Zuwachsrate des Bruttoinlandspro- den Lagerbeständen der Unternehmen förderte dukts von gut fünf Prozent zu prognostizieren. Europäische Union: Saldo der Einschätzung zu den Lagerbeständen der Unternehmen (Monatswerte, saisonbereinigt). 30 30 25 25 20 20 15 15 10 10 5 5 0 0 –5 –5 Wirtschaftsausblick – 10 – 10 – 15 – 15 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Hinweis: Negative Werte geben unzureichende oder knappe Bestände an. Quellen: Vorleistungen Kapitalgüter Gebrauchsgüter Verbrauchsgüter Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_32
»Die monatliche Umfrage der EU-Kommission zu den Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Lagerbeständen der Unternehmen zeigt, dass diese über- wiegend knappe oder unzureichende Bestände an Vor- leistungen, Kapitalgütern und Gebrauchsgütern haben.« Dr. Jens-Oliver Niklasch, Senior Economist Euroraum: Saldo der Erwartungen zu den Verkaufspreisen der Unternehmen (Monatswerte, saisonbereinigt). 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 – 10 – 10 21 – 20 – 20 – 30 – 30 2000 2003 2006 2009 2012 2015 2018 2021 Hinweis: Positive Werte zeigen die Erwartung steigender Absatzpreise an Euroraum Deutschland Frankreich Italien Quellen: Refinitiv, LBBW Research Inflation 2022: die große Unbekannte. Mehrwertsteuersätze weg: eine Entlastung, für sich genommen, von einem halben Prozentpunkt. Die große Unbekannte in den Rechnungen ist die Überdies sollten ab Jahresbeginn, verstärkt dann Inflation. Per Oktober 2021 zog die Inflations ab dem Frühjahr, Basiseffekte aus starken Preis- rate im Euroraum auf 4,1 % an: ein Wert, der sprüngen der Vergangenheit bei Energie winken. zuvor letztmalig 2008, im Umfeld der Welt- Beides zusammen dürfte zu einem leichten Rück- finanzkrise, erreicht worden war. Auf eine mittle- gang der Inflation im Euroraum von 2,5 % im Jahr re Frist sehen wir kein nennenswertes Abflauen 2021 auf 2,4 % im Folgejahr führen. Dabei soll- des Drucks. Gemäß Umfragen der EU-Kommis- ten in der ersten Jahreshälfte noch relativ hohe sion planen saldiert nahezu 40 % der Unterneh- Inflationsraten dominieren. men im Euroraum, ihre Absatzpreise zu erhöhen; in Deutschland sind es rund 45 %. Das Risiko für unsere Inflationsprognose liegt gleichwohl auf der Oberseite. Die Löhne und Ge- Erholt sich die Konjunktur erwartungsgemäß hälter sind erwacht; die Energiepreise haben vom Corona-Schock, dürfte der Spielraum der sich noch nicht wieder beruhigt; die Pläne der Wirtschaftsausblick Unternehmen, höhere Einstandspreise an die je- EU-Kommission für einen »Green Deal« sprechen weilige Abnehmerschar überzuwälzen, weiter für eine Verteuerung des CO2-Preises. Alles in al- steigen. Für einen kurzfristigen Rückgang der In- lem erwarten wir auf mittlere Frist Inflationsra- flation sprechen indes ebenfalls gewichtige Argu- ten oberhalb der Niveaus aus der Zeit zwischen mente. In Deutschland fallen Anfang 2022, rech- Ausbruch der EWU-Schuldenkrise und Beginn nerisch, die Effekte aus der Rückerhöhung der der Corona-Pandemie. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_33
02.7 Deutschland Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Zeitenwende voraus? • Inflation so hoch wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr; Rückgang zeichnet sich ab • Chipmangel bremst die Industrie • Nachholeffekte und statistischer Überhang prägen Ausweis der Wirtschaftsleistung Dr. Jens-Oliver Niklasch Deutschland 2022: Vieles wird sich ändern. nach oben verzerrt, die Kapazitäten unterausge- lastet. Das Wort »Stagflation« macht die Runde: Im neuen Jahr wird vieles anders. Nach 16 Jah- eine Kombination aus Inflation und schwachem ren Amtszeit tritt in Deutschland Bundeskanz- Wachstum. Bei Licht besehen, ist der Auftrags- lerin Angela Merkel ab. Eine neue Bundes- bestand der Unternehmen ungewöhnlich hoch; regierung ist am Zug; sie wird viel Wert auf die ein Boom zum Aufholen der Pandemieverluste Nachhaltigkeit legen. wäre in greifbarer Nähe. Doch eine Kombination ungünstiger Umstände führt zu einem Produk- Anders werden muss es auch in Sachen Inflation. tionsstau; so bremsen Engpässe an Vorleistun- Im ablaufenden Jahr legte deren Rate per Okto- gen, insbesondere Mikrochips, die Produktion ber auf ungewohnt hohe 4,5 % zu. Sonderfaktoren namentlich in der Automobilindustrie. Zugleich 22 spielten eine Rolle: Mehrwertsteuer, Energieprei- erscheint das Risiko als real, dass bei Fortdauer se. Wer in der Zeitreihe vergleichbare Größen- der Hemmnisse zumindest eine stagflationsähn- ordnungen wie gegenwärtig sucht, muss in die liche Situation eintritt. Setzen die Beschäftigten Boom-Zeit nach der deutschen Wiedervereini- unter den aktuell gegebenen Vorzeichen über- gung zurückgehen. durchschnittliche Lohnerhöhungen durch, könn- ten die Unternehmen versucht sein, diese stei- Bei alledem befindet sich die deutsche Wirtschaft genden Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen: Eine nicht in einem Boom. Durch Effekte der Pandemie Lohn-Preis-Spirale käme in Gang. Auslöser einer sind die Zuwachsraten der Wirtschaftsleistung solchen Entwicklung könnte beispielsweise eine Ausgewählte Preisindizes (Veränderung in % Y–Y; Monatswerte). 6 18 5 15 4 12 3 9 2 6 1 3 0 0 –1 –3 –2 –6 –3 –9 Wirtschaftsausblick –4 – 12 –5 – 15 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Verbraucherpreise (linke Skala) Erzeugerpreise (rechte Skala) Großhandelspreise (rechte Skala) Importpreise (rechte Skala) Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_34
»Man muss bis in die Boom-Zeit nach der deutschen Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 Wiedervereinigungzurückgehen,umfürDeutschland ähnlichhoheInflationsratenwiederzeitzufinden.« Dr. Jens-Oliver Niklasch, Senior Economist derzeit diskutierte, deutliche Anhebung des Min- Realwirtschaft: Angebotsengpässe weichen destlohns sein, wenn diese Lohndruck auf die da- zurück. rüberliegenden Gehaltsgruppen auslöste. Der Eingang der monatlichen Neuaufträge ver- Zugegeben: Der Zusammenhang von Mindestlöh- lief im Verarbeitenden Gewerbe bis einschließ- nen und Inflation ist mitnichten eindeutig. Statt lich Juni rege und erreichte Werte weit oberhalb Inflation kann eine Mindestlohnerhöhung auch der Vor-Pandemie-Niveaus. Im August gab es zu steigender Arbeitslosigkeit oder zu einer einen herben Rückschlag, der für sich genom- Kombination aus beidem führen. Das Mindest- men nicht viel aussagte. Bei alledem hinkt die lohngesetz gilt in Deutschland seit 2015. Bislang Produktion hinterher; die Niveaus aus der Zeit liegen nicht genug Erfahrungswerte vor, um hier vor Ausbruch der Pandemie hat sie noch nicht brauchbare Prognosen abzugeben. wieder erreicht: Indiz für den inzwischen oft be- klagten Mangel an Material. Unter der Annah- Die Lohnstückkosten sind seit Beginn der Pan- me, dass ein Großteil der Rückstände im kom- demie zwar im Schnitt um rund 3 % zum jeweili- menden Jahr abgearbeitet werden kann, sowie gen Vorjahresvergleichszeitraum gestiegen: stär- angesichts eines hohen statistischen Überhangs ker als mit dem Inflationsziel der EZB von 2 % von vermutlich rund 2 % erwarten wir für 2022 vereinbar. Allerdings liegt dies auch an Produk- eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um hohe 23 tionsschwankungen im Takt der coronabeding- 5,0 % zum Vorjahr. Hierbei sind wir uns bewusst, ten Lockdowns. Im zweiten Quartal 2021 stieg in einem gewissen Ausmaß dem Prinzip »Hoff- die Wirtschaftsleistung um 1,6 % zum Vorquar- nung« Raum zu geben. Die Anzahl der Erwerbs- tal; die Lohnstückkosten legten mit 0,5 % zum tätigen dürfte 2022 zwar zunehmen, aber das Vorjahreszeitraum nur geringfügig zu. Alles Vorkrisenniveau noch nicht wieder ganz errei- in allem erwarten wir keine nennenswerten chen. Ende 2019 lag die Anzahl der Erwerbstä- Zweitrundeneffekte. Wir sehen für Deutschland tigen bei 45,2 Mio.; zur Jahresmitte 2021 waren einen Rückgang der Inflation nach 3,1 % im lau- es 44,6 Mio. fenden Jahr auf 2,6 % im Jahr 2022. Verarbeitendes Gewerbe: Produktion und Auftragsbestand sowie dessen Reichweite (Monatswerte). 130 21 120 18 110 15 100 12 90 9 80 6 70 3 Wirtschaftsausblick 60 0 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Produktion im Produzierenden Gewerbe ohne Bau und Energie (linke Skala, indexiert, Jahresmitte 2015 = 100) Auftragseingang Verarbeitendes Gewerbe (linke Skala, indexiert, Jahresmitte 2015 = 100) Reichweite in Produktionsmonaten (rechte Skala) Quellen: Refinitiv, LBBW Research B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_35
02.8 Wirtschaftsentwicklung: Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2022 unsere Szenarien. Dr. Jens-Oliver Niklasch Hauptszenario: Inflation und solides Wachstum. 65 % In unserem Hauptszenario bleibt die Corona-Pandemie alles in allem beherrsch- bar und die Weltwirtschaft auf einem soliden Wachstumspfad. Zwar ist aus den Vereinigten Staaten auf Sicht mit geringerem Rückenwind zu rechnen, sobald die Fed ihre Anleihekäufe zurückfährt und gegen Jahresende 2022 ihre Leit- zinsen anhebt. Die EZB steht aber länger auf dem Gaspedal. Überdies bleibt 65 % die Fiskalpolitik im Boot: Ausgabenprogramme greifen auch 2022. Inflation ist zwar auch 2022 ein Thema, verliert aber, zumindest in Europa, in der zweiten Jahreshälfte an Brisanz. Für die Vereinigten Staaten sehen wir ein nur mäßi- ges Abflauen des Preisdrucks, speziell mit Blick auf einen dort angespannteren Arbeitsmarkt. In diesem Szenario erwarten wir moderat steigende Zinsen und weiter freundliche Aktienmärkte. 24 Risikoszenario: mehr Inflation, weniger Wachstum. 20 % In diesem Szenario nimmt der Inflationsdruck weiter erheblich zu, nicht zuletzt gespeist aus erneut steigenden Energiepreisen und Zweitrundeneffekten. Eine Lohn-Preis-Spirale kommt in Gang, die eine entschiedene Reaktion der Geld- politik provoziert. Steigende Zinsen ziehen, angesichts hoher Schuldenstände 20 % im staatlichen wie im privaten Sektor, ein »Deleveraging« und einen spürbaren Rückgang der realen Güternachfrage nach sich. Die Renditen klettern vorüber- gehend erheblich; die Aktienkurse geben deutlich nach. Optimistisches Szenario: Wachstum, wenig Inflation. 15 % Dieses Szenario setzt bei der Erfahrung aus der Corona-Pandemie an, dass das globale Wirtschaftssystem tatsächlich sehr anpassungsfähig ist. Die Industrie- staaten ernten die Früchte einer beschleunigten Digitalisierung. Auch steigen die Potenzialwachstumsraten über das jeweilige Vor-Pandemie-Niveau, was die zunehmenden demografischen Kosten nennenswert kompensiert. In den Emer- ging Markets sorgen umfassende Impfungen für ein Ende breit angelegter Lock- 15 % Wirtschaftsausblick downs. Die Inflationsrate in den Industrieländern fällt in den »Wohlfühlbereich« der Notenbanken zurück. Die Renditen steigen nur moderat und verträglich; die Aktienmärkte erleben eine spannungsfreie Hausse. B0221003_01_01_Bro_LB_Ausblick_2022_210x280.pdf - Nov_05_2021 11_32_36
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